13.07.2015 Aufrufe

herunterladen - Wirtschaft & Umwelt

herunterladen - Wirtschaft & Umwelt

herunterladen - Wirtschaft & Umwelt

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

AtmosphäreDas WUM-ometerNo Kids Allowed! Allemöglichen Zusatzgebührenreichen offenbar nochimmer nicht: Mehrere Billig-Airlines haben nun Kinderaus bestimmten Bereichenin ihren Flugzeugen verbannt.Sie reservieren dieseZonen für Erwachsene, diebereit sind, für „etwas mehrRuhe“ einen weiteren Aufpreiszu zahlen. Was kommtda wohl als Nächstes?Ratenzahlung. Einem84-jährigen Italiener wurdemehr Pension überwiesen,als ihm zustand. Die Pensionskasseforderte denBetrag nun zurück, räumtedem Mann aber gleicheine Ratenzahlung ein. DerGesamtbetrag der Rückforderunghat schließlicheine unübliche Höhe: Esgeht nämlich um sage undschreibe 1 Cent! Wir finden:Sehr kulant!Energiewende. NÖ-VP-Landesrat Pernkopfgibt gerne den Ökostrahlemann.NÖ ist aber bei derSanierung vieler Gebäudesäumig. Was tun? LautBeschluss im ÖVP-dominiertenLandtag am 6. Nov.2013, ganz ohne Medientamtam:Änderung der Gebäude-Energieeffizienz-VO2008: Der Energieausweisfür öffentlichen, Gebäudemuss zwar gemacht, abernicht ausgehängt werden.Energieausweis ausgewiesen!Ausgepackt. EineTasse Mehl aus dem Supermarkt– diese Vorstellungkönnte bald Realitätwerden: Drei Freundinnenaus Berlin eröffnen 2014„original unverpackt“, denersten Supermarkt, derfast komplett auf Einzelverpackungenverzichtet.Taubendoping.Unlängst wurden sechsbelgische Brieftauben ineinem Labor in Südafrikapositiv auf verboteneSubstanzen getestet,darunter auch Kokain. Der„Taubensport“ hat nichtnur in Belgien Anhänger:Ein Chinese zahlte zuletztüber 300.000 Euro für eineTaube. Wir finden: Besserein Spatz am Dach alseine Taube im Labor.Entgleist. Die Idee derdeutschen ArbeitsgemeinschaftInneres und Justiz:„Um eine Alternativezur Freiheitsstrafe ... zuschaffen, ... werden wirdas Fahrverbot als eigenständigeSanktion im ...Strafrecht einführen“ hates in den deutschen Koalitionsvertrag(Seite 146)geschafft. Autoverzichtdurch Führerscheinentzugist für die Politk offenbarschlimmer als Gefängnisoder Geldstrafe. Dakommt Freude auf beiBahncard-InhaberInnenundÖV-PendlerInnen.umweltpolitikWohlstandWas ist Wohlstand, wie kanner erfasst werden, welche Indikatorengibt es und welcheRolle spielen darin die <strong>Umwelt</strong>und die Nachhaltigkeit für dieBevölkerung? Umfasst Wohlstandalso mehr als nur dasBruttoinlandsprodukt (BIP)pro Kopf? Seite 10RubrikenNachrichten Seite 04Kommentar Seite 05<strong>Umwelt</strong> in der EU, in Europaund der Welt Seite 06Aktuelles Interview Seite 09Aktion Seite 25Medien Seite 29Vor 15 Jahren Seite 34AK-Wissenschaft Seite 35Wir brauchen das Geldaus einer Vermögenssteuerfür Investitionenin die Zukunft unseresLandes. Die Bankensollen sich wieder aufihre Kernfunktionen beschränken.Die Finanzmärktemüssen endlichreguliert werden. Spekulationenauf Rohstoffeoder auf die Kreditwürdigkeitganzer Staatengehören verboten. Rudi KaskeSeite 2 <strong>Wirtschaft</strong> & <strong>Umwelt</strong> 4/2013www.ak-umwelt.at


iNhAltSVeRzeichNiSeditoRiAlÖffentlichVerkaUftfotos: schUh (5)betriebQUarzstaUbQuarzstaub verursacht imBergbau und bei anderenBerufen Silikose und Lungenkrebs.Auch heute noch.Das muss sich ändern. Zumbestehenden Sozialpartnerabkommenkönnte ein EUweiterArbeitsplatz-Grenzwertbeitragen. Seite 26iMpressUMMedieninhaber und Herausgeber Bundes arbeits kammer,Prinz-Eugen-Str. 20–22, 1040 Wien Telefon 01/501 65-DWE-Mail wirtschaft.umwelt@akwien.at Redak tion Mag. SylviaLeodolter (Chefredakteurin), Dr. Wilfried Leisch (Redakteur)Sekretariat Christine Schwed (DW 2698) Grafisches KonzeptJakob Fielhauer, www.fielhauer.at Layout & Infografik MichaelHaderer Coverfoto Zacarias da Mata/Fotolia.com DruckUeberreuter Print und Digimedia, 2100 Korneuburg. Die in <strong>Wirtschaft</strong>& <strong>Umwelt</strong> ver öffentlichten Artikel geben nicht notwendi gerweisedie Meinung der Bundesarbeitskammer wieder. ISSn 1028-4664www.ak-umwelt.atlebenMobilfUnkKönnen die elektromagnetischenFelder des Mobilfunksdie Gesundheit von Menschenbeeinträchtigen? Derzeitkönnen nur Präventionsmaßnahmenund ein vernünftigerHandy-Gebrauch vor eventuellenGesundheitsrisikenschützen! Seite 30schwerpunkt DaseinsVorsorgeKommt eine neue Liberalisierungs-und Privatisierungswelleim Bereich derDaseinsvorsorge auf uns zu?Alles würde dadurch besser,schneller und billiger für alleMenschen, sagen die Betreiber.Ist das wirklich so? Zweifelsind angebracht. Seite 13UZ-Platzhalteraseinsvorsorgesoll DienstleistungenundDInfrastrukturen allenMenschen gleichermaßenzu leistbarenPreisen und in hoherQualität zur Verfügungstellen. Dahinter stecktder öffentliche Auftrag,für das Dasein derMenschen im Sinne desGemeinwohls und fürsozialen Ausgleich zusorgen. Niemand sollvon Trinkwasser, Mobilität,Energie, Kommunikationoder Bildung undKrankenversorgung undanderen öffentlichenDienstleistungen ausgeschlossenwerden.Die Daseinsvorsorgesoll ein Bereich sein, dernicht der kurzfristigenProfitmaximierung, sonderneinem langfristigorientierten demokratischenAuftrag gehorcht.Diesem müssen auchArbeitsbedingungenund Einkommen indiesem Sektor genügen.Die konkreten Formender Daseinsvorsorgesind nicht in allen Bereichenund EU-Länderngleich. Aber das Bekenntniszu öffentlichenDienstleistungen alsAufgabe des Staatesist ein gemeinsameseuropäisches Erbe.Oder doch nicht? DieLiberalisierungs- undPrivatisierungswellenversuchen, die Daseinsvorsorgeden Märktenzu unterwerfen und privatenAnlegern Zugangzu öffentlichem Eigentumzu verschaffen.Die Daseinsvorsorgeist ein verlockendesGebiet für private Unternehmen:GesicherteAufträge, gesicherterAbsatz, gesicherteFinanzierung und einriesiges Auftragsvolumen.Der ehemaligeEU-Kommissar FranzFischler spricht dabeivon einem jährlichenVolumen von mehr als100 Milliarden Euro.Ein lukratives Geschäft!Die EU begründetihre Liberalisierungs-Forderungen mit Kosteneffizienzund mehrTransparenz. Dagegenist dann schwer etwaseinzuwenden, wenn esin Fällen der Daseinsvorsorgein öffentlicherHand daran mangelt.Aber die realen Erfahrungenmit Liberalisierungund Privatisierungverfehlen das Ziel: Leistungenwerden teurer,langfristige Investitionenunterbleiben, undgespart wird vor allemzulasten der Beschäftigten.Lösung: ÖffentlicheDienstleistungen inöffentlicher Hand transparentermachen unddie demokratische Kontrollestärken, sonst wirdöffentliches Eigentumverkauft und zerstörtund das europäischeSozialstaatsmodell verlierteine unverzichtbareSäule. Sylvia Leodolterwww.arbeiterkammer.at <strong>Wirtschaft</strong> & UmWelt 4/2013 Seite 3


NAchRichteNFazit des am 25. Oktober2013 präsentierten Berichts:Trotz Fortschritten bei derBekämpfung von Luftschadstoffenim letzten Jahrzehntbleibt die Belastung bei Feinstaubund Ozon für Menschenbedenklich hoch. NebenGesundheitsproblemen istder erhöhte Nährstoffeintragaus Abwässern und intensivgedüngten Landwirtschaftsflächenein großes Problemfür Öko-Systeme und Biodiversität.Aufgrund vonEU-Grenzwerten sind beiFeinstaub und Ozon zwarnur 31 bzw. 14 Prozent allerStadtbewohnerInnen erhöhtenBelastungen ausgesetzt.Kämen aber die strengerenRichtwerte der Weltgesundheitsorganisation(WHO) zurAnwendung, wären dies jedochalarmierende 96 Prozentbzw. 98 Prozent. Der „Airquality in Europe – 2013 report“ist abrufbar unter www.eea.europa.eu FGkommentar Von ruud kleinemissionshandel iDrehen ankleinen schraUbenDie EU hat einen Eingriff inden Markt für Emissionszertifikatebeschlossen.Von manchen als Reform desEmissionshandels gefeiert, vonder Industrie als Sünde gegeißelt:Die EU hat einen Eingriffin den Markt für Emissionszertifikatebeschlossen, um denPreis für Treibhausgasemissionenanzuheben. Der Vorschlag,einen Teil der überschüssigenEmissionszertifikate für CO 2etwas später auf den Markt zubringen, wurde Anfang Novembervom EU-Rat angenommen.Demnach sollen 900 MillionenZertifikate statt 2014 erst 2018zur Versteigerung kommen(„Backloading“). Wegen der<strong>Wirtschaft</strong>skrise benötigten Fabrikenund Kraftwerke weit wenigerCO 2-Rechte als zunächstangenommen. Damit warenEmissionsrechte kein knap-kommentar Von werner hochreiterirreführenDe ressoUrcen-prWem Ressourcenschonung ernst ist, der legt zuallererst Wert auf Langlebigkeit, leichte Wartung oderWiederverwendung von Gebrauchsprodukten. Wer mitLobreden aufs Recycling und neuerdings aufs UrbanMining den Eindruck erwecken will, dass wir damitschon der Ressourcenschonung oder der nachhaltigkeitnahe sind, betreibt Ökoschmäh.Nach der Langlebigkeitund der Wiederverwendungkommt unter<strong>Umwelt</strong>schutzgesichtspunktendie Weiterverwendungund dann erstdas Recycling. So sagt esauch die Abfallhierarchielaut Abfallrahmen-RL.Erfreulich beherzt hat dasdeutsche <strong>Umwelt</strong>bundesamtso das Thema„Geplante Obsoleszenz“aufgegriffen (siehe<strong>Wirtschaft</strong> & <strong>Umwelt</strong> Nr.3/2013) und hat u.a. vor,den Verdachtsmomentennachzugehen, dass dieIndustrie die Lebensdauervon Produkten künstlichverkürzt. Das ist wichtigund auch mutig, dennauf Beifall aus Industrieund <strong>Wirtschaft</strong> brauchtman dafür vorerst nichtzu hoffen. Dort ist manbemüht, das Themakleinzureden und alleerdenklichen Ökomäntelchendrüber zu breiten:Wir recyceln eh so vielund arbeiten an Rohstoffaktionsplänenund derletzte Hype ist das UrbanMining. In Österreichpromotet das die AltstoffRecycling Austria auf jedenur erdenkliche Weise:Hört man Industrievertreternzu, dann glaubtman fast, dass Deponienbald Bergwerke werden,wo viele der Rohstoffe,die heute unter oft fragwürdigen<strong>Umwelt</strong>- und/oder Sozialbedingungenmeist außerhalb Europasgewonnen werden, nunselber abgebaut werden.Und Elektroaltgeräte undvor allem Handys sollman sammeln, weil – solassen die Darstellungenvermuten – daraus soviele wertvolle Edelmetallegewonnen werdenkönnen.Wohlgemerkt. Der<strong>Umwelt</strong>beitrag vongeordneten Sammlungenwird nicht bezweifelt.In der Tat sind auch dieStoffgehalte dort manchmalnicht so weit vondenen in den natürlichenLagerstätten entfernt.Der Haken ist nur, dasses dafür die technischenVerfahren zumeist nochgar nicht gibt. KlassischesBergbau-Knowhownützt hier nichts. DasThema ist immer nochNeuland. Das sollte inder Kommunikation nichtverschwiegen werden.* Mag. Werner Hochreiterist Jurist und Mitarbeiter derAbteilung <strong>Umwelt</strong> & Verkehr inder AK Wien.www.arbeiterkammer.at <strong>Wirtschaft</strong> & UmWelt 4/2013 Seite 5


NachrichtenÖko-MautVerbilligung fürLkw-VerkehrAbgasarme Lkw müssenweniger Maut als alte Stinkerzahlen.Das sieht die Lkw-Maut-Richtlinieder EU vor. Aufgrund derwirtschaftlichen Entwicklunggibt es aber viel weniger alteLkw in der gesamten Kfz-Flotte als ursprünglich angenommen.Ohne Berichtigungder Lkw-Mauttarife käme esfür die Jahre 2014 und 2015zu einem Mautausfall von rund147 Millionen Euro. Die AK istfür eine sofortige Berichtigungder Mauttarif-Verordnung,weil Lkw nicht für alle <strong>Umwelt</strong>kostenaufkommen. FGWiener Linien mitLED-Leuchten inden StationenSukzessive werden dieStationsbeleuchtungendurch moderne LED-Lampen ersetzt. Durchdie Umstellung rechnendie Wiener Linien miteiner Energieeinsparungvon mehr als 830.000Kilowattstunden proJahr. Das entspricht demStromverbrauch von ca.240 Wiener Haushaltenwww.wienerlinien.at LEIKlimawandelNicht in der PolitikDie Modul UniversityVienna analysierte vor derWahl 250.000 Artikel undPostings.Im Wahlkampf wurde Klimawandelnicht thematisiert – sodie Auswertung der Online-Medienartikel und SocialMedia Postings. Die Analyseerfolgte mit innovativen WebIntelligence Technologiender Modul University. Diesebewährten sich schon im US-Wahlkampf 2012, um die Berichterstattungüber Obama undRomney zu analysieren. DieAnalyse stammt aus dem „ClimateChange Collaboratory“des Klima- und Energiefonds.www.ecoresearch.net/triple-cwww.weblyzard.com/divinewww.modul.ac.at/nmt LEIGroSSbritannienVolle AtomkraftvorausEinspeisetarife – diesmalnicht für Erneuerbare!Ein Konsortium unter derLeitung der französischenElectricité de France (EdF)mit französischen und chinesischenAnlagenbauern hatvon der britischen Regierunggrünes Licht für den Bau einesneuen Atomkraftwerks in HinkleyPoint in Südwestenglandbekommen. Das aus zweiBlöcken bestehende Kraftwerkmit einer Leistung von3.200 Megawatt solletwa 16 MilliardenPfund (knapp19 MilliardenEuro) kosten.Es soll 2023 inBetrieb gehen undTipps: FirmengeschenkeAus sozialer ProduktionNicht nur zu Weihnachten oder zum Jahreswechselbefassen sich MitarbeiterInnen im Betriebsrat, Marketingund Vertrieb mit Geschenken für KundInnen undKollegInnen. Give-aways sollen das Unternehmenpositiv in Erinnerung halten, mit dem eigenen Angebotin Zusammenhang stehen, sinnvoll sein undnicht gleich im Mistkübel landen. Für Betriebe, dieauf Nachhaltigkeit und soziale Verantwortung Wertlegen, eignen sich Produkte aus sozialer Produktionhervorragend, also aus sozialen Betrieben undProjekten, die benachteiligte Personen, z.B. Langzeitarbeitsloseoder Menschen mit geistiger, physischeroder psychischer Beeinträchtigung beschäftigen.Kostenlose Beratung für Unternehmen bis Juni 2014:www.umweltberatung.at/SoPro. Best-Practice-Beispiele und Hintergrundinfos zum Projekt: www.sozial-produziert.at LEIdann etwa sieben Prozent derbritischen Elektrizitätsnachfragedecken. Es ist dererste Neubau einesAtomkraftwerks inGroßbritannien seitrund 20 Jahren. DaKernkraft aber sehrteuer ist, forderndie Betreiber einengarantierten Einspeisetarif fürdie erzeugte Elektrizität für dienächsten 35 Jahre, der mit 92,50Pfund pro Megawattstunde (ca.0,11 Euro je Kilowattstunde)etwa doppelt so hoch ist wieder derzeitige Marktpreis fürStrom. Angesichts dessenklingt es ironisch, wenn der britischeEnergieminister EdwardFotos: Wiener linien/Johannes Zinner (1), B.Seidl-Brychta/<strong>Umwelt</strong>beratung (1)Pendlerfahrplan 2014Der neue Pendlerfahrplan ist da: Fahrplanauszüge der Schnellbahnund Regionalbahnlinien in Wien und im Raum Wien, derBadner Bahn und der U-Bahn. Bestelltelefon: 01 310 00 10 392oder: http://wien.arbeiterkammer.at/service/broschueren/verkehr/Pendlerfahrplan_2014.htmlSeite 8 <strong>Wirtschaft</strong> & <strong>Umwelt</strong> 4/2013Website: Gesunde ArbeitEine aktuelle Plattform zum Thema gesunde Arbeit von AK und ÖGB.Zu finden gibt’s: Aktuelle Nachrichten, Rechtsvorschriften, Veranstaltungshinweise,Wissenswertes zum Arbeitsumfeld, Kampagneninfos,Studien, Buchtipps, Links, Newsletter www.gesundearbeit.atwww.ak-umwelt.at


