Airline Performance Management ... - Universität St.Gallen
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<strong>Airline</strong> <strong>Performance</strong> <strong>Management</strong><br />
D I S S E R T A T I O N<br />
der <strong>Universität</strong> <strong>St</strong>. <strong>Gallen</strong>,<br />
Hochschule für Wirtschafts-,<br />
Rechts- und Sozialwissenschaften (HSG)<br />
zur Erlangung der Würde eines<br />
Doktors der Wirtschaftswissenschaften<br />
vorgelegt von<br />
Volker Heitmann<br />
aus<br />
Deutschland<br />
Genehmigt auf Antrag der Herren<br />
Prof. Dr. Reiner Fickert<br />
und<br />
Prof. Dr. Erwin <strong>St</strong>aehelin<br />
Dissertation Nr. 3082<br />
Gutenberg Verlag, Schaan 2005
Die <strong>Universität</strong> <strong>St</strong>. <strong>Gallen</strong>, Hochschule für Wirtschafts-, Rechts- und Sozialwissenschaften<br />
(HSG), gestattet hiermit die Drucklegung der vorliegenden Dissertation, ohne<br />
damit zu den darin ausgesprochenen Anschauungen <strong>St</strong>ellung zu nehmen.<br />
<strong>St</strong>. <strong>Gallen</strong>, den 30. Juni 2005<br />
ii<br />
Der Rektor<br />
Prof. Ernst Mohr, PhD
Vorwort<br />
Die Motivation zu dieser Arbeit entstand im Wesentlichen aus der Situation der Swissair<br />
heraus, in die sie gegen Ende des Jahres 2001 geraten war. Illiquidität führte zum Grounding<br />
und schliesslich zur Auflösung der Gesellschaft. Zur gleichen Zeit konnte sich im<br />
<strong>Management</strong> der operativen Leistungserstellungsprozesse der Swissair eine international<br />
beachtete und anerkannte Best Practice etablieren, die massgebliche Kosteneinsparungen<br />
und Qualitätsverbesserungen vorzuweisen hatte. Da diese Erfolge offenbar nicht ausreichten<br />
um die Swissair zu retten, entstand die Idee im Rahmen eines Forschungsprojektes<br />
zu prüfen, inwieweit die Grundgedanken der Best Practice im operativen Prozessmanagement<br />
auf das gesamthafte <strong>Performance</strong> <strong>Management</strong> einer <strong>Airline</strong> übertragen werden<br />
können. Ergebnis der Forschungstätigkeit ist das <strong>Airline</strong> Value Contribution <strong>Management</strong><br />
System (AVCMS). Es repräsentiert einen Vorschlag für die Gestaltung des <strong>Airline</strong><br />
<strong>Performance</strong> <strong>Management</strong>, der in dieser Arbeit hergeleitet, beschrieben und sowohl mit<br />
Fallbeispielen wie auch mit Daten real existierender Gesellschaften illustriert und plausibilisiert<br />
wird.<br />
Die erfolgreiche Forschungsarbeit wäre ohne die Unterstützung, die ich von vielen<br />
Freunden, Berufskollegen und Fachexperten erhalten habe, kaum möglich gewesen. Mein<br />
besonderer Dank gilt Daniel Weder, Michael Landthaler und Andrea Baroni, die mir in<br />
vielen wertvollen Diskussionen ihr Wissen als erfahrene <strong>Airline</strong> Managers zugänglich<br />
gemacht haben. Darüber hinaus möchte ich mich bei Herrn André Chameides und Herrn<br />
Dr. Johannes Freiesleben bedanken. Von ihnen habe ich immer wieder wichtige Hinweise<br />
zur Gestaltung der Forschungsarbeit erhalten. Bedeutend war ausserdem die Unterstützung<br />
von Prof. Nawal Taneja, der als Chairman von IATA Konferenzen und durch seine<br />
Veröffentlichungen wesentlich zur internationalen Anerkennung der bei Swissair erarbeiteten<br />
Best Practice im operativen Prozessmanagement beigetragen hat. Nicht unerwähnt<br />
soll auch die grosszügige Versorgung mit Finanzanalysen durch viele Investmentbanken<br />
und Unternehmensberatungen bleiben. Vor allem die Unternehmungen Goldman Sachs,<br />
UBS Warburg, Merrill Lynch, Salomon Smith Barney, A.T. Kearney und McKinsey sind<br />
hier zu nennen. Nicht zuletzt möchte ich mich ganz besonders bei meinem Doktorvater<br />
Prof. Dr. Reiner Fickert und auch bei dem Koreferenten Prof. Dr. Erwin <strong>St</strong>aehelin bedanken.<br />
Ich bin bei meinem Forschungsprojekt mit aussergewöhnlichem Einsatz betreut<br />
worden. Die vielen konstruktiv-kritischen Hinweise, die Zurverfügungstellung eines Büros<br />
am Institut und auch die spontanen informellen Diskussionen haben einen bedeutenden<br />
Anteil an den erzielten Ergebnissen.<br />
<strong>St</strong>. <strong>Gallen</strong>, den 30. Juni 2005 Volker Heitmann<br />
iii
Inhaltsübersicht<br />
1 ZIELSETZUNG ........................................................................................................1<br />
2 BESONDERHEITEN UND ENTWICKLUNGEN IN DER EUROPÄISCHEN<br />
AIRLINE INDUSTRIE ..............................................................................................4<br />
2.1 Finanzielle Resultate der europäischen <strong>Airline</strong>s ............................................................................................ 5<br />
2.2 Besonderheiten der <strong>Airline</strong> Industrie............................................................................................................ 32<br />
2.3 Aktuelle Entwicklungen in der Industriestruktur ....................................................................................... 54<br />
2.4 Ergebnisverbesserungspotentiale .................................................................................................................. 64<br />
3 BESTEHENDE KONZEPTE FÜR DAS AIRLINE PERFORMANCE<br />
MANAGEMENT.....................................................................................................77<br />
3.1 Begriff <strong>Performance</strong> <strong>Management</strong>................................................................................................................ 77<br />
3.2 Industrie-unabhängige <strong>Performance</strong> <strong>Management</strong> Konzepte.................................................................... 79<br />
3.3 <strong>Airline</strong>-spezifische <strong>Performance</strong> <strong>Management</strong> Konzepte ......................................................................... 104<br />
4 AIRLINE VALUE CONTRIBUTION MANAGEMENT SYSTEM ..........................133<br />
4.1 Zielsetzung..................................................................................................................................................... 134<br />
4.2 <strong>St</strong>ruktur und Prozesse.................................................................................................................................. 138<br />
4.3 Cockpits ......................................................................................................................................................... 229<br />
4.4 Praktische Anwendung ................................................................................................................................ 254<br />
5 ERGEBNISSE .....................................................................................................270<br />
6 LITERATUR.........................................................................................................274<br />
7 ANHANG .............................................................................................................282<br />
7.1 Abkürzungsverzeichnis ................................................................................................................................ 282<br />
7.2 Abbildungsverzeichnis ................................................................................................................................. 285<br />
7.3 Basisdaten der 9 europäischen <strong>Airline</strong>s für das Jahr 2000 ....................................................................... 287<br />
7.4 Erklärungen und Datenquellen zu den Basisdaten der 9 europäischen <strong>Airline</strong>s für das Jahr 2000 ..... 291<br />
iv
7.5 Finanzberichterstattung der 9 europäischen <strong>Airline</strong>s für das Jahr 2000 ................................................ 298<br />
7.6 Erweiterte <strong>Airline</strong> Industrie-Daten 2000-2004........................................................................................... 300<br />
7.7 Basisdaten der Mehrperiodenmodellrechnung.......................................................................................... 303<br />
7.8 Erklärungen zu den Basisdaten der Mehrperiodenmodellrechnung ....................................................... 307<br />
7.9 Finanzberichterstattung der Mehrperiodenmodellrechnung ................................................................... 314<br />
v
Inhaltsverzeichnis<br />
1 ZIELSETZUNG ........................................................................................................1<br />
2 BESONDERHEITEN UND ENTWICKLUNGEN IN DER EUROPÄISCHEN<br />
AIRLINE INDUSTRIE ..............................................................................................4<br />
2.1 Finanzielle Resultate der europäischen <strong>Airline</strong>s ............................................................................................ 5<br />
vi<br />
2.1.1 Relative <strong>Performance</strong> der Aktienkurse.................................................................................................. 6<br />
2.1.2 <strong>St</strong>aatliche Investoren ............................................................................................................................. 6<br />
2.1.3 Flag Carrier Aktien als Spekulationsobjekt........................................................................................... 7<br />
2.1.4 Financial & Operational Gearing .......................................................................................................... 8<br />
2.1.4.1 Financial Gearing ............................................................................................................................. 8<br />
2.1.4.2 Operational Gearing ......................................................................................................................... 9<br />
2.1.5 Bedarf an Liquidität ............................................................................................................................ 11<br />
2.1.6 Folgen ungedeckter Kapitalkosten ...................................................................................................... 16<br />
2.1.7 Hintergründe der EVAs....................................................................................................................... 22<br />
2.1.8 Hintergründe der hohen Bewertung von No Frills <strong>Airline</strong>s ................................................................ 26<br />
2.1.9 Zusammenfassende Lagebeurteilung .................................................................................................. 30<br />
2.2 Besonderheiten der <strong>Airline</strong> Industrie............................................................................................................ 32<br />
2.2.1 Flag Carriers und No Frills <strong>Airline</strong>s.................................................................................................... 33<br />
2.2.2 Flugreisen als Quasi-Commodity........................................................................................................ 35<br />
2.2.3 Flugreisen als verderbliche und störungsanfällige Produkte............................................................... 39<br />
2.2.4 Optimale Betriebsgrösse zwischen Grössen- und Fokussierungsvorteilen ......................................... 41<br />
2.2.5 Verbundenheiten auf der Ertrags- und Kostenseite............................................................................. 47<br />
2.2.6 Fracht als Nebenprodukt ..................................................................................................................... 49<br />
2.2.7 Zyklizität von Angebot und Nachfrage ............................................................................................... 49<br />
2.2.8 Rolle der Gewerkschaften ................................................................................................................... 52<br />
2.3 Aktuelle Entwicklungen in der Industriestruktur ....................................................................................... 54<br />
2.3.1 Auswirkungen staatlicher Eingriffe und Reglementierung ................................................................. 56<br />
2.3.2 Wachstum und Preiskampf.................................................................................................................. 61<br />
2.3.3 Auswirkungen der europäischen Liberalisierung................................................................................ 63<br />
2.4 Ergebnisverbesserungspotentiale .................................................................................................................. 64<br />
2.4.1 Verbesserung des Kundenfokus .......................................................................................................... 66<br />
2.4.2 Effizienzverbesserungen ..................................................................................................................... 69
2.4.2.1 Klassisches Cost Cutting ................................................................................................................ 70<br />
2.4.2.2 Funktionsübergreifende Programme .............................................................................................. 70<br />
2.4.2.3 Risk- und Cycle <strong>Management</strong> ........................................................................................................ 72<br />
2.4.3 Einhaltung der optimalen Betriebsgrösse............................................................................................ 73<br />
2.4.4 <strong>St</strong>akeholder-Interessenausgleich ......................................................................................................... 74<br />
2.4.4.1 <strong>Management</strong> ................................................................................................................................... 74<br />
2.4.4.2 Gewerkschaften und Mitarbeiter .................................................................................................... 75<br />
2.4.4.3 <strong>St</strong>aat und Gesellschaft .................................................................................................................... 76<br />
3 BESTEHENDE KONZEPTE FÜR DAS AIRLINE PERFORMANCE<br />
MANAGEMENT.....................................................................................................77<br />
3.1 Begriff <strong>Performance</strong> <strong>Management</strong>................................................................................................................ 77<br />
3.2 Industrie-unabhängige <strong>Performance</strong> <strong>Management</strong> Konzepte.................................................................... 79<br />
3.2.1 Discounted Cash Flow (DCF) ............................................................................................................. 80<br />
3.2.1.1 Kapitalkosten.................................................................................................................................. 82<br />
3.2.1.2 Werttreibermodell .......................................................................................................................... 84<br />
3.2.1.3 Restwert.......................................................................................................................................... 86<br />
3.2.2 Economic Value Added (EVA)........................................................................................................... 87<br />
3.2.2.1 Berechnung des EVA ..................................................................................................................... 89<br />
3.2.2.2 Return on Invested Capital (ROIC)................................................................................................ 90<br />
3.2.2.3 Weighted Average Cost of Capital (WACC) ................................................................................. 91<br />
3.2.3 Scorecard Konzepte ............................................................................................................................ 92<br />
3.2.4 Qualitätsmanagement Konzepte.......................................................................................................... 94<br />
3.2.5 Klassische finanzielle Führung ......................................................................................................... 100<br />
3.2.6 Übrige Konzepte ............................................................................................................................... 103<br />
3.3 <strong>Airline</strong>-spezifische <strong>Performance</strong> <strong>Management</strong> Konzepte ......................................................................... 104<br />
3.3.1 Netzwerkergebnisbaum..................................................................................................................... 105<br />
3.3.1.1 Grundlagen des Netzwerkergebnisbaumes................................................................................... 105<br />
3.3.1.2 Möglichkeiten und Grenzen des Netzwerkergebnisbaumes......................................................... 108<br />
3.3.2 <strong>St</strong>reckenerfolgsrechnung................................................................................................................... 111<br />
3.3.2.1 Kostendimensionen einer <strong>Airline</strong> .................................................................................................113<br />
3.3.2.2 Kostenverteilung einer <strong>Airline</strong> ..................................................................................................... 114<br />
3.3.2.3 Netzwerkdeckungsbeitragsrechnung ............................................................................................ 116<br />
3.3.2.4 Klassische <strong>St</strong>reckenerfolgsrechnung ............................................................................................ 118<br />
vii
viii<br />
3.3.2.5 Möglichkeiten und Grenzen der klassischen Darstellung des <strong>St</strong>reckenerfolges........................... 120<br />
3.3.3 Netzwerkplanung .............................................................................................................................. 123<br />
3.3.3.1 Terminologie und Grundlagen der Netzwerkplanung .................................................................. 124<br />
3.3.3.2 Volumen-basierte Netzwerkplanung ............................................................................................ 127<br />
3.3.3.3 Möglichkeiten und Grenzen der Netzwerkplanung...................................................................... 130<br />
3.3.4 Übrige Konzepte ............................................................................................................................... 131<br />
4 AIRLINE VALUE CONTRIBUTION MANAGEMENT SYSTEM ..........................133<br />
4.1 Zielsetzung..................................................................................................................................................... 134<br />
4.1.1 Relevante Kennzahlen....................................................................................................................... 135<br />
4.1.2 Klarheit der Verantwortung .............................................................................................................. 137<br />
4.1.3 Einfachheit und Transparenz............................................................................................................. 137<br />
4.1.4 Aussagekräftige Cockpits.................................................................................................................. 137<br />
4.2 <strong>St</strong>ruktur und Prozesse.................................................................................................................................. 138<br />
4.2.1 Basiskennzahlen................................................................................................................................ 143<br />
4.2.1.1 Economy-Sitzäquivalente als Mass für die Flottengrösse ............................................................ 145<br />
4.2.1.2 Sitzstunden-basierte Messgrössen ................................................................................................148<br />
4.2.1.3 Anzahl Passagiere als Treiber für viele Qualitätsmessgrössen..................................................... 162<br />
4.2.1.4 Vorteile der Basiskennzahlen ....................................................................................................... 164<br />
4.2.2 Finanzresultate .................................................................................................................................. 166<br />
4.2.2.1 Ertragskraft................................................................................................................................... 167<br />
4.2.2.2 EVA und WACC.......................................................................................................................... 171<br />
