Neolithikum und Megalithkultur in Tibet - Horst Südkamp ...

Neolithikum und Megalithkultur in TibetHorst Südkamp

InhaltDie ältesten Siedlungsspuren im Hochland von Tibet ........................................................ 6Paläolithische Wilbeuter-Siedlungsspuren in Tibet........................................................... 12Macrolithe von Shuidonggou (Ost-A-mdo) ...................................................................... 17Ordos- und A-mdo- Mikrolithe......................................................................................... 18Taubenberg-Becken (Ost-A-mdo) Mikrolithe................................................................... 20Die heutige Lage der vorgeschichtlichen Fundplätze Tibets ............................................ 21Das ethnogenetische Feld................................................................................................... 24Die Impulse Ostkaspischer Kultur auf die Lungshan-Kultur.......................................... 29Ostkaspische Einflüsse auf das Lung-shan Neolithikum ................................................... 31Das tibetische Neolithikum unter „pontischem“ Einfluß ................................................. 35Yang-shao, Kansu oder das Osttibetische Neolithikum ................................................... 49Liu-wan............................................................................................................................ 50Eurasische Vorbilder ........................................................................................................ 55Yang-shao........................................................................................................................ 56Ostibetisches Neolithikum ................................................................................................. 58Pan-shan .......................................................................................................................... 58Ma-chia-yao..................................................................................................................... 62Ma-ch’ang........................................................................................................................ 64Liu-wan............................................................................................................................ 65Ch’i-chia .......................................................................................................................... 66Hsin-tien .......................................................................................................................... 68Die Kultur von mKhar-ro und dByen-mdo........................................................................ 69Tanzende Fuguren: Tepe Sialk, Samarra, Tepe Hisar, Ragar............................................. 78Zangri (bZangs-ri)-Kultur ................................................................................................ 79Bogen und Rechteckmesser.............................................................................................. 80Zentral- und westtibetisches Neolithikum......................................................................... 81Die Ch’iang-Kultur von No-mu-hung............................................................................... 81Die Zeugnise aus Nying-Khri und Me-thog...................................................................... 82Die Fundstellen sNe’u-gDong’s und Phyong-rgyas’ ......................................................... 83Ch’u-khung / Chos-gong (chin.Qugong).......................................................................... 86Ch’u-khu / Chos-go / Qugong....................................................................................... 87Bronzezeitliche Übereinstimmungen................................................................................. 92Raubtiere, die Huftiere reißen oder verfolgen: ................................................................ 104Das Hirschmotiv in Eurasien und Tibet .......................................................................... 105Der „Gehörnte“ in Eurasien und Tibet............................................................................ 106Streitwagen und Gespanne auf Felsbildern in Eurasien und Tibet ................................... 1093

Der Zeithorizont der Steinkammergräber...................................................................... 112Tibetische Megalithkultur ............................................................................................... 115Tibetische Fels- und Höhlenzeichnungen........................................................................ 135Felsbilder aus Zhang Zhung ........................................................................................... 154Tibetische Felsbilder, die Chen Zhao Fu dokumentiert hat ............................................. 162Die Felsbilder A-mdos: Halonggou und Bahamaoligou.................................................. 166Anhang 1 Paläo- und mesolithische Fundstellen in Tibet.............................................. 169Literatur........................................................................................................................... 1704

Die ältesten Siedlungsspuren im Hochland von Tibet 1Im Rahmen seiner Forschung über heiße Quellen auf dem Hochland vonTibet stieß David Zhang 1986 in Tuffsteinflächen in der Nähe einer heißenQuelle am sTod-lung Chu (Tolung Fluß) auf menschliche Abdrücke. Erkehrte 1995 an diese Stelle zurück, um die Zeugnisse zu sichern.1999 konnte er zusammen mit dem Spezialisten für physikalische Datierungsmethoden,Shenghua H.Li, das Alter dieser Abdrücke annähernd genaubestimmen.Diese 20.000 Jahre alten Hand- undFußabdrücke belegen, daß Menschenbereits während der letzten Eiszeit, also15.000 Jahre früher als bisherangenommen, auf dem Hochland vonTibet gelebt hatten, und zwar etwa zurgleichen Zeit wie jene drei Peking-Menschen der Zeitstufe der sog. „Oberhöhle“.Diese erst vor kurzem entdeckten Lebenszeichenlassen Zweifel aufkommenan der bisher gültigen Auffassung, nachder Tibet während der Eiszeit unterDer Handabdruck eines eiszeitlichenTibeters, 20.000 Jahre alt.einer kilometerdicken Eisschicht lag.David Zhang und S.H. Li, beide Professorender Universität von Honkong, untersuchten die in marmorähnlichemGestein eines Berghangs am Chubbzang Chu 2 gefundenen Abdrückevon wenigstens 6 Personen, darunter 2 Kindern. Das Gestein muß sich diesenSpuren zufolge zur Entsehungszeit der Abdrücke in einem schlammartigenZustand befunden haben. Die Abdrücke finden sich auf einemAreal von 700m 2 auf Travertine, und zwar aufgeteilt in zwei Gruppen. Vonden insgesamt 19 Abdrücken sind 10 Fußabdrücke, die anderen 9 Handabdrücke.1 Zhang, David D.; Li, S. H., Optical dating of Tibetan human hand- and footprints: An implication for the palaeoenvironmentof the last glaciation of the Tibetan Plateau, Geophysical Research Letters 29, 2002, p.161-1632 Chub-bzang Chu, wie der sTod-lung Chu von der Lokalbevölkerung auch genannt wird. Er liegt etwa 85 km vonLhasa entfernt.6

Räumliche Verteilung der Abdrücke von Chusang (Zhang & Li, 2002)In der Nähe dieserSpuren, d.h. in derNähe der westlichgelegenen Abdrücke,entdecktensie außerdem eineFeuerstelle undReste einer primtivenFeuerstelle,beides Indizien fürein Lager, wennnicht gar für eineSiedlung.Bis zum Zeitpunktdieser Entdeckung waren die ältesten Siedlungshinweise in Tibet rund5000 Jahre alt. Sie stammten aus dem Neolithikum, was die Archäologenveranlaßte, die Besiedlung Tibets in das Mittelneolithikum zu verlegen.Diese Entdeckung widerspricht aber auch der bislang gültigen Aufassungder Geologen, nach der Tibet, wie bereitsgesagt, während der letzten Eiszeit untereiner kilometerdicken Eisdecke lag. Nachden neuen Funden muß angenommenwerden, daß auch während der letzten Eiszeitzumindest Teile des Hochlands vonTibet, das heute im Durchschnitt 4200müber dem Meeresspiegel liegt, eisfreiwaren.Wahrscheinlich ermöglichten es dort dieheißen Quellen jenen frühen Siedlernnicht nur unter diesen ExtrembedingungenVersteinerte Fußabdrückezu leben, sondern auch ihre Spuren derNachwelt zu bewahren.Das Wasser dieser heißen Quellen ist bekanntlich gas- und mineralreich.Wenn Carbondioxyd-Gase im Wasser austreten, bilden sich Minerale wiez.B. Clacite, die sich im Wasser zu einem weichen Schlamm sammeln, derausgehärtet zu festem Tuffgestein wird, das man Travertine nennt.Dank dieser Eigenschaft der heißen Quellen entstanden die versteinertenSpuren der Eiszeitmenschen des tibetischen Hochlandes. Bis jetzt sind,7

wie bereits gesagt, 19 Hand- und Fußspuren in der Nähe des Chub-bzangChu gefunden worden.Zhang und Li datierten dieOSL Datierung der Chusang-Spurennach Zhang & Li (2002)Sample code Ort Optisches Alter (kyr)XZ1 Herd 20,6 +/- 2,9XZ2 Abdruck 1 21.1 +/- 2,1XZ3 Abdruck 2 21,7 +/- 2,2Travertineschicht anhandder Quartzkörner, die einstin den noch weichenSchlamm gefallen seinmußten und dann von demzum Travertine verhärtetenTuffgestein eingeschlossenwurden. Der Quartz liefert die Grundlage des Zeitmaßes, weil er Licht ausstrahltproportional zur Zeit, in der er zuletzt erwärmt oder dem Sonnenlichtausgesetzt wurde. Dieses Verfahren der Zeitbestimmung heißt Thermoluminiszenzdatierung.Der eingeschlossene Quartzreichert Energie an, die er vonder Strahlung solcher Nachbarelementemit natürlicher radioaktiverStrahlung beziehtwie Uranium oder Thorium.Die aufgefangene Energie gibter schließlich als Licht ab. Jelänger die Zeit dauert, in welcherder Quartz derartigenEnergien ausgesetzt ist, destoHand und Fußabdrücke vonChusang (Zhang & Li, 2002)größer ist die von ihm angesammelteEnergie und dementsprechenddesto stärker seine Lichtabgabe.Wenn Hitze oder Sonnenlicht die eingefangene Energie freiläßt, wird die„Quartzuhr“ auf Null gestellt, was auch in dem Fall geschah, als dieQuartzkörner in den warmen Calcit-Schlamm jener heißen Quelle fielen,in denen die eiszeitlichen Siedler des tibetischen Hochlands ihre Abdrückehinterließen.Wenngleich diese Hand- und Fußabdrücke auch nichts über ihre rassischeoder ethnische Zuordnung aussagen, so gestattet doch der Zeitraum ihrerEntstehung und die Besiedlungsrichtung eiszeitlicher und nacheiszeitlicherWildbeuter in Tibet, diese Menschen nordwestasiatischen Populationenzuzuschreiben.8

Nicht weit von dieser Fundstelle der Abdrücke entfernt, 200km nordwestlichliegen die Makrolithenfundstätten von Zuoluole und Luling, mit derenKultur man diese Wildbeuter vom Chusang oder Toling zumindest hinsichtlichdes Alters dieser paläölithischen Fundstelle und ihrer relativenNähe in Beziehung setzen kann, deren Alter von An Zhimin (1982) undChayet (1994) auf 20.000 Jahre geschätzt wurde.Leider ist die archäologische Übersicht über die Vorgeschichte Tibets bisheute lückenhaft. Die Kenntnis von Fundstellen auf dem Hochplateau inHöhen zwischen 3600m Mh und 4800m Mh wächst aber seit 1960. Ab1970 begannen chinesische Archäologen sich für einzelne dieser Fundstellennäher zu interessieren, verzichteten aber bis vor kurzem an diesenStellen auf Ausgrabungen. Man schätzte das Alter der tibetischen Fundortelieber durch Vergleich mit den bereits sicher datierten Stellen in Ost- undNord-Asien. Auf diesem Wege kam man zu dem Schluß, das auch das tibetischeHochland bereits vor 30.000 Jahren besiedelt gewesen seinmüßte. Weiter nahm man in diesem Zusammenhang an, daß die FundstelleXiao Qaidam 3 im Nordosten des Hochlandes von Tibet die älteste Fundstellesein dürfte. Wenngleich die Schichten der Funde, meist Steinwerkzeuge,nicht vor Ort datiert wurden, schloß man durch Vergleich mit bekanntenähnlichen Schichten auf ein Alter der Stelle zwischen 33.000 und35.000 Jahren.Neuere Untersuchungen lassen aber darauf schließen, daß Schichten undFundmaterial wesentlich jünger sein müssen, etwa 22.000 Jahre alt odernoch weniger. 43 Ein tibetischer Name für diesen Fundort ist nicht bekannt.4 siehe: M.S.Aldenderfer, Movin Up in the World, American Scientist, 91, 2003, p-5459

Aldenderfer schreibt: “The best current candidate for the oldest site iscalled Chusang. It is located in the central part of the plateau just to thewest of Lhasa at an elevation of 4,200 meters. Two scientists from theUniversity of Hong Kong, David Zhang and S. Li, discovered this site in1995” 5 (siehe oben).Der Nachweis der menschlichen Spuren von Chusang zwang Geologenund Archäologen zum Umdenken bisher gültiger Hypothesen über die Eiszeitin Tibet (siehe oben). Aldenderfer stellt dementsprechend heraus,“that, although the last glacial maximum may have been very cold andprobably arid as well, no such massive ice sheet existed. Glaciers coveredthe high mountain peaks but did not descend into the valley floors. Life atChusang must have been hard, but it was certainly possible. Still, gettingto the central part of the Tibetan plateau during the height of the last iceage would have been very difficult. (It’s tricky enough now.) So it makessense to suppose that people arrived somewhat earlier. From 50,000 to25,000 years ago, climatic conditions across the plateau were relativelybenign. Geologic evidence shows that the glaciers retreated and lake levelsrose, indicating a significant increase in precipitation compared with formertimes. It is reasonable to infer that temperatures also increased.As these processes unfolded, cold deserts transformed into steppes. Thismodest greening in turn would have led to the expansion in the range andnumbers of various large ungulates native to the plateau. Importantly,these improved conditions may have ameliorated the extreme aridity of thelarge basins just to the north (the Takla Makan and Gobi deserts), thusmaking movement onto the plateau from those areas more feasible.” 6Diese Einschätzung wird bestätigt durch die Forschungen Brantinghamsund der chinesischen Co-Autoren Ma Haizhou und Gao Xing, welche eineBesiedlung des tibetischen Hochlandes in drei Phasen rekonstruierenkonnten (siehe nächstes Kapitel), nach der die tieferen Lagen des tibetischenHochlands vor 25.000 Jahren zunächst von der Inneren Mongoleiaus besiedelt wurden. Von dort aus nahm man dann bereits vor dem Eiszeit-Höhepunktden Raum um die Seen von A-mdo in Angriff, der in Höhenzwischen 3000m Mh und 4000m Mh liegt. In dieser zweiten Phasemüssen sich auch die physiologischen Anpassungsprozesse der Hochlandbewohneran das Höhenklima vollzogen haben. Vor 23.000 oder 22.0005 M.S.Aldenderfer, Movin Up in the World, American Scientist, 91, 2003, p-5456 M.S.Aldenderfer, Movin Up in the World, American Scientist, 91, 2003, p-54610

Jahren setzte dann der Rückzug der Eiszeit ein, mit dem dann auch diedritte Stufe der Besiedlung des Hochlands von Tibet einsetzt.In dieses Szenario passen auch die Altersangaben der Chusang-Funde,aber auch die molekulargenetischen Hypothesen über die Genesis des tibetischenVolkes, bei dem Polymorphismen zentral- und nordasiatischer,kaukasoider und mongoloider Herkunft nachgewiesen worden sind. 77 Siehe: H.Südkamp, Molekulargenetischer Beitrag zur Bevölkerungsgeschichte Tibets, unveröffentl. Manuskript11

Paläolithische Wilbeuter-Siedlungsspuren in TibetDie Besiedlung des tibetischen Hochlandes läßt sich mit Brantingham et al(2003) nach den drei Stufen der Landnahme erfassen, welche archäologischbisher greifbar wurden:Zuerst wurden die Höhenlagen des nördlichen Plateaus unter 3000m Mhvor allem in Kan-su, in derInneren Mongolei und Sinkiangbesiedelt. Danachwurden die Höhenlagenzwischen 3000m Mh und4000m Mh in Qinghai,welche größere Seenmuldenaufwiesen, in Besitzgenommen und schließlichdie Höhen Qinghais undZentral-Tibets, die über4000m Mh liegen. 8Höhenschnitt von der Badajaran Wüste in Richtung NOundSüd-Zentral-Tibet nahe Amdo.Aus: Brantingham et al. (2003)Die frühsten paläolithischenWildbeuter Tíbetslassen sich durch ihre eigentümlichenMethodender Steinbearbeitung identifizieren,d.h. anhand derlangen Steinklingen undSteinschneiden, die manzuerst in Ost-Tibet entdeckte,und zwar in denBodenschichten des Spätpleistozänsals dort die Seen ihren höchsten Wasserstand verzeichnetenund die Steppe Wildpopulationen im Überfluß ernährte. 98 Siehe: P.J.Brantingham et al., Speculation on the timing and nature of Late Pleistocene hunter-gatherer colonizationof the Tibetan Plateau, Chinese Science Bulletin, Vol. 48 No.14, 2003, p.15129 Siehe: P.J.Brantingham et al., Speculation on the timing and nature of Late Pleistocene hunter-gatherer colonizationof the Tibetan Plateau, Chinese Science Bulletin, Vol. 48 No.14, 2003, p.151212

Diese Wildbeuter lebten bereits an Fundstellen wie Shuidonggou 10 vor29.000 bis 25.000 Radiokarbonjahren (RJ) vor Heute (vH). Sie hatten sichalso das osttibetische Hochland bereits vor 25.000 RJ vH erschlossen.Mit dem Ende der Guliya Phase und im Übergang zum letzten Eiszeitmaximum(LGM= Last glacial Maximum vor 22.000 bis 18.000 RJ vH)veränderten sich die klimatischen und ökologischen Bedingungen der Wil-10 A.Chayet, Art et archeologie du Tibet, Paris 1994; R.G.Elston et al., New dates for the Chinese Mesolithic, Antiquity,71, 1997; D.Lie, The microblade tradition in China, Asian Perspectives, 36, 1980; D.D.Zhang, S.H.Li, Optical dating ofTibetan human hand- and footprints, Geophysical resarch Letters, 29, 199913

debeuter dramatisch. Ab 24.000 RJ vH sank der Wasserspiegel der Seenund viele dieser Seen trockneten aus, während die Steppen des Qinghai-Plateaus sich in Halbwüsten und Wüsten verwandelten. Vegetation undFauna zogen sich auf Zonen um die verbliebenen Seen zurück und zwangendie Wildbeuter zur Revision ihrer Überlebensstrategien.Archäologische Spuren lassen vermuten, daß dieser Klimawandel auch dieWildbeuter zu einem Rückzug aus ihren bisherigen Habitaten und zu einemAusweichen auf andere Gebiete zwang, unter anderem zu dem Versuchder Besiedlung höher gelegener Gebiete; denn selbst unter den Bedingungendes letzten Eiszeitmaximums boten die Höhenlagen über4000m Mh den Wildbeutern noch ausreichend Wasser, Vegetation undWild.Unter dem Druck der klimatischen Veränderungen mit dem Höhepunkt derletzten Eiszeit (vor 23.000 bis 22.000 RJ vH) griffen die Wildbeuter zunächstsaisonweise auf die Hochplateau-Ressourcen zurück und sahen sichschließlich nach dem Austrocknen so vieler Seen der Höhenlage unter4000 m Mh gezwungen, ganz auf das Hochplateau (über 4000m Mh) überzusiedeln.11Erst in einem Zeitraum zwischen 20.000 bis 18.000 RJ vH, also nach demAbklingen des Eiszeitzmaximums, konnten die Wildbeuter die tieferenLagen zwischen 3000m Mh und 4000 m Mh im Regenschatten des Himalajastellenweise wieder neu besiedeln. 12Archälogisches Fundgut, vor allem größere und kleinere Klingen undSchneiden in einer Technologie, die an das Paläolithikum Nordostasienserinnert, und wieder andere Klingen und Spitzen, die an frühere Funde ausdem Bya-Tha Reservat auf dem Hochplateau (über 4000m Mh) erinnern,13 verweisen auf einen Beginn der Besiedlung des Höhenraums zwischen3000m Mh und 4000m Mh in der Zeit zwischen 25.000 und 23.000RJ vH. 14Paläolithische Funde am Kunlun-Pass, 120km nördlich von Golmud, diejenen des Bya-Tha gleichen, legen es nahe, von einer Besiedlung desHochplateaus (über 4000m Mh) zum Zeitpunkt des Eiszeithöhepunktes (ab11 Siehe: P.J.Brantingham et al., Speculation on the timing and nature of Late Pleistocene hunter-gatherer colonizationof the Tibetan Plateau, Chinese Science Bulletin, Vol. 48 No.14, 2003, p.151312 Siehe: P.J.Brantingham et al., Speculation on the timing and nature of Late Pleistocene hunter-gatherer colonizationof the Tibetan Plateau, Chinese Science Bulletin, Vol. 48 No.14, 2003, p.151313 P.J.Brantigham et al., Lithic assemblages from the Byang Thang Region, Northern Tibet, Antiquity, 2001,75, p.319-2714 Siehe: P.J.Brantingham et al., Speculation on the timing and nature of Late Pleistocene hunter-gatherer colonizationof the Tibetan Plateau, Chinese Science Bulletin, Vol. 48 No.14, 2003, p.151314

23.000 RJ vH) auszugehen, während die Wiederbesiedlung des Qinghai-Plateaus nach dem Abklingen des Eiszeitmaximums (ab 20.000 RJ vH) erkennbarwird an der Mikroklingen-Technologie, die in China z.B. in denSchichten des ausgehenden Pleistozäns 15 gefunden wurden. 16Leider läßt sich das Alter der meisten auf dem Plateau gefunden Mikrolithenebenso wie das ihrer Fundstellen nicht genauer bestimmen, da essich um Oberflächenfunde handelt.Brantingham et al. (2003) unterzogen zwei Fundstellen im Süden desQinghai-Sees einer Radiokarbondatierung. Kohlereste eines Herds (Feuerstelle),gefunden beiJiangxigou, ergaben einAlter von 12420±50(Beta- 149997) RJ vH.Die Herdkohle einerFundstelle bei Heimahe 17Nordosttibetisches Plateau 1=Qinghai See, 2= XiaoQaidam,Da Qaidam, 3= Obsidianfunde Polizeistation 1; 5=Obsidianfunde Dogai Coring; 6= Chang Tang Fundlagen;Karte aus: Brantingham et al.(2003)brachte es auf ein Altervon 11070±40 (Beta-149998). Das Alter dieserHerd- oder Feuerstellenzeigt, daß Wildbeuter aufdem Qinghai-Plateau imHöhenraum zwischen3000m Mh und 4000mMh bereits vor dem Endedes Pleistozäns heimischwaren. 18Werkzeug aus Obsidianfand man im Bya-ThaReservat (ungefähr 4500m Mh), im Lava Camp und in Yako Hu (Nordtibet im Westen von A-mdo)sowie an einer Fundstelle, genannt Polizeistation 1 (A-mdo). Leider ist dasAlter dieser Gerätschaft ebenfalls unbekannt. 19 Da aber das Obsidian von15 Der Wechsel vom Pleistozän zum Holozän liegt vor ca 10.000 Jahren.16 Siehe: P.J.Brantingham et al., Speculation on the timing and nature of Late Pleistocene hunter-gatherer colonizationof the Tibetan Plateau, Chinese Science Bulletin, Vol. 48 No.14, 2003, p.151317 Bei Heimahe am Qinghai-See wurden fünf paläolithische Herdstellen entdeckt.18 Siehe: P.J.Brantingham et al., Speculation on the timing and nature of Late Pleistocene hunter-gatherer colonizationof the Tibetan Plateau, Chinese Science Bulletin, Vol. 48 No.14, 2003, p.151419 Siehe: P.J.Brantingham et al., Speculation on the timing and nature of Late Pleistocene hunter-gatherer colonizationof the Tibetan Plateau, Chinese Science Bulletin, Vol. 48 No.14, 2003, p.151415

Lava Camp und Polizeistation 1, d.h. von Fundstellen, die 200km Luftliniein west-östlicher Richtung von einander entfernt liegen, von der gleichenBeschaffenheit ist, kann man bei den Stätten in dem Byang-Thang Reservatund in A-mdo von einem einheitlichen kulturellen Komplex derWildbeuterkultur ausgehen.Spätpaläolitikum und Jungsteinzeit in Tibet:Jahre vor Heute Fundstellen Fundart Quelle30-25 kyr Shuidonggou(Ningxia)21 kyr Chu-sang(100 km NW von Lhasa)20-15 kyr ZhuoluoleLuling(200km NW von Chusang)15-13 kyr Byang Thang(200km NW von Chusang)10-5 kyr Byang Thang(200km NW von Chusang)A-mdo5,5 kyr mKharo(Chamdo)4 kyr Chu-khu(bei Lhasa)kyr= kilo yearsMousterien-Techn.Levallois-Techn.Zhang (1999); Lie(1998); Elston et al.(1997); Chayet (1994)Hand-, Fußabdrücke Zahng/Li (2002)Levallois-Techn.MikrolitheAn Zhemin (1982),Chayet (1994)MikrolitheBrantingham, Olsen,Schaller (2001), Chayet(1994)Mikrolithe Liu (1981); Li (1994),Tang,Hare (1995),Brantingham, Olsen,Schaller (2001)Mikrolithe, neolith. Tib.BCR (1985)+Univ.FundeSichuan (1985)Neolith. Funde Tib.BCR (1985)16

Macrolithe von Shuidonggou (Ost-A-mdo)Cores, blanks, and tools from Shuidonggou. a, b, d, flat-faced (“Levallois”) cores; c, e–g, Levalloisblades; h, crested blades, i, retouched flake end scraper; j, side scraper.Brantingham et al (2001), The initial upper Paleolithic in NE-Asia, Current Anthropology, 42,5,p.74117

Ordos- und A-mdo- MikrolitheOrdos-Mikrolithe, 1500 v.Chr.Abhaya Asian Antiquiesbarsoom@netvigator.comOrdos-Mikrolithe, 1000 v.Chr.Abhaya Asian Antiquiesbarsoom@netvigator.comOrdos-Mikrolith, 1500 v.Chr.Abhaya Asian Antiquiesbarsoom@netvigator.comOrdos-Mikrolith, 1000 v.Chr.Abhaya Asian Antiquiesbarsoom@netvigator.com18

Ordos-Pfeilspitzen, 7000 bis 2000v.Chr.Bob ReisPOB 26303Raleigh NC 27611Ordos-Beile, 7000 bis 2000 v.Chr.Bob ReisPOB 26303Raleigh NC 27611Ordos-Schneiden, 7000 bis 2000v.Chr.Bob ReisPOB 26303Raleigh NC 27611Klingen, Erdaogou bei Golmud,Mesolithikum, ca 12.000 Jahre19

Taubenberg-Becken (Ost-A-mdo) MikrolitheMicrolithic Tools from Pigeon Mountain Basin. a,d, chert split pebble microblade cores; b,c,e,f,chert wedge-shaped microblade cores; g–h, chert thumbnail end scrapers; i–l, retouched microblades.Madsen et al. (1998), Geoarcheology, 13,8, p.85920

Die heutige Lage der vorgeschichtlichen Fundplätze TibetsVon den früheren Gelegenheitsfunden abgesehen, die in Tucci’s Buch „Tibet“20 über die archäolgischen Relikte Tibets Erwähnung fanden, darunterauch die Beschreibungen Roerichs und die Grabungsergebnisse vonaus: Anne Chayet, Art et Archéologie du Tibet, Paris 1994, p.26Aufschnaiter, wird man feststellen, daß alle vor- und frühgeschichtlichenZeugnisse Tibets nach 1951 entdeckt und unter der Aufsicht chinesischerStellen ausgegraben worden sind, da Tibet seit dieser Zeit unter der Besatzungder Volksrepublik China steht.Die vorgeschichtlichen Fundplätze werden von den amtlichen Stellen derBesatzungsmacht folgendermaßen beziffert und periodisch gegliedert:5 paläolithische Fundstätten28 mesolithische und20 neolithische Fundorte.20 Siehe: G.Tucci, Tibet, München, Genf, Paris 197321

Als frühgeschichtliche und geschichtliche lassen sich die 20 Gräberfeldermit über 2000 Gräbern aus der Yar-klus-Zeit und den Vorgänger-Kleinkönigreicheneinstufen.Als paläolithische Fundorte werden genannt:Su-re im Kreis Ding-ri,Duogeze im Norden des gNam-mstho,Zhuluole im Kreis Shenzha,Zha-bu im Kreis Ru-thog undLuling (kLu-li?) im Südosten des rGa-ri-mstho,Hor im Kreis sPu-ra.Als mesolithisch werden die folgenden Fundplätze eingestuft:Die Stätten im Kreis Nag-chu,Zhuluole in Shenzha,Shuanghu und sPan-go (sPan-go mtsho?) in Nordtibet,nach Anne Chayet, Art et Archéologie du Tibet, Paris 1994, p.37sNya-lam in Süd-TibetRu-thog, im Bezirk Yali, in mNga’-ris,mKhar-ro südöstlich von Chab-mdo.22

Die neolithischen und teils chalkolithischen Fundstätten sind:mKhar-ro südöstlich von Chamdo (Chab-mdo),dByen-mdo, westlich von Chamdo (Chab-mdo)Yün-hsin,Hung-kuang,Ch’ü-mu undChialama (rGya-lha-ma ?) und Gyur in Nying Khri,Beibeng und Mani-weng in Me-tog,der Vorort Ch’u-khu oder Chos-go (chin. Qugong) in Norden vonLhasa,das Dorf Ch’ü-en-ba (Ch’ing-pa) im Kreis sNe’u-gdo undgTsan-pa (oder Tsan-ta) im Bezirk mNga-ris.Diese neolithischen Fundstellen lassen sich ihrerseits wiederum kulturgeschichtlichund relativ-chronologisch in Kreisen zusammenfassen mitZentren um Liu-wan (Nordost-Tibet) im Tsaidamraum (Nord-Tibet), ummKhar-ro bei Chab-mdo (Ost-Tibet), um Nying-Khri in Kong-po, beiLhasa (Zentral-Tibet), in Zhang-Zhung und am Pangong-See (West-Tibet),welche sich dem bisher von Tucci, Hermanns und Hummel erschlossenenKonstitutionsprozeß der tibetischen Kultur korrelieren lassen, welche jadie Genesis der tibetischen Kultur ebenso wie jene des tibetischen Volkesaus dem Kontakt nomadisierender Steppenvölker mit ost-tibeto-burmesischen,respektive nordwest- und nord-tibeto-burmesischen Völkerguppenableiten, der nicht nur im Verlaufe des Neolithikums deren Differenzierungin die bodischen und sinitischen Völker initiierte, sondern auch zuden für die Tibeter und ihre Kultur charakteristischen Besonderheiten imUnterschied zu den restlichen tibeto-burmesischen Völkern geführt hat.23

Das ethnogenetische FeldVon dem wahrscheinlichen Epizentrum der proto-tibeto-burmesischenVölker (Urheimat), der Kultur des Sze-tschwan Mesolithikums und SzetschwanNeoltihikums (11.500-2000 v.Chr.) wanderten im 7.Jt. Gruppennach Südwesten in den Raum des ostindischen Neolithikums aus, wo sichdann die Völker der proto-west-tibeto-burmesischen Sprachen ausdifferenzierten,21 was auch genetische Studien bestätigen: „Within India, northeasterntribes are quite distinct from other groups, they are more closelyrelated to east Asian than to other Indians. This is consistent with linguisticevidence in that these populations speak Tibeto-Burman languages of eastAsian origin.” 2221Siehe: G.van Driem, Neolithic Correlates of Ancient Tibeto-Burman Migrations, in: R.Blench, M.Spriggs,Archeology and Language II, London, New York 1998, p.69ff22 Richard Cordaux et al., Mitochondrial DNA analysis reveals diverse histories of tribal populations from India,European Journal of Human Genetics, 11, 2003, p.25324

Der verbleibende Rest der proto-tibeto-burmesischen Völker, die Völkermit den proto-ost-tibeto-burmesischen Sprachen, teilte sich dann in einennördlichen und südlichen Zweig. 23 Die Auswanderung der Völker mitproto-nord-tibeto-burmesischen Sprachen, ebenfalls im 7.Jt.v.Chr., gab mitihrer Ankunft im Raum des Gelben Flusses den Anstoß zum Übergang dermikrolithischen Kulturen dieser Region einmal in die Ta-ti-wan-Stufe desKansu-Neolithikums (6500-5200 v.Chr.) und zum anderen in die Stadiender mit ihr verbundenen P’ei-li-kuang- (6500-5800) und Tz’u-shan (6000-5600) Kulturen des chinesischen Tieflandes. 2423Die Sonderstellung tibetischer Populationen nach Bing Su et al., 2000, p.586Siehe: G.van Driem, Neolithic Correlates of Ancient Tibeto-Burman Migrations, in: R.Blench, M.Spriggs,Archeology and Language II, London, New York 1998, p.7424Siehe: G.van Driem, Neolithic Correlates of Ancient Tibeto-Burman Migrations, in: R.Blench, M.Spriggs,Archeology and Language II, London, New York 1998, p.7425

