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Die Club of Rome-Schule - Entwicklung eines neuen Schulmodells

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1Otto H<strong>of</strong>mann, Oberstudiendirektor a. D.<strong>Die</strong> <strong>Club</strong> <strong>of</strong> <strong>Rome</strong>-<strong>Schule</strong> - <strong>Entwicklung</strong> <strong>eines</strong> <strong>neuen</strong> <strong>Schulmodells</strong>?<strong>Die</strong> Geschichte der deutschen Pädagogik zeigt – wie auch die allgemeine Geschichte unseresLandes - Phasen des Niedergangs, der geistigen Verwahrlosung und Zeiten des Neubeginns,des pädagogischen Aufbruchs. Ich denke in diesem Zusammenhang z.B. an dieEntmündigung und Manipulation des Individuums im 3. Reich, an die vorausgegangeneinnovative Reformpädagogik der Weimarer Zeit oder an die Gesamtschulbewegung derspäten sechziger und siebziger Jahre des 20. Jahrhunderts.Der PISA-Schock hat in Deutschland zu einem Aktivismus auf bildungspolitischer Ebenegeführt, aber auch punktuell sinnvolle Veränderungen in den verschiedenen Bundesländerneingeleitet bzw. verstärkt (vergleichbare Leistungsstandards, <strong>Entwicklung</strong> von mehrLernkompetenz beim Schüler, mehr Fremdsprachenunterricht in der Grundschule, mehrfrühkindliche Förderung). Das, was aber nach Meinung des <strong>Club</strong> <strong>of</strong> <strong>Rome</strong> Deutschland u.a.fehlt, ist ein in sich geschlossenes pädagogisches Gesamtkonzept, ein Konzept aus einemGuss, das in die Zukunft weist und kein Flickwerk ist. Das Schulmodell des <strong>Club</strong> <strong>of</strong> <strong>Rome</strong> istvon deutschen und ausländischen Pädagogen, von Vertretern der Wirtschaft und vonHochschullehrern erarbeitet worden.Pr<strong>of</strong>essor Meyer-Dohm, ein Mitarbeiter des <strong>Club</strong> <strong>of</strong> <strong>Rome</strong> in Deutschland, früherer Pr<strong>of</strong>essorfür Volkswirtschaftslehre und Bildungsökonomik an der Universität Bochum und spätererLeiter des Zentralen Bildungswesens bzw. der Personalentwicklung bei der Volkswagen AGin Wolfsburg, ist der Meinung, dass durch die Globalisierung die Lernherausforderungen vonder „Beschleunigung des Wandels“ und von „zunehmende(r) Komplexität“ und vom„Streben nach erhöhter Flexibilität“ geprägt sein werden. Nach Meyer-Dohm ist es falsch zuglauben, „dass uns die Globalisierung ständig zu Anpassungen zwingt und wir Getriebene<strong>eines</strong> Prozesses sind, der sich nicht mehr bändigen lässt…Wir leben in einer Welt, die nachGestaltung ruft und für die wir verantwortlich sind“. In einem Bericht an den <strong>Club</strong> <strong>of</strong> <strong>Rome</strong>mit dem Titel „Das menschliche Dilemma – Zukunft und Lernen“ schreiben die Autoren :„Das Lernverhalten des Menschen muss sich von der Form der unbewussten Adaption aufdie Form der bewussten Antizipation verlagern“ und dadurch zu einem „innovativen Lernen“werden. Nur so kann man auf die Herausforderungen der Komplexität angemessen reagieren(Botkin, Elmandjra&Malitza, 1981, S.40). Antizipation ist dabei die Fähigkeit, „sich <strong>neuen</strong>,möglicherweise nie zuvor dagewesenen Situationen zu stellen; sie ist der Prüfstand fürinnovative Lernprozesse“ (ebenda, S.52) Meyer-Dohm räumt dabei den Werten eineüberragende Bedeutung ein.<strong>Club</strong> <strong>of</strong> <strong>Rome</strong>-<strong>Schule</strong>n gehen von einem Gesamtsystem aus; Natur- oder Ökosystem undMenschheitssystem (Mensch – Gesellschaft – Technologie) sind miteinander verflochten. DasLeitbild einer <strong>Club</strong> <strong>of</strong> <strong>Rome</strong>-<strong>Schule</strong> ist den Zielen des <strong>Club</strong> <strong>of</strong> <strong>Rome</strong> verpflichtet. <strong>Die</strong>sesLeitbild lässt sich wie folgt thesenartig darstellen:• ein „auf Gerechtigkeit bezogenes Denken und Handeln• kulturelle Sensibilität und Offenheit, internationales, globales und holistisches<strong>Entwicklung</strong>sbewusstsein• ökonomisches und zugleich ökologisches, auf Nachhaltigkeit angelegtes<strong>Entwicklung</strong>sdenken