4.2.2.3 Klassische Finanzberichterstattung ..............................................................................................173<br />
4.2.3 Ertragsbereich ................................................................................................................................... 175<br />
4.2.3.1 Ertrag/Seat° .................................................................................................................................. 176<br />
4.2.3.2 Ticketpreise und Ertrag/rsh .......................................................................................................... 178<br />
4.2.3.3 Seat°-load-factor und Flugzeugauslastung ................................................................................... 180<br />
4.2.3.4 Verlorene Erträge ......................................................................................................................... 181<br />
4.2.4 Qualitätsbereich................................................................................................................................. 182<br />
4.2.4.1 Wartezeit der Passagiere............................................................................................................... 183<br />
4.2.4.2 Service Verhalten ......................................................................................................................... 185<br />
4.2.4.3 Physisches Produkt....................................................................................................................... 186<br />
4.2.4.4 Qualitätsdefekte............................................................................................................................ 187<br />
4.2.4.5 Kundenzufriedenheit .................................................................................................................... 189
4.2.4.6 Sensitivitätsanalyse....................................................................................................................... 190<br />
4.2.4.7 Bewertungssätze........................................................................................................................... 191<br />
4.2.5 Kostenbereich.................................................................................................................................... 193<br />
4.2.5.1 Cash Kosten.................................................................................................................................. 195<br />
4.2.5.2 Qualitätskompensationskosten ..................................................................................................... 198<br />
4.2.5.3 DAR Kosten ................................................................................................................................. 199<br />
4.2.5.4 Kapital und Kapitalkosten ............................................................................................................ 201<br />
4.2.6 Bereich der Leistungserstellungsprozesse......................................................................................... 204<br />
4.2.7 Erweiterter Kontext........................................................................................................................... 208<br />
4.2.7.1 Grösse und Wachstum.................................................................................................................. 209<br />
4.2.7.2 Zusätzliche Finanzinformationen .................................................................................................210<br />
4.2.7.3 Zusätzliche <strong>Performance</strong> Informationen....................................................................................... 212<br />
4.2.7.4 Process Enablers........................................................................................................................... 212<br />
4.2.7.5 Volkswirtschaftlich bedeutsame Resultate ................................................................................... 213<br />
4.2.8 Führungsprozesse.............................................................................................................................. 213<br />
4.2.8.1 <strong>St</strong>ückkosten-basierte Netzwerkplanung........................................................................................ 214<br />
4.2.8.2 Führung der Leistungserstellungsprozesse................................................................................... 221<br />
4.2.8.3 Messprozesse................................................................................................................................ 222<br />
4.2.9 Zusammenfassender Überblick über die <strong>St</strong>ruktur des AVCMS........................................................ 228<br />
4.3 Cockpits ......................................................................................................................................................... 229<br />
4.3.1 Basis-Cockpit .................................................................................................................................... 231<br />
4.3.2 Gestaltungsempfehlungen und Praxis ............................................................................................... 235<br />
4.3.2.1 Konzentration auf Wertbeiträge ................................................................................................... 236<br />
4.3.2.2 <strong>St</strong>rukturierung nach der Lieferantenhierachie .............................................................................. 239<br />
4.3.2.3 Möglichkeiten zur Kommentierung.............................................................................................. 241<br />
4.3.2.4 Unterstützende Messgrössen ........................................................................................................ 243<br />
4.3.2.5 Offener Bereich ............................................................................................................................ 247<br />
4.3.2.6 Einheitlichkeit der Schlüsselelemente .......................................................................................... 249<br />
4.3.2.7 Verwendung in <strong>Management</strong> Meetings........................................................................................ 250<br />
4.3.2.8 Visualisierung für die Mitarbeiter ................................................................................................ 251<br />
4.3.3 Technische Umsetzung ..................................................................................................................... 252<br />
4.4 Praktische Anwendung ................................................................................................................................ 254<br />
4.4.1 Regelung der Verantwortlichkeiten................................................................................................... 255<br />
4.4.1.1 Vollständige Zuweisung der Verantwortlichkeiten ...................................................................... 255<br />
ix
x<br />
4.4.1.2 Entwicklung einer Lieferantenhierarchie ..................................................................................... 257<br />
4.4.1.3 Zuweisung von Verantwortung in komplexen Wirkungsketten ................................................... 258<br />
4.4.1.4 Zuweisung von wenig beeinflussbaren Erfolgsbeiträgen ............................................................. 259<br />
4.4.2 Erzielen von Einfachheit und Transparenz........................................................................................261<br />
4.4.2.1 Beschränkung auf wenige und aussagekräftige Kennzahlen ........................................................ 262<br />
4.4.2.2 Beschränkung der Anzahl Lieferanten pro Führungsstufe ........................................................... 263<br />
4.4.2.3 Integration von Wertbeitragskennziffern und Lieferantenstruktur mit allen zentralen Reporting-,<br />
Planungs- und Entscheidungsrechnungen....................................................................................................... 268<br />
5 ERGEBNISSE .....................................................................................................270<br />
6 LITERATUR.........................................................................................................274<br />
7 ANHANG .............................................................................................................282<br />
7.1 Abkürzungsverzeichnis ................................................................................................................................ 282<br />
7.2 Abbildungsverzeichnis ................................................................................................................................. 285<br />
7.3 Basisdaten der 9 europäischen <strong>Airline</strong>s für das Jahr 2000 ....................................................................... 287<br />
7.4 Erklärungen und Datenquellen zu den Basisdaten der 9 europäischen <strong>Airline</strong>s für das Jahr 2000 ..... 291<br />
7.5 Finanzberichterstattung der 9 europäischen <strong>Airline</strong>s für das Jahr 2000 ................................................ 298<br />
7.5.1 Konzern-Bilanz ................................................................................................................................. 298<br />
7.5.2 Konzern-Erfolgsrechnung ................................................................................................................. 298<br />
7.5.3 Spartenerfolg <strong>Airline</strong>......................................................................................................................... 298<br />
7.5.4 Konzern Cash Flow-Rechnung ......................................................................................................... 299<br />
7.5.5 Indirekte Berechnung des operativen Konzern Cash Flow ............................................................... 299<br />
7.5.6 Eigenkapitalveränderung Konzern.................................................................................................... 299<br />
7.5.7 Bilanzstichtage der betrachteten <strong>Airline</strong>s.......................................................................................... 299<br />
7.6 Erweiterte <strong>Airline</strong> Industrie-Daten 2000-2004........................................................................................... 300<br />
7.7 Basisdaten der Mehrperiodenmodellrechnung.......................................................................................... 303<br />
7.8 Erklärungen zu den Basisdaten der Mehrperiodenmodellrechnung ....................................................... 307<br />
7.9 Finanzberichterstattung der Mehrperiodenmodellrechnung ................................................................... 314<br />
7.9.1 Konzern-Bilanz ................................................................................................................................. 314<br />
7.9.2 Konzern-Erfolgsrechnung ................................................................................................................. 314<br />
7.9.3 Spartenerfolg <strong>Airline</strong>......................................................................................................................... 314
7.9.4 Konzern Cash Flow-Rechnung ......................................................................................................... 315<br />
7.9.5 Indirekte Berechnung des operativen Konzern Cash Flow ............................................................... 315<br />
7.9.6 Eigenkapitalveränderung Konzern.................................................................................................... 315<br />
xi
1 Zielsetzung<br />
Die unternehmerische Leistung der meisten grossen und etablierten Fluggesellschaften1 Europas reicht schon seit Jahren nicht mehr aus, um die eigenen Kapitalkosten2 zu decken.<br />
Dies kann nur zum Teil auf die Liberalisierung des Luftverkehrs in Europa und den<br />
dadurch ausgelösten, immer noch anhaltenden <strong>St</strong>rukturwandel zurückgeführt werden.<br />
Tatsache ist, dass über 10 Jahre nach der Liberalisierung des europäischen Luftverkehrs<br />
jede grosse europäische <strong>Airline</strong> eine umfassende Analyse der Konsequenzen durchgeführt<br />
haben sollte und trotzdem noch vielfach erhebliche <strong>Performance</strong> Probleme bestehen.<br />
Die Veränderung der Marktsituation kann kaum die einzige Ursache hierfür sein.<br />
Möglicherweise spielt auch ein Mangel an Anpassungsfähigkeit eine Rolle, zumindest<br />
soweit Anpassung über das Durchführen linear strukturierter Kostensparprogramme hinausgeht.<br />
Immer wenn es darum geht, Zielsetzungen unternehmensweit durchzusetzen, wird <strong>Performance</strong><br />
<strong>Management</strong> betrieben. Gelingt die Durchsetzung der Ziele über einen längeren<br />
Zeitraum hinweg nicht, wird es schwierig dafür ausschliesslich externe Ereignisse oder<br />
Analysefehler verantwortlich zu machen. Dann ist die Ursache auch bei der Anpassungsfähigkeit<br />
des Unternehmens zu suchen, und damit auch bei den Führungsfähigkeiten der<br />
Manager und der angewandten <strong>Performance</strong> <strong>Management</strong> Methode3. Der vorliegenden Arbeit liegt die Hypothese zu Grunde, dass die Mehrzahl der gegenwärtig<br />
in der <strong>Airline</strong>-Praxis eingesetzten <strong>Performance</strong> <strong>Management</strong> Konzepte entweder<br />
zu einseitig auf Kostensenkung fokussiert sind, oder zu umfangreich und zu komplex<br />
sind, um wirkungsvoll die praktische Führungsarbeit zu unterstützen.<br />
Zielsetzung dieser Arbeit war es daher, ein <strong>Performance</strong> <strong>Management</strong> Konzept zu<br />
entwickeln, mit deren Hilfe Fluggesellschaften eine bedeutende und nachhaltige Verbesserung<br />
ihrer Unternehmensleistung und Anpassungsfähigkeit erzielen können.<br />
Die besondere Herausforderung wurde darin gesehen, das Konzept so zu gestalten, dass<br />
eine Vielzahl von Führungsabläufen möglichst vollständig unterstützt werden kann, und<br />
1 Wenn immer von <strong>Airline</strong>s oder <strong>Airline</strong> Industrie, oder Fluggesellschaften die Rede ist, sind Linienfluggesellschaften<br />
gemeint. Ausgeschlossen sind dann also solche Fluggesellschaften, die sich auf den Lufttransport von<br />
Fracht oder von Charterpassagieren konzentrieren.<br />
2 Hier sind alle Kosten des Fremdkapital (z.B. Zinsen) und des Eigenkapitals (z.B. Dividenden oder Gewinnerwartungen<br />
der Aktionäre) eingeschlossen.<br />
3 Unter dem Begriff <strong>Performance</strong> <strong>Management</strong> werden hier grundsätzlich alle systematisch angelegten Führungsaktivitäten<br />
eines Unternehmens verstanden. Eine genauere Definition wird in Abschnitt 3.1 angegeben.<br />
1
dabei gleichzeitig ein Maximum an Einfachheit und Klarheit gewährleistet ist. Das Konzept<br />
sollte dazu inhaltlich so breit sein wie eine typische Balance Scorecard, aber auch in<br />
seiner führungsmässigen Umsetzung so tief gehen können, wie dies im Kostenmanagement<br />
mit seinen Budget- und Kontrollprozessen möglich ist. Zugleich muss eine leichte<br />
Verständlichkeit, Kommunizierbarkeit und Anwendbarkeit des <strong>Performance</strong> <strong>Management</strong><br />
Konzeptes auf allen Führungsebenen gegeben sein.<br />
Als Zielgruppe wurden vor allem die grossen und etablierten europäischen <strong>Airline</strong>s, die<br />
Flag Carriers gewählt. Diese Gesellschaften sind in der Regel aufgrund ihrer historisch<br />
gewachsenen <strong>St</strong>rukturen, ihrer Grösse und ihrer weltweiten Vernetzung einer besonders<br />
hohen Komplexität ausgesetzt. Hier können Hilfestellungen aus dem Bereich des <strong>Performance</strong><br />
<strong>Management</strong>, die eine verbesserte Ausrichtung aller Unternehmensteile auf die<br />
gemeinsamen Ziele hin ermöglichen, wahrscheinlich noch mehr bewegen als in den neu<br />
gegründeten No Frills <strong>Airline</strong>s. Der vorzustellende <strong>Performance</strong> <strong>Management</strong> Ansatz<br />
sollte daher einen konkreten Bezug zur Situation der Flag Carriers herstellen und vor allem<br />
dieser Gruppe dabei helfen, bestehende Ergebnisverbesserungspotentiale zu erschliessen.<br />
Bei der Forschungstätigkeit konnte auf praktische Erfahrungen aus dem Operations<br />
Control der Swissair zurückgegriffen werden und auf die dort entwickelte Methode des<br />
Total <strong>Performance</strong> <strong>Management</strong> (TPM). Wichtige Erkenntnisse aus dem Bereich des<br />
TPM sind in die hier vorgestellte Methode des <strong>Airline</strong> Value Contribution <strong>Management</strong><br />
System (AVCMS) eingeflossen. Jedoch beschränkte sich die Anwendung des Konzeptes<br />
bei Swissair ausschliesslich auf den operativen Bereich und hatte als Schwerpunkt die<br />
ergebnisoptimale Verspätungsreduktion. Auf diesem Gebiet konnten allerdings ausserordentliche<br />
Erfolge erzielt werden. Ein Beispiel hierfür ist die Reduktion der Passagierwar-<br />
tezeiten 4 von Sommer 5 2000 auf Sommer 2001 um 31%, die auch mit jährlichen Kosten-<br />
einsparungen in zweistelliger Millionen Euro Höhe verbunden war.<br />
Über TPM und die bei Swissair gemachten Erfahrungen gibt es bereits einige Veröffentlichungen.<br />
6 Im Rahmen dieser Arbeit wird eine Erweiterung des Ansatzes präsentiert, der<br />
die Grundlagen des finanziellen <strong>Performance</strong> <strong>Management</strong> im Rahmen von Business<br />
Planung, Budgetierung und finanzieller Berichterstattung genauso mit einschliesst, wie<br />
4 Solche Wartezeiten, die durch Abflugverspätungen oder Flug Annullationen hervorgerufen wurden.<br />
5 Exakter Vergleichszeitraum ist April bis August, jeweils 2000 und 2001.<br />
6 Nawal Taneja, <strong>Airline</strong> Business <strong>St</strong>rategies, S. 33-37; Volker Heitmann, Total <strong>Performance</strong> <strong>Management</strong>, S.1-17;<br />
Volker Heitmann / Daniel Weder, <strong>Management</strong> mit Cockpits, S. 190-205.<br />
2
diejenigen Aspekte des Qualitätsmanagements, die über das reine <strong>Management</strong> der Verspätungen<br />
und Annullationen hinausgehen.<br />
Die wesentlichen Schritte, die in dieser Arbeit genommen werden, um zum AVCMS zu<br />
gelangen sind die folgenden:<br />
Zunächst werden in Kapitel 2 Besonderheiten und Entwicklungen in der <strong>Airline</strong> Industrie<br />
beschrieben. Durch die Auseinadersetzung mit den erwirtschafteten Finanzresultaten, mit<br />
Eigenheiten der Branche, mit aktuellen Industrieentwicklungen und mit Ergebnisverbesserungspotentialen<br />
wird das Terrain geklärt, für das das AVCMS Lösungen anbieten soll.<br />
Im anschliessenden Kapitel 3 geht es um die Auseinadersetzung mit bestehenden <strong>Performance</strong><br />
<strong>Management</strong> Konzepten, die für das <strong>Airline</strong> <strong>Performance</strong> <strong>Management</strong> geeignet<br />
sind oder dort häufig zur Anwendung kommen. Vertieft wird dabei auf diejenigen Ansätze<br />
eingegangen, die in das AVCMS einfliessen oder von denen Teile übernommen werden.<br />
Kapitel 4 stellt den wesentlichen Teil der Arbeit dar, in dem das AVCMS vorgestellt<br />
wird. Dies geschieht unter kontinuierlicher Bezugnahme auf die vorangehenden Kapitel.<br />
Zum Schluss erfolgt in Kapitel 5 eine Ergebnisbeurteilung.<br />
Vor allem die Kapitel 2 und 4 werden mit Leistungsdaten von 9 europäischen <strong>Airline</strong>s<br />
illustriert. Diese Daten kommen aus einem nach den Vorgaben des AVCMS gestalteten<br />
Rechenmodell, in das Informationen aus Geschäfts- und Analystenberichten eingeflossen<br />
sind. Kapitel 4 wird zusätzlich durch das Fallbeispiel einer 5-Periodenrechnung illustriert,<br />
gestützt auf dasselbe Rechenmodell. Alle Berechnungen, zu denen in dieser Arbeit<br />
keine separate Quelle angegeben wird, basieren auf diesen Daten. Die Resultate und<br />
Quellen zu den eigenen Berechnungen befinden sich im Anhang. 7<br />
Obwohl diese Arbeit grundsätzlich in deutscher Sprache abgefasst ist, sind aus praktischen<br />
Gründen viele Schlüsselbegriffe in englischer Sprache gehalten, die aber immer im<br />
Text auf Deutsch erklärt werden. Dieses Vorgehen soll es den Anwendern des AVCMS<br />
erleichtern, Begriffe und Teilkonzepte in ihre praktische Arbeit zu übernehmen, die sich<br />
in der <strong>Airline</strong> Industrie auch im deutschen Sprachraum häufig auf Englisch abspielt.<br />
7 Die analysierten <strong>Airline</strong>s sind: Lufthansa, British Airways, Easyjet, Air France, SAS, KLM Ryanair, Alitalia,<br />
Iberia. Da Analysten- und Geschäftsberichte die Basis für das Erfassen der europäischen <strong>Airline</strong>s bildete, konnte<br />
das Kennzahlenmodel hier nicht bis auf die detaillierte Prozessebene herab mit Daten gefüllt werden, wie dies im<br />
Fallbeispiel getan worden ist. Eine umfassende Analyse wurde schwerpunktmässig auf Basis von Daten des Jahres<br />
2000 erstellt. Das Modell wurde anschliessend um Aktualisierungen aus den Folgejahren bis ins Jahr 2004<br />