Die Ta-ti-wan- und P’ei-li-kuang-Tz’u-shan-Kulturen gelten heute als dieältesten Kulturen des nordwestlichen Neolithikums auf dem Gebiet desheutigen China, deren Träger nach allen archäologischen und linguistischenIndizien Völker der proto-nord-tibeto-burmesischen Sprachfamilie(bodische und sinitische Sprachen) waren. 25Nicht zuletzt unter dem Einfluß indogermanischer und turko-mongolischerSteppenvölker wechselten die Ta-ti-wan Kultur in die Ma-chia-yao-Stufevon Kansu (sog. Kansu-Yang-shao) und die P’ei-li-kuang-Tz’u-shan-Kulturenin die Yang-shao- respektive Lung-shan-Stufe des Neolithikums imNorden Chinas. 26Mit der Distribution dieser Kulturen korrelierte die Distribution der sinobodischenSprachen der tibeto-burmesischen Sprachfamilie. 27 Mit demAuseinanderdriften der Ma-chia-yao- und der Yang-shao-Kulturen, inChina speziell in der Fortsetzung der Lung-shan-Stufe, korrelierte die Ausdifferenzierungder bodischen oder nordwest- und der sinitischen odernordost-tibeto-burmesischen Sprachen, deren einer Zweig, der bodische,sich über die innerasiatischen Migrationswege im Nordwesten entlang desKarakorum oder entlang des Gras-Steppengürtels auf dem tibetischenHochland bis nach Kashmir (3000 v.Chr.) und in das Swat-Tal sowie imSüdwesten über Ost- und Südost-Tibet, Bhutan und Sikkim ausbreitete undderen anderer Zweig, der sinitische, sich in den chinesischen Raum hineinentfaltete. 28 Auch dieses Ereignis findet seine genetische Reflexion, diespeziell den tibetischen Zweig dieser Sprachfamilie betrifft. „The Bodicbranch, the so called Tibetans, are distinctive from the other three branches(tibeto-burmesischer Sprachen, auf welche diese Studie Bezug nimmt/H.S.) with a high frequence of YAP+. 29 The predominant occurence ofboth YAP+ and M122C in Tibetan populations indicates a multiple originof Tibetan Y-chromosomes from both east Asia and central Asia/southwestSiberia.” 3025Siehe: G.van Driem, Neolithic Correlates of Ancient Tibeto-Burman Migrations, in: R.Blench, M.Spriggs,Archeology and Language II, London, New York 1998, p.7526Siehe: G.van Driem, Neolithic Correlates of Ancient Tibeto-Burman Migrations, in: R.Blench, M.Spriggs,Archeology and Language II, London, New York 1998, p.7627Siehe: G.van Driem, Neolithic Correlates of Ancient Tibeto-Burman Migrations, in: R.Blench, M.Spriggs,Archeology and Language II, London, New York 1998, p.7728Siehe: G.van Driem, Neolithic Correlates of Ancient Tibeto-Burman Migrations, in: R.Blench, M.Spriggs,Archeology and Language II, London, New York 1998, p.77-929 YAP+ = Alu insertion polymorphism on the Y chromosome; auch: M1.30 Bing Su et al., Y chromosome haplotypes reveal prehistorical migrations to the Himalayas, Human Genetics, 107,2000, p.58526

Indizien für die südwestliche Distributionslinie der Kansu-Kultur lieferndie neolithischen Kulturen von Chab-mdo, Kong-po und Nord-Sikkim, undzwar mit den bei ihnen bemerkten Einflüssen der Ma-chia-yao-Kultur. DieWestdrift der Kansu-Kultur reichte also weit über Kansu hinaus, in derMa-chia-yao-Periode wahrscheinlich sogar bis nach Kaschmir, von wo austibeto-burmesische Völker dann in Verbindung mit anderen Völkern, diesich aus der Karasuk-Kultur gelöst haben, auch bis Nepal in den Himalajahinein vordrangen, und erfuhr regional bedingte Veränderungen sowohldes Kulturinventars als auch seiner Formen, zumal diese sich immer in denHöhenlagen hielten und die subtropischen und tropischen Höhenlagenmieden. 31Ein Faktor der Beschleunigung dieser Westdrift von Kansu war die Einführungder Reiterei und der Gespanne nebst Wagen mit Speichenrädern,welche der Kontakt mit den Steppenvölkern aus dem Steppenraum Innerasienseinbrachte. 32 Auf der gleichen Route in umgekehrter Richtungkamen die Viehzüchter der Karasuk-Kultur aus dem Pamir-Raum nachNordost-Tibet, welche jene Kulturgüter mitbrachten, die sich dann mit denbodischen Völkern, in derem Bestand sie schließlich aufgingen, nachWesten über ganz Tibet hinweg ausbreiteten. Die Beteiligung von Vertreternder Steppenvölker an der Besiedlung Tibets läßt sich auch genetischerkennen. „The mysterious occurrence of YAP+ in Tibetan populationsalways questions the east Asian origin of Tibetan populations becauseYAP+ is basically absent in almost all the other east Asian populationsexcept in Japanese.” 33Das dank der Ch’iang-Völker von Kansu her stark beeinflußte Kaschmir-Neolithikum existierte gleichzeitig und in näherer Nachbarschaft mit derIndustalkultur, ohne aber in dessen Einflußsphäre zu geraten, von einigenAusnahmen abgesehen. Ja die tibeto-burmesische Dominanz in der Südflankedes Himalaja, die bereits vor dem Erscheinen der Vorfahren der BurushaskiSprache dort schon stattgehabt haben muß und auch der indoiranischenExpansion nach Nordindien vorausging, scheint mit dem Erscheinender indoiranischen Völker dort bereits im Rückzug begriffen gewesenzu sein.31Siehe: G.van Driem, Neolithic Correlates of Ancient Tibeto-Burman Migrations, in: R.Blench, M.Spriggs,Archeology and Language II, London, New York 1998, p.8132Siehe: G.van Driem, Neolithic Correlates of Ancient Tibeto-Burman Migrations, in: R.Blench, M.Spriggs,Archeology and Language II, London, New York 1998, p.8133 Bing Su et al., Y chromosome haplotypes reveal prehistorical migrations to the Himalayas, Human Genetics, 107,2000, p.58827

Die Entstehung der tibetischen Kultur verdankt sich der Wechselwirkungzweier kultureller Epizentren, von denen das eine im Steppenraum, d.h. imNordwesten von Tibet liegt und das andere südöstlich von Tibet in Szechuan,im Gebiet des Szechuan Mesolithikums, das aller Wahrscheinlichkeitnach die Urheimat der tibeto-burmesischen Völker darstellt. 34Von diesen Epizentren gehen entlang eines Kreises, den zwei gekrümmteVektoren bilden, welche einmal Kaschmir längs des Karakorum mit Kansuund zum anderen Kansu über Chamdo, Kongpo und Sikkim mit West-Tibetverbinden, nacheinander Impulse aus, zuerst die der Diffusion der tibeto-burmesischenVölker und dann die der Diffusion der Steppennomadenund der karasuk-kulturlichen Ch’iang-Völker, welche sich treffen undauf den gleichen Wegen aber in z.Teil entgegengesetzter Richtung sichausbreiten und in einer Interferenzzone des Genaustauschs münden, dieman mit dem ethnischen Tibet umreißen kann. Nachdem die nordwest-tibeto-burmesischenVölker sich in Kansu und im Nordosten von Tibet etablierthatten, ja sogar in Kaschmir das dortige Neolithikum mitgeprägthatten, traf auf sie eine Bewegung aus der Steppe und aus dem Hindukusch,getragen von Vertretern der Karasuk-Kultur, welche das Kulturgutder Steppenvölker sowohl nach Nordost-Tibet als auch über Kaschmirnach West-Tibet brachten und damit die Grundlage legten für die dauerhafteBesiedlung der Gras-Steppen des Hochlands von Tibet. Diese Völkerwurden von jenen tibeto-burmesischen Völkern assimiliert, die sich dortvor ihnen bereits angesiedelt hatten und konnten in den meisten Fällenauch die politische Führung der sie assimilierenden Völker an sich reißen.34Siehe: G.van Driem, Neolithic Correlates of Ancient Tibeto-Burman Migrations, in: R.Blench, M.Spriggs,Archeology and Language II, London, New York 1998, p.6928

Die Impulse Ostkaspischer Kultur auf die Lungshan-KulturDie Ostwärtsbewegung der Völker sinitischer Sprachen, welche sich zusammenmit den Völkern bodischer Sprachen im Ta-ti-wan-P’ei-li-kuang-Raum ausdifferenzierten, hinterließ mit der Lung-shan-Kultur deutlicheSpuren, die ihrerseits die Einflüsse nordiranischer und südwest-turkestanischerKulturen aus dem ostkaspischen Raum nicht verleugnen kann, Einflüssejener archäologischen Fundensemble, denen R.von Heine-Geldernden Namen „Ostkaspische Kultur“ gab und welche er in die Zeit zwischen3000-1000v.Chr. datierte.„Die Wurzeln der Kulturen mit polierter schwarzer und grauer Keramikgehen in Nord-Mesopotamien, Nord-Syrien und Kilikien bis ins fünfte,wenn nicht das sechste Jahrtausend zurück. Es kann vermutet werden, daßdiese Kulturen sich auch schon damals oder nur wenig später über Kleinasienund das westliche Armenien erstreckten, wenn sie uns vorläufig dortauch erst im 4.Jahrtausend greifbar werden. Ihr Gebiet wurde zwar späterim Süden durch Kulturen mit bemalter Keramik, vor allem Tell Halaf-Kultur, eingeschränkt, sie erhielten sich aber im Norden, in Kleinasien undWest-Armenien. Von diesen Gegenden ging im Laufe des 4. und 3. Jahrtausendseine ganze Reihe von Wanderungen aus… Rund um 3000v.Chr.begannen andere Gruppen von Kleinasien aus ostwärts, längs dem Süduferdes Kaspischen Meeres nach dem nördlichen Iran und dem südwestlichenTurkestan zu wandern, wo sie die Ostkaspische Kultur ins Leben riefen.“ 35Von diesem Gebiet gingen um 2500v.Chr. Wanderbewegungen und Impulsebis nach China aus, welche die Ausbildung der Lungshan-Kultur initiiertenund damit auch diese Kultur einreihten in jene Reihe verwandterKulturen, „die sich in einer früheren Epoche von Mittel-Europa bis Indienund vom Kaspischen Meer bis nach Babylonien erstreckt hatten.“ 36Dieser Autor bezog sich mit seiner Hypothese im Hinblick auf die Zeugnissematerieller Kultur vor allem auf die Ton- und Machart (feinwandigeschwarze oder graue Keramik) sowie auf die Gefäßformen (hochfußigeSchalen und Kelche) und die Ornamentik (geometrische Muster und Zickzackdekore)der Keramik beider Kulturareale.„Die Übereinstimmungen, die zwischen ostkaspischer und Lungshan-Keramikhinsischtlich Qualität und Farbe, einer Anzahl von Gefäßformen,35 R.von Heine-Geldern, China, Ostkaspische Kultur und die Herkunft der Schrift, Paideuma 4, 1950, S.75-636 R.von Heine-Geldern, China, Ostkaspische Kultur und die Herkunft der Schrift, Paideuma 4, 1950, S.7729

der Verzierung mit plastischen Ringen, der geometrischen, in Zonen angeordnetenOrnamente und der Herstellung der Ornamente mittels Poliertechnikbestehen, lassen es als sicher erscheinen, daß die Lungshan-KulturElemente enthält, die aus der Ostkaspischen Kultur nach China gelangtsind. Die Töpferscheibe, die bereits in der Lungshan-Kultur auftreten soll,dürfte aus der gleichen Quelle nach China gekommen sein… Auch dasBauen mittels gestampfter Erde muß aus der Ostkaspischen Kultur stammen.“37Weitere Parallelen erscheinen in den Siedlungs- und Bestattungsformen,während der Gebrauch des Metalls erst in der Übergangsperiode dieserKultur zur Kultur der Shang-Dynastie faßbar wird. „Tote wurden in derostkaspischen Kultur vielfach in den Siedlungen begraben, sei es unter, seies zwischen den Häusern. Es ist deshalb bemerkenswert, daß dieserBrauch zumindest in einer Siedlung der Lungshan-Kultur, in Liangch’eng-chen,nahe der Südostküste Shantungs, nachgewiesen worden ist.Auch hinsichtlich der großen Zahl und des oft recht bedeutenden Umfangsder Siedlungen, die bisweilen sehr dicht beieinander liegen, stimmen ostkaspischeund Lungshan-Kultur überein. Das deutet an, daß beide Kultureneinander ihrem ganzen Charakter, ihrer Wirtschaft und der Dichte derBevölkerung nach recht ähnlich gewesen sein müssen.“ 38Ähnlich faßt R. von Heine-Geldern auch die kulturellen Übereinstimmungenoder Gemeinsamkeiten zwischen der Shang- und der Lungshan-Kulturzusammen, die er damit ebenfalls in den Kontext der westasiatischenKulturen stellt: „Nun bestehen zwischen der Shang-Kultur und der ihr vorausgehendenLungshan-Kultur sehr enge Zusammenhänge hinsischtlichder Qualität der Keramik, Gefäßformen, Formen der Steinwerkzeuge, derWerkzeuge aus Muschelschalen, der Orakelknochen, des Bauens in gestampfterErde und einer bestimmten hochspezialisierten Bestattungsweise…Gewiß stammt nicht alles, was die Shang-Kultur und auch spätereKulturen Chinas mit jenen des alten Vorderasien gemeinsam haben, aufdem Weg über die Lungshan-Kultur aus der Ostkaspischen Kultur, aberfür einen beträchtlichen Teil solcher Übereinstimmungen könnte das wohlgelten.“ 3937 R.von Heine-Geldern, China, Ostkaspische Kultur und die Herkunft der Schrift, Paideuma 4, 1950, S.71-238 R.von Heine-Geldern, China, Ostkaspische Kultur und die Herkunft der Schrift, Paideuma 4, 1950, S.7239 R.von Heine-Geldern, China, Ostkaspische Kultur und die Herkunft der Schrift, Paideuma 4, 1950, S.77-830

Ostkaspische Einflüsse auf das Lung-shan NeolithikumHochfüßige Schalen, grau:a, b: Ch’eng-tzu-yai, Shantungc,d: Hissar IIAaus: R.v.Heine-Geldern, China, OstkaspischeKultur und Herkunft der Schrift, Paideuma,4,1950,S.65Hochfüßige Schalen, grau:a, b,c: Ch’eng-tzu-yai, Shantungd: Hissar IIA; e: Hissar IIBaus: R.v.Heine-Geldern, China, OstkaspischeKultur und Herkunft der Schrift, Paideuma,4,1950,S.6631

Hochfüßige Schalen u. Schalenfüße, grau:a, b: grau oder schwarz, Chekiangc,d: grau, Hissar IIBe,f: schwarz, Chekiangg,h: schwarz, Sha-teppe IIIaus: R.v.Heine-Geldern, China, OstkaspischeKultur und Herkunft der Schrift, Paideuma,4,1950,S.67Hochfüßige Schalen u. Schalkenfüße, grau:a, b, c,d: Chalkolithikum Alishar Hüyüke: Shah-Tepe III-Iibf: Mohenjo-daroaus: R.v.Heine-Geldern, China, OstkaspischeKultur und Herkunft der Schrift, Paideuma,4,1950,S.7032

Kelche:a, grau, Hissar IIB,b, grau o.schwarz, Chekiangc: grau, Hissar IIIA,unten:a:grau, Hissar IIBb: Min, rosa-grau, Ch’eng tzu-yaiaus: R.v.Heine-Geldern, China, OstkaspischeKultur und Herkunft der Schrift, Paideuma,4,1950,S.68Oben:a:Gefäß mit einpolierten Mustern, mittlereGräber von Turang Tepeb: Schalenfuß, eingeritzte Muster, Chekiangunten:a: grau, einpolierte Muster, Hissar IIIb: dunkelgrau, einpolierte Muster, Shantungc: grau, einpolierte Muster, Hissar IIIaus: R.v.Heine-Geldern, China, OstkaspischeKultur und Herkunft der Schrift, Paideuma,4,1950,S.69Neuere molekulargenetische Studien zur Migrationsgeschichte des homosapiens weisen darauf hin, daß der Y-Chromosom-Alu-Insertions-Polymorphismus(YAP) mit den höchsten Proportionen im Raum der ostkaspischenKultur (einschließlich Griechenland und Anatolien) vorkommt, dienächst höheren Proportionen unter Tibetern, Koreanern und Japanern zu33

verzeichnen sind und daß er in niedrigeren Proportionen auch noch in einerZone nördlich des Schwarzen Meeres und in einer weiteren Zone Ostfinnlandsund Rußlands angetroffen wird. 40 Bing Su et al. 41 heben ausdrücklichhervor, daß sich die Tibeter von allen anderen tibeto-burmesischenPopulationen speziell durch diesen Polymorphismus (YAP+) unterscheidenund daß diese jenes Merkmal mit Koreanern und Japanern teilen.42Die Verbreitung dieses Polymorphismus oder Gen-Markers korreliert mitdem von Heine-Geldern postulierten Migrationsweg der ostkaspischenKultur nach Nordchina und Japan und stützt damit seine in letzter Zeit desöfteren kritisierten Annahmen zur Diffusion der ostkaspischen Kultur.40R. Spencer Wells et al, The Eurasian Heartland: A continental perspective on Y chromosome diversity,Proc.Natl.Acag.Sci.USA, 98 (18), 2001, p.10244-941 Bing Su et al., Y chromosome haplotypes reveal prehistorical migrations to the Himalayas, Human Genetics, 107,2000, p.58542 „YAP/M145/M203/M174 lineages are today mostly confined to Japan and Tibet, where they occur at highfrequencies.“ P.A.Underhill, et al., The phylogeography of Y chromosome binary haplotypes and the origins of modernhuman populations, Ann. Hum. Genet. 2001, p.5234

Das tibetische Neolithikum unter „pontischem“ Einfluß„Die gewaltigen Ebenen, welche das alte Ost- und West-Turkestan umfassen,vom Lobnor westlich über Balkash-, Aral- und Kaspischen See bisüber das Schwarze Meer hinaus, waren die fruchtbaren Weidegründe derPferde züchtenden Nomaden. Diese Weidegründe verlängerten sich zumOsten hin über die Mongolei hinaus in die Mandschurei bis an die Gestadedes Pazifischen Ozeans. Zum Westen hin erstreckten sie sich über Südrußlandin die große Europäische Ebene, die an die Baltische- und die Ostseestößt. Hier war das ungeheure Areal der Rinder- und Pferdezüchter,mit ihrem Zentrum in Zentralasien. Von hier brachen sie nach Süden,Osten und Westen aus, um neue Räume und größere Macht zu erobern…Auf diesen Völker-Fernstraßen zogen die Träger der neolithischen bemaltenKeramiken vom iranischen Anau westwärts nach Tripolje in Südrußlandund ostwärts über die Oasen vom Tarimbecken durch den Kan su-Korridor an den Huang ho (Yang shau-Kultur vor 2000 v.Chr.).“ 43 Mindestensseit 2000 v.Chr. (wahrscheinlich aber früher) bis 100 v.Chr. lebtendie Tocharer im Tarimbecken und in West-Kan-su sowie im Ordos-gebiet.44 Und seit dem 3.Jahrtausend v.Chr. wanderten die prototibetischenCh’iang-Stämme vom Pamir-Hindukusch-Plateau in getrennten Wellenentlang des Kuen-lun nach Nordost-Tibet und entlang des Karakorum nachWest-Tibet, wo sich die Zweige gegen Ende des zweiten Jahrtausendsv.Chr. in Zentral-Tibet wieder trafen, allerdings bereichert um Segmenteintegrierter und subordinierter Stämme und deren Kulturen (vor allem austrischerund im Süden west-tibeto-burmesischer sowie im Norden nordwesttibeto-burmesischerVölker), die sie in dem Raum vorfanden, den sieseitdem in Besitz zu nehmen bestrebt waren. 45 Diese Migration indogermanischer,turkomongolischer und prototibetischer Nomadenstämme in denchinesischen Raum und in das Hochland von Tibet ist bereits in den zwanzigerJahren des 20.Jh’s aus den keramischen Funden in Kansu und imGebiet des Wei-Flusses abgeleitet worden, die gleichsam die Spuren dar-43 M.Hermanns, Das Nationalepos der Tibeter Gling König Gesar, Regensburg1965, S.25144 Mit Prusek darf man sogar davon ausgehen, daß Protoindogermanen und Indogermanen diesen Siedlungsraum nochfrüher besiedelt haben. Siehe: J.Pruzek, Chinese Statelets and the Northern Barbarians in the Period 1400-300 BC, NewYork 1971, p.7145 Siehe: S.Hummel, Grundzüge einer Urgeschichte der tibetischen Kultur, Jahrbuch des Museums für Völkerkunde zuLeipzig, B XIII, 1954, Leipzig 1955, S.74-535

stellten auf der Suche nach dieser Völkerbewegung. Seitdem wurden inChina wie in Tibet weitere archäologische Fundstätten und weiteres Fundmaterialzutage gefördert, welche die damaligen Deutungen im Kern bestätigen.Bereits Andersson 46 und dann kurz darauf auch Arne 47 haben auf die formalenBeziehungen der Yang-shao-Gefäße zu zwei Kulturkreisen, zu einem„westlichen“ oder europäischen und einem „östlichen“ oder asiatischenhingewiesen, die beide zudem noch benachbart waren und sich imsüdöstlichen Grenzgebiet von Europa und Asien berührten. „Der westliche(europäische) dehnt sich von Südrußland (Tripolje) über Besarabien (Petreny),Ostgalizien (Kszylowce), Bukowina (Schipenitz), obere Moldau(Cucuteni), Siebenbürgen (Altfluß-Stationen) bis nach dem nordsüdlichverlaufenden Donauraum südlich Budapest (Lengyel, Kom, Tolna) aus;der östliche (asiatische) von Transkaspien (Anau) in südöstlicher Richtungüber Westiran bis an den Südwestrand des Hochplateaus (Susa) undgreift… nach Südbabylonien über, wo er von der sumerisch-babylonischenKultur überlagert wird.“ 48Diese beiden „Kulturkreise“ unterscheiden sich hinsichtlich ihres Keramikstilsund der typischen Bemalungsmuster sehr deutlich voneinander.„Der westliche ist bestimmt durch die Spiralmäanderornamentik und giltals östlicher Ausläufer des donauländsichen, bandkeramischen Stils.- deröstliche ist einfacher, aus geradlinig-geometrischen Grundelementen zusammengesetzt,die sich vielleichtals „Textilstil“ zusammenfassenlassen.Zu ihrer Unterscheidung dienenfolgende Richtlinien. In Anau I liegenals Grundelemente vor: Dreieckenmit ihren mannigfachen Varianten,gegitterte Rhomben, gekreuzteStrichbänder, Bänder mitquadratischen und rhombischenFeldern in Schachbrettform u.dgl.; sie zeigen in Anau II eine weiter entwickelteStilstufe, indem diese Grundelemente, kaleidoskopartig wech-46 J.G. Andersson, Arkeologiska studier in Kina, deutsch: Archäologische Studien in China, (übersetzt und mit einemNachwort v. L.Franz), Mitteilungen der Anthropologischen Gesellschaft zu Wien, 54, 1924, S.60ff47 T.J.Arne, Painted Stone Age Pottery from the Province of Honan, China, Palaeontologia Sinica, ed.V.K.Ting,W.H.Wong, Ser.D., Vol 1, Fasc.2 Peking 192548 H.Schmidt, Prähistorisches aus Ostasien, Zeitschrift für Ethnologie, 55, 1923, S.13536

selnd, sich untereinander verbinden. Beide Stufen finden wir in der Irankulturvor und weiter ihre höchste Entwicklungsphase in der feinen Keramikvon Susa I, die noch durch Aufnahme von Tier- und Menschenbildernbereichert ist...Demgegenüber steht im westlichen Kunststile die Spirale als Grundelement;sie entwickelt sich bei außerordentlicher Mannigfaltigkeit der Spiralbandformenganz ungebundenals Flächenornament inmehreren Stilstufen undTypische Anau I- Muster, sog. Textilstiltechnischen Entwicklungsphasenvon der polychromen(rot und schwarz aufweiß) zur monochromen Malerei(schwarz auf rot oderTongrund). Und zwar läßtsich diese ganze Entwicklung an einem einzigen Platze, in Cucuteni, indrei Stilstufen verfolgen: A polychrom mit ausgesparten Mustern, rot undschwarz auf weiß, A-B allmähliches Ausschalten des Weiß und Beginn derpositiven Schwarzmalerei, B Schwarzmalerei in höchster Vollendung mitfolgenden Verfallserscheinungen.“ 49Diese beiden großen Keramikstilrichtungen begegnen sich im nordägäischenRaum, in Nordgriechenland in Thessalien (Sesklo, Dimini, untereSchichten) und in Mittelgriechenland, in Chaironeia (untere Schicht).„Damit haben wir einen neuen geographischen Fixpunkt für den östlichenKulturkreis gewonnen und können ihn in seiner Lage bestimmen durch dasDreieck: Anau-Susa-Chaeronea.“ 5049 H.Schmidt, Prähistorisches aus Ostasien, Zeitschrift für Ethnologie, 55, 1923, S.136-750 H.Schmidt, Prähistorisches aus Ostasien, Zeitschrift für Ethnologie, 55, 1923, S.13837

aus: H.Müller-Karpe, Handbuch der Vorgeschichte, IV/3, Tafeln, München 1980, Tafel 558 Nrn 45-7; 51-3Dieser östliche Kreis erreichte Griechenland früher als der westliche Kulturkreis,wie die Stratigraphie von Sesklo und Dimini zeigt, denn „an diesenneolithischen Wohnplätzen finden sich in der zweiten Periode untrüglichVertreter von Technik, Formen und Dekoration der donaubalkanländischenTripolje-Cucuteni-Keramik und zwar in der älteren Stufe von CucuteniA… Unter dem Einfluß dieses Stils bildet er zugleich eine neueStilgruppe aus, die den Charakter einer Mischform aufweist, d.h. eine unorganischeVerbindung von Spiralmäandern und Textilmustern. Sie ist bezeichnendfür die sog. Diminiware… Somit läßt sich der westliche Kulturkreisfixieren durch die Wohnplätze Tripolje-Cucuteni-Lengyel-Dimini.“ 51Diese stilistischen Beziehungen des Chalkolithikums zwischen Südosteuropaund Westasien reflektieren die Tonwarenfunde von Yang-shao undder sog. Kansu-Kultur, die man auch im Hinblick auf W.Eberhards Deutungaltchinesischer Quellen 52 osttibetisches Neolithikum nennen kann, derenBemalungen und Dekore alle drei Varianten durchspielen: den Spiralstil(Yang-shao, ältere Schichten), den Mischstil aus Spiralformen und„Textilmuster“-Formen (Pan-Shan, Ma-chia-yao) und den „Textilmuster“-Stil (Ma-chia-yao, Ma-chang) nach westasiatischem Vorbild. Auch die Variantenmit figürlichen Zutaten (Susa) wiederholen sich in Osttibet(bZangs-ri). Der geometrische Stil dominiert im Ritzmuster-Dekor dermKhar-ro-Ware (Chab-mdo) und verweist auf Einflüsse aus Pan-po, dieihrerseits westasiatische Vorbilder hatten.51 H.Schmidt, Prähistorisches aus Ostasien, Zeitschrift für Ethnologie, 55, 1923, S.13952 siehe: W.Eberhard, Geschichte Chinas, Stuttgart 1971 und ipse: Kultur und Siedlung der Randvölker Chinas, Leiden197938

Zwischen diesen beiden Polen findet sich mit der Karasuk-Kultur in Südsibirienein weiteres Areal des Mischstils aus Spiralformen und „Textilmuster“-Formen,und Äquivalente der Karasuk-Dolche wurden sowohl gefundenin Italien, Bayern, Dänemark, dem westlichen Ural als auch inChina, dort in den Fundlagen der Shangzeit.Im Anschluß an Andersson und Arne, aber in Teilen abweichend von diesenAutoren, postulierte Schmidt eine „pontische Wanderung“ von Stammesgruppen,die Träger der Tripolje-Cucuteni-Kultur waren. Relativiertman diese Charakterisierung in Gruppen, die von dieser Kultur stark beeinflußtwurden, dann kämen auch Stämme aus den von Schmidt konstatiertenInterferenzzonen des westlichen und des östlichen Kreises infrage,zumindest solche, welche das Kulturgut des östlichen Kreises mit sichführten.„Bevölkerungsgruppen des Donau-Balkangebietes, der großen Heimat derwestlichen Kultur im oben gekennzeichneten Sinne, müssen diesen Kunststilnach Ostasien selbst gebracht und dort weiter entwickelt haben, undfragt man nach dem Zeitpunkt innerhalb der Entwicklung dieses Stils, sokann man sich an die noch verhältnismäßig streng festgehaltene Form despolychromen Spiralbandes bei Arne pl. IV, 10 halten, das mit den frühenFormen der Zwischenstile von Cucuteni A-B gleichzustellen ist, einerStufe, bei der die vollgemalten Spiralbänder in Strichbänder übergehen.“ 53Datierung der Yang-shao Keramik nach Andersson 54Periode Kultur DatierungCh’i-chia 2500-2200Späte Jungsteinzeit Yang-shao 2200-1700Ma-ch’ang 1700-1300Hsin-tien 1300-1000Bronzezeit Su-wa chia yao 1000-700Sha-ch’ing 700-500Hinsichtlich der Datierung der Hoang-ho-Kulturen machte Hermannsschon bald (1935) darauf aufmerksam: „Wir brauchen aber nicht in Anauoder Tripolje Umschau zu halten, um das chinesische Neolithikum zeitlichfestzulegen. Durch die Ausgrabungen in An yang, Siau tun, wo sich diealte Shang-Yin-Residenz befand, wird eine sichere Datierung ermöglicht.“5553 H.Schmidt, Prähistorisches aus Ostasien, Zeitschrift für Ethnologie, 55, 1923, S.140-14154 Andersson, Researches into the Prehistory of the Chinese, Bulletin of the Far Eastern Antiquity, 15, Stockholm1943,p.42ff55 M.Hermanns, Die Nomaden von Tibet, Wien 1949, S.2039

Andersson 56 unternahm schließlich auf der Basis der gleichen Überlegungeinen Datierungsversuch, der seine bisherigen Zeitschätzungen präzisierte(siehe Tabellen oben).Kansu Shan-si Henan6500 Shuanmiaogou P’ei-li-kuangProto-Yang-shao550050004865 Pan-po450042904135 Hou-kang4000 Yang-shao3900 Miaodigou I3800 Dahecun35003100 Ma chia yao307030002780 Miaodigou II26002500 Lungshan2400 Pan-shan2300 Ma-ch’ang Shan-si Lung-shan Henan Lung-shan2150 Chi-chia21002035 Erlitou2000 Hsia (?)17801750 BronzezeitShangIn dieser Studie nahm Andersson noch an, daß die Ch’i-chia-Kultur dieälteste der Hoang-ho-Kulturen wäre, was Hermanns ebenfalls mit Hinweisauf Bylin-Althin bezweifelte. 57 Die später gemachten Funde bestätigtenihn auch in diesem Punkte (siehe Tabelle oben mit den revidierten Zeitansätzenund Kultur-Ergänzungen). Zeitlich vor der Ch’i-chia-Stufe liegendie Funde der Pan-shan- und Ma-ch’ia-yao-Stufe, während sich die Mach’ang-Stufezeitlich als eine Parallelerscheinung zur Ch’i-chia-Stufe herausstellte.Mit Rücksicht auf die Tonware dieser Kulturen kann man also die Gruppen,welche die Hoang-ho-Kulturen initierten, nicht allein dem Tripolje-Cucuteni-Bereich zuschreiben, sondern muß solche Gruppen berücksichtigen,welche entweder in ihrem Kulturgut Synthesen schufen aus den Kul-56 Andersson, Researches into the Prehistory of the Chinese, Bulletin of the Far Eastern Antiquity, 15, Stockholm1943,p.42ff57 Siehe: M.Hermanns, Die Nomaden von Tibet, Wien 1949, S.2240

turen des europäischen und des westasiatischen Kreises oder welche ausdem „östlichen“ Kreise selbst stammten. Dies fordert auch die Fundlageaus: H.Schmidt, Prähistorischesaus Ostasien, Z.f.E.,55, 1923,S.142, Abb.10aus: O.Menghin, Weltgeschichte derSteinzeit, Wien 1931, S.288, TafelXXXIIIaus: O.Menghin, Weltgeschichteder Steinzeit, Wien 1931, S.432,Tafel XLVIhinsichtlich des zweiten Indikators, den Schmidt für seine Argumentationbemühte, die der Bogenmesser.„Es sind die höchst merkwürdigen Steinmesser, die in den SammlungenTorii und Andersson aus der östlichen Mongolei, der südlichen Mandschurei,aus dem Grenzgebiete zwischenbeiden, aber auch aus dem nördlichenChina und der Provinz Honan auffallen.Sie bestehen aus Felsstein (Grünstein,Sandstein, Schiefer) und haben in ihrerUrform einen bogenförmigen Rücken,eine gerade Schneide, ein Griffende,ebenso wie eine Spitze. Die nächsteSteinmesser, Karo (Chamdo) Spätneolithikum11,7cm lang, Tibet Museum, LhasaAbart ist rechteckig mit gerademRücken, während weitere Abarten zwischendiesen beiden ersten Hauptformenvermitteln; all diese Abarten haben ein oder zwei Löcher zur Befestigungeiner Handhabe aus vergänglichem Stoffe. Die genannte Urform dieserSteinmesser kommt in neolithischen Siedlungen in Siebenbürgen vor...41

