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Baustein Lesekompetenz

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<strong>Baustein</strong> <strong>Lesekompetenz</strong>1. Generelle Zielsetzung des <strong>Baustein</strong>sDie Ergebnisse der PISA-Untersuchung haben zu einer umfassenden Reflexion derschulischen Arbeit im Bereich der Förderung von <strong>Lesekompetenz</strong> geführt. Hierausergibt sich auch eine Intensivierung der diesbezüglichen Arbeit in den Seminaren,vor allem im Hinblick auf die Förderung von Texterschließungsfähigkeiten in allenSchulfächern.Der <strong>Baustein</strong> <strong>Lesekompetenz</strong> steht im Kontext einer Rahmenvorgabe mitintegriertem Kerncurriculum. Die Rahmenvorgabe geht von professionellenKompetenzen von Lehrerinnen und Lehrern aus, wie sie im Abschlussbericht derKMK-Kommission zur Lehrerbildung genannt werden.Das Wissen um Lesen als Verstehensprozess sowie die Vermittlung und Diagnosevon <strong>Lesekompetenz</strong> gehören zu den professionellen Kompetenzen einer Lehrerinund eines Lehrers.Diese Kompetenzen werden im Verlauf des Vorbereitungsdienstes erworben. Daherwendet sich der <strong>Baustein</strong> <strong>Lesekompetenz</strong> an die Studienseminare aller Schulformenund –stufen.2. GrundlagenZur Entfaltung von <strong>Lesekompetenz</strong> bedarf es der Motivation zum Lesen und Nutzenvon Texten, d.h., es muss Leseinteresse geweckt werden. Daneben muss die stetigeWeiterentwicklung von Texterschließungsfähigkeiten von der ersten bis zurdreizehnten Klasse betrieben werden. Beide Aspekte müssen in einerüberzeugenden Verbindung unterrichtlich umgesetzt werden. Auf diese Weise wirktsich der Aufbau von <strong>Lesekompetenz</strong> auf schulische wie auch auf persönliche –dasPrivatleben betreffende- Entwicklungsprozesse aus.2.1. <strong>Lesekompetenz</strong>Ein pragmatisch-funktionaler Lesebegriff, wie er auch der PISA-Studie zu Grundeliegt, umfasst die Fähigkeiten des Textverstehens, des Nutzens und desReflektierens über Texte.(<strong>Lesekompetenz</strong> (Reading Literacy) heißt, geschriebene Texte zu verstehen, zunutzen und über sie zu reflektieren, um eigene Ziele zu erreichen, das eigene Wissenund Potenzial weiterzuentwickeln und am gesellschaftlichen Lebenteilzunehmen“OECD 2000, PISA 2000, S. 80)Die Teilfähigkeiten Informationen ermitteln, textbezogenes Interpretieren sowieReflektieren und Bewerten können auf unterschiedlichen Niveaustufen erreicht bzw.im Unterricht aktualisiert werde, indem diese als unterrichtliche Anforderungengestellt werden.1