NAchRichteNDavey hervorhebt, dass zumersten Mal ein AKW in Englandohne Steuergeld errichtetwird. CSquecksilberinternationalekonVentionNach fast zehn Jahrenwurde wieder eine internationale<strong>Umwelt</strong>-Konventionbeschlossen.Am 10. und 11. Oktober unterzeichnetendie VertreterInnenvon 92 Staaten bei einer Konferenzin Kumamoto in Japaneine Konvention zur Verringerungvon Gesundheitsschädenund <strong>Umwelt</strong>belastungendurch Quecksilber. Diesesweit verbreitete hochgiftigeSchwermetall schädigt dieNerven sowie den Embryo imMutterleib und reichert sich inder Nahrungskette an. Kumamotowurde als Stadt gewählt,die nahe dem FischerdorfMinamata liegt, in dem es inden 1950er und 1960er Jahrenwegen der Quecksilber-Emissioneneines Industriebetriebesbei der Bevölkerung zuMissbildungen und Todesfällenkam. Ziel der Konventionist der Schutz der Menschenund der <strong>Umwelt</strong> vor Emissionenund Freisetzungen vonQuecksilber und seinen Verbindungen.Unter anderemverpflichten sich die Vertragsstaatendazu, nach Ablauf bestimmterÜbergangsfristen diein den Anhängen angeführtenProdukte (z. B. Messgeräte,die flüssiges Quecksilber enthalten)nicht mehr zuzulassenund bestimmte chemischeProzesse, die zu Quecksilberemissionenführen können, zuverbieten. Mehr unter: www.mercuryconvention.org CSnatura 2000-gebietisel MUss nachnoMiniertWerDenDas fordert GerhardHeilingbrunner, Präsidentdes <strong>Umwelt</strong>dachverbands,ultimativ vom Land Tirol.Konkret wirft er dem Leiterder <strong>Umwelt</strong>schutzabteilung inder Tiroler Landesregierungvor, die Natura 2000-Nachnominierungder Isel undihrer Zubringerflüsse zu hintertreiben.Dort finden sichbedeutende Vorkommen derDeutschen Tamariske. Dashabe auch die EuropäischeKommission heuer von Österreichin einem letzten Mahnschreibeneingefordert. DerFall der Isel sei der eigentlicheGrund für das Einschreitendes <strong>Umwelt</strong>dachverbandes inSachen Natura 2000 gewesenund habe nun ein über ganzÖsterreich ausgerolltes EU-Vertragsverletzungsverfahrenzur Folge.Zudem hat der <strong>Umwelt</strong>dachverbandein mysteriöses Verschwindenvon Tamarisken-Beständen an der Isel, und zwarnachweislich im geplantenKraftwerksbereich an der Iselim Virgental, festgestellt unddies schon angezeigt. www.umweltdachverband.at HOinterView mit sigrid staglÖkologische ÖkonoMieÖkologische Ökonomie ist ein interdisziplinäres Forschungsfeld,das Analyse für nachhaltige Entwicklungbetreibt. Es ist eine Ökonomie, die biophysische Grenzenund soziale Gerechtigkeit ins Zentrum rückt undsich so von anderen Theorieschulen unterscheidet.Was unterscheidet dieÖkologische Ökonomievon anderen Theorieschulen,v.a. der neoklassik?Stagl: In der Neoklassikwird <strong>Umwelt</strong> als Nebeneffektbetrachtet,in der ÖkologischenÖkonomie als Basis undessentieller Bestandteildes <strong>Wirtschaft</strong>ens. In derNeoklassik ist Gerechtigkeiteine nachgelagerteAufgabe von Sozialpolitik,in der Ökologische Ökonomiegleichwertig mitlangfristiger Effizienz.Was sind die drängendsten<strong>Umwelt</strong>probleme?Stagl: Naturwissenschafterhaben vor ein paarJahren globale biophysikalischeGrenzen definiertinnerhalb derer sich diemenschliche Zivilisationentwickelt hat und außerhalbderer Prozesse imErdsystem destabilisiertwürden. Nach dieser Analysehaben wir den sicherenHandlungsraum fürdie Menschheit in den DimensionenKlimawandel,biologische Vielfalt undStickstoffeintrag in dieBiosphäre verlassen, dieGrenzen überschritten. Essteht nun zur Diskussionwelches Ausmaß von Veränderungwir akzeptierenund wie wir tiefgehendeVeränderungen in anderen<strong>Umwelt</strong>dimensionenverhindern.Verteilungspolitik spieltin der traditionellen<strong>Umwelt</strong>ökonomie kaumeine Rolle. Wie ist das inder ökologischen?Stagl: Konzeptionell istVerteilung in der ÖkologischenÖkonomie sehrwichtig. In vielen Analysenliegt aber der Fokus aufdem Zusammenspiel zwischenökonomischer undnaturwissenschaftlicherAnalyse und dann wirdauf Verteilung vergessen.An der <strong>Wirtschaft</strong>suniversitätsprechen wir dahervon Socio-EcologicalEconomics, die vergisstnicht auf Verteilung!Haben Arbeitszeitverkürzungeneinen positiven<strong>Umwelt</strong>nutzen?Stagl: Möglicherweise.Das hängt davon ab,was die Menschen in derneu gewonnenen Freizeitunternehmen und wie dieUnternehmen mit demgeringeren Arbeitsinputumgehen.Klimaflüchtling? Gibt’s nicht!Ein Mann aus dem pazifischen Inselstaat Kiribati flüchtete wegendes Meeresspiegelanstiegs (Salzwasser in den Brunnen, daherMenschenrecht auf sauberes Trinkwasser nicht gegeben) nachNeuseeland. Das neuseeländische Oberstgericht verweigerte denFlüchtlingsstatus nach UN-Charta.* Univ.Prof. Dr. Sigrid Stagl istÖkonomin und Direktorin desMSc Programms Socio-EcologicalEconomics and Policy am Institut fürRegional- und <strong>Umwelt</strong>wirtschaft der<strong>Wirtschaft</strong>suniversität Wien.www.arbeiterkammer.at <strong>Wirtschaft</strong> & UmWelt 4/2013 Seite 9


PolitikSchon vor der Finanzkrise waren viele Menschen – trotz relativ hoher Wachstums-und sinkender Arbeitslosigkeitsraten – der Meinung, dass unser <strong>Wirtschaft</strong>ssystemnicht optimal funktioniert. Umfasst Wohlstand also mehr alsnur das Bruttoinlandsprodukt pro Kopf? Und: Welche Indikatoren brauchtes um den Wohlstand einer Gesellschaft zu messen? Von Sven Hergovich*Was istWohlstand?Zusammenfassung:Das Bruttoinlandsprodukt(BIP) ist eine wichtigeökonomische Kennzahl,aber kein ausreichenderIndikator für den Wohlstandeiner Gesellschaft.Um den Wohlstand einerGesellschaft abzubilden,müssen viele Indikatorengemeinsam betrachtetwerden, wobei in Zukunftunter anderem mehr Augenmerkauf Indikatorenzur Messung von Verteilungsgerechtigkeitgelegtwerden muss.umindest in der EUZschien <strong>Wirtschaft</strong>swachstumvor der Finanzkriseimmer entkoppeltervom subjektiven Wohlbefindender Mehrheitsbevölkerungzu sein, während ökologischeProbleme weiter zunahmen.Doch obwohl die aktuelleFinanzkrise zeigt, dass neoliberale<strong>Wirtschaft</strong>spolitik nichtin der Lage war und ist, einenachhaltige Verbesserung derLebensbedingungen aller zuerreichen, hat die Finanzkrisezu einem Abflauen der Diskussiondarüber, wie Wohlstandgemessen werden kannund zu einer Konzentrationauf kurzfristige Probleme, wieden Einbruch des <strong>Wirtschaft</strong>swachstums,geführt.BIP kein Ziel an sichDabei ist die Diskussionvon großer Bedeutung, ob einbestimmtes BIP-Wachstumein Ziel an sich, oder eher einMittel zur Erreichung andererZiele sein kann. Ist doch einwesentliches Ergebnis derGlücksforschung, dass nachErreichen eines bestimmtenWohlstandsniveaus weiteres<strong>Wirtschaft</strong>swachstum nurmehr sehr schwache bis keineEffekte auf das subjektiveWohlbefinden hat. Das Wohlbefindendürfte dann eben ehervon der Verteilung monetärerRessourcen, Arbeitslosigkeit,Arbeitsqualität, Freizeit undanderen Faktoren wie z. B.Gesundheit oder soziale Eingebundenheitbestimmt sein.Hierbei ist es schwierig,diese gesamtgesellschaftlichenZiele, die dann gemessenwerden sollen, zu definieren,wobei dies letztlich nur ineinem auf philosophischenÜberlegungen basierenden,politischen Prozess erfolgenkann. Allerdings muss ausdrücklichdarauf hingewiesenwerden, dass die Entscheidungüber geeignete Wohlfahrtsindikatoreneine politische istund somit nicht von ExpertInnenentschieden werden kann.Im Folgenden sollen dabeiIndikatoren zur Messung vonWohlstand in den Bereichenmaterieller Wohlstand, Lebensqualitätund ökologischeNachhaltigkeit getrennt bewertetund deren aktuelle Entwicklunganalysiert werden.MateriellerWohlstandBetrachtet man die <strong>Wirtschaft</strong>sentwicklungin Europavon 2008 bis 2013, so kannunzweifelhaft ein Schrumpfender europäischen <strong>Wirtschaft</strong>insgesamt festgestellt werden.Hier ließe sich einwenden,dass dies von einem nichtBIP-zentrierten Standpunktaus nicht notwendigerweiseproblematisch sein müsste. Sobeweisen beispielsweise dieunterschiedlichen Ergebnissein Bezug auf den Human-Development-Index bei ähnlichemNiveau des BIP pro Kopfder Staaten Kuba und Indien,Fotos: Schuh (2), Fotolia/Goran Bogicevic (1)* Mag. Sven Hergovich, Bakk.ist Ökonom und Mitarbeiter derAbteilung <strong>Umwelt</strong> & Verkehr in derAK Wien.Beyond GDPDer obige Beitrag ist eine überarbeitete Zusammenfassung der Überlegungendes Artikels „Beyond GDP: Can we Re-Focus the Debate? von Georg Feigl,Sven Hergovich und Miriam Rehm, der im ETUI-Bericht Social Developmentin the European Union 2012 erschienen ist.Seite 10 <strong>Wirtschaft</strong> & <strong>Umwelt</strong> 4/2013www.ak-umwelt.at


BerichtWie geht’s Österreich?Politikdass der Lebensstandard fürbreite Bevölkerungsschichtennicht nur von den materiellenMöglichkeiten abhängt. Allerdingsist unklar, ob ein hoherLebensstandard auch bei einerschrumpfenden <strong>Wirtschaft</strong>aufrechtzuerhalten ist. InFolge der aktuellen Krise sindArbeitslosigkeit und Armut inEuropa stark gestiegen.Diese negative Entwicklungwird noch dadurch verstärkt,dass niedrige Einkommensgruppenweniger dazu in derLage sind, negative Einkommensschocksabzumildernund so das Abrutschen in dieArmut zu verhindern. Hinzukommt, dass Einkommensungleichheitan sich schonzahlreiche negative Auswirkungenhat, etwa höhere Kriminalität,mehr Geschlechterdiskriminierungund eineniedrigere Lebenserwartung.Daher sind weitere ökonomischeIndikatoren, die wenigerauf die Produktionsseite undmehr auf den Konsum fokussieren,in Verbindung mitverstärkten Einkommens- undVermögensverteilungsindikatorenfür eine realistischeBetrachtung des Wohlstandesunerlässlich. Mehr Beachtungsollte dabei auch der EinkommensunterschiedzwischenFrauen und Männern finden.Außerdem sollte die Verteilungder Bestandsgrößen (Vermögen)eine zentrale Rolle inder quantitativen Bewertungdes Wohlstandes spielen.LebensqualitätIn den letzten 130 Jahrensind die durchschnittlichenWochenarbeitszeiten in Kontinentaleuropaum die Hälftebzw. um ein Drittel gesunken,während diese in den angelsächsischenLändern nurum ein Viertel gefallen sind.Allerdings muss angemerktwerden, dass der Großteildieser Arbeitszeitverkürzungenvor 1929 stattgefundenweiter auf Seite 12 ➔Die Statistik Austria hatversucht, die Mängeldes BIP zu berücksichtigenund veröffentlichtebasierend auf den Empfehlungender Stiglitz-Sen-Fitoussi KommissionAnfang Oktober erstmalseinen umfangreichenBericht zum Thema „Wiegeht’s Österreich?“.Darin werden ausführlicheErgebnisse undvertiefende Analysen zueiner bereits 2012 gestartetenInitiative zur Messungvon Wohlstand undFortschritt präsentiert.Die Statistik Austria liefertdabei ein Indikatorensetmit Schlüsselindikatorenzu verschiedenen Dimensionenvon Wohlstandund Fortschritt. Indikatorenzu materiellem Wohlstand,Lebensqualitätund <strong>Umwelt</strong>entwicklungergänzen dabei das Bruttoinlandsprodukt(BIP).Der Bericht zeigt die Entwicklungender einzelnenSchlüssel- und Subindikatorensehr anschaulichund berücksichtigtdabei die meisten, wennauch nicht alle, der imHauptartikel vorgeschlagenenIndikatoren. EinKritikpunkt ist allerdings,dass die Größe der <strong>Umwelt</strong>wirtschaftunter denNachhaltigkeitsindikatorenauftaucht. Warumdiese kein geeigneterNachhaltigkeitsindikatorist, wird im Kasten aufSeite 12 begründet,wobei explizit daraufverwiesen wird, dass dieGröße der <strong>Umwelt</strong>wirtschaftnicht eindeutiginterpretierbar ist. Allesin allem stellt das Projekteinen wichtigen, richtigenSchritt zur Verbesserungder Definition undMessung von Wohlstandund Fortschritt bzw. zurAufrechterhaltung derennatürlicher Grundlagendar. Die Indikatoren, eininteraktives Tool undmethodische Hintergrundinformationensindauch auf der Homepageder Statistik Austria abrufbar:www.statistik.at/wie-gehts-oesterreichStiglitz-Sen-Fitoussi-ReportDer Bericht der Stiglitz-Sen-Fitoussi-Kommission gilt als Referenzpunkt deraktuellen Beyond-GDP-Debatte. Er kann hier heruntergeladen werden: www.stiglitz-sen-fitoussi.frwww.arbeiterkammer.at <strong>Wirtschaft</strong> & <strong>Umwelt</strong> 4/2013 Seite 11


Politikhat. Zusammenfassend kannfestgehalten werden, dass dieArbeitszeiten in Europa sinken,die Geschwindigkeit derArbeitszeitverkürzungen seit1929 aber stark abgenommenhat.Entsprechend den Prognosenvon Keynes in seinemAufsatz über die „ökonomischenMöglichkeiten unsererEnkelkinder“ wächst dieArbeitsproduktivität mitcirca zwei Prozent jährlich.Allerdings werden dieseProduktivitätsgewinne entgegenKeynes Prognosen vielstärker zur Produktions- undEinkommensausweitung undnicht für Arbeitszeitverkürzungenverwendet. Dahersteht Keynes Vision einerguten Gesellschaft in starkemWiderspruch zur aktuelleRealität, in der Massenarbeitslosigkeitin einer Art Koexistenzmit steigenden psychischenProblemen aufgrundvon Überarbeitung stehen.Sowohl Arbeitslosigkeit alsauch psychische Erkrankungensollten daher in eigenenIndikatoren zur Messung desWohlstandes berücksichtigtwerden.Es ist immanent wichtig,zwischen durchschnittlich sinkendenWochenarbeitszeitenaufgrund von Entlassungen,Kurzarbeit und unfreiwilligerTeilzeitarbeit auf der einenSeite und sinkenden Arbeitszeitenaufgrund allgemeinerVeränderungen der Arbeitszeitbestimmungen(Absenkungder Wochenarbeitszeit,Verlängerung des Urlaubsanspruchesetc. ) auf der anderenSeite zu unterscheiden.Arbeit und FreizeitUm dies indikatorenseitigzu verwirklichen, würdees sich anbieten, zwischenbezahlter und unbezahlterArbeit sowie Freizeit zu unterscheiden,da einerseits Freizeiteine hohe Relevanz fürdie subjektive Zufriedenheithat und andererseits die Fragenach der Verteilung von unbezahlterArbeit, insbesondere inder Frage der GleichstellungGreen EconomyVom Erfolgsmodell bleibt nicht viel übrigDas Konzept der Green Economy ist insofern problematisch, als soziale Aspekte (z. B.Arbeitsqualität), aber auch ökonomische (z.B. Beschäftigungseffekt) vollkommen unberücksichtigtbleiben. Aber auch aus ökologischer Sicht ist die Green Economy problembehaftet,weil der ökologischeEffekt eines <strong>Wirtschaft</strong>szweigesimmer davon abhängt, welche<strong>Wirtschaft</strong>sbranche er ersetzt.Die Größe der Green Economy istdaher kein geeigneter Indikator fürdie <strong>Umwelt</strong>qualität eines Landes.Es wäre sinnvoller sich auf <strong>Umwelt</strong>indikatorenzu konzentrieren,die das Ergebnis verschiedenerHandlungen (z. B. Treibhausgasemissionen)quantifizieren,statt die Handlungen selbst (z. B.Recycling) zu messen.der Geschlechter, hohe Relevanzbesitzt.Unbestrittener Weise gibt esökologische Grenzen, die nichtüberschritten werden können.Die strittige Frage ist, wienahe wir an diesen Grenzensind. Forschungsarbeiten rundum den Wissenschafter JohanRockström haben dabei neun,aus anthropozentrischer Sichtzentrale Gebiete benannt, indenen sie ökologische Grenzendefinierten, die nicht überschrittenwerden sollten. Dabeikamen sie zu dem Schluss,dass drei Grenzen bereits überschrittensind: der Stickstoffkreislauf,der Verlust an Biodiversitätund der Klimawandel.Der Klimawandel bekommtdabei am meisten mediale Aufmerksamkeit,was auch daranliegt, dass er über verschiedeneFeedbackmechanismen andere<strong>Umwelt</strong>probleme negativ beeinflusst.Während manche Staatenin der nördlichen Hemisphärevon einer geringfügigen Erwärmungsogar profitierenkönnten, sind die Konsequenzendes Klimawandels, auf denwir derzeit zusteuern (ökonomisch),negativ, insbesonderefür arme Staaten.Neue TechnologienEine zentrale Rolle in derBekämpfung des Klimawandelswerden sicherlich neueTechnologien und Effizienzgewinnespielen. Fraglich ist allerdings,ob diese alleine in derLage sein werden, die Treibhausgasemissionenin ausreichenderHöhe zu reduzieren.Dies insbesondere dann, wennman bedenkt, dass ein Teil allerEffizienzgewinne durch denRebound Effekt konterkariertwird. So führen ressourcensparendereTechnologien ceterisparibus dazu, dass der Preisder entsprechenden Ressourcesinkt und sie so eben auchvermehrt genutzt werden kann.Zur Messung ökologischer Problemeeiner Gesellschaft solltenIndikatoren zur Erreichungdes ökologischen Zieles selbst(z. B. Treibhausgasemissionen)mehr Aufmerksamkeit erhaltenals Indikatoren, die z. B. möglicheLösungswege (z. B. dieGröße der <strong>Umwelt</strong>wirtschaft)messen. Dies wird im Kastenauf Seite 12 begründet.Ein neuer WegIst der Wille vorhanden, dieAufmerksamkeit vom BIP zuThemen umzulenken, die mehrRelevanz für den Lebensstandardbreiter Bevölkerungsschichtenhaben, wäre es nichtschwer, geeignete Indikatorenzur Messung eines sozial undökologisch nachhaltigen Fortschrittesim Sinne einer Verbesserungder Lebensqualitätaller, einer gerechteren Verteilungdes Wohlstandes undeiner ökologisch nachhaltigenEntwicklung zu finden. £Foto: schuh (1), Zacarias da Mata/Fotolia.com (1)Seite 12 <strong>Wirtschaft</strong> & <strong>Umwelt</strong> 4/2013www.ak-umwelt.at