In Siebenbürgen und in der oberen Moldau sind aber die Hauptzentren derwestlichen Kultur mit der Spiralmäander-Keramik zu suchen. Der Schlußläßt sich nicht abweisen, daß diese Steinmesser von denselben Leuten ausdem Donau-Balkangebiete nach Ostasien gebracht worden sind, wie dieGefäßmalerei.“ 58Anders als Schmidt es wollte ließe sichder Prototyp dieser Bogenmesser auchaus Susa herleiten, und dann entwedermit der Wanderung der ostkaspischenKultur verbinden oder aber über diepontische Vermittlung nach OsttibetBogenmesser aus Jade, China, ChouzeitAus Müller Karpe, 1980, Tafel 581und Nordwestchina kommen lassen.Diese beiden Alternativen wären alsoseinem Vorschlag hinzuzufügen, derdarum aber nicht zu negieren, sondern nur zu relativieren ist. Die Tonwareder Ch’i-chia-Kultur, so bestätigt auch Menghin 1931, erinnert „zum Teillebhaft an frühbronzezeitliche Keramikstile Europas.“ 59 Ähnliche Messerwie jene, die Schmidt zitierte, wurden auch in in Ost-Tibet, in mKhar-ro(Chab-mdo) geborgen, einer Fundstelle, deren Zierornamentik nicht nurüber Yang-shao eher ostkaspische Vorbilder hat.Während Schmidt vor allem die osttibetischenund nordwestchinesischen Formen auf denvon ihm als „westlichen Kulturkreis“ (Tripolje-Cucuteni)angesprochenen Formenkreiszurückzuführen suchte, hielt Menghin auch ander Möglichkeit der Einflüsse fest, auf dieAndersson und Arne (siehe oben) hingewiesenhatten, nämlich auf die Einflüsse von Anauund Susa. Gefäße, die später in Osttibet undPan-shan GefäßtypNordwest-China gefunden wurden, habendiese Einschätzung Menghins bestätigt. „Wieschon angedeutet, überrascht es, wie außerordentlich ähnlich die Spiraldekorationen-und auch gewisse Gefäßformen- der Yang-shaokultur jenender jüngeren Tripoljeware sind… Manche Forscher, besonders Arne,betonen mehr die Beziehungen zu den bemalten Keramiken von Elam(Persien) und Anau (Transkaspien). Auch an Beziehungen mit dem Indus-58 H.Schmidt, Prähistorisches aus Ostasien, Zeitschrift für Ethnologie, 55, 1923, S.14159 O.Menghin, Weltgeschichte der Steinzeit, Wien 1931, S.29142

tale muß gerechnet werden. Es wäre keineswegs undenkbar, daß sich inChina verschiedene Ströme der Gefäßmalerei getroffen haben. Wie demsei, der westliche Ursprung der bemalten Yang-shaokeramik wird vor allemdurch ihre Verbreitung wahrscheinlich gemacht. Sie hat offensichtlichin Kansu ihren Hauptherd und verdrängt hier die alte Mattenkeramik vollständig,ist in Honan schon seltener und kommt noch weiter im Osten, ander Südgrenze der Mandschurei, nur mehr als schwacher Einschlag zurGeltung.“ 60 Es waren vor allem die Gefäße der Nekropolen der Pan-shan-Stufe, welche mit ihren Spiralmustern zu den Vergleichen mit den Fundenaus Turkestan, dem Kaukasus und der Ukraine herausforderten, währenddie Muster aus Pan-po mehrheitlich die geometrischen Muster von Anauund Susa zum Vorbild hatten. Die seit 1978 in mKhar-ro geborgene Tonwarezeigt zwar große Eigenständigkeit, aber ihre Dekore haben gewisseÄhnlichkeiten mit den Mustern aus Pan-po sowie der Lung-shan-Kultur(mit dieser teilt sie auch die Tonfarbe) und damit auch mit den Leittypen60 O.Menghin, Weltgeschichte der Steinzeit, Wien 1931, S.29143

des östlichen Kreises (Susa-Anau), welche auch stark in die Karasuk-Kultureingewirkt haben, die auch Güter des westlichen Kreises tradierte.Mit den kontinuierlichen Reihen und Arealen der verwandten Formen undMuster korrespondieren genetische Merkmale (YAP+), die sich nach Tibetvon demselben Ausgangsraum ausgebreitet haben wie die Keramiken undBogenmesser und bestätigen damit die Wanderung nicht nur der Formenund Güter, sondern auch ihrer Schöpfer, den Trägern jener genetischenMerkmale, die man in der tibetischen Bevölkerung noch heute konstatierenkann.Es hat sich mittlerweile herausgestellt, daß die Ch’i-chia-Kultur aus derMa-ch’ia-yao-Kultur hervorgegangen ist. Mit dieser Kulturstufe wird inOsttibet das Chalkolithikum erreicht. In den Fundstellen (z.B. Dahi, Qinweijia)traten Äxte, Schaufeln, Messer und Sicheln aus Stein und Knochenzu Tage, die bekannte Tonware, Geräte zum Spinnen und Weben, für dieJagd und für den Ackerbau. Die Kupfergeräte bezeugen den Beginn derMetallurgie, einer aus dem Westen eingewanderten Technik. Die Gräberbestanden aus Weidenholz-Erkern (Holzkammern), die Grabbeigabenwaren geschlechtsspezifisch verschieden, bei Männern fand man Äxte,Messer, Jagdwaffen, bei Frauen Spinnwirteln, Schmuck, Jade, aber Steinscheibenin Gräbern beiderlei Geschlechts, wenn die Bestatteten sozial höherstanden.Von den domestizierten Tieren waren vertreten, Pferd, Rind, Schaf, Huhnund Schwein, das Schaf und das Schwein erwiesen sich als die bevorzugtenOpfertiere. 61Mit der ersten Entdeckung der Hoang-ho-Kulturen durch Andersson, speziellder Kansu-Kultur, ging man also (mit Ausnahme von Schmidt) davonaus, daß diese von zwei Impulsen bestimmt wurden, die man mit Hummelso kennzeichnen kann: „Offenbar sind zwei neotithische Komponentenwestasiatischer Herkunft am Werden der heutigen tibetischen Kultur beteiligt:1) Ein Nomadentum mit vorwiegend Schafzucht, das auch in derjüngeren Gobi-Kultur eine Rolle spielte und 2) eine mehr bäuerlicheSchicht mit chthonischen Gottheiten, Rinderzucht, lunaren 62 Furchtbarkeitskultenund einer bunten Keramik.61 Siehe: Wang Jihuai, Archeological Outine of Qijia Agricultural Discovery and research, in: Agricultural Archeology,1, 1987, 71-562 Hummel folgt hier dem kulturmorphologischen Konzept von Leo Frobenius, demzufolge die lunare wie die solareMythologie der mythologischen Kulturen aus dem Manismus der zweiten Stufe der polaren Kulturen hervorgegangensein sollen und die solare Mythologie ihrerseits Ausgangspunkt und Grundlage der Ausbildung der hochkulturlichen44

Die letztere der beiden Schichten wird mit der mediterranen Megalithkulturverbunden werden müssen, die wir wieder in dem etwas jüngerentibetischen Megalithikum wiederfinden. Sie scheint aber vor allem mit derchthonischen, lunaren und bäuerlichen Tell-Halaf-Kultur in Beziehung zustehen, während die erstere der beiden prototibetischen Kulturkomponentenwestasiatischer Herkunft möglicherweise auf die solar ausgerichteteund weniger seßhafte iranische Kultur mit Samarra, Sialk II und III,Tepe-Hissar, Susa I und Persepolis verweist, die in Samarra in den Bereichder Tell-Halaf-Kultur einbricht. Die genannte iranische Kultur bevorzugt,nach den keramischen Befunden zu urteilen, die im mediterranenGebiet seltenere Svastika und die gehörnte Ziege bzw. den Steinbock, dieTell-Halaf-Kultur dagegen die für den mediterranen Bereich typischeDoppelaxt.Es ist eine große Frage, ob wir jene iranische Kultur zur mediterranen hinzunehmendürfen. Da die zwischen Tepe-Hissar und Anau gefundenenSkelette aus dem 4.-3. Jahrtausend zur mediterranen Bevölkerung gehören,ist es zumindest sicher, daß sie im ausgehenden Neolithikum bzw imChalkolithikum mit dem eigentlichen mediterranen Gebiet in Verbindungstand, aus mediterranen Traditionen empfing, mit dieser lunaren Kulturschichtzusammen am Entstehen sowohl der Hochkulturen Kleinasiens (4.Jahrtausend v. Chr.) als auch der etwas jüngeren Induskultur beteiligt warund, falls wir sie zur prototibetischen Kultur in Beziehung setzen können,auch am Werden der tibetischen Kultur.“ 63Speziell das tibetische Chalko- und Megalithikum läßt sich nur als Syntheseoder Integration dieser beiden Kulturformen (Tel Halaf, Samarra),die Hummel nach Frobenius lunar und solar 64 benennt, begreifen, die bereitsim Neolithikum beginnt, und zwar als Synthese jägerischer Nomadenund Ackerbauern zu nomadenbäuerlichen Mischkulturen und von Ackerbauernabhängigen Nomadenkulturen, mit stärkeren Akzentuierungen jeweilsder einen oder anderen Tendenz.Nun sind es gerade die neueren archäologischen Fundstätten in Tibet, Liuwan(mit Stufen von Pan-shan bis Hsin-tien), mKhar-ro (Karo), Ch’u-Hochreligionen gewesen sein soll. Wir beziehen uns auf Hummels Beobachtungen ohne die Weltanschauungslehre vonFrobenius zu teilen.63 S.Hummel, Grundzüge einer Urgeschichte der tibetischen Kultur, Jahrbuch des Museums für Völkerkunde zuLeipzig, B XIII, 1954, Leipzig 1955, S.7564 Neben dem männlichen Geschlecht der Sonne und des Sonnegottes zählte Frobenius, die Zahl vier, das Konzept dervier Weltecken, das vierfältge Mandala als kosmisches Schema, die Vierfarbensymbolik, die Swastika, den Tierkreis,die Welteimythe und die Vorstellung vom Weltmeer als der Weltschlange zu den Kennzeichen der solaren Kultur. InSamarra gehört die Swastika zu den Gefäßornamenten.45

khu 65 (chin.Qugong) und Zhang-Zhung, welche jenes Bild vervollständigen,das Hummel bereits durch archäologische Vergleiche und in Korrelationzu den Befunden von Hermanns entworfen hatte. Speziell die Ritzmusterder Gefäße von mKhar-ro unterstreichen die Diffusionslinie: Susa-Anau-Kham. Auch das Schulterbeil von Ch’u khu hat Parallelstücke nebender Karasuk-Kultur in Afghanistan und Indien. Neben den charakteristischenGefäßen, Gebrauchsgütern und Mustern, verweisen auch dieCharaktertiere der tibetischen Nomaden auf das gleiche Herkunftsgebietwie übrigens auch die Gene der bodischen Populationen.Nach den archäologischen Befunden lassen sich in dieser Kultur (Hoangho-Kultur)mit Kriukov zwei Trägergruppen unterscheiden, von der einegen Westen und Südwesten und die andere gen Osten driftet. Beide gehörenzu den proto-ost-tibeto-burmesischen Völkern und differenzieren sichunter dem Druck und Einfluß von Steppenvölkern in bodische und sinitische.Die erste Station der Westdrift markiert die Kansu-Kultur. „Thegroup of Yang-shao tribes had spread west in the fourth millenium underwentfurther differentiation. One of its branches, which had come to theupper reaches of the Huang-ho (the present province of Kansu), later becameknown as Ch’iang (or Jung), whereas another branche became thebackbone of the Chou.” 66Kriukov sieht in der Yang-shao Kultur den Ausgangsherd nicht nur derKansu-Kultur (osttibetisches Neolithikum), sondern auch der prototibetischenCh’iang und Chou. Letzteres ist das Trägervolk der dritten offiziellenchinesischen Dynastie, das seinerseits ein Ch’iang-Stamm war.„Die prototibetischen nomadisierenden Schafzüchter, die wohl die altenJung der Chinesen sind, wie auch die mehr bäuerlichen Rinderzüchter, diewahrscheinlich mit der durch ihre Buntkeramik ausgezeichneten nordchinesischenneolithischen Yang-Shao-Kultur des ausgehenden 3. Jahrtausendsidentisch sind, treffen wir jedenfalls um 2000 (neuere Funde erlaubenauch frühere Datierungen/H.S.) bei den Bewohnern des A-mdo-Gebietesauf dem Weg ins zentrale Tibet an, wobei die ausgesprochen nomadischeBevölkerung des Gebietes von A-mdo die von den Jung abstammendenCh'iang der Chinesen sein dürften. Auch in der sich vornehmlichdurch Rinderzucht auszeichnenden Yang-Shao-Kultur läßt das archäologischnachgewiesene Schaf die Berührung mit den Schafzüchtern erken-65 Anne Chayet schreibt den Namen Chos-gong, der dann auch eine andere Bedeutung (als Ch’u= Weiher) hätte.66 wiedergegen nach K.Jettmar, The Origins of Chinese Civilization, Sovjet Views, in: D.N.Knightley (ed.), The Originof Chinese Civilization, Berkeley 1983, p.22446

nen, worauf W. Eberhard aufmerksam gemacht hat. Diese ins eigentlicheTibet vordringenden Einwanderer, die wir in ihrer Gesamtheit als Prototibeterbezeichnen können, werden in ihrem anthropologischen Erscheinungsbildneben europiden Elementen vor allem tungide enthalten habenund überschichteten eine nach Süden und in die schwer zugänglichen Tälerdes Ostens abgedrängte, wahrscheinlich stark palämongolide Urbevölkerung.“67Die Enklaven austrischer, indogermanischer und west-tibeto-burmesischerVölker am Himalayarand sowie im Südosten Tibets, umsäumt von tibetischenStämmen, die sich von den anderen tibeto-burmesischen Völkerndurch ihre zentralasiatischen Genanteile (YAP+) unterscheiden, reflektiertdas Migrationsgeschehen in Übereinstimmung mit den Zeugnissen dermateriellen Kultur, der Gerätschaften und später auch der Megalithrelikte.Auch die Hinweise von Francke 68 , Roerich 69 und MacDonald 70 sowieHoffmann auf Relikte der Megalithkultur in Tibet sind in jüngster Zeitdurch Funde besonders von John Vincent Bellezza eindrucksvoll bestätigtworden. Auch diese sind mit Zeugnissen vertreten, deren ältere dem Spätneolithikum,deren nächst ältere der Bronzezeit und deren jüngste dem historischenZeithorizont zwischen der Zeitenwende und dem 7.Jh. n.Chr.angehören.In Zentraltibet sind außerdem in der von den chinesischen AusgräbernCh’u-khu (chin. Qugong-) Kultur genannten neolithischen Fundstätte beiLhasa Katakomben- oder Steinkistengräber freigelegt worden, die wie dieGefäßmalerei und die Bogenmesser nach Westen zum Megalith- undKurgankreis verweisen und noch weiter in das Neolithikum von Diminiund Susa, also nach Westasien und in den Steppenraum. Die Tibeter sinddieser Grablegeform bis in die Yarlung-Periode treu geblieben. 71 Zu vergleichbarenSchlüssen führen auch die in Westtibet entdeckten Felsbilder,welche in den Motiven auf die Bilder der Fundstellen im Karakorum 72 undTeschik Tasch (bei Dushanbe) verweisen, die ihrerseits in Verbindungstehen mit den Galerien von Kasachstan, der Mongolei, Transbaikaliens67 S.Hummel, Grundzüge einer Urgeschichte der tibetischen Kultur, Jahrbuch des Museums für Völkerkunde zuLeipzig, B XIII, 1954, Leipzig 1955, S.77-868 Siehe: A.H.Francke, The Antiquities of Indian Tibet, I,II, Kalkutta 191469 Siehe: J.N.Roerich, The Animal Style, Prag 1930, ipse, Sur les pistes de l’Asie Centrale, Paris 193370 Siehe: A.W.MacDonald, Une Note sur les Mégalithes Tibétaines, in: Journal Asiatique, Paris 195371 Siehe: E.Haarh, The Yar-Lu-Dynasty, København 1969, S.35572 Siehe: K.Jettmar, Felsbilder im Karakorum, Spektrum der Wissenschaften, 12, 1983, S.22ff47

und Chinghais, von wo aus eine weitere Diffusionslinie nach A-mdo sichausstreckt.Relikte der Megalithkultur wurden früher bereits auch in Osttibet festgestellt.„Megalithgräber, seien es Steinkisten oder Steinkammern, die mitErdhügeln überwölbt sind. Die Kurgane kommen ja noch in späterer Zeitvor, da manche Metall führen; ja einige sind aus geschichtlicher Zeit, da inSteinkisten im Kukunorgebiet chinesische Seide gefunden wurde. Nachdiesem Vorbild waren auch die Grabanlagen der tibetischen Großkönigeangelegt… Von ganz besonderer Art sind die Ziegelgräber mit Tonnengewölbe,die im Süden ein kleine Eingangsnische und im Osten eine geschlosseneNische zeigen… In dem engen Tal dreißig Kilometer östlichvon Si-ning im Dorf Dsung dshä findet sich eine große Nekropole dieserArt.“ 7373 M.Hermanns, Das Nationalepos der Tibeter Gling König Gesar, Regensburg1965, S.27148

Yang-shao, Kansu oder das Osttibetische Neolithikum49

Liu-wanLiu-wan-Neolithikum: Pan-shan und Ma-changMa-chang Urne mit anthropomorphem Relief, aus: A.Chayet, Art et Archéologie du Tibet, Paris 1994, p.55Liu-wan liegt 17km östlich von Ledu im Tal des Huang Shui in der Nähevon Hsining (Zi-ling). Zwischen 1974 und 1979 wurde dort eine der größtenNekropolen dieser Region (112.500qm) ausgegraben.Bislang wurden dort fast 40.000 Objekte geborgen, 17.000 Keramikstücke,1300 Stein- und Knochengeräte sowie 18.000 Schmuckgegenstände, welchevon dem kulturellen Niveau der Siedler zeugen, die diese Nekropoleschufen, d.h. einen Einblick vermitteln über deren agrarischen, handwerklichen(speziell auch der Töpferei) und merkantilen Fertigkeiten.Die Grabstätten (über 1700) verteilensich auf vier Sektoren, dieden vier in der Region heimischenKulturstufen entsprechen. Im östlichenSektor finden sich die Panshan-Gräber,im zentralen Bereichdie Ma-chang-Gräber, im Westsektorliegen die Ch’i-chia-Gräber,während die Hsin-tien-Gräber sichim Nordsektor des Gräberfeldesbefinden.Die länglichen Grabschächte vonPan-shan mit ihren vertikalenTrennwänden folgen einer Nord-Süd-Orientierung. Sie sindüblicherweise mit einem trapezförmigenHolzsarg bestückt, diemanchmal eine Aushöhlung abdecken,in der sich Krüge befinden.In diesen Grüften überwiegt die Einzelbestattung (224 von 257). Der Toteliegt mit dem Kopf nach Norden und den Füßen nach Süden, meist inRückenlage. Die meisten dieser Einzelgräber (168) bergen sekundärbestattete Skelette. 33 Gräber dienten der Kollektivbestattung mit 2 bis 7Skeletten in einem Sarg. Als Grabbeigaben fanden sich Steinwerkzeuge,Geräte aus Knochen, Tonware und Schmuck.50

In diesem Sektor der Liuwan-Nekropole wurden auch 266 Pan-shan-Vasen,Krüge und Schalen geborgen.Die Gräber der Ma-chang-Kultur zeigen sowohl eine Nord-Süd- als aucheine Ost-West-Orientierung, sie sind in ihrer Form weniger einheitlich alsdie Pan-shan-Gräber und weisen statt des länglichen Schachtes oft eineKreis- oder Quadratform auf. Hier kommen auch vereinzelt sarglose Bestattungenvor. Auch hier bezeugt die Mehrzahl der Gräber die Einzelbestattung(769 von 872). 44 Gräber weisen eine Kollektivbestattung auf,wiederum mit 2 bis 7 Skeletten in einem Sarg.In dem Ma-chang-Sektor der Nekropole wurden 13.227 Vasen, Krüge,Schalen und Kannen gefunden, und zwar der größte Teil ungebrochen.„Une très belle urne (…) porte, outre un décor de traits peints, une figurehumaine appliquée, dotée des attributs sexuels masculins et feminins.“ 74Ob die reliefartige Verzierung dieser Urne (siehe nebenstehende Abbildung)tatsächlich eine heramphroditische Gestalt zeigt, wie Chayet mit denchinesischen Ausgräbern annimmt, darf dahingestellt bleiben. Das, wasdiese Autoren als Phallus deuten, kann man ebensogut als eine Vulva auffassen,was die Gestalt dann als eine weibliche Figur auswiese und zu derFunktion der Urne noch besser passen würde als die hermaphroditischeDeutung.Bis 1994 wurden 2563 Schmuckobjekte gehoben, darunter echte Perlen,Perlen aus Stein, Jade, Knochen und Kauristücke.Liu-wan Chalkolithikum und Bronzezeit: Ch’i-chia und Hsin-tienFundstellen der Ch’i-chia-Kultur gibt es in Ning-hsia, Kan-su und in A-mdo. Ch’i-chia wird zwischen 2200 und 1600 v.Chr. datiert.Die Ch’i-chia-Relikte, die in Liu-wan gefunden wurden, weichen von denan den anderen Orten geborgenen Leitformen in charakteristischer Weiseab, weshalb einige Archäologen, so Chayet, sie «type de Liu» apostrophieren.In den 360 bislang entdeckten länglichen Grabstätten fand man 337 Einzel-und 23 Kollektivbestattungen. Die meisten Skelette in Rückenlage,ganz wenige in Seitenlage. Zu den Besonderheiten dieser spätneolithischenKulturstufe gehört auch das Vorkommen einer, wenn auch nicht häufig gefundenen,getrennten Bestattung der Körperteile eines Körpers.74 Anne Chayet, Art et Archéologie du Tibet, Paris 1994, p.5451

In den Gräbern auch dieses Sektors von Liu-wan wurden neben KaurimuschelnWerkzeuge und Geräte aus poliertem Stein und aus Knochen gefunden.Unter den Kermamikresten fielen die Becher mit Fuß auf und einige wenigeDreifüße. Die langhänkeligen Krüge, die für die Ch’i-chia-Ware typischsind, fanden sich auch in Liu-wan, außerdem auch noch solche mitzoomorpher Verzierung.Hundert Kilometer südlich im Raum von Hua-lung und nördlich wie südlichdes Hoang-Ho wurden Relikte aller Kansu-Kulturstufen entdeckt: Machia-yao,Pan-shan, Ma-chang, Chia-yao und Hsin-tien, „qui témoignentde la continuité et de la diversité de l'occupation du Qinghai oriental.“ 75In A-mdo bezeugen die von der Archäologie gehobenen Funde die Kontinuitätder Besiedlung und der kulturellen Entwicklung, die sicher immerwieder angeregt wurde durch die diversen ethnischen Kontakte, und zwarvom Neolithikum bis in die frühgeschichtliche Zeit. 76Der Friedhof von Ka-ma-t’ai, gut 200 km westlich von Liu-wan, markiertden Beginn des westlichen Zweiges der Ch’i-chia-Kultur. 1977 wurdenhier 40 Grabstätten gefunden und in einer von ihnen ein Kupferspiegel inder Art, wie sie ähnlich in Zentral-Tibet gefunden wurde (siehe die Beispieleaus Ch’u-khu oder Chos-go 77 ).Weiter nördlich im Gebiet von Ta-tung, einer kulturellen Kontaktzone mitRelikten der Hsiung-nu, ist die Ch’i-chia-Kultur vertreten durch die FundstelleSun-chia-chai.Die bereits von Andersson entdeckte Kulturstufe Chia-yao wird heute indie Zeit zwischen 1800 und 1000 v.Chr. datiert. Ihr Verbreitungsgebietdeckt sich mit dem der Ch’i-chia-Kultur, geht mit den Fundstellen amKökö-nor aber noch über deren Gebiet hinaus. Ihre Grabstätten (30 in Shap’ing-t’ai)sind länglich und rechteckig, ihre Särge bergen mit einer Ausnahmeder gemeinsamen Bestattung von Mutter und Kind nur Einzelskelette.Unter den Geräten, die den Toten mitgegeben wurden, befanden sichBeile, Schaufeln, Löffel, Suppenlöffel, Spindeln, alle aus Stein, undScherben der Gebrauchskeramik.75 Anne Chayet, Art et Archéologie du Tibet, Paris 1994, p.6176 „Si le Tibet central et occidental n'offre que peu de repères entre le néolithique et la période historique, du moinspour l'instant, les sites du Qinghai présentent des séquences datées d'une relative continuité, même si les liens que cescultures ont pu avoir avec celles du Tibet central sont encore peu précisés.“ Anne Chayet, Art et Archéologie du Tibet,Paris 1994, p.6077 Jiang Cheng’an/ Zheng Wenlai, Precious Deposits, I, Beijing 2000, p.64-552

Als letzte der bronzezeitlichen Kulturen Nordwest-Chinas erreichte dieKultur von Hsin-tien A-mdo, die man zwischen 1600 und 500v.Chr. datiert.Sie ist im Osten von A-mdo gut vertreten. 10 Fundstätten gibt es beiSa-lar (Hsüan-hua) in Gebiet von Ta-tung und bei Kuei-nan.In den 5 Hsin-tien-Gräbern von Liu-wan fehlen die Gefäße mit der Volutenverzierung,die gewöhnlich mit dieser Kulturstufe assoziiert wird. DieLiu-wan-Hsin-tien Gefäße zeigen vielmehr Dekore, die es nur in Liu-wangibt. Auch diese Eigenheit unterstreicht die kulturelle Eigentümlichkeit derNekropole von Liu-wan. 7878 Siehe: Anne Chayet, Art et Archéologie du Tibet, Paris 1994, p.6253

aus: E.v.Eickstedt, Rassendynamik von Ostasien, Berlin 1944, S.8954

Eurasische VorbilderSpiralbandmotive von Cucuteni IIaus: H.Schmidt, Prähistorisches aus Ostasien,Z.f.E.,55,Berlin 1923, S.138Tongefäß, schwarzbraun bemalt, Cucutenibei JassyAbb. aus: C.Schuchart, Alteuropa, Berlin1941, S.192, Abb.10Bemalte Tongefäße aus Bilcze, Ukraine, OstgalizienAus: M.Hoernes, Urgeschichte der BildendenKunst in Europa, Wien 1915, S.291Bemaltes Gefäß der Tripolje Kultur,4.Jt.v.Chr.aus: K.Gutbrod, Geschichte der frühen Kulturender Welt, Köln 1978, S.27255

Yang-shaoKrug, Ton, rot und schwarz bemalt,Yangshao,um 3000 v.Chr.Abb. aus: Meyers Illustrierte Weltgeschichte,I, Mannheim, Wien, Zürich 1979,S.89Tonschale, schwarz-rot bemalt, Spiralmotiv,Yang-shao, um 2500 v.Chr.aus: K.Gutbrod, Geschichte der frühenKulturen der Welt, Köln 1978, S.313Tongefäß, bemalt, Yang-shao, um 2200v.Chr.aus: K.Gutbrod, Geschichte der frühenKulturen der Welt, Köln 1978, S.31356

Dreifußkanne, Typ ho, eurasische Variante,Yang-shao, um 2500 v.Chr.aus: K.Gutbrod, Geschichte der frühenKulturen der Welt, Köln 1978, S.313Tongefäß, Dreiecksmuster, Pan-po-ts’un,3400 v.Chr.aus: K.Gutbrod, Geschichte der frühenKulturen der Welt, Köln 1978, S.312Tongefäß, Dreiecksmuster, Pan-po-ts’un,3400 v.Chr.Stadtmuseum Lanzhou57

Ostibetisches NeolithikumFußschale aus poliertem roten Steinzeug.Mit schwarzer Engobe bemalt.Lan-chou, Kansu,Sätes 3. Jt v.Chr.aus: M.Tregear, Chinesische Kunst,München 1998, S.16Pan-shanGroße Graburne aus poliertem, rotenSteinzeug. Spiralmuster in roter undschwarzer Engobe. Pan-shan, Kansu,3.Jt v.Chr.aus: M.Tregear, Chinesische Kunst,München 1998, S.15Großer schwerer Krug aus poliertemroten Steinzeug. Spiralmuster in roterund schwarzer Engobe. Pan-shan,Kansu, 3.Jt v.Chr.British Museum, London58

aus: E.v.Eickstedt, Rassendynamik von Ostasien, Berlin 1944, S.83 5Begräbnisgefäße, mit Engobe verziert, aus Pan-shan, Ma-ch’ang und Hsien-tien, 3. bis 2. Jt59

v.Chr. British Museum London; aus: M.Tregear, Chinesische Kunst, München 1998, S.52Gefäß, Typ guan, Pan-shan, Kansu, Anfang/Mitte3.Jt v.Chr.Linden Museum Stuttgart, aus: G.Fahr-Becker, Ostasiatische Kunst I, Köln1998, S.19Kännchen aus rötlichem, poliertem Ton,schwarze und rote Bemalung, Pan-shan,3.Jt v.Chr.Ostasiatische Sammlungen, Stockholm,W.Speiser, Die Kunst Ostasiens, Berlin1946, S.36Gefäße aus rötlichem, poliertem Ton, schwarze und rote Bemalung, Pan-shan, 3.Jt v.Chr.British Museum, London, aus: P.Fitzgerald, Das alte China, Gütersloh 1975, S.4060

Gefäße, Typ guan, Tonware, Spiralornamente,Pan-shan, 3.Jt v.Chr.British Museum, London, aus: G.Fahr-Becker, Ostasiatische Kunst I, Köln 1998,S.21Siehe: 4, 6, 9Vase Terre-cuite peinte, 37,9 x 43,9 x 40,3Chine septentrionale, province du Gansu,site de BanshanVers 2800 - vers 2500 av. J.-C.M.C. 8322. Achat, 1936.Musée Chernushi, ParisParmi les sites fouillés par l’archéologue suédoisJohan G. Andersson (1874-1960) en 1923et 1924, la nécropole de Banshan livra le plusgrand nombre de céramiques. Des vases detailles variées étaient regroupés autour du défunt.Cette grande jarre, peut-être vers 2500 av. J.-C., est caractéristique de cette production. Deton beige clair, elle porte sur l’épaule un décorpeint brun et noir de spirales et de quadrilatèresaux côtés curvilignes.Jar, Late Yangshao period, Banshan type,c.2500–2000 BC, earthenware, pigments,42.0 (H) x 41.0 (W) x 41.0 (D) cm, IRN5254 / Acc. no. 95.595Gift to the National Collection of AsianArt from Dr. T.T. Tsui LLD JP, of theTsui Art Foundation, H.K., through theNational Gallery of Australia Foundation1995.61

Ma-chia-yaoGefäß mit flachem, teilplastischem Dekorin Menschengestalt, Ma-chia-yao, Kansu(3800-2000 v.Chr.)Archäol.Inst. Peking, aus: G.Fahr-Becker,Ostasiatische Kunst I, Köln 1998, S.21Krug mit Spiraldekor, Ma-chia-yao, 3000v.Chr.Bachmann & Eckensteiner, CH 4020 Basel,Hardstr.45Krug mit anthropomorpher Gestalt, Machia-yao,3200 v.Chr.Bachmann & Eckensteiner, CH 4020 Basel,Hardstr.4562

Schale Ma-chia-pan, Kansu (3800-2000v.Chr.)Clarke & Clarke,Schale mit foriformem Wellenband, Machia-yao,3400 v.Chr.Museum of Fine Arts, BostonKrug mit anthropomorphem Kopf, Machia-yao,3000 v.Chr.Museum of Fine Arts, BostonSchöpfkrug mit Spiralmuster, Ma-chiayao,3400 v.Chr.Stadtmuseum LanzhouKrug mit Rautenband, Ma-chia-yao, 3300v.Chr.Stadtmuseum Lanzhou63

Ma-ch’angGroßes Gefäß, Typ guan, aus Ma-ch’ang,Ende des 3.JhtsLinden Museum, Stuttgart(abgezeichnet)Großes Gefäß, Typ guan, aus Ma-ch’ang,Ende des 3.JhtsStadtmuseum LanzhouTrommel, mit Spiralmuster, Ma-chang,Ende des 3.Jhts.Stadtmuesum LanzhouGroßes Gefäß, Ma-ch’ang, Ende des3.JhtsMuseum of Fine Arts, Boston64

Liu-wanKürbisförmiger Doppelhenkelkrug, Rotbemalung,Höhe 10cm. aus der Nekropolevon Liu-wan, Ma-changaus: A.Chayet, Art et Archéologie du Tibet,Paris 1994, p.55Doppelhenkelkrug, Rotbemalung,. aus derNekropole von Liu-wan, Ma-changaus: A.Chayet, Art et Archéologie du Tibet,Paris 1994, p.5565

Ch’i-chiaGefäß, Ch’i-chia, 2300 v.Chr.Bachmann & Eckenstein, CH 4020 Basel,Hardstr.45Gefäß, Ch’i-chia, 2300 v.Chr.David Sablar CamachoAbhaya Antiques, 26A G/F Tung WanTau, Mui Wo,Lantan Island, Hong KongKanne, Chi-chia, 1800 v.Chr.Art Galery J.J.Lally, 41 East 57th Street,New York66