erweitert.<br />
3
2 Besonderheiten und Entwicklungen in der europäischen <strong>Airline</strong><br />
Industrie<br />
Das folgende Kapitel befasst sich mit der Ausgangslage in der europäischen <strong>Airline</strong> Industrie.<br />
Dabei wird auch ein erster Versuch unternommen zu klären, wo die Ursachen der<br />
vergleichsweise geringen Profitabilität der grossen europäischen Fluggesellschaften liegen<br />
können. Darauf aufbauend können Ergebnisverbesserungspotentiale diskutiert und<br />
auch Konklusionen für die Ausgestaltung des <strong>Performance</strong> <strong>Management</strong> gezogen werden.<br />
Als Konsequenz einer umfassenden Liberalisierung des europäischen Luftverkehrs konnte<br />
in den 90er Jahren ein tiefgreifender Veränderungsprozess in der europäischen <strong>Airline</strong><br />
Industrie beobachtet werden. Man hätte erwarten können, dass die Liberalisierung über<br />
die Intensivierung des Wettbewerbs mit der Zeit auch zu effizienter und profitabler arbeitenden<br />
Fluggesellschaften führt. <strong>St</strong>attdessen wurde die Industrie als ganzes betrachtet<br />
immer weniger erfolgreich. Hintergrund war ein durch Überkapazitäten hervorgerufener<br />
ruinöser Preiskampf, der durch das Erscheinen der No Frills <strong>Airline</strong>s8 noch verschärft<br />
wurde. Im Gegensatz zu den Flag Carriers9 konnten die neuen No Frills <strong>Airline</strong>s stark<br />
und profitabel wachsen, und dabei an den Börsen exzellente Bewertungen erzielten. Im<br />
Kurzstreckenbereich konnten sie die Flag Carriers sogar aus einigen ihrer traditionellen<br />
<strong>St</strong>andbeine verdrängen. Dies scheint, zumindest auf den ersten Blick, verwunderlich. Die<br />
Flag Carriers verfügen im Vergleich zu den neuen <strong>Airline</strong>s über eine bessere Ausgangslage<br />
und überlegene Fähigkeiten: Jahrzehntelange Erfahrung, gut ausgebildete und spezialisierte<br />
Mitarbeiter, über lange Zeit hinweg verbesserte Prozesse und IT-Systeme, weit<br />
entwickelte nationale und internationale Beziehungen zu relevanten Behörden, Flughäfen,<br />
Lieferanten, Kunden und anderen <strong>St</strong>akeholders. Damit sollten sie eigentlich in der<br />
Lage sein, jede Herausforderung zu bewältigen, sei es durch neue Konkurrenten oder andere<br />
Veränderungen der Marktbedingungen – zumindest doch dann, wenn sie über eine<br />
gute Führung und ein gutes <strong>Performance</strong> <strong>Management</strong> verfügen.<br />
Um diese Ausgangslage zu klären, ist sinnvoll, zunächst die finanziellen Resultate der<br />
europäischen <strong>Airline</strong>s genauer zu betrachten. Von dieser Basis ausgehend kann dann analysiert<br />
werden, wie Industrie-spezifische Eigenheiten und mikroökonomische Zusam-<br />
8 Die Bezeichnung „No Frills“ steht für ein Produkt ohne „Schnörkel“. Ryanair und Easyjet sind zur Zeit die bekanntesten<br />
Vertreter dieser Gruppe.<br />
9 Der Begriff „Flag Carrier“ steht für diejenigen <strong>Airline</strong>s, die seit Jahrzehnten interkontinental tätig sind, und mit<br />
ihrer Marke ihr Herkunftsland repräsentieren.<br />
4
menhänge das Zustandekommen der finanziellen Resultate beeinflussen. Zum Abschluss<br />
des Kapitels geht es dann um die Auseinandersetzung mit den Handlungsmöglichkeiten,<br />
die den <strong>Airline</strong>s in diesem Kontext zur Verfügung stehen, um ihre Ergebnisse zu verbessern.<br />
Die nächsten Abschnitte gliedern sich daher folgendermassen:<br />
• Finanzielle Resultate der europäischen <strong>Airline</strong>s<br />
• Besonderheiten der <strong>Airline</strong> Industrie<br />
• Aktuelle Entwicklungen in der Industriestruktur<br />
• Ergebnisverbesserungspotentiale<br />
2.1 Finanzielle Resultate der europäischen <strong>Airline</strong>s<br />
Ziel dieses Abschnittes ist es, zu untersuchen, wie erfolgreich die 9 europäischen Beispiel-<strong>Airline</strong>s<br />
aus finanzieller Sicht waren. Insbesondere werden dabei die Resultate des<br />
Jahres 2000 betrachtet. Die Jahre 2001 bis 2004 sind durch die Ereignisse des 11. Septembers<br />
2001 und den folgenden wirtschaftlichen Abschwung stark beeinflusst und sind<br />
daher möglicherweise weniger repräsentativ für die zukünftige Entwicklung der Industrie.<br />
Daher werden Daten aus diesen Jahren nur ergänzend hinzugezogen.Um den finanziellen<br />
Erfolg zu betrachten, muss zum einen das Erfolgskriterium geklärt werden: Muss<br />
eine <strong>Airline</strong> ihre Kapitalkosten erwirtschaften oder reicht ein kleiner Gewinn?<br />
Zum anderen es ist wichtig zu verstehen, aus welchen Komponenten sich der relevante<br />
finanzielle Erfolg zusammensetzt. Nur so kann man später die richtigen Ansatzpunkte für<br />
das <strong>Performance</strong> <strong>Management</strong> feststellen. Die nächsten Abschnitte gliedern sich daher<br />
wie folgt:<br />
• Relative <strong>Performance</strong> der Aktienkurse<br />
• <strong>St</strong>aatliche Investoren<br />
• Flag Carrier Aktien als Spekulationsobjekt<br />
• Financial & Operational Gearing<br />
• Bedarf an Liquidität<br />
• Folgen ungedeckter Kapitalkosten<br />
• Hintergründe der EVAs<br />
• Hintergründe der hohen Bewertung von No Frills <strong>Airline</strong>s<br />
• Zusammenfassende Lagebeurteilung<br />
5
Die Überlegungen in diesem Abschnitt werden anhand einiger Graphiken mit Schlüsselkennzahlen<br />
illustriert. Im Anhang 7.8 befinden sich zusätzlich detaillierte Angaben über<br />
die Bilanzen, Erfolgsrechnungen, Mittelflussrechnungen und die Eigenkapitalverwendung<br />
der 9 untersuchten <strong>Airline</strong>s für das Jahr 2000.<br />
2.1.1 Relative <strong>Performance</strong> der Aktienkurse<br />
Ein weithin akzeptiertes Kriterium für die Beurteilung des finanziellen Erfolges einer<br />
Industrie ist die Wertentwicklung eines diese Industrie repräsentierenden Aktienindizes<br />
im Vergleich zur Wertentwicklung eines Gesamtmarktportfolios. Hieraus wird direkt ersichtlich,<br />
inwieweit Investoren profitieren oder verlieren, wenn sie anstatt, in das Gesamtmarktportfolio,<br />
in ein Portfolio der betrachteten Industrie investieren. Eine vergleichende<br />
Analyse der Investmentbank Goldman Sachs hat gezeigt, dass seit 1986 die Wertentwicklung<br />
börsennotierter europäischer <strong>Airline</strong>s deutlich hinter der Wertentwicklung<br />
des europäischen Aktienmarktes zurückgeblieben ist. 10 Die Gewinne der <strong>Airline</strong>s konnten<br />
dabei die Eigenkapitalkosten nicht decken. Denn diese repräsentieren die Opportunitätskosten<br />
der Investoren, die sich durch die <strong>Performance</strong> des Gesamtmarktes meist annähernd<br />
bestimmen lassen. Angesichts dieser Sektor <strong>Performance</strong> drängt sich die Frage auf,<br />
warum überhaupt noch <strong>Airline</strong>-Aktien gekauft werden und wer dies tut.<br />
Hinsichtlich der Flag-Carrier Aktien spielen immer noch staatliche Institutionen als Anleger<br />
mit längerfristigem Zeithorizont eine wichtige Rolle, während professionelle, private<br />
Anleger Flag Carrier Aktien in der Regel nur als Spekulationsobjekt nutzen. 11 Für die<br />
Aktien der No Frills <strong>Airline</strong>s muss dies allerdings nicht gelten.<br />
2.1.2 <strong>St</strong>aatliche Investoren<br />
<strong>St</strong>aatlichen Institutionen sind in der europäischen <strong>Airline</strong> Industrie immer noch bedeutende<br />
Investoren. Bei einigen bedeutenden Flag Carriers halten die Heimatstaaten über<br />
50% des Aktienkapitals. 12<br />
10 Konkret wurde dabei die Entwicklung des Goldman Sachs European <strong>Airline</strong> Index dem Euro Top 300 Index für<br />
den Zeitraum von Januar 1986 bis Januar 2001 gegenübergestellt. Vgl. Scott-Gall/Logan, <strong>Airline</strong>s Europe, S. 35<br />
und S. 227.<br />
11 Vgl. Abschnitt 2.1.3 auf S. 7f.<br />
12 Hierzu zählten im Jahr 2002 unter anderem Air France, SAS und Alitalia. Vgl. Scott-Gall/Logan, <strong>Airline</strong>s Europe,<br />
S. 237. Inzwischen hat Lufthansa ihren <strong>St</strong>aatsanteil auf 0 reduziert, vgl hierzu The Hitchhikers Guide to European<br />
Transport S. 11.<br />
6
Ganz offensichtlich stellt für solche Investoren die möglichst gewinnbringende Geldanlage<br />
nicht die einzige Motivation dar, zu investieren. Die Anteile werden eher mit langfristigem<br />
Zeithorizont gehalten, so dass Spekulation als Motiv nicht in Frage kommt. <strong>St</strong>attdessen<br />
geht es staatlichen Institutionen vielfach auch darum, die eigene nationale <strong>Airline</strong>,<br />
den Flag Carrier, mit Eigenkapital zu unterstützen und eventuell sogar auf seine strategischen<br />
Entscheidungen Einfluss zu nehmen. Im Rahmen der Liberalisierung13 des europäischen<br />
Luftverkehrs sind die EU-<strong>St</strong>aaten allerdings übereingekommen, die Einflussnahme<br />
auf ihre Flag Carriers zu reduzieren. Dies gilt insbesondere im Hinblick auf Subventionen,<br />
die laut dem EU-Abkommen ausdrücklich verboten sind.<br />
Legt man nun aber bezüglich der Rentabilität der staatlichen Anteile eine Opportunitätskostenbetrachtung<br />
an, tritt eine verdeckte Subvention hervor. Da der <strong>St</strong>aat wohl kaum mit<br />
den Aktien seines Flag Carriers spekuliert, könnte er in der Regel mit anderen Aktien<br />
wesentlich besser verdienen, als mit den Aktien seines Flag Carriers. Die Differenz, bzw.<br />
der entgangene Gewinn, kommt wie eine Subvention der begünstigten <strong>Airline</strong> zu Gute.<br />
Man kann daher davon ausgehen, dass die europäischen <strong>St</strong>aaten sich bei fortschreitender<br />
Liberalisierung tendenziell immer mehr gezwungen sehen werden, von den Kapitalbeteiligungen<br />
an ihren Flag Carriers zurückzutreten.<br />
2.1.3 Flag Carrier Aktien als Spekulationsobjekt<br />
Was die Aktien der Flag Carriers betrifft, kann man davon ausgehen, dass diese von professionellen<br />
privaten Investoren kaum im Rahmen einer langfristigen Anlagestrategie, als<br />
fixer Bestandteil eines Portfolios gekauft werden. Solche Investoren kaufen europäische<br />
Flag Carrier-Aktien überwiegend mit sehr kurzfristigem Anlagehorizont, um zyklische<br />
Kursschwankungen spekulativ auszunutzen. Die Aktienkurse der Flag Carriers reagieren<br />
im Durchschnitt wesentlich direkter und heftiger auf Veränderungen von Konjunkturund<br />
Börsenindikatoren als Aktien aus anderen Industrien. Es lassen sich zudem viele Beispiele<br />
finden, in denen Veränderungen solcher Indikatoren eine Richtungsveränderung<br />
bei der Kursentwicklung der <strong>Airline</strong>-Aktien mit einigen Monaten Vorlaufzeit vorhersagen<br />
konnten. Europäische <strong>Airline</strong>-Aktien bieten also ideale Voraussetzungen für kurzfristig<br />
angelegte Spekulationen. Einige Finanzanalysten gehen in ihrer Interpretation der Aktienkurse<br />
sogar so weit, dass vorübergehende Überbewertungen von europäischen Flag<br />
Carriers als im Kurs implizierte Optionsprämien interpretiert werden. Spekulativ orientierte<br />
Investoren sind nach dieser Interpretation sogar bereit, für die höhere Volatilität der<br />
13 Vgl <strong>St</strong>erzenbach/Conrady, Luftverkehr, S. 82. Hier ist eine detaillierte Chronologie der europäischen Liberalisierung<br />
des Luftverkehrs zu finden.<br />
7
Flag Carrier-Aktien einen Aufschlag zu bezahlen, der über den inneren Wert der Aktie<br />
hinausgeht, der durch die zukünftigen Cash Flows repräsentiert wird. 14<br />
2.1.4 Financial & Operational Gearing<br />
Die relative Volatilität einer bestimmten <strong>Airline</strong>-Aktie im Vergleich zu anderen <strong>Airline</strong>-<br />
Aktien wird massgeblich durch das Financial Gearing und das Operational Gearing bestimmt.<br />
In Krisensituationen gewinnen zusätzlich Liquiditätskennzahlen an Bedeutung.<br />
2.1.4.1 Financial Gearing<br />
Das Financial Gearing bezeichnet die Hebelwirkung des Verschuldungsgrades mit der<br />
sich eine Veränderung des Gewinnes vor Zinsen und <strong>St</strong>euern (EBIT15) auf den Reingewinn<br />
auswirkt, der den Aktionären zu Gute kommt.<br />
Abbildung 2-116 zeigt einen auf den Bilanzen basierenden Überblick, der die Eigenkapital-<br />
(Equity) und Fremdkapitalpositionen (Debt) für die 9 <strong>Airline</strong>s ins Verhältnis setzt. 17<br />
Alternativ dazu kann das Financial Gearing auch anhand der Cash Flows beurteilt werden.<br />
Dabei wird festgestellt, welcher Anteil der freien Cash Flows nach Abzug von Zinszahlungen,<br />
Leasingverpflichtungen etc. den Eigentümern zufliesst. Je tiefer dieser Anteil,<br />
desto höher ist in der Regel das Financial Gearing.<br />
14 Scott-Gall/Logan haben untersucht, inwieweit Flag Carrier Aktien sich für „Trading“, d.h für Spekulationen<br />
eignen. Insbesondere wurde danach geforscht, wie zuverlässig und mit welchem Vorlauf (lead time) Konjunkturindikatoren<br />
und Börsenindices eine Veränderung bei den Aktienkursen der europäischen Flag Carriers vorhersagen<br />
können. Untersucht wurden die folgenden Indices bzw. Indikatoren: Deutschen IFO Index, GS Euroland<br />
Leading, US NAPM, S&P 500, FTSE Eurotop 300, S&P Financials, SP Euro Financials. Dabei konnten viele<br />
Beispiele identifiziert werden, für die eine Vorhersagefunktion dieser Indices, mit einigen Monaten Vorlauf,<br />
plausibel darstellbar war. Allerdings konnte für keinen dieser Indices eine signifikante Korrelation mit Flag Carrier<br />
Aktienkursen über einen längeren Zeitraum hinweg festgestellt werden. Vgl. Scott-Gall/Logan, <strong>Airline</strong>s Europe,<br />
S. 175-188. Auf S. 207-218 derselben Quelle wird diskutiert, inwieweit die Optionspreistheorie zur Erklärung<br />
von periodischer Überbewertung gewisser Flag Carrier Aktien herangezogen werden kann.<br />
15 Earnings before interest and taxes.<br />
16 Eigene Berechnungen auf Basis Eigenkapital und Fremdkapital in der Bilanz (vgl. Anhang). Auffallend ist der<br />
relativ zu Ryanair hohe Verschuldungsgrad von Easyjet, der sich allerdings im Jahr 2001 auf 38% reduziert hat.<br />
Alternativ können zur Darstellung des Financial Gearing auch diejenigen Leasingverträge einbezogen werden,<br />
die nicht in der Bilanz erscheinen.<br />
17 Die hier vorliegende Betrachtung enthält keine off-balance-sheet Verpflichtungen der 9 <strong>Airline</strong>s, sondern rein<br />
die aus den Bilanzen entnommenen Positionen.<br />
8
9<br />
year 2000<br />
100%<br />
90%<br />
80%<br />
70%<br />
60%<br />
50%<br />
40%<br />
30%<br />
20%<br />
10%<br />
0%<br />
Equity % of IC Debt % of IC<br />
Lufthansa BA Easyjet Air France SAS KLM Ryanair Alitalia Iberia<br />
Abbildung 2-1: Verschuldungsgrad europäischer <strong>Airline</strong>s im Jahr 2000<br />
2.1.4.2 Operational Gearing<br />
Das Operational Gearing bezeichnet die Hebelwirkung, mit der eine <strong>Airline</strong> Veränderungen<br />
in ihrem makro- und mikroökonomischen Umfeld in einen veränderten EBIT umsetzt.<br />
Beispielsweise wird eine <strong>Airline</strong> mit einem starken Marktanteil bei so genannten<br />
Premium Passagieren mit hochpreisigen Tickets stärker unter einer Konjunkturkrise leiden,<br />
als andere. Allerdings wird eine solche <strong>Airline</strong> tendenziell auch stärker von einem<br />
Aufschwung profitieren. Beispiele für andere Faktoren, die das Operational Gearing erhöhen<br />
können, sind: Die Markenstärke, der Anteil an <strong>St</strong>recken mit monopolistischen<br />
Markteigenschaften, die Anzahl der mit der <strong>Airline</strong> über ein Frequent Flyer Program<br />
(FFP) verbundenen Passagiere und natürlich auch der Diversifikationsgrad des jeweiligen<br />
Konzerns über das reine <strong>Airline</strong>-Geschäft hinaus. 18<br />
18 Vgl. zum Thema financial und operational gearing Scott-Gall/Logan, <strong>Airline</strong>s Europe, S. 194-201.
% of Basis Equity Value (Oct 2002)<br />
300%<br />
250%<br />
200%<br />
150%<br />
100%<br />
50%<br />
0%<br />
Lufthansa BA Air France SAS KLM<br />
Recovery<br />
<strong>St</strong>agnate<br />
Basis<br />
War<br />
Basis<br />
Abbildung 2-2: Financial und Operational Gearing im Oktober 2002 (Kurserwartungen<br />
pro Szenario)<br />
Abbildung 2-2 zeigt, wie sich Operational und Financial Gearing auf Analystenerwartungen19<br />
in Abhängigkeit von makro- und mikroökonomischen Entwicklungsszenarien zur<br />
Veränderung des Börsenwertes von 5 europäischen <strong>Airline</strong>s auswirken können. Die Basislinie<br />
bezeichnet den Wert einer Aktie zum Zeitpunkt der Schätzung, im Oktober 2002.<br />
Das mit „War“ bezeichnete unterste Segment der Grafik gibt den prozentualen Aktienwert<br />
an, der im Falle eines definierten Kriegsszenarios der USA mit dem Irak im Jahr<br />
2003 vom Basiswert übrig bleibt. Es zeigt sich, dass vor allem KLM mit 37% bei diesem<br />
Szenario viel Wert verliert. Verantwortlich ist dafür zum grossen Teil das auch für das<br />
Jahr 2003 als hoch angenommene Financial Gearing. 20 Zudem ist es wahrscheinlich, dass<br />
die KLM aufgrund ihrer starken Abhängigkeit vom Umsteigeverkehr von negativen<br />
Nachfrageveränderungen besonders betroffen wird, so dass das Operational Gearing nach<br />
unten ebenfalls sehr stark ausgeprägt ist.<br />
Im Falle des „Recovery“-Szenarios, also eines in den vordefinierten Bandbreiten stattfindenden<br />
wirtschaftlichen Aufschwunges, profitiert der Aktienwert der BA im Modell mit<br />
19 Die Abbildung basiert auf Schätzungen von Goldman Sachs, vgl. Scott-Gall/Logan/Frank, Europe <strong>Airline</strong>s, S. 8.<br />
20 Vgl. dazu auch die Position der KLM in Abbildung 2-1 als <strong>Airline</strong> mit dem höchsten Verschuldungsgrad im Jahr<br />
2000.<br />
10
Abstand am meisten. Dazu trägt insbesondere das Operational Gearing bei. BA gilt als<br />
Sonderfall in der europäischen <strong>Airline</strong> Industrie, dessen Erfolg stark vom Premium-<br />
Verkehr des Finanzsektors abhängt. 21<br />
2.1.5 Bedarf an Liquidität<br />
In Krisensituationen, die die operativen Cash Flows ernsthaft beeinträchtigen können,<br />
spielt die Liquidität eine wichtige Rolle und hat auch einen wesentlichen Einfluss auf die<br />
Volatilität des Aktienkurses. Reicht die Liquidität nicht aus, um auch bei drastischen<br />
Kostensenkungsmassnahmen die eigenen Ausgaben zu decken, droht ein Konkurs. Denn<br />
in solch einem Umfeld ist es meist kaum möglich, zusätzliches Eigenkapital zur Deckung<br />
einer Cash Flow Lücke zu bekommen. Die Liquidität kann mit den klassischen Liquiditätskennzahlen22<br />
aus der Bilanzanalyse dargestellt werden und es können zusätzliche, vor<br />
allem Cash Flow-basierte Indikatoren hinzugezogen werden. Als sinnvoller Ausgangspunkt<br />
für die Beurteilung der Liquidität kann eine einfache Cash Burn Analyse dienen.<br />
Abbildung 2-3 zeigt eine entsprechende Darstellung für das Jahr 2000. Der horizontale<br />
Balken zeigt jeweils die monatlichen Cash Flow-wirksamen Betriebsausgaben23. Der vertikale<br />
Balken zeigt einige der zur Deckung der Ausgaben zur Verfügung stehenden Mittel,<br />
und zwar über der Null-Linie von unten nach oben mit abnehmender Cash-Nähe: D.h.<br />
von den flüssigen Mitteln, über Wertschriften und Vorräte bis zu den Debitoren. Unter<br />
der Null-Linie sind die Kreditoren als kurzfristiges Fremdkapital aufgeführt.<br />
Von solch einer Grafik kann man ausgehen, um abzuschätzen, wie gut die einzelnen Gesellschaften<br />
im Hinblick auf einen Einbruch ihrer operativen Cash Flows positioniert<br />
sind.<br />
Liegt der Querbalken beispielsweise noch im Bereich der flüssigen Mittel, kann man davon<br />
ausgehen, dass die <strong>Airline</strong> selbst dann, wenn die Kosten nicht gesenkt werden können,<br />
einen kompletten Verlust der Einnahmen einen Monat lang verkraften könnte - gegeben<br />
natürlich, dass sich die Cash Flows von Debitoren und Kreditoren ungefähr ausgleichen.<br />
Je weiter der Querbalken in die Cash-entfernteren Bereiche wandert, und je<br />
21 Vgl. hierzu Scott-Gall/Logan/Frank, Europe <strong>Airline</strong>s, S. 10-11.<br />
22 Z.B. die Liquiditätsgrade 1-3, bei denen Geld-nahe Aktiven ins Verhältnis zum kurzfristigen Fremdkapital gesetzt<br />
werden, wobei der Grad 1 nur die flüssigen Mittel enthält, und die anderen beiden Grade zunehmend andere<br />
Geld-nahe Positionen hinzufügen.<br />
23 Vgl. Berechnung des Operativen Cash Flow im Anhang 7.5.4 und zwar geht es um die Positionen Zahlungen an<br />
Lieferanten, Lohnzahlungen, Zahlungen übriger Ertrag (Aufwand), Zahlungen für Zinsen.<br />
11
grösser der Kreditoren-Balken wird, desto fraglicher wird es, dass die <strong>Airline</strong> einen Einbruch<br />
bei den Einnahmen lange durchhält.<br />
Abbildung 2-3: Cash Burn Analyse<br />
In der Darstellung fällt auf, dass vor allem Ryanair und KLM sehr liquide dastehen, während<br />
die Liquiditätssituation bei Alitalia eher als kritisch einzuschätzen ist.<br />
Die Grafik geht von der Prämisse aus, dass sich die Cash-nahen Ausgaben nicht innerhalb<br />
weniger Monate senken lassen. Denn für solche Zeiträume können im Schnitt ca.<br />
70% der Kosten als fix betrachtet werden24. Dies wird deutlich, wenn im Anhang 7.5.4<br />
die Zusammensetzung dieser Ausgaben betrachtet wird: Der grösste Teil besteht aus<br />
