Das Dilemma der modernen Erziehung - Erziehungsberatung ...
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Main-Taunus - 20 | 11 | 2012<br />
Foto: Martin Weis<br />
<strong>Erziehung</strong>sberatung<br />
<strong>Das</strong> <strong>Dilemma</strong> <strong>der</strong> mo<strong>der</strong>nen<br />
<strong>Erziehung</strong><br />
Gerd Gröhl, Leiter <strong>der</strong> Caritas-<strong>Erziehung</strong>sstelle, trifft häufig<br />
Eltern, die ihre Kin<strong>der</strong> perfekt erziehen wollen.<br />
Gerd Gröhl, Leiter <strong>der</strong> Caritas <strong>Erziehung</strong>sberatungsstelle, sieht eine gesunde Kindheit durch<br />
überengagierte Eltern gefährdet. Im Interview mit <strong>der</strong> FR erklärt er, wie man dem <strong>Dilemma</strong> <strong>der</strong><br />
mo<strong>der</strong>nen <strong>Erziehung</strong> entkommt.<br />
Gerd Gröhl ist Leiter <strong>der</strong> <strong>Erziehung</strong>sberatungsstelle <strong>der</strong> Caritas Main-Taunus in Flörsheim und kennt<br />
die Fragen, Ängste und Probleme von Eltern. Seiner Ansicht nach gibt es bezüglich Kin<strong>der</strong>erziehung<br />
keine falschen Fragen, doch sieht <strong>der</strong> Experte durch überengagierte Eltern eine gesunde Kindheit gefährdet.<br />
Herr Gröhl, heute können sich werdende Eltern in großem Umfang mit Ratgebern, Filmen, Magazinen<br />
und Kursen auf die Kin<strong>der</strong>erziehung vorbereiten. Machen sich die meisten dadurch nicht verrückt?<br />
Es gibt Menschen in unterschiedlichen Situationen, die Eltern werden. Wenn wir hier nun die Gruppe<br />
<strong>der</strong> jungen Erwachsenen zwischen 25 und 30 betrachten, die sich bewusst für ein Kind entschieden<br />
haben, könnte man sagen: Ja, es gibt einen Trend zur übermäßigen Sorge um die richtige <strong>Erziehung</strong>.<br />
Diese Sorge führt Eltern dazu, jede Regung des Kindes zu kontrollieren. Sie wollen nichts falsch machen<br />
und haben eine undefinierte Angst um ihr Kind.<br />
Würden sie sagen, Eltern sollten sich im Umgang mit ihrem Kind lieber auf Instinkte verlassen?<br />
Also grundsätzlich sind Fragen und Sorgen ja völlig in Ordnung. Und besorgte Eltern sind auch etwas<br />
Gutes. Sie sind aufmerksam und sensibel mit ihren Kin<strong>der</strong>n. Nur übertriebene Sorgen sind schädlich<br />
für die Entwicklung des Kindes. Doch Kin<strong>der</strong>erziehung hat <strong>der</strong> Mensch schon milliardenfach praktiziert<br />
– auch ohne Ratgeber und Super-Nanny. Deshalb können sich Eltern im Grunde auch auf ihren<br />
natürlichen Instinkt verlassen. Schade, dass ich immer wie<strong>der</strong> feststelle, dass es einer zunehmenden<br />
Zahl von Eltern, die es selbst nicht erlebt o<strong>der</strong> gelernt hat, immer seltener gelingt, sich auf die eignen<br />
Wahrnehmungen, Stärken o<strong>der</strong> „Instinkte“ zu verlassen.<br />
Wie sieht denn eine Dauerkontrolle von extrem besorgten Eltern aus? Warum schadet sie?<br />
<strong>Das</strong> beginnt mit dem Babyfon und endet mit dem GPS-Peilsen<strong>der</strong> im Smartphone. Die Eltern breiten<br />
ihre Adlerschwingen über dem Kind aus und das sitzt darunter nur noch im Schatten. Aber Kin<strong>der</strong><br />
brauchen für ihre körperliche und geistige Entwicklung Bewegungsräume. Sie brauchen auch mal einen<br />
Kratzer o<strong>der</strong> blaue Flecken vom Spielen draußen, müssen Wagnisse eingehen, sich ausprobieren.<br />
Ein Dauerschutz durch die Eltern macht sie unselbstständig und ängstlich. Sie können keine o<strong>der</strong> deutlich<br />
weniger Entscheidungen treffen und orientieren sich stärker am gebotenen Fertigprodukt – zum
Beispiel Filme, Spielkonsolen, Spieleparks. Die Besorgnis geht soweit, dass ein Kind erstmal bei einem<br />
Motopädagogen lernen muss, wie es im Sand spielt. Womit wir beim nächsten Problem wären.<br />
Welchem Problem?<br />
Entdecken Eltern Auffälligkeiten im Verhalten ihres Kindes und suchen Rat, stehen sie vor einem<br />
Haufen von Experten. Sie durchlaufen oft unnötig mehrere Stationen auf <strong>der</strong> Suche nach <strong>der</strong> Ursache<br />