Henkelbecher, Chi-chia, 2300 v. Chr.Ron O'Callaghan, Oriental Rug Review -Asian Trade at Old Kelley Tavern, 74 SinclairHill Road - New Hampton, NH 03256Henkelbecher, Chi-chia, 2200 v.Chr. ausder Nekropole von Liu-wan, Rotbemalungmit geometrisierendem Dekor.aus: A.Chayet, Art et Archéologie du Tibet,Paris 1994, p.6167

Hsin-tienKrug, Feng-tai, KayueWagner, M. (2001)Kayue- ein Fundkomplex des 2. Jahrtausendsv.Chr. etc.In: R.Eichmann/ H.Parzinger (Hg.): Migrationund Kulturtransfer. etc. Kolloquienzur Vor- und Frühgeschichte Bd. 6.Bonn 2001Krug, Feng-tai, KayueWagner, M. (2001)Kayue- ein Fundkomplex des 2. Jahrtausendsv.Chr. etc.In: R. Eichmann/ H.Parzinger (Hg.): Migrationund Kulturtransfer. etc. Kolloquienzur Vor- und Frühgeschichte Bd. 6.Bonn 200114Urne, Bemalte Keramik, Hsin-tien, 1300v.Chr.Bachmann & Eckenstein, CH 4020 Basel,Hardstr.45Urne mit Tierfiguren, Bemalte Keramik,Hsin-tien, 1300 v.Chr.Aus: E. Consten, Das alte China, Stuttgart1966, Ab.468

Die Kultur von mKhar-ro und dByen-mdomKhar-ro, Behausung Typ 1) mKhar-ro, Behausung Typ 1)siehe: A.Chayet, Art et Archéologie du Tibet, Paris 1994, p.39-40Nach seiner Entdeckung 1977 begannen 1978 die Grabungen in Karo, (tib.mKhar-ro), an einer Stelle 12km südöstlich von Chab-mdo.Die Fundstelle erstreckt sich über eine Fläche von einigen 10.000 Meternim Quadrat, vondenen bislang1800 Meter ausgegrabenwurden.Ihre Stratigraphieweist vier Schichtenauf, die manzu zwei Periodenzusammengefaßthat. Für die ältestenSchichten, dieSchichten 4 und 3,wurden C 14 - Datenermittelt, die auf ein Alter zwischen 4955 (+/- 100) Jahren für die Schicht4 und 4280 (+/- 100) Jahren für die Schicht 3 schließen lassen. Fundstückeaus der Schicht 2, d.h. aus der jüngeren Periode, brachten ein mit der C 14 -mKhar-ro, Behausung Typ 1) mKhar-ro, Behausung Typ 1)siehe: A.Chayet, Art et Archéologie du Tibet, Paris 1994, p.39-40Methode ermitteltesAlter von3980 (+/- 80) Jahren.Die bislanggehobenen Reliktebezeugen fürmKhar-ro eineüber 1000 jährigeKontinuität seinervorgeschichtlichenPräsenz.DieGrabungskampagnebrachte auch Reste von etwa 30 Behausungen zum Vorschein, die eineBauentwicklung reflektieren: „La première période (couches 4 et 3) a vuse développer trois types d’habitation: maisons au sol creusé en cuvette,69

maisons semi-enterrées et maisons construites à la surface du sol.“ 79 DieVariation der Hauskronstruktionen umfaßt 1) Häuser, deren Wände eineflache Bodenwanne begrenzen, 2) Häuser, die der Höhe nach halb in dieErde eingegraben wurden, und 3) Häuser, die auf der Bodenoberflächehochgezogen wurden. Den Fortschritt im Hausbau zeigen speziell die Relikteder zweiten Periode und zwar die Beispiele des dritten hier genanntenTyps, 80 der zweistöckige Häuser aufwies, in einer Bauweise, deren Konstruktionman bis nach West-Tibet hin finden kann, 81 aber auch für dieBeispiele der anderen Typen lassen sich Parallelen bei den Yi, Ch’iangund Na-khi finden. 82mKhar-ro, Haus Typ 2) mKhar-ro, Haus Typ3) A.Chayet, 1994, p.41 u.43„Les maisons de mKhar-ro montrent un progrès constant, de la lutte au solconcave à la maisons semi-enterrées, puis à la construction à la surface dusol et finalement à la maisons à étage. Progès que l’on peut égalementmarquer par l’apparition de la charpente, puis par celles des murs en madriersou en rondins empilés et croisés, des murs en pierre, enfin de l’étageet des auvents. “ 83Unter den steinernen Zeugnissen aus Sandstein, Quarzsandstein undQuarziten fanden sich Werkzeuge oder Gerätschaften aus direkt beschlagenemStein (6828 Stück), Mikrolithe (629 Stück) sowie aus poliertem Stein(513 Stück), die über die stratigraphischen Schichten unterschiedlich ver-79 Anne Chayet, Art et Archéologie du Tibet, Paris 1994, p.3880 Siehe: Anne Chayet, Art et Archéologie du Tibet, Paris 1994, p.41f81 Siehe: Anne Chayet, Art et Archéologie du Tibet, Paris 1994, p.4382 Siehe: Anne Chayet, Art et Archéologie du Tibet, Paris 1994, p.3983 Anne Chayet, Art et Archéologie du Tibet, Paris 1994, p.4470

teilt waren. 84 Die bislang ergiebigste Schicht war die Schicht 2 der jüngerenPeriode.Die perkutierten Gerätschaften wiesen z.T. die Merkmale der Levallois-Technik auf und folgten in Form und Technik der Kontinuität des tibetischenPaläolithikums, etwa den Beispielen der bisherigen Funde von Su-reoder Zhuluole. 85 Basalt, SerpentinsteinmKhar-ro: MikrolitheMikrollithe ältere Periode Jüngere P. SummeSchicht 4 Schicht 3 Schicht 2Nukleus 7 35 41 83Blatt 25 61 83 169Pfeilspitze 0 3 2 5Spitze 3 9 13 25Stichel 2 2 4 8Schab-Kratzer 14 49 41 104Schlag-Kratzer 39 90 106 235Summe 90 249 290 629Prozent 14% 40% 46%nach: A.Chayet, Art et Archéolgie du Tibet, Paris 1994,p.45und Jadeite lieferten dasschwer zu berabeitendeMaterial der Geräte auspoliertem Stein. 86Gerät und Werkzeug ausKnochen und Horn fandensich in mKhar-rovergleichsweise wenig,insgesamt nur 366Stücke, darunter nur eineinziges aus Horn, eineAhle. Das kleinste Stück aus Knochen war eine Nadel von 1,4cm Längeund hatte einen Durchmesser von 0,1cm. Unter den knöchernen Stückenwaren Ahlen (207) und Nadeln (131), Handbeile, Messergriffe, Druckmodelnfür die Töpferei sowie Haarnadeln. Die Verzierungen dieser Gerätewurden in die Stücke eingeschnitten. 87 Bemerkenswert erscheint ein rechteckigesMesser, versehen mit transversalen Einschnitten an seinen Enden,das einem Exemplar gleicht, das man im Iran gefunden hat, aber bereits8000 Jahre alt ist (siehe Abb. unten). 88Von den über 20.000 Scherben, die in mKhar-ro gefunden wurden, konntenbislang an die 50 Gefäße restauriert werden, darunter 30 Krüge (sieheeinige Beispiele unten), 11 Schüsseln und 5 Schalen. 89Es fällt auf, daß sich unter der in mKhar-ro ausgegrabenen Tonware wederDreifüße noch befußte Vasen befinden. Nur ein Krug besaß einen Henkelam Gefäßhals.84 «Numériquement, le matériel lithique constitue une part importante des découvertes faites à mKhar-ro, avec septmille neuf cent soixante-dix pièces, dont six mille huit cent vingt-huit objets de pierre taillée, six cent vingt-neufmicrolithes et cinq cent treize outils de pierre polie.» Anne Chayet, Art et Archéologie du Tibet, Paris 1994, p.4485 Siehe: Anne Chayet, Art et Archéologie du Tibet, Paris 1994, p.4486 Siehe: Anne Chayet, Art et Archéologie du Tibet, Paris 1994, p.4487 Siehe: Anne Chayet, Art et Archéologie du Tibet, Paris 1994, p.4588 Siehe: Anne Chayet, Art et Archéologie du Tibet, Paris 1994, p.4589 Siehe: Anne Chayet, Art et Archéologie du Tibet, Paris 1994, p.4571

Im Kontrast zu den recht einfachen Formen zeigt die Tonware einen überraschendenDekorreichtum an Motiven geometrisierender Ornamentik, wiesie ähnlich in Pan-po und in dem von Schmidt als östlichem Kreis bezeichnetenRaum bereits entdeckt worden sind. „Ces motifs sont nombreux,utilisés simplement par répétition ou en composition parfois fortélaborée: petits traits brefs et traits plus longs, le plus souvent organisésen zigzags; lignes parallèles, remplissant parfois d'autres motifs: zigzags,oves, spires, bandes, etc.; carrés, rectangles, losanges, festons, écailles,cercles, etc. De petits cercles et triangles sont produits par impression. “ 90Die Grabungen in mKhar-ro bieten ein Bild der Lebensweise der Trägerjener dort vorgefundenen Kultur, die sich deutlich von dem Lebenstilzeitgleicher Fundorte in China abhebt, ganz besonders die Formen desHäuserbaus deuten nach Zentral- und West-Tibet.mKhar-ro: Steinwerkzeug, geschlagenSteinwerkzeug, ältereJüngere SummePeriode P.geschlagen Schicht Schicht Schicht4 3 2Nukleus 50 190 333 573Abschlag 90 391 1677 2158Schaufelform 52 91 183 326Hackbrett 108 213 406 727Beil 4 21 39 64Beilform 1 2 1 4Hacke 2 5 17 24Pflugscharform 0 2 7 9Bohrer/Ahle 9 27 39 75Spitze 5 67 146 228Hackmesser 78 137 228 443Hammerschloß 73 170 263 506Kratzer 166 560 838 1564Speerspitze 0 2 16 18Pfeilspitze 0 2 1 3Stichel 8 22 55 85Amboß 4 3 14 21Summe 660 1905 4263 6828Prozent 10% 28% 62%nach: A.Chayet, Art et Archéolgie du Tibet, Paris 1994, p.44Werkzeug und Gerätschaftenlegen den Schluß auf den Subsistenzerwerbdurch Ackerbauund Jagd nahe. Obwohl derFundort am rDza-chu oderMekong liegt, ergaben dieGrabungen bislang überhauptkeinen Hinweis auf den Fischfangals Nahrungserwerb. Unterden gefundenen Cerealienfallen besonders die großenMengen an Gerste auf, die manin dieser Siedlung gespeicherthatte, Mengen die ohne dieAnnahme eines regelrechtenAnbaus dieses Getreides nichtzu erklären wären. In dByenmdo(Xiao'enda), 5km westlichvon Chab-mdo, einerFundstätte der gleichen Kultur,entdeckte man 1986 Getreidesilosund ein Kammergrab mit einem Skelett in Hockerstellung, darinweiter ein Tonkrug, Steinwerkzeuge, Mikrolithe und Geräte aus Knochen90 Anne Chayet, Art et Archéologie du Tibet, Paris 1994, p.45-672

und Horn sowie Tonscherben mit eingeritzten Dekoren als Grabbeigaben.Das Alter dieser Grabstätte wurde nach der C 14 -Methode auf 3375 (+/- 80)Jahre datiert.Unter den Tierknochenrelikten überwiegen die des Schweins, wahrscheinlichdie einer domestizierten Art. Abdrücke auf Tonscherben verweisenauf die Technik der Weberei, d.h. auch die Textilherstellung muß an diesemprähistorischen Ort bereits geläufig gewesen sein. Und Reste vonSchmuckstücken aus Kaurimuscheln deuten auf weitreichende Handelskontakte.Chayet beschließt ihre Übersicht über den Fundbestand von mKhar-ro:„mKhar-ro apparaît comme une culture originale, qui a pu exercer unecertaine influence plus à l'ouest, dans la région du cours moyen dugTsang-po.“ 9191 Anne Chayet, Art et Archéologie du Tibet, Paris 1994, p.4673

mKhar-ro/ KaroZweißuß, 18,7cm hoch, 29,2cm breit, Spätneolithikum,mKhar-ro,aus dem Tibet Museum, Lhasa, sieheauch:Jiang Cheng’an, Zheng Wenlei, PrecioisDeposits,I, Beijing 2000, p.38-39Auf rotem Ton schwarz aufgemaltes und geritztesDreickzackenband mit Punkten undStrichenKrug, graue Keramik, 27cm hoch, Spätneolithikum,mKhar-ro,aus dem Tibet Museum, Lhasa, sieheauch:Jiang Cheng’an, Zheng Wenlei, PrecioisDeposits,I, Beijing 2000, p.37Krug, Ritzdekor, 19cm hoch, Spätneolithikum,mKhar-ro,aus dem Tibet Museum, LhasaDekor am Hals: Kreise mit Kreuz, darunter:Band, schräg gestrichelt, darunter: Band ausDreieckzacken74

Krug, Ritzdekor, 21cm hoch, Spätneolithikum,mKhar-ro,aus dem Tibet Museum, LhasaBauchdekor: Ineinandergreifende DreickeVase, Ritzdekor, 15,4cm hoch, Spätneolithikum,mKhar-ro,aus dem Tibet Museum, Lhasa, sieheauch:Jiang Cheng’an, Zheng Wenlei, PrecioisDeposits,I, Beijing 2000, p.34Vase, Ritzdekor, 15,cm hoch, 17,4cm Durchmesser,Spätneolithikum, mKhar-ro,aus dem Tibet Museum, Lhasa75

Steinaxt, 12,5cm lang, Spätneolithikum,mKhar-ro,aus dem Tibet Museum, Lhasa; sieheauch:Jiang Cheng’an, Zheng Wenlei, PrecioisDeposits,I, Beijing 2000, p.19-21Steinmesser, 11,7cm lang, Spätneolithikum,mKhar-ro,aus dem Tibet Museum, Lhasa, sieheauch:Jiang Cheng’an, Zheng Wenlei, PrecioisDeposits,I, Beijing 2000, p.26Steinaxt, 12,5cm lang, Spätneolithikum,mKhar-ro,aus dem Tibet Museum, Lhasa, sieheauch:Jiang Cheng’an, Zheng Wenlei, PrecioisDeposits,I, Beijing 2000, p.19-2176

Ahlen aus Knochen, 17cm und 13cm lang,Spätneolithikum, mKhar-ro,aus dem Tibet Museum, Lhasa, sieheauch:Jiang Cheng’an, Zheng Wenlei, PrecioisDeposits,I, Beijing 2000, p.25Haarnadel aus Knochen, 14,5cm lang, Spätneolithikum,mKhar-ro,aus dem Tibet Museum, LhasaHalskette aus Knochen, Spätneolithikum,mKhar-ro,aus dem Tibet Museum, LhasaNadeln aus Knochen, 4,2cm lang, Spätneolithikum,mKhar-ro,aus dem Tibet Museum, Lhasa, sieheauch:Jiang Cheng’an, Zheng Wenlei, PrecioisDeposits,I, Beijing 2000, p.3377

Tanzende Fuguren: Tepe Sialk, Samarra, Tepe Hisar, RagarKeramikmuster Tepe Sialk, 4.Jt v.Chr.aus: K.Gutbrod, Geschichte der frühen Kulturender Welt, Köln 1978, S.190Weibliche Figuren, Keramik von Samarra,5.Jt. v.Chr.aus: K.Gutbrod, Geschichte der frühen Kulturender Welt, Köln 1978, S.122(tanzende?) Figuren Tepe Hisar und Ragaaus: Ernst E. Hertzfeld, Iran in the AncientEast, Oxford, 1941, p.9“The picture of a file of men on sherds fromTepe Hisar I and Raga (in the same fig. 195),apparently in a kind of war-dance, proves thesame tendency towards greater realism. Thedesign may be compared with files of men (orwomen) from Tell Halaf.”78

Zangri (bZangs-ri)-KulturPainted pottery jar, bZang-ri Culture, Neolithic(c.3300--2050 BC), Height 23.5 cm, Unearthedat the bZang-ri size, Tuanjie village,Bagou Township, Tongde (sTong-sde) County,Qinghai Province, 1994Institute of Archaeology of Qinghai ProvinceThe pot made of milky white sandy pottery hasa round body rising from a small flat base to ashort neck and an everted lip, painted in purplishred. Simple and vivid are the triangles,wavy lines and birds that the mouth rim, neckand shouldered respectively. It is a typicalvessel of the bZang-ri Culture.Painted pottery basin, bZang-ri Culture, Neolithic(c.3300 -- 2050 BC), Height 12.5 cm,mouth diameter 22.8 cmUnearthed at the bZang-ri size, Tuanjie village,Bagou Township, Tongde (sTong-sde)County, Qinghai Province, 1995Institute of Archaeology of Qinghai ProvinceThe designs on the interior wall involve twogroups of dancing people hand in hand.79

Bogen und Rechteckmesseraus: H.Schmidt, Prähistorischesaus Ostasien, Z.f.E.,55, 1923,S.142, Abb.10aus: O.Menghin, Weltgeschichte derSteinzeit, Wien 1931, S.288, TafelXXXIIIaus: O.Menghin, Weltgeschichte derSteinzeit, Wien 1931, S.432, TafelXLVISteinmesser, rechteckig mit geradem Rücken,Ch’i-chia,nach: Wang Jihuai, Archeological Outlines ofQijia Agricultural Discovery and Research, in:Agricultural Archeology, 1, 1987,71-5Steinmesser, rechteckig mit geradem Rücken,mKhar-ro,aus dem Tibet Museum, Lhasa, sieheauch:Jiang Cheng’an, Zheng Wenlei, PrecioisDeposits,I, Beijing 2000, p.2680

Zentral- und westtibetisches NeolithikumDie Ch’iang-Kultur von No-mu-hung1957 entdeckte man nicht weit entfernt von Hsien-jih-te die ganz eigenständigeNomadenkultur von No-mu-hung. 92 Die drei Fundstellen, dieseit 1959 gehoben wurden, liegen in der Tsaidam-Halbwüste zwischenTu-lan und Golmud ganz in der Nähe der heutigen Durchgangsstraße.Hier, d.h. bei Hsien-jih-te, fand man Steinwerkzeug und Gerätschaft aufHorn und Knochen, sowie eine grobe Töpferware mit eingeritzten oderapplizierten Dekoren. Weiter westlich in der Nähe von Pa-lung in derFundstelle Ta-wen-t’a-li-ha konnten Gebäudereste geborgen werden,Keramik- und Textilfragmente und 100km nordwestlich von diesemStandort, in der Fundstelle von No-mu-hung barg man Beile, Messer,Kratzer, Schaber, Pfeil- und Speerspitzen, Mahlsteine, Stampfer, Schaufelnund Mörser aus Stein, Ahlen und Nadeln, Löffel und Spitzen sowieKüchengerät aus Knochen und Horn.Die Keramikfunde ergaben Krüge, Henkelkrüge, die an die Ch'i-chia-Vorbilder gemahnen, Schalen und Becher mit Füßen.92 Siehe: Anne Chayet, Art et Archéologie du Tibet, Paris 1994, p.62-381

Hier kann man eine Periode mit Bemalung von einer solchen ohne Bemalungunterscheiden. Die Periode ohne Bemalung gilt als die jüngere.Auch fand man eine Tonfigur, die einen formstilisierten Yak darstellt,Seilreste und Fragmente groben Textils.Von den Baukonstruktionen, die man hier in Resten ausgrub, finden einigeheute noch ihre Anwendung, z.B. die Art des Mauerns und Zäunensmit Bruchstein oder unbehauenen Steinen. Die Grundrisse weisen einegroße Zahl an Pfosten auf und hölzernen Stützbalken zur Halterung derWände.Außerdem fand man an dieser Fundstelle auch Felsbilder, die ersten dieman mit den nordtibetischen Siedlern und ihrer Lebensweise in Beziehungbringen kann. Sie gehören dem neolithischen und dem chalkolithischenZeitraum an. Die mit der C 14 -Methode auf 2795 Jahre datiertenStücke gehören dementsprechend in die Zeit um 1000-800v.Chr., dochdie Nu-mo-hung-Kultur wird generell zwischen 2000 und 500v.Chr.datiert.Die Langhalskrüge mit ihren großen Henkeln, die ebenfalls zu ihremInventar zählen, entsprechen der Keramik der Steinkistengräber, diesowohl in Kansu und in A-mdo als auch in Zentral-Tibet gefunden wurden,wenngleich ihre Dekore hin und wieder voneinander abweichenund verweist auf die bronzezeitlichen Kontakte der tibetischen Bevölkerungen.Die Zeugnise aus Nying-Khri und Me-thog 93Bei i-Khri in der Provinz Ko-po entdeckte man 1970 ein menschlichesSkelett, das in Ost-Westrichtung (der Kopf lag nach Osten die Füße nachWesten) bestattet wurde und Reste eines vielleicht neolithischen Gräberfeldes94 in der Nähe des a-Flusses.Die anderen Funde weisen darauf hin, daß vor über 4000 Jahren auch dieseProvinz bereits von Bauern besiedelt wurde, die im Brandrodungsbau ihreFelder bestellten und in den nahegelegenen Seen und Flüssen, im Yar-kluund im a ihre Fischernetze auswarfen, von denen die Gewichte, welche93 Siehe: Anne Chayet, Art et Archéologie du Tibet, Paris 1994, p.46-794 Die Datierung der Gräber ist umstritten. Chayet schreibt: „Les rares tombes signalées par les publications, découvertesnon loin de Nying-khri, étaient trop mal conservées pour permettre une interprétation sans équivoque. Les fossessemblaient avoir été creusées à parois verticales, les corps y étaient couchés sur le dos, la tête à l'ouest, les pieds àl'est. Toutefois, un net désaccord règne entre les spécialistes sur la datation de ces tombes, que certains situent à unepériode très postérieure au néolithique.“82

die Netze beim Fischen nach unten ziehen, gefunden wurden. ChinesischeArchäologen glauben aus den Relikten der Region auf eine Stämmeallianzschließen zu können, der sie den Namen „Nyingchi-Man“, d.h. die „Leutevon i-Khri“ gaben.Am Tsangpo Knick, in den Gebieten von i-Khri und Me-thog, speziellbei Hongguang, Jialama, Jumu und Yunxing (i-Khri) und bei Baibengund Maniwang (Me-thog) wurden insgesamt 19 neolithische Fundstellenmarkiert, die kulturell zusammenhängen und dem Spätneolithikum zugeordnetwerden. 95Hier wurden auch Werkzeuge und Geräte aus Stein, die man im Schlagverfahren(Percussion) herstellte, gefunden, darunter Kratzer, Spitzen,Handbeile und Hackplatten, Lote oder Fadengewichte, und Geräte auspoliertem Stein, darunter Beilklingen, Faustkeile und kleine Klingen.Mikrolithe wurden bislang nicht gefunden.Die Tonware ist bislang nur durch Scherben bezeugt, die Spuren der RotundSchwarzbemalung zeigen mit einfachsten Musterfragmenten oderMusterritzungen in geometrisierender Ausführung. Krüge, Töpfe undSchalen erscheinen in ihrer Gestalt nach unten gestaucht und zeigen charakteristischeUnterschiede zur Töpferware mKhar-ro’s. „En dépit de similitudesconstatées dans le domaine de la céramique, le groupe Nyingkhri/Me-togsemble assez différent de la culture de mKhar-ro, notammenten raison de l'absence des microlithes. “ 96Die Fundstellen sNe’u-gDong’s und Phyong-rgyas’Ähnlich wie die Stätten in i-Khri warten auch jene im Bereich der Zuflüssedes mittleren Tsang-po, warten die Fundstellen in sNe’u-gDo undim Phyo-rgyas-Tal immer noch auf ihre hinreichende archäologischeErforschung.Die Fundstätte Qingba 97 im ’On-Tal in der Nähe des Dorfes sMon-gro,deren Areal auf 1008qm geschätzt wird, wird zum größten Teil bedecktvon den Gebäuden des jetzigen Dorfes Qingba (Phying-pa) und das, wasvon ihnen ans Tageslicht gefördert wurde, erscheint stark beschädigt durchdie heutigen Terassierungen. Trotzdem konnten dort bis jetzt 4 Feuerstel-95 A.Chayet, Art et Archéologie du Tibet, Paris 1994, p.4696 A.Chayet, Art et Archéologie du Tibet, Paris 1994, p.4697 Die tibetische Fassung des Namens konnte nicht mehr ermittelt werden. Vielleicht Phying-pa?83

Ruinenfeld von Banggar, nach Sharge Wangduilen (Becken voller Asche) und Grundmauern von Gebäuden freigelegtwerden, die in halber Höhe in die Erde eingegraben wurden.Versteinerte Knochen und Tonscherben wurden in der Nähe dieser Reliktegefunden, außerdem zwei Vierkantbeilklingen aus poliertem Stein. ÄhnlicheVierkantbeile wurden auch im Kreis Yadui im Distrikt sNe’u-gdogefunden, allerdings unter heute nicht mehr nachvollziehbaren Umständen.Die archäologische Untersuchung der Hausreste von Baoga im KreisPhyong-rgyas durch das Archäologische Institut der Chinesischen Akademieder Sozialwissenschaften, legte quadratische Baukonstruktionen ausSteinmauern offen und einige Kammergräber. Einer der Hausgrundrissemaß 6 x 6 Meter im Quadrat. Drei Seiten des Hauses, die Süd-, West- undOstmauer, bestanden aus Felsblöcken und Füllsteinen, während die Nordmaueraus einzelnen behauenen Steinen gefügt war. Die Seitenhöhe deshöchsten Mauerrestes betrug 80cm bei einer Mauerdicke zwischen 30cmund 70cm. Der Boden bestand aus gestampfter Erde. Feuerstellen und Pfostenlöcherbefanden sich in entsprechenden Abständen innerhalb undaußerhalb der Mauereinfriedung. Auf der Oststeite des Hauses waren nochdrei geflieste Seitensteine einer Herd- oder Kochstelle zu entdecken, diehier am Mittellauf des Tsang-po vom kulturellen Niveau des zentral-tibetischenNeolithikums zeugen.Eine weitere neolithische Fundtsättewurde 1985 in der Nähe des DorfesBanggar 98 , etwa 8km südlich des DorfesPhyo-rgyas entdeckt. Im Septemberund Oktober 2000 unternahm dasarchäologische Institut der ChinesischenAkademie der Sozialwissenschaftendort Grabungen, die ein Ruinenfeldvon 100m Länge und 30mBreite zutage förderten, und zwar zusammenmit 99 Tonscherben 99 und 186 Steingeräten.Die Tierknochen, die dort gefunden wurden, „on y à mis au your… unegrande quantité de fragments d'ossements (600)“, 100 stammten häufigvom Schaf.98 Die tibetische Fassung dieses Namens konnte nicht mehr ermittelt werden. Vielleicht Bang-dkar?99 Chayet gibt mehr als 200 Scherben an, siehe: A.Chayet, Art et Arcgéologie du Tibet 1994, p.48100 A.Chayet, Art et Arcgéologie du Tibet 1994, p.4884

Unter den Tonscherben waren auch Reste von Tonfigürchen, die Schafedarstellten. Die Steinwerkzeuge waren perkutierte oder retuschierteStücke, darunter auch eine Reihe von Mahlsteinen.Das Ruinenfeld besteht hauptsächlich aus Hausgrundrissen, Steinmauern,Pfosten- und Aschelöchern. Die Traufenseiten der Häuser mit etwa 4mlangen Mauern waren nord-südlich ausgerichtet, die kürzeren Mauern von3m Länge standen zu diesen west-östlich.Die Pfosten- und Aschelöcherjenes Hauses, in dem sie ausgemessenwurden, hatten einen Durchmesservon 0,6m und Tiefen zwischen 0,3mbis 0,7m. Von einigen der Löcher, dieaußerdem keine konstruktive Funktionzu erfüllen schienen, nahm manHausruine, Banggar, nach Sharge Wangduidaher an, daß sie auch der Lagerungdienten.Die Formen der Scherben und Steingeräte von Banggar entsprechen denender Fundstätte von Ch’u-khu (oder Chos-go) bei Lhasa.Der Archäologe Zhao Huimin vom Archäologischen Institut der ChinesischenAkademie der Sozialwissenschaften verweist auf entsprechendeMerkmale, welche es gestatten, die Fundstücke von Banggar (KreisTshonggye Phyo-rgyas) in den Kontext der Ch’u-khu-Kultur (bei Lhasa)zu stellen, d.h. sie dem Spätneolithikum zuzuordnen. In diesen Kontextrechnet er auch die Zeugnisse der Gongkar Chargo (Gong-dkar Byar-sgo)Fundstellen des mittleren Yar-klus gTsa-po. Die Verarbeitung der Keramikwie der technische Standard ihrer Herstellung veranlaßten ihn, dieFunde von Bangkar (Ba-dkar?) einer Vorstufe der Chu-ku-Kultur zuzuordnen.So fehlt in der Chu-khu-Kultur z.B. die sog. polierte Ware undauch die Rotbemalung ist unter ihren Zeugnissen eher selten. Zum Grabungsbefundvon Banggar gehören Gräber, Aschelöcher, Wohnhäuser undBauten mit Steinsäulen. Die ganze Anlage, wie sie noch in ihren Reliktendeutlich wird, muß ein regionales Zentrum im Gebiet des Yar-klus gTsapogewesen sein.85

Ch’u-khung / Chos-gong 101 (chin.Qugong) 1021983 stießen Archäologen im Dorf Ch’u-khu (=Wasserloch, Teich), einemOrt 5km im Norden vor Lhasa und westlich vom Kloster Sera, aufeinige Kammergräber des Chalkolithikums, deren Steinkammern entwederquadratisch oder rechteckig mit Steinwänden ausgelegt waren, in denen siein Krügen bestattete Skelettpaare oder Skelettgruppen entdeckten, derenGlieder zusammengebunden waren, daneben diverse Grabbeigaben. Bereits1947 hatte Aufschnaiter ähnliche Grabstätten, darunter auch die sog.„a pozzetto“-Gräber mit ähnlich zweimal bestatteten Toten ausgegraben. 103Die Fundstelle von etwa 5000m 2 barg Tierknochen zahmer (Yak, Schaf,Hund) und wilder Tiere (Hirsch, Wildesel, Adler, etc), Steingeräte (74 ausentweder perkutiertem oder poliertem Stein), Geräte aus Knochen (ca 15),Nadeln, Pfrieme, Stecher, Kämme, Spitzen, Pfeilspitzen und Schaber sowieScherben nebst größeren Fragmenten der Tonware und auch einige Jadegeräte(siehe unten).Ein großer Teil der Steinware war ausschließlich perkutiert (choppingtools), andere Steingeräte waren geschliffen und poliert. Mikrolithe fehltenganz. Unter dem geschliffenen Steinzeug befanden sich Messer, Sicheln,Äxte, Töpfe, Schaber und Handmühlen, d.h. Mahlsteine mit den dazugehörigenReibsteinen (siehe unten).Die Ahlen und Nadeln bestanden nur aus Knochen, darunter auch eine sehrfeine Nadel mit einer Öse.Die Tonwaren wurden ohne Töpferscheibe hergestellt, die meisten Scherbenwaren grau-braun (48%), darunter auch einige schwarz (16%) undgrau (18%) (siehe unten). Die Dekore wurden eingeritzt und entsprachenmit ihrem nach Pan-po und Susa zeigenden geometrischen Mustern jenenBeispielen, die Aufschnaiter bereits 1956 veröffentlicht hatte. 104 Aber auchwellenförmige und spiralige Muster waren unter den Scherben vertreten. 105Die Relikte von Ch’u-khu verweisen auf eine Kultur von Siedlern, die bereitsum 2000 v.Chr. im Gebiet von Lhasa vielleicht als Ackerbauern (manfand Gerste), aber ganz sicher als Viehzüchter (Yak- und Schafzucht) und101 Chayet schreibt tib. Chos-gong; siehe: A.Chayet, Art et Archéologie du Tibet, Paris 1994, p.48f102 Siehe: Institute of Archaeology, CASS, Qugong in Lhasa-Excavations of An Ancient Site and Tombs (H),Encyclopedia of China Publishing House, Beijing 1999103 Siehe: P-Aufschnaiter, Prehistoric Sites Discovered in Inhabitated Regions of Tibet, in: East and West, 1956, p.74104 Siehe: P-Aufschnaiter, Prehistoric Sites Discovered in Inhabitated Regions of Tibet, in: East and West, 1956, p.75-81105 Siehe: A.Chayet, Art et Archéologie du Tibet, Paris, p.4986