Lohnzahlungen und Ausgaben für Lieferanten. Hier sind Verträge mit mehreren Monaten<br />
Kündigungsfrist die Regel. Hinzu kommt, dass Linienfluggesellschaften ihren Flugplan<br />
im grossen und ganzen nur zweimal im Jahr auf den Termin des Wechsels einer Flugplanperiode<br />
verändern dürfen, um ihre Verkehrslizenz nicht zu verlieren. Auch wenn der<br />
<strong>St</strong>aat in Krisenzeiten Ausnahmen zulässt, so bezieht sich in der Regel doch ein Grossteil<br />
24 Scott-Gall/Logan, <strong>Airline</strong>s Europe, S. 13.<br />
12
der Verträge mit Lieferanten auf diese beiden Daten. Je mehr es einer <strong>Airline</strong> gelingt,<br />
diese Verträge zu flexibilisieren, umso schneller und wirksamer lassen sich in Krisenzeiten<br />
durch Kapazitätsanpassungen Ausgaben sparen.<br />
Um die Liquidität einer <strong>Airline</strong> vollständig darzustellen, müssen neben den operativen<br />
Cash Flows auch die potentiellen investiven und finanziellen Cash Flows verstanden<br />
werden. Insbesondere sind hier so genannte off-balance-sheet Verpflichtungen zu nennen,<br />
die aus Leasingverträgen, Bürgschaften und Industriebeteiligungen resultieren können.<br />
Diese können zusätzlich zu den operativen „Cash Cost“ aus der Grafik zu weiteren<br />
liquiditätswirksamen Ausgaben führen. Auf der anderen Seite sind aber auch die noch<br />
belehnbaren Aktiven des Anlagevermögens und die Kreditlinien zu berücksichtigen, die<br />
auch in Krisensituationen eine Aufnahme von Kapital ermöglichen können. Die potentiell<br />
mögliche Kreditaufnahme könnte dann in die Grafik zur Cash Burn Analyse als Cashnahe<br />
Grösse integriert werden. 25 Gleiches gilt für veräusserbare Unternehmensteile. Diese<br />
können aber nur soweit als Liquiditätsreserve für Krisenzeiten bewertet werden, wie sie<br />
sich auch in Krisenzeiten zu Geld machen lassen. Insbesondere, wenn es um Konzerngesellschaften<br />
aus der Wertschöpfungskette der <strong>Airline</strong> Industrie handelt, müssen drastische<br />
Preisabschläge für einen Verkauf in Krisenzeiten veranschlagt werden.<br />
Abbildung 2-4 zeigt die umfassende Variante der Liquiditätsanalyse für 5 europäische<br />
<strong>Airline</strong>s im Jahr 200226. Jeder <strong>Airline</strong> sind dabei 2 Dimensionen der Liquidität zugeordnet:<br />
Jeweils links die Liquiditätsquellen (1) und rechts die Liquiditätsabflüsse (2).<br />
Die Liquiditätsquellen stammen zum Teil aus der Bilanz (flüssige Mittel und veräusserbare<br />
Aktiven), sind ergänzt durch so genannte off-balance-sheet Informationen27 (Kreditlinien<br />
und Belehnbarkeitsstatus der Aktiven) und den EBITDAR aus der Erfolgsrechnung.<br />
Die Cash-Abflüsse im jeweils zweiten Balken bezeichnen die vertraglich festgelegten<br />
Zinsen und Leasinggebühren, sowie notwendige Veränderungen im Umlaufvermögen,<br />
verbindlich vereinbarte Investitionen und verbindliche Rückzahlungen von Fremdkapital.<br />
25 Dabei muss berücksichtigt werden, dass <strong>Airline</strong>-spezifisches Analagevermögen grösstenteils aus Flugzeugen<br />
besteht und diese in einer möglichen Krise einem Wertverlust unterliegen können, der die Belehnbarkeit reduziert.<br />
26 Die Datenbasis der Schätzungen für 2002 stammt aus Scott-Gall/Logan/Frank, Europe <strong>Airline</strong>s, S. 29-31 und S.<br />
41-74. Diese Quelle verwendet jedoch eine andere Darstellung (ohne Cash Kosten) und setzt das Liquiditätspotential<br />
von Sep 2002 zum geschätzten EBITDAR von 2003 in Beziehung, während hier ebenfalls für den EBIT-<br />
DAR das Jahr 2002 zu Grunde gelegt wird.<br />
27 Informationen ausserhalb der Bilanz, die die Positionen in der Bilanz detaillierter darstellen oder relativieren.<br />
13
Als oberstes Segment des Balkens sind zusätzlich die so genannten Cash-Kosten aufgeführt,<br />
die alle diejenigen Kostenpositionen beinhalten, die vor dem EBITDAR dem Ertrag<br />
abgezogen werden. 28<br />
Abbildung 2-4: Umfassende Liquiditätsanalyse für das Jahr 2002<br />
Zur Erleichterung der Interpretation der Grafik, kann von den folgenden 3 Szenarien ausgegangen<br />
werden:<br />
• Szenario 1: Ein Ertrag von 0 bei gleich bleibenden Cash-Kosten<br />
• Szenario 2: Ein EBITDAR von 0<br />
• Szenario 3: Ein gleich bleibender EBITDAR.<br />
28 Also alle betriebsnotwendigen Kosten vor Abschreibungen, Amortisationen und Mieten/Leasingzahlungen.<br />
Diese Grösse ist nicht zwingend gleich einer Cash Flow Grösse. Bei <strong>Airline</strong>s kann aber in der Regel davon ausgegangen<br />
werden, dass der allergrösste Teil dieser Kosten (Löhne, Treibstoff, Material, Gebühren etc.) innerhalb<br />
weniger Wochen Cash Flow-wirksam ist.<br />
14
Szenario 1<br />
Ein Ertrag von 0 bei gleich bleibenden Cash-Kosten: Dies ist das ungünstigste Szenario<br />
für die Liquidität, das in der Praxis in dieser extremen Form kaum je vorkommen wird.<br />
Die Einnahmen sinken hier auf Null, während die Kosten für den Betrieb voll weiterlaufen.<br />
Der Liquiditätsverlust nach einem Jahr ergibt sich aus dem linken Balken ohne<br />
EBITDAR abzüglich des rechten Balkens. Dieser Wert ist für alle hier aufgeführten <strong>Airline</strong>s<br />
negativ. Dividiert man den linken Balken ohne EBITDAR durch den rechten und<br />
multipliziert das Ergebnis mit 12, ergibt sich die Anzahl Monate bis zur totalen Illiquidität.<br />
Szenario 2<br />
EBITDAR von 0: Bei diesem Szenario decken die Erträge exakt die Cash-Kosten, so<br />
dass sich ein EBITDAR von 0 ergibt. Bei der Interpretation der Liquiditätslage wird also<br />
jeweils das oberste Segment der beiden Balken weggelassen. Der Liquiditätsverlust nach<br />
einem Jahr ergibt sich aus dem linken Balken ohne EBITDAR abzüglich des rechten<br />
Balkens ohne Cash-Kosten. Ein solches Szenario, dass bei entsprechend ungünstigen Bedingungen<br />
durchaus für die Praxis denkbar erscheint, würde alle <strong>Airline</strong>s ausser Lufthansa<br />
nach einem Jahr in eine kritische Liquiditätssituation führen. Denkbar sind auch solche<br />
Szenarien, die zwischen dieser Situation und dem Szenario Ertrag = 0 liegen.<br />
Es ist allerdings zu erwarten, dass die betrachteten <strong>Airline</strong>s in solch einem Fall<br />
schnellstmöglich zu Restrukturierungsmassnahmen greifen, die den Zeitraum des schnellen<br />
Liquiditätsverlustes beschränken.<br />
Szenario 3<br />
Bei gleich bleibendem EBITDAR entspricht die Differenz zwischen dem ersten Balken<br />
und dem zweiten Balken ohne Cash-Kosten der Liquiditätsreserve eines Jahres. In diesem<br />
Ausmass können unvorhergesehene Ausgaben abgedeckt werden.<br />
Bei der Interpretation der 3 Szenarien ist zu beachten, dass die Liquiditätsreserven vor<br />
allem in Szenario 1.) und 2.) aufgrund einer allgemein angespannten Lage noch zusätzlich<br />
reduziert werden können. In einer schweren Industriekrise können nicht nur für veräusserbare<br />
Aktiven schlechtere Preise erzielt werden, auch werden die Banken ihre Kreditlinien<br />
reduzieren und die Belehnbarkeit der Aktiven noch restriktiver handhaben.<br />
15
2.1.6 Folgen ungedeckter Kapitalkosten<br />
Eine andere Möglichkeit den finanziellen Erfolg der europäischen <strong>Airline</strong>s zu betrachten<br />
bietet ein Vergleich des Börsenwertes mit dem Nettowert der Aktiven. Abbildung 2-529 zeigt einen solchen Vergleich für das Jahr 2000.<br />
mio €<br />
12'000<br />
10'000<br />
8'000<br />
6'000<br />
4'000<br />
2'000<br />
0<br />
year 2000<br />
Market cap in mio €<br />
Net asset value in mio €<br />
Lufthansa BA Easyjet Air France SAS KLM Ryanair Alitalia Iberia<br />
Abbildung 2-5: Börsenwert und Nettowert der Aktiven europäischer <strong>Airline</strong>s<br />
Der Börsenwert oder market cap30 ist definiert als der Wert aller Aktien zum <strong>St</strong>ichtagskurs,<br />
währenddem der Nettowert der Aktiven oder NAV31 den Fortführungswert aller<br />
Aktiven in der Bilanz zum <strong>St</strong>ichtag wiedergibt, abzüglich des Fremdkapitals. Ist der Börsenwert<br />
tiefer als der Nettowert der Aktiven, deutet dies auf eine negative Wertschöpfung<br />
29 Die Börsenwerte (market cap) sind von Bloomberg, und zwar jeweils zum Bilanzstichtag der jeweiligen <strong>Airline</strong>.<br />
Die Nettowerte der Aktiven (NAV) stammen aus eigenen Berechnungen, vgl. Anhang (je nach Berichtsperiode<br />
der <strong>Airline</strong> meist mit <strong>St</strong>ichtag 31.12.00). Bei der Interpretation der Grafik ist daher zu beachten, dass die Börsenkurse<br />
auch täglichen Schwankungen unterliegen können, die nichts mit dem inneren Unternehmenswert zu<br />
tun haben, sondern sich z.B. aus Währungs- und Zinsmarktbewegungen ergeben. Alternativ könnten auch die<br />
Jahresdurchschnitte von NAV und Market Cap miteinander verglichen werden, um solche kurzfristigen Schwankungen<br />
zu eliminieren.<br />
30 Market Capitalization<br />
31 Net Asset Value<br />
16
im Sinne eines negativen EVA 32 bzw. Economic Value Added hin.<br />
Der faire Börsenwert kann nämlich als die Summe aus NAV und aller zukünftigen, abdiskontierten<br />
EVAs verstanden werden, wie in Abbildung 2-6 dargestellt.<br />
7'000'000<br />
6'000'000<br />
5'000'000<br />
4'000'000<br />
3'000'000<br />
2'000'000<br />
1'000'000<br />
17<br />
0<br />
NAV beg.<br />
2000<br />
EVA 2000 EVA 2001 EVA 2002 EVA 2003 EVA 2004 Residual<br />
EVAs<br />
Abbildung 2-6: Weg von NAV zu market cap<br />
NAV+EVA- Market cap in<br />
Market cap mio €<br />
Der EVA ist definiert als Übergewinn, d.h. als derjenige Teil des Unternehmensgewinnes,<br />
der über die Kapitalkosten hinaus verdient wird. Dabei beinhalten die Kapitalkosten<br />
die Fremdkapitalzinsen und die Eigenkapitalkosten, wobei die Eigenkapitalkosten vereinfacht<br />
ausgedrückt als die fair bewerteten Opportunitätskosten der Investoren verstanden<br />
werden können. Der NAV kann als Substanzwert der Unternehmung, bewertet zu Fortführungswerten33<br />
verstanden werden, da er sich aus dem bilanzierten Wert der Aktiven<br />
abzüglich des Fremdkapitals ergibt. Sollte der aus NAV und zukünftigen, abdiskontierten<br />
EVAs ermittelte Börsenwert (market cap) nicht mit dem tatsächlichen Börsenwert übereinstimmen,<br />
dann stimmen die Einschätzungen der Investoren nicht mit der Einschätzung<br />
32 Wo nicht anders bezeichnet ist in dieser Dissertation mit EVA immer der EVA des Eigenkapitals gemeint. Im<br />
Gegensatz dazu kann auch für das Gesamtkapital ein EVA errechnet werden.<br />
33 In der Regel wird im Geschäftsbericht eines Unternehmens zu Fortführungswerten bilanziert (Englisch going<br />
concern). D.h man geht dabei von der Prämisse aus, dass das Unternehmen grundsätzlich im bestehenden Umfang<br />
weitergeführt werden soll. Eine andere Bewertungsmöglichkeit wäre z.B. der Liquidationswert, wenn das<br />
Unternehmen ganz oder teilweise liquidiert werden soll.
desjenigen überein, der die EVAs und den NAV berechnet hat.<br />
Entweder ist dann also mindestens einer der beiden Seiten ein Bewertungsfehler unterlaufen,<br />
oder es existiert eine Asymmetrie in der Information. Es ist die Aufgabe der Investor<br />
Relations Funktion der Unternehmen, die Investoren so zu informieren, dass Wissenslücken,<br />
die unter anderem die zukünftigen EVAs betreffen, abgebaut werden, damit diese<br />
nicht zu einer tieferen Bewertung des Unternehmens führen, wie dies auch in Abbildung<br />
2-6 im vorletzten Balken (NAV+EVA-Market Cap) dargestellt ist.<br />
Da die Finanzmärkte aber noch anderen Gesetzmässigkeiten folgen und sich die Aktienkurse<br />
in der Praxis nicht immer nur nach dem inneren Wert eines Unternehmens richten,<br />
wird es wohl kaum je eine exakte Übereinstimmung von EVA-basierter Bewertungskalkulation<br />
und Börsenwert geben. 34<br />
Dennoch kann festgehalten werden, dass die Investor Relations Funktion ihre Aufgabe<br />
umso erfolgreicher durchführen kann, je mehr relevante Informationen ihr zur Berechnung<br />
und Begründung der zukünftigen EVAs zur Verfügung stehen.<br />
Es fällt in den Aufgabenbereich des <strong>Performance</strong> <strong>Management</strong>, hierfür einen Business<br />
Plan so auszudrücken zu können, dass nicht nur die EVAs daraus ersichtlich sind, sondern<br />
auch klar wird, wie diese durch detaillierte operative Leistungsziele und Annahmen<br />
über das exogene Umfeld gestützt sind. Wenn dann dieser Business Plan konsequent umgesetzt<br />
wird und alle relevanten Neuerungen und Abweichungen durch die Investor Relations<br />
an die Investoren weitergeleitet werden, steht einer fairen Bewertung durch den<br />
Markt nicht mehr viel im Wege. Als <strong>Performance</strong> Measurement System repräsentiert das<br />
AVCMS genau diese Durchgängigkeit von der Operation bis zur finanziellen Berichterstattung.<br />
Im Kapitel 4 werden Finanzindikatoren wie EVA und ihre Vernetzung mit den<br />
operativen Prozesszielen genauer dargestellt.<br />
Aus der Betrachtung von NAV und market cap ergeben sich lebenswichtige Konsequenzen<br />
für die <strong>Airline</strong>s.<br />
Nicht nur, dass überall dort, wo der Börsenwert den NAV unterschreitet, eine Aufnahme<br />
von privatem Eigenkapital unmöglich erscheint35, es ergibt sich auch ein Übernahmepo-<br />
34 Hierfür gibt es viele Gründe, wie z.B. die oben aufgeführten Gründe im Bereich Spekulation, die Differenzen<br />
zum inneren Börsenwert zum Teil als Optionsprämien erklären können. Andere Gründe wären beispielsweise bei<br />
Wechselkursschwankungen und Zinsdifferenzen zu suchen, die die generelle Neigung der Investoren, Aktien aus<br />
einem bestimmten Land oder einer bestimmten Währungszone zu kaufen, beeinflussen können.<br />
35 Kaum ein gewinnorientierter Investor wird sich an einer Aktienemission zu einem Kurs beteiligen, der den erwarteten<br />
Börsenkurs nicht einmal annähernd decken kann. Daher wird immer bei NAV>market cap eine Kapitalerhöhung<br />
an den privaten Märkten normalerweise nicht möglich sein.<br />
18
tential, z.B. durch Konkurrenten. Ein solches Übernahmepotential geht von Investoren<br />
aus, die die Aktiven der betroffenen <strong>Airline</strong> zu dem dem NAV zugrunde liegenden Fortführungswert<br />
wirtschaftlich verwerten können. Dies kann z.B. dann der Fall sein, wenn<br />
sich die Aktiven zu einem ähnlich hohen Wert auf dem Markt verkaufen lassen, also der<br />
Liquidationswert nicht zu stark vom Fortführungswert abweicht. Es kann auch der Fall<br />
sein, wenn der Investor die Aktiven selbst verwerten kann. Dann ist die Differenz zwischen<br />
Fortführungswert und Beschaffungswert das relevante Kriterium. Ein solcher Investor<br />
spart potentiell genau die Differenz zwischen Market Cap und NAV ein, wenn er<br />
die <strong>Airline</strong> übernimmt und ihre Aktiven verwertet. In der Praxis des europäischen Luftverkehrs<br />
ist es allerdings bisher nicht zu unfriendly take-overs36 im grösseren <strong>St</strong>il gekommen,<br />
da die Regierungen dies noch nicht zulassen. 37 Sofern sich aber der Trend zur<br />
Liberalisierung weiterhin fortsetzt, ist davon auszugehen, dass solche Übernahmen möglich<br />
werden und immer dann durchgeführt werden, wenn sie sich für den Investor lohnen.<br />
Als Konsequenz der Liberalisierung in der europäischen Telekommunikationsindustrie<br />
konnten jedenfalls schon solche Übernahmen beobachtet werden. 38<br />
Als Alternative zur oben dargestellten Betrachtungsweise der Wertschöpfung europäischer<br />
<strong>Airline</strong>s wurde von den Analysten der Investmentbank UBS Warburg eine Flottenbezogene<br />
Wertschöpfungsanalyse entwickelt. Hierbei geht man von den so genannten<br />
„Fleet-replacement-cost, net of debt“ aus, dass heisst anstelle des NAV39 wird der Anschaffungswert<br />
der Flotte abzüglich des Flotten-bezogenen Fremdkapitals eingesetzt.<br />
Dabei müssen natürlich Flottenalter und erzielbare Rabatte genauso berücksichtigt werden<br />
wie solche Fremdfinanzierungsformen, die die Bilanz nicht tangieren.<br />
36 Unfreundliche Übernahme, bei der das <strong>Management</strong> der übernommenen Gesellschaft nicht mit der Transaktion<br />
19<br />
einverstanden ist.<br />
37 Vgl. hierzu die detaillierten Ausführungen zur noch vorhandenen Regulierung des europäischen Luftverkehrs<br />
und der staatlichen Eingriffe in Abschnitt 2.3.1.<br />
38 Beispiel ist hier die Übernahme von Mannesmann durch Vodafone. Nicht genug kann allerdings festgehalten<br />
werden, dass die Übernahme sich ganzheitlich betrachtet für den Investor lohnen muss. Vor einer Übernahme<br />
werden daher neben NAV und Börsenwert natürlich auch andere Kriterien hinzugezogen, selbst wenn es vor allem<br />
um die Verwertung der Aktiven geht. Insbesondere sind hier die finanziellen Konsequenzen aus der Kündigung<br />
von Arbeitsverträgen zu nennen und andere Liquidationskosten. Gegenüber solchen negativen Anreizen für<br />
eine Übernahme lässt sich aber auch feststellen, dass eine <strong>Airline</strong> mit ihren Slots und Landerechten eine Reihe<br />
von Werten besitzt, die nicht bilanziert werden dürfen, aber für einen Konkurrenten zum Teil erheblichen Wert<br />
besitzen. Es lässt sich festhalten, dass ein den Börsenwert übersteigender NAV einen ersten Anhaltspunkt für eine<br />
lukrative Übernahme, insbesondere durch einen Konkurrenten indiziert. Ob sich die Übernahme dann wirklich<br />
lohnt, muss eine detaillierte Analyse aller damit verbundenen Konsequenzen ergeben.<br />
39 Beim Vergleich des NAV mit der Börsenkapitalisierung.
Den so ermittelten Fleet-replacement-cost wird die hypothetische Börsenkapitalisierung<br />
des Kerngeschäfts gegenübergestellt, für die die aktuelle Börsenkapitalisierung um<br />
Schätzungen aller nicht zum <strong>Airline</strong>-Kerngeschäft gehörenden Einflüsse korrigiert werden<br />
muss. Vorteil dieser Betrachtung ist eine verbesserte Vergleichbarkeit der Wertschöpfung<br />
des Kerngeschäfts verschiedener <strong>Airline</strong>s. Der Nachteil liegt in der Vernachlässigung<br />
der – allerdings meist geringen - nicht Flotten-bezogenen Kapitalanteile und in<br />
Ungenauigkeiten, die durch das vermehrte Treffen von Annahmen und durch Schätzungen<br />
entstehen.<br />
value creation/destruction in mio USD (estimate 2003)<br />
5'000<br />
4'000<br />
3'000<br />
2'000<br />
1'000<br />
0<br />
-1'000<br />
-2'000<br />
-3'000<br />
-4'000<br />
Lufthansa BA Easyjet Air<br />
France<br />
SAS KLM Ryanair Alitalia Iberia<br />
Abbildung 2-7: Schätzung der Wertschöpfung europäischer <strong>Airline</strong>s 2003<br />
Abbildung 2-7 zeigt Schätzungen gemäss dieser Systematik für das Jahr 2003. Die Balken<br />
geben jeweils die Differenz zwischen Fleet-replacement-cost und hypothetischer<br />
Börsenkapitalisierung des Kerngeschäfts wieder, was als Wertschöpfung bzw. Wertvernichtung<br />
durch das Kerngeschäft verstanden wird. 40<br />
Die aussergewöhnliche Wertvernichtung bei Lufthansa und Air France wird in der Systematik<br />
dadurch erklärbar, dass beide Gesellschaften nicht nur bereits hohe Investitionen<br />
in die Expansion ihrer Flotten vorgenommen haben, sondern auch weitere solcher Inves-<br />
40 Die Grafik und die dahinter stehende Systematik stammen aus: <strong>Airline</strong> Analyzer, S. 6-7. Zu Beginn des Jahres<br />
2003 wurde hier eine Einschätzung für das Gesamtjahr 2003 vorgenommen.<br />
20
titionen erwartet wurden. Die vom Kapitalmarkt erwarteten, aus diesen Investitionen resultierenden<br />
Cash Flows bzw. EVAs sind offensichtlich bei weitem nicht in der Lage, die<br />
Kapitalkosten zu decken. Das erwartete Investitionsverhalten der <strong>Airline</strong>s gilt unter den<br />
professionellen Investoren als eine der wichtigsten Bestimmungsgrössen für die zukünftige<br />
Wertentwicklung. In Zeiten schwacher Konjunktur werden insbesondere die Flag<br />
Carriers mit schlechten Analystenbewertungen bestraft, wenn sich herausstellt, dass sie<br />
den Aufbau ihrer Kapazitäten planen. Im Kontext von Überkapazitäten und schwacher<br />
Nachfrage werden so genannte Capex Holidays41 als wertsteigernde Investitionsstrategie<br />
für Flag Carriers angesehen. Ende 2002 ging man davon aus, dass BA eine solche <strong>St</strong>rategie<br />
verfolgt. Dies lässt zwar die Flotte altern, aber gleichzeitig werden Kapitalkosten und<br />
Verschuldungsgrad reduziert. 42<br />
jährliches Kapazitätswachstum ATK)<br />
21<br />
25%<br />
20%<br />
15%<br />
10%<br />
5%<br />
0%<br />
-5%<br />
Lufthansa BA Easyjet Air<br />
France<br />
1998-2002<br />
2003-2005 (Schätzung)<br />
SAS KLM Ryanair Alitalia Iberia<br />
Abbildung 2-8: ATK Wachstum europäischer <strong>Airline</strong>s 1998-2005 43<br />
41 Capex steht für engl. Capital Expenditure also für Investitionen, Holidays bzw. Ferien für das Aufschieben der<br />
Ersatz- und Neuinvestitionen.<br />
42 Zu den Erwartungen über die Flotteninvestitionen von Lufthansa und Air France vgl. Scott-Gall/Logan/Frank,<br />
<strong>Airline</strong>s Europe, S. 9-10 u. S. 13.<br />
43 Nach <strong>Airline</strong> Analyzer, S. 34. Die Balken zeigen für 2 Perioden das durchschnittliche jährliche Wachstum der<br />
Produktion in ATK (Available Ton Kilometers bzw. Tonnenkilometer). Diese Grösse schliesst neben der Passage<br />
auch die Frachtproduktion mit ein.