SchwerpunktDASEINsvorsorgeStürmische Zeiten: Europaweit stehen öffentliche Dienstleistungen immer mehrunter Druck. Zunehmend wollen sich private Anbieter Zugang zu öffentlichemEigentum verschaffen.Begehrlichkeiten Seite 14 Transparenz Seite 18 Qualität Seite 21Schon bisher ist die EU einenLiberalisierungskurs gefahren.Krise und Sparpolitik verschärfenden Druck auf die öffentlichenDienstleistungen. Dem Willen derBürgerInnen entspricht dies abernicht, analysiert Alice Wagner dieSituation in der EU.Als wesentlicher Bestandteil desSozialstaates unterliegen öffentlicheDienstleistungen der demokratischenKontrolle. Wird diese gelebt,garantiert sie die ausgleichendesoziale Wirkung im Bereich derDaseinsvorsorge, arbeitet SylviaLeodolter heraus.Der öffentliche Dienstleistungssektorerfreut sich hoher Akzeptanz,weil er hohe Qualität, viele undgute Arbeitsplätze bietet. Trotzdemwird der Sektor gerne als ineffizientund teuer hingestellt. Für SvenHergovich sind Privatisierungenkein Heilmittel.


SchwerpunktDASEINSVORSORGEWie steht es um die Daseinsvorsorge in Europa? Die Krise unddie gegenwärtige Austeritätspolitik haben den Druck auf die öffentlichenDienstleistungen verschärft. Jedoch besteht mittlerweileauch der Trend zur „Rekommunalisierung“. Wird die EUihren bisherigen Liberalisierungskurs in Zukunft fortsetzen? WelcheBedeutung kommt dem Europarecht zu? VON ALICE WAGNER*Zusammenfassung:Das EU-Recht enthält eineWettbewerbsorientierung,welche mit der Erbringungöffentlicher Dienstleistungenoftmals in Konfliktsteht. Auch die gegenwärtigeEU-Krisenpolitik,sowie horizontale undsektorale Rechtsaktehaben Liberalisierung undPrivatisierung weiter vorangetrieben.Dem Willender BürgerInnen entsprichtdiese Ausrichtung der europäischenPolitik jedochoftmals nicht.*Mag. Alice Wagner ist Juristin,Mitarbeiterin der Abteilung EUund Internationales in der AKWien und Redaktionsmitglied derZeitschrift juridikum.Daseinsvorsorgein Europaegenwärtig sind in der EU zweiGwiderstreitende Entwicklungenbei den öffentlichen Dienstleistungenzu beobachten. Auf der einenSeite ist quer durch Europa einezunehmende Liberalisierungs- und Privatisierungsskepsisfestzustellen. DieBürgerInnen und die lokalen EntscheidungsträgerInnenkennen die negativenErfahrungen mit Liberalisierungs- undPrivatisierungsmaßnahmen, wie etwamassive Teuerungen, ausbleibende Investitionenin die Instandhaltung, Abbauvon Arbeitsplätzen, Ausschluss vonBürgerInnen oder Verlust der demokratischenKontrolle. Mit genau diesen Problemenkonfrontiert, haben sich jüngstetwa die BürgerInnen von Hamburg perVolksentscheid für einen vollständigenRückkauf der Strom-, Gas- und Fernwärmenetzeausgesprochen. Ebenfallsvor diesem Hintergrund wurde in Städtenwie Paris oder Berlin in den letztenJahren die Rekommunalisierung derWasserversorgung durchgeführt oderdahingehende Schritte vorbereitet.AusteritätspolitikAuf der anderen Seite wird jedoch derbisherige Liberalisierungskurs auf EUundnationaler Ebene weiterhin fortgesetztund durch die gegenwärtige Austeritätspolitikder Druck auf die öffentlichenDienstleistungen sogar noch verschärft.Durch Maßnahmen wie das EuropäischeSemester, Six-Pack, Fiskalpakt oder diegeplanten Pakte für Wettbewerbsfähigkeithat die EU-Krisenpolitik die Regulatorienfür Haushaltsdisziplin für alleMitgliedstaaten verschärft und damit deröffentlichen Hand einen erhöhten Sparoderzumindest Rechtfertigungsdruckauferlegt. Besonders massiv sind dieAuswirkungen in jenen Mitgliedstaaten,welche mit der Troika – bestehend ausEU-Kommission, EZB und IWF – dieBedingungen für die Auszahlungen vonFinanzmitteln im Rahmen der Rettungspaketeverhandeln mussten. So ist etwaim Memorandum of Understanding mitGriechenland eine konkrete Aufforderungenthalten, den „öffentlichen Fußabdruckin der <strong>Wirtschaft</strong> durch hartestrukturelle finanzpolitische Reformund Privatisierung öffentlicher Güterzu reduzieren“ (Übersetzung der Autorin).Als direkte Folge der Krisenpolitikstehen in Griechenland heute nicht nureinzelnen Sektoren, sondern beinahedas gesamte Spektrum von öffentlichenDienstleistungen zum Verkauf, u.a. dieWasserversorgung, Abwasserentsorgung,Häfen und Flughäfen, Eisenbahnen,Straßen, Post, öffentlicher Rundfunk,Energiesektor, Goldminen etc.Zusätzlich zu diesen aktuellen Entwicklungenwird auch im Rahmen derEU-Binnenmarkt- und Handelspolitikeine verstärkte Wettbewerbsorientierungder öffentlichen Dienstleistungenweiter auf Seite 16 ➔Fotos: Schuh (3)Seite 14 <strong>Wirtschaft</strong> & <strong>Umwelt</strong> 4/2013www.ak-umwelt.at


Count down in Europa: Ein Wettlauf privater Konzerne um öffentliches Eigentum ist im Gange.EU-KonzessionsrichtlinieUmstrittener Vorschlag der EU-KommissionEine aktuelle Auseinandersetzungim Europarecht istder umstrittene Vorschlagfür eine Konzessionsrichtlinie. DerKommissionsvorschlag umfassteauch öffentliche Dienstleistungen wieWasserversorgung, Abwasser- und Abfallentsorgung.Ausgewiesenes Ziel desRichtlinienvorschlags war ein vermehrterEinsatz von Public Private Partnership-Modellen. In den Erwägungsgründen derRichtlinie formulierte die Kommissiones so, dass einer „Abschottung derMärkte“ mit einem „tatsächlichen,diskriminierungsfreien Marktzugangaller <strong>Wirtschaft</strong>steilnehmer in der Union“und einer „wirklichen Marktöffnung“begegnet werde solle. Einen Privatisierungsautomatismussah der Vorschlagnicht vor, jedoch erhöhte er indirekt denDruck in Richtung Privatisierung: Entwederwerden die (strengen) Regeln fürEigenerbringung bzw. interkommunaleZusammenarbeit eingehalten, oder eshat eine europaweite Ausschreibung zuerfolgen. Schwierigkeiten für die Erbringeröffentlicher Dienstleistungen hättensich in Österreich etwa im Bereich derMehrsparten-Stadtwerke oder in Fällen,wo eine größere Stadt wie Wien fürUmlandgemeinden Aufgaben miterfüllt,ergeben.Für den Wasser- und Abwasserbereichhat der anhaltende massive Protestjedoch zu einem Richtungsschwenkin derKommission geführt:Im Februar 2013hielt der zuständigeKommissar Barnier imEP-Binnenmarktausschussfest, dass es„nicht im Interesse derBürger, der Verbraucherund der Steuerzahler“sei, die Wasserversorgung ausdem Binnenmarkt auszunehmen. Denn„ein finnischer, deutscher, französischerBürger, der in ein anderes Land geht,hat sonst keine Garantie dafür, dass erhochwertiges Trinkwasser bekommt.“Anmerkung: Tatsächlich enthielt derdamalige Richtlinienentwurf jedochkeinerlei Details zu Wasserqualität und<strong>Umwelt</strong>schutz. Im Juni gab KommissarBarnier dann die – zumindest temporäre– Ausnahme des Wasserbereichsaus der Richtlinie bekannt. Aufgegebenhat die EU-Kommission ihre Vorhabenanscheinend noch nicht: In einer Reviewklauselhat sie sich vorbehalten,die „wirtschaftlichenEffekte“ im Bereichdes Wassersektors zubeobachten, und nachdrei Jahren dem EU-Parlament und Rat einenBericht darüber vorzulegen.Das Einlenken beider Konzessionsrichtlinieist maßgeblich auchauf die erfolgreicheEU-BürgerInneninitiative „Wasserund sanitäre Grundversorgung sindein Menschenrecht!“ zurückzuführen.Die Initiative tritt für ein systemischesUmdenken und eine Abkehr von der bisherigenEU-Liberalisierungsstrategie ein.Die Kommission hat innerhalb von dreiMonaten mit politischen und rechtlichenSchlussfolgerungen zu reagieren.www.arbeiterkammer.at <strong>Wirtschaft</strong> & <strong>Umwelt</strong> 4/2013 Seite 15


SchwerpunktDASEINSVORSORGE➔ vorangetrieben. Diese Vorstellung istjedoch nicht neu, sie war auch schon vorder aktuellen Krise das vorherrschendeKonzept und findet sich in ihren Grundsätzenbereits im EU-Primärrecht: Schondie Römischen Verträge (1957) hieltenfest, dass die „Dienstleistungen von allgemeinemwirtschaftlichen Interesse“(DAWI) (zu den Begrifflichkeiten, sieheKasten Seite 17) dem Wettbewerbsrechtunterliegen, jedoch mit der Einschränkung,dass dadurch nicht die Erfüllungder ihnen übertragenen besonderen Aufgabeverhindert werden darf. Im Laufeder europäischen Integration wurdenweitere Bestimmungen zu den DAWIergänzt: Durch den Vertrag von Amsterdam(1997) wurden die DAWI als gemeinsamerVerfassungswert verankert.Mit der EU Grundrechte-Charta wurdeder besondere Wert der Daseinsvorsorgeunterstrichen. Schließlich wurde mitdem Vertrag von Lissabon eine EU-Legislativkompetenzzur Festlegung vonGrundsätzen und Bedingungen für dasFunktionieren von DAWIs geschaffenund in einem eigenen Protokoll Nr. 26Prinzipien wie der Grundsatz der Autonomieder Auftraggeber, die breiteVielfalt an öffentlichen Diensten, derZugang, Qualität, Bezahlbarkeit sowiedie Perspektive der NutzerInnen festgehalten.Diese positiven Signale der Primärrechtsreformenseit dem Vertrag vonAmsterdam spiegeln sich bislang jedochnicht in Sekundärrechtsakten wider.Schleichende LiberalisierungObwohl dafür mit dem Vertrag vonLissabon eine ausdrückliche Rechtsgrundlagegeschaffen wurde, gibt esnach wie vor keine EU-Rahmenrichtliniefür die DAWI. Durch eine solcheRichtlinie hätte eine positive Integrationim Bereich der Daseinsvorsorge in Europastattfinden können. Demgegenüberwurde schon seit den 1990er Jahren imBereich der Netzwerkindustrien wieEnergie, Post, Telekommunikation oderVerkehr mittels zahlreicher Rechtsakteeine EU-weite Liberalisierung dieserBereiche vorangetrieben. Zudem geltenfür die DAWI die Regeln des Binnenmarktes,des EU-Vergabe- und Beihilfenrechts.Doch selbst wenn Rechtsaktekeine direkte Privatisierung oder Liberalisierungvorsehen, finden hier ebenfallsVersuche statt, die Markt- und Wettbewerbslogikstärker im Rahmen deröffentlichen Dienstleistungen zu verankern.Nach Protesten werden die Vorhabenoftmals teilweise wieder zurückgenommenbzw. abgeschwächt. Dies lässtsich etwa am Beispiel der Dienstleistungsrichtlinieillustrieren: 2004 legtedie EU-Kommission ihren Vorschlagvor, welcher als Kernstück die Verankerungdes Herkunftslandprinzips vorsah.Nach intensivem öffentlichem Druckwurde der Richtlinienvorschlag starkabgeschwächt, die öffentlichen Dienstleistungenblieben im Anwendungsbereich,jedoch wurden die sozialen undGesundheitsdienste ausgenommen. Einweiteres Beispiel dieser Abschwächungund teilweisen Rücknahme ursprünglicherVorhaben und Indikator für Prozesseeiner schleichenden und schrittweisenLiberalisierung war die aktuelle Auseinandersetzungum die Konzessionsrichtlinie(siehe Seite 15).Ähnliche Beobachtungen ließen sichauch bei den Verhandlungen betreffenddie Anwendung des EU-Beihilfenrechtsauf die DAWI (Almunia-Paket) anstellen.Mit diesem Paket aus vier Rechtsaktenverfolgte die EU-Kommission dasZiel, einerseits soziale und lokale Dienstekleineren Umfangs, die nur geringeAuswirkungen auf den Handel zwischenden Mitgliedstaaten haben, vom Beihilfenrechtauszunehmen. Andererseitssollten bei anderen DAWI, denen einekommerzielle Dimension unterstelltwird, Wettbewerbs- und Effizienzerwägungenstärker verankert werden. Dieim Vorschlag für einen sogenanntenGeleakter EU-Brief nachAthen und Lissabon„Die Kommission glaubt, dass eine sorgsamdurchgeführte Privatisierung von öffentlichenVersorgungsunternehmen, inklusive der Wasserversorger,der Gesellschaft nutzen kann. Zudiesem Zweck soll Privatisierung stattfinden,sobald der geeignete gesetzliche Rahmen geschaffenist, um den Missbrauch durch privateMonopole zu verhindern.“(26. September 2012)Beihilfen-Rahmen vorgesehenen Möglichkeitder Kommission, Auflagen zuverhängen – etwa eine Verkürzung derBetrauungsdauer oder die Verpflichtung,Dritten Zugang zur Infrastrukturzu gewähren – ging den Mitgliedstaatenzu weit und wurde nach Protesten nichtverabschiedet. Die Anforderungen, Effizienzanreizevorzusehen und konkreteZiele für Effizienzgewinne festzulegen,sind aber auch im beschlossenen Beihilfen-Rahmennoch enthalten.Und der EuGH?In der Vergangenheit war der EuropäischeGerichtshof (EuGH) oftmals Wegbereiterfür spätere Rechtsakte. In seinemUrteil „Parking Brixen“ (2005) entschiedder EuGH, dass Dienstleistungskonzessionennicht unter die Vergaberichtlinienfallen, sondern „nur“ die Grundsätzedes Primärrechts einzuhalten sind. In derFolge legt die Kommission eine eigeneKonzessionsrichtlinie vor. In der Entscheidung„Altmark Trans“ (2003) entschiedder EuGH, dass eine Beihilfe imBereich der Erbringung von DAWI beiErfüllung von vier konkreten Kriterienzulässig ist. Die Kommission reagiertedarauf mit dem sogenannten Monti-Paket(2 Rechtsakte), und in der Folge mit erwähntemAlmunia-Paket (4 Rechtsakte).Im Urteil „Teckal“ (1999) legt derEuGH Kriterien fest, bei deren Einhaltungdie öffentliche Hand eine Leistung„inhouse“, also in Eigenregie, erbringenkann, ohne eine öffentliche Ausschreibungdurchführen zu müssen. In derEntscheidung „Stadt Halle“ präzisierteder EuGH, die VorgängerentscheidungRekommunalisierungBedeutet die Rückführung von LiberalisierungsundPrivatisierungsschritten, etwa durch denRückkauf öffentlichen Eigentums, Wiederaufgreifeneiner Aufgabe, Erhöhung des Anteils bei gemischtwirtschaftlichenUnternehmen.Seite 16 <strong>Wirtschaft</strong> & <strong>Umwelt</strong> 4/2013KonzessionenWerden oft im Bereich der öffentlichen Dienstleistungen eingesetzt,wobei die öffentliche Hand einen Vertrag mit einem privaten<strong>Wirtschaft</strong>steilnehmer abschließt. Im Unterschied zum Vergaberechtkann der Private jedoch etwa auch Gebühren von denNutzerInnen einheben.Der „große Basar“Website des mit der Privatisierungbeauftragten Hellenic RepublicAsset Development Fund:www.hradf.comwww.ak-umwelt.atFotos: Schuh (2)