Fischer lebten, aber auch der Wildbeuterei (Jagen und Sammeln) nachgingen.Fangnetzgehänge und Fischgräten wiesen sie deutlich als Fischer aus, dievielleicht im sKyid-chu ihre Fanggründe hatten oder in den nahe gelegenenSeen.1990 wurden in dieser Fundstätte auch bronzene Pfeilspitzen geborgen(siehe unten), was auf eine zeitliche Kontinuität vorgeschichtlicher Präsenzdieser Kultur hinweist, welche als ganz eigenständig angesehen wird,so daß man ihr und den Nachbarfundstätten den Namen Ch’u-khu- oderChos-go-Kultur (chin. Qugong-Kultur) gab.Unter den bronzezeitlichen Funden war auch ein Bronzespiegel (siehe unten),der auf Kulturkontakte mit Stätten aus Afghanistan hinweist ebensowie das Schulterbeil (siehe unten) aus dem neolithischen Stratum. DasSchulterbeil erscheint auch in den Fundlagen der Karasuk-Kultur. 106Die Relikte, deren Formen auf Kulturbeziehungen sowohl nach Südwestenals auch nach Nordosten hinweisen, bestätigen das Gebiet von Lhasa alsKontaktlandschaft altbekannter Migrationswege.Ch’u-khu / Chos-go / QugongTasse, Keramik (risalente), 11,2-12,9cm,Ch’u-khu, Lhasa, 1000 v.Chr.aus dem Tibet Museum Lhasa, sieheauch:Jiang Cheng’an, Zheng Wenlei, PrecioisDeposits,I, Beijing 2000, p.49Tasse, Keramik, 11,5cm hoch, Ch’u-khu,Lhasa, Spätneolithikumaus dem Tibet Museum Lhasa106 Siehe: K.Jettmar, Archäologische Spuren von Indogermanen in Zentralasien, Tafel IV87

Krug, 2000 v.Chr. Ch’u-khuexcavated 1990-2 by Wang RenxiangBy courtesy of Cultural Relics ManagementCommittee of the Tibet Autonomous RegionKleiner Krug mit zwei Henkeln, 15cm hoch,Spätneolithikum, Ch’u-khuaus dem Tibet Museum LhasaKrug mit Henkel, 17,5cm hoch, Spätneolithikum,Ch’u-khuaus dem Tibet Museum LhasaSteinkisten- oder Katakombengrab, Ch’ukhu,2000 v.Chr.excavated 1990-2 by Wang RenxiangCultural Relics Management Committee ofthe Tibet Autonomous Region88

Mahl- und Reibestein, Ch’u-khu, 2000v.Chr., excavated 1990-2 by Wang RenxiangCultural Relics Management Committee ofthe Tibet Autonomous Region; Tibet MuseumLhasaSteinbeile, Ch’u-khu, 2000 v.Chr.excavated 1990-2 by Wang RenxiangCultural Relics Management Committee ofthe Tibet Autonomous RegionTonmaske, Affe?, 4,5cm hoch, Spätneolithikum,Ch’u-khuexcavated 1990-2 by Wang RenxiangTibet Museum, Lhasa, siehe auch:JiangCheng’an, Zheng Wenlei, Preciois Deposits,I,Beijing 2000, p.51Kupferne Pfeilspitzen, 5cm und 3cm lang,Chalkolithikum, Ch’u-khuaus dem Tibet Museum, Lhasavergl. mit Abb.33 in: G.Tucci, Tibet, München,Genf, Paris 197389

Kämme aus Stein und Knochen, Steinkamm:14,5cm lang, Knochenkamm: 9,5 cm lang,Spätneolithikum, Ch’u-khuaus dem Tibet Museum, LhasaMahlstein, Ch’u-khu, 1500 v.Chraus dem Tibet Museum, LhasaSchulterbeil, 15,5cm lang, Spätneolithikum,Ch’u-khuaus dem Tibet Museum, Lhasa, sieheauch:Jiang Cheng’an, Zheng Wenlei, PrecioisDeposits,I, Beijing 2000, p.45Schulterbeil, Chalkolithikum, Bahadarabadaus: H.Müller-Karpe, Handbuch der Vorgeschichte,IV/3, München 1980, Tafel 565, B 490

Bronzespiegel, Chalkolithikum, 9,4cm Dm,18cm hoch, Ch’u-khu, LhasaJiang Cheng’an, Zheng Wenlei, Preciois Deposits,I,Beijing 2000, p.64-5Bronzespiegel, Chalkolithikum, Grabbeigabenaus Dashli, Afghanaistanaus: H.Müller-Karpe, Handbuch der Vorgeschichte,IV/3, München 1980, Tafel 561, B 27u. B 34Bronzespiegel, Grabbeigaben aus ChastiyeKurganaus: The Institute of History and Archaeology,Ural, Division of Russian Academy of Science91

Bronzezeitliche ÜbereinstimmungenShang-, Chou- und Hallstatt-Schwerter, aus J.Needham (1961)92

Dolche und Schwerter aus Fundstellen des südlichen Urals, aus:J. Davis Kimball (2000)93

Die Verbreitung der Messer im Karasukstil:Messer, Bayernaus. H.Müller-Karpe, Handbuch der Vorgeschichte,IV/3, Tafel 414Messer, Bayernaus. H.Müller-Karpe, Handbuch der Vorgeschichte,IV/3, Tafel 419Messer, Bayernaus. H.Müller-Karpe, Handbuch der Vorgeschichte,IV/3, Tafel 419Messer, Italienaus. H.Müller-Karpe, Handbuch der Vorgeschichte,IV/3, Tafel 272Messer, Dänemarkaus. H.Müller-Karpe, Handbuch der Vorgeschichte,IV/3, Tafel 523Messer, westlicher Uralaus. H.Müller-Karpe, Handbuch der Vorgeschichte,IV/3, Tafel 543Messer, Karasuk-Kulturaus. H.Müller-Karpe, Handbuch der Vorgeschichte,IV/3, Tafel 558Messer, Schangzeitaus. H.Müller-Karpe, Handbuch der Vorgeschichte,IV/3, Tafel 586Schriftzeichen der Shang, Nordchinaaus. H.Müller-Karpe, Handbuch der Vorgeschichte,IV/3, Tafel 591Während der Bronzezeit erscheinen diverse Merkmale materieller und geistigerKultur verbreitet in einem Areal, das sich austreckt von Schwedenim Nordwesten bis nach Kansu und Amdo in Südosten.94

Von der Donau bis an den Hoang-Ho und Amur spannt sich das eurasischenSteppenland aus, das Habitat der Hirten-Nomaden.Die Nomadenkultur wird hier um die Wende vom 3.Jahrtausends v. Chr.zum 1.Jt.v.Chr. archäologisch greifbar. Voraussetzung des Steppenhirten-Nomadismus waren die Kenntnis der Metallverarbeitung und dasReitpferd.Unter dem Begriff der eurasischen Nomadenkunst werden drei Stile zusammengefaßt:*die Kunst der pontischen Skythen*die Kunst der Bergaltaier (a) frühe Stufe, b) Pazyryk-Stufe, c) Hunnenstufe)und der Nomaden am Irtysch.*die Kunst der Hunnen von Noin-ula und der Ordossteppen im großenHoang-Ho-Bogen.Spiralmeander, Rumänien, aus. H.Müller-Karpe,Handbuch der Vorgeschichte, IV/3, Tafel 284Spiralmeander, Book of Kells, aus. G.Bain, Celtic Art,London 1981,p.65Das Tiermotiv als Zierelement in eigentümlich verschlungener Formung,oder in Formungen, deren Anordnung anderen, als Symbolen bekannten95

geometrisch abstrakten Mustern (Hakenkreuz, Dreifuß, Meander) folgt,der Gebrauch dieses Schmuckes an Waffen, Zaumzeug, Kleidung, Bodenbelagund Zelten sowie im Bereich der Hautbemalung (Tatauierung) kennzeichnetdie eurasische Nomadenkunst in allen ihren Stilgruppen, weshalbman sie auch kurz unter dem Begriff des Eurasischen Tierstils zusammenfaßt.Auch der spätbronze- und eisenzeitliche, keltische und germanische Tierstilkann noch als Ableger der Kunst dieses großen Kulturkreises verstandenwerden.Rundscheiben, Süddeutschland, aus: C.Schuchart, Alteuropa,Berlin 1941, S.330Silberbleche, Rumänien, aus: C.Schuchart, Alteuropa,Berlin 1941, Tafel XLVIIUnter den Zierornamenten sowohl auf der Keramik als auch auf dem Metallschmuckzeigen der Spiralmeander (siehe Abbildung oben) und dieSwastika (siehe die folgende Abbildung) die gleiche Verbeitung. Diese erscheinenbereits auf den spätneolithischen Felsbildern. In Samarra ziert siedie Keramik des ausgehenden 5.Jahrtausends v.Chr..Altgerman. Fibeln, Schweden, aus: B.Salin, Altgermanische Thierornamentik, Stockholm 1935, S.8496

An ihrer geometrischen Raumgliederung orientieren sich die naturnahenTierdarstellungen. Auch Bilder, die Raubtiere im Beutefang wiedergeben,werden nach diesen Mustern (meist Spiralmeandersegment) stilisiert.Neben den bevorzugten Tiermotiven von Pferd, Hirsch, Tiger und Greiferscheint auch der Yak (siehe Abbildung unten); dieser in Verbindung mitden typischen Tiermotiven Greif und Tiger. Zu den im gleichen Areal verbreitetenMotiven gehören auch die Abbildungen von Pferdegespannen mitStreitwagen oder einachsigen Wagen und die Bilder des gehörnten Gottesoder Schamanen, die wiederum motivisch in das Mesolithikum zurückreichen.Das Figurenmotiv des gehörnten Schamanen hat sich in Tibet bisheute in den sog. Cham-Tänzen erhalten.Andere Keramikdekore wie das doppelaxtgleiche Doppeldreieck, dieMeander- und Viereckmuster, konzentrischen Kreise, Schachbrettmuster,Wellenbänder und Zickzackbänder, die in der Donau-Dnjestr-Zone Südosteuropasgehäuft vorkommen, liefern den Naturabbildungen ihr jeweiligesFlächenschema, werden aber auch im außerkeramischen Bereich ohnetierbildhafte Verkleidung in der Zierornamentik verwandt.S-Form-Projektion eines Leoparden, Book of Kells, aus. G.Bain, Celtic Art, London 1981,p.113In der Kunst überwiegt der sog. eurasische Tierstil, von dem, wie bereitsgesagt, die keltischen und nordgermanischen Beispiele ebenfalls als Variantenoder Ableger verstanden werden können.Messer und Dolche im Karasuk-Stil finden sich von Dänemark und Italienüber den Ural bis nach Shang- und Chou-China (siehe Abb. oben), desgleichendie doppelschneidigen Schwerter (siehe Abb. oben).97

Raubtierköpfe aus dem Book of Kells, aus. G.Bain, Celtic Art, London 1981,p.113In demselben Areal trifft man ebenso häufig auf Megalithanlagen verschiedensterBauart, auf Großsteinräber, Dolmen, Kurgane, Monolithen,Cromlechs und Alignements.Zu den Beispielen geistiger Kultur zählen u.a. der Hirschkult (dazu untenmehr) und der Schamanismus.Von einem Greifen attackierter Yak, der sich gegen einen Tiger verteidigt, Eurasischer Tierstil,um 300 v.Chr. Aus dem sibirischen Goldschatz Peters des Großen, B.Cunliffe, Ill.Voru.FrühgeschichteEuropas, Frankfurt 1996,424Chinesische Legenden berichten, daß die Hirsche dem Yak als ihrem Führergefolgt sind und dabei deren Schwänze nicht aus den Augen ließen.Mit dem domestizierten Yack, dessen Domestikationszentrum in einemAreal um das Pamirgebirge herum vermutet wird, drangen auch Steppen-98

völker in das tibetische Hochplateau vor, und zwar sowohl direkt nachWest-Tibet als auch auf dem Umweg über Ost-Tibet.Unter dem Namen Zhang-Zhung verbirgt sich eine Kultur und ein Reichim Westen und Nordwesten von Tibet, in dem man nicht nur die Wurzelnder Bön-Religion sucht, sondern in dessem Gebiet man auch kürzlich einebeträchtliche Zahl bronze- und eisenzeitlicher Relikte entdeckt hat, welchees nahelegen, den Höhepunkt dieser Kultur in die frühe Eisenzeit zu verlegen.Die literarische Überlieferung spricht von mindestens 18 Königreichen inWest- und Nordwest-Tibet, welches das nördliche Chang-Thang-Hochlandeinschließt, d.h. den höchsten und unwirtlichsten Teil des tibetischen Plateausund den gesamten Westen. Die Hauptstadt hieß Khyung-lung Ngulkhar,d.h. der silberne Palast des Garuda-Tals, die im Westen des Kailaśalag. Hier, d.h. im Tal des oberen Sutlej, fand man Ruinen, die man mit jenenOrten der alten Texte in Beziehung setzt.Verschiedene archäologische Exkursionen, die in jüngerer Zeit auf demByang-Thang unternommen wurden, führten zur Entdeckung von Reliktenaus der Eisenzeit, welche der Kultur von Zhang-Zhung zugeschriebenwerden.Charakteristisch für diese Epoche von Zhang Zhung sind:1) die auf Bergspitzen errichteten Burgen, in denen man Verteidigungsanlagengegen die anstürmenden Steppenvölker Zentralasiens (Saken,Skythen, etc.) vermutet,2) megalithische Grabanlagen, Cromlechs, Alignments aus aufrecht stehendenMonolithen in großer Zahl,3) in die Felsen geschlagene Kammern, in denen manche Tempelanlagensehen wollen, Felsengrotten in den Felsen am Rande der Ebenenmit fensterlosen Räumen und falschen aus Bruchstein gesetzten Gewölbenund runden Mauern,4) königliche Grabgelegen, die auf eine geschichtete Gesellschaft verweisen,5) Felsbilder, welche Szenen des Hirtenlebens und berittene Krieger99Karasukdolche auf mongolischen Hirschsteinen, nach: E.Nowgorodowa, Alte Kunst der Mongolei, Leipzig 1980

zeigen und auf die steppenkriegerliche Lebensweise Eurasiens verweisenund damit auf eine kulturelle Migrationsrichtung.Das Klima auf dem Byang-Thang Plateau war vor 1500 v.Chr. milder alsheute und wurde erst ab der Mitte des 2. Jahrtausends zunehmend kälter.Schon seit dem ausgehenden 3.Jahrtausend v.Chr. bedrängten Steppenvölkerjene Kulturen, die sich unter den milderen klimatischen Verhältnissenin Tibet etabliert hatten. Seit 1000 v.Chr. gewannen sie dank ihrer nomadisierendenLebensweise und der besseren Kälteanpassung so weit dieOberhand, daß sie die dort etablierten genuin tibetoburmesischen Vorvölkerin sich aufgesogen hatten und auf diesem Wege (Zwischenheiraten)das tibetische Ethnos hervorbrachten. Seit dem Übergang zur Eisenzeitbestimmt das tibetische Ethnos das Geschehen auf dem Hochplateau undseinen Randgebieten.Die Zhang-Zhung-Sprache, ein Zweig des himalayischen Astes der tibetoburmesischenSprachfamilie, wird heute noch von rund 2000 Indigenendes Sutlej-Tales in Himachal Pradesh gesprochen. Sie ist auch die Spracheder älteren Böntexte, was jene Zhang-Zhung-Leute des Sutlej-Tales auchals die Nachfahren der alten Zhang-Zhung-Kultur ausweist.Der Bön ist entweder eine vorbuddhistische Religion mit starken schamanistischenZügen oder eine Vorform des tibetischen Buddhismus, die vielleichtsogar über persisches Gebiet nach Westtibet kam und Tibet noch vorden buddhistischen Impulsen der Gandhara-Kultur erreichte. Hinweise füreine kulturelle Migration über den Karakorum, wo sich sakische undarchämenidische Zeugnisse in der Nähe buddhistischer befinden, legen esnahe auch die Impulse von dieser Seite nicht zu ignorieren, zumindestnicht für den Bereich von Zhang-Zhung vor der politischen Integration indas tibetische Reich und in die tibetische Kultur.Karasuktypisches Bronzemesser,12.Jh. v.Chr., Ordos-Gebiet, Metropolitan Museum of Arts1979 entdeckte ein nepalesischer Ingenieur bei Chokopani, im NW vonNepal, im Distrikt Mustang (bLo-bo), drei Höhlen, die grau- und schwarz-100

farbige Keramik bargen (siehe die folgenden Abbildungen) sowie Metallplatten(siehe folgende Abbildungen) und menschliche Skelettreste. Tiwari107 geht davon aus, daß es sich bei diesen Höhlen um Grablegen oderFriedhöfe handelt, weil die Knochenreste geschmückt waren mit Muscheln,Kupferohrringen und Kupferamuletten, Kettchen aus Stein undHirschzähnen.Seit 1991 widmet sich ein nepalesisch-deutsches Archäologenteam demsüdlichen Komplex der Chokopani-Höhlen und unterzog die dort gefundenenKnochen einer Radiocarbon-Datierung, nach der die Eigner der Knochenrestedieser Höhlen wohl im Jahr 800 v.Chr. dort gelebt haben müssen.Dieses Team, unter der Leitung von H.G.Hüttel, grub auch in den Höhlenbei den Dörfern Kagbeni und Dzongsowie in dem Grabhügel bei Khyingaim Mukthinath Tal, das im Süden vonMustang liegt, wo es ebenfalls zahlreicheFunde machte. Nach HüttelsEinschätzung müssen die Ruinen vonKhyinga im zweiten nachchristlichenKeramik aus Chokopani im Lumbini MuseumJahrhundert bewohnt gewesen sein. 108Mustang ist reich an Höhlen, die sichvereinzelt auch nach hoch gelegenenFelshängen öffnen und daher ohne spezielles Klettergerät (Seile, Leitern,etc.) nicht zu erreichen sind. Andere Höhlen liegen in der Nähe von Dörfern,so die bei Tshug, Tsele, Tangye, Drakmar, Marang und Luri oder imFlußtal des Kali Gandaki.Im Norden von Lo Manthang (bLo sMan-thang), im nördlichen Teil vonMustang, gibt es ein Höhlensystem, das heute immer noch genutzt undzeitweise bewohnt wird oder als Kornspeicher dient. Die Höhlen diesesSystems sind untereinander verbunden durch Gänge und Tunnel. EinKomplex von 60 Höhlen wartet noch auf seine archäologischen Untersuchung,so daß bis heute nicht klar ist, ob diese Höhlen in den Zeithorizontder Chokopani-Höhlen gehören oder in einen älteren oder jüngeren.Ähnliche Höhlenbehausungen wie die von Mustang gibt es auch in West-Tibet, in mNga-ris, speziell in den Talgebieten des Sutlej, wo sie z.B. beiGuru-rgyam, Khyung-lung, Pang-tha, mDa`-ba, rTsa-hrang, Zhang,107 siehe: D.N.Tiwari, Cave Burials From Western Nepal Mustang, Ancient Nepal, 85, Kathmandu 1985, pp1-12.108 siehe: H.G. Huttel, 1993, Excavation at Kingar Mound 1991, Ancient Nepal, 134, Kathmandu 1993, pp. 1-17101

Chokopani Metallplatten im Lumbini MuseumDong-khar und sPyi-dbang entdeckt worden sind. Hier hat man allerdingsnoch keine prähistorischen Entdeckungen gemacht wie in Mustang.1998 grub Zhang Jianlin in der Ruine von dKar-phu, die 1km östlich desDorfes rTsa-hrang, das im Nahbereich der Burgen und Tempel des historischenKönigreichs von Guge (sGu-ge) liegt. Dort fand der chinesischeArchäologe Jianlin Särge aus Holz mit menschlichen Knochenresten,Keramikbeigaben und Schafsknochen. Einige der Relikte konnten mittelsRadiocarbondatierung in die Zeit um 500 v.Chr. datiert werden.In der amerikanisch-chinesischen Grabungskampagne von 1999 grubenHuo Wei, Li Yong Xian und Mark Aldenderfer in lDong-mkhar (mNgaris)keramisches Material und Stein-Stelen aus, die sie mittels Radiocarbon-Datierungauf das Jahr 85 v.Chr.datieren konnten. 109Auch dieses Ergebnis wirft die Frageauf, ob die Ruinen und Höhlen vonMustang und West-Tibet in einemzeitlichen und kulturhistischen Kontextstehen oder nicht, ob die Bewohnerdes einen Gebiets von jenen desanderen kulturell beeinflußt wurden.Zur Beantwortung dieser Fragen hatman bis jetzt nur die Ähnlichkeitender Felsbildermotive der Galerien desKarakorums und West-Tibets, die füreinen kulturellen und zeitlichen Kontextsprechen.Stellt man in Rechnung, daß das Hoheitsgebietdes Königreiches Zhang-zhung in den Bön-Texten und in jenenvon Dunhuang als Einheit von drei Regionen beschrieben wird, von sGoba(der äußeren), Phug-pa (der inneren) und Bar-ba (der mittleren), unddamit deren Ausbreitung- die äußere Region entspricht dem alten West-Tibet von Gilgit im Westen bis Dang-ra khyung rdzong im Osten, in derNähe vom gNam-mtsho, dann von Khotan im Norden bis Chu-mig brgya109 siehe: M.Aldenderfer, Archaeological excavations at a pre-Buddhist residential site in far western Tibet. Abstracts,Tenth Seminar of the International Association for Tibetan Studies, University of Oxford 2003102

cu rtsa gnyis im Süden 110 - dann erkennt man eine Überschneidung vonZhang zhung mit jenem Gebiet, aus dem die hier erwähnten archäologischenFunde stammen, denn Chu-mig brgyad chu rtsa gnyis wird in diesenTexten mit Mukthinath in Mustang gleichgesetzt.Damit lassen sich die hier erwähnten Funde der Höhlen und Ruinen vonMustang noch nicht umstandslos der Kultur von Zhang-Zhung zuschreiben,aber eine Wahrscheinlichkeit dafür ist auch nicht grundlos abzuweisen,zumal jene Relikte, wenn nicht den Zhang-Zhung-Leuten, dann zumindestihren Vorläufern zuzuschreiben sind, deren Territorium jene- manweiß eben nicht genau wann- übernahmen.Historische Nachrichten gibt es leider erst aus der Zeit Srong-btsan sgampo’s,d.h. aus der Mitte des 7.Jh’s n.Chr. Damals hieß Zhang-ZhungsHauptstadt Khyung-lung dngul-mkhar, die mit dem Dorf Khyung-lung amSutlej gleichgesetzt wird.Die Zeitlücke der Fundstücke bis zu diesen Nachrichten ist noch sehr beträchtlichund läßt daher noch vielen Spekulationen Raum, wenn auch dervon J.V.Bellezza seit 1990 erbrachte Nachweis mannigfacher Zeugnissevon Burg-, Tempel-, Haus- und Grabhügelruinen, von Monolithen undFelsbildern der archäologischen Forschung in West- und Zentral-Tibeteinen vielversprechenden Horizont aufgeschlossen haben, den es mit detailliertenForschungsergebnissen auszufüllen gilt. 111110 siehe: S.G. Karmay, A general introduction to the history and doctrines of Bon, The Arrow and the Spindle. Studiesin History, Myth, Rituals and Beliefs in Tibet,: Kathmandu 1998111 siehe: J.V.Bellezza, J.V., Antiquities of Northern Tibet:Archaeological-Discoveries on the High Plateau, Delhi2001; ipse: Antiquities of Upper Tibet: Pre-Buddhist Archaeological Sites on the High Plateau, Delhi 2002103

Raubtiere, die Huftiere reißen oder verfolgen:Skythische Gürtelschnalle, Schatzs Peters desGroßenIn: B.Jacobi, Verweht und ausgegraben, Leipzig1963, S.60-61Bronzesituala,v.Chr.Arnoaldi Nekropole, 5.Jh.In: E.Lessing, Hallstatt, Wien, München 1980Gürtelblech von Zagorje, Slowenien,In: E.Lessing, Hallstatt, Wien, München1980. S.130Hirsch von Feliden verfolgt, Karakorum,Beispiel für den skythischen Tierstil, Nachzeichnungnach: Karl Jettmar, Felsbilder im Karakorum,Spektrum der Wissenschaften, 12, 1983, S.26Tiger verfolgt Hirsch, Eurasischer Tierstil,500 v.Chr., Renmudong,NachzeichnungTibet Museum, LhasaChen Zao Fu; http://chenzhaofu.nease.net104

Das Hirschmotiv in Eurasien und TibetMongolischer Hirschstein (AufnahmeE.Nowgorodowa) mit Nachzeichnung vonH.SüdkampNachgezeichnet von E.Nowgorodowa nacheiner Aufnahme eines mongolischen HirschsteinsNachgezeichnet von A.Chayet nach einerAufnahme aus der Bildergalerie von Ru-thogNachgezeichnet nach einer Aufnahme aus den„Precious Deposits“Nachgezeichnet nach einer Aufnahme vonJ.V.Bellezza105

Der „Gehörnte“ in Eurasien und TibetDer Zauberer, Les Trois Frères, ZeichnungH.BreuilIn: H.Kühn, Auf den Spuren des Eiszeitmenschen,Wiesbaden 1953, S.94Gehörnter, Valcamonica, Nachzeichnung H.S.in: H.Gottschalk, Lexikon der Mythologie,München 1979, S.308Gehörnter, Oka, IrkutskNach A.P.Okladnikow, Der Hirsch mit demgoldenen Geweih,106

Cernunnos, Museum von Rheims,in: P.Jacobsthal, Celtic Art, Oxford 1945, II,plate 217aCernunnos, Ausschnitt vom Gundestrup KesselIn: A.Bertrand, La religion des gauloises, lesdruides et le druidisme, Paris 1897, Abb. 57Schamanenkrone der Keten, JenessejNach W.I.Anutschin, Skizze des Schamanismusder Jenesseij Ostjaken, St.Petersburg1914Tungu-Schamane, Sibirien, nach Witsen,1705in: H.P.Duerr, Sedna oder die Liebe zum Leben,Frankfurt 1984, S.66107

Hirschmaske im Cham-TanzIn: R.Bleichsteiner, Die Gelbe Kirche, Wien1937, Abb. 62Cham-Tänzer,In: R.Jones Tung, A Portrait of Lost Tibet,New York 1980, plate 95108

Streitwagen und Gespanne auf Felsbildern in Eurasien und TibetWagen, Petroglyphe Tanum, Schweden(Nachzeichnung)Tanum Hällristingsmuseum UnderlösStreitwagen und Gespanne, PetroglypheFrännarp, Schweden (Nachzeichnung)Tanum Hällristingsmuseum UnderlösWagen, Petroglyphe Valcamonica, Italien(Nachzeichnung)Kamelgespann und Bogenschützen, Petroglypheaus Koybagar, Kasachstan (Nachzeichnung)in: B.Brentjes, Rockart in Russian Far Eastand in Siberia, Tracce, 11, 1999109

Gespanne, Petroglyphe aus Arpauzen, Kasachstan(Nachzeichnung)in: B.Brentjes, Rockart in Russian Far Eastand in Siberia, Tracce, 11, 1999Zweiter Wagen, Petroglyphe von ChanynChad, Mongolei (Nachzeichnung)Eleonora Nowgorodowa, Alte Kunst derMongolei, Leipzig 1980Dritter Wagen, Petroglyphe von ChanynChad, Mongolei (Nachzeichnung)Eleonora Nowgorodowa, Alte Kunst derMongolei, Leipzig 1980Hirsch, Bogenschützen und Streitwagen,Petroglyphe aus Tjanju, A-mdo, Tibet(Nachzeichnung)nach: Chen Zhao Fu, http:// chenzhaofu.nease.net110

Streitwagen, Petroglyphe aus Tjanju, A-mdo, Tibet (Nachzeichnung)nach: Chen Zhao Fu, http:// chenzhaofu.nease.netStreitwagen, Petroglyphe aus Geermu, A-mdo, Tibet (Nachzeichnung)nach: Chen Zhao Fu, http:// chenzhaofu.nease.netStreitwagen als Schriftzeichen von Anyang,Shang DyanstieMüller-Karpe, Handb.d.Vorgeschichte IV-3,Tafel 591Streitwagen und Gespanne erscheinen auf den Felsbildern Eurasiens undZentral- wie Ostasiens, und zwar von Bohuslän in Schweden über Valcamonicain Italien, über Kasachstan und die Mongolei bis nach Tibet undChina. Dort kopieren noch die Schriftzeichen von Anyang zur Zeit derShang-Dynastie die Vorbilder der eurasischen Petroglyphen.111

Der Zeithorizont der SteinkammergräberDie bislang in Tibet entdeckten Steinkisten- und Steinkammergräber stammenentweder aus dem Neolithikum und der Bronzezeit oder, und das zueinem großen Teil, aus historischen Epochen, aus dem historischen Altertumund speziell aus dem frühen Mittelalter. In dem Maße wie die Fundesich unserer Zeitrechnung nähern, nimmt ihre Diversifikation ab, d.h. dieFormen der Grabanlagen werden immer ähnlicher, ein Prozeß, der repräsentativsteht für die ethnische und kulturelle Integration Tibets. Chayetschlägt deshalb für diesen Gräbertyp eine Epochengliederung vor, welchedie Institution der Monarchie als Zäsur nimmt. „Il paraît cependant difficilede placer sur le même plan les reliefs d'une tradition déjà bouddhisée,datant vraisemblablement de la fin de la monarchie, et des élémentsmanifestement plus anciens, et d'une troublante diversité. La réductionprogressive de ces diversités peut sans doute être considérée comme lesigne de l'unification tibétaine. C'est pourquoi les appellations d'époquesprémonarchique et monarchique ont été préférées: elles rendent mieuxcompte de ce que nous savons de la réalité historique.“ 112Die von ihr vormonarchisch genannte Epoche deckt sich grob mit demSpätneolithikum und der Bronzezeit, während die monarchische Epoche jenach historischer Auslegung im 11.Jh.n.Chr. aufhört oder später. Ähnlichunterschiedlich werden auch die Daten des Beginns der monarchischenEpoche gesetzt, die einige erst mit der Yarlung-Dynastie, d.h. mit dem6.Jh.n.Chr. anfangen lassen wollen.Zeithorizont der tibetischen Steinkammergräber nach Chayet:Vormonarchische Epoche 1000 bis 200v.Chr. BronzezeitMonarchische Epoche 200v.Chr. bis zum 11.Jh.n. oder 1950n.Chr. Hist. Altertum/MADie Sitte der Bestattung der Toten in Steinkammergräbern hat sich inWest-Tibet, im tibetischen Teil von Szechuan und Yunnan bis in die Äraunserer Zeitrechnung durchgehalten, in manchen Regionen sogar bis ins15.Jh.n.Chr.Die bekanntesten Garabtumuli mit Steinkammern sind jene für die Königeder Yar-klus-Dynastie aus dem 6. und 7.Jh.n.Chr. Mittlerweile kennt manauch die Grabanlage von gLang-Dar-ma’s Sohn aus dem 8.Jh.n.Chr., wes-112 A.Chayet, Art et Archéologie du Tibet, Paris 1994, p.72112

halb der Zeitraum der Grabanlagen dieser Dynastie auch bis in diesesJahrhundert hinein verlängert werden muß.60 Kilometer nordwestlich von Luhuo (Szechuan) im tibetischen Gebietag-ro, hat man seit 1984 eine Nekropole mit 275 Gräbern ausgegraben.Die Toten dieser Gräber fand man sowohl in Rücken- als auch in Seitenlagebestattet. Man hob aus diesen Gräbern rund 1000 Stücke als Grabbeigaben,Gerätschaften aus Stein, Bronze und Knochen neben Kaurimuschelnund Textilresten.Die Gräber dieser Stätte ließen sich nach vier Kategorien gliedern undzwei Zeithorizonten zuordnen, von denen der erste Zeithorizont zwischendem 8.Jh.v.Chr. und 5.Jh.v.Chr. anzusetzen war und der zweite Zeithorizontvom Ende des 3.Jh’s v.Chr. bis etwa 100v.Chr. zu datieren war. Damiterweisen sich die Gräber der Bronzezeit aus dieser Nekropole bislangals älter als die anderen aus West-Szechuan bekannten Gräber.Über das Alter einer in Nag-chu entdeckten Nekropole finden sich nochkeine genaueren Angaben. Auch sie werden wahrscheinlich der Bronzezeitangehören, deren Anfangszeit auch durch die Megalithanlagen markiertwird.Auch die Friedhöfe von Phu-nub und i-khri stammen aus dem Spätneolithikumund/oder der Bronzezeit.Steinkammergräber sind in Kansu seit dem Neolithikum verbreitet und imRaum der Steppenkulturen, von wo auch jene Kansu-Steinkammergräber„eingewandert“ sind und sich bis Yunnan verbreitet haben. Die westtibetischenKammergräber werden mit dem Migrationsprozeß ihrer Träger vomKarakorum her mitgebracht worden sein und in Zentraltibet auf die Expansion,die von Kansu und A-mdo aus nach Zentral-Tibet vordrang, getroffensein. Auch die Steinkammern von Ch’u-ku sind spätneolithisch.1985 schätzte man, so Chayet, die Zahl der in Tibet entdeckten Grabstättenauf 2000. Von diesen sollten 244 der Tufan-Periode angehören. In Kongpowollte man sogar auf Gri-gums Grab gestoßen sein. In der Nähe vonDing-ri markierte man 300 Gräber. In Ngam-ring, westlich von Shigatzezählte man 100 Gräber. 8 Gräbergruppen sollen sich allein im Gebiet vonSa-skya befinden. Um Lha-rtse fand man 130 Gräber. Richardson grub 7Gräber in der Nähe des Klosters sTag-brag aus. In der Nähe von Zhangmdawurde ebenfalls 1 Grab ausgegraben. Prähistorische oder frühgeschichtlicheFriedhöfe kennt man bei Lung-khri, Zhol-khang, dPal-ri,sPhyi-jug-lung, Lha-lung, dBu-rmog mit insgesamt 100 Gräbern. Im Yarklus-Talbefinden sich 9 Gräberfelder mit 200 Gräbern, von denen nicht113

wenige weit älter sind als die der Yar-klus-Dynastie. Bei Phu-nub stießman auf 323 Gräber, nahe gTsa-tha zählte man 232 Gräber und 24 Gräberfand man bei mChims-lu rtse-mo, weitere 52 bei Bya-sa-ri und 38 beirGyal-bza. Gräber fand man auch in Go-dkar-stod, Go-dkar-smad,Chos-sde und Go-bu-ri. 78 Gräber fanden sich bei gSer-khu usw. usw..Von so bedeutenden Fundorten wie sLeb-ri also ganz zu schweigen.Vergleicht man diesen Befund mit dem Formenwandel der Stein- oderHügelgräber Europas, die als Leittypen des Grabbaus für das Neolithikumdas Stein- oder Hügelgrab, für das Spätneolithikum und die Frühbronzezeitdie monumetale Kultanlage (Megalithkultur) und für die frühe Eisenzeitden Denk-oder Malstein ausweisen, dann fügen sich auch die tibetischenBeispiele in eine vergleichbare relative Chronologie. Auch hier gibt es dieeinzelnen Steingräber, die steinernen Grab- und Kultanlagen ebenso wiejene Monolithen, welche für einen Helden, König oder Stammeshäuptlingstehen.Die Königsgräber der Yarlungzeit greifen für die von dieser Dynastie angestrebteFocussierung der Gesellschaft auf das Herrscherhaus wohl ganzbewußt auf die Zumittungsfunktion der neolithischen Sippengräber zurückund unterstreichen damit eine Wahlverwandtschaft ihrer Epoche zu jenerPeriode der neolithischen und bronzezeitlichen Umwälzungen, die dieseEpoche als die der tibetischen Antike erscheinen läßt.Die hier nach Chayet wiedergegebenen Hinweise auf prä- und frühhistorsicheGrabanlagen weisen zugleich auf die alles andere als befriedigendeForschungslage hin, denn die meisten Gräber harren noch ihrer gründlichenarchäologischen Erforschung.114