Abbildung 2-8 zeigt das erwartete Kapazitätswachstum der 9 europäischen <strong>Airline</strong>s bis<br />
2005. Die Capex Holiday <strong>St</strong>rategie der BA ist hieraus genauso ersichtlich wie die vermeintliche<br />
Wertvernichtung durch Wachstum bei Lufthansa und Air France. Für die letzten<br />
beiden genannten <strong>Airline</strong>s muss berücksichtigt werden, dass trotz der rückläufigen<br />
Wachstumsraten, das absolute Wachstum aufgrund der Betriebsgrössen von Lufthansa<br />
und Air France auf hohem Niveau stattfindet. 44<br />
Unabhängig davon, ob eine Flotten-bezogene oder eine unternehmensbezogene Bewertung<br />
vorgenommen wird: Vor dem Hintergrund einer zunehmenden Liberalisierung wird<br />
es für die europäischen <strong>Airline</strong>s immer wichtiger, eine positive Wertschöpfung im Sinne<br />
positiver EVAs zu erzielen. Nur so kann eine Situation von NAV > market cap vermieden<br />
werden.<br />
2.1.7 Hintergründe der EVAs<br />
Der EVA pro Euro investiertes Kapital einer Periode ergibt sich aus der Differenz zwi-<br />
schen der inneren Rendite ROIC 45 und den Kapitalkosten WACC 46. Dieser Wert muss<br />
dann nur noch mit dem investierten Kapital multipliziert werden, um den absoluten EVA<br />
dieser Periode als Beitrag zum Unternehmenswert zu erhalten.<br />
Abbildung 2-947 gibt einen Überblick über die im Jahr 2000 von den europäischen <strong>Airline</strong>s<br />
verdienten EVAs pro investiertem Euro. Die Grafik ist durch eine WACC = ROIC<br />
Linie organisiert, auf der die innere Rendite exakt den Kapitalkosten entspricht, so dass<br />
sich ein EVA pro Euro investiertes Kapital von 0 ergibt. Rechts der Linie werden positive<br />
EVAs erwirtschaftet, und zwar umso mehr, je grösser das die <strong>Airline</strong> bezeichnende Symbol<br />
dargestellt ist. Links der Linie wird negativer EVA erzielt, also Wert vernichtet. Es<br />
zeigt sich, dass im Jahr 2000 nur die No Frills <strong>Airline</strong>s Ryanair und Easyjet einen positi-<br />
44 Dass das vergleichsweise hohe erwartete Wachstum der SAS nicht in einer Wertvernichtung in Abbildung 2-7<br />
resultiert, ist durch Fusionseinflüsse zu erklären. Vgl. hierzu <strong>Airline</strong> Analyzer S. 34.<br />
45 Return On Invested Capital bzw. Rendite des investierten Kapitals IC (Invested Capital). Das investierte Kapital<br />
versteht sich als betriebsnotwendiges Gesamtkapital. Näheres zur verwendeten EVA Definition findet sich in<br />
Abschnitt 3.2.2 auf S. 87ff.<br />
46 Weighted Average Cost of Capital oder gewichtete Kapitalkosten. Die Opportunitätskosten des Eigenkapitals<br />
und die Fremdkapitalkosten werden mit ihrem jeweiligen Anteil am Gesamtkapital gewichtet, wobei bei den<br />
Fremdkapitalkosten noch die steuergünstige Wirkung, das so genannte Tax Shield berücksichtigt wird. Nähere<br />
Erläuterungen und die genauen Definitionen zum WACC-Konzept finden sich Abschnitt 3.2.2.3 auf S. 91ff.<br />
47 Datenquelle: Berechnungen im Anhang.<br />
22
ven EVA erwirtschaften konnten. Mit jedem investierten Euro konnten 0.01 Euro (Ryanair)<br />
oder 0.03 (Easyjet) EVA erzielt werden.<br />
Abbildung 2-9: Hintergründe der EVAs<br />
Auf der anderen Seite der Linie wird ersichtlich, dass bei Alitalia am meisten Wert vernichtet<br />
wurde. Von jedem investierten Euro wurden 0.14 Euro verloren. Der Rest der<br />
<strong>Airline</strong>s teilt sich in zwei wertvernichtende Gruppen auf. Die eine Gruppe aus Lufthansa,<br />
Air France und SAS hat mit ca. 0.05 Euro EVA pro Euro IC weniger verloren, als die<br />
andere Gruppe aus British Airways, KLM und Iberia mit ca. 0.08 Euro EVA pro Euro IC.<br />
In Bezug auf alle <strong>Airline</strong>s zeigt sich, dass die absolute Differenz zwischen den <strong>Airline</strong>s<br />
auf der ROIC-Achse wesentlich grösser ist als auf der WACC-Achse. Während der ROIC<br />
zwischen –6.2% und +11.2% divergiert, ergibt sich beim WACC nur eine Bandbreite von<br />
7.5% bis 8.5%. Es kann also davon ausgegangen werden, dass es eher der ROIC ist, der<br />
für den Erfolg einer europäischen <strong>Airline</strong> ausschlaggebend ist, als der WACC. Schliesslich<br />
führt eine Erhöhung des ROIC um 1% für den EVA zum selben Resultat wie eine<br />
Verringerung des WACC um 1%.<br />
Der WACC kann gesenkt werden, indem z.B. der Fremdkapitalanteil erhöht wird, da dieses<br />
ja in der Regel wesentlich billiger ist als Eigenkapital. Der vergleichsweise hohe<br />
23
WACC von Ryanair kann so auch mit dem hohen Eigenfinanzierungsgrad erklärt werden,<br />
der aus Abbildung 2-1 auf Seite 9 ersichtlich ist. Eine Erhöhung des Fremdkapitalanteils<br />
muss allerdings nicht immer zu einem verbesserten WACC führen, vor allem<br />
wenn der Fremdfinanzierungsgrad schon relativ hoch ist. Über die Wirkung des Financial<br />
Gearing, die in Abschnitt 2.1.4 beschrieben ist, erhöht sich auch die Volatilität der Cash<br />
Flows und Gewinne und damit das vom Eigenkapital zu tragende Risiko, was wiederum<br />
zu einem erhöhten Eigenkapitalkostensatz in Form eines höheren β-Wertes führen kann. 48<br />
Abbildung 2-10: EVA, NOPLAT und EBIT europäischer <strong>Airline</strong>s<br />
Die Abbildung 2-1049 gibt einen Überblick über die absoluten EVAs und die zu Grunde<br />
liegenden Profitabilitätskennzahlen für die 9 betrachteten europäischen <strong>Airline</strong>s im Jahr<br />
48 Vgl. zur Definition von Eigenkapitalkosten und β-Werten die Erklärungen und Definitionen im Kapitel zum<br />
AVCMS. Die hier verwendeten WACC-Werte stammen von Scott-Gall/Logan, <strong>Airline</strong>s Europe, S. 113. Scott-<br />
Gall/Logan diskutieren in diesem Kontext auch die Möglichkeit der Verwendung von MICC (Market Implied<br />
Cost of Capital) als Alternative zu WACC-Konzept. Ihnen reicht der hohe Eigenfinanzierungsgrad von Ryanair<br />
nicht zur Erklärung des hohen WACC aus, was sie auf die Unzulänglichkeit der mittels des CAPM (Capital Asset<br />
Pricing Model) ermittelten β-Werten zurückführen. Da das WACC-Konzept immer noch als am weitesten<br />
akzeptiertes Kapitalkostenmodell angesehen werden kann, wird hier aber am WACC festgehalten.<br />
49 Datenquelle: Berechnungen im Anhang.<br />
24
2000. Wie erwartet zeigt sich, dass nur die beiden No Frills <strong>Airline</strong>s Easyjet und Ryanair<br />
einen positiven EVA erwirtschaften konnten.<br />
Abbildung 2-10 zeigt das Verhältnis von EVA zu anderen Gewinngrössen auf. Die dem<br />
EVA am nächsten stehende Gewinngrösse ist der NOPLAT, der Net Operating Profit<br />
Less Adjusted Taxes, bzw. der operative Gewinn vor korrigierten <strong>St</strong>euern. Aus dem<br />
NOPLAT errechnet sich der EVA, wenn von ihm die Kapitalkosten des betriebsnotwendigen<br />
Kapitals abgezogen werden. Der NOPLAT enthält als operativer Gewinn keine<br />
Buchgewinne und keine anderen, nicht aus dem eigentlichen Geschäftsgang resultierenden<br />
Gewinne oder Verluste. Er versteht sich ausserdem als Gewinn vor <strong>St</strong>euern, wobei<br />
die <strong>St</strong>euern um einen Korrekturfaktor, der das so genannte Tax Shield repräsentiert, angepasst<br />
wurden. 50<br />
Der EBIT51, bildet als der Gewinn vor <strong>St</strong>euern und Zinsen die Basis für den NOPLAT.<br />
Man erhält den NOPLAT aus dem EBIT, wenn man Fremdkapitalzinsen und das Tax<br />
Shield von ihm abzieht.<br />
Der EBIT beinhaltet hier als Konzern- bzw. Group EBIT auch diejenigen Gewinnanteile,<br />
die mit Aktivitäten ausserhalb des <strong>Airline</strong> Kerngeschäftes erzielt worden sind. Abbildung<br />
2-11 zeigt, wie sich der Konzern-EBIT aus diesen zwei Bestandteilen bei den 9 betrachteten<br />
<strong>Airline</strong>s zusammensetzt. Im Anhang 7.8 ist die Profitabilität der 9 <strong>Airline</strong>s im Jahr<br />
2000 ausserdem aus der Perspektive der klassischen Finanzberichterstattung dargestellt:<br />
Erfolgsrechnung, Bilanz, Mittelflussrechnung und Eigenkapitalverwendung.<br />
50 Das Tax Shield repräsentiert die Schutzwirkung des Fremdkapital gegen <strong>St</strong>euern. Da Fremdkapitalzinsen aufwandwirksam<br />
verbucht werden, werden mit zunehmendem Fremdfinanzierungsgrad Gewinnsteuern gespart.<br />
Diese Ersparnis ist im Kapitalkostensatz enthalten, wenn zur Berechnung des EVA das WACC-Konzept<br />
(Weighted Average Cost of Capital) verwendet wird. In diesem Fall muss bei Berechnung des NOPLAT das Tax<br />
Shield mitberücksichtigt werden. Die genauen Definitionen und Berechnungsweisen finden sich in Abschnitt<br />
3.2.2 auf S. 87ff.<br />
51 EBIT = Earnings before interest and taxes.<br />
25
1'200'000<br />
1'000'000<br />
800'000<br />
600'000<br />
400'000<br />
200'000<br />
0<br />
-200'000<br />
-400'000<br />
year 2000<br />
non-<strong>Airline</strong> EBIT in 1000 €<br />
<strong>Airline</strong> EBIT in 1000 €<br />
Lufthansa BA Easyjet Air France SAS KLM Ryanair Alitalia Iberia<br />
Abbildung 2-11: Konzern-EBIT und <strong>Airline</strong>-EBIT<br />
2.1.8 Hintergründe der hohen Bewertung von No Frills <strong>Airline</strong>s<br />
Aus Abbildung 2-5 ist ersichtlich, dass die noch junge und gemessen an Passagieraufkommen<br />
oder Sitzkapazitäten eher kleine No Frill <strong>Airline</strong> Ryanair hinsichtlich Ihrer Börsenkapitalisierung<br />
fast viele der etablierten Flag Carriers überragt. Ähnliches gilt für die<br />
andere No Frill <strong>Airline</strong>, Easyjet. Auch hier erzielt eine <strong>Airline</strong> die noch jung ist und nach<br />
den Kriterien Passagieraufkommen und Sitzkapazitäten als vergleichsweise klein einzuschätzen<br />
ist, einen höheren market cap als viele Flag Carriers.<br />
Die Gründe für diese vergleichsweise hohe Bewertung sind bei den durch die Investoren<br />
angenommenen, profitablen Wachstumschancen dieser beiden <strong>Airline</strong>s zu suchen. Finanzanalysten<br />
vieler Investment Banken gehen davon aus, dass es den No Frills <strong>Airline</strong>s<br />
möglich sein wird, in der Zukunft bedeutende EVAs zu erwirtschaften. <strong>St</strong>ellvertretend für<br />
viele wird hier die Sichtweise der Bank Goldman Sachs dargestellt, die konkrete Überlegungen<br />
über die zu erwartenden Discounted Free Cash Flows der No Frills <strong>Airline</strong>s angestellt<br />
haben.<br />
Alternativ zum EVA-Konzept lässt sich nämlich die „faire“ Börsenkapitalisierung bzw.<br />
der innere Ertragswert eines Unternehmens auch mit der Discounted Cash Flow Methode<br />
bestimmen. Bei dieser Methode werden für die zukünftigen Perioden die Free Cash<br />
Flows ermittelt, die sich aus den operativen und investiven Cash Flows zusammenset-<br />
26
zen. 52 Diese Cash Flows stehen dem Kapital, also den Fremdkapitalgebern und Investoren<br />
voll zur Verfügung, da operative Ausgaben und Investitionen schon abgezogen wurden.<br />
Abbildung 2-12 zeigt die von der Investment Bank Goldman Sachs erwarteten Discounted<br />
Cash Flows für Ryanair, und zwar für den Zeitraum 2001-2024. 53 Jeder Balken bezeichnet<br />
dabei als ganzer den Free Cash Flow des jeweiligen Jahres, während der dunkle<br />
Teil, den Gegenwartswert davon darstellt, also den Discounted Free Cash Flow. Als Kapitalkostensatz<br />
bzw. Diskontierungssatz wurden durchgehend 8% verwendet, also etwas<br />
in Abweichung zu den für das Jahr 2000 ermittelten Werten aus Abbildung 2-9.<br />
mio Euro<br />
27<br />
800<br />
700<br />
600<br />
500<br />
400<br />
300<br />
200<br />
100<br />
0<br />
-100<br />
-200<br />
-300<br />
Estimate 2001-2024 Ryanair<br />
Difference to free Cash Flow<br />
Discounted Free Cash Flow<br />
01 02 03 04 05 06 07 08 09 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24<br />
Abbildung 2-12: Erwartete Discounted Free Cash Flows für Ryanair 2001-2024<br />
Es zeigt sich, dass die hohe Bewertung von Ryanair auf Cash Flows basiert, die erst ab<br />
2009 erwartet werden, zum grössten Teil sogar erst ab 2017. Vor 2009 werden überwiegend<br />
negative Free Cash Flows aufgrund einer starken Investitionstätigkeit erwartet.<br />
52 Vgl. dazu auch die Zusammensetzung des Cash Flow <strong>St</strong>atement in Anhang 7.5.4 und die Definitionen zur DCF<br />
Methode in Abschnitt 3.2.1 auf S. 80ff.<br />
53 Basisdaten aus Scott-Gall/Logan, <strong>Airline</strong>s Europe, S. 163-164.
Ein ähnliches Bild ergibt sich für Easyjet. Abbildung 2-1354 zeigt die gleiche Rechnung<br />
zu gleichen Kapitalkosten für den gleichen Zeitraum für Easyjet. Für Easyjet zeigt sich<br />
die Abhängigkeit des Unternehmenswertes von Cash Flows der fernen Zukunft allerdings<br />
nicht ganz so stark wie bei Ryanair, da auch in der nahen Zukunft fast immer positive<br />
Free Cash Flows erwartet werden. 55 Offensichtlich wird hier angenommen, dass das<br />
Wachstum überwiegend aus den eigenen operativen Cash Flows finanziert werden kann.<br />
Für beide <strong>Airline</strong>s lassen sich aber übereinstimmend drei Phasen feststellen:<br />
• Phase 1: Tiefe oder negative Free Cash Flows von 2001-2008, hinter denen bedeutende<br />
Investitionen in neue Kapazitäten stehen.<br />
• Phase 2: Hohe Free Cash Flows von 2009-2016, die immer noch mit starker Investitionstätigkeit<br />
verbunden sind.<br />
• Phase 3: Sehr hohe Free Cash Flows von 2017-2024, gegen 2024 aufgrund von<br />
Marktreifeerscheinungen leicht sinkend.<br />
Die Berechnungen hinter den erwarteten Free Cash Flows basieren auf der Annahme,<br />
dass beide <strong>Airline</strong>s ein starkes Wachstum ihrer Kapazitäten durchführen können, ohne<br />
dabei eine veränderte Kapazitätsauslastung oder eine wesentliche Reduktion der Durchschnittserträge<br />
pro Passagier hinnehmen zu müssen. Für Phase 1 wird dabei ein jährliches<br />
Kapazitätswachstum von 20% für beide <strong>Airline</strong>s angenommen, dass in Phase 2 auf 8%<br />
(Ryanair) bzw. 10% (Easyjet) zurückgeht, und schliesslich in Phase 3 bei beiden <strong>Airline</strong>s<br />
auf 4% stehen bleibt. 56<br />
Begründet werden diese Wachstumserwartungen im Wesentlichen damit, dass die No<br />
Frills <strong>Airline</strong>s mit ihren Preis- und Kostenstrukturen ein neues Marktsegment erschliessen<br />
können, das für die Flag Carriers kaum zugänglich ist. Die Berechnungen der möglichen<br />
Wachstumsraten basieren dabei einerseits auf fundamentalen Schätzungen der potentiell<br />
zu den Ticketpreisen von No Frills <strong>Airline</strong>s erschliessbaren Verkehrsvolumina,<br />
also auf einer demographischen und verkehrswirtschaftlichen Analyse. Andererseits werden<br />
aber auch Analogieschlüsse zu Southwest <strong>Airline</strong>s gezogen, einem No Frills Carrier,<br />
der in den USA nach der dortigen Liberalisierung des Luftverkehrs ein starkes und profitables<br />
Wachstum erzielen konnte.<br />
54 Basisdaten aus Scott-Gall/Logan, <strong>Airline</strong>s Europe, S. 161-162.<br />
55 Die aus der Grafik ersichtliche Erwartung eines negativen Cash Flows von Easyjet für das Geschäftsjahr 2003<br />
hat sich insofern bestätigt, dass tatsächlich am 9. Januar 2003 eine angepasste Gewinnprognose von Easyjet<br />
selbst herausgegeben wurde, mit der Ankündigung eines Verlustes für die 1. Hälfte des Geschäftsjahres 2003.<br />
Vgl. Pressemeldung „ Easyjet rechnet mit Halbjahresverlust“, S. 1.<br />
56 Zu den Annahmen vgl. Scott-Gall/Logan, <strong>Airline</strong>s Europe, S. 139-160.<br />
28
mio Euro<br />
29<br />
300<br />
250<br />
200<br />
150<br />
100<br />
50<br />
0<br />
-50<br />
Estimate 2001-2024 Easyjet<br />
Difference to free Cash Flow<br />
Discounted Free Cash Flow<br />
01 02 03 04 05 06 07 08 09 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24<br />
Abbildung 2-13: Erwartete Discounted Free Cash Flows für Easyjet 2001-2024<br />
Bestätigt werden die Wachstumserwartungen zum Teil auch durch eine <strong>St</strong>udie der Firma<br />
Mercer Consulting. Die <strong>St</strong>udie kommt zu dem Schluss, dass der Marktanteil der No Frills<br />
<strong>Airline</strong>s in Europa vom Jahr 2001 bis zum Jahr 2010 von 5% auf 25% ansteigen wird.<br />
Die Publikation lässt allerdings offen, ob den Marktanteilberechnungen hier wirklich die<br />
erwartete Ertragsentwicklung zu Grunde gelegt wurde, oder ob allein die produzierten<br />
oder verkauften Sitzkilometer die Basis für die Berechnung des Marktanteils bilden. 57<br />
Allerdings gibt es auch Expertenmeinungen, die die Wachstumsmöglichkeiten der europäischen<br />
No Frills <strong>Airline</strong>s wesentlich bescheidener einschätzen. Insbesondere ist dabei<br />
umstritten, wie weitgehend die Analogieschlüsse von den Amerikanischen No Frill <strong>Airline</strong>s<br />
auf das Wachstumspotential der europäischen No Frill <strong>Airline</strong>s anwendbar sind.<br />
Möglicherweise konzentrieren sich die Wachstumsmöglichkeiten der europäischen No<br />
Frills vor allem auf <strong>St</strong>recken von und nach Grossbritannien und auf einige touristische<br />
Destinationen, so dass sich das Wachstum ab 2007 schon wesentlich abschwächen könnte.<br />
Zudem könnten die Flag Carriers nach einiger Zeit in die Lage versetzt werden, selbst<br />
57 Ein Anstieg des Anteils produzierter Sitzkilometer könnte bei den vergleichsweise tiefen Ticketpreisen der No<br />
Frills <strong>Airline</strong>s zu einem wesentlich tieferen Ertrags-basiertem Marktanteilsanstieg führen. Vgl. Mercer Consulting,<br />
Low Cost <strong>Airline</strong>s, S. 4.