In der PISA-Studie werden diese drei Teilfähigkeiten auf fünf unterschiedlichenKompetenzstufen beschrieben (PISA S.89). Auf der ersten Kompetenzstufe bedeutet„Informationen ermitteln“, ausdrücklich gegebene und leicht identifizierbareInformationen aus einem Text zu entnehmen, auf der fünften schwer lokalisierbareInformationen zu entnehmen und geordnet wiederzugeben.Auf der ersten Kompetenzstufe bedeutet „textbezogenes Interpretieren“ dasErkennen des Hauptgedankens in einem Text, auf der fünften das vollständige unddetaillierte Verstehen eines Textes mit unbekanntem Format und Thema.Auf der ersten Kompetenzstufe bedeutet „Reflektieren und Bewerten“ das Herstelleneiner einfachen Verbindung zwischen Informationen aus dem Text undAlltagswissen, auf der fünften eine kritische Bewertung oder das Bilden vonHypothesen.2.2. LeseforschungIm Rahmen der Ergebnisse der Leseforschung ist die Definition des Lesebegriffsgrundlegend für die gesamte schulische Arbeit und damit auch für die Vermittlung inSeminaren. Ohne Textverständnis kann nicht von Lesen gesprochen werden: Lesenist Verstehen. Lesen bedeutet mehr als die Beherrschung einer Technik (Rekodieren:Buchstaben in Laute übersetzen und zu Wörtern verschleifen), es umfasst immereine Sinn- bzw. Bedeutungsentnahme (Dekodieren).Lesen ist ein komplexer kognitiver Prozess -verbunden mit emotionalenBewertungen-, bei dem das gesamte sprachliche Wissen sowie sprachliche undaußersprachliche Erfahrungen und „Weltkenntnisse“ eines Menschen aktiviertwerden müssen.Die Sichtweise von Lesen als einem Hypothesen testendem Pozesses (mit stetigerAntizipation, Hypothesenbildung und –überprüfung) ist die Basis für ein gezieltesTraining von Teilfähigkeiten.2.3. TexlinguistikAus der Fülle textlinguistischer Theorien und Erkenntnisse kann ein grundlegenderTextbegriff ermittelt werden. Unter einem Text wird jede schriftliche wie mündlichekommunikativ funktionierende –d.h. kontextbezogene- Äußerung verstanden. Zu denschriftlichen Texten gehören auch Tabellen, Diagramme und Schaubilder.Textlingustik ist im Bereich der Grammatik angesiedelt (Grammatik als Regelsystemeiner Sprache), da zu einem umfassenden Grammatikbegriff auch die Textgrammatikgehört.Ein Text ist nach bestimmten Regeln konstruiert. In einem Text finden sichVerknüpfungen, und zwar im Hinblick auf syntaktische Merkmale (Verbindung vonunbestimmtem und bestimmtem Artikel, Nomen und Pronomen etc.), semantischeMerkmale (Verknüpfen von Bedeutungen, d.h. Abrufen von Vorstellungen und derenFestlegung im Kontext) und pragmatische Merkmale (Verknüpfung von Textteilen).Hat die Leserin oder der Leser alle Verknüpfungs- und Vorstellungsleistungenerbracht, kann die „Textkonsequenz“ erfasst werden, d.h., man versteht denGesamttext, man hat gemerkt, ob er zum Lachen, Nachdenken etc. führen soll. Ausdiesen Erkenntnissen der Textlinguistik ergeben sich Möglichkeiten zur Förderungvon Texterschließungsfähigkeiten, u.a. durch den Einsatz von Methoden zurTexterschließung.2


Aus den Erkenntnissen von Leseforschung und Textlinguistik folgt, dass Lesen einindividueller Prozess ist mit den entsprechenden didaktisch-methodischenSchlussfolgerungen. Dies gilt für alle Lese-Situationen in allen Fächern und für alleSchulstufen und –formen.2.4. Diagnostik im Bereich <strong>Lesekompetenz</strong>Wie die PISA-Studiee zeigte, wurde der größte Teil der Schülerinnen und Schüler der Risikogruppevon den Lehrkräften nicht als schlechte Leserinnen und Leser im Sinne der Definitionerkannt. Um jedoch den Lernvoraussetzungen entsprechende lesefördernde Angeboteplanen, strukturieren, durchführen und reflektieren zu können, müssen diagnostischeKompetenzen auf adäquatem fachwissenschaftlichem Hintergrund entwickelt werden.Lesediagnostik steht hierbei im Zusammenhang eines allgemeinen Verständnisses vonDiagnostik.Verständnis von DiagnostikUnter Diagnostik wird ein Prozess zur Erfassung individueller Fähigkeiten und Fertigkeitenverstanden, welcher die Interpretation und Auswertung der Ergebnisse mit einschließt.Hierbei bestimmt die Zielperspektive (z.B. Ableitung von Förder- bzw. Lernzielen, prognostischeAussagen in Bezug auf den Bildungsweg/ Schullaufbahn, die Leistung und/ oderEntwicklung einer Schülerin bzw. eines Schülers in Bezug zu einer Vergleichsgruppe setzen)die diagnostische Methode.Pädagogische Diagnostik ist durch folgende Tätigkeiten gekennzeichnet:AnalysierenInterpretierenVergleichenPrognostizierenFeststellen von Stärken und Schwächen umgezielte pädagogische Maßnahmen einleitenzu könnenOrdnen, Bewerten und Gewichten vonInformationenBezugspunkte sind das eigene Verhalten,das Verhalten anderer oder vorgegebenerVerhaltensnormen (z.B. Richtlinienbezug)Schlussfolgerungen von einemVerhalten/Lernstand auf zukünftigesVerhalten/ LernentwicklungDie Zielsetzung von pädagogischer Diagnostik liegt in dem Verstehen, dem Beurteilen undOptimieren von Lernprozessen, orientiert an entwicklungspsychologischen undfachdidaktischen Grundlagen. Pädagogische Diagnostik ist somit auch als Instrument derQualitätssicherung zu verstehen.Diagnostik im Hinblick auf <strong>Lesekompetenz</strong>Zu den standardisierten Verfahren gehören standardisierte Lesetests, die derzeitüberwiegend für die Grundschule angeboten werden. Zu den informellen Verfahrengehören informelle, -z.B. selbst erstellte- Tests sowie das breite Spektrum derBeobachtung.3