Tibetische MegalithkulturZwischen 5000v.Chr. und 2000v.Chr. (Mittel-bis Spätneolithikum) erscheinenin Europa sog. Megalithkulturen, deren Anlagen z.B. auf Vertreterder Seine-Oise-Marne-Kultur, der Glockenbecher-Kultur und in Dänemark,Südschweden, Norddeutschland und Osteuropa auf Leute derTrichterbecherkultur zurückgehen. 113Bauten und Steinsetzungen dieser Kategorie wurden im Nahen Osten(Mosna, Jemen), in Afrika, Asien (Westasien, Indien, Steppenraum),Ozeanien und Amerika (Chavin de Huiantar, La Venta) gefunden.Konzeption und Durchführung dieser Anlagen verweisen auf differenzierteSozialstrukturen und organisierteArbeitsteilung vonAgrar- oder Viehzüchtergesellschaften.Unter Megalithen verstehtman gemeinhin drei Typendes Gebrauchs von Findlingenoder Felsblöcken: 1)Menhire oder Monolithen,das sind einzeln aufrecht stehendeSteine (menhir= langerMonolith bei Doptadsong, G.Tucci, Tibet, München, Genf, Paris1973, Abb.38Stein), 2) Kreise (Cromlechs)oder Reihen von Menhiren(Alignements); die Reihenkönnen manchmal kilometerlang sein. 3) Dolmen (Tischsteine). DieDolmen bergen oft Grabbeigaben und Skelettreste, die ihren Zweck alsGrabanlage ausweisen und ursprünglich von Erdhügeln überwölbt waren(sog. Hügelgräber oder Kurgane). Diese Grabanlagen ihrerseits erscheinenwiederum differenziert nach drei Typen: 1) Einkammergrab, 2) Ganggrab,3) Galerie- oder Langgrab. Im Bereich der Kurgangräber erscheinen dieTypen: 1) Grubengrab, 2) Katakombengrab und 3) Holzkammergrab.113 R.von Heine-Geldern hat bereits 1959 darauf hingewiesen, daß es “die” Megalith-Kultur nicht gebe, sondernverschiedene Megalith-Kulturen. Siehe: R.von Heine-Geldern, Das Megalithproblem, Sympsion, Wenner GrenFoundation, New York 1959, S.165115

Cromlech von bLo, G.Tucci, Tibet, München, Genf, Paris1973, Abb.40Häufig bestehen die Megalithanlagen aus einer Kombination dieser hiererwähnten Anlagetypen: z.B. als Grabanlage mit Cromlech und Menhirreihen(z.B. Karnac) oder als Einzel- respektive Familiengräber, die landschaftlichim Verbund mit anderen Hügelgräbern korrespondieren.Wenngleich der agrargesellschaftliche Unterbau der Megalithkulturen inEuropa überwog, so zeigen die Megalithe im Kontext der Trichterbecherkultursie auch im Verbund mit den um 3000 v.Chr. aus den russischenSteppen kommenden Streitaxtleuten, die Pferd und Wagen besaßen und inrelativ kleinen Scharen größere Gebiete überrennen konnten. Diese Leutewaren Viehzüchter.Für die Megalithe in Tibetdürfte ähnliches gelten. Siedürften wohl Anlagen agrarischerBevölkerungen gewesensein, zumal die Einheimischensie mit den Mon-pa in Verbindungbringen, standen aberebenso auch mit Viehzüchterstämmenin Beziehung, diezumindest ihre Toten bis in historische Zeit hinein in Kurganen bestatteten.Hoffmann glaubte die vorgeschichtlichen Zeugnisse Tibets vorläufig nochauf die dort nachgewiesenen Megalithe beschränken zu müssen. „The mostimportant evidence of Tibetan prehistory are the megalithic monumentswhich extend in a broad belt from western Tibet across the plateau to thenorth of the trans-Himalayas, the region of the great salt lakes, and parts ofthe Byang-thang as far as Amdo northeast Tibet.“ 114 Den Infiltrationswegdieser Zeugnisse skizzierte Hummel folgendermaßen: “Im tibetischenMegalithikum verweisen gewisse Elemente wie etwa Steinreihen (Alignements)oder der Menhir, allein oder im Cromlech, eindeutig in denVorderen Orient bzw. ins Mediterraneum, von wo sich die megalithischeBewegung über Kshmir ins westliche und von dort über die Küke-noor-Pforte ins zentrale Hochland Tibet ausgebreitet haben muß.“ 115 Auch diemegalithischen Spuren liegen auf dem Migrationsweg der Prototibeter, denHermanns rekonstruiert hat (siehe oben), sie finden sich auf einer, vom114 H.Hoffmann, Early and medieval Tibet, in: D.Sinor, The Cambridge History of Early Inner Asia, Cambridge 1990,p.371115 S.Hummel, Mythologisches aus Eurasien im Ge-sar-Heldenepos der Tibeter, Ulm 1993, S.125116

Pamir aus gesehenen, nordöstlichen Route nach Amdo und auf einer südwestlichenRoute nach Westtibet. 116 Und auch bei diesen Zeugnissen siehtes ganz so aus, daß sich beide Migrationsbewegungen in Zentraltibet wiedergetroffen hätten. Für diese Hypothese der Ausbreitung der Megalithzeugnissein Tibet (Hummel) spricht auch der folgende Hinweis vonHoffmann, der seinerseits eine Beobachtung von Roerich wiedergibt: „Onefact, however, is of great interest: the range of distribution of the megalithscoincides with that of the Eurasiananimal style, the artifacts ofwhich have been found in a broadbelt which extends from lands ofscythians in south Russia to theChinese province of Kansu.” 117Grab bei Shigatze, G.Tucci, Tibet, München, Genf, Paris1973, Abb.42Hoffmann assoziiert mit seinemHinweis auf die Verbreitungskongruenzder Megalithzeugnisse undder Artefaktfunde im sog. SkythischenTierstil diese beiden Kulturen,die eine, ein Abschluß derSteinzeit, die andere ein Beleg derBronze- und Metallzeit.Während Hummel stärker auf einmegalithisches Epizentrum inKaschmir setzt, von dem aus dieKultur nach Tibet eingewandertsein soll, empfiehlt es sich, auchjene Hinweise auf die Megalithedes Steppenraums selbst nicht zu vernachlässigen, die Hinweise megalithischerRelikte in Transbaikalien im Kontext der Kitoj-Kultur, die ihrerseitsstarke Einflüsse aus dem Westen aufweist, 118 ebenso wie die Hinweiseim Zusammenhang mit der Tatyk-Kultur, von der Jettmar schreibt:„Außerdem enthält die Tatyk-Kultur megalithische Erscheinungen (Stein-116 Siehe auch: S.Hummel, Wer waren die Erbauer der tibetischen Burgen, Paideuma IV, 1954/58, S.205117 H.Hoffmann, Early and medieval Tibet, in: D.Sinor, The Cambridge History of Early Inner Asia, Cambridge 1990,p.372118 Siehe: K.Jettmar, Mittelasien und Sibirien in Vortürkischer Zeit, in: B.Spuler (Hrsg) Geschichte Mittelasiens, Leiden1966, S.46117

eihen, Markierung von Toren und Steinzäune) wie sie auch in Nordosttibetund in der Südmongolei beobachtet wurden.“ 119Im vorindogermanischen Griechenland mit Survivals in hellenischer Zeit(Olympia= Große Göttin= Berg und Sitz des Zeus), in Kleinasien und Mesopotamienrepräsentiert der Berg nicht nur den Sitz des jeweiligen HauptoderVatergottes, sondern zugleich auch die Große Göttin, die meistensnamentlich heißt: „Sitz des N.N.“ Diese Große Göttin ist nicht nur derQuell des Lebens, sondern auch das Haus des Todes; ihre Erscheinung alsBerg steht auch für den Versammlungsort der Ahnenseelen, der gewesenenwie der künftigen.Diese Anschauung drücken auch noch die Hügelgräber und Kurgane alskünstliche Berge aus, aber auch die Menhire, Obelisken und Grabstelen alsSeelensitze. Nach Carl Schuchardt 120 repräsentiert die Säule des mykenischenLöwentors die Gottheit selbst, für die neben dem Berg, die Säuleund auch der Baum symbolisch stehen. Er bringt auch den "Säulenkult"generell mit den und den Hermen in Beziehung. Bei den, den , verweist der Name auf semitischen Hintergrund,auf beth-el, d.h. Haus der Gottheit. Dieser Stein als Gotteshaus entsprichtdem babylonischen e-kur, dem "Berghaus", d.h. dem Sitz der mesopotamischengroßen Mutter, so daß wir in beth-el eine ähnliche Vorstellungsuchen müssen wie im ägyptischen Hat-hor, dem Haus des Horus,dem Namen einer ägyptischen großen Mutter. Harsagkalama= Berg derWelt, hießen der Tempelbezirk der großen Mutter zu Kisch und dieseselbst.Die Kurgane oder Hügelgräber repräsentieren immer noch die Große Göttindes Neolithikums als Herkunftsort des Hauptgottes, als Sitz der Götterund der Ahnen sowie der Seelen und deshalb auch als Ausweis des Landbesitzes,aber diese nicht mehr allein. Sie fungieren im Rahmen der Megalithensemblesals Kultanlagen, als chtonische Kultzentren, die sich einemastralen Ereignis öffnen (Sonnenwende, Tag- und Nacht-Gleichen, makrokosmischeEhe von Himmel und Erde), für das im Kult der Sonnengottsteht, und manifestieren mit diesem polaren Konzept chtonischer Mitteund astraler Peripherie eine kulturelle und soziale Mitte für politisch überstammlichverfaßte Gesellschaften, während die protomegalithischen Hügelgräberdas Zentrum der Sippe vergegenständlichten und die spätbronze-119 K.Jettmar, Mittelasien und Sibirien in Vortürkischer Zeit, in: B.Spuler (Hrsg) Geschichte Mittelasiens, Leiden 1966,S.77120 C. Schuchardt, Alteuropa, 1944, S. 105118

und eisenzeitlichen Monolithen den Helden oder Häuptling vergegenwärtigtenund das Ende jener Entwicklung darstellten, welche in der Megalith-Kultur ihren Höhepunkt hatte. In diesem Kontext erscheinen die tibetischenKönigsgräber der Yarlungzeit als Renaissance jener neoltihischenIdee, welche sich im Häuptlingsgrab kultisch die Mitte der Sippe schuf.Auch in Tibet wohnen die Stammesahnen und Schutzgeister des Landesauf den Bergen, von denen sie herabstiegen als Gründer der Stämme undSippen. Diese Bergesind bis heute bevorzugteKultstätten geblieben,die zu umrunden,selbst dem frommenBuddhisten noch Verdiensteeinbringen. Einesolche Opferstätte heißtin A-mdo dPa-mkhar,d.h. Heldenstätte, aberdie vielen anderenSteinmonumente aufden Hochebenen undGipfeln bezeugen denKult. „Es können Steinsäulen,rDo-ris, oderSteinhaufen, Lha-tho,sein. Das Errichten vonMalsteinen an geweihten,heiligen Orten ist jaauch ein alter Zug in derReligion der Viehzuchtnomaden.“121Die megalithischenGrabanlagen in Europaerweisen sich wie zu früheren Zeiten die auffallenden Landschaftsmerkmaleauch als Foci der Stammessolidarität und müssen mit ihrer Monumentalitätauch haben einschüchtern wollen, denn sie zeugen auch für dieLeistungsfähigkeit der organisierten Gesellschaft, mit der es für Eindring-121 M.Hermanns, Mythen und Mysterien, Magie und Religion der Tibeter, Stuttgart 1955, S.117119

linge sich anzulegen gefährlich wäre. Diese Abwehr von Eindringlingenaber war eines der Probleme des mittleren Neolithikums, das organisatorischmit einer Bevölkerungsexplosion fertig werden mußte. Die Option,auf die Herausforderung des Bevölkerungsdrucks mit Abwanderung undKolonisation fremder Räume antworten zu können, schwand im Laufe desNeolithikums zusehends.Die genannten Vorstellungen (Grablege, Heimatsausweis, Solidaritätsfocus,Hinweis auf die Leistungsfähigkeit und auf die Verteidigungsbereitschaft)begleiten die Megalithanlagen des mittelneolithischen Europas seitdem Anfang des fünften Jahrtausends v.Chr. und sind damit älter als dieHochkulturen selbst, deren Weltanschauung von diesem Gedankengut aberstark beeinflußt worden ist. Hummel hat Spuren dieses Gedankengutes imtibetischen Ge-sar-Epos und in tibetischen Märchen wieder gefunden, aberauch im Kontext der rituellen Praxis der späteren Religionen Tibets, weshalbman davon ausgehen darf, daß diese Weltanschauung auch geteiltworden ist von den Erbauern der tibetischen Megalithe.Im Kontext seiner Erörterung megalithischer Zeugnisse in Tibet, verwiesTucci auch auf den Bergkult, der in Tibet nicht nur in der Zeit vor derÜbernahme des Buddhismus gepflegt wurde, sondern, wie wir heute wissen,in A-mdo bis heute überdauert hat. 122 Dieser Bergkult war einst in Tibet„eine der am weitesten verbreiteten religiösen Ausdrucksformen. DerPaß konnte gleichzeitig ein Sühneplatz sein für den, der ihn benutzte, undein heiliger Ort für den Klan, auf dessen Gebiet er sich befand, und wosich die Menhire befinden konnten, die für die Opfergaben und die jahreszeitlichenFeste dienten. Es ist nicht ausgeschlossen, das Anführer desKlans ihre eigenen Gräber in der Gegend hatten, da ihr Vorfahre mit demBerg identifiziert wurde oder mit dem Gott, der in illo tempore von hierherabgestiegen war.“ 123 Die schon von Francke 1914 erwähnten Megalithanlagenvon Pu (sPu) und Garbyang (sGar-byang?) sind mit Tucci Beispieledes alttibetischen Bergkultes, der offensichtlich auch hier im Spätneolithikumeine heldenepische, frühbronzezeitliche Megalithepoche hervorgebrachthatte, bevor er seine typische Umformung im Stadium derHochkultur erfuhr.Tucci zufolge ist die Megalithkultur wahrscheinlich aus dem Neolithikumauf zwei Wegen hervorgegangen, auf einem „quer durch den Schlauch dereuroasiatischen Steppe von Konkonor bis Mitteltibet und vielleicht bis122 Siehe: K.Stuart, dPal-ldan bKra-shis, Perilious Novelties. Anthropos 93, 1998123 G.Tucci, Tibet, München, Genf, Paris 1973, S.55-6120

Tsang (gTsa),“ 124 auf dem anderen über Kaschmir und Spiti (sPyi-ti) bisnach West-Tibet. 125Megalithe und Höhlen in West-Tibet, die bis 1973 bekannt warenCromlechs mit drei Monolithen bei Pu (sPu), Dotakdsong (rDo-bragrdson),Gar-byang (sGar-bya) und bei Shabgheding (ab-dge-sdis)wurden von Francke 126 und Tucci 127 beschrieben. In ihrer Umgebung fandman stets auch Zeugnisse des eurasischen Tierstils, 128 worauf Roerich bereitsaufmerksam gemacht hatte und nach ihm auch Hoffmann (sieheoben).Roerich sah ähnliche Monolithengruppen (drei Monolithen, der höchste inder Mitte) zusammen mit Alignements aus 18-reihigen Menhiren, die aufeiner Seite in Cromlechs ausliefen, am Pangong-See (tib. sPan- gomtsho). 129 Am Danrayumtsho (Da-rwa-gyu-mtsho) stieß Roerich eben-124 G.Tucci, Tibet, München, Genf, Paris 1973, S.57125 Siehe: G.Tucci, Tibet, München, Genf, Paris 1973, S.57126 Siehe: A.H.Francke, The Antiquities of Indian Tibet, 1, Kalkutta 1914, p.22127 Siehe: G.Tucci, Tibet, München, Genf, Paris 1973, S.50128 Siehe: G.Roerich, The Animal Style among the Nomads of Northern Tibet, Skythika, Seminarium Kondakovianum,Prag 1930, p.96129 Siehe: G.Roerich, Sur les piste de l’Asie centrale, Paris 1933, p.235121

falls auf Anlagen aus Menhiren, die in Gruppen quadratisch aufgestellterMonolithen mündeten, in deren Nähe Gräber gefunden wurden mit ostwestlicherOrientierung. 130 Gruppen mit drei Monolithen wie jene von Puund Dotakdsong fand Roerich auch in der Mongolei. 131 Die mit Hirschenim eurasischen Tierstil bemalten Menhire in der Monglei werden dort auchHirsch-Steine genannt (Nowgorodowa). Das Dekor gehört zum eurasischenTierstil, diese selbst zum Ausgang jener Periode.Die Ch’iang des Kökö-nor-Gebietes begruben nicht nur ihre Toten inSteinkammergräbern, sondern stellten auch Cromlechs in der Nähe ihrerToten auf. 132Steinkammergräber, ähnlich den Kammergräbern in der Nähe von Leh(sLe), die Francke 133 beschrieben hatte, sind in der Nähe von Lhasa vonAufschnaiter 1950 134 und 1990 von Wang Renxiang ausgegraben worden.Unter den von Aufschnaiter ausgegrabenen Gräbern fielen einige durcheine brunnenähnliche Konstruktion auf, „a pozzetto“. Die Krüge, die mandarin fand, bargen Skelettreste, die auf eine Zweifachbestattung hinwiesen.Beide Befunde konnten an weiteren Gräbern in einem nördlichen Vorortvon Lhasa (Ch’u-khu) 1990 durch chinesische Archäologen bestätigtwerden. 135Die Gräber von Balukhar (Ba-lu-mkhar) bargen nicht nur Krüge mit Ritzdekorender geometrischen Art, die man aus Susa kennt, sondern auchSkelette mit dolichocephalen Schädeln, 136 was auf eine ethnische Differenzierungverweist und auf ethnische Integration.Auf die Präsenz megalithischer Relikte in Tibet hatten also bereits Roerich,137 Francke, 138 MacDonald 139 und Tucci 140 aufmerksam gemacht.Dann sind sie auch von Hummel kulturhistorisch gewürdigt worden. Aberdie Fülle an Belegen und ihre Dokumentation verdanken wir entwederchinesischen Archäologen oder den erst in den letzten 20 Jahren durchgeführtenExpeditionen von John Vincent Bellezza.130 Siehe: G.Roerich, Sur les piste de l’Asie centrale, Paris 1933, p.236131 Siehe: G.Roerich, Sur les piste de l’Asie centrale, Paris 1933, p.105132 Siehe: R.A.Stein, Les K’iang des marches sino-tibetaines, Annuaire de l’Ecole pratique des hautes etudes 1957-8,Abt.Religiones, Paris 1957, p.4133 Siehe: A.H.Francke, The Antiquities of Indian Tibet, 1, Kalkutta 1914, p.72ff134 Siehe: P.Aufschnaiter, Prehistoric Sites Discovered in Inhabitated Regions of Tibet, in: East and West, 1956, p.74135 Siehe: Institute of Archaeology, CASS, Qugong in Lhasa-Excavations of An Ancient Site and Tombs (H),Encyclopedia of China Publishing House, Beijing 1999136 Siehe: A.H.Francke, The Antiquities of Indian Tibet, 1, Kalkutta 1914, p.72ff137 Siehe: J.N.Roerich, The Animal Style, Prag 1930, ipse, Sur les pistes de l’Asie Centrale, Paris 1933138 Siehe: A.H.Francke, The Antiquities of Indian Tibet, 1, Kalkutta 1914139 Siehe: A.W.MacDonald, Une Note sur les Mégalithes Tibétaines, in: Journal Asiatique, Paris 1953140 Siehe: G.Tucci, Tibet, München, Genf, Paris 1973122

Auch die neusten Befunde sowohl von Bellezza als auch der chinesischenArchäologen, die in Tibet arbeiten, fügen sich in die von Hummel skizziertenkulturgeschichtlichen Beziehungen der vorgeschichtlichen ZeugnisseTibets.„Das… tibetische Megalithikum muß nachdem archäologischen Befund zum Megalithikumder mediterranen Kultur gerechnetwerden, das sich räumlich vom westlichenEuropa nach Afrika, über Kleinasien nachIndien, über Kumaon, Spiti und Kashmirnach West-Tibet, über das Kuku-noor-Gebietnach Ost- und Zentraltibet erstreckt.Die bunte Keramik des Neolithikums, dieauch die bereits genannte Yang-Shao-Kulturauszeichnet, und die wir ebenfalls mitder mediterranen Kultur in Verbindungbrachten, findet sich im Bereiche der Megalithenwo sie Ähnlichkeiten mit der vonAnau und vom Kuku-noor in Nordost-Tibet,bzw. mit der von Kan-Su und Ho-Nanin China zeigt.“ 141In diesem Kontext empfiehlt es sich, daranzu erinnern, daß auch die Yang-shao-Keramikauf einen zweiseitigen Einfluß hinweist.Die Spiraldekore verweisen auf denSteppenraum bis nach Tripolje-Cucuteni, die geometrischen lassen sich bisnach Westasien, nach Susa und Anau, zurückverfolgen, die Mischung beiderStile bis nach Griechenland (Sesklo und Dimini).Diese Differenzierung wiederholt sich auch mit der Verbreitung der Megalith-Relikte.„Da die westtibetische Megalithkultur nicht nur über Kashmir ins Ladvags(Ladakh)- Gebiet vorgedrungen ist, sondern sich auch in Südwest-Tibet in Spi-ti mit Megalithen als Menhir bei bLo-sar und bei sPu südlichvon Ta-po findet, ferner noch südlich vom Manasarovar um 30° nördl. Br.,wo sie sich an die Megalithen von Kumaon anschließt, so nehmen wir an,daß außer jener von uns genannten prototibetischen Besiedlung Westtibets141 S.Hummel, Grundzüge einer Urgeschichte der tibetischen Kultur, Jahrbuch des Museums für Völkerkunde zuLeipzig, B XIII, 1954, Leipzig 1955, S.78123

vom Nordwesten her eine wenig jüngere vom Westen und Südwesten ausstattgefunden hat. Vielleicht ist auch die megalithische Besiedlung Tibetseiner besonderen Welle des ausgehenden Neolithikums zuzuschreiben, zuder die megalithische Einwanderung über das Kuku-noor-Gebiet nachZentraltibet mit Megalithen im Bereiche der großen Seen und bis westlichvon gZhi-kha-rdse (Shigatse) gehört.“ 142Man braucht auch bei den vom Westen und Südwesten her „einwandernden“Megalithen durchaus nicht von einer jüngeren Bewegung auszugehen,auch sie kann als Parallelerscheinung aufgefaßt werden, wie obenbereits angedeutet.Megalithe wurden gefunden in Ladakh, Bhutan, Assam und bei den Mundavölkern,ja auch die Ba-Kultur des zweiten vorchristlichen Jahrtausendsin Sze-chuan wies megalithische Anlangen aus, und in Nepal verkörperndie sieben höchsten Berge Muttergottheiten wie in Westasien, Kleinasienund Griechenland, was wiederum auf eine Gleichheit der Anschauungen(Bergkult) hinweist. Die tibetischen Megalithe stehen in der Kontinuitätsowohl dieser vorderasiatischen megalithischen Diffusion als auch dereurasischen, auf die ja bereits die Megalithe der Trichterbecherkultur hingewiesenhatten, die aus Osteuropa nach Westen eindrang. VonGroßbritannien über Frankreich ans Schwarze Meer und den Kaukasus inden Vorderen Orient, weiter von Großbritannien über die Niederlande,Nordeutschland, Dänemark, Schweden und Osteuropa in den Steppenraumhinein breiteten sich Kulturen aus, die Megalithe zu ihren Merkmalenzählten, und wenn man die C 14 -Datierungen, die bislang zur Verfügungstehen, zugrunde legt, dann finden sich die ältesten Megalithdenkmale inFrankreich mit einem nach Osten hin meßbar abnehmendem Alter derDenkmale. Das soll nicht heißen, daß die Megalithkultur nur einen ethnischenTräger hatte, sondern nur, daß ihre Ideen von Völkern aufgegriffenwurden, die sich in ähnlichen Lagen befanden wie jene in Frankreich, diesie wahrscheinlich zuerst entwickelt hatten, d.h. von Völkern, die an derSchwelle zur Hochkultur standen. 143 Andererseits deuten die Ergebnissemolekulargenetischer Vergleiche daraufhin, daß der Megalithbewegungnach Tibet eine ethnische Bewegung entspricht, die bis heute ihre Spurenim Ethnos der Tibeter hinterlassen hat.142 S.Hummel, Grundzüge einer Urgeschichte der tibetischen Kultur, Jahrbuch des Museums für Völkerkunde zuLeipzig, B XIII, 1954, Leipzig 1955, S.78143 Siehe: R.von Heine-Geldern, Das Megalithproblem, Sympsion, Wenner Gren Foundation, New York 1959, S.165124

Hummel fand für das von Francke und Roerich aus Tibet vorgelegte Materialmythologische und symbolische Entsprechungen (Fruchtbarkeitsmagie),die bis in die Gegenwart hinein wirksam geblieben sind: „DieSteinreihen, die J.N.Roerich (…) im Gebiet der großen Seen entdeckte,sind denen in Frankreich (Carnac) gleich. Bei größeren Anlagen laufenachtzehn parallele Steinreihen von Ost nach West, wo sie ein doppelterHalbkreis aus Steinen abschließt, der offenbar einen Bogen darstellen sollin dem sich Menhire und Steintische für kultische Zwecke befinden. Amöstlichen Ende liegt ein aus Steinen ausgelegter, nach Westen gerichteterPfeil, dessen Bedeutung der des Donnerkeils gleich ist.Der Pfeil (tib. Gyang-mda = Glückspfeil) spielt noch heute als magischesInstrument in Tibet eine bedeutende Rolle. Die vorbuddhistische Bon-Religionmit ihren uralten Traditionen benutzte ihn beim Feldzauber. Dabeiwurden Pfeile und Federn in die Fluren gesteckt. Auf einem von mir früherveröffentlichten tibetischen Druck mit einem Weltbild wird der Kosmosringsherum durch Pfeile geschützt, an die ein Spiegel (tib. Me-long) gebundenist. Der Spiegel ist polar zur phallizistischen Bedeutung des PfeilesSymbol des weiblichen Geschlechts und wird daher auch gSangba’i-gnas(= Geheimort) genannt. Bei dem lamaistischen Ritus Gyang-'gugs (=Glücksbeschwörung) zum Herbeirufen von Reichtum, langem Leben,Fruchtbarkeit und Macht wird ein mit okkulten Kräften geladener und miteinem Spiegel geschmückter Pfeil benutzt. Dieser Ritus ist mit demReichtumsgott Kubera (häufig auch in der Felsbildergalerie des Karakorumabgebildet/H.S.) verknüpft und heißt darum chinesisch ChiehTs'ai-Shen, d.h. den Gott des Reichtums als Gast empfangen. Der Pfeil wird alsTräger kosmischer Kräfte, die sich in Fruchtbarkeit und Wohlstand erweisen,am Schlusse des Ritus in einer Prozession herumgetragen. Auch beider Anwendung im Brautzeremoniell, wobei die Braut mit dem Pfeil ausder Schar ihrer Jugendgespielinnen herausgezogen wird, betrachten dieTibeter den Pfeil als Bild der Zeugungskraft. Wir können somit am Beispieldes sog. Glückspfeiles megalithische Vorstellungen bis in die Gegenwartdes tibetischen Lamaismus verfolgen. Vorgeschichtliche Pfeilspitzenwerden in Tibet heute als Amulette getragen und spielen eine ähnlicheRolle wie die in den verschiedensten Gegenden der Erde als Donnerkeilgedeuteten Bodenfunde.“ 144144 S.Hummel, Grundzüge einer Urgeschichte der tibetischen Kultur, Jahrbuch des Museums für Völkerkunde zuLeipzig, B XIII, 1954, Leipzig 1955, S.79-80125

Die jüngeren Anspielungen an Geschlecht und Fruchtbarkeit verkürzen dieBildbeispiele wie Pfeil und Kreis oder topographisches Zeichen auf denphallozentrischen Bedeutungskreis von Phallus und Vulva oder Lingamund Yoni, die ikonographische Bedeutung dieser Zeichen reicht aber weiterund spricht von dem Handeln von Mann und Frau, von ihren Rechtenund Pflichten (Status und Rolle) im jeweiligen kulturellen Kontext, in denältesten Stufen vom Jagen und Sammeln als arbeitsteiliger Aufgabe, dannvom Hirten- und Bauernleben mit vergleichsweiser geschlechtsspezifischerArbeitsteilung.Auch hier zeigt sich wieder, daß die neusten Belege der Megalithkulturvon J.V.Bellezza sich vollständig dem Bild fügen, das Hummel bereits inden fünfziger Jahren entworfen hat.126

Megalithe und Felsbilder nach Anne Chayetaus: A.Chayet, Art et Archéologie du Tibet, Paris 1994, p.56Kenntnisse über Felsbilder und Megalithe in Tibet bis 1973Grotten Quelle Megalithe/Kammergräber QuelleLukShabghedingbei Nubra De Terra Dotakdsong Roericham Kun-lunGarbyangLhatse Hummel PangongtshoYamdoktsho (rTa-thang) Waddell Kökö-nor-Gebiet R.A.SteinYarlung Tucci DanrayuntshoDotakdsong Roerich Pu FranckeBei Tuktsche (Nepal)LehPretapuri Francke BalukharSwat Shidekhar TucciTsaparang Bei Lhasa TucciTschangTucciKhyung-lungLo (Mustang)H.De Terra, Durch Urwelten am Indus, Leipzig 1940S.Hummel, Die Heilige Höhle in Tibet, Anthropos, 25, 1957L.A.Waddell, Lhasa and ist Mysteries, London 1905G.Roerich, Sur les pistes de L’Asie centrale, Paris 1933A.H.Francke, The Antiquities of Indian Tibet, 1+2, Kalkutta 1914R.A.Stein, Les K’iang des marches sino-tibetaine, Annuaire de l’Ecole des hautes etudes 1957,Paris 1957G.Tucci, Tibet, München, Genf, Paris 1973127