für diese Auffälligkeit. Bei uns in <strong>der</strong> Beratungsstelle wird ein Problem zunächst eingeordnet und<br />
überlegt, welcher Weg, Arzt o<strong>der</strong> Psychologe nötig und richtig für das individuelle Problem <strong>der</strong> Familie<br />
ist.<br />
Aber woher kommen denn die übertriebenen Sorgen junger Eltern?<br />
Heutzutage streben die Menschen nach Perfektion in allen Bereichen des Lebens – so auch in <strong>der</strong> Kin<strong>der</strong>erziehung.<br />
Sie wollen auf keinen Fall einen Fehler riskieren und eifern einer Idealvorstellung nach.<br />
Also sollen Eltern ihre Kin<strong>der</strong> mehr zur Selbstständigkeit erziehen?<br />
Nein. So kann man es nicht sagen. Einerseits werden Kin<strong>der</strong> durch Dauerüberwachung eingeschränkt,<br />
an<strong>der</strong>erseits werden sie oft auch überfor<strong>der</strong>t. Nämlich immer dann, wenn die Eltern sie in Entscheidungen<br />
mit einbeziehen, die sie noch nicht treffen können. Zum Beispiel, wenn eine Mutter ihre Vierjährige<br />
fragt, wie sie ihre Haare geschnitten haben möchte o<strong>der</strong> wohin es in den Urlaub gehen soll,<br />
welches Video das Richtige ist o<strong>der</strong> aushandelt, wann die beste Schlafenszeit sei. Kin<strong>der</strong> brauchen<br />
auch die Führung <strong>der</strong> Eltern und Regeln, um sich anlehnen zu können. Soll heißen, Sicherheit und<br />
Schutz für die Seele. In ihrer Entwicklung brauchen Kin<strong>der</strong> von ihren Eltern Achtsamkeit, Hinwendung,<br />
För<strong>der</strong>ung und For<strong>der</strong>ung, aber auch den Raum, um eigene Erfahrungen zu machen im richtigen<br />
Mix. <strong>Das</strong> Interview führte Christina Franzisket<br />
Beratung <strong>der</strong> Caritas<br />
Die Psychologische <strong>Erziehung</strong>sberatung <strong>der</strong> Caritas Main-Taunus ist ein Angebot für Kin<strong>der</strong>, Jugendliche,<br />
junge Erwachsene und Eltern. Die Beratungsstelle ist seit 1974, im Auftrag des Kreisausschusses,<br />
für die Einwohner des Main-Taunus-Kreises zuständig. Die Beratungsstelle wird mit öffentlichen<br />
und kirchlichen Mitteln finanziert.<br />
Im Beraterteam sind Kin<strong>der</strong>- und Jugend-Psychotherapeuten und Psychologische Therapeuten. Die<br />
Berater unterliegen <strong>der</strong> Schweigepflicht. Die Beratungen sind freiwillig, kostenlos und erfolgen unabhängig<br />
von Weltanschauung und Religion.<br />
Themen <strong>der</strong> Beratung sind: <strong>Erziehung</strong>sfragen in Zusammenhang mit Entwicklungsschritten <strong>der</strong> Kin<strong>der</strong><br />
o<strong>der</strong> im Zusammenhang mit Auffälligkeiten, Schwierigkeiten in <strong>der</strong> Schule, Familienprobleme, Beziehungskonflikte,<br />
Uneinigkeit in <strong>Erziehung</strong>sfragen, Lebenskrisen, persönliche Schwierigkeiten o<strong>der</strong><br />
Tabuthemen wie Misshandlung und Sexualität, Probleme Jugendlicher und junger Erwachsener mit<br />
sich selbst, den Eltern, Freunden, Freund o<strong>der</strong> Freundin, Schule o<strong>der</strong> Ausbildung.<br />
Am Anfang <strong>der</strong> Beratung steht eine Diagnose zur Klärung <strong>der</strong> Problemlagen und zur Entscheidung<br />
über geeignete und notwendige Hilfen. Auf <strong>der</strong> Grundlage einer Problemanalyse besprechen die Berater<br />
mit Eltern und Jugendlichen Verän<strong>der</strong>ungsziele, Vorgehensweisen und Angebote von <strong>der</strong> <strong>Erziehung</strong>sberatung<br />
o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Institutionen und Therapeuten.<br />
Die <strong>Erziehung</strong>sberatung ist zu erreichen unter Grabenstraße 40, 65439 Flörsheim. Der Eingang ist an <strong>der</strong><br />
Rückseite. Informationen zum Angebot gibt es auf <strong>der</strong> Internetseite www.eb-caritas-main-taunus.de sowie unter<br />
<strong>der</strong> Telefonnummer 06145/503740 o<strong>der</strong> per E-Mail: info@eb-caritas-main-taunus.de.<br />
Artikel URL: http://www.fr-online.de/main-taunus/erziehungs-beratung-das-dilemma-<strong>der</strong>-mo<strong>der</strong>nenerziehung,1472862,20914448.html