SchwerpunktDaseinsvorsorgeEU-BegriffeDie EU-Verträge verwenden denBegriff der „Dienstleistungen vonallgemeinem wirtschaftlichen Interesse“(DAWI). Darunter fallen diegroßen netzgebundenen Zweigeder Daseinsvorsorge (u.a. Verkehr,Post, Energie, Telekommunikation,Wasser) sowie sonstige„wirtschaftliche“ Tätigkeiten, diemit Gemeinwohlverpflichtungenverknüpft sind (etwa kommunaleDienste).dahingehend, dass bereits ein Prozentprivate Beteiligung dazu führt, dass diegesamte Leistung ausgeschrieben werdenmuss. „Teckal“ und die Folgeurteilestellen die Diskussionsgrundlagefür jene Verhandlungen zum geplantenneuen EU-Vergaberecht dar, bei demaktuell diskutiert wird, unter welchenBedingungen eine Leistung von deröffentlichen Hand in Eigenregie bzw.von mehreren Gemeinden im Rahmenvon interkommunaler Zusammenarbeiterbracht werden kann, ohne dieseöffentlich auszuschreiben.AusblickImmer wieder wird versucht, Markt- undWettbewerbslogik im Rahmen der öffentlichenDienstleistungen zu verankern.Welche Seite sich in Europa in derAuseinandersetzung um die öffentlichenDienstleistungen am Ende durchsetzenwird, ist zum jetzigen Zeitpunktnoch nicht entschieden. Die verstärkteWettbewerbsorienterung bei denöffentlichen Dienstleistungen, Austeritätspolitikund Liberalisierungseuphoriesind bei den europäischen EntscheidungsträgerInnennoch vorherrschenderKonsens. Positive Beispielefür ein Umdenken auf EU-Ebene, wieder 2010 vom Sozialschutzausschussdes Rates verabschiedete Qualitätsrahmenfür soziale Dienste, sind zwarvielversprechend, aber bislang spärlich.Dass jedoch von den EU-BürgerInnenein massiveres Umdenkengefordert ist, zeigen die erfolgreicheBürgerInneninitiative „Wasser istein Menschenrecht!“ und die eingangs erwähntenRekommunalisierungsinitiativen.£All diese Leistungen sieht dasEuroparecht als „wirtschaftlich“bzw. „marktbezogen“ an. Dasgilt unabhängig davon, wie eineLeistung konkret erbracht wird,etwa ob diese privatisiert wurdeoder von der öffentlichen Handangeboten wird. Im Unterschieddazu fallen die sogenannten nichtwirtschaftlichenDienstleistungenvon allgemeinem Interesse nichtunter das EU-Recht.Als „nicht-wirtschaftlich“ giltallerdings nur ein sehr enger Bereich(u.a. Unterricht an Schulenund Universitäten, Leistungen imRahmen der Sozialversicherung).Mit Abgrenzungsfragen haben sichder EuGH in zahlreichen Judikatenund die Kommission in einemGrün- und Weißbuch befasst.Die EU-Definitionen decken sichnicht immer mit dem (nationalen)Verständnis von öffentlichenDienstleistungen, Daseinsvorsorge,public services oder service public.Rückkehr des Öffentlichen IDokumentation zur AK-Veranstaltung „ReclaimPublic Services“: http://wien.arbeiterkammer.at/service/veranstaltungen/rueckblicke/Rueckkehr_des_Oeffentlichen.html.Rückkehr des Öffentlichen IILeseempfehlung: Claus Matecki / Thorsten Schulten(Hrsg.): Zurück zur öffentlichen Hand? Chancen und Erfahrungender Rekommunalisierung, VSA-Verlag 2013.http://www.vsa-verlag.de/nc/detail/artikel/zurueck-zuroeffentlichen-hand/www.arbeiterkammer.at <strong>Wirtschaft</strong> & <strong>Umwelt</strong> 4/2013 Seite 17


schWerpUnktdaseinsVorsorgeDienstleistungen und Infrastrukturen der Daseinsvorsorge sollenallen Menschen zugute kommen. Dass sie eine positive Wirkungauf den demokratischen Zusammenhalt haben, steht außerZweifel. Aber werden sie auch tatsächlich demokratisch kontrolliertund gestaltet? Vorteile und Verbesserungsmöglichkeitendazu werden hier grundsätzlich beleuchtet. Von SYLViA LeodoLter*zusammenfassung:Öffentliche Dienstleistungensind ein wesentlicherTeil des Sozialstaates.nur durch öffentlichesEigentum ist demokratischeKontrolle und die gewünschteausgleichendesoziale Wirkung im Bereichder Daseinsvorsorgemöglich. Um neoliberalenLiberalisierungs- und Privatisierungsbestrebungenglaubhaft und wirksamentgegentreten zu können,muss demokratische Kontrolleund Transparenz beiöffentlichen Dienstleistungenstärker gelebt werden.*Mag. a Sylvia Leodolter istÖkonomin und Leiterin der Abteilung<strong>Umwelt</strong> und Verkehr in der AK Wien.daseinsvorsorgeund demokratieffentliche DienstleistungenÖsind seit über 100 Jahren einprägendes Element unserer Gesellschaftund unseres demokratischenStaatsverständnisses. Die Daseinsvorsorgeorientiert sich an dem Grundgedanken,Leistungen in hoher Qualitätflächendeckend allen Menschen sozialgerecht und diskriminierungsfrei zurVerfügung zu stellen und für faire Arbeits-und Einkommensbedingungender in diesem Sektor Beschäftigten zusorgen. Dabei verfolgt die öffentlicheHand – Bund, Länder und Gemeinden– keine kurzfristigen Gewinninteressen,sondern strebt eine nachhaltige Sicherungder Lebensgrundlagen für alle anund gewährleistet die Einhaltung hoherStandards der Sicherheit, des Gesundheits-und <strong>Umwelt</strong>schutzes und unterstütztdurch die Zurverfügungstellungvon öffentlicher Infrastruktur auch dieUnternehmen sowie die Wettbewerbsfähigkeitdes <strong>Wirtschaft</strong>sstandortes.Der Staat ist bei der Leistungserbringungdem Gemeinwohl verpflichtet und verfolgteinen Versorgungsauftrag, der fürprivate Unternehmen niemals Prioritätbesitzt, da sie auf Gewinninteressen ihrerEigentümer Rücksicht nehmen müssen.Was hat aber die Erbringung vonöffentlichen Dienstleistungen in denBereichen der Daseinsvorsorge (Bildung,Gesundheit, Wasserver- und-entsorgung, Verkehr, Telekommunikation,Post, Abfallentsorgung, sozialeEinrichtungen etc.) abgesehen von derGemeinwohlorientierung mit Demokratiezu tun? Es gibt in diesen Bereichenhöchst unterschiedliche Traditionen,Strukturen und Rahmenbedingungen fürdie Bereitstellung und Erbringung vonDienstleistungen. Mit der Ausdehnungdes Wettbewerbsgedankens vor allemdurch die EU-Politik wird der Versuchunternommen, historisch gewachseneStrukturen aufzubrechen und ihnen eineinheitliches Regulierungsregime überzustülpen.begehrlichkeitenDadurch wird dem Staat bzw. denKommunen die Wahlmöglichkeit genommen,selbst demokratisch legitimiertzu entscheiden, wie und in welcherAusgestaltung öffentliche Dienstleistungen– im Rahmen der Verwaltung,durch eigene Betriebe oder durch Beauftragung– erbracht werden. Der Zwangzur wettbewerblichen Ausschreibungöffentlicher Dienstleistungen schränktden Spielraum ein und zwingt die öffentlicheHand, sich vom Leistungserbringerzum bloßen Gewährleister zu verändern.Ihre Aufgabe besteht nur noch darin, dieEinhaltung der Rahmenbedingungen zuüberwachen.Diese Vorstellung klingt in der Theorieverlockend, zumal sie in der Regelmit der mehr oder weniger ideologiegetriebenenVorstellung verknüpft ist, dassfotos: schUh (2)Seite 18 <strong>Wirtschaft</strong> & UmWelt 4/2013 www.ak-umwelt.at


Die Post bringt allen was – Privatisierungen nur für ein paar private Anleger gesicherte Geschäfte.private Unternehmen effizienter wirtschaften,so dass letztendlich die Leistungder Daseinsvorsorge für den Staatund damit für den Steuerzahler günstigererbracht wird. Was dabei aber meistübersehen wird, ist die Tatsache, dass dieerhofften Einsparungen einerseits durchden hohen bürokratischen Aufwand fürAusschreibung und laufende Kontrolledeutlich geringer ausfallen oder nurkurzfristig bestehen und andererseitsin der Regel zulasten der Beschäftigtengehen, die dann vom Sozialsystem aufgefangenwerden müssen. Beim Staatals Besteller geht zudem das spezifischeFachwissen, das auch für die Kontrolleund Vorgabe von Bedingungen nötigist, verloren und muss – teurer - externzugekauft werden. Demokratiepolitischwesentlich dabei ist jedoch, dass die Definitionder Leistungen und die laufendeKontrolle nicht mehr Verhandlungsgegenstandder gewählten Mandatare sind,sondern Teil einer komplexen Vertragskonstruktion.Damit wird Demokratieabgebaut, werden die unmittelbarenKontrollmöglichkeiten von Regierungund Opposition eingeschränkt.demokratieabbauDie größere Gefahr für die Demokratiebesteht allerdings darin, dassdie zunehmende Erosion öffentlicherDienstleistungen den gesellschaftlichenZusammenhalt gefährdet. Die Daseinsvorsorgebildet einen wichtigen Teildes Sozialstaats und hat so einen unmittelbarenBezug zum Demokratieprinzipdes Staates. Die Verwirklichung einerrechtsstaatlichen Demokratie ist davonabhängig, dass sie auf einer stabilengesellschaftlichen Grundlage beruht.Zerrissene Gesellschaften, die in Armund Reich auseinander klaffen, könnenkeine rechtsstaatliche Demokratieaufbauen und bewahren. Die Gefahrder Spaltung der Gesellschaft ist auchinnerhalb der EU konkret sichtbar:Wenn die Jugendarbeitslosigkeit 50%Dürfen UnternehMen, Die aUs steUern UnDabgaben Der bürgerinnen aUfgebaUt UnDfinanziert WUrDen, VeräUssert WerDen?transparenzVerkehrsbeiräteEin konkreter Vorschlag zur Erhöhungder Transparenz und zur Verbesserungdes Angebots an öffentlichenVerkehrsdiensten bestehtin der Einrichtung eines gesetzlichverankerten Qualitätsbeirats,wie ihn AK und Gewerkschaftengemeinsam fordern. Der Beiratsoll einerseits die im Rahmen vonVerkehrsdiensteverträgen zwischenBund, Ländern, Verkehrsverbünden,Kommunen und denVerkehrsunternehmen (sowohl beiöffentlichen wie auch bei privatenUnternehmen) vereinbarten Qualitäts-und Sozialkriterien laufendevaluieren und begleiten und andererseitsVorschläge zur Weiterentwicklungdes Angebots machen. Indiesem Beirat sollen die jeweiligenöffentlichen Auftraggeber, aberauch Arbeitnehmer- sowie Konsumenten-und UnternehmensvertreterInnenmitarbeiten.Daseinsvorsorge & SozialstaatSiegfried Broß zu „Daseinsvorsorge – Sozialstaat,Demokratie – Wettbewerb – Steuerungsfähigkeitvon Staaten“ und Folgerungen für die öffentlicheWasserversorgung, unter: www.100-strom.de/files/Manuskript_Bross_Privatisierung.pdfVerkehrsbestellungenMehr Transparenz im öffentlichen Verkehrbringt der Bericht der SCHIG über die Bestellungendes Bundes im Schienenpersonenverkehr:www.bmvit.gv.at/verkehr/nahverkehr/downloads/beilage_gwlbericht2011.pdfDV und DemokratieDas „Lunapark 21“-Sonderheft2011 behandelt Aspekte desöffentlichen Auftrags zur Daseinsvorsorge(DV). www.lunapark21.net/bilder/lp21x04web.pdfwww.arbeiterkammer.at <strong>Wirtschaft</strong> & UmWelt 4/2013 Seite 19


SchwerpunktQuelle: SORA-Umfrage zum Thema „Die Angebote der Daseinsvorsorge im Bewusstsein der österreichischenBevölkerung“ im Auftrag der AK Wien, Jänner 2012Privatisierung öffentlicher DienstleistungenErwartungen der ÖsterreicherInnenArbeitsplatzsicherheitArbeitsbedingungenPreiseErreichbarkeitRechte als KundInService bei ProblemenInformation überdas Angebotbesser➔ bis 60% beträgt wie in Griechenlandund Spanien, insgesamt die Arbeitslosigkeitbedrückend hohe Ausmaßeerreicht und ein zunehmender Teil derMenschen von Armut bedroht ist, sindauch demokratische Strukturen in Gefahr.Je schwieriger die <strong>Wirtschaft</strong>slageund die Budgetsituation, desto größerwird das Dilemma: Einerseits sind öffentlicheInfrastrukturen und Dienstleistungendazu da, die Ungleichheitder Chancen zu beseitigen und allen denZugang zur Grundversorgung sicherzustellenund damit eine stabile Gesellschaftzu erhalten, andererseits sehensich die öffentlichen Eigentümer undBesteller gezwungen, ihre Einrichtungender Daseinsvorsorge zu verkaufenoder zumindest deren Angebot drastischeinzuschränken sowie Personalabzubauen und die Einkommens- und0% 25% 50% 75% 100%bleibt gleich9 23 63 611 28 54 725 24 46 523 33 40 423 36 36 529 31 35 538 34 24 4schlechterweiß nicht/keine AngabeDen ÖsterreicherInnen ist der Wert öffentlicher Dienstleistungen deutlichbewusst. Bei Privatisierungen befürchten sie Arbeitsplatzverluste, Verschlechterungenbei den Arbeitsbedingungen und Preissteigerungen. Auch bei denKonsumentenrechten setzen sie auf öffentliche Betriebe. Die Umfrageergebnissezeigen aber auch, dass die Transparenz und das Informationsangebotim Bereich der Daseinsvorsorge noch verbessert werden sollte, denn hierwerden von mehr als einem Drittel die privaten Anbieter positiver beurteilt.Arbeitsbedingungen zu verschlechtern.Interessant ist auch die Frage, ob Unternehmender Daseinsvorsorge, die mitden Steuern und Abgaben der BürgerInnenaufgebaut und finanziert wordensind, nicht auch im Eigentum der Bevölkerungstehen und daher ohne ausdrücklicheZustimmung nicht veräußert werdendürften. Auch wenn rein rechtlichein Verkauf der öffentlichen Daseinsvorsorgezulässig sein mag, ist dennochzu bedenken, dass damit die demokratischeKontrolle und die Einflussmöglichkeitenmit veräußert werden.Demokratische Legitimation undKontrolle, ihr Beitrag zur Stabilisierungder Gesellschaft, zur Verteilungsgerechtigkeitund zur Erhöhung der Chancengleichheitsind eindeutig unverzichtbareVorteile von öffentlichen Dienstleistungenund Infrastrukturen. Aber sie sindnicht automatisch auch überall in gleichemMaß gewährleistet. Transparenz,demokratische Beteiligung an der Mitgestaltungund Kontrolle der Leistungender Daseinsvorsorge hängen davon ab,ob und in welchem Umfang die öffentlichenEigentümer oder Besteller (imFalle der Erbringung von öffentlichenDienstleistungen durch private oder ausgegliederteUnternehmen im Auftragder Gebietskörperschaften) dies vorsehen.Dabei ist nicht die Rechtsform oderdas Eigentum allein entscheidend, dennauch innerhalb einer Rechtsform könnendie Kontrollmöglichkeiten sehr unterschiedlichausfallen, die Bandbreitegeht von partizipativ über bürokratischund politisch geführten bis hin zu profitmaximierendenUnternehmen und Institutionen.Legitimation und KontrolleWenn es darum geht, den Bereich derDaseinsvorsorge zu stärken und in öffentlichemEigentum zu erhalten, dannist es ein absolutes Muss, die demokratischeAusgestaltung und Legitimation deröffentlichen Dienstleistungen im Augezu haben. Konkret bedeutet das eine systematischeBerücksichtigung und Einbeziehungder EndkundInnen in die Gestaltungder Dienstleistungen, also eine konsequenteKundenorientierung, etwa überFahrgastbeiräte oder KundInnenforen,Transparenz von Leistungsverträgen undGrundlagen der Tarif- und Gebührengestaltung(etwa durch ein Begutachtungsrechtder AK auch bei ausgegliedertenUnternehmen), Einbeziehung und Partizipationder Öffentlichkeit in längerfristigePlanungsvorhaben, transparenteSysteme des Qualitätsmonitorings undeine systematische Berücksichtigungvon strengen Sozialkriterien und Mitgestaltungsrechtenfür die Beschäftigtenzur Sicherung der Arbeitsplätze undmenschenwürdiger, fairer Arbeitsbedingungen.Nur so ist auch die Akzeptanzder Bevölkerung und letztlich der politischeRückhalt für die Sicherung der Daseinsvorsorgeentgegen den neoliberalenMainstream längerfristig denkbar. £Demokratische KontrolleDas „Thyssen-Projekt“ (2011-2014) analysiert beikommunalen Unternehmen die formalen Zugangsmöglichkeitenfür Gemeindevertreter, Qualität der Leistungenund Transparenz. Link: www.uni-potsdam.de/db/ls_regierungssystem_brd/index.php?article_id=542&clang=0Seite 20 <strong>Wirtschaft</strong> & <strong>Umwelt</strong> 4/2013Rechnungshofkritik IDer Rechnungshof kritisiert im Zusammenhangmit öffentlichen Ausgliederungenwiederholt, dass Richtlinien fehlen, „welcheeine einheitliche, effiziente und transparenteAufgabenwahrnehmung“ gewährleisten.Rechnungshofkritik IILaut RH-Bericht 2010/2 lagen in Wien für die festgelegtenAbwasser-, Wasser- und Müllgebühren keineschlüssigen Kostenkalkulationen vor. Er empfahldaher, die Valorisierung auszusetzen bis die Mängelbehoben sind.www.ak-umwelt.atFotos: Schuh (1)