oder durch neu gegründete Tochtergesellschaften in das No Frills Segment vorzustossen<br />
und am Wachstum teilzuhaben bzw. damit auch das Wachstum von Ryanair und Easyjet<br />
zu begrenzen. 58<br />
Es lässt sich festhalten, dass die derzeitige Bewertung der europäischen No Frills <strong>Airline</strong>s<br />
durch die Kapitalmärkte auf vergleichsweise unsicheren Beinen steht. Dies allein schon<br />
deswegen, weil sie auf Cash Flows basieren, die zum Grossteil weit in der Zukunft liegen.<br />
Je ferner die als vielversprechend erwartete Zukunft, desto unsicherer sind die Cash<br />
Flows, und zwar vor allem dann, wenn umstrittene Wachstumsannahmen dahinter stehen.<br />
Die Wertentwicklung der „new economy“ Unternehmungen gegen Ende der 90er Jahre<br />
gibt für die Praxisrelevanz dieser Gesetzmässigkeit ein illustres Beispiel ab<br />
Da das Wachstumspotential für die nähere Zukunft weniger umstritten ist und auch der<br />
Wert der Easyjet weniger stark von den Cash Flows der ferneren Zukunft abzuhängen<br />
scheint als der von Ryanair, lässt sich schliessen, dass Easyjet die wahrscheinlich stabilere<br />
Börsenkapitalisierung von beiden haben sollte. 59<br />
In Abschnitt 2.2.1 wird in Ergänzung zur DCF Analyse von Easyjet und Ryanair ausserdem<br />
eine mikroökonomische Betrachtung des Segments der europäischen No Frills Carrier<br />
vorgenommen.<br />
2.1.9 Zusammenfassende Lagebeurteilung<br />
Die europäische <strong>Airline</strong> Industrie kann als ganzes betrachtet ihre Kapitalkosten schon<br />
lange nicht mehr erwirtschaften. Die No Frills <strong>Airline</strong>s bilden dabei eine Ausnahme - sie<br />
erwirtschaften zum Teil positive EVAs. Die hohen Bewertungen der No Frills <strong>Airline</strong>s<br />
durch die Kapitalmärkte basieren allerdings wesentlich auf Wachstumserwartungen für<br />
die Zukunft, deren Eintreffen unter Experten nicht unumstritten ist – zumindest was das<br />
Ausmass dieses Wachstums angeht.<br />
Abbildung 2-14 gibt die Börsenkapitalisierungen der betrachteten europäischen <strong>Airline</strong>s<br />
im Trend an. Es zeigt sich, dass die No Frills keine stärkere Zunahme ihres Börsenwertes<br />
verbuchen konnten, als die meisten Flag Carriers. Einige der Flag Carriers, wie beispielsweise<br />
Lufthansa und SAS, mussten im Jahr 2002 Einbussen in ihrer Bewertung<br />
hinnehmen, bis sich der market cap im Jahr 2004 wieder auf einem höheren Niveau stabilisieren<br />
konnte. Bei anderen Flag Carriers hingegen konnte in der Mehrjahresbetrachtung<br />
ein kontinuierliches Wachstum des market cap beobachtet werden.<br />
58 Vgl. Binggeli/Pompeo: low-cost airlines, S. 87-98.<br />
59 Dies gilt, wenn man die oben dargestellten Cash Flow Berechnungen von Goldman Sachs zugrunde legt.<br />
30
Aus der politischen Berichterstattung der Tagespresse lässt sich entnehmen, dass in Zukunft<br />
staatliche Subventionen für die <strong>Airline</strong>s immer weniger möglich sein werden, mindestens<br />
was die Gesellschaften innerhalb der EU angeht. 60 Es wird immer unwahrscheinlicher,<br />
dass staatliche Institutionen einer in eine Liquiditätskrise geratenen <strong>Airline</strong> durch<br />
die Zurverfügungstellung umfassender Mittel helfen dürfen. Das eigenverantwortliche<br />
Erreichen einer ausreichenden Liquidität und Rentabilität wird also zur Voraussetzung<br />
einer gesicherten Existenz.<br />
mio €<br />
31<br />
7000<br />
6000<br />
5000<br />
4000<br />
3000<br />
2000<br />
1000<br />
0<br />
market cap 2000<br />
market cap 2002<br />
market cap 2004<br />
Lufthansa BA Easyjet Air France SAS KLM Ryanair Iberia<br />
Abbildung 2-14: Börsenkapitalisierungen 2000, 2002 und 2004 61<br />
Die Erzielung von EVAs ist zwingend notwendig, wenn vermieden werden soll, dass die<br />
private Eigenkapitalaufnahme erschwert oder sogar unmöglich wird. Zudem baut sich bei<br />
negativen EVAs von Jahr zu Jahr ein wachsendes Übernahmepotential auf, das durchaus<br />
60 Vgl. z.B. Artikel Tagesanzeiger 11.12.02, „ EU bekämpft <strong>Airline</strong>-Subventionen “.<br />
61 Die Börsenkapitalisierungen für 2004 betreffen als <strong>St</strong>ichtag den 27.04.04 und wurden von Goldman Sachs (Global<br />
Analyzer) übernommen. Die Werte für die Jahre wurden durch Salomon Smith Barney jeweils zum Bilanzstichtag<br />
ermittelt. Zu den Bilanzstichtagen der betrachteten <strong>Airline</strong>s vgl. Abschnitt 7.5.7 im Anhang.
einmal von einem Konkurrenten realisiert werden kann, wenn die voranschreitende Liberalisierung<br />
Fusionen unter den europäischen Flag Carriers ermöglicht.<br />
Rentabilität als Überlebensvoraussetzung heisst also auch für die Flag Carriers nicht nur,<br />
dass Gewinne erzielt werden müssen. Es wird immer wahrscheinlicher, dass nur diejenigen<br />
<strong>Airline</strong>s überleben werden, die regelmässig positive EVAs erzielen.<br />
Der sich hieraus zumindest für die Flag Carriers ergebende Handlungsbedarf kann durch<br />
ein konsequent auf EVA ausgerichtetes <strong>Performance</strong> <strong>Management</strong> angegangen werden.<br />
Bevor diese Möglichkeiten näher untersucht werden, ist es allerdings sinnvoll zu betrachten,<br />
welche Industrie-spezifischen Besonderheiten und welche mikroökonomischen Faktoren<br />
die <strong>Performance</strong> der Fluggesellschaften beeinflussen. Denn diese liegen grösstenteils<br />
ausserhalb des Handlungsspielraums der <strong>Airline</strong>s und lassen sich auch durch exzellentes<br />
<strong>Performance</strong> <strong>Management</strong> kaum ändern.<br />
2.2 Besonderheiten der <strong>Airline</strong> Industrie<br />
Um die Wirkungsweise der mikroökonomischen Trends und ihre Einflüsse auf Flag Carriers<br />
und No Frills <strong>Airline</strong>s zu verstehen, müssen zunächst einige Besonderheiten der <strong>Airline</strong><br />
Industrie geklärt werden. Einige dieser Eigenheiten bestimmen wie Naturgesetze die<br />
Chancen einer <strong>Airline</strong> mit ihrem Geschäftsmodell in einem gegebenen mikroökonomischen<br />
Umfeld, wirtschaftlich erfolgreich zu sein.<br />
Insbesondere geht es um die Klärung der folgenden Sachverhalte, die in den nächsten<br />
Abschnitten im Einzelnen dargestellt werden:<br />
• Flag Carriers und No Frills <strong>Airline</strong>s<br />
• Flugreisen als Quasi-Commodity<br />
• Flugreisen als verderbliche und störungsanfällige Produkte<br />
• Optimale Betriebsgrösse zwischen Grössen- und Fokussierungsvorteilen<br />
• Verbundenheiten auf der Ertrags- und Kostenseite<br />
• Fracht als Nebenprodukt<br />
• Zyklizität von Angebot und Nachfrage<br />
• Rolle der Gewerkschaften<br />
32
2.2.1 Flag Carriers und No Frills <strong>Airline</strong>s<br />
Fluggesellschaften, die hier als Flag Carriers oder No Frills <strong>Airline</strong>s bezeichnet werden,<br />
sind immer als Passagierlinienfluggesellschaften zu verstehen. D.h. es werden Frachtgesellschaften<br />
ausgeklammert, die den Grossteil ihres Umsatzes mit Flugverkehrsleistungen<br />
durch die Beförderung von Fracht verdienen. Ebenso werden Chartergesellschaften ausgeklammert,<br />
die zwar den Grossteil Ihres Umsatzes mit Passagierflugverkehr verdienen,<br />
davon aber nur einen kleinen Teil oder auch gar nichts mit Linienflugverkehr erzielen.<br />
Die Flag Carriers62 zeichnen sich durch den Betrieb interkontinentaler Flugverbindungen<br />
aus, die sie mit Hilfe von Hub and Spoke Systemen63 effizient zu betreiben versuchen.<br />
Oft liegt diesen interkontinentalen <strong>St</strong>recken auch ein Anspruch und eine Einflussnahme<br />
von Interessengruppen von ausserhalb des Unternehmens zugrunde. Insbesondere staatliche<br />
<strong>St</strong>ellen bemühen sich hier, denn sie sehen den Flag Carrier als Garanten für eine gute<br />
Einbindung des Landes in die internationale Luftverkehrsinfrastruktur, und zum Teil sogar<br />
noch als Träger und Symbol des nationalen Prestiges. Aus dem Begriff des Flag Carrier<br />
selbst ergibt sich ja schon die Verbundenheit mit der Nationalflagge eines Landes. 64<br />
Die meisten Flag Carriers blicken auf eine Geschichte zurück, die bis zu den Anfängen<br />
der kommerziellen Luftfahrt zurückreicht. Dies verschafft ihnen einerseits einen grossen<br />
Schatz an Erfahrungen und internationalen Beziehungen, andererseits konnten sich aber<br />
auch ihre internen und externen Anspruchsgruppen im gleichen Zeitraum starke Organisationen<br />
und <strong>St</strong>rukturen aufbauen65. Aufgrund ihrer auch auf den Interkontinentalverkehr<br />
ausgerichteten Netzwerke und ihrer durch starke Interessengruppen und gewachsene<br />
<strong>St</strong>rukturen nicht immer günstige Kostenstruktur, verfolgten die Flag Carriers vor allem in<br />
der Vergangenheit häufig eine <strong>St</strong>rategie der Produktdifferenzierung. Ihm Rahmen einer<br />
solchen <strong>St</strong>rategie bemüht man sich, die Kunden nicht nur durch günstige Preise, sondern<br />
auch durch eine besonders ansprechende Gestaltung des Produktes bzw. der angebotenen<br />
Transportleistung zu überzeugen.<br />
62 Unter den 9 Beispiel-<strong>Airline</strong>s sind Lufthansa, British Airways, Air France, SAS, KLM, Alitalia und Iberia als<br />
Flag Carriers zu betrachten.<br />
63 Ein Hub and Spoke System bezeichnet ein <strong>St</strong>reckennetz, das auf die Nutzung der Hubökonomie (Erläuterung<br />
später im Text) ausgerichtet ist. Dabei werden vor allem die Langstreckenflüge so geplant, dass an einem zentralen<br />
Umsteigeflughafen (Hub = Radnabe) möglichst viele Passagiere von anderen Flügen (Spokes = Speichen)<br />
die Möglichkeit haben, auf diese oder von diesen umzusteigen. Vgl. <strong>St</strong>erzenbach / Conrady, Luftverkehr, S.<br />
118f.<br />
64 Oder auch mehrerer Länder im Falle von SAS (Scandinavian <strong>Airline</strong> Systems).<br />
65 Die wichtigsten Einschränkungen haben die Flag Carriers in der Regel durch die interne Anspruchsgruppe der<br />
Piloten, die sich fast überall zu starken Gewerkschaften zusammengeschlossen haben.<br />
33
Die No Frills <strong>Airline</strong>s zeichnen sich dadurch aus, dass sie sich auf das Anbieten der<br />
Grundtransportleistung beschränken. Die Passagiere sollen sicher, zuverlässig und pünktlich<br />
zu einem tiefstmöglichen Preis befördert werden. Produktdifferenzierungselemente,<br />
die über diese Grundleistung hinausgehen, werden von den Kunden der No Frills <strong>Airline</strong>s<br />
tendenziell als unnötige Schnörkel, engl. Frills, empfunden. Bis heute zeichnen sich die<br />
No Frills <strong>Airline</strong>s auch dadurch aus, dass sie keine Hub and Spoke Systeme betreiben<br />
sondern fast ausschliesslich so genannten Point-to-Point Verkehr. Beim Point-to-Point<br />
Verkehr wird nicht auf ideale Anschlussbedingungen hin geplant und es werden auch<br />
keine Tickets ausgestellt, in denen das Umsteigen zwischen mehreren Flügen vorgesehen<br />
ist. Dadurch wird der Leistungserstellungsprozess gegenüber den Flag Carriers wesentlich<br />
vereinfacht. Ebenfalls charakteristisch für die heutigen europäischen No Frills <strong>Airline</strong>s<br />
ist der Verzicht auf den Betrieb einer Langstreckenoperation. Dies bringt einerseits<br />
eine zusätzliche Vereinfachung im Leistungserstellungsprozess mit sich, andererseits ergibt<br />
sich der Fokus auf die Kurzstreckenoperation auch fast schon logisch aus der Pointto-Point<br />
<strong>St</strong>rategie in Verbindung mit dem No Frill-Ansatz im Produktbereich. 66 Die heute<br />
bestehenden europäischen No Frills <strong>Airline</strong>s sind aus der Liberalisierung des Luftverkehrs<br />
hervorgegangen, d.h. sie haben keine so lange Geschichte wie die Flag Carriers.<br />
Die No Frills <strong>Airline</strong>s konnten also ihre <strong>St</strong>rukturen weitgehend unabhängig von starken<br />
internen und externen Interessengruppen gestalten. Sie können daher in der Regel günstiger<br />
und effizienter produzieren als die Flag Carriers. 67 Dies heisst aber nicht zwingend,<br />
66 Eine Langstreckenoperation im grösseren Umfang verlangt in der Regel nach dem Betrieb eines Hubs, um genügend<br />
Verkehr zum Füllen der Langstreckenflüge generieren zu können. Da bei Langstreckenflügen die Kunden<br />
eher auf Komfort achten als bei kurzen Flügen, sind No Frill Konzepte im engeren Sinne, also im Sinne eines<br />
völlig schnörkellosen bzw. wenig komfortablen Produktes, für die Langstreckenoperation ungeeignet. No Frills<br />
im weiteren Sinne kann aber auch als genaues Treffen der Kundenerwartungen auf der Langstrecke, ohne zusätzliche<br />
Schnörkel, verstanden werden. Vgl. hierzu die Ausführungen über das <strong>Airline</strong> Produkt als Quasi-<br />
Commodity in Abschnitt 2.2.2.<br />
67 Als Beispiel für die höhere Effizienz der No Frills <strong>Airline</strong>s aufgrund ihrer Unabhängigkeit von lange gewachsenen<br />
<strong>St</strong>rukturen wird oft der Vertrieb erwähnt. Die Flag Carriers verkaufen traditionell einen Grossteil ihrer Tickets<br />
über Reisebüros (Travel Agents und Tour Operators) und zahlen dafür eine Provision von typischerweise<br />
7-15% des Ticketpreises, zuzüglich ca. 1% für die Reservationssysteme (vgl. Scott-Gall/Logan, <strong>Airline</strong>s Europe,<br />
S. 233). Die No Frills <strong>Airline</strong>s verkaufen demgegenüber ihre Tickets überwiegend über das Internet oder über<br />
kostenpflichtige Call Centers. Die Flag Carriers sind vor allem seit Mitte der 90er Jahre besonders bemüht, ihre<br />
Vertriebskosten zu senken. Tieferen Provisionen steht allerdings die Marktmacht der Reisebüros entgegen, die<br />
schnell dazu übergehen, die Tickets eines Konkurrenten zu verkaufen, wenn dadurch eine höhere Provision verdient<br />
werden kann. Obwohl die No Frills durch ihre innovative Vertriebsstruktur sicher einen Vorteil erzielen<br />
konnten, darf nicht vergessen werden, dass die Flag Carriers sich überwiegend in einem anderen Marktsegment<br />
bewegen, dass auch einen anderen Vertrieb notwendig macht. Das Planen von Langstreckenflügen mit lokalen<br />
Anschlussflügen, bei denen eventuell noch mehrere Fluggesellschaften beteiligt sind, verlangt nach einer kom-<br />
34
dass sie immer mit tieferen Einheitskosten produzieren als die Flag Carriers. Die Analyse<br />
im Rahmen des AVCMS zeigt, dass Easyjet im Jahr 2000 unter den 9 betrachteten <strong>Airline</strong>s<br />
die zweithöchsten Kosten pro Sitz aufwies. Die tiefen Ticketpreise der Easyjet waren<br />
nur möglich aufgrund einer extrem hohen Einsatzeffizienz der Sitze. 68 Aus diesem Grund<br />
ist die vielfach für No Frills Carriers verwandte Bezeichnung „Low Cost Carriers“ irreführend,<br />
da tiefe Kosten weniger bezeichnend für diese Gruppe sind, als das Weglassen<br />
von Elementen der Produktdifferenzierung, den Schnörkeln bzw. Frills bei gleichzeitig<br />
hoher Einsatzeffizienz aller Ressourcen.<br />
2.2.2 Flugreisen als Quasi-Commodity<br />
Nach der hier vertretenden Ansicht handelt es sich bei dem Produkt der Flugreise um ein<br />
Quasi-Commodity. Als Commodity wird üblicherweise ein Gut69 bezeichnet, an das von<br />
den Kunden standardisierte Erwartungen gestellt werden. Eine Übererfüllung dieser Erwartungen<br />
durch den Anbieter ist dabei entweder nicht möglich oder wird vom Kunden<br />
nicht angemessen honoriert. Beispiele für typische Commodities sind Rohstoffe und Energie.<br />
Bezeichnend für im Commodity-Bereich tätige Industrien ist, dass die zuverlässige<br />
und kostengünstige Erfüllung der standardisierten Kundenerwartungen bei weitem<br />
wichtiger ist, als Massnahmen der Produktdifferenzierung und Markenbildung. In vielen<br />
Fällen sind Versuche der Produktdifferenzierung hier sogar sinnlos oder kontraproduktiv.<br />
Unter einem Quasi-Commodity wird hier ein Gut verstanden, beim dem die Kundenerwartungen<br />
soweit von standardisierten Leistungsmerkmalen geprägt sind, dass die treffsichere<br />
Erfüllung dieser Leistungsmerkmale im Wettbewerb unter den Anbietern wesentlich<br />
wichtiger ist, als darüber hinausgehende Massnahmen der Produktdifferenzierung.<br />
Differenzierung ist bei Quasi-Commodities zwar nicht völlig sinnlos, allerdings nur in<br />
eingeschränkter Form möglich und ökonomisch sinnvoll.<br />
Ausschlaggebend dafür, ob ein bestimmter Dienstleistungstypus als Quasi-Commodity zu<br />
identifizieren ist, ist die Perspektive des Kunden. Für den Kunden einer <strong>Airline</strong> sind in<br />
der Regel drei Dinge wichtig: Der Flugplan, der Preis und die Produktqualität70. Differenzierung<br />
gegenüber Wettbewerbern kann im Prinzip auf allen drei Ebenen stattfinden.<br />
35<br />
plexeren Beratungsleitung als die Kurzstreckenflüge der No Frills <strong>Airline</strong>s. Hier wird der Self-Service des Internet-Vertriebs<br />