2• partnerschaftliches Denken, Handeln und Verhalten (Partnership Education)• soziale Solidarität• Zivilcourage und demokratisch-politisches Engagement für die Bürgergesellschaft“(<strong>Club</strong> <strong>of</strong> <strong>Rome</strong>-<strong>Schule</strong>n, ein Konzept, 2003)Das Ergebnis des Bildungsvorganges an einer <strong>Club</strong> <strong>of</strong> <strong>Rome</strong>-<strong>Schule</strong> ist neben demFachwissen vor allen eine autonome und verantwortlich handelnde starke Persönlichkeit. DasAbitur ist dann nicht mehr z.B. in erster Linie eine Angelegenheit des Notendurchschnitts füreine Zentralstelle in Dortmund, die Studienplätze zuteilt, sondern Ausdruck einer reifenPersönlichkeit, die vor den Widerständen des Studiums und des späteren Berufs nicht flüchtet,sondern standhält und den Eintritt in das Berufsleben nicht als krisenhafte Situationempfindet, sondern neugierig auf das Kommende ist, sich nach der Übernahme vonVerantwortung sehnt. Ein <strong>Club</strong> <strong>of</strong> <strong>Rome</strong>-Schüler besitzt Mut zum Risiko und kennt denZweifel. An erster Stelle steht die Haltung einer Persönlichkeit, dann kommen dieKompetenzen und schließlich kommt das Wissen. Ein Absolvent einer <strong>Club</strong> <strong>of</strong> <strong>Rome</strong>-<strong>Schule</strong>zieht sich nicht schaudernd vor den gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Wandlungenzurück und jammert, sondern er gestaltet sie aktiv mit.Der <strong>Club</strong> <strong>of</strong> <strong>Rome</strong> legt sich auf kein bestimmtes Schulsystem fest. Er ist <strong>of</strong>fen sowohl fürintegrierte Systeme als auch für das gegliederte Schulwesen. Eine enge Verzahnung vonVorschule und Grundschule ist wesentlich. Eine Begegnung mit der englischen Spracheerfolgt bereits in der Vorschule. Das Fach Englisch setzt in der 1. Klasse ein. Dem bilingualenUnterricht wird eine große Bedeutung eingeräumt. Es erfolgt ein fließender Übergang von derGrundschule zum Gymnasium. Wichtig sind dabei die gemeinsame Arbeit bei Sitzungen undregelmäßige gegenseitige Unterrichtsbesuche der Grundschullehrer/innen und derGymnasiallehrer/innen. Lehrkräfte der Grundschule und des Gymnasiums besuchen sichgegenseitig im Unterricht. <strong>Die</strong> Oberstufe des Gymnasiums ist nach einem Kern-Kurs-Systemorganisiert.Eine entwickelnde Beschreibung der Kompetenzen des Schülers bzw. der Schülerin wird inder Vorschule angelegt und zieht sich durch bis zum Abitur. <strong>Die</strong> Darstellung <strong>eines</strong> klarenPr<strong>of</strong>ils des Schülers, unabhängig von der Notenarithmetik, ist notwendig. Erwartet wird vomLehrer, von der Lehrerin, die sichere Anwendung diagnostischer Verfahrensweisen, umfehlerhafte Zuordnungen und mangelhafte Förderung zu vermeiden.<strong>Die</strong> enge Zusammenarbeit von Elternhaus und <strong>Schule</strong> ist eine wichtige Voraussetzung für einentkrampftes Schulklima: gemeinsame Fortbildungen, pädagogische Abende. Es besteht eineVerpflichtung der Eltern zur Mitarbeit. Der Schulleiter einer <strong>Club</strong> <strong>of</strong> <strong>Rome</strong>-<strong>Schule</strong> schließtbeim Eintritt <strong>eines</strong> Schülers mit den Eltern einen Vertrag, der Auskunft über die zuerbringenden Leistungen der <strong>Schule</strong> und die zu erbringenden Leistungen der Eltern gibt.Trotz <strong>eines</strong> pädagogischen Beirats, trotz der Mitarbeiter in einem Schulleitungsteam ist einfähiger Schulleiter bzw. eine fähige Schulleiterin die entscheidende Größe auch bei einer <strong>Club</strong><strong>of</strong> <strong>Rome</strong>-<strong>Schule</strong>. Der Schulleiter trägt die alleinige Verantwortung für die <strong>Schule</strong>. <strong>Die</strong>Schulleitung dient mit ihren Lehrern in erster Linie dem Schüler und nicht irgendwelchenvorgesetzten Behörden. Der Schulleiter gestaltet mit den Schülern, den Eltern, denLehrkräften eine Schulkultur und Lernkultur nach den Prinzipien des <strong>Club</strong> <strong>of</strong> <strong>Rome</strong>. Wer alsSchulleiter sich überwiegend in der Verwaltung ergeht, arbeitet an der falschen Stelle. DerSchulleiter einer <strong>Club</strong> <strong>of</strong> <strong>Rome</strong>-<strong>Schule</strong> fügt das operative Management und das normativeManagement zu einer Ganzheit zusammen. Nur ein ganzheitliches Denken und Handeln