Der öffentliche Dienstleistungssektor ist ineffizient und kostetzu viel Geld. Soweit das neoliberale Credo. Doch wie steht eswirklich um die Qualität des öffentlichen Dienstleistungssektors?Und: Können Privatisierungen tatsächlich dazu beitragen,den Sektor effizienter zu gestalten und das Budgetdefizitzu reduzieren? Von Sven Hergovich*SchwerpunktDASEINSVORSORGEPrivatisierungen sindkein Heilmitteler öffentliche Dienstleistungssektor,der etwa die BereicheDöffentliche Verwaltung, dasBildungswesen, das Gesundheitswesen,die Abfall- und Abwasserentsorgung,Post und Telekommunikation, aber auchdie gesamte Energie- und Wasserversorgungsowie den öffentlichen Verkehrumfasst, ist sowohl quantitativ als auchqualitativ von hoher Bedeutung undkann dabei nur exemplarisch geschildertwerden. So arbeiten alleine im öffentlichenVerkehr 84.000 ÖsterreicherInnen,125.000 Menschen arbeiten als Lehrer-Innen an Schulen und mehr als 23.000Personen finden ihr Auskommen in derAbfall- und Abwasserentsorgung. Dabeisind die Zahlen auch im internationalenVergleich bemerkenswert, ist doch dieBedeutung des öffentlichen Sektors inÖsterreich besonders groß.Neben den direkt geschaffenen Arbeitsplätzensichert der öffentlicheDienstleistungssektor durch seine Investitionenviele weitere (oft regionale) Arbeitsplätze:HandwerkerInnen profitierenbeispielsweise von Reparaturarbeiweiterauf Seite 22 ➔ZusammenfassungDer öffentliche Dienstleistungssektorerfreut sich hoher Akzeptanzin der Bevölkerung undbietet viele gute Arbeitsplätze.Privatisierungen würden die hoheQualität gefährden, die Arbeitsbedingungender Beschäftigtenverschlechtern und könntensogar das Budgetdefizit erhöhen.www.arbeiterkammer.at <strong>Wirtschaft</strong> & <strong>Umwelt</strong> 4/2013 Seite 21


SchwerpunktDASEINSVORSORGE➔ ten an Kläranlagen oder in Schulen,und die Industrie profitiert beispielsweisevon neuen Aufträgen für Schienen undSchienenfahrzeuge.Die Arbeitsplätze im öffentlichenDienstleistungssektor sind aber nicht nurquantitativ, sondern auch qualitativ vonsehr großer Bedeutung, sind doch dieArbeitsbedingungen und die Beschäftigungssicherheitim allgemeinen deutlichbesser beziehungsweise höher als die imprivaten Dienstleistungssektor.Die verhältnismäßig guten Arbeitsbedingungenund die gute Ausbildungim öffentlichen Dienstleistungssektormachen sich aber nicht nur für die dortBeschäftigten bezahlt, sondern habenauch Auswirkungen auf die Strukturder gesamten österreichischen <strong>Wirtschaft</strong>.So lässt der öffentliche (Dienstleistungs-)Sektorsehr vielen Menscheneine gute Berufsausbildung zukommen,die auch noch Jahrzehnte später positiveAuswirkungen auf die Arbeitsmarktchancender Betroffenen hat.Darüber hinaus kann der öffentlicheDienstleistungssektor auch als antizyklischesbeschäftigungspolitisches Instrumenteingesetzt werden, indem inZeiten mit besonders hoher Arbeitslosigkeitmehr neue MitarbeiterInnen eingestelltwerden.Hohe Qualität undgroSSe Zufriedenheit*Mag. Sven Hergovich, Bakk. istÖkonom und Mitarbeiter der Abteilung<strong>Umwelt</strong> & Verkehr in der AK Wien.Eine im Jahr 2012 im Auftrag derArbeiterkammer durchgeführte Sora-Umfragezeigt auch, dass die ÖsterreicherInnenmit der Qualität derDaseinsvorsorge sehr zufrieden sind.Die Kundenrechte, Informationenüber das Angebot, das Service bei Problemenund die Versorgungssicherheitbzw. Erreichbarkeit werden dabeifast durchgängig für die abgefragtenBereiche (Wasserversorgung, Telekommunikationseinrichtungen,öffentlicherStadtverkehr, Postdienstleistungen,Bahnangebot und Energieversorgung)als gut oder sogar sehr gut bewertet. Daöffentliche Dienstleistungen meist füralle gleichermaßen zur Verfügung stehen,entfalten diese auch eine positiveVerteilungswirkung. Außerdem zeigenAnalysen, dass die Lohnstreuung im öffentlichenDienstleistungssektor geringerals im privaten Sektor ist.Die hohe Qualität der Daseinsvorsorgeerfreut sich aber nicht nur hoherAkzeptanz bei der Bevölkerung undhilft soziale und ökologische Ziele derGesellschaft zu erreichen, sondern istein wichtiger Standortfaktor fürUnternehmen und trägt damit auch zumökonomischen Wohlergehen eines Landesbei.Privatisierungenkein HeilmittelTrotzdem werden immer wieder Rufelaut, mehr Unternehmen des öffentlichenDienstleistungssektors zu privatisierenund weitere Liberalisierungsschritte zusetzen. Im Kern werden dabei vor allemfolgende Argumente vorgebracht:Öffentliche Dienstleistungssektorenseien ineffizient und nur privatwirtschaftlichgeführte Unternehmen auf echtenWettbewerbsmärkten könnten dieseDie meisten ÖsterreicherInnen sindmit der Qualität der Daseinsvorsorgesehr zufriedenHintergrundGefahr 4. EU-EisenbahnpaketObwohl die meisten ÖsterreicherInnen sehr zufrieden mit der Bahn sind,strebt die Europäische Kommission die weitere Liberalisierung des Eisenbahnsektorsan. Während die nationalen Behörden bislang zwischen eineröffentlichen Ausschreibung und der Direktvergabe wählen konnten, ist nundie zwangsweise Ausschreibung geplant. Dabei leiden Länder wie das VereinigteKönigreich von Großbritannien mit überteuerten Preisen, schlechtenArbeitsbedingungen und weniger Beschäftigung noch heute an den Folgender Privatisierungen und Liberalisierungen. Dafür sind die erfolgreichstenund beliebtesten Bahnen Europas, nämlich die der Schweiz, keineswegsliberalisiert.Seite 22 <strong>Wirtschaft</strong> & <strong>Umwelt</strong> 4/2013 www.ak-umwelt.at


SchwerpunktÖffentliche HaushalteEntlastung durch Privatisierungen?Privatisierungen wirken sich nicht sofortauf das Nettovermögen eines Staatesaus, steht hinter ihnen doch nur dieVeränderung der Vermögensstruktur.Dies ist mit einem Beispiel aus demprivaten Bereich leicht verständlichgemacht: Verkauft jemand sein Haus,so wird er auch nicht plötzlich reicheroder ärmer; das Vermögen wurdeeinfach umgeschichtet. Ob der Verkauflangfristig von finanziellem Nutzen isthängt davon ab, ob die alternative Verwendungder Mittel ertragreicher als dieursprüngliche ist. Geht man z.B. davonaus, dass die Privatisierungserlöse zurSchuldenreduktion verwendet werden,so hängen die finanziellen Auswirkungender Privatisierung davon ab, ob mehrZinsen gespart werden können als alternativan Dividenden erlösbar gewesenwären. Dies ist allerdings meist nichtder Fall. AK-Analysen der letzten Privatisierungsschrittezeigen, dass diese einelangfristige Belastung der öffentlichenHaushalte von bisher(!) 1,25 bis 1,78Milliarden Euro zur Folge hatten.Ineffizienzen beseitigen. Die Beseitigungder Ineffizienzen könnte dann, bei gleichbleibenderQualität, dazu genützt werden,die Preise der öffentlichen Dienstleistungenzu reduzieren. In enger Verbindungdazu wird teilweise sogar behauptet, dassPrivatisierungen zu mehr Innovationenim öffentlichen Dienstleistungssektorführen könnten. Außerdem wird gernedarauf verwiesen, dass Privatisierungenhelfen könnten, das Budgetdefizit zu reduzieren(siehe Kasten Seite 23).Doch stimmen diese Argumente überhaupt?Das erste Argument ist zumindestsehr zweifelhaft, wird doch geflissentlichverschwiegen, dass private UnternehmenGewinne machen wollen und meist hoheAusgaben für Werbung haben. Damit einePrivatisierung wirklich zu Preissenkungenführen kann, müssen also die durchdie Privatisierungen hervorgerufenenEffizienzgewinne (so vorhanden) höherals die zusätzlich entnommenen Gewinneund die zusätzlichen Werbeausgabenausfallen. Die Datenlage zeigt aber, dassdies meist nicht der Fall ist. So kommtauch eine Umfrage aus dem Jahr 2008zu dem Ergebnis, dass die überwältigendeMehrheit der Deutschen der Meinungist, dass mit Ausnahme des Telekommunikationssektors,Privatisierungenim Dienstleistungssektor zu steigendenPreisen geführt haben. Darüber hinausführen Privatisierungen und Liberalisierungenauch nicht automatisch zu wettbewerbsintensiverenMärkten. In manchenFällen kommt es nach Privatisierungenund Liberalisierungen sogar zu einerverstärkten Unternehmenskonzentrationund damit zu weniger Wettbewerb.Dazu kommt, dass die Frage, ob deröffentliche Dienstleistungssektor wirklichineffizienter agiert als der privateDienstleistungssektor, eine ungeklärteist. Grundsätzlich haben Unternehmenin Wettbewerbsmärkten nämlich zweiMöglichkeiten zu konkurrieren: Sie könneneinerseits versuchen, die Arbeitskostenmöglichst weit zu drücken (etwa übereine Arbeitsverdichtung bei den einzelnenBeschäftigten, Personalabbau und/oder Lohnsenkungen), oder sie könnendarum konkurrieren, welches Unternehmeninnovativer ist und somit die bessereQualität liefert. Starke Lohnregelungen,die in öffentlichen Unternehmen meistdie Regel sind, verhindern Konkurrenzüber die Arbeitskosten und beförderndamit Wettbewerb über die Qualität undhaben daher auch eine innovationsförderndebeziehungsweise eine die Produktivitätsteigernde Wirkung.Privatisierungen führen also meistnicht zu Preissenkungen. Dafür ziehenPrivatisierungen oft versteckte Kostennach sich, weil die öffentlichen Unternehmensoziale oder ökologische Aufgaben,die sie vorher übernommen haben, nachder Privatisierung aus Kostengründeneinstellen. Spart etwa ein Unternehmen,indem es weniger in die Lehrausbildunginvestiert, muss der Staat vermehrt Gelderin staatliche Lehrwerkstätten investieren.Für das Unternehmen mag dies einGewinn sein, aus gesamtwirtschaftlicherPerspektive handelt es sich um ein Nullsummenspiel.Auch die Aussage, dass Privatisierungenhelfen können, dass Budgetdefizit zusenken, ist höchst zweifelhaft. Betrachtetman die Privatisierungen der letzten Jahre,so zeigt sich, dass die letzten Privatisierungenden öffentlichen Haushaltenweiter auf Seite 24 ➔Privatisierungen gefährden die hoheQualität des öffentlichen Dienstleistungssektors.Fotos: Schuh (2)StudieEine detaillierte AK-Studie über die Auswirkungenvon Privatisierungen auf öffentlicheHaushalte findet sich unter: http://media.arbeiterkammer.at/wien/MWUG_Ausgabe_114.pdfAnalyseExzellente Analyse der Folgen von Privatisierungenim Bereich der Daseinsvorsorge:www.forba.at/data/downloads/file/73-Publikation%20AK%20Liberalisierung-Band%202.pdfProjektDas Forschungsprojekt PIQUE (Privatisation of PublicServices and the Impact on Quality, Employment andProductivity) analysiert die Auswirkungen von Liberalisierungs-und Privatisierungsprozessen für ausgewählteeuropäische Länder und Branchen. www.pique.atwww.arbeiterkammer.at <strong>Wirtschaft</strong> & <strong>Umwelt</strong> 4/2013 Seite 23


SchwerpunktInterview mit EuropaabgeordneteR Evelyn RegnerWarum Öffentliche Daseinsvorsorge?Öffentliche Dienstleistungen (ÖDL) wie Bahnen, Wasserversorgungerreichen Höchstwerte bei der Kundenzufriedenheit. Trotzdem istdieses gut funktionierende System durch Liberalisierung gefährdet.Profiteure sind meist wenige transnationale Großkonzerne.Bei vielen öffentlichen Dienstleistungen(ÖDL) hat sich derWettbewerb als fatal erwiesen.Warum lernt man nicht daraus?Regner: Auf europäischer Ebeneist der Druck der Lobbyisten sehrgroß und diese scheinen sich vorallem in der Kommission gut durchzusetzen.Dass Liberalisierungenauf der Tagesordnung stehen,sehen wir derzeit Interview in vielen folgt Bereichen,wie etwa im Bereich desSchienenverkehrs (4. Eisenbahnpaket)oder auch beim Bodenpersonalauf Flughäfen. Obwohl man imVertrag von Lissabon festgehaltenhat, dass Leistungen der Daseinsvorsorgeunter einem besonderenSchutz stehen sollten, hat derBinnenmarkt noch immer Vorrang.Dagegen müssen wir ankämpfen.Müssten nicht gerade in Krisenzeitendie Leistungen der Daseinsvorsorgegestärkt werden?Regner: Gerade in Zeiten der Kriseist es besonders wichtig, dafürSorge zu tragen, dass die Menschenkostengünstigen und umfassendenZugang zu Leistungen derDaseinsvorsorge haben. Durch dievon konservativer Seite gepushteAusteritätspolitik hat man leiderden umgekehrten Weg beschritten.Länder wie Griechenland oderPortugal wurden von der Troikaunter Druck gesetzt, öffentlicheUnternehmen wie beispielsweiseWasserwerke zu verkaufen, um ihreSchulden abzubauen. Unser Zielmuss sein, diesen Ausverkauf zustoppen.Was ist die größte Gefahr beider derzeit verhandelten EU-Konzessionsrichtlinie?Regner: Im Zuge der Verhandlungenwurden auf Druck der SozialdemokratInnendie größten Gefahrengebannt. So wurde neben der Ausnahmeder Wasserdienstleistungenauch der Grundsatz der Selbstverwaltungvon Behörden explizitfestgeschrieben. Ebenso sieht dieRichtlinie grundsätzliche Ausnahmenvon der Ausschreibungspflichtvor, wenn es um Verträge zwischenöffentlichen Stellen oder Vergabenan öffentliche oder verbundene Unternehmengeht. Die Frage, die aberimmer noch im Raum steht, ist, obsich durch die Konzessionsrichtliniein der Praxis nicht mehr Problemeergeben, als sie löst.Was tut das EU-Parlament gegenden Liberalisierungsdruck?Regner: Viele im EuropäischenParlament – hier allen voran diesozialdemokratischen Abgeordneten– versuchen alles, umVorschläge der Kommission zuentschärfen. So ist es durch denDruck der Abgeordneten, aberauch der Bürgerinnen und Bürgergelungen, Kommissar Barnier dazuzu bewegen, die Wasserversorgungaus der Konzessionsrichtlinieauszunehmen. Wir werden auchbei anderen Ideen der Kommission,die in die falsche Richtung gehen,sofort aufzeigen und uns vehementdafür einsetzen, dass die Daseinsvorsorgenicht Spielball des freienMarktes wird.* Mag. a Evelyn Regner ist Juristin undAbgeordnete zum Europäischen Parlament.➔ mehr Geld gekostet haben als sie eingebrachthaben (siehe Kasten Seite 23).Neben diesen finanziellen Überlegungengibt es allerdings noch grundsätzlichereÜberlegungen, warum weiterePrivatisierungen im öffentlichen Dienstleistungssektornegative Folgen hätten.Viele Angebote der Daseinsvorsorgesind auch deshalb in öffentlicher Hand,weil eine marktförmige Organisation garnicht möglich wäre, da es sich um ein natürlichesMonopol handelt. Dies ist etwabei Stromnetzen, Wasserversorgungseinrichtungenoder dem Schienenangeboteines Landes der Fall. Darüber hinausbedeuten Privatisierungen auch einenSteuerungs- und Kontrollverlust für denStaat, was nichts anderes bedeutet, alsdass der Staat weniger Möglichkeitenhat, seine Politiken umzusetzen. StaatlicheUnternehmen können ja auch dafürverwendet werden, verstärkt soziale undökologische Ziele zu verfolgen.Privatisierungen: Gefahrenfür BeschäftigteFür die ArbeitnehmerInnen bedeutenPrivatisierungen meist Personalabbau,sinkende Löhne und steigenden Arbeitsdruck.So ist beispielsweise in Österreichdie Beschäftigung in der Elektrizitätswirtschaftzwischen 1995 und 2006 um25% zurückgegangen. Im Post- und privatenKurierdienst hat die Beschäftigungsogar um 29% abgenommen. Und auchder Organisationsgrad der Gewerkschaftenliegt im privaten Dienstleistungssektordeutlich unter dem des öffentlichenDienstleistungssektors. So liegt der Organisationsgradbeim ehemaligen deutschenPostmonopolisten bei etwa 80%,während der Organisationsgrad bei privatenKonkurrenten kaum mehr als zehnProzent betragen dürfte.Aus sozialer, ökologischer wie auchaus ökonomischer Sicht spricht dahervieles gegen Privatisierungen bei öffentlichenDienstleistungen. Entgegen dengeschürten Hoffnungen sind die Privatisierungsresultateweder was den Preis,noch was die Qualität der Dienstleistungenbetrifft zufriedenstellend. Besondersdramatisch sind die Auswirkungen fürdie betroffenen ArbeitnehmerInnen, diedie Privatisierungen mit Entlassungen,niedrigeren Löhnen und steigendemDruck bezahlen müssen. £Fotos: SPÖ (1)Seite 24 <strong>Wirtschaft</strong> & <strong>Umwelt</strong> 4/2013www.ak-umwelt.at