Da Lesen ein individueller Prozess ist, müssen auch die individuellen Zugänge derSchülerinnen und Schüler zu Texten erkannt und im Sinne der Förderung bewertetwerden. Die „Beobachtung“ als informelles Verfahren ist insbesondereunterrichtsbegleitend einsetzbar und ermöglicht das Einnehmen einer diagnostischenPerspektive im alltäglichen Unterricht in allen Fächern und mit verschiedenenTextsorten. Zur Erfassung der individuellen <strong>Lesekompetenz</strong> bieten sich allgemeinproduktionsorientierte Verfahren wie auch Frageverfahren (freie Fragen sowieMultiple-choice) an, die den Schülerinnen und Schülern lernstandsgerecht angebotenwerden.3. Kompetenzen für den Standardbereich UnterrichtenUm Lehrprozesse im Bereich <strong>Lesekompetenz</strong>-Förderung sach- undadressatengerecht zu gestalten und Lernprozesse mit dem Ziel der Selbstständigkeitder Schülerinnen und Schüler zu unterstützen, müssen folgende Teilkompetenzenerworben werden:• Texte im Hinblick auf das Wecken von Interesse und das Schaffenvon Lesemotivation und im Hinblick auf Anforderungen an dasVerstehensniveau passend auswählen-der Individualität der Kinder und Jugendlichen entsprechend ihren Lernstandund ihre Leseinteressen ermitteln und bei der Textauswahl und dem Einsatzdifferenzierender Maßnahmen berücksichtigen-Texte im Hinblick auf einen differnezierten, zeitgleichen –parallelen- Einsatzim Unterricht bewerten-geschlechtsspezifische Leseerfahrungen und –interessen in allen Altersstufennutzen-den Austausch von Leseerfahrungen ermöglichen, auch umgeschlechtsspezifische Zugriffe und Beschränkungen abzubauen-den Bezug zur Lebenwirklichkeit der Kinder und Jugendlichen bedenken-Texte im Hinblick auf unterschiedliche Kompetenzstufen für die BereicheVerstehen, Nutzen und Werten analysieren, damit die entsprechendenAufgaben gestellt werden können• Die Bedeutung des "stillen Lesens" für den Verstehensprozesskennen, umsetzen und gegenüber dem Lesevortrag abgrenzen-den Texterschließungsprozess bei unbekannten Texten durch stilles Lesenentsprechend dem Alltagshandeln im individuellen Tempo lernstandsgerechtermöglichen-individualisierende bzw. differenzierende Maßnahmen adäquat einsetzen4