3ermöglicht ein differenziertes Schulpr<strong>of</strong>il einer solchen Modellschule. Das verpflichtendeLeitbild für alle an der <strong>Schule</strong> Wirkenden schafft Glaubwürdigkeit und Verlässlichkeit beiSchülern und Eltern.Neben den Managementfähigkeiten ist vor allem die Führungsqualität und die Führungskrafteiner Persönlichkeit – nur eine Persönlichkeit kann Schüler und Schülerinnen zuPersönlichkeiten machen – an der Spitze einer solchen Modellschule von entscheidenderBedeutung. Der Schulleiter trifft die wesentlichen Personalentscheidungen. Er schafft denRaum, den der kreative Lehrer, bzw. der kreative Schüler, zur Entfaltung und Gestaltungbraucht. Nur so können Lehrer und Schüler ihre pädagogische Freiheit und ihr Handeln ineigener Verantwortung wahrnehmen. Der Schulleiter einer <strong>Club</strong> <strong>of</strong> <strong>Rome</strong>-<strong>Schule</strong> gibt seinenMitarbeitern, seinen Lehrerinnen und Lehrern, ein starkes Selbstwertgefühl und ist sicher inder Personalführung. „Es ist Aufgabe der Führung, die verfügbaren Stärken in ihren Betrieben(<strong>Schule</strong>n) zu erkennen und zu fördern. <strong>Die</strong> Geschäftsleitung (Schulleitung) sollte dieentsprechende Art der Führung und der Zusammenarbeit vorleben“ (Richard Mill, Inhaber desBeratungsunternehmens Mill Management Consultant). Ein guter Schulleiter hält seine<strong>Schule</strong> in einer kreativen Unruhe. Selbstzufriedenheit ist Gift für jede Reform undVerbesserung. Eine solche gefährliche Selbstzufriedenheit, die häufig auf einem faulenKompromiss zwischen Schulleiter und Lehrerkollegium beruht, umschreiben die Amerikanerso: „a happy crew on a sinking boat“. Ein Schulleiter einer <strong>Club</strong> <strong>of</strong> <strong>Rome</strong>-<strong>Schule</strong> ist autonom.Mit Mut, Augenmaß, Risikobereitschaft und Kreativität gestaltet er seine <strong>Schule</strong> und schöpftdie pädagogischen Ressourcen aus. Dabei ist, um Zielvereinbarungen mit seinen Lehrerinnenund Lehrern schnell und konsequent durchzusetzen, eine partielle Schwerhörigkeit gegenüberdem Ministerium, den vielen Beratern und Beauftragten, die sich an einer <strong>Schule</strong> tummeln,nötig.Eine <strong>Club</strong> <strong>of</strong> <strong>Rome</strong>-<strong>Schule</strong> erfindet die <strong>Schule</strong> nicht neu. Aber sie setzt die pädagogischenGewichte teilweise anders als das staatliche Schulwesen. <strong>Die</strong> Prämissen des Leitbildeswerden konsequenter und schneller umgesetzt. <strong>Die</strong> <strong>Club</strong> <strong>of</strong> <strong>Rome</strong>-<strong>Schule</strong> bildet eineGanzheit von der Vorschule bis zum Abitur. Sie hält Schritt mit den globalen Veränderungenund weist dem Aufbau einer ethisch gebundenen und autonomen Schülerpersönlichkeit inihrem Bildungsprozess die alles überragende Bedeutung zu.


4LiteraturverzeichnisHeinz Bachmann, Globalisierung und <strong>Schule</strong>ntwicklung, NZZ vom 11.5.2004.Axel Beyer, Peter Meyer-Dohm, Uwe Möller, Andreas Graf Wass von Czege, Skizze desSchulpr<strong>of</strong>ils einer <strong>Club</strong> <strong>of</strong> <strong>Rome</strong>-<strong>Schule</strong>, Hamburg 2001.<strong>Club</strong> <strong>of</strong> <strong>Rome</strong>-<strong>Schule</strong>n, ein Konzept, Hamburg 2003.Peter Meyer-Dohm, <strong>Die</strong> Lernherausforderungen für zukünftige Generationen, Vortraganlässlich <strong>eines</strong> Fachgesprächs zu einem Innovationsvorhaben im allgemeinen Schulwesen inDeutschland („<strong>Club</strong> <strong>of</strong> <strong>Rome</strong>-<strong>Schule</strong>“) im Haus Rissen, Hamburg, 3. Mai 2002.Pädagogisches Wörterbuch, Berlin 1987.Enja Riegel, <strong>Schule</strong> kann gelingen! Frankfurt a.M. 2004.H.-G. Rolff, <strong>Die</strong> idealtypische <strong>Schule</strong> („Nach-Pisa-<strong>Schule</strong>“), <strong>Die</strong> Zeit, vom 31.1.2002.Armin Seiler, Leadership ist mehr denn je gefragt, NZZ vom 21.11.2000.Manfred Spitzer, Lernen, Heidelberg/Berlin 2002.Margit Stamm, Für die <strong>Schule</strong>, nicht fürs Leben lernen wir, NZZ vom 11.5.2004.Ludger Wössmann, Letzte Chance für gute <strong>Schule</strong>n, Gütersloh 2007.

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