aktionFolder: Handy – aber sicher!AK-Tipps und Hilfe gegen die Kostenfalleund bei Verlust oder Diebstahl. http://media.arbeiterkammer.at/wien/PDF/Publikationen/Handy_aber_sicher.pdfeinkaufsbuchfair UnDÖkologischDer AK Branchen- undDienstleistungsführer „DasFaire Chancen Einkaufsbuch“hilft bei der Suche nachnachhaltig-sozialen und umweltgerechtenBetrieben. Diezusammengestellten Produktebzw. Dienstleistungensind für jede/n interessantund allgemein zugänglich.Die Betriebearbeiten gemeinnützig,verfolgen soziale oderökologische Anliegenund sind arbeitsmarktpolitischvernetzt.Der Einkaufsführer ist nachBundesländern und Branchengegliedert und bietet ein interessantesund vielseitigesAngebot, das von Reparaturüber Spielzeug und Reinigungbis zu Restaurants reicht. KostenloseBestellung unter: 01310 00 10 498 oder bestellservice@akwien.atbzw. Download:www.arbeiterkammer.at/service/broschueren/<strong>Umwelt</strong>/index.htmlLEIeinkaufsplanWien sozialUnD fairIm Einkaufsplan „Wien sozialund fair“ stellt die AK 55sozial und fair wirtschaftendeBetriebe in Wien vor. DerPlan bietet ein vollständigesStraßenverzeichnis mit denStandorten der Betriebe. Erkann aber auch als praktischerStadtplan, der in jede Handtaschepasst, genutzt werden.Dazu werden in Kurzporträtsdie Firmen vorgestellt. Es wirderklärt, wer in den Betriebenarbeitet und gefördert wird undwelche Produkte oder Dienstleistungenangeboten werden.Neben Kontaktadressen gibtes einen übersichtlichen Stadtplan,auf dem die vorgestelltenBetriebe leicht zu finden sind.Kostenlose Bestellung unter:01 310 00 10 534 oder bestellservice@akwien.atLEIweiterbildungÖkologie UnD<strong>Wirtschaft</strong>Das Seminar „<strong>Umwelt</strong>schutzund <strong>Wirtschaft</strong>spolitik: Widerspruchoder notwendigeErgänzung?!“ von Sven Hergovich,<strong>Umwelt</strong>ökonom derAK Wien, vermittelt Hintergrundkenntnissezu aktuellenÖkothemen, zur <strong>Umwelt</strong>schutzarbeitvon Sozialpartnern,Regierungen und internationalenOrganisationen undbefähigt PädagogInnen, einenBeitrag zur Erreichung einesnachhaltigen Lebensstileszu leisten. Ort und Zeit: 14.März 2014, Stephansplatz 3/3,1010 Wien. Anmeldung unter:www.ph-online.ac.at/kphvie/lv.detail?clvnr=174293 LEIarbeitsplatz bildschirmrichtige gestaltUngImmer mehr Menschen arbeiten am Computer. Dasist nicht immer gesund. Die Broschüre berücksichtigtarbeitsmedizinische und arbeitswissenschaftlicheGrundsätze, liefert eine Übersicht über die häufigstenProbleme und gibt – ob in der Werkstatt oder imBüro – Hinweise zur menschengerechten Gestaltungdes Bildschirmarbeitsplatzes. Kostenlose Bestellungunter: 01 310 00 10 322 oder Download:www.arbeiterkammer.at/service/broschueren/ArbeitnehmerInnenschutz/broschueren/index.htmlLEIreichtumskonferenzUngerechte VerteilUngAK-Wien Direktor Werner Muhm betonte auf der3. Reichtumskonferenz, veranstaltet von der AK Wienin Kooperation mit der Armutskonferenz, Attac, derEvangelischen Diakonie u.a., dass der Einsatz fürVerteilungsgerechtigkeit immer wichtiger wird, zumalin Österreich das Vermögen extrem ungleich verteiltist. Das reichste Prozent der ÖsterreicherInnen hältmehr als ein Drittel des Vermögens (ca. 470 Mrd.Euro), dagegen hat die ärmere Hälfte der Bevölkerungnur weniger als fünf Prozent. LEIwww.arbeiterkammer.atAK und ÖGB-Kampagne: „Bleibt dabei!“Die Finanztransaktionssteuer muss endlich umgesetzt werden,fordern AK Präsident Rudi Kaske und ÖGB-Präsident Erich Foglar.Unter www.financialtransactiontax.eu kann man EU-EntscheidungsträgerInnendirekt auffordern, jetzt nicht locker zu lassen.www.arbeiterkammer.atAK Wien: Hilfe gegen InternetbetrugFinger weg von vermeinntlichen Schnäppchen – auch imInternet wird selten etwas verschenkt. Zudem: Tipps gegen Datenklau(Phishing) und Mehrwertdienst-Abofallen. http://media.arbeiterkammer.at/wien/PDF/Publikationen/Internetbetrug.pdf<strong>Wirtschaft</strong> & UmWelt 4/2013 Seite 25


BetriebSilikose ist eine der ältesten Berufskrankheiten, und immer noch erkrankenund sterben daran jedes Jahr weltweit tausende Menschen.Silikose entsteht durch feinsten Quarzstaub, der tief in die Lungendringt, und zeigt sich als unaufhaltsame Verringerung der Lungenfunktion.Warum gehört diese Krankheit nicht längst der Vergangenheitan? Von Christoph Streissler*Quarz: Wirbelum StaubZusammenfassung:Quarzstaub verursacht imBergbau und bei anderenBerufen Silikose undLungenkrebs, oft tödlichverlaufende Krankheiten.Da Silikose nicht heilbarist, steht die Verhinderungder Exposition imVordergrund. Zusätzlichzum bestehenden Sozialpartnerabkommenkönnteein EU-weiter Arbeitsplatz-Grenzwert dazu beitragen,doch dessen Festlegungstößt auf Widerstand.uarzstaub wird überallQfreigesetzt, wo Fels,Stein, Sand oderBeton zerkleinert oder andersbearbeitet wird. Im Bergbau,im Tunnelbau, in Steinbrüchen,bei Steinmetzarbeiten,sind die Quarzstaubwerte amhöchsten, aber auch auf jederBaustelle kommt es zur Belastungder ArbeitnehmerInnen.Beim Sandstrahlen vonOberflächen kann es sowohldurch den Quarzsand, der alsSchleifmittel eingesetzt wird,als auch durch den Abrieb vonquarzhaltigen Oberflächen zuextrem hohen Belastungen mitQuarzstaub kommen.Quarz ist eines der häufigstenMinerale der Erdkrusteund daher praktisch in allenGesteinen enthalten. Chemischgesehen handelt es sich dabeium Siliziumdioxid, und zwarin seiner kristallisierten Form.Das Material ist chemisch sehrbeständig, was in vielen Anwendungenvon Vorteil ist. Inder Industrie ist Quarz eines derwichtigsten Minerale und hatals Baustoff wie als Rohstofffür die Keramik-, Glas- undZementindustrie Bedeutung.Schon in der Antike warbekannt, dass die Arbeit inBergwerken häufig Lungenkrankheitennach sich zog.Der italienische Arzt BernardoRamazzini lieferte um 1.700eine genaue Beschreibung vonSilikose als Berufskrankheitvon Steinmetzen. Er gilt gemeinhinals der Begründer dermodernen Arbeitsmedizin.KrankheitsverlaufWenn Staub eingeatmetwird, lagern sich größere Teilchenin den oberen Luftwegenab, vor allem im Nasen- undRachenbereich, mittelgroßegelangen in die Luftröhre undin die Bronchien, während diekleinsten Teilchen bis in dieLungenbläschen vordringenkönnen. Das gilt zunächstfür alle Staubteilchen. Dochwegen seiner chemischen Beständigkeitkann Quarzstaubdort von den Abwehrzellen desKörpers nicht entfernt werden.Ähnliches gilt auch für andereStäube, die chemisch wenigreaktionsfreudig sind; sie werdenalle als „inerte Stäube“bezeichnet.Die anhaltenden, aberfruchtlosen Versuche der Abwehrzellen,die Staubteilchenaus dem Körper auszuschleusen,führen mit der Zeit zu Entzündungsreaktionen,und zwarumso rascher, je mehr Staubsich in der Lunge abgelagerthat. In der Folge kommt es zuSchäden an der Lunge, wodurchdiese ihre Funktion nicht mehrerfüllen kann. Die für Silikosetypische Atemnot ist die Folge.Da die geschädigte Lunge auchanfälliger für bakterielle Infektionenist, kommt es in vielenFällen auch zum Auftreten vonTuberkulose, der sogenanntenSiliko-Tuberkulose.Schließlich kann Quarzstaubauch Krebs auslösen.Die biologischen Mechanis-Fotos: Schuh (1), Fotolia/Afitz* Dr. Christoph Streissler ist Chemikerund Mitarbeiter der Abteilung<strong>Umwelt</strong> & Verkehr in der AK Wien.Sozialpartnerabkommen zu QuarzstaubDas Sozialpartnerabkommen zu Quarzstaub findet sich auf der Seitewww.nepsi.eu. Das Europäische Gewerkschaftsinstitut ETUIveröffentlichte 2006 eine ausführliche, kritische Darstellung desAbkommens: www.etui.org/content/download/3192/37067/file/silica.pdfSeite 26 <strong>Wirtschaft</strong> & <strong>Umwelt</strong> 4/2013www.ak-umwelt.at


BetriebSilikose und Lungenkrebs wegenQuarzstaub müssen der Vergangenheitangehören, und zwar weltweit.men der Krebsentstehung sindnoch nicht völlig geklärt. Dervon Quarzstaub ausgelösteLungenkrebs scheint stets alsFolge von Silikose aufzutreten.Dementsprechend hat auchdie Internationale Agentur fürKrebsforschung (IARC), eineTeilorganisation der Welt-Gesundheitsorganisation(WHO)Quarzstaub als krebserzeugendeingestuft. Mit dem Sozialversicherungs-Änderungsgesetz2012 wurde Lungenkrebs alsFolge von Silikose in Österreichin die Liste der anerkanntenBerufskrankheitenaufgenommen.Die Zahl der Erkrankungenan Silikose geht in Österreichzurück (siehe Kasten). Diesliegt zum Teil daran, dass dieZahl der Beschäftigten imBergbau sinkt: Während dort1970 etwa 15.000 Arbeiterinnenund (vor allem) Arbeiterbeschäftigt waren, warenes 2011 nur mehr 3.500, alsoweniger als ein Viertel. Dochauch strengere Grenzwerteund bessere Maßnahmen zumSchutz der ArbeitnehmerInnenvor Staub trugen wesentlichzur Verringerung der Expositionbei.Spitze des EisbergesBis sich Symptome vonSilikose zeigen, kann sehr vielZeit vergehen („Latenzzeit“).Daher wird bei Symptomenvon Lungenschäden in vielenFällen nicht bedacht, dass einelang zurückliegende Expositiongegenüber Quarzstaub dieUrsache sein kann. Aus diesemGrund ist – wie bei den meistenBerufskrankheiten – anzunehmen,dass die anerkanntenFälle von Berufskrankheitennur die Spitze des Eisbergs darstellenund die Zahl der beruflichbedingten Erkrankungenan Silkose, die nicht als solcheerkannt werden, ein Vielfachesbeträgt.Gerade bei einer Krankheitwie Silikose, die nicht heilbarist, hat die Vermeidung(Prävention) höchste Priorität.Nachdem bereits in Deutschlandab 1929 und in Österreichab 1937 erste Schritte zur Verhinderungvon Silikose gesetztwurden, wurde 1949 in Leobendie Österreichische Staub- undSilikose-Bekämpfungsstelle(ÖSBS) ins Leben gerufen.Sie ist eine Teilorganisationder Allgemeinen Unfallversicherungsanstalt(AUVA).Stand anfangs der Schutz vorQuarzstaub im Vordergrund,weitete die ÖSBS ihren Wirkungsbereichin der Folge aufandere giftige oder krebserzeugendeStäube, z. B. Asbest, aus.Heute wird die Arbeitsplatzatmosphäreauf Stäube, Dieselmotoremissionen,Fasern undFeinstpartikelkonzentrationenuntersucht; die Prävention derStaubbelastungen steht imVordergrund.BerufskrankheitenIn Österreich gilt derzeit einArbeitsplatzgrenzwert von 0,15mg/m 3 (Milligramm pro Kubikmeter).Mit 1. Jänner 2014wird dieser Wert, der zur Zeitnoch als Jahresmittelwert eingehaltenwerden muss, zu einemTagesmittelwert. Während inGroßbritannien ein Grenzwertvon 0,3 mg/m 3 als ausreichendangesehen wird, gilt in Italienein Wert von 0,05 mg/m 3 , alsonur ein Drittel des Wertes inÖsterreich. In Deutschland istüberhaupt kein Arbeitsplatzgrenzwertfestgelegt, da dortQuarzstaub als krebserzeugendgilt und daher die Expositionjedenfalls so gering wie überhauptmöglich gehalten werdenmuss.Aber nicht nur die einzelnenStaaten sind bei der Bekämp-Silikose oder Siliko-Tuberkuloseweiter auf Seite 28 ➔In Österreich wurden von 2000 bis 2011 insgesamt 460Fälle von Silikose oder Siliko-Tuberkulose als Berufskrankheitenanerkannt, 134 Fälle (etwa 30%) davon verliefentödlich. Diese Zahlen sind um einiges geringer als in den1950er und 1960er Jahren, als jährlich mehrere hundertFälle anerkannt wurden. Noch weiter verbreitet warSilikose in den 1920er und 1930er Jahren, als es Bergbauregionengab, wo fast 60% der Bergleute nach höchstens15 Berufsjahren erkrankt waren. Zu dieser Zeit erlebten nurdrei Prozent der Bergleute das 60. Lebensjahr, das durchschnittlicherreichte Lebensalter lag bei 47 Jahren.Silikose und Siliko-TuberkuloseSilikose und Siliko-Tuberkulose sind schon in der Stammversion desAllgemeinen Sozialversicherungsgesetzes (ASVG) aus dem Jahr 1955 alsBerufskrankheiten aufgelistet. Seit 1. Jänner 2013 ist auch Lungenkrebs inFolge von Silikose als Berufskrankheit anerkannt.Weltweites ProgrammDie Welt-Gesundheitsorganisation (WHO) und die InternationaleArbeitsorganisation (ILO) haben 1995 gemeinsam ein Programm zurweltweiten Verminderung und schließlich Verhinderung von Silikosegestartet.www.arbeiterkammer.at <strong>Wirtschaft</strong> & <strong>Umwelt</strong> 4/2013 Seite 27


BetriebEU-RechtSozialpartner-AbkommenSeit dem Vertrag von Maastrichthaben die Sozialpartnerauf EU-Ebene das Recht, imBereich der SozialgesetzgebungVereinbarungen auszuhandeln,die wie EU-Rechtwirken. Gelangen die Sozialpartnerzu einer Einigung,können sie deren Umsetzungdurch eine Richtlinie beantragen.Der EU-Rat kann sie miteiner qualifizierten Mehrheitentweder annehmen oderablehnen, er kann jedochkeine Änderungen vornehmen.Das EU-Parlament wirdinformiert, ist jedoch keinMitgesetzgeber. Könnensich die Sozialpartner nichtauf Gespräche verständigenoder gelangen sie zu keinerEinigung, kann die EU-Kommissionmit ihrem Gesetzgebungsvorschlagfortfahren.Bisher wurden neben demQuarzstaub-Abkommen achtderartige Abkommen ausgehandelt,u.a. zu Telearbeit,zu arbeitsbedingtem Stress,zu Belästigung und Gewaltam Arbeitsplatz, aber auchzu Mindestanforderungen fürVerträge von Fußballprofis.➔ fung von Silikose tätig,auch auf EU-Ebene könnenim Rahmen des ArbeitnehmerInnenschutzrechtsRegelungengetroffen werden,die dann zumindest einenMindeststandard in der EUdarstellen. So wurde undwird diskutiert, einen verbindlichenGrenzwert fürQuarzstaub in die Richtlinieüber die Gefährdung der Arbeitnehmerdurch Karzinogene(krebserzeugende Arbeitsstoffe)aufzunehmen.Das Wissenschaftliche Komiteefür die Festlegung vonArbeitsplatzgrenzwerten(SCOEL), das aus Toxikologenbesteht und die EU-Kommission berät, sprachsich 2003 für die Festlegungeines Grenzwertes unter0,05 mg/m 3 aus.Doch die Industriefürchtete einen derartigenGrenzwert, der ein Mindestniveaudes Schutzes inallen Mitgliedstaaten festlegenwürde. Daher setzte siesich dafür ein, dass ein alternativerWeg beschrittenwürde, den der EU-Vertragermöglicht, nämlich einSozialpartner-Abkommenzwischen Arbeitgeber- undArbeitnehmerverbänden anStelle einer EU-Richtlinie(siehe Kasten 28). Mitdiesem Abkommen, das2006 abgeschlossen wurde,gelang es der Industrie,die Festsetzung einesEU-weiten Grenzwertesvorerst zu verhindern. Nurder Bausektor trat demAbkommen nicht bei: DieEuropäische Bau- undHolzarbeitergewerkschaft(EFBWW) argumentierte,dass das Abkommen lediglichdazu diene, strengeregesetzliche Schutzmaßnahmenzu verhindern.EU-Grenzwert nötigDie Europäische Bau-Holz-Gewerkschaft behieltdiese Position seither konsequentbei und sprach sichklar für eine Aufnahme vonQuarzstaub in die Richtlinieüber krebserzeugendeArbeitsstoffe und für dieFestlegung eines Grenzwertesvon 0,05 mg/m 3 aus.Die gleiche Position wirdauch vom EuropäischenGewerkschaftsbund (EGB)vertreten.Ein EU-weiter Grenzwertfür Quarzstaub in derRichtlinie über krebserzeugendeArbeitsstoffe wäreein wichtiger Schritt imKampf gegen Silikose undgegen Silikose-bedingtenLungenkrebs. Zumindestin Europa könnten dieseschrecklichen und ofttödlichen Krankheiten baldder Vergangenheit angehören.Und dies könnte auchein Beispiel für andereLänder sein, in denen derKampf gegen Silikose erstbeginnt. £EU-Kommission: ArbeitnehmerInnenschutz auf Eis gelegtDie EU-Kommission überraschte Anfang Oktober mit der Mitteilung „REFIT – Fitfür Wachstum“. Darin demonstriert sie wieder ihre derzeitige neoliberale Grundeinstellung,dass gesetzliche Regeln schlecht für das <strong>Wirtschaft</strong>swachstum seien. Soverbergen sich hinter der Mitteilung ungeahnte Einschnitte für ArbeitnehmerInnen.Die EU-Kommission will z.B. ein von den EU-SozialpartnerInnen verhandeltesÜbereinkommen, das Verbesserungen für die Gesundheit und Sicherheit für FriseurInnengebracht hätte, nicht dem Rat zur Beschlussfassung vorlegen. Weiterswill sie die Weiterarbeit an der Richtlinie über krebserzeugende Arbeitsstoffe aufEis legen. Die AK hat ein entsprechend kritisches Positionspapier veröffentlicht:www.akeuropa.eu/de/?cmp_id=7&news_id=1852fotos: schuh (1), fotolia/auremar (1)Seite 28 <strong>Wirtschaft</strong> & <strong>Umwelt</strong> 4/2013www.ak-umwelt.at