-schriftliche Handlungsanweisungen und Arbeitsaufträge als Leseanforderungbewusst setzen und durch stilles Lesen und selbstständiges Umsetzen zurLeseförderung nutzen-den Lesevortrag als Gestaltungsaufgabe adäquat einsetzen(mündliche Sprachförderung, Präsentation von Texten für Zuhörende)• Die Überprüfung des Textverständnisses ritualisieren-eine Fragekultur im Umgang mit Texten entwickeln-das globale Textverständnis (roter Faden, Kernaussagen) auch im Hinblickauf nicht Deutsch sprachige Kinder und Jugendliche sichern• Das Textverstehen thematisieren-Sensibilität für Verständnisschwierigkeiten einzelner Schülerinnen undSchüler entwickeln-Lesestrategien vermitteln und reflektieren-Reflexionsgespräche über Textverstehen (Sinnkonstruktion) führen-die Selbsteinschätzung von Schülerinnen und Schülern im Hinblick aufTextverstehen anleiten und für den Lernprozess nutzen• Einzelfähigkeiten im Hinblick auf Texterschließung trainieren(Texterschließungsverfahren kennen und textadäqat und zielgerichtet anweden )-das Regelsystem von Texten durchdringen und hieraus resultierendeMethoden text- und lerngruppenadäquat auswählen und damit ein Training imHinblick auf Verknüpfungen in Texten, im Hinblick auf Bedeutungsaspekte, imHinblick auf die Realisierung aller Verstehensanweisungen ermöglichen-Worterklärungen aus dem Kontext ermitteln-Antizipation und Hypothesenbildung als Teilfähigkeit (bzw. als grundlegendeKompetenz) zur Texterschließung thematisieren und entsprechende Übungenadäquat einsetzen-auf der Basis von Diagnose von Lesefähigkeiten unterschiedlicheTrainingsmethoden individualisierend und differenzierend einsetzen-Diagnoseverfahren kennen und ihre Einsatzmöglichkeiten bewerten-Diagnoseverfahren zielgerichtet einsetzen und die gewonnenen Erkenntnisseim Sinne einer individuellen Förderung umsetzen5


4. Empfehlungen für die Umsetzung des <strong>Baustein</strong>s <strong>Lesekompetenz</strong>in Seminar und AusbildungsschuleVerankerung des <strong>Baustein</strong>s „<strong>Lesekompetenz</strong>“ im Seminarprogramm bzw. imAusbildungscurriculum eines Seminares1. Bereitschaft zur Auseinandersetzung mit der Fragestellung erzeugen• Begründungszusammenhang transparent machen• Pisa-Studie erläutern/Lesebegriff klären• spezifische Bedürfnisse der einzelnen Seminare (von P bis SII-BK)artikulieren• das Seminarprofil, das Seminarprogramm sowie denSeminarentwicklungsprozess berücksichtigen• die Kooperationsformen mit den Ausbildungsschulen nutzen2. „Implementation“ des <strong>Baustein</strong>s• Gründung einer seminardidaktischen Arbeitsgruppe (Motivation durchAufklärung schaffen; Anbindung an eine „Steuergruppe“ gewährleisten;konkrete Aufgabenstellung und Zeitrahmen für die AG-Arbeit vorgeben)• Entwicklung von konkreten Umsetzungsvorschlägen auf der Basis des<strong>Baustein</strong>sz.B. Planung, Durchführung und Evaluation eines „PädagogischenTages“ zum Thema „<strong>Lesekompetenz</strong>“ bzw. eines Thementages,Workshops etc.Hinweise für die Umsetzung des Themas iin Haupt- undFachseminaren und anderen Seminarveranstaltungen;Kooperationsfelder mit den Ausbildungsschulen absprechen.3. Evaluation, Einbindung des <strong>Baustein</strong>s in den Ausbildungsprozess4. Absprachen mit den Ausbildungsschulen, gemeinsame Veranstaltungen<strong>Baustein</strong> <strong>Lesekompetenz</strong> Stand 31.01.03ArbeitsgruppeVorsitz: Erika Altenburg, Bez.Reg. Köln, Dez. 46.01Mitglieder der Arbeitsgruppe:Anselm Bischoff, Studienseminar SP BielefeldUrsula Hermes, Studienseminar S II G GummersbachUlla Hoffmann, Studienseminar P BocholtMarie-Therese Lange, Studienseminar SP BielefeldElke Sinn-Hollander, Studienseminar S I HagenGünter Conrad-Strickling, Studienseminar S II BK Düsseldorf6

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