(Verwechslung von Zeit oder Raum; extrem lange Schweigepausen,ungewöhnliche Details) <strong>und</strong> inkohärent, z. T. sogar irrational.Aus diesen vier Definitionen geht hervor, daß die Operationalisierung vonBindungsstatus oder -typologie, sei es der „organisierte„ oder „desorganisierte„Modus, bewußt eng gefaßt <strong>und</strong> sich ausschließlich auf die AAI-Fragen zubestimmten Bindungsthemen bezieht. Durch diese Einengung des Konstrukts„Bindungsrepräsentation„ <strong>und</strong> deren sprachliche Charakteristika ist dieunbedachte Generalisierung von Verarbeitungsstrategien auf andere wichtigeLebensbereiche , wie z. B. Sexualität, Aggression oder Arbeit nicht zulässig (s.a. Crowell et al. (1996). Ähnlich dem strukturellen <strong>Interview</strong> von Kernberg(1981), das mit Klärung, Konfrontation <strong>und</strong> Interpretation arbeitet, sind imAAI die Spezifizierung bzw. Konkretisierung als Fragetechnik dazu geeignet,den Grad an Integrationsfähigkeit bezüglich Bindungsthematik zu überprüfen.Auch sollte an dieser Stelle erwähnt werden, daß Main & Goldwyns (1996)Definitionen der sog. unverarbeiteten Traumata/Verluste aus derentwicklungspsychologischen Forschung 2 , zunächst mit Normalpopulationen,entstanden sind <strong>und</strong> eine Konf<strong>und</strong>ierung der Begrifflichkeiten mitpsychoanalytischen Konzepten (z. B. Abraham <strong>und</strong> Torok 1987) oder anderenmodernen Traumatheorien (z. B. van der Kolk et al., 1996; LeDoux, 1996,1998; Power <strong>und</strong> Dalgleish, 1997) nicht ratsam erscheint, da hier in der Regeldavon ausgegangen wird, daß das Trauma nicht als Narrativ encodiert bzw.erinnert wird.Wir haben zwei Kasuistiken ausgewählt, um nun im folgenden dieUnterschiedlichkeit der sprachlichen Organisation von Bindungsthemen im AAIfallbezogen zu veranschaulichen <strong>und</strong> mit der psychoanalytischen Perspektive inZusammenhang zu bringen.<strong>Das</strong> Verständnis von Bindungsdynamik dargestellt an zwei Einzelfällen 32 Transgenerationale Studien haben einen Zusammenhang zwischen elterlichen unverarbeiteten Traumata bzw.Verlusten, gemessen mit dem AAI, <strong>und</strong> kindlicher Desorganisation in der Fremden Situation mehrfach nachgewiesen(Main <strong>und</strong> Hesse, 1990; van IJzendoorn et al., 1999, Solomon <strong>und</strong> George, 1999). Formen der Desorganisiertheit bei1jährigen Kindern werden in der Fremden Situation (Ainsworth et al., 1978) identifiziert <strong>und</strong> sind definitionsgemäß(Main <strong>und</strong> Solomon, 1996) unvereinbare Verhaltensweisen wie z. B. stereotype Bewegungen nach dem Aufsuchen vonNähe, Phasen der Starrheit, sog. "freezing", <strong>und</strong> Ausdruck von Angst gegenüber einem Elternteil. Die Kinder verfügenin der Trennungssituation über keine Bewältigungsstrategie, sie können weder Nähe zur Bindungsfigur herstellennoch sich ablenken. Main <strong>und</strong> Hesse (1990) haben hierzu die Hypothese aufgestellt, daß in diesen Dyaden bei denEltern eigene traumatische Erfahrungen durch das Kind reaktiviert werden, die bedrohlich <strong>und</strong> ängstigend sind, aberunbewußt bleiben. Diese Erwachsenen können auf ihre Kinder wiederum beängstigend wirken, da sie in der Interaktionmit ihnen einen Mangel an kohärenter