medienwebsite: klimawandelcliMate changecollaboratorYfilmfrieDlich in DiekatastropheDokumentarfilm vonMarcin El. Eine No-budget-Produktion von HolgerStrohm, D-2012; 120 min;PAL; 16:9.In den 1970ern erschien unterdem Titel „Friedlich in die Katastrophe“ein Buch von HolgerStrohm, das zur „Bibelder Anti-Atomkraft-Bewegung“(Der Stern) wurde.Nun brachte derAutor mit einemjungen Filmteamdie kritische Auseinandersetzungmit der Atomkraftaktualisiertals Kinofilm undDVD heraus.Ähnlich wie dasBuch setzt sichder Film kenntnisreichmit den zahlreichenFolgen der Atomspaltung auseinander.Thematisiert werden<strong>Umwelt</strong>- und Gesundheitsschäden,Atommüll,alternative Energien, Atompolitik,Reaktorsicherheit, dieFolgen eines Unfalls und derWiderstand der Bevölkerung.Führende Experten der Politik,der Wissenschaft und derBürger initiativen gewährendabei Einblicke in Bereiche,die allzu gerne übersehen werden.Wer diesen Film gesehenhat, kann unmöglich noch fürAtomkraft sein. www.friedlich-in-die-katastrophe.de/info LEIbuchgesUnDheitfür alleDas Projekt „Climate Change Collaboratory“ (Triple-C) fördert die Kommunikation und Zusammenarbeitvon Akteuren, die im Bereich Klimawandel arbeitenund entwickelte hierfür spezielle Tools, um dasExpertInnenwissen sowie Dokumente und Berichteinteraktiv zu erstellen und allgemein zugänglich zumachen. Zu den wesentlichen Innovationen desProjektes zählt eine kontext-abhängige Autorenumgebungzum gemeinschaftlichen Erstellen vonDokumenten. Diese Tools werden unter anderemauf sozialen Netzwerkplattformen eingesetzt, um<strong>Umwelt</strong>bewusstsein, Lebensstile und<strong>Umwelt</strong>verhalten zu analysieren. Die Verwertungvon Projektergebnissen erfolgtauch über eine öffentliche Web-Plattform:www.ecoresearch.net/triple-c LEIInitiative SolidarischG‘sund (Hg.): Gesundheitfür alle! Mandelbaumverlag,Kritik & Utopie, Intro,Wien 2013.Nach 30 Jahren neoliberalerVerwüstungen ist das Ge-sundheitswesen nunauch von der Schuldenkrisedes Kapitalismusbedroht. Diebereits extreme sozialeUngleichheitnimmt noch weiterzu. Dabei zeigtdie Forschung, dassder allgemeine Gesundheitszustandeiner Gesellschaftvor allem von sozialer Gleichheitabhängt. Das Buch erklärtwissenschaftliche Erkenntnissedazu und zieht politischeSchlussfolgerungen- gegen die Mythen in der Gesundheitsdebatte.Die Dominanzder Pharmakonzerne, dieaus Gesundheit eine Ware machen,wird kritisch beleuchtet,ebenso wie die Problematikder interventionistischenGeburtshilfe und die neoliberaleVeränderung der Psychiatrie.Das Buch stellt dieGrundlinien des Gesundheitswesensin Deutschland undÖsterreich dar, beschreibtdie Folgen der Privatisierungundwww.mandelbaum.at/books/806/7458 LEIKommerzialisierung.buchWas allengehÖrtArmutskonferenz(Hg.): Was allengehört. Commons –Neue Perspektiven in derArmutsbekämpfung. ÖGB-Verlag, Wien 2013.Was sind Commons und washaben sie mit Armutsbekämpfungzu tun? Aufbauendauf den Arbeiten der <strong>Wirtschaft</strong>snobelpreisträgerinElinorOstrom wird im vorliegendenBuch die Bedeutungder gemeinschaftlichen Organisationvon Gemein- undAllmendegütern für gerechtereGesellschaften, bessereVerteilung und mehr Teilhabeuntersucht. Gebrauchen,Zusammenarbeiten, Teilenund Beitragen – das sind diezentralen Commons-Prinzipien.Es gehtdarum, gemeinsamRessourcenzu nutzenund zu pflegen,Regeln auszuhandeln,sichdie Welt anzueignen,ohnesie in Besitz zu nehmen. Commonseröffnen einen Perspektivenwechsel,der neue Lösungenmöglich macht. http://wasallengehoert.at LEIWebportal: „Stoppen wir den Ökozid“Mitte Jänner 2014 endet die Eintragungsfrist zur Europäischen Bürgerinitiative„Stoppen wir den Ökozid“ gegen die Zerstörung von Ökosystemenwie zum Beispiel im Amazonas-Regenwald (Belo Monte-Staudamm). Unterschreibenunter: www.endecocide.eufilm: population BoomDer neuer Film von Werner Boote (Plastic Planet) fragt: Sind schwindendeRessourcen, giftige Müllberge, Hunger und Klimawandel eine Folge derÜberbevölkerung? Wer von uns ist zuviel? Wer oder was treibt dieses Katastrophenszenarioan? www.populationboom.atwww.arbeiterkammer.at<strong>Wirtschaft</strong> & UmWelt 4/2013 Seite 29


LebenDie Frage, ob elektromagnetische Felder (EMF) des Mobilfunks die Gesundheitvon Menschen beeinträchtigen können, kann trotz vieler wissenschaftlicherStudien der letzten Jahre nicht abschließend beantwortetwerden. Es gibt aber Hinweise, die einen vorsichtigeren Umgang mitMobiltelefonen als ratsam erscheinen lassen. Von Hamid Molla-Djafari*Mobilfunk: ElektromagnetischeFelderZusammenfassung:Die derzeitigen Grenzwertefür elektromagnetischeFelder (EMF)schützen vor schädlicherErwärmung von Körpergewebe.Die athermischenund Langzeitwirkungenvon EMF werden bisherin den Normungsgremienals nicht ausreichend abgesichertangesehen unddaher in den Grenzwertennicht berücksichtigt.Derzeit können nur Präventionsmaßnahmenundein vernünftiger Gebrauchvon Handys vor eventuellenGesundheitsrisikenschützen!etreffend der Wirkungvon elektroma-Bgnetischen Feldern(EMF) auf den menschlichenKörper gibt es eine klassischeSichtweise, die sichim Wesentlichen auf zweikurzzeitige Hauptwirkungsartenstützt: Reizwirkungenim Niederfrequenzbereich undthermische Wirkung im Hochfrequenzbereich,wobei sichbeide Wirkungen im Mittelfrequenzbereichüberschneiden;die Langzeitwirkungen werdenin dieser Sichtweise nichtberücksichtigt. Die Grenzezwischen diesen Bereichen istje nach Norm bzw. Regelwerkverschieden.EMF-Felder,StrahlungGrob kann man EMF miteiner Frequenz bis zu einigenzehn Kilohertz (kHz) zurNiederfrequenz (NF) zählen,Strahlung bis zu einigen zehnMegahertz (MHz) zur Mittelfrequenz(MF) und Strahlungbis zu einigen Hundert Gigahertz(GHz) zur Hochfrequenz(HF). Die Bezeichnung Hertzist die Einheit für Frequenz.Sie gibt die Anzahl sich wiederholenderVorgänge pro Sekundein einem periodischenSignal an. Namensgeber derEinheit ist der deutsche PhysikerHeinrich Hertz.WirkungenMit Reizwirkung ist dieReizung von Muskel- undNervenzellen durch die Expositionin einem NF-Feld,aber auch die Wahrnehmungsensorischer Phänomene wiez.B. Phosphene gemeint.Unter thermischer Wirkungversteht man die Erwärmungvon Körpergewebe bei Expositionin einem HF-Feld,ein Phänomen, das manleicht beim Mikrowellenherdbeobachten kann. Die Reizundthermischen Wirkungenbilden im Wesentlichen derzeitdie Basis für die Grenzwertezum Schutz von Menschenin EMF in Gesetzen undNormen.Bei vielen wissenschaftlichenUntersuchungen vonMobilfunkstrahlen in den letztenJahren wurden aber auchandere Effekte beobachtet, dienicht zu den oben genanntenHauptwirkungsarten zählenund auch unterhalb der derzeitigenGrenzwerte auftretenkönnen. Da diese Effekte nichtmit Reizung oder Erwärmungvon Gewebe erklärbar sind,werden sie als athermischeoder Niederdosiseffekte bezeichnet.Die Frage ist: Können dieseEffekte auf lange Sicht die Gesundheitbeeinträchtigen? Wiesoll man mit ihnen umgehen?Wie kann man sie vermeidenund damit ein möglichesRisiko gezielt reduzieren?Zunächst aber einige Erläuterungenzu wissenschaftlichenUntersuchungsmethoden indiesem Bereich.FOTOS: Schuh (3)* Dipl.-Ing. Dr. Hamid Molla-Djafari ist Physiker und Prüferund Gutachter in der Abteilung fürUnfallverhütung und Berufskrankheitenbekämpfungder AllgemeinenUnfallversicherungsanstalt AUVA.Seite 30 <strong>Wirtschaft</strong> & <strong>Umwelt</strong> 4/2013Internationale FachgremienZu diesen Gremien gehören unter anderem die Internationale Kommission zumSchutz vor nicht ionisierender Strahlung (ICNIRP), die Weltgesundheitsorganisation(WHO) oder die deutsche Strahlenschutzkommission (SSK).www.icnirp.org www.who.int www.ssk.dewww.ak-umwelt.at


lebeNtipps zum handy-telefonierenrisiko-MiniMierUngEgal, wie das Handy genutzt wird: Pausen einlegen!Wählen Sie ein Handymit niedrigem SAR-Wertund Connect-Strahlungsfaktor.Infos: www.handywerte.de und www.bfs.de/bfs; verwenden SieLautsprecher, Headsetbzw. Bluetooth; benützenSie für lange Gesprächedas Festnetz; tragenSie Ihr Handy in derHandtasche und nicht amKörper, vor allem, wennSie in Bewegung sind(Auto, Zug etc.); im Auto:Lautsprecher aktivieren.Noch besser: Mikrofonmit Außenantenne;halten Sie während desVerbindungsaufbaus dasHandy nicht an den Kopf;telefonieren nur bei gutemEmpfang, also z. B. nichtim Keller oder Aufzug;SMS statt telefonieren;wenn Sie lange telefonierthaben, legen Sie eine ca.zweistündige Pause ein.Eine Risikobeurteilungzu gesundheitlichen Auswirkungenberuht stets aufErgebnissen aus vier wissenschaftlichenStudientypen, diegemeinsam zu berücksichtigensind:¾ Laborstudien an Zellenund Geweben, sogenannteIn-vitro-Untersuchungen,bei denen menschliche bzw.tierische Zellen oder Gewebeim Labor exponiert und untersuchtwerden. Sie zeigen Wirkmechanismenund kausaleZusammenhänge zwischenExposition und Wirkung, dieauch im lebenden Menschenauftreten können.¾ Tierversuche, bei denenTiere kurz- oder langfristigden Mobilfunkstrahlen ausgesetztwerden.¾ Provokationsstudien (invivo Untersuchungen), beidenen Menschen meist überkurze Zeit exponiert werdenund bestimmte psychische undphysische Reaktionen gemessenwerden.¾ Epidemiologische Untersuchungen,bei denen derZusammenhang mit Erkrankungenoder psychischen undphysiologischen Veränderungenin größeren Beobachtungsgruppenstudiert wird.Erst die Zusammenschauder Ergebnisse aus allen vierStudientypen durch unabhängigeExperten bzw. nationaleund internationale wissenschaftlicheFachgremienerlaubt die Evaluierung derErgebnisse bzw. die Herausgabevon Empfehlungen fürdie Grenzwertfestlegung derEMF des Mobilfunks. Nebenathermischen Wirkungen imneurologischen Bereich und imzentralen Nervensystem – z. B.Änderungen von Hirnströmen(EEG), kognitiven Funktionenund Reaktionsvermögen, dienach heutigem Wissen keinenKrankheitswert aufweisen –fand man bei der Untersuchungvon menschlichen Zellen emp-findliche und unempfindlicheZellarten. Bei den empfind-lichen Zellen führte die Exposition,abhängig von Dauer undIntensität, zu gentoxischen Effektenwie z.B. DNA-Brüchenin den Chromosomen und alsFolge davon Mikrokernbildungin den Zellkernen sowie Genmutationen.Dies sind Effekte,die auf lange Sicht eine Erhöhungdes Krebsrisikos bedeutenwürden. Auf Grund dieserund anderer Beobachtungenhat die Internationale Krebsforschungsagentur(IARC)der Weltgesundheitsorganisation(WHO) in ihrer Sitzung imMai 2011 hochfrequente EMFals „möglicherweise krebserregendfür den Menschen“(Klasse 2B) eingestuft.präVentionAls präventive Maßnahmenzur Risikominimierung gibtdie Allgemeine Unfallversicherungsanstalt(AUVA) daherzehn Handytipps (siehe Kasten).Für die Risikominimierunghinsichtlich Strahlen derortsfesten Sendeanlagen (z.B.Mobilfunk-Basisstationen) seiauf den „Leitfaden Senderbau“im Internet hingewiesen. £Die Who hat iM Mai 2011 hochfreQUente eMfals MÖglicherWeise krebserregenD für DenMenschen eingestUftWHO-KrebswarnungIARC classifies radiofrequency electromagneticfields as possibly carcinogenicto humans, Press Release N° 208,31 May 2011www.arbeiterkammer.at <strong>Wirtschaft</strong> & UmWelt 4/2013 Seite 31


KontroÖffentlicher Verkehr: AusschrPROGut ausgebildetes und hoch motiviertes Personal verbessertauch Sicherheit und Kundenzufriedenheit.Mag. Joachim Leitner*m Bereich des gemeinwirtschaftlichen öffentlichenPersonenverkehrs geht seit einiger Zeit der Trend wegIvon der Direktvergabe und hin zu Ausschreibungen,sodass nun neben den angestammten Auftragnehmern verschiedeneUnternehmen aus ganz Europa um einen Auftragkonkurrieren dürfen. Im Busverkehr sind wettbewerblicheVerfahren bereits verpflichtend, im Schienenverkehr bestehtnoch die Möglichkeit der Direktvergabe.Ein Hauptzweck des Vergaberechts ist, öffentliche Stellenzum sparsamen Umgang mit Steuergeld zu verpflichten, alsoden insgesamt günstigsten Anbieter zu ermitteln. Dies wurdeleider oft verkürzt betrachtet, sodass „Billigstbieter“ fast automatischden Zuschlag bekamen. Dabei wird übersehen, dassder Preis durchaus nicht das einzige Kriterium ist, das für dieVergabe definiert werden kann.Das Spannungsfeld ist dreigeteilt: Die Auftraggeber suchendas günstigste Angebot. Die Bieter, also Unternehmer, wollenmöglichst viele Ausschreibungen gewinnen, um Aufträgezu lukrieren. Den ArbeitnehmerInnen geht es darum, dass derWettbewerb nicht auf ihrem Rücken ausgefochten wird. Legendie Auftraggeber nämlich zu viel Wert auf den Preis undberücksichtigen soziale und qualitative Kriterien zu wenig,entsteht ein reiner Preiswettbewerb, den natürlich der Bietermit den geringsten Kosten gewinnt. Und da deren Löwenanteilim öffentlichen Verkehr die Personalkosten darstellen,sind Lohn- und Sozialdumping vorprogrammiert.Sozialer Fortschritt darf keinWettbewerbsnachteil sein!Dabei geht es auch ganz anders: Der Bewerber, der seinenMitarbeiterInnen die besten Arbeitsbedingungen bietet, sollteauch dafür nach oben gereiht werden. Dazu gehören einerseitsinnerbetrieblich erreichte Leistungen wie eine Überzahlung desKV oder spezifische Betriebsvereinbarungen zu Aus- und Weiterbildungsangeboten,Sozialleistungen und Zulagen. Andererseitsgeht es darum, Bieter zu bevorzugen, die einen größerenAnteil an erfahrenen MitarbeiterInnen haben, auch wenn diesemeist in einer höheren Gehaltsklasse sind. Ferner sollte auchauf so profan erscheinende Dinge wie etwa die Menge, Größeund Ausstattung von Pausen- und Sanitärräumlichkeiten geachtetwerden. Davon profitieren nicht nur direkt die betroffenenArbeitnehmerInnen, sondern auch die Fahrgäste, die motivierteresund besser ausgebildetes Fahrpersonal antreffen. Andersgesagt: Dem höheren Preis für ein sozialverantwortlich wirtschaftendesUnternehmen steht in der Regel auch eine qualitativbessere Leistung gegenüber, das Preis-Leistungs-Verhältnis istdaher oft sogar besser als beim klassischen „Billigstbieter“.Wird die Erfüllung der Sozialkriterien bei der Vergabeentscheidungberücksichtigt, ergibt sich im Zusammenspiel mitQualitäts- und Kostenkriterien ein ökologisch, ökonomischund sozial ausgeglichenes „Gesamtpaket“. Natürlich erfordertdies einen höheren Aufwand für die Auftraggeber, sowohl beider Vorbereitung als auch bei der Durchführung der Ausschreibung.Alles, was gefordert wird, muss schließlich auchzumindest stichprobenartig kontrolliert werden.Hier ist die öffentliche Hand gefordert, verbindliche Regelungenzu treffen und ausreichend Mittel zur Verfügung zustellen, denn schließlich geht es im öffentlichen Verkehr österreichweitum über 80.000 Beschäftigte.*Mag. Joachim Leitner ist Juristund Mitarbeiter der Abteilung<strong>Umwelt</strong> & Verkehr in der AK Wien.Ausschreibungen im öffentlichen VerkehrLeitfaden für Qualitäts- und Sozialkriterien. Ziel dieses Leitfadens ist es, sozialeRahmenbedingungen zu vereinbaren, die bei zukünftigen Ausschreibungengreifen. Ohne Qualitätskriterien sind Preisvergleiche nicht möglich!www.arbeiterkammer.at/service/zeitschriftenundstudien/zeitschriften/verkehrundinfrastruktur/Ausschreibungen_im_oeffentlichen_Verkehr.htmlSeite 32 <strong>Wirtschaft</strong> & <strong>Umwelt</strong> 4/2013 www.wirtschaftundumwelt.atFoto: fotolia/ piccaya