Black Rock, Grabanlage, Blick auf Abdekkung;Do Dril-buAbb. J.V.Bellezza, Antiquities of NorthernTibet, Delhi 2001, p.381Black Rock, Katakombengrab, EingangAbb. J.V.Bellezza 145Grabanlage am Black Rock, als SteinbruchzweckentfremdetAbb. J.V.BellezzaGrabanlage am Crystal Rock, als SteinbruchzweckentfremdetAbb. J.V.Bellezza145 Alle Bilder im Internet und an der angegebenen Publikationsstelle: J.V.Bellezza, Antiquities of Northern Tibet,Delhi 2001128

Founder’s House am Black Rock, Do Dril-buAbb. J.V.Bellezza, Antiquities of NorthernTibet, Delhi 2001, p.381Black Rock, Founder’s House, InnenansichtDo dril-buAbb. J.V.Bellezza, Antiquities of NorthernTibet, Delhi 2001, p.382Founder’s House, Black Rock, Innenansichteiner GrabanlageAbb. J.V.Bellezza129

Black Rock, Katakombengrab, EingangAbb. J.V.BellezzaMauerreste am Red RockAbb. J.V.BellezzaAm Black RockAbb. J.V.Bellezza, Antiquities of NorthernTibet, Delhi 2001, p.382Steinkreis am Red RockAbb. J.V.Bellezza, Antiquities of NorthernTibet, Delhi 2001, p.374130

Gebäudereste am Red RockAbb. J.V.BellezzaSog. Mon-ra am Black RockAbb. J.V.Bellezza, Antiquities of NorthernTibet, Delhi 2001, p.384Monolith am Black Rock, Do Dril-buAbb. J.V.Bellezza, Antiquities of NorthernTibet, Delhi 2001, p.383Katakombengrab, EingangAbb. J.V.Bellezza131

Katakombengrab bei Gyer-ru-mtsho, EingangAbb. J.V.BellezzaKatakombengrab, EingangAbb. J.V.BellezzaKammergrab, Grabhügel abgetragenAbb. J.V.BellezzaKammergrab, Grabhügel abgtragenAbb. J.V.Bellezza132

Kammergrab, Grabhügel abgtragenAbb. J.V.BellezzaKammergrab, Grabhügel abgtragenAbb. J.V.BellezzaMonolithe oder Seitensteine, dann Mittelsegmenteines abgetragenen KurgansAbb. J.V.BellezzaMonolithe, ‘A’go rDo-ringAbb. J.V.Bellezza, Antiquities of NorthernTibet, Delhi 2001, p.302MonolitheAbb. J.V.Bellezza133

Menhir-Alignement von Yul Kham-bu, KreisDrong-paAbb. J.V.BellezzaMenhir-Alignement von Yul Kham-bu, KreisDrong-pa, TeilansichtAbb. J.V.BellezzaGrabstelle bei Ureg Nuur, in der Gobi-Steppeam Altai GebirgeIn: J.Davis Kimball et al. Kurgans, RitualSites, and Settlements, Eurasian Bronze andIron Age, Berkeley 2000, p.98134

Tibetische Fels- und HöhlenzeichnungenAuf seinen Exkursionen während der britischen Militärexpedition nachLhasa traf Waddell auf 40 Höhlen mit prähistorischen Relikten am Yamdok-See(Yar-’brog-mtsho), direkt bei der „Hochebene der Pferde“ (rTatha),146 wo Bellezza in jüngster Zeit auch auf Felsbildergalerien gestoßenist.Auf die Höhlen bei Luk, Nubra (Nu-bra) und am Kuen-lun auf tibetischerSeite, welche Felsbilder (brag brkos ri mo) aus dem 2.Jt v.Chr. bergen,hatte bereits 1940 De Terra 147 hingwiesen. In der Nähe, der auch schonvon Francke 148 beschriebenen Höhlen mit Felsbildern des Swat-Tales istStacul 1968 auf neolithische Fundschichten gestoßen. 149Felsbilder, Teschik Tasch, Mesolithikumaus: Klaus Pander, Sowjetischer Orient, Köln1982, S.91Doch von einer systematischen Dokumentation tibetischer Felsbildergalerienkann man erst in jüngster Zeit sprechen, nämlich von den BemühungenChayets, Bellezzas, Chan Zhao Fu’s und anderer tibetischer und chinesischerArchäologen. Dazu gehört auch der Sammelband der „AdministrationCommisssion of Cultural Relics of the Tibetan Autonomous Region“,herausgegeben von Sonam Wangdü (bSod-nams dBang-’dus). 150 DiesesWerk, das Felsbilder aus 26 Fundstellen in 11 Distrikten auswertet, verweistauf 300 Petroglyphen in 60 Fundstellen allein in dem heute AutonomeRegion Tibet genannten Gebiet, die es leider versäumt hat, sie auchkartographisch zu lokalisieren, was den Nachvollzug regionaler Zusammenhängenicht gerade erleichtet. Die überwiegende Mehrheit der dortausgewiesenen Bildmotive, die mehrheitlich entweder aus West-Tibet oder146 Siehe: L.A.Waddell, Lhasa and ist Mysteries, London 1905, p.289-290147 Siehe: H.De Terra, Durch Urwelten am Indus, Leipzig 1940, S.46148 Siehe: A.H.Francke, The Antiquities of Indian Tibet, 1, 1914149 Siehe: G.Stacul, Excavations near Ghaligai (1968) and Chronological Sequence Protohistorical Cultures in the SwatValey (West Pakistan), in: East and West, 19, N°1,2150 Sonam Wangdü (Hrsg), Art of Tibetan Rock Paintings, Compiled by Administration Commission of Cultural Relicsof the Tibetan Autonomous Region, Introduced by Li Yongxian & Huo Wei, Chengdu 1994135

aus dem nördlichen Zentral-Tibet stammen, sind Jagszenen mit Wild, dasman bis heute in dem gleichen Gebiet jagt, wo sie ihre Zeichner verewigthaben. Weniger häufig sind die Szenen nomadisierender Hirten mit ihrenHerden.Auschnitte von tibetischen Felsbildermotiven,Jagdszenenaus dem Tibet Museum, LhasaAuf allen Bildern tragen die Figuren Waffen oder Gerät, das man mit dereinen oder anderen Subsistenzweise in Verbindung bringen kann und aufeinigen lassen sich auch Symbole aus historischer Zeit, z.T. buddhistischeSymbole, ausmachen, die den älteren Bildern meistens später hinzugefügtwurden. Bereits diese Merkmaleergeben ein Gerippe für eine relativeChronologie, die es Zugum Zug zu ergänzen und zu verfeinerngilt. Die Motive derBitschigtyn chad, E.Nowgorodowa, Alte Kunst der Mongolei,Leipzig 1980westtibetischen Felsbildergalerienlassen sich anschließen andie Motive, welche kürzlich vonJettmar in der Felsbildergaleriedes Karakorum entdeckt wordensind. In dieser Galerie ließensich Abbildungen neolithischer-,sakischer- und achämenidischerStufe von solchen aus frühbuddhistischerZeit unterscheiden.Diese Karakorum-Galerie weiststilistisch einerseits direkt nach West-Tibet, steht aber auch stilistischselbst im Kontext der Felsbildergalerien von Kasachstan, der Mongolei,Süd-Sibiriens und Sinkiangs, von wo aus ebenfalls Diffusionslinien nach136

A-mdo verlaufen, die sich wiederum in Zentraltibet mit jenen aus demGebiet des oberen Indus und West-Tibets treffen.Obwohl Hummel die erst nach 1973 entdeckten Felsbildergalerien nochgar nicht kannte, war er schon damals von der Vielzahl westtibetischerFelsbilder beeindruckt.„Westtibet ist reich an Fels- und Höhlenzeichnungen mit Tier- und Jagdszenen.Stellenweise treffen wir die Technik der Steinmeißelhämmerungan, die von der paläolithischen Aurignac-Kunst her bekannt ist und nochbis etwa 500-100 v.Chr. angewendet wurde. Technik und Stil einiger Felsbildererinnerten an jüngere prähistorische Werke in Südsibirien.Die ältesten westtibetischen Felszeichnungen aus dem 1. Jahrtausendv.Chr., z.B. bei dKar-skyil im Gebiete von sPu-rig, im zentralen La-dvags(Ladak), im westlichenK'un-Lun, und zwar imGebiet von Nub-ra, undvor allem die von G.Tuccierwähnten Bilder bei bLosarin Spi-ti machen einenTeil der südwestlichen,das Pamir-Gebiet umfassendenGruppe derzentralasiatischen HöhlenundFelsbildwerke aus,deren südöstlicher Zweigsich in den Lang-Shan in der Inneren Mongolei nördlich des Huang-Hoerstreckt. Diese Lang-Shan-Bilder sind wahrscheinlich wie die von SvenHedin entdeckten Felszeichnungen des Kalta-alaquan-tag südlich des Lopnoorjüngere Ausläufer der sog.Quruq-tag-Gruppe nördlich des Lop-noor,die mit den etwas älteren südsibirischen Felsbildern im Distrikt von Minussinskund südlich vom Sayan-Gebirge im Gebiet von Tanu-Tuwa genetischzusammenhängt. Tallgren (...) datiert diese südsibirischen Arbeiten indie Zeit von der Mitte des 1. vorchristlichen Jahrtausends bis um 800 n.Chr. Wir erinnern uns dabei der ältesten tibetischen Steingräber im Stil dermongolischen bzw. südsibirischen Gräber ebenfalls aus der Mitte des erstenvorchristlichen Jahrtausends mit einem Schädelbefund, der deutlichnach Südsibirien weist.“ 151151 S.Hummel, Grundzüge einer Urgeschichte der tibetischen Kultur, Jahrb.d.Museums f.Völkerkunde zu Leipzig, BXIII/1954, Leipzig 1955, S.82-3EshkiolÖmes, nach: Kenneth Lymer, University of Southampton137

Ziege, Karakorum, nachgezeichnetnach: Karl Jettmar, Felsbilder im Karakorum,Spektrum der Wissenschaften, 12, 1983, S.26Hirsch von Feliden verfolgt, Karakorum,Beispiel für den skythischen Tierstil, Nachzeichnungnach: Karl Jettmar, Felsbilder im Karakorum,Spektrum der Wissenschaften, 12, 1983, S.26Ibex, KarakorumDie Ikonographie deses Tieres läßt sich biszur Stufe von Susa zurückverfolgenaus: Karl Jettmar, Felsbilder im Karakorum,Spektrum der Wissenschaften, 12, 1983, S.26Hirsch, Karakorum, Beispiel für den skythischenTierstil, nachgezeichnetHeidelberger Akademie der Wissenschaften138

Axt mit Pferd und Reiter im Klingenblatt,Karakorumaus: Karl Jettmar, Felsbilder im Karakorum,Spektrum der Wissenschaften, 12, 1983, S.31Jener von Hummel skizzierte eurasiatische Felsbilderkomplex wird auchsehr gut an den dort wie in Tibet gefunden Wagen- und Streitwagenmotiven(siehe Beispiele oben) deutlich. Nowgorodowa schreibt: „Verbindenwir die übereinstimmenden Wagenschilderungen von Transkaukasien undMesopotamien bis China und Indien zu einer logischen Kette, dann kommenwir zu dem einfachen Schluß: Die mongolischen Darstellungen sinddas bisher fehlende Glied, das es ermöglicht, eine bestimmte Gesetzmäßigkeitzu verfolgen. Sie bezeugen die in vorskythischer Zeit existierendenKontakte und wechselseitige Durchdringung der Kulturen, die Beziehungenwestmongolischer Stämme zu den Völkern des Nahen Ostens,Mittelasiens und Kasachstans.“ 152Hummel reflektierte beide Diffusionswege,sowohl den vom Karakorumaus nach West-Tibet alsauch den vom Altai und vonTransbaikalien nach Ost-Tibet.Auch die tibetischen FelsbilderYaks der Galerie Nabulong, Ru-thogfügen sich in das geographischeBild der Migrationswege der ausdem Westen kommenden Teilpopulationen der Prototibeter ein. Auch hierlassen sich wieder jene zwei Diffusionsrichtungen ausmachen, die vonHermanns und Hummel,Tucci und R.Stein herausgestellt worden sind.Bislang lassen sich in Tibet zwei Zentren der Verbreitung von Felsbildernausmachen, ein west- und ein osttibetisches, "l'un, au Tibet occidental,dans la région de Ru-thog au mNga'-ris (Ritu, région de AH, selon les152 Eleonora Nowgorodowa, Alte Kunst der Mongolei, Leipzig 1980, S.97139

cartes chinoises), se trouve en prolongement des sites du Ladakh et duZangs-dkar/Zanskar et, au-delà, de ceux qui ont été découverts notammentdans la haute vallée de l'Indus, au Gilgit et au Hunza 253 , sur la routede l'Asie centrale et septentrionale et du Moyen-Orient. L'autre groupe, aucentre de l'actuelle province du Qinghai, est à proximité des nombreuxsites rupestres du Gansu et du Ningxia, ainsi que de voies de passage del'Asie centrale à l'Asie méridionale." 153Yaks derGalerie Takang-ma, Ru-thogDie erst kürzlich bekannt gemachtenBildstellen in der Nähevon Ding-ri fügen sich dieserSachlage ebenfalls.Die bereits früher konstatierteKorrelation zwischen Felsbildergalerienund Megalithreliktenfand auch ihren Niederschlagin der Toponymie Tibets,woran Chayet erinnert. "Les toponymes tibétains soulignent l'existencedes pétroglyphes, comme du reste celle des mégalithes, des grotteset des abris sous roche, même si les fantaisies de l'orthographe le fontsouvent oublier." 154 Toponyme verbürgen generell ein hohes Alter dervon ihnen bezeichneten Orte, Plätze, Landschaftsmerkmale.Auch die Felsbilder weisen in Tibet bis in neolithische und noch ältereZeiträume zurück, wurden aber auch noch in historischer Zeit angefertigt,leider zu oft auch als Übermalungen oder Überritzungen ältester Zeichnungenund Symbole. "Une grotte de la région de Ru-thog était ainsi décoréede figures peintes en rouge, qu'il est impossible d'identifier aujourd-'hui, car elles ont été presque totalement recouvertes de peintures bouddhiques."15510.000- 6000v.Chr. Epipaläolithische Jäger8000-4000v.Chr. Entwickelte Jäger 5500v.Chr. Maskengeister-3500v.Chr. Motive3500-2000v.Chr. Entwickelte NomadenIn Zentralasien und China werden die Felsbilder drei Zeiträumen oder vierStil-Epochen zugewiesen: 1) der Epoche des epipaläolithischen Jägertums,2) der Epoche des höher entwickelten Jägertums, 3) der Epoche des ent-153 A.Chayet, Art et Archéologie du Tibet, Paris 1994, p.64154 A.Chayet, Art et Archéologie du Tibet, Paris 1994, p.64155 A.Chayet, Art et Archéologie du Tibet, Paris 1994, p.64140

wickelten Nomadismus. Der Stil der Geistermasken findet sich dort sowohlin den Galerien der entwickelten Jäger als auch der Nomaden.Im Großen und Ganzen lassen sich auch die Felsbilder Tibets diesem relativchronologischenZeit- und Stilschema zuordnen, wenn man berücksichtigt,daß sich in den Galerien von Ru-thog (West-Tibet) keine Zeugnissedes Maskengeister-Stils nachweisen lassen (wenigstens bis jetzt).Die Hauptfundstellen von Ru-thog sind gegenwärtig: Renmudong, Lurilangkaund Qiakesang 156 (rDo-dmar).Die in den Ru-thog-Galerien abgebildeten Tiere leben in der Mehrzahlnoch heute in der Region; die gebietsfremden Tiere verweisen auf fremdethnischeMigrationen. Auch die Kleidung der abgebildeten Figuren istregional typisch.Unter den Bildkompositionenüberwiegen zwei Themen:Jagd- und Weideszenen.Die Jäger führen Bogenoder Speer, Hirtenwerden von Hunden begleitet.Die Mehrzahl derMotive stellen allerdingsdie Jagdszenen.Einige Bildserien sinddurchzogen mit abstraktenSymbolen: topographische(Rechtecke, Linien, Punkte,Kreise), astronomische:Sonne und Mond, sexuelle:Nachzeichnung mit Hervorhebung des SpiralornamentsPhallus und Vulva, geometrische:Kreise, Rechtecke,Dreiecke kombiniert zu Figuren, die Doppeläxten gleichen, und rituelle:Hakenkreuze (Swastika) sowie S-Formen (Spiralmeandersegmente), dieauch als Bauformen (Struktur) figürlicher Körper erscheinen.Chayet weist auf den Versuch Zhang Jianlins hin, die Felsbilder von Ruthogzeitlich und stilistisch abzugrenzen, nach dem jene Bilder mit den genauausgeführten und z.T. stilisierten Zeichnungen der Kategorie Ru-thogI zugeordnet werden. Typisch dafür wären die Bildstellen Renmudong Nr.156 Die tibetische Schreibweise dieser Namen konnte nicht festgestellt werden.141

3 und Nr. 25. Die Bilder, in denen die S-Formen (das S erscheint seitenverkehrtund eher als ein liegendes Spiralmeandersegment) auftauchen,werden unter der Kategorie Ru-thog II zusammengefaßt, ein Beispiel dafürist die Stelle Lurilangka Nr.1, während die Gruppe der Bilder mit hochentwickelterAusführung der Zeichnung und ihrer Stilisierung unter Verwendungdes Volutenschmucks dementsprechend Ru-thog III genanntwird. Für diese Kategorie zeugen die Stellen Renmudong der Nummern 8bis 10, 31 und 43. 157Bei den sog. S-Formen haben wir es mit jenemSpiralenornament zu tun, das sowohl in der Tripolje-Cucuteni-als auch der Yangshao-Wareals charakteristische Auszier erscheint. Auchhier erscheinen sie in die Horizontale gedrehtund als Grundbaustein figürlicher Gestaltung, die sich teils in derselben Figurwiederholen, z.B. im stilisierten Gehörn. Außerdem gehört dieses Stilmittelzum sog. eurasischen Tierstil, der von den gleichen Völker- oderKämpfende Yaks, Felsbildstation im rGya-glin-GebirgeStammesgruppen hervorgebracht,gepflegt und weitergetragenwurde, welche auchjene bereits erwähnte Töpferwareoder deren Herstellungsweisenach Nordchina brachten.Hummel skizzierte bereits dieVerbindungslinien, die durchjüngere Entdeckungen von Galerien im Karakorum wie auch von solchenin Tibet ihre Bestätigung fanden. Als weiteres Indiz verweist er auf dieHandabbildungen, die bis heute im Lamaismus rituelle Verwendung finden.„Bei den Felszeichnungen vom Quruq-tag und vom jüngeren Ausläuferim Lang-Shan fallen zwischen den Tier- und Jagdszenen Darstellungenvon Händen, auf, die für die südwestliche Gruppe der zentralasiatischenHöhlen- und Felszeichnungen typisch sind und mit dem indischen Paläolithikumverbinden. Die bedeutendsten paläolithischen Zeichnungen Indiens,deren Handdarstellungen mit denen im südwestlichen Zentralasienverglichen werden können, sind wohl die von Singanpur.“ 158157 Siehe: A.Chayet, Art et Archéologie du Tibet, Paris 1994, p.69158 S.Hummel, Grundzüge einer Urgeschichte der tibetischen Kultur, Jahrb.d.Museums f.Völkerkunde zu Leipzig, BXIII/1954, Leipzig 1955, S.83142

Sowohl nach Westasien und Indien als auch bis hinein in den Steppenraumlassen sich kontinuierliche Reihen von Motiven (Spiralmeander, Swastika,Hirsche, Raubtiere, die Huftiere angreifen, Streitwagen, etc.) verfolgen.Der südliche Diffusionsweg steppenkulturlicher FelsbilderstileDie Felsbilder von Ruthog können ihre Verwandtschaft mit den Motivender Galerien des Karakorumgebietes, der Stellen von Ladakh und Zangsdkargar nicht verleugnen, ja einige bronzezeitliche Motive, z.B. Bildervon Feliden, die Huftiere verfolgen oder reißen, findet man im eurasischenTierstil-Kontinuum bis nach Italien und Slowenien.In der von Jettmar und Thewalt herausgegeben Arbeit "Between Gandharaand the Silk Roads", 159 in der die Felsbilder des Industals sowie jener vonGilgit und Hunza einem Vergleich unterzogen wurden, wird auch der Versucheiner Datierung dieser Galerien unternommen, in welcher die ältestenBeispiele aus dem dritten vorchristlichen Jahrtausend stammen und diejüngsten aus dem fünften vorchristlichen Jahrhundert.Die ältesten Motivgruppen aus Zanskar und Ladakh gehören danach in dasSpätneolithikum und in die Bronzezeit zwischen dem dritten und zweitenvorchristlichen Jahrtausend. Hier überwiegen die Jagdszenen mit bewaffnetenJägern, welche an Bildvorlagen aus Semirech'e im Süden des Balkaschsees(Innere Mongolei) erinnern, die aus dem zweiten vorchristlichenJahrtausend stammen. Die Entsprechungen mit der Okunevo-Kultur wird159 Siehe: K.Jettmar, V. Thewalt, Between Gandhara and the Silk Roads. Rock carvings along the Karakorum Highway.Discoveries by German-Pakistani Expeditions 1979-1984, Mainz 1987143

anhand der Maskenbilder gezeigt, die sich nicht nur im Industal (Chilas)wiederfinden, sondern auch rund um Tibet in Sinkiang, Ningchia, derMongolei und Nord-China, in Zentralasien und Süd-Sibirien, aber eben inTibet selbst fehlen, jedenfalls bislang.Eine zweite Motivgruppe mit Hirschen undPferden wird ins zweite bis erste vorchristlicheJahrtausend datiert, und zwar im Vergleichmit ähnlichen Galerien in Kasachstanund der Mongolei. Diese Bildergruppe wirdbezogen auf die Epoche der Steppenkulturvon Karasuk. Eine weitere Parallele zwischenHirschmotiven aus Zanskar, vor allemHirschen, die ihren Kopf nach hintenAusschnitt aus mongol. Hirschstein, nachE.Nowgorodowa (1980)wenden, und ihren Gegenstücken aus demChina der westlichen Chou (1121-771v.Chr.), welche ähnliche Motive zeigen,und zwar auf Jade eingeschnitten oder graviert, ist ebenfalls sprechend undunterstreicht den Kontakt zwischen Kansu, A-mdo und den Steppenvölkern.Spiralmeanderform als Konstruktionsschema: Schneeleopard, Issyk Kurgan, 5.-4.Jh.v.Chr.Die Galerien von Ru-thog mit dem "S"-Motiv (siehe oben) markieren denBeginn des "Tierstils" in West-Tibet, dessen Erscheinen in Eurasienzwischen 1500 und 500v.Chr. der Datierung einen gewissen Spielraumläßt.Chayet glaubt hier auch einen stilistischen Einfluß seitens der chinesischenBronzen der Chou-Zeit aus dem 6. und 5. Jh.v.Chr. konstatieren zu können,was den prähistorischen und frühgeschichtlichen Migrationsbewegungenin Tibet durchaus entspräche, und zwar der Phase des Zusammen-144

treffens der beiden großen Einwanderungsbewegungen wie auch der Periodeder ethnischen und kulturellen Integration, mit welcher ja auch dieMegalithzeugnisse in Verbindung gebracht werden. Doch angesichts derTatsache, daß die Chou selber Ch’iang waren, lassen sich die Jade-Hirscheder Chou auch als Übertragungen von Steppenkulturmotiven in das chinesischeKunsthandwerk begreifen, was ihnen dann ihre epizentrale Rollenähme. Chayet erwartet von der Aufdeckungdieser Einflüsse eine künftige Verbesserungder Datierung der tibetischen Felsbildergalerien."Les cheminements de cette double influencedemandent encore quelques précisions,mais dans cette production, abondantesinon homogène, des VII e -V e siècles, se retrouventdes éléments de Ru-thog, ce qui permet,de ce côté, un embryon de datation." 160Ordos-Bronzeanhänger, westl. HanEin dritter Einfluß auf die Galerien von Ruthogebenso wie auf jene von Ladakh undZanskar oder des Industals nahm seinen Ausgangvon den Saken, die im 3.Jh.v.Chr. in Sinkiang und Khotan saßen undim 2.Jh.v.Chr. in Gandhara eindrangen. Diese Einflüsse, die sich an denBildern von Ru-thog wie von Zanskar ablesen lassen, beeinflußten Tibetunter der Ägide von Zhang-zhung (frühe Phase). Verbindungswege zwischenLadakh und Khotan gab es verschiedene, sowohl über die Pässe vonGilgit als auch über Ru-thog. Hier finden sich auch die Megalithen derByang-thang Hochebene. Für die sakisch-tibetischen Kontakte sprechenschließlich auch die Felsbilder von Qiakesang, welche ebenfalls sakischeMotive zeigen.Hummel hatte bereits diesen Kontext im Auge. „Die Entstehung der TierundJagdbilder können wir in Westtibet, wie gesagt, in das gesamte 1.Jahrtausend v. Chr., an einigen Stellen wahrscheinlich in eine noch vielfrühere Zeit verlegen. Da die Zeichnungen im Quruq-tag zweifellos imgenetischen Zusammenhang mit denen in Südsibirien stehen, wo HandundFußdarstellungen jedoch fehlen, muß im Quruq-tag ein Zusammenwirkender zeitlichen und räumlichen Ausläufer der beiden großen Ausgangsgebieteangenommen werden, wobei westtibetische Stämme die Trägerder südlichen Tradition auf Wegen, die Indien mit Turkestan verbin-160 A.Chayet, Art et Archéologie du Tibet, Paris 1994, p.70145

Riese und Handabdruck, aus Jettmar u. Thewaltden, gewesen sein müssen. Es sind die gleichen Wege aus Indien nachWesttibet und über La-dvags ins Tarim-Becken, auf denen sich ein Zweigdes Megalithikums vom Süden her ins westliche tibetische Hochland erstreckte.Auch die Ausbreitung der Felszeichnungen Südsibiriens nachSüdosten entspricht megalithischen und prototibetischen Bahnen.“ 161Auch in Tibet ließ sich wie im Karakorum eine zeitliche Kontinutiät derFelsbilder bis in den historischen Horizont hinein ausmachen.Ein chronisches Problem der Datierung, jedenfalls bis vor kurzem, denndie Bednarik-Methode verspricht hier neuerdings Abhilfe zu schaffen,ergab sich aus den in verschiedenen Zeitabständen vorgenommenen Übermalungender Bilderwände, welche älteste Zeichnungen teils stark überdeckten,teils sogar ganz zerstörten, und Motivmischungen erzeugten, dieheute schwer zu entwirren sind. So war es auch noch in Zeiten der frühenbuddhistischen Bekehrung Tibetsüblich, bekannte Felsbildergalerienum buddhistische Motive zu ergänzenoder anstößige Motive durchsolche zu ersetzen. Andererseitswurden auch ältere Motive bei denneueren Bemalungen wieder aufgegriffen.In jedem dieser Fällekann man also nicht davon ausgehen,daß Stellen mit buddhistischenMotiven erst aus dieser Spätzeitstammen. Das gilt zunächst nur für diese Motive. Auch dies gilt es jeweilsim Einzelfall zu erweisen.Hummel, dem die Kontinuität bestimmter Motiv-Zusammenhänge (Jagdszenen,buddhistische Motive, die ihrerseits auf ältere, vorbuddhistischezurückgehen, etc.) aufgefallen ist, hatte sich auch diesem Problem zu stellen.„Von den genannten westtibetischen Höhlen- und Felszeichnungenunterscheiden wir eine jüngere Gruppe mit Jagdszenen, die wegen derTracht der Jäger zur dardischen Periode, also in das 3.-13. Jh. n.Chr., gehört,genetisch aber mit den prähistorischen Darstellungen zusammenhängt.Zur Anwendung kam eine Metallmeißeltechnik. Unter den Motivensind frühzeitige buddhistische zu erkennen. Wo buddhistische Symbole,wie beispielsweise Stupas, auf prähistorischen Felszeichnungen er-161 S.Hummel, Grundzüge einer Urgeschichte der tibetischen Kultur, Jahrb.d.Museums f.Völkerkunde zu Leipzig, BXIII/1954, Leipzig 1955, S.83146

Fußabdrücke, Distrikt Almora, IGNCA 1995scheinen, handelt es sich jedoch um spätere Zusätze. Die von A.H.Franckeerwähnten und wohl ins 8.Jh. zu ordnenden Felsbilder bei Kha-la-rdse, aufdenen auch Handdarstellungen vorkommen, gehören zur Gruppe mitdardischen Einflüssen.“ 162Hummel interessierte sich weniger für das Problem der Spurenverwischungdurch spätere Übermalung, als vielmehr für die sich durchhaltendePräsenz jener Bildzeichen, die ihrer Bedeutung wegen weiter tradiert wurdenund bis in die buddhistische Gegenwart hinein nachgezeichnet werdenkonnten.Auch andere prähistorische Motive (z.B. Hirsch, Swastika, Hand und Fuß)der Felszeichnungen haben sich in ihrer Bedeutung bis in die historischeZeit hinein erhalten und scheinen auch in lamaistischen Ritualen überdauertzu haben. Diesmag ganz besonders fürdie häufigen Hirschdarstellungenzutreffen, dieim ganzen Steppenraumalt sind und auch in Tibetin allen Altersschichtenvorkommen.In weltanschaulich solaremKontext 163 (Dualismus,Himmelsorientierung,schamanistisch,nomadisch) stehen dieAbbildungen des Kleinviehs und seiner Wildvarianten, in lunarem (dreifaltig,chtonisch, dämonisch, phallozistisch, Schlangen- und Baumkult,Muttergottheit) die von Rindern; in solarem die der Yak-Nomaden. Widder,Ziege, Steinbock stehen auch für Winter und Kälte, während Hirsch,Ren und Pferd Sommertiere darstellen, die auch für Licht und Wärme unddie mit ihnen assoziierten Phänomenen stehen können. Vogel und Fischverweisen hingegen auf die zwei Aspekte seelischen Daseins (Leben undTod, Ober- und Unterwelt) wie übrigens auch Hirsch und Ren.162 S.Hummel, Grundzüge einer Urgeschichte der tibetischen Kultur, Jahrb.d.Museums f.Völkerkunde zu Leipzig, BXIII/1954, Leipzig 1955, S.83163 siehe die Hinweise zur Weltanschauungslehre von Leo Frobenius oben, wo bereits von lunarer und solarer Kultur dieRede war.147

Das Spiralmeandersegment oder das liegende S im Rumpf der Tiere verweistauf Feuer (Blut, Lebenskraft). Dechelet interpretierte es als eine Ableitungaus dem Sonnensymbol (siehe Schema unten).„Für eine Erklärung der Bedeutung der Felszeichnungen mit ihren Tier-,Jagd- und Handdarstellungen ist ihre Lage an fruchtbaren Weideplätzen, inder Nähe des Wassers, beiergiebigen Jagdgründenund, wie z.B. im Lang-Shan, in der Umgebungvon Gräbern von besondererWichtigkeit. Diese Lageläßt magische Absichten,offenbar zur Vermehrungdes Viehbestandes und zurFörderung des Jagdglückes,erkennen. Bei andererGelegenheit habe ich zuzeigen versucht, daß es sichbei den Handdarstellungenhöchstwahrscheinlich nichtnur um solche der Jägerund Viehzüchter handelt,deren magische Gegenwarterstrebt wird, sondern umsolche von Priestern bzw.Schamanen. Dabei konnteich auf einen heute nochlebendigen lamaistischenBrauch verweisen, wonach auf Rollbildern Hände und Füße von Heiligenentweder auf der eigentlichen Malerei um die zentrale Darstellung des betreffendenHeiligen gruppiert oder auf der Rückseite des Bildes angebrachtwerden. Dieser Brauch bestätigt zugleich wieder die Gegenwart urgeschichtlicherTraditionen im heutigen Lamaismus und ist eine Parallele zurBemalung sibirischer Schamanentrommeln mit Zeichnungen, die ganz denbesprochenen Felsbildern entsprechen, ganz abgesehen davon, daß die148