Strategie zeigen <strong>und</strong> selbst orientierungslos erscheinen, z. B. wenn die Mutterein beängstigendes Gesicht macht, wenn das Kind in der „Fremden Situation„ bei der Wiedervereinigung auf siezuläuft. Somit erfährt das Kind eine Unterbrechung seiner Bindungsstrategie, da die Mutter in diesem Moment "keinensicheren Hafen" ist <strong>und</strong> eine „frightening-frightened„-Kollusion entsteht, die keinen Schutz bietet (George <strong>und</strong> West,1999).3 <strong>Das</strong> klinische Material stammt aus der Supervisionsarbeit von HK12
Fall 1: 46jähriger Patient mit einer depressiv-suizidalen Krise bei narzißtischzwanghafterPersönlichkeitsstruktur; Bindungsrepräsentation: „ärgerlichverstrickt„Ersteindruck <strong>und</strong> PsychodynamikDer 40jährige Patient, von Beruf Arzt, kontaktierte den Therapeuten aufAnraten seines Chefs. Im Erstgespräch erweckte er zunächst den Eindruck, alssei er nur auf Besuch, um sich dann dafür umständlich zu entschuldigen. Erberichtete über Probleme am Arbeitsplatz, wobei Hauptkonflikte hierarchischerNatur seien, sein vorgesetzter Oberarzt durchkreuze seine Pläne <strong>und</strong> stemple ihnzum Querulanten. Lebensgeschichtlich ließen sich diese Probleme auf einenKonflikt mit dem Vater <strong>und</strong> dessen fehlender Anerkennung zurückführen, wasin einer 40stündigen Fokaltherapie gut bearbeitet werden konnte. Der Patientresümierte am Ende dieser Behandlungssequenz, dass er die neu gewonnene„Freiheit des Denkens schätze, dass er sich nun mehr Raum geben könne, seineFrechheiten zu Ende zu bringen„. Sein zwanghaft-narzißtischer Charakterwurde etwas gelockert <strong>und</strong> seine berufliche Krise konnte er durch einenWechsel des Arbeitsplatzes gut bewältigen.Fünf Jahre später wendet sich der Patient erneut an seinen Therapeuten wegensich wiederholender suizidaler Impulse, die in engem zeitlichen <strong>und</strong> situativenZusammenhang mit einer krisenhaften Entwicklung seiner Beziehung zu seinerEhefrau stehen. Im Zusammenhang damit traten intensive Schlafstörungen auf,für die es keinen somatischen Anhalt gab. Der Patient wirkt diesmal nicht mehrgroßspurig <strong>und</strong> übererheblich, sondern bedrückt <strong>und</strong> hilflos gegenüber den ihmfremden Impulsen: „Ich habe Angst meine Kontrolle zu verlieren„. Auslöserder Verstimmungen ist eine Krise in der Ehe, von der er sich „überrascht„fühlt. Im beruflichen Feld, wo er wegen seiner Einsatzfreude geschätzt wird, ister weitgehend frei von Ängsten; nur der Gedanke, eine Trennung von seinerFrau bekannt geben zu müssen, ruft jeweils kurzfristig intensive soziale Ängsteim Kontakt mit seinen Berufskollegen hervor.Bereits während der vorausgegangenen Therapie war deutlich geworden, dassdie Beziehung des Patienten zu seiner Frau wenig lebendig erschien; dies warjedoch nicht weiter thematisiert worden. Nun ist der Patient ein Verhältnis zueiner überaus lebensvollen, jüngeren Frau eingegangen, das sein ganzes Denkenüber sich selbst, über Gott <strong>und</strong> die Welt in Frage stellt. Seine bisherigemoralische Rechtschaffenheit war sein Kapital, seine Überheblichkeit über denRest der Menschheit sein Triumph. Einerseits ist er überwältigt von derIntensität der sexuellen Erfahrungen, die er so noch nie kennen gelernt hat;13