nicht von jedem Kunden als ausreichend angesehen.<br />
68 Die genauen Vergleichsdaten für das Jahr 2000 finden sich im Kapitel über das AVCMS.<br />
69 Ein Gut als ein physisches Produkt oder eine Dienstleistung.<br />
70 Produktqualität beschreibt demgemäss alle Produktaspekte mit Ausnahme Preis und Flugplan.
Üblicherweise wird jedoch unter Produktdifferenzierung die Differenzierung bei der Produktqualität<br />
verstanden, also bei allem, was mit Service am Boden und in der Luft, Flugzeugausstattung,<br />
Freundlichkeit des Personals, Pünktlichkeit etc. zu tun hat. Demgemäss<br />
wird hier zwischen Produktdifferenzierung und einer Differenzierung über den Flugplan<br />
unterschieden. Eine Abgrenzung vom Wettbewerb über den Preis wird dabei nicht als<br />
Differenzierung im engeren Sinne verstanden.<br />
Produktdifferenzierung wird in der Regel nur von den Flag Carriers praktiziert, da die No<br />
Frills ja gerade im Anbieten eines völlig schnörkellosen Produktes ihr Marktsegment gefunden<br />
haben. Nach der hier vertretenen Ansicht ist auch bei den Flag Carriers aber<br />
schon lange keine echte Produktdifferenzierung mehr möglich, zumindest wenn diese als<br />
nachhaltig wirkungsvollere Abdeckung der Kundenbedürfnisse im Vergleich zu Mitbewerbern<br />
verstanden wird. Vor allem seit den 90er Jahren hat ein Kommodisierungsprozess<br />
stattgefunden, bei dem sich die Produktspezifikationen innerhalb der Klassen First,<br />
Business und Economy unter den verschiedenen Anbietern zunehmend angeglichen haben.<br />
Immer mehr kauft der Kunde in erster Linie ein First, Business oder Economy Produkt,<br />
und erst in zweiter Linie das Produkt einer bestimmten Marke71. Die Hintergründe, die zu dieser Angleichung der Produkte geführt haben, sind:<br />
• Die Einfachheit der Imitation von Konkurrenzprodukten<br />
• Das Erfordernis der Produktkonvergenz unter Mitgliedern von <strong>Airline</strong> Allianzen<br />
• Der zunehmende Anteil des Online-Vertriebes<br />
Die Einfachheit der Imitation: Es kommt immer wieder vor, dass einer einzelnen <strong>Airline</strong><br />
die Einführung einer erfolgreichen, für den Kunden relevanten Produktinnovation gelingt.<br />
Beispiele finden sich im Bereich der Sitzgestaltung und der Kommunikations- und<br />
Unterhaltungsinfrastruktur an Bord. Erfolgreich waren diese Verbesserungen immer<br />
dann, wenn sich der Nutzen für den Kunden als wesentlich grösser herausgestellt hat, als<br />
die Kosten für die <strong>Airline</strong>. In fast allen Fällen wurden solche Innovationen sehr schnell<br />
von der Mehrheit der Mitbewerber übernommen. Da es eine Reihe von auf die Flugzeugausstattung<br />
spezialisierten Zulieferbetrieben gibt, die ihre Dienste niemandem exklusiv<br />
zur Verfügung stellen, ist eine Nachahmung von Produktelementen der Konkurrenz meist<br />
71 Dieses Auswahlverhalten gilt natürlich nur innerhalb der Gruppe der renommierten Flag Carriers. Unbekanntere<br />
<strong>Airline</strong>s und Flag Carriers aus Schwellenländern werden unter Umständen anders beurteilt.<br />
36
in relativ kurzer Zeit möglich. 72 Eine Sonderstellung bezüglich der Kopierbarkeit von<br />
Produktdifferenzierungselementen nimmt das Servicepersonal ein. Freundlichkeit und<br />
Engagement wird einerseits von den Kunden als relevantes Qualitätsmerkmal empfunden,<br />
andererseits lässt sich genau dieser Produktaspekt nicht so ohne weiteres imitieren. 73<br />
Das Erfordernis der Produktkonvergenz unter Mitgliedern von <strong>Airline</strong> Allianzen: Die<br />
Grenzen einer möglichen Produktdifferenzierungsstrategie werden auch erheblich durch<br />
die Allianzen gesetzt. Sobald Code-Sharing74 zwischen zwei <strong>Airline</strong>s mit unterschiedlicher<br />
Marke und unterschiedlichem Produkt angeboten wird, müssen entweder die Produkte<br />
der beiden Marken weitgehend ebenbürtig sein oder der Kunde wird möglicherweise<br />
enttäuscht.<br />
Der zunehmende Anteil des Online-Vertriebes: Die steigende Zahl der Flag Carrier Tickets,<br />
die über das Internet verkauft werden, setzt der Wirksamkeit von Produktdifferenzierungsmassnahmen<br />
ebenfalls Grenzen. Die Flugverbindungen der Wettbewerber können<br />
im Internet nach Abflugzeit und Preis bequem verglichen werden. Der Kunde tendiert<br />
dadurch auch immer stärker dazu, vor allem nach diesen beiden Kriterien zu entscheiden,<br />
wenn keine allzu grossen Unterschiede bei für ihn relevanten Produktelementen<br />
erwartet werden können.<br />
Die Ausführungen zur Produktdifferenzierung bedeuten keineswegs, dass die Flag Carriers<br />
es sich leisten können, die Produktqualität zu vernachlässigen. Es nützt zwar einerseits<br />
meist wenig, sich bei der Produktqualität positiv von den Wettbewerbern abzusetzen,<br />
allerdings darf man erst recht nicht durch ein besonders schlechtes Produkt auffallen.<br />
Es geht darum, in jeder Klasse der aktuell gültigen Norm möglichst exakt zu entsprechen,<br />
und zwar möglichst kostengünstig und effizient.<br />
Beim Commodity und beim Quasi-Commodity muss sich die Hauptaufmerksamkeit von<br />
Produktgestaltung und Qualitätsmanagement auf die Vermeidung von so genannten Dissatisfiers<br />
richten. Als Dissatisfiers oder Enttäuschungsfaktoren werden vom Kunden<br />
72 Selbst aufwendige Innovationen der Konkurrenz lassen sich in der Regel in 18 Monaten kopieren und auf die<br />
eigene <strong>Airline</strong> übertragen. Interview vom 28.01.03 mit Michael Landthaler, ehemaliger Leiter Produktgestaltung<br />
Swissair.<br />
73 Die Selektion und Ausbildung des Personals spielen für diesen Differenzierungsfaktor eine genauso wichtige<br />
Rolle wie kulturelle Aspekte. Interview vom 28.01.03 mit Michael Landthaler, ehemaliger Leiter Produktgestaltung<br />
Swissair.<br />
74 Code Sharing bezeichnet den gemeinsamen Betrieb eines Fluges unter gleichzeitiger Verwendung der Flugnummern<br />
zweier oder mehr Gesellschaften. Alle beteiligten <strong>Airline</strong>s verkaufen dabei Tickets für diesen Flug, so<br />
dass es den Kunden bei der Buchung häufig ohne weiteres ersichtlich ist, welche <strong>Airline</strong> den Flug operiert, bzw.<br />
welches Produkt ihn auf dem Flug erwartet.<br />
37
wahrgenommene Abweichungen zwischen der Erwartung an das Produkt und dem real<br />
Erlebten bezeichnet. Es kommt beim <strong>Airline</strong>-Produkt also darauf an, möglichst effizient<br />
die Commodity-Erwartungen des Kunden abzudecken und Dissatisfiers zu vermeiden.<br />
Vor allem bei wiederholten Enttäuschungen kann es vorkommen, dass der Kunde die<br />
<strong>Airline</strong> aus seiner individuellen Gruppe der Marken-<strong>Airline</strong>s streicht. Er wird sie in Zukunft<br />
meiden, wenn seine Bedürfnisse bezüglich Flugplan und Preis durch Marken-<br />
<strong>Airline</strong>s ähnlich gut abgedeckt werden können. Dissatisfiers haben ihre Ursache entweder<br />
in einer von den herrschenden Vorstellungen abweichenden Produktgestaltung, oder in<br />
der fehlerhaften Ausführung vorgegebener interner <strong>St</strong>andards. Bei der Produktgestaltung<br />
können Dissatisfiers z.B. in Form unkomfortabler Sitze oder ungenügendem Catering<br />
auftreten. Bei der Ausführung führen häufig operative Schwierigkeiten zu Dissatisfiers.<br />
Typisch sind hier Verspätungen, Annullationen, verlorenes Gepäck, unfreundliches Personal,<br />
etc.<br />
Das <strong>Airline</strong> Produkt ist allerdings kein reines, typisches Commodity. Es gibt daher auch<br />
Ausnahmen, in denen für einen begrenzten Zeitraum wirksame Produktdifferenzierung<br />
stattfinden kann. Wie schon erwähnt, werden in der Praxis immer wieder Produktinnovationen<br />
eingeführt. Trotz der dargelegten Einschränkungen kann die innovative <strong>Airline</strong><br />
einen gewissen Vorteil realisieren, bis die Imitation durch den Wettbewerb stattgefunden<br />
hat. Voraussetzung ist dann allerdings auch eine wirkungsvolle Kommunikation, die den<br />
Kunden auf seine Vorteile aufmerksam macht. Eine echte Produktdifferenzierungsstrategie<br />
wäre aber nur möglich, wenn es einer <strong>Airline</strong> gelingt, als Innovationsführer kontinuierlich<br />
ihr Produkt zu überarbeiten und dabei immer treffsicher und zu angemessenen<br />
Kosten besser auf die Kundenbedürfnisse einzugehen als die Konkurrenz. Es ist offensichtlich,<br />
dass eine solche <strong>St</strong>rategie immer schwieriger wird, nach vielen Jahren eines<br />
Kommodisierungprozesses, bei dem in der Produktgestaltung schon fast alles ausprobiert<br />
wurde, was jeweils technisch möglich war. Neben der klassischen Produktdifferenzierung<br />
bleibt den Flag Carriers ja noch die Differenzierung über den Flugplan. Für den Kunden<br />
zeitlich passendere und schnellere Verbindungen können dem Passagier einen echten<br />
Vorteil in Form eines Zeitgewinnes verschaffen. Direktverbindungen sind daher gegenüber<br />
Transferverbindungen schon immer ein starkes Mittel zur Differenzierung gewesen.<br />
Aber auch Transferverbindungen können attraktiver werden im Vergleich zu Transferverbindungen<br />
der Konkurrenz, wenn das Umsteigen für den Passagier besonders schnell<br />
und zuverlässig durchgeführt werden kann.<br />
Es lässt sich festhalten, dass je mehr sich die Flugreise zum Commodity entwickelt, auch<br />
umso mehr die Vermeidung von Dissatisfiers als Hauptansatzpunkt für das <strong>Performance</strong><br />
<strong>Management</strong> in den Vordergrund tritt. Gleichzeitig tritt dabei die Entwicklung innovativer<br />
und extravaganter Produktelemente immer mehr in den Hintergrund. Auch der Erfolg<br />
38
der No Frills <strong>Airline</strong>s ist dadurch zu erklären, dass der Kommodisierungsprozess im<br />
Kurzstreckenbereich schon sehr weit fortgeschritten ist.<br />
Im Langstreckenbereich bzw. bei den Flag Carriers ist es wahrscheinlich, dass sich zwar<br />
der Kommodisierungsprozess noch weiter fortsetzt, aber trotzdem Flugreisen nie ein reines<br />
Commodity wie Energie oder Rohstoffe darstellen werden.<br />
2.2.3 Flugreisen als verderbliche und störungsanfällige Produkte<br />
Betrachtet man das Produkt Flugreise aus der Perspektive der <strong>Airline</strong>, ergeben sich zwei<br />
Aspekte, die anders als in vielen anderen Industrien nach der speziellen Aufmerksamkeit<br />
des <strong>Management</strong>s verlangen und auf das Zusammenspiel der <strong>Airline</strong>s im Wettbewerb<br />
erheblichen Einfluss haben: Die Verderblichkeit des Produktes und seine <strong>St</strong>örungsanfälligkeit.<br />
Die Verderblichkeit ergibt sich aus der Verpflichtung der Linienfluggesellschaften einen<br />
einmal publizierten Flugplan auch einzuhalten. Nur höhere Gewalt berechtigt in der Regel<br />
zu einer Anpassung der aktuell gültigen Flugplanverpflichtungen. 75 Die Kosten für<br />
den Flugbetrieb fallen zum allergrössten Teil unabhängig davon an, wieviele Kunden die<br />
Dienstleistung tatsächlich in Anspruch nehmen. Wenn Flugreisen gemäss Flugplan produziert<br />
werden, werden diese also nicht zwingend verkauft. Jede produzierte Flugreise,<br />
die nicht verkauft wurde, kann als verdorbenes Produkt bezeichnet werden. Die Kosten<br />
für die Flugreise sind dann zwar grösstenteils angefallen, aber es besteht keine Chance<br />
mehr, damit einen Umsatz zu erzielen.<br />
Aus diesem Umstand der Verderblichkeit ergibt sich, dass eine zuverlässige Prognose der<br />
Nachfrage nach Flugreisen der <strong>Airline</strong> einen erheblichen Vorteil verschafft. Dementsprechend<br />
verfügen auch die meisten <strong>Airline</strong>s über sophistizierte Planungs- und <strong>St</strong>euerungsinstrumente<br />
um Angebot, Nachfrage und Preis in ein möglichst profitables Gleichgewicht<br />
zu bringen. 76<br />
Eine weitere Implikation dieser Verderblichkeit, ist eine starke Neigung der Wettbewerber<br />
zum Preiskampf, sobald Überkapazitäten entstehen. Diese Neigung ergibt sich aus<br />
der Tatsache, dass die Opportunitätskosten eines leer fliegenden Sitzes bei Null liegen.<br />
75 Alle ökonomisch motivierten Flugplanänderungen müssen mit den Verkehrsbehörden vereinbart werden. Genehmigungen<br />
werden vor allem dann erteilt, wenn noch keine oder nur wenig Passagiere auf den Linienflügen<br />
gebucht sind und/oder wenn besondere Ereignisse wie z.B. nach dem 11. September 2001 eine Kapazitätsanpassung<br />
als dringend notwendig erscheinen lassen.<br />
76 Insbesondere ist hier das Revenue <strong>Management</strong> zu nennen, das laufend die Preise der unterschiedlichen Flugreiseprodukte<br />
-genauer die Buchbarkeit von Tarifen - auf die erwartete Nachfrage ausrichtet.<br />
39
Wenn auf einem Sitz, der sonst leer fliegen würde, durch die Beförderung eines Passagiers<br />
noch ein kleiner positiver Deckungsbeitrag77 erzielt werden kann, kann es aus Sicht<br />
der <strong>Airline</strong> sinnvoll erscheinen, diesem ein Ticket zu einem Preis zu verkaufen, der kaum<br />
mehr als die Passagier-direkten Kosten78 deckt. Diese Gesetzmässigkeit ist überwiegend<br />
dafür verantwortlich, dass sich Überkapazitäten in den aktuell gültigen Flugplänen der<br />
Industrie fast automatisch in ruinöse Kampfpreise übersetzen. Die mit solchen Preisen<br />
erzielten Erträge können im Extremfall gerade etwas mehr als die Catering-, Vertriebsund<br />
Treibstoff-Kosten abdecken. Der grosse Teil der nicht Passagier-direkten Kosten wie<br />
Abschreibungen, Verwaltungskosten, Crew-Kosten etc. bleibt weitgehend ungedeckt. 79<br />
Die <strong>St</strong>örungsanfälligkeit des Produktes Flugreise rührt daher, dass viele verschiedene<br />
Leistungserstellungsprozesse auf den Abflugzeitpunkt hin exakt koordiniert werden müssen,<br />
damit ein pünktlicher <strong>St</strong>art und ein einwandfreies Produkt gewährleistet werden<br />
können. Wartungsarbeiten am Flugzeug, Reinigung, Betankung, Beladung, Gepäcklogistik<br />
Passagierabfertigung, Flugzeugabfertigung, Sicherheitskontrollen, Bereitstellung von<br />
Crews, Catering etc. – alles muss fehlerfrei und synchron ablaufen. Treten in irgendeinem<br />
dieser Prozesse Fehler, Verzögerungen oder Kapazitätsengpässe auf, so kann dies in<br />
der Regel nicht mehr durch andere Prozesse kompensiert werden, es kommt zur Verspätung<br />
oder zur Annullation. Hinzu kommt, dass eine Verspätung viele der aufgeführten<br />
Leistungserstellungsprozesse zusätzlich belastet, da auf den neuen Abflugszeitpunkt hin<br />
nun zusätzliche Arbeiten geleistet werden müssen, für die unter Umständen extra Kapazität<br />
vorgehalten werden muss. 80<br />
Die <strong>St</strong>örungsanfälligkeit wirkt sich aber nicht nur in Form von teuren Reserven in den<br />
Leistungserstellungsprozessen aus. Auch die Verspätungen und Annullationen können<br />
direkte nachteilige Konsequenzen für die <strong>Airline</strong> haben. Beide Erscheinungen stellen aus<br />
Sicht des Kunden meist bedeutende Dissatisfiers dar, die im Wiederholungsfall oder bei<br />
schweren Fällen zum Verlust des Kunden führen können. Vor allem Kunden, die den<br />
Umsteigeverkehr nutzen, fällt es meist sehr leicht, nach solchen Enttäuschungen die <strong>Airline</strong><br />
zu wechseln. Schliesslich unterscheidet sich gerade im Transferbereich das Produkt<br />
77 Hier verstanden als Nettoertrag abzüglich aller Passagier-direkten Kosten.<br />
78 Die Passagier-direkten Kosten bestehen überwiegend aus Catering-Kosten.<br />
79 Zu den Ausführungen über die Verderblichkeit des Produktes und Revenue <strong>Management</strong> vgl. Heitmann/Weder,<br />
<strong>Management</strong> mit Cockpits, S. 197-198.<br />
80 Zum Beispiel wird die Passagierabfertigung zusätzlich belastet, wenn zu einem bestimmen Zeitpunkt nicht nur<br />
die geplanten, sondern zusätzlich noch die auf diesen Zeitpunkt hin verspäteten Flüge abgefertigt werden müssen.<br />
Um solche ungeplanten Spitzen bewältigen zu können, müssen teure Personalreserven vorgehalten werden,<br />
wenn die Dienstleistung für den Kunden nicht beeinträchtigt werden soll.<br />
40
eines Flag Carriers auch hinsichtlich Flugplan oft kaum von der Konkurrenz, so dass hier<br />
den Erwartungen an das Quasi-Commodity besonders dringend entsprochen werden<br />
muss. Annullationen sind häufig auch zusätzlich mit dem Verlust sämtlicher Ticketerträge<br />
des jeweiligen Fluges und des Rückfluges verbunden, wenn die Passagiere nicht auf<br />
eigene Alternativflüge umgebucht werden können. Neben den Kosten von Reservekapazitäten<br />
und den Ertragsverlusten fallen vor allem bei längeren Verspätungen und Annullationen<br />
zusätzlich erhebliche Irregularitätskosten an: An Passagiere werden Gutscheine<br />
für Getränke und Lebensmittel ausgegeben, und teilweise müssen Hotelzimmer angemietet<br />
werden.<br />
Kann ein Flug aufgrund von zeitweise zu geringer Flughafenkapazitäten nicht pünktlich<br />
landen und muss Warteschleifen fliegen, fallen zusätzliche Treibstoffkosten an und möglicherweise<br />
wird der nachfolgende Flug mit demselben Fluggerät auch verspätet abfliegen.<br />
Gehen Gepäckstücke verloren, muss die <strong>Airline</strong> dem Passagier meist vorgeschriebene<br />
Ersatzzahlungen leisten, die auch dann nicht rückerstattet werden, wenn das Gepäck<br />
später noch gefunden werden sollte. Dies alles sind Beispiele, die die Dimension der <strong>St</strong>örungsanfälligkeit<br />
des Flugbetriebs und ihrer Auswirkungen auf die Profitabilität deutlich<br />
machen. Sie können für eine <strong>Airline</strong> leicht zwei- oder dreistellige Millionen Euro Beträge<br />
ausmachen, worin die Abwanderung der Kunden aufgrund von Dissatisfiers noch nicht<br />
berücksichtigt ist. Die Schwierigkeit, diese Kosten aktiv zu kontrollieren, ergibt aus der<br />
Vielzahl und Vernetzung der beteiligten Leistungserstellungsprozesse. Es sind fortgeschrittene<br />
Methoden des <strong>Performance</strong> <strong>Management</strong> notwendig, um hier eine maximale<br />
Effizienz gewährleisten zu können. Möglicherweise liegt darin noch eines der bedeutendsten<br />
Sparpotentiale für die Flag Carriers verborgen. Flag Carriers sind der <strong>St</strong>örungsanfälligkeit<br />
des Flugbetriebes nämlich bei weitem mehr ausgeliefert als die No Frills <strong>Airline</strong>s,<br />
da ihr auf Langstrecken- und Transferverkehr ausgerichtetes Geschäftsmodell mit<br />
einer wesentlich komplexeren Operation verbunden ist. Im Abschnitt über das AVCMS<br />
wird dargelegt, wie diese Potentiale erschlossen werden können. 81<br />
2.2.4 Optimale Betriebsgrösse zwischen Grössen- und Fokussierungsvorteilen<br />
Die optimale Betriebsgrösse einer <strong>Airline</strong> wird einerseits durch die Hubökonomie und<br />
andere Formen von Grössenvorteilen bzw. Skalenerträgen oder Economies of Scale bestimmt,<br />
andererseits gibt es auch bedeutende Faktoren, die in der Praxis das profitable<br />
81 Vgl. zu den Ausführungen über die <strong>St</strong>örungsanfälligkeit des Produktes: Heitmann, Total <strong>Performance</strong> Manage-<br />
41<br />
ment, S. 1-13.