Praxis der Felsbildmagie in Westtibet mit Sicherheit bis ins 19.Jh. hineinzu verfolgen ist. Neuere Angaben fehlen mir.“ 164Hummel verfolgte die rituelle und magische Bedeutung des Hand- undFußmotivs im Lamaismus sowie auf dessen Kultbildern und gedachte derschamanistischen Parallelen, die für ihn in die vor- und frühgeschichtlicheZeit verweisen. 165 Die Bildmotiveerfüllen dem jeweiligenKontext entsprechenddie Funktionen von Ele-Handabdruck des Dalai Lama V,aus N.Tamasevic (Hg),Tibet, Luzern 1986, S.39mentarkontakt, Identitätsausweisund Abwehrzauber,bei Hummel die letztereFunktion besonders. Absichtlichgesetzte Hand- undFußabdrücke können aberauch einer heiligen HandlungBeifall zollen oder denBeistand zu ihrem Gelingenausdrücken, aber auch dieAnwesenheit göttlicher Heroenandeuten.„Auf den lamaistischenRollbildern mit Heiligensollen die Hände und Füße,wenn sie zur eigentlichenIkone gehören, die Bannung,d.h. die Vergegenwärtigung der in dem betreffenden Heiligen verkörpertenSegenskraft unterstützen, denn nach der magischen Anschauungsind Hände und Füße sichtbare Strahlungszentren der Potenz eines Lebewesens.Zu dieser Deutung veranlassen aber auch solche Bildwerke, aufdenen irgendeine Gottheit abgebildet ist, die Hände jedoch auf der Rückseiteder Leinwand erscheinen, wo sie an Stelle der sonst üblichen Bannformelntreten. Diese Hände sind dann Originalabdrucke mit Hilfe einerleicht gefärbten Flüssigkeit, also nicht die Hände der Gottheit, sondern die164 S.Hummel, Grundzüge einer Urgeschichte der tibetischen Kultur, Jahrb.d.Museums f.Völkerkunde zu Leipzig, BXIII/1954, Leipzig 1955, S.84-6165 Die mesolithischen Handabdrücke der Höhlenbilder der franko-cantabrischen Kultur werden ebenfalls mit demSchamanismus in Verbingung gebracht.149

eines bannenden Mystagogen mit priesterlichen Funktionen, manchmal dieeiner lebenden Inkarnation, die nicht mit der betreffenden Gottheit auf derVorderseite des Bildes übereinstimmt und verfolgen lediglich den Zweck,die als Gottheit dargestellten Potenzen in das Bild einzufangen und zu aktivieren,ein Vorhaben, das zweifellos der Aufgabe der Felszeichnungenentspricht. Damit wird auch die Erklärung der prähistorischen Handdarstellungenals solche von Priestern bzw. Schamanen nahegelegt. EineVerallgemeinerung dieser Deutung zentralasiatischer Handdarstellungenist jedoch nicht beabsichtigt.Eine Beziehung zum Abwehrzauber, der sich nicht nur der ausgespreizthingehaltenen Hand, sondern auch der herausgestreckten Zunge bedient,läßt noch die tibetische Grußform erkennen, die dem zu Begrüßenden dieoffenen Handflächen und die Zunge zeigt. Daß es sich dabei nicht um Zeichender Unterwürfigkeit handeln kann, geht daraus hervor, daß auchPersönlichkeiten von hohem Rang diese Grußform anwenden, wie mir z.B.vom König von La-dvags (Ladak) bekannt ist. Ursprünglich wird dieserGestus beim Gruß möglichen feindseligen Absichten des zu Begrüßendenwirksam begegnen wollen.Ein Nachwirken jener alten Felsmagie ist auch in der außergewöhnlichenBedeutung der Hand bei magischen Gesten, also in den Mudras (tib.Phyag-rgya) des tantristischen Buddhismus Indiens und des tibetischenLamaismus anzunehmen. Diese Vermutung wird durch die Hände an buddhistischenHöhlenplastiken des 5. und 6. Jh. im nördlichen China bekräftigt.Die zu Mudras geformten Hände der Heilsbringer stoßen in fasterschreckender und durchaus beabsichtigt magischer Weise aus den linearenReliefs und den flächig aufgeschichteten Massen der transzendentenPlastiken in den Raum. A. Salmony hat diese Bildwerke mit Reliefs undPlastiken der christlichen romanischen Kunst Südfrankreichs verglichen.Dieser Vergleich unterstreicht noch die Annahme einer Beziehung derMudras im tantristischen Buddhismus zu den prähistorischen Höhlenzeichnungen.Jene französischen Arbeiten des 11. und 12.Jh., z.B. in Moissacund Toulouse, bieten nämlich mit ihren Handdarstellungen eine überraschendeParallelerscheinung zu den genannten buddhistischen Höhlenplastiken.Nur das gallische Traditionsgut vermag die betont magischenZüge in der christlichen Kunst Südfrankreichs zu erklären. Die Beispieleauf altfranzösischem, vorkeltisch-prähistorischem und megalithischemBoden lassen noch deutlicher als die chinesischen eine magische Schöp-150

ferkraft erkennen, die sich wie bei den Mudras besonders in der Hand verdichtet.Die Erklärung der Hände auf prähistorischen Felszeichnungen und auflamaistischen Rollbildern als Strahlungszentren einer magischen Kraftwird noch durch die Fußabdrücke bestätigt, die auf der Malerei tibetischerRollbilder in Verbindung mit Händen vorkommen. P.Wirz hat in einer besonderenStudie darauf hingewiesen, daß viele der in Süd- und Südostasienso beliebten Fußabdrücke Gautama Buddhas aus vorbuddhistischer Zeitstammen, und R.Heine-Geldern erwähnt die Darstellung von Füßen in denMegalithkulturen der Nagas sowie auf Nias, wo durch die Füße die Gegenwarteines Verstorbenen magisch erhalten werden soll. Ich erinnere anmeine Deutung der Megalithen in Verbindung mit dem Totenkult.Bedeutsam ist ferner, daß Buddhas Fußspuren verschiedene Pflanzen undTiere erkennen lassen, die, wie es heißt. aus den Fußtapfen des Meistershervorgegangen sind. Auch die Vishnuiten kannten heilige Fußabdrücke.Unter den Symbolen, die Vishnus Flußsohlen zeigen, finden sich Phallus,Yoni, Fisch, Schildkröte und Schlange als Fruchtbarkeitszeichen, die dervorindogermanisch-megalithischen und mediterranen Kultur entsprechen.So dürfte es kaum einem Zweifel unterliegen, daß die Darstellungen vonHänden und Füßen auf lamaistischen Rollbildern wie die von mir im Zusammenhangmit den Megalithen erwähnten La-tho auf den Paßübergängenin lebendiger Tradition magische, vorbuddhistische Vorstellungenaus urgeschichtlicher Zeit bis in die Gegenwart hinein erhalten haben.“166Leopard verfolgt Hirsch, Rimodong, NgarisVerw.Motiv, Karakorum, rote Nachzeichnung H.S.Folgt man Hummel, dann gehören auch die felsbildlichen Hand- und Fußzeichendes bronzezeitlichen eurasiatischen Felsbilderkomplexes zu jenen166 S.Hummel, Grundzüge einer Urgeschichte der tibetischen Kultur, Jahrb.d.Museums f.Völkerkunde zu Leipzig, BXIII/1954, Leipzig 1955, S.84-6151

Motiven, welche den kulturarealen Zusammenhang unterstreichen, den wirbereits mit den Motiven des Hirsches, des Gehörnten und der von Raubtierenverfolgten Huftiere usw. angedeutet haben, zumal sich auch im Falleder Hand- und Fußzeichnungen wie bei den Motiven des Hirsches und desGehörnten der Anschluß an die paläolithischen Vorbilder aus Südfrankreichund dem Norden Spaniens aufdrängt und ebenso wie bei diesen dieFortgeltung im lamaistischen Ritual nicht abzuweisen ist.Während Hummel noch seine paläolithischen Beispiele in Europa suchenmußte, haben wir mit dem Hinweis auf Belege aus Tibet diesen Text eingeleitet,und zwar mit einem Fundbericht von 20.000 Jahre alten HandundFußabdrücken, die man in Zentral-Tibet entdeckt hat, und von denenman keineswegs behaupten kann, daß sie ohne Absicht entstanden seien.Jene, die sie hinterlassen haben, haben den dickschlammigen Untergrundspeziell zu diesem Zwecke betreten, um ihn mit den entsprechenden Abdrückenzu versehen, die für sie Zeichen-, Hinweis- und Aufforderungscharakterhatten. Sie begaben sich dazu in die Nähe heißer Quellen, d.h.einer Wasser und Wärme spendenden irdischen wie titanischen Kraft, derman lebensfördernde und -erhaltende Wirkungen verdankte. So mag diesenoch relative junge Entdeckung erklären, warum wir Hummels Erörterungder Hand- und Fußabdrücke hier soviel Platz eingerämt haben.Andererseits steht der Deutungsaufwand, den Hummel diesen Symbolenwidmet, umgekehrt proportional zu der Häufigkeit ihres nach der Fundlageprähistorischen Vorkommens in Tibet, ganz im Gegensatz zu jenen obenerwähnten Motiven, die erheblich weniger Deutungsarbeit fordern. Erstaunlichist auch, daß Hummel, dem sonst wenig entging, das von Hoffmannim Zusammenhang mit den Megalithzeugnissen erwähnte Areal deseurasischen Tierstils in Tibet nicht näher erwähnte, d.h. deren Korrelation.Hirsch, Karakorum, weiße Nachzeichnung H.S.Hirsch, Rimodong, Ngaris, Tibet Museum, LhasaDieser Stil nämlich bietet eine Fülle von ähnlichen Motiven, wie sie dietibetischen Felsbilder aufweisen. Von der oben erwähnten Felsbildersta-152

tion Renmudong zeigen wir hier (siehe die Abbildungen oben und unten)zwei Ausschnitte, die einerseits die Präsenz dieses Stils in Tibet belegenund andererseits auch eine Motivverwandtschaft mit den Felsbildergaleriendes Karakorum unterstreichen, die weiter bis nach Kasachstan undSibirien führt. Auch in dieser Region findet sich das Spiralmeandersegmentals Kompositionsgrundfigur, derem Verlauf die Künstler häufig ihreDarstellung springender Leoparden oder Pferde angepaßt haben.Ganze Abschnitte der Galerie von Remudong bei Ru-thog in mNga-rissind im eurasischen Tierstil gehalten und auch die Darstellungsweise desHirsches verweist in beiden Galerien auf den gleichen Symbolkontext. Dieenge Verbindung des Hirschs mit dem Schamanen kommt in den Bilderndes Gehörnten wie auch in den aktuellen Tanzmasken zum Ausdruck. InRu-thog erscheinen auch Figuren, die aus einer Meanderspirale heraus entwickeltwurden. Häufiger erscheint dieses Ornament dort aber als symbolischesAttribut, welches das Tier, das mit ihm ausgezeichnet wurde, alsSommer- und Lichtwesen ausweisen soll. In einigen Galerien wiederholensich die Spiralmeander im Geweih der Hirsche, während in anderen dasGeweih in Wellen- oder Zickzacklinien ausläuft, das Spiralmeandersegmentdagegen allein im Rumpf erscheint.Der Zeitansatz dieses eurasischen Tierstils liegt zwischen 1500 v.Chr. und500 v.Chr.Das Motiv des Hirschs erscheint auch im Verbreitungsgesbietdes eurasischen Tierstils, d.h.auch in West- wie in Osttibet. Er steht für denSohn oder Gemahl der Erde oder der GroßenGöttin, der stirbt und wiedergeboren wird,woraufhin das Geweih den Betrachter verweist,das der Hirsch jährlich abwirft, undwelches wie aus dem Nichts auf seinemHaupte neu ersteht. Und die blutigen Bastfetzen,die entstehen, wenn der Hirsch an der Baumrinde den Bast abstreift,bezeugen die Kraft, welche diese Erneuerung bewirkt.Das Blut als Substanz der Erneuerung steht in diesem Kontext deshalbauch für das Feuer oder die morgendlichen Sonnenstrahlen, welche dieErde ganz ähnlich beleuchten oder beleben. Der Hirsch repräsentiert auchin der Alten- wie in der Neuen Welt die Morgenröte (oder den Abendstern)und den anhebenden Tag (oder einen Zeitzyklenwechsel), was auch die153

chinesischen Schriftzeichen (siehe folgende Abbildung im Text) bezeugen,die mit seinem Bild (des Hirsches) die Morgenröte darstellen.Nach K.Th.Preuß 167 steht der Hirsch im Kult der Indianer Mexikos und derPuebloindianer Nordamerikas für vergleichbare Anschauungen, er repräsentiertbei den Yaqui und Cora das Feuer und das Licht der Sterne. Beiden Huichol erscheint er einmal als Abendstern und dann als der denAbendstern tötenden Morgenstern. Dieser ist der Jäger jenes und beidesind wiederum dieselben.Als Jagdopfer von Raubtieren zeigen ihn auch die Ziermotive auf Stückenund Teppichen aus den Gräbern von Pazyryk und dem Ordosgebiet sowieauf Abbildungen der pontischen Skythen, die ebenfalls mit dieser Jagdeinen kosmologischen Zyklenwechsel veranschaulichen oder Sterben desGottes, der danach wiederkehrt.Die zwei Aspekte des Wachsens und Gedeihens als Sterben und Verlierenrepräsentierte auch der gallische Cernunnos, der mit einem Hirschgeweihgehörnte Gott der Unterwelt und der Fülle, den man auf dem Gundestrup-Kessel in Meditationshaltung abgebildet sieht, in der rechten Hand denRing und in der linken Hand eine widderköpfige Schlange haltend.Felsbilder aus Zhang Zhung 168Zwei FigurenAbb. J.V.BellezzaZwei Figuren, Konturen nachgezeichnetAbb. J.V.Bellezza167 siehe: K.Th.Preuß, Die Religion der Cora-Indianer, Leipzig 1912168 Entdeckt und dokumentiert von John Vincent Bellezza, alle Bilder im Internet oder an der angegebenenPublikationsstelle: J.V.Bellezza, Antiquities of Northern Tibet, Delhi 2001154

Pferd, Yak und Schamane, Rwa ’brog ’phrangAbb. J.V.Bellezza, Antiquities of NorthernTibet, Delhi 2001, p.353Pferd, Yak und Schamane, auch die Doppelköpfigkeitdes Yak verweist auf religiöse Vorstellungen,Konturen nachgezeichnetAbb. J.V.Bellezza, Antiquities of NorthernTibet, Delhi 2001, p.353Rwa ’brog ’phrang, Hirsch, eurasischer TierstilAbb. J.V.Bellezza, Antiquities of NorthernTibet, Delhi 2001, p.346HirschAbb. J.V.Bellezza, Antiquities of NorthernTibet, Delhi 2001, p.329HirschAbb. J.V.Bellezza, Antiquities of NorthernTibet, Delhi 2001, p.329155

Hirsch (weiß nachgezeichnet von H.S.)Abb. J.V.Bellezza, Antiquities of Upper Tibet,Delhi 2002, p.226Bogenschütze auf Pferd, sGrol ma phugAbb. J.V.Bellezza, Antiquities of NorthernTibet, Delhi 2001, p.321Yak und Pferd, Rwa ’brog ’phrangAbb. J.V.Bellezza, Antiquities of NorthernTibet, Delhi 2001, p.351Bön-Swastika, Umrisse nachgezeichnet,’Jam dbyangs phugAbb. J.V.Bellezza, Antiquities of NorthernTibet, Delhi 2001, p.333In der 6.Zeile von Amergins Lied heißt es: „Ich bin ein Hirsch von siebenEnden“, womit sich der Barde an die Schwelle der sieben voraus- und zurückliegendenMonate stellt und den Hirsch als Gleichnis der Wintersonnenwendevorstellt. Aus der Cuchulain-Sage erfahren wir, daß es in Irlandeinen Stand von Hirschpriestern gab, und zwar in Donegal.Andersson 169 und Alföldi 170 deuten die Hirschmotive der eurasischen Steppenkunstnicht astralmythisch, sondern der eine jagdmagisch und der anderestammestotemistisch (Varianten animalistischer Anschauung) und169 J.G.Andersson, Hunting Magic in the Animal Style, The Bulletin of Far Eastern Antiquities, No 4, Stockholm 1932170 A.Alföldi, Die geistigen Grundlagen des hochasiatischen Tierstils, Forschungen und Fortschritte, 1921156

eide verweisen dafür auf Brauchparalellelen (z.B. den Einsatz gezähmterPanther bei der Jagd) oder auf stammesaitiologische Mythen, nach denendie Söhne der ugrischen Vielfraß-Sippe sich ihres Landes durch eine Jagdauf die Hirsche versicherten, in denen die Hirschkühe auch als Stamm-Mütter auftreten, mit den Raubtieren als deren Gatten. Auch diese Mytheumschreibt eine in der Ethnologie geläufige Gleichung: Heirat= Krieg;oder: „Wir heiraten jene, weil sie unsere Feinde sind“, die außerdem erklärt,warum der Krieg auch der Erzeuger ist.Hirsch (Nachzeichnung/ H.S.)Abb. J.V.Bellezza, Antiquities of Upper Tibet,Delhi 2002, p.226Hirsche (Nachzeichnung/ H.S.)Die Geweihe sind entweder zu Wellen oderzu Flammen stilisiertAbb. J.V.Bellezza, Antiquities of Upper Tibet,Delhi 2002, p.228Diese Hinweise widersprechen aber der astralmythischen Anschauungnicht wirklich, sondern erklären, warum der Hirsch und sein Jäger strukturäquivalentastralmythisch ausgelegt werden können und daher auch ineiner späteren Epoche zu den bevorzugten Gleichnissen astralmythischerZyklen und Wenden gehörten, in denen jetzt das Gegensatzpaar „Leben-Tod“ eine zunehmende Bedeutung gewinnt, das auch als Prozeß derErneuerung (Werden=Vergehen, Vergehen=Werden) erscheint. In diesemKontext erscheint der Töter janusgleich, vertritt der, die oder das Getötete157

Ausschnitt aus mong. Hirschstein, nachE.Nowgorodowa (1980)das form- und zerstör-, aber regenerierbare Potential der Materie, die chtonischenKräfte. Die Kraft vermählt sich mit dem Stoff und die Kinder dieserVermählung sterben, um neu geboren zu werden.Für Anderssons Auffassung spricht, daß„der Hirschkult… viel älter (ist/H.S.) alsder keltische Minelaphos: wir sehen ihn aufpaläolithischen Wandmalereien in den spanischenHöhlen von Altamira und in derCaverne de Trois Frères in Arièges in denfränzösischen Pyrenäen.“ 171 Auch die vonAlföldi im totemistischen Kontext gedeutetenJagdmotive erscheinen im griechischenAktaion-Mythos in kosmologischerWeiterbildung und als Auslegung des Mysterions.Der Mythos erzählt, wie Artemisdiesen in einen Hirsch verwandelt, um ihn danach von ihren Hunden zuTode hetzen zu lassen, und zwar regelmäßig zu ihrer anodos, ihrer jährlichenWiederkehr, denn sie erneuerte ihre Jungfräulichkeit durch das Badin einer heiligen Quelle und nahm sich danacheinen neuen Aktaion als Liebhaber. Ranke-Graves, dem wir diese Hinweise verdanken,weist auch darauf hin: „Im lykäischen Bezirkvon Arkadien hatte der gleiche Brauch, einenin Hirschfell gekleideten Mann zu jagen undzu verzehren, sich bis in Pausanias Zeiten erhalten…Aus Sardinien haben wir die bronzezeitlicheFigur eines Hirsch-Menschen mitGefäß. Ma-chia-yao, um 2000 v.Chr.Hörnern, die dem belaubten Geäst einer Eicheähneln, mit einem kurzen Schwanz, mit einemPfeil in der einen Hand und einem Bogen, der in eine sich ringelndeSchlange ausläuft, in der anderen. Sein Mund und seine Augen drückeneinen verständlichen Blick aus, denn die Schlange ist der Tod.“ 172 Mitdieser Figur nähern wir uns wieder dem Gleichniskreis des Cernunnos. „Inden dionysischen Mysterien war der hirco-cervus, der Ziegenhirsch, das171 R. von Ranke-Graves, Die weiße Göttin, Berlin 1981, S.255172 R. von Ranke-Graves, Die weiße Göttin, Berlin 1981, S.255158

Swastika u.a. im Bön-Kontext vertraute MotiveSymbol der Auferstehung, der Hoffnung des Menschen auf Unsterblichkeit.“173Im Unterschied zur Felsbildergalerie des Karakorum erscheinen in Westtibet(jedenfalls bislang) die Darstellungen des Yaks häufiger und die vonPferden etwas weniger zahlreich neben jenen von Ziege und Schaf, wasmit der Bedeutung dieser Tiere für die Tibeter korreliert, welche ja einegenuine Yak-Kultur etablieren konnten und das Pferd vor allem als Prestigetierdes Kriegers oder potentiellen Kriegers zu züchten erst an zweiterStelle unternommen hatten. Gen Westen überwiegen die Abbildungen desKleinviehs.In den osttibetischen Felsbildstellen sindalle von den Viehzüchtern domestiziertenTiere gut vertreten.Mit dem Erscheinen des Pferdes, d.h. mitdem Kontakt der Schafzüchter und derReiternomaden, verbindet die tibetischeMythologie im Kontext der Trigum-Legende eine kritische Periode des Kulturwandelsund der ethnischen Konfrontation.Mit dem Reitpferd beginnteine kriegerische Epoche.Swastika Sauwastikarechts drehend links drehendPradakshina PrasavyaTagessonne NachtsonneLeben TodWachstum ZerfallDas Pferd ist bis in historische Zeiten ein Motiv geblieben, es erscheintauch auf Bildern in Gesellschaft mit Bön-Mantras, während die Swastika,das zweithäufigste Bildmotiv tibetischer Felsbildergalerien, von Bellezzavor allem mit dem Bön-Kult in Verbindung gebracht wird. Doch auch dieSwastika, welche ebenfalls aus der Überkreuzung zweier S-Meandersegmentegebildet wird, erscheint wie dieSpiralmeander bereits als Dekor der Machia-yao-Waredes osttibetischen Neolithikumsund verweist damit zurück auf dieFundstationen von Samarra, Sialk II und III,Tepe Hissar und Susa I, wo als Bildmotivevergesellschaftet die gehörnte Ziege, derSteinbock (wie im Karakorum) und die Swastikaerscheinen. Die älteren Swastikadarstellungenstammen aus Samarra, und wur-173 R. von Ranke-Graves, Die weiße Göttin, Berlin 1981, S.493159

den bereits um 4000v.Chr. hergestellt.Das Symbol ist also älter als der historisch identifizierbare Bön-Kult in Tibet,dessen schamanistischer Unterbau aber ebenfalls uralt ist, und esmacht Sinn, daß man ihm vor allem im Kontext dieses Kultes in Tibetauch in historischer Zeit noch begegnet. Das macht unmißverständlichklar, welchem ethnischen Komplex auch diese westtibetische Kultur zuzuschreibenist, nämlich dem prototibetischen der Ch’iang, der es vermochte,alle in Tibet angetroffenen Vor-Völker (meist tibeto-burmesische) zu demVolk der Tibeter zu vereinen.Die Swastika gehört also zum alten, genuinen Kulturgut der Ch’iang underscheint auf den tibetischen Felsbildern vergesellschaftet mit Sonne,Mond, Wildtieren, Schamanen undBäumen (!). Sowohl dieser Bildkontextals auch speziell die Verbindungmit dem Baum verweisen auf dasAlter dieses solaren Zeichens auch inder tibetischen Kultur. Im skythischenTierstil vergesellschaftet sich dieSwastika auch mit dem Pferd, dessenmobile Eigenschaften assoziativ jeneder Bewegung des Drehkreuzes unterstreichen.Schale, Samarra, 4000 v.Chr., in: E.Hertzfeld,Die vorgesch.Töpfereien v.Samarra,Berlin 1930, S.13Auch die Zusammenstellung religiöserMotive auf tibetischen Felsbilderndurch das Tibet Museum von Lhasa(siehe Abbildung oben) verweist aufverschiedene Swastikazeichnungen spätneolithischer wie neuerer Zeit,wenngleich sie den chinesischen Archäologen Deutungsschwierigkeitenbereiten, besonders die Vergesellschaftung der Swastika mit dem Baum,dessen Kult der luaren Weltanschauung zugeordnet wird. Die besondereVergesellschaftung der Swastika auf den Felsbildern mit Symbolenfrüherer Kulturzustände und früherer ökologischer und klimatischerPerioden macht die Hypothese der Einführung dieses Symbols in Tibetdurch den Buddhismus eher unwahrscheinlich. Der Buddhismus hat diesesSymbol bereits vorgefunden und sich seiner zweckentsprechend bemächtigt.Zur Verbreitung des Symbols heißt es bei Frobenius: „Von Kleinasien istdie Swastika auf dem Weg durch die Straße von Gibraltar in den atlanti-160

schen Kulturkreis von Westafrika gewandert. Nach Osten zu erstreckt sichdie Verbreitung über China bis Japan. Im Norden hat es sich… einengroßen Teil der Mongolenländer erobert… In Amerika ist sie von denPueblos in Arizona bis ins vorinkaische Südamerika heimisch.“ 174 Frobeniusweiter: „In Europa tritt es auf im Anschwellen der Bronzezeit undwird von vielen als Leitfossil dieser Periode… angesehen.“ 175 In der AltenWelt gehört die Swastika zu den Symbolen jener Bewegung, welche dieneolithische und bronzezeitliche Revolution der Kultur und GesellschaftEurasiens durchgesetzt hat. Das Schema (siehe Abbildung oben) erinnertan den Kult- und Bedeutungskontext der Swastika im alten Indien. SeineBedeutung ist allerdings durchaus nicht auf die eines Sonnensymbols zureduzieren, seinem Verbreitungsgebiet und den verschiedenen Zeitstufennach, in denen dieses Symbol erscheint, werden sich ihm mehrere Gleichniskreiseassoziert haben.„Das quadratische Kreuz, ob einfach oder als Hakenkreuz oder Kreuzchenkreuzausgeschmückt, versinnbildlicht seit unvordenklicher Zeit dashöchste Maß an Herrschergewalt. Im minoischen Kreta war sein Symbolvon zentraler Bedeutung, und nur die Göttin und ihr königlicher Sohn, derKönig, durften es führen“ 176 (es steht also auch hier im Mysterienkontext!).174 L.Frobenius, Monumenta Terrarum, Frankfurt 1929, S.311-2175 L.Frobenius, Monumenta Terrarum, Frankfurt 1929, S.311176 R. von Ranke-Graves, Die weiße Göttin, Berlin 1981, S.493161

Tibetische Felsbilder, die Chen Zhao Fu dokumentiert hatYak, Hirsch, Hund, Reiter, Bogenschützen,1000 v.Chr., Ahlonggou (Rutog)Chen Zhao Fu; http://chenzhaofu.nease.netYak, Hirsch, Hund, Reiter, Bogenschützen,1000 v.Chr., Ahlonggou (Rutog)Chen Zhao Fu; http://chenzhaofu.nease.netYak und Kalb, 1000 v.Chr., Ahlonggou (Rutog)Chen Zhao Fu; http://chenzhaofu.nease.net162

Yak u.a. Tiere mit topographischem oderkosmologischem Symbol, 1000 v.Chr., JialinshanChen Zhao Fu; http://chenzhaofu.nease.netEinfangen des Yak, 1000 v.Chr., JialinshanChen Zhao Fu; http://chenzhaofu.nease.netVier Yaks, 1000 v.Chr., JialinshanChen Zhao Fu; http://chenzhaofu.nease.net163

Yak und Hirsche, Eurasischer Tierstil, 800v.Chr., RenmudongChen Zhao Fu; http://chenzhaofu.nease.netTiger verfolgt Hirsch, Eurasischer Tierstil,500 v.Chr., RenmudongChen Zhao Fu; http://chenzhaofu.nease.netBewaffnete, Bogenschützen, Tiere, Bäume,Swastikas, 1000 v.Chr., Tashidau (rNamtsho,östl. Seite)Chen Zhao Fu; http://chenzhaofu.nease.netReiter, Bogenschütze u.a. Figuren, 1000v.Chr., XiachangChen Zhao Fu; http://chenzhaofu.nease.net164

Swastikas, 1000 v.Chr.,XiachangChen Zhao Fu; http://chenzhaofu.nease.netYaks, Hirsche, Ziegen, Bogenschützen, Reiter,topographische und kosmische Symbole,2000v.Chr., Lurulanka (Ritu)Chen Zhao Fu; http://chenzhaofu.nease.netYak, Schaf, Ziege, Eber, Bogenschütze, Vogel,topographisches Symbol, eurasischerTierstil, 1000 v.Chr., Lurulanka (Ritu)Chen Zhao Fu; http://chenzhaofu.nease.net165

Reiter und Hirsche, 2000 v.Chr., Nabulong(Ru-thog)Chen Zhao Fu; http://chenzhaofu.nease.netYaks, 2000 v.Chr., Nabulong (Ru-thog)Chen Zhao Fu; http://chenzhaofu.nease.netYak,umgeben von Reitern, Kleinvieh, topographischenSymbolen, Qiduoshan (rNamtsho),1.Jt. v.Chr.Chen Zhao Fu; http://chenzhaofu.nease.netDie Felsbilder A-mdos: Halonggou und BahamaoligouSeit 1982 sind aus A-mdo zwei weitere Felsbildstellen bekannt, die eineliegt im Tal von Halonggou 18km von Gongcha entfernt, die andere beiBahamaoligou im Süden von Xianride, im Gebiet der Numohung-Kultur.Halonggou's Felsbildergalerie läßt sich vor allem motivisch gliedern nachBildern mit Boviden, Schafen und einem stark stilisierten Leoparden, derenArt nur sparsam angedeutet wird und deren Stilisierung im Vergleich166

mit dem eurasischen Tierstil sehr summarisch ausfällt, und nach Bildernmit Kamelen und Stieren, die mit großer Genauigkeit ausgeführt wurden.Die Bildergalerie von Bahamaoligou zeichnet sich sowohl durch einegrößere stilistische als auch motivische Variabilität aus.Die große Zahl abgebildeter Ziegen und Schafe in Begleitung von Hundenlenkt die Assoziation des Betrachters unschwer auf das Wanderleben nomadisierenderHirten, deren Urheber vielleicht sogar die Träger der Numohung-Hinterlassenschaftenwaren, die ja in der gleichen Gegend ausgegrabenwurden. Auch die abgebildeten Pferde und Maultiere drängen zu diesemSchluß.Der Anteil abgebildeter Wildtiere, die als Wildbret der Zeichner in Fragekämen, ist wesentlich kleiner als auf den Bildern von Halonggou.Bilder von Kamelen, Schlangen und sogar eines Elephanten vervollständigendas Bestiarium dieser Bildstelle. Neben den Tierbildern finden sichZeichnungen abstrakter Symbole, Sonnenzeichen, topographische Zeichenund Bildformen buddhistischer Symbolik, die hier später ergänzt wordensind.Dem Vergleich dieser Bilder von Bahamaoligou mit Bildern aus Sinkiang,Kansu, Ningchia oder der Mongolei zeigt sich die Verwandtschaft derMotive und z.T. auch der Stile deutlich. Im Unterschied zu den nicht-tibetischenBildergalerien fehlen die Abbildungen anthropomorpher Gestaltenund besonders die Abbildungen von Masken oder Maskengeisternim Ensemble der Bildergalerien A-mdos fast ganz.Die chinesischen Interpreten der Felsbilder halten sich bei ihrer Datierungeinmal an die Bildmotive, die Aussagen treffen über die Subsistenzweise(Jäger, Hirten), die Bewaffnung und Gerätschaft (Lanze, Schwert, Pfeilund Bogen, Seile) oder in Ansätzen auch über die Weltanschauung (Bönsymbole,buddhistische Symbole), zum anderen aber auch an koexistierendeFundvorkommen (z.B. die Koexistenz der Bildgalerien mit Hügelgräbern)und gewinnen auf diese Weise, speziell in dem Sammelwerk vonSonam Wangdü (Art of Tibetan Rock Paintings) mit der Yarlung-Zeit eineabsolut datierbare Datierungszäsur (das 6.Jh.n.Chr.) für ihre relative Chronologie.Die älstesten Bilder datieren sie recht zaghaft und im Gegensatzzu anderen archäologischen Parallefunden (z.B. mKha-ro), welche eineviel ältere Besiedlung Tibets anzeigen, um 3000 v.Chr. und die jüngsten indie nähere historische Vergangenheit, wobei es wiederum problematischerscheint, die jüngeren religiösen Grafitti in den Zusammenhang der stein-167

und bronzezeitlichen Felsbilder zu stellen, wenn er nicht durch Motivkontinuitätbis in die historischen Zeiten zu rechtfertigen ist.168

Anhang 1 Paläo- und mesolithische Fundstellen in TibetMap showing the locations of archaeological sites on the northeastern portions of theTibetan Plateau. Boldface indicates sites investigated in 2002. Site Names: 1, Jiangxigou;2, Heimahe; 3, La Jia Si Rockshelter; 4, Ba River; 5, Xing Xing Hai; 6, XiaoQaidam; 7, Da Qaidam/Iqe River; 8, Sogo Nur; 9, Lenghu; 10, Golmud; 11, Xidatan 2; 12,Kunlun Pass; 13, Police Station 1; 14, Erdaogou; 15, Dogai Co; 16, Tianshuihe; 17, YakoHu; 18, Yibug Caka. 14 C dated sites: 1, 2, 3. Be-Al dated contexts (Van der Woered etal. 2002): 11. TL dated contexts (Ma 1996): 9. Early Upper Paleolithic macroblade sites:9, 12(?). Upper Paleolithic macroblade/bladelet sites: 7, 16, 17, 18; late Upper Paleolithicmicroblade sites: 1, 2, 4, 5, 8, 11, 13, 16, 17; Holocene sites: 3, 11. Indeterminateage/affiliation: 4. Obsidian sites: 15, 13, 14.169

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