verseeibungen mit Sozialkriterien?CONRegulierter Wettbewerb bietet die Möglichkeit, aufQualität, Angebot und Standards gestaltend einzuwirkenMag. Wolfgang Schroll*er Wechsel von der Direktvergabe zur AusschreibungDist viel mehr als nur ein Trend und auf gesetzliche Rahmenbedingungenzurückzuführen, die sich mit Einführungder „Public Service Obligation“ (PSO) auf internationalerBasis und dem Bundesvergabegesetz auf nationaler Basisgeändert haben. Die von der Bundesverfassung vorgegebenesparsame, wirtschaftliche und zweckmäßige Haushaltsführungist von den öffentlichen Auftraggebern einzuhalten. Sparsamesund effizientes Agieren darf bei Ausschreibungen nicht mit demBilligstbieter-Prinzip verwechselt bzw. gleichgesetzt werden.Vielmehr wird im VOR auf ein Bestbieterprinzip mit Qualitätskriteriengesetzt. Der regulierte Wettbewerb bietet die Möglichkeitunmittelbar auf Qualität und Angebot gestaltend einzuwirkenund innerbetriebliche Standards vom betriebsführendenUnternehmen einzufordern.Ausschreibungen schaffen natürlich ein Spannungsfeld zwischenAuftraggeber und Verkehrsunternehmen, daher werdenauch bewusst jene Betreiber gesucht, die über ein leistungsfähigesund gesundes Unternehmen verfügen. Es ist wichtig bereitsin der ersten Stufe geeignete Unternehmen herauszufiltern,um etwaige Notmaßnahmen im Falle eines Fehlverhaltens, etc.zu vermeiden. Daher werden zur Umsetzung des Fahrplanangebotesauch gute betriebliche Rahmenbedingungen vorausgesetzt,unter denen MitarbeiterInnen gerne arbeiten und die sozu einem reibungslosen Ablauf und zufriedenen Fahrgästenbeitragen. Ein erfahrenes und zufriedenes Personal ist ein wichtigerErfolgsfaktor im öffentlichen Verkehr. Bewerber, die ihrenMitarbeiterInnen sehr gute Arbeitsbedingungen bieten, sindbei der Auswahl als Auftragnehmer durchaus positiv hervorzuheben.Doch die Suche nach einem geeigneten Betreiber stelltauch für den Auftraggeber eine große Herausforderung dar,denn Sozialkriterien eignen sich zur Klassifikation als Referenz,d.h. als Blick in die Vergangenheit, während der Zuschlagauf ein „Versprechen in die Zukunft“ erteilt wird – konkretauf die Qualität des Angebots. Dies zieht jedoch einen hohenPrüfungsaufwand mit sich, und eine Garantie auf Umsetzungdurch die Unternehmen ist damit aber noch lange nicht gesichert.Daher wird die Qualität der Leistungserbringungen nachder Ausschreibung laufend überprüft. Pönaleregelungen sorgenfür ein entsprechendes Eigeninteresse der Unternehmen an derErbringung der vereinbarten Leistungen.Ein ökologisch, ökonomisch und sozial ausgeglichenes „Gesamtpaket“ist auf alle Fälle wünschenswert. Doch stellt diesden Auftraggeber vor erhebliche Schwierigkeiten: Wie genaujene Maßstäbe finden, nach denen Sozialkriterien objektiv vergleichbargemacht werden können? Punkterelevante Kriterienmuss der Auftraggeber in Vergabeverfahren auch überprüfenkönnen. Die Überprüfung der Einhaltung von Sozialstandardsist aber bereits durch staatliche Behörden gewährleistet. Um dieEinhaltung der Sozialkriterien überprüfen zu können, müssteVOR Einblick in Personaldaten oder auch Gehaltsverrechnungder einzelnen MitarbeiterInnen des Verkehrsunternehmens haben.Dies verbietet jedoch der Datenschutz. Daher werden beiAusschreibungen von den Unternehmen nur jene Kriterien gefordert,die VOR unter diesen Rahmenbedingungen auch kontrollierenkann.Erfahrenes Personal ist Erfolgsfaktorim öffentlichen VerkehrPublic Service Obligations (PSO)Mit dieser EU-Richtlinie ist das System der Finanzierung des öffentlichen Verkehrsin Österreich nur eingeschränkt kompatibel. Die PSO sieht grundsätzlichAusschreibungen vor, wenn Dienstleistungen mit öffentlichen Geldern finanziertwerden. Mehr unter: www.vida.at/servlet/ContentServer?pagename=S03/Page/Index&n=S03_12.7.a&cid=1301911447184Mag. Wolfgang Schroll istGeschäftsführer des VerkehrsverbundOst-Region (VOR).www.arbeiterkammer.at <strong>Wirtschaft</strong> & <strong>Umwelt</strong> 4/2013 Seite 33


wiSSeNSchAftVor 15 JahrenzU langeVerfahren?Die <strong>Wirtschaft</strong> & <strong>Umwelt</strong>4/98 untersucht die Wünschenach Deregulierungund kürzeren Verfahren imAnlagenrecht. Ziel ist meistdie Beschneidung vonParteirechten, deren Wert fürRechtssicherheit, Verfahrensverbesserungund Kontrollebis heute unterschätzt wird.„Es ist mittlerweile erwiesen,dass Nachbarnim Durchschnitteinen äußerstgeringen Einflussauf die Länge desVerfahrens haben.Sie kommenweder in Heerscharenzu denVerhandlungen,noch legen sieständig Berufung ein: Vonden drei Prozent Berufungenstammt ein Drittel von denAntragstellern selbst, weilihnen die Auflagen zu scharferscheinen. Andererseits istoffenkundig, dass Verfahren,an denen mehrere Mitspielerteilnehmen, besser vorbereitetund mehr Argumente bedachtwerden. Ein Umstand,der auch dem Unternehmerim Hinblick auf die Sicherheitzugute kommt. Nachbarn ausden Verfahren rauszuschmeißen,kann also den Ablaufnicht wesentlich beschleunigen.[…] Was ist aber dannder Grund für die ständigfortschreitende Beschneidungvon Parteirechten […]?Neben völlig unvernünftigemFreund-Feind-Denken ist esmöglicherweise der Wunsch,das Kontrollgewissen derBehörden nicht anzuregen.“leoSeite 34 <strong>Wirtschaft</strong> & UmWelt 4/2013frühzeitiger Verschleiß –Pech oder Programm?Immer mehr KonsumentInnen beschweren sich über Produkte, dieknapp nach Ablauf der Gewährleistungsfrist kaputt gehen und sichauch nicht mehr reparieren lassen. Einfach Pech oder doch Absicht?Es gibt mittlerweile viele Hinweise darauf, dass es sich nicht immerum Zufall handelt, sondern frühzeitiger Verschleiß programmiert ist.ür diesen vorzeitigenFVerschleiß gibt esauch einen Begriff, nämlich„geplante Obsoleszenz“.Jede/r zweite befragte ÖsterreicherInmeint in einerOnline-Umfrage, dass dieLebensdauer von Produktenkünstlich verkürzt wird. 75Prozent der Befragten nennenals häufigste Produkte,bei denen ein eingebautesvorzeitiges Ablaufdatum34 neue Aus- und Weiterbildungsstandardsfür Bus- und LKW-Lenkerinnen.Was kommt auf Lenkerinnen, Unternehmerinnen,Ausbildnerinnen undprüferinnen zu? Tagungsband, 200835 LKW-maut für die <strong>Umwelt</strong>? Handlungsspielräumeund Strategien im eU-Kontext auf dem prüfstand, Tagungsband,Franz Greil (Hrsg.), 200936 regionale Arbeitsweg-Barrierenin der ostregion. Auswertung derOnline-Umfrage „Pendler/in amWort“. Thomas Hader, 200937 privatisierung der Verkehrsinfrastruktur.Erfahrungenmit Public Private Partnership(PPP) in Österreich undEuropa. Tagungsband, 200938 Leitfaden für Ausschreibungen imöffentlichen Verkehr. QualitätsundSozialkriterien. AnnaDaimler, Doris Unfried. Studie, 200939 Arbeitsweg-Barrieren in der ostregionGeschlechtsspezifische undsoziale Hindernisse. Auswertungder Online Umfrage „Pendler/in amWort“ Thomas Hader, 2009vermutet wird, elektronischeUnterhaltungsgeräte.Gerne wird behauptet,dass die KonsumentInnenselber schuld sind, weil siebilligere Produkte wollen.Oft aber wären haltbarereBauteile nicht oder nur geringfügigteurer. Viele Prüfungenvon unabhängigenTestmagazinen zeigen, dassQualität nicht teurer seinmuss. Und es geht auch umak studienreihe: Verkehr und infrastrukturbestellung als hardcopy unter wirtschaft.umwelt@akwien.at40 LKW-Stellplatzbedarf im hochrangigenösterreichischen StraßennetzÖsterreichisches Institut fü r Raumplanung,201041 pendlerinnen und infrastruktur-Ausbau in der ostregion Ergebnisseder AK-Befragung 2009/2010Thomas Hader, 201042 mangelware LKW-parkplatz.Perspektiven und Lösungenfür den Arbeitsplatz Autobahn.Tagungsband, 201043 tourismus in Österreich 2011:mit einer Sonderauswertungdes ÖsterreichischenArbeitsklimaindex Kai Biehl,Rudolf Kaske (Hrsg.), 201144 Lkw-geschwindigkeitsverhalten aufAutobahnen: Erhebung und Analyseder Lkw-Geschwindigkeiten aufausgewählten Streckenabschnittenösterreichischer Autobahnen.Studie, 201145 die Lkw-maut als Öko-SteuerVerursachergerechte Lösungengegen Lärm und Abgase.Tagungsband, 2012<strong>Umwelt</strong>schutz: KonsumentInnenwünschen sich durchauslanglebige und vor allemleicht reparierbare Produkte.So wird in der Online-Umfrage des Vereins fürKonsumenteninformationkritisiert, dass Reparaturenoft nicht möglich oder sehrteuer sind. „Reparieren stattwegwerfen“ ist ein immerstärker wachsendes Bedürfnisvon KonsumentInnen46 Berufslenkerinnen am Wort Befragungvon Lkw- und BuslenkerInnenzu Lenkzeitüberschreitungen,Sicherheit und Qualität von Rastanlagenund Erfahrungen mit derverpflichtenden Aus- und Weiterbildung,201247 Aktiv und selbstbestimmt zur ArbeitWarum der Arbeitsweg zu Fußund mit dem Rad die gesündereAlternative ist, was am Arbeitswegbesonders Stress macht und wiesubjektive Aspekte die Verkehrsmittelwahlbeeinflussen. JohannaSchaupp. Studie, 201248 problem Solidarhaftung im BundesstraßenmautgesetzVerfassungsrechtliche Analyse.Nicolas Raschauer. Studie, 201249 Öffentlicher Verkehr hat Zukunft!Herausforderungen undGefahren für den öffentlichen Nahverkehrin Österreich. Tagungsband,201350 Volkswirtschaftliche effekte der Liberalisierungdes eisenbahnpersonenverkehrsin Österreich, 2013www.ak-umwelt.atfoto: schUh (1)


WissenschaftGeplante Obsoleszenz ist nur die Spitzedes Eisbergs. Der Eisberg selbst heiSStkapitalistische Marktwirtschaft.Sepp Eisenrieglerdem seitens der Unternehmennicht ausreichend Rechnunggetragen wird.In der Fachtagung „Gekauftund schon kaputt“ der AKwurde das Thema der geplantenObsoleszenz von Wissenschafter-und ExpertInnen von verschiedenenSeiten beleuchtet.Renate Hübner vom Institutfür Interventionsforschungund Kulturelle Nachhaltigkeit(IKN) der IFF-Fakultät für InterdisziplinäreForschung undFortbildung der Alpen AdriaUniversität Klagenfurt fragte:„Was ist Geplante Obsoleszenz?“und referierte über diehistorische Entwicklung undTypologisierungen bis zurGegenwart. Sigrid Stagl vomInstitut für Regional- und <strong>Umwelt</strong>wirtschaftder <strong>Wirtschaft</strong>suniversitätWien behandelte dieProduktlebensdauer aus ökologisch-ökonomischerSicht.Peter Knobloch vom Institut fürDesign, Abt. Industrial Design2, Universität für angewandteKunst, kritisierte die fehlendeTransparenz der Technologienfür die KonsumentInnen undmachte Vorschläge zu derenVerbesserung. Die Ursachepsychologischer Obsoleszenzwar wiederum Thema des Referatsvon Eduard Brandstätter,Johannes Kepler UniversitätLinz, Abteilung für Sozial- und<strong>Wirtschaft</strong>spsychologie.„Den Murks an der Quellestoppen“ war das Motto derAusführungen und anschaulichenBeispiele von StefanSchridde, Initiator und Vorstandeiner deutschen Verbraucherschutzorganisationfürnachhaltige Produktqualitätund gegen geplante Obsoleszenz(www.murks-neindanke.de/verein).Der Tagungsband gibt einenkompakten Überblick überden Stand der konsumentenpolitischenDiskussion zumThema, geht auf ökonomischeund ökologische Problemeein und schlägt sowohl individuellewie auch politischeStrategien vor, die zu einernachhaltigen Produktverantwortungbeitragen und denÄrger über frühzeitig kaputteGeräte verringern können.Gekauft und schon kaputt. Leben ineiner Wegwerfgesellschaft? Fachtagungam 12. Juni 2013, ArbeiterkammerWien, Abteilung für KonsumentInnenpolitik.Download desTagungsbandes: http://media.arbeiterkammer.at/PDF/Tagungsband_Obsoleszenz.pdfAK Studienreihe: Informationen zur <strong>Umwelt</strong>politikAlle Studien können unter www.ak-umwelt.at als PDF heruntergeladen werden.167 Elisa Schenner EU und Wasserliberalisierung– Eine Analyse auf internationalerund europäischer Ebene, 2006169 Tony Musu REACH am Arbeitsplatz –Die potenziellen Vorteile der neuen europäischenChemikalienpolitik für dieArbeitnehmerInnen, 2006 (vergriffen)170 Franz Greil (Hrsg.) Feinstaub amArbeitsplatz Die Emissionen ultrafeinerPartikel und ihre Folgen für ArbeitnehmerInnen,Tagungsband, 2006171 Andreas Käfer, Judith Lang, MichaelHecht Luftverkehr und Lärmschutz –Ist-Stand im internationalen Vergleich– Grundlagen für eine österreichischeRegelung, 2006173 Franz Greil (Hrsg.) Welche Zukunft hatder Diesel? Technik, Kosten und <strong>Umwelt</strong>folgen,Tagungsband, 2007174 Werner Hochreiter (Hrsg.) Umsetzungder EU-<strong>Umwelt</strong>haftungsrichtlinie inÖsterreich, Tagungsband ergänzt umMaterialien und Hintergrunddokumentezum Diskussionsprozess, 2007175 Klimaschutz, Infrastruktur und Verkehr2007176 Cornelia Mittendorfer (Hrsg.) Die Strategische<strong>Umwelt</strong>prüfung im VerkehrsbereichTagungsband, 2008177 Cornelia Mittendorfer (Hrsg) Die UVPauf dem Prüfstand. Zur Entwicklungeines umkämpften Instruments Tagungsband,2008178 Werner Hochreiter (Hrsg) Die Umsetzungder EU-Umgebungslärmrichtlinie inÖsterreich Tagungsband, 2008179 Feinstaubproblem Baumaschine Emissionenund Kosten einer Partikelfilternachrüstungin Österreich. <strong>Umwelt</strong>bundesamt,2009180 Werner Hochreiter (Hrsg) Mehrweghat Zukunft! Lösungsszenarien für Österreichim internationalen Vergleich,Tagungsband, 2010181 Thomas Thaler Siedlungswasserwirtschaftin öffentlicher oder privater Hand.England/Wales, die Niederlande undPorto Alegre (Brasilien) als Fallbeispiele,2010182 Werner Hochreiter (Hrsg) Aktionsplanunggegen Straßenlärm – wie geht esweiter? Tagungsband, 2010, die Niederlandeund Porto Alegre (Brasilien)als Fallbeispiele183 Christoph Streissler (Hrsg.) Agrotreibstoffe– Lösung oder Problem? Potenziale,<strong>Umwelt</strong>auswirkungen und sozialeAspekte, Tagungsband, 2010184 Lkw-Tempolimits und Emissionen:Auswirkungen der Einhaltung derLkw-Tempolimits auf Autobahnen aufEmissionen und Lärm, Studie, 2011185 Gesundheitsrelevante Aspekte von Getränkeverpackungen.Studie, 2011186 Green Jobs. Arbeitsbedingungen undBeschäftigungspotenziale. Studie, 2012187 Die Zukunft der Wasserversorgung. DerZugang zu Wasser im Spannungsfeldzwischen öffentlichem Gut, Menschenrechtund Privatisierung. Tagungsband,2013188 Aktuelle Erkenntnisse zu hormonellwirksamen Substanzen. Tagungsbericht,2013Gratis bestellen unter:wirtschaft.umwelt@akwien.at oder bei:AK-Wien, Abteilung <strong>Umwelt</strong> & Verkehr,Prinz-Eugen-Straße 20-22, 1040 Wien,Tel: 01/50165-2404AK-TippGeplanteObsoleszenzRenate Hübner: GeplanteObsoleszenz. Die WorkingPapers Verbraucherpolitik,Verbraucherforschung, Mai2013.Das Diskussionspapier bereitetdie viel diskutierte Thematikder vorzeitigen Produktalterungsachlich auf und stellt einigeMöglichkeiten vor, wie man mitdiesem Phänomen umgehenkann. media.arbeiterkammer.at/wien/PDF/studien/Geplante_Obsoleszenz_neu.pdfwww.arbeiterkammer.at <strong>Wirtschaft</strong> & <strong>Umwelt</strong> 4/2013 Seite 35

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!