Wachstum begrenzen. Die Gesetzmässigkeiten dieser begrenzenden Faktoren werden<br />
hier unter dem Begriff Fokussierungsvorteile zusammengefasst.<br />
Die zumindest theoretisch erzielbaren Grössenvorteile oder Skalenerträge signalisieren<br />
einer <strong>Airline</strong> zunehmende Profitabilität bei steigendem Wachstum. Insbesondere das<br />
Modell der Hubökonomie, das eine zunehmende Effektivität durch Umsteigeverkehr bei<br />
laufendem Kapazitätswachstum verspricht, hat im Segment der Flag Carriers eine<br />
Wachstumsspirale hervorgerufen. 82 Die Hubökonomie besagt, dass unter idealen Bedingungen<br />
beim Betrieb eines Hubs83 jeder zusätzlich durchgeführte Flug von und nach einer<br />
neuen Destination in dem Masse neue Flugverbindungen, d.h. neue Produkte entstehen<br />
lässt, indem schon Flüge von und nach anderen Destinationen bestehen. 84<br />
1<br />
*<br />
2<br />
+ n<br />
X = n<br />
mit<br />
X = Maximale Anzahl Verbindungen<br />
n = Anzahl Abflüge Outbound<br />
Die oben stehende Gleichung zeigt, wie die Anzahl der möglichen Verbindungen unter<br />
Idealbedingungen in Abhängigkeit der Anzahl Abflüge Outbound, d.h. der vom Hub abfliegende<br />
Flüge, zunimmt. 85<br />
Die der Gleichung zu Grunde liegenden Idealbedingungen sind die folgenden:<br />
• Sämtliche Abflüge Outbound konzentrieren sich auf nur einen Hub.<br />
• Die Abflüge vom Hub beziehen sich alle auf unterschiedliche Destinationen.<br />
• Zwischen der Ankunft des ersten Fluges und dem Abflug des letzten Fluges liegt eine<br />
ausreichend lange aber noch konkurrenzfähig kurze Umsteigezeit.<br />
82 Vgl. zur Wachstumsspirale auch Abschnitt 2.3.2.<br />
83 Flughafen, der von einer dort vornehmlich ansässigen <strong>Airline</strong> primär auf Anschlussverkehr ausgerichtet wird.<br />
84 Die hier verwandte Definition der Hubökonomie stammt aus Reutlinger/Zenker/Heitmann, Allianz, S.88 f.<br />
85 Der Begriff Outbound bezeichnet Abflüge vom Hub zu einer Destination, während der Begriff Inbound die Abflüge<br />
von der Destination her zum Hub hin kennzeichnet. Um zu vermeiden, dass die Flüge von und zu einer<br />
Destination doppelt gezählt werden, gehen nur die Outbound Flüge in die Gleichung der Hubökonomie ein.<br />
42
Die Hubökonomie kann zusätzlich auch durch die folgende einfache Überlegung veranschaulicht<br />
werden: Eine <strong>Airline</strong>, die gemäss der oben beschriebenen Idealbedingungen 10<br />
Flüge betreibt und einen weiteren Flug einführt, schafft damit 11 weitere Verbindungen,<br />
oder auch Reiseprodukte. Eine <strong>Airline</strong>, die bereits 100 Flüge betreibt und einen weiteren<br />
Flug einführt, schafft 101 neue Verbindungen, und das zu den gleichen Kosten wie bei<br />
der kleineren <strong>Airline</strong> mit ursprünglich 10 Flügen. Der eine neue Flug wird potentiell Anschlussverkehr<br />
zu den 100 alten Flügen bringen und von diesen Flügen auch Verkehr<br />
erhalten. Je grösser die Anzahl Flüge also schon ist, umso grösser wird auch der Nutzeffekt<br />
eines zusätzlichen Fluges sein.<br />
Ein erster kritischer Blick auf die formulierten Idealbedingungen lässt aber schon erahnen,<br />
wo in der Praxis die Grenzen der Hubökonomie liegen. Auch bei extremer Effizienz<br />
in der Bodenabfertigung werden mindestens 15-20 Minuten für den Transfer von umsteigenden<br />
Passagieren mit Gepäck benötigt. Andererseits sind Umsteigezeiten spätestens ab<br />
ca. 2 <strong>St</strong>unden nur noch dort wettbewerbsfähig, wo im Bereich exotischer Destinationen<br />
nur wenige <strong>Airline</strong>s überhaupt einen Service anbieten. Alle Flüge der <strong>Airline</strong> müssten<br />
also theoretisch in einem sehr kurzen Zeitfenster von unter 1 <strong>St</strong>unde am Hub ankommen,<br />
und erst nachdem der letzte Flug angekommen ist, und genug Umsteigezeit verstrichen<br />
ist, dürften die Outbound Flüge starten, ebenfalls alle innerhalb weniger als einer <strong>St</strong>unde.<br />
Damit alle Flüge sich beim nächsten Mal wieder in der selben Weise exakt am Hub treffen,<br />
müsste die Flugdauer zu allen Destination ungefähr gleich lang sein – zumindest<br />
dann wenn keine Leerzeiten der Flugzeuge entstehen sollen.<br />
In der Praxis versuchen die Flag Carriers die Hubökonomie möglichst gut auszunutzen,<br />
indem sie ihren Flugplan in Form so genannter Wellen oder engl. Waves strukturieren.<br />
Eine Welle bezeichnet dabei einen Zeitraum von ca. 2-3 <strong>St</strong>unden, an dem möglichst viele<br />
Flüge am Hub ankommen und abfliegen, so dass möglichst ideale Umsteigeverbindungen<br />
angeboten werden können. 86 Aufgrund der unterschiedlichen Länge der Flugdauer zu den<br />
verschiedenen Lang- und Kurzstreckendestinationen, gelingt es aber nie, alle Flugzeuge<br />
einer <strong>Airline</strong> und damit auch alle angeflogenen Destinationen in einer einzelnen Welle<br />
zusammenzuführen. 87 Hinzu kommt, dass der am Hub ansässige Flag Carrier kaum mehr<br />
als 50% der am Hub verfügbaren Kapazität in Anspruch nehmen kann. Die Flughafendirektionen<br />
und die Luftverkehrsbehörden sorgen dafür, dass auch andere <strong>Airline</strong>s in an-<br />
86 Vgl. <strong>St</strong>erzenbach / Conrady, Luftverkehr, S. 288f.<br />
87 Ein noch bedeutsamerer begrenzender Faktor ist dabei die Flughafenkapazität des Hubs. Auch die grossen europäischen<br />
Flughäfen können selten mehr als 35-80 <strong>St</strong>arts und Landungen pro <strong>St</strong>unde durchführen, und bei<br />
schlechtem Wetter verringert sich diese Kapazität noch zusätzlich. Z.B verfügt der Flughafen Frankfurt über eine<br />
maximale Kapazität von 80 Bewegungen/<strong>St</strong>unde, vgl. The Hitchhikers‘s Guide to European Transport, S.31.<br />
43
gemessener Weise Zugang zum Hub bekommen. Aus diesen Einschränkungen ergibt<br />
sich, dass die Grössenvorteile der Hubökonomie ab einer Flotte von ungefähr 50 Flugzeugen<br />
stark abnehmen. 88 Dazu tragen auch die vielen Zusatzkosten des Transferverkehrs,<br />
wie die Effizienzverluste durch Anschlussverspätungen und zusätzliches Bodenpersonal,<br />
bei.<br />
Neben der Hubökonomie kann eine <strong>Airline</strong> aber auch eine Reihe weiterer klassischer<br />
Skalenerträge realisieren, wie sie auch in anderen Industrien vorkommen. Beispielsweise<br />
gibt es einen grossen Anteil an den Verwaltungskosten, der bei einem Wachstum der Ka-<br />
pazitäten nur unterproportional mitwächst. 89 Solche Fixkosten und sprungfixen Kosten 90<br />
können bei Wachstum also auf eine grössere Umsatzbasis verteilt werden. Weitere klassische<br />
Grössenvorteile bestehen im kostengünstigeren Einkauf grösserer Volumina und in<br />
der verbesserten Auslastung operativer Einrichtungen und Prozesse. 91<br />
Der bedingungslosen Realisierung von Grössenvorteilen stehen nicht nur die erwähnten<br />
Grenzen des Wachstums, sondern auch die realisierbaren Potentiale aus Fokussierungsvorteilen<br />
entgegen. Fokussierungsvorteile ergeben sich aus der Konzentration aller Tätigkeiten<br />
des Unternehmens auf die Produkte und Kundensegmente, die sich als besonders<br />
profitabel erweisen. Maximale Fokussierung auf den Gewinn kann nur erzielt werden,<br />
wenn auch alle verlustbringenden Aktivitäten und Kunden entweder aus dem Tätigkeitsbereich<br />
des Unternehmens herausgenommen werden, oder Leistungserstellung und<br />
Preisgestaltung so umgestaltet werden, dass die fraglichen Aktivitäten und Kunden profitabel<br />
werden. In der Regel wird eine solche Gewinnfokussierung vor allem durch die<br />
konsequent verfolgte Entscheidung erzielt, gewisse Leistungen nicht anzubieten und gewisse<br />
Kundengruppen nicht zu bedienen. Für eine Umgestaltung, die Verlustbringer in<br />
Cash Cows transformiert, ist vielfach nicht genügend Spielraum vorhanden.<br />
88 Scott-Gall/Logan, <strong>Airline</strong>s Europe, S. 230.<br />
89 Beispiele hierfür sind zentrale <strong>Airline</strong> Funktionen wie Netzwerkplanung, Operationsplanung, Revenue <strong>Management</strong>,<br />
Pricing, Produktgestaltung und Verkauf.<br />
90 Gemeint sind Fixkosten im Sinne einer Unabhängigkeit vom Kapazitätswachstum gemessen in Sitzen, Flugzeugen<br />
und Flügen. Sprungfixe Kosten verhalten sich bis zu einer gewissen Kapazitätsgrenze wie Fixkosten, steigen<br />
jedoch sprunghaft an, wenn diese Grenze überschritten wird, um sich dann bis zur nächsten Kapazitätsgrenze<br />
wie Fixkosten zu verhalten.<br />
91 Beispiele hierfür finden sich vor allem im Bereich der technischen Flugzeugwartung und im Creweinsatz. Hangars<br />
können besser ausgelastet werden, die Materiallagerhaltung wird kostengünstiger, und es müssen weniger<br />
Crews pro Flugzeug bereitgehalten werden. Die letzen beiden erwähnten Beispiele für Grössenvorteile werden<br />
allerdings weitgehend wieder zunichte gemacht, wenn das Wachstum mit einer Zunahme der Varietät bei den<br />
Flugzeugtypen einhergeht.<br />
44
Um Möglichkeiten der Gewinnfokussierung zu untersuchen, werden in der <strong>Airline</strong> Industrie<br />
bezüglich Kunden und Produkten vor allem zwei Dimensionen unterschieden:<br />
• Der Produkttyp: Premium vs. Economy Verkehr.<br />
• Verbindungstyp: Point-to-Point vs. Transfer Verkehr.<br />
Abbildung 2-1592 zeigt eine Sichtweise, mit der man bei British Airways schon seit Jahren<br />
die eigenen Aktivitäten nach diesen beiden Dimensionen strukturiert, um die Zusammenhänge<br />
zur Profitabilität zu untersuchen.<br />
Profitability<br />
45<br />
+ve<br />
-ve<br />
0<br />
SH:SH<br />
Premium<br />
LH:LH<br />
Premium<br />
LH:LH<br />
Economy<br />
SH:SH<br />
Economy<br />
0<br />
Size of bubble = Revenue<br />
LH:SH<br />
Premium<br />
SH P2P<br />
Premium<br />
LH:SH<br />
Economy<br />
Asset Value (£)<br />
Abbildung 2-15: Profitabilitätsanalyse bei BA<br />
LH P2P<br />
Premium<br />
SH P2P<br />
Economy<br />
LH P2P<br />
Economy<br />
Grow &<br />
Defend<br />
Improve Position<br />
and Mix<br />
Reduce Exposure<br />
Bei Bristish Airways konnte man schon seit langem den Premium-Point-to-Point Verkehr<br />
auf der Langstrecke (LH P2P Premium) 93 als wichtigste Quelle der Profitabilität identifizieren,<br />
und hat sich daher stark auf dieses Segment fokussiert, so dass ein Grossteil des<br />
Umsatzes dort erzielt werden konnte. Ebenfalls gewinnbringend, jedoch unbedeutender<br />
in Bezug auf das Ertragsvolumen, ist der Premium-Point-to-Point Verkehr auf der Kurzstrecke<br />
(SH P2P Premium) 94. Der Economy-Point-to-Point Langstreckenverkehr ist zwar<br />
92 Grafik aus Nawal Taneja, <strong>Airline</strong> Business <strong>St</strong>rategies S. 53. Vgl. ausserdem Scott-Gall/Logan, <strong>Airline</strong>s Europe,<br />
S 256.<br />
93 LH steht für Longhaul = Langstrecke während P2P für Point to Point steht.<br />
94 SH steht für Shorthaul = Kurzstrecke.
wichtig in Bezug auf den Umsatz, hinsichtlich der Profitabilität allerdings neutral zu bewerten.<br />
Alle anderen Segmente sind entweder unbedeutend oder Verlustbringer. Einige<br />
Segmente wie z.B. der Economy-Transfer Verkehr von Langstrecke zu Langstrecke<br />
(LH:LH Economy) können event. durch Prozessverbesserungen und Marketinginstrumente<br />
noch so nachgebessert werden, dass die Hoffnung besteht, damit Geld verdienen<br />
zu können. Für weiter entfernt von der Profitabilitätsgeraden liegende Segmente wie z.B.<br />
allen anderen Economy-Umsteigeverkehr scheint es kaum möglich, je aus der Verlustzone<br />
herauszukommen. Hier geht es darum, schrittweise die am meisten verlustbringenden<br />
Verbindungen aus dem Angebot zu nehmen, indem die entsprechenden <strong>St</strong>recken aus dem<br />
Flugplan eliminiert werden. Dabei ist jedoch zu berücksichtigen, dass dieselben <strong>St</strong>recken<br />
von profitablen und von verlustbringenden Verkehrstypen genutzt werden. Leider wurde<br />
nicht veröffentlicht, nach welchen Berechnungsweisen die Dimensionen aus der Grafik,<br />
Profitability (Profitabilität) und Asset Value (Wert), bestimmt werden. Eine wichtige<br />
Konklusion aus der Analyse von BA ist, dass es beim profitablen Wirtschaften darauf<br />
ankommt, sich auf die eigenen „Sweet Spots“ zu konzentrieren, d.h. auf diejenigen Segmente<br />
mit denen sich Gewinne erzielen lassen. Es ist wahrscheinlich, dass diese „Sweet<br />
Spots“ für viele andere Flag Carriers ähnlich gelagert sind wie für BA. D.h., vereinfacht<br />
dargestellt, mit Premium und Point-to-Point Verkehr kann wahrscheinlich Geld verdient<br />
werden, der Rest ist eher als verlustbringend einzustufen. Indirekt kann man daraus auch<br />
auf die Profitabilität von <strong>St</strong>recken schliessen: In der Regel sind nämlich nur solche <strong>St</strong>recken<br />
profitabel, die mit einem wesentlichen Anteil von Point-to-Point und Premium Verkehr<br />
ausgelastet werden können. Dies lässt die Quelle solchen Verkehrs und damit die<br />
Grösse des Heimmarktes95 zum entscheidenden Kriterium für Fokussierungsvorteile und<br />
profitables Wachstum werden. In seinem Heimmarkt verfügt ein Flag Carrier meist über<br />
eine Art natürliches Monopol. 96<br />
95 Der Heimmarkt bezeichnet die Nachfrage nach Flügen am Hub, d.h. von Nachfragern die den Hub als Ursprungsflughafen<br />
benutzen, und zum Hub, d.h. von Nachfragern die den Hub als Zieldestination bzw. Endflughafen<br />
verlangen.<br />
96 Er hat dort in der Regel aufgrund seiner kulturellen Verbundenheit und Firmengeschichte einen besseren Zugang<br />
zu den Kunden als seine Mitbewerber unter den Flag Carriers. Zudem gibt es gewisse operative Vorteile im Bereich<br />
der Kurzstreckenoperation, da der erste Flug eines Tages vom Hub weg und der letzte Flug zum Hub hin<br />
vom am Hub ansässigen Carrier günstiger durchgeführt werden können. An anderen Hubs ansässige Flag Carriers<br />
müssten einen so genannten Night <strong>St</strong>op am Hub einlegen, was zusätzlich Kosten verursacht (Hotelkosten<br />
für die Crew etc.). Und gerade diese beiden Flugverbindungen sind für Geschäftsreisende, die sich meist zum<br />
Premium Verkehr rechnen lassen, besonders interessant.<br />
46
2.2.5 Verbundenheiten auf der Ertrags- und Kostenseite<br />
Um den idealen Kompromiss zwischen Skalen- und Fokussierungsvorteilen zu finden, ist<br />
es wichtig zu verstehen, welche Flüge des Netzwerkes profitabel sind und wie die Profitabilität<br />
des Ganzen sinkt oder steigt, wenn ein neuer Flug hinzugefügt wird.<br />
Insbesondere beim Geschäftsmodell der Flag Carriers ist es aber unmöglich, den Gewinnbeitrag<br />
eines Fluges eindeutig zu bestimmen. Denn der Grossteil der Erträge und<br />
Kosten ist nicht eindeutig einzelnen Flügen zuzuordnen. Das Anschauungsbeispiel in<br />
Abbildung 2-16 soll dies illustrieren:<br />
Eine kleine <strong>Airline</strong> fliegt von ihrem Hub aus drei Destinationen an: A, B und C. Die <strong>Airline</strong><br />
verfügt über zwei Flugzeuge, die die Rotationen97 α und β fliegen. Während α aus<br />
den Flügen Hub-A und A-Hub besteht, umfasst β vier Flüge, nämlich Hub-B, B-Hub,<br />
Hub-C, C-Hub. Auf diesem Netzwerk unternehmen 4 Kunden 4 Reisen, die mit den Ziffern<br />
1, 2, 3 und 4 bezeichnet sind. Während die Kosten zum Grossteil den Rotationen<br />
direkt zuweisbar sind, fallen die Erträge auf den Flugreisen an. Von den Frachterträgen<br />
wird hier noch abstrahiert, da erst Abschnitt 2.2.6 in die Zusammenhänge der Frachterträge<br />
einführt. 98 Beim Betrachten der Grafik wird schnell klar, dass sich Erträge und Kosten<br />
kaum auf <strong>St</strong>reckenebene99 direkt zuordnen lassen, so dass kein eindeutiger <strong>St</strong>reckenerfolg<br />
ermittelbar ist. Eine solche Situation ist typisch für Flag Carriers, die auf den<br />
Transferverkehr setzen und Reisen über ihr gesamtes Netzwerk verkaufen. Eine Reise<br />
betrifft dort häufig mehrere Rotationen. Zudem sind aufgrund des Langstreckenverkehrs<br />
und der meist heterogenen Flottenstruktur der Flag Carriers die Rotationen wesentlich<br />
komplexer und unflexibler, als die Rotationen der No Frills <strong>Airline</strong>s. 100<br />
97 Die Flugzeugrotationen bezeichnen den Flugplan eines Flugzeuges. Dieser ist nicht für die Passagiere wichtig.<br />
Auch die Serviceprozesse richten sich nach diesem Rotationsplan. Insbesondere die Abstimmung mit den Crews<br />
ist hier bedeutsam, da die Crews aufgrund nötiger Ruhezeiten über von den Flugzeugen verschiedene Rotationen<br />
(sog. Crewrotationen) organisiert sind. Flüge können also immer nur als Teil ihrer definierten Rotation durchgeführt<br />
werden, da diese im Rahmen der Flugplanung als Optimum des Ressourceneinsatzes über alle Serviceprozesse<br />
ermittelt, und als koordinierender Plan festgesetzt wurde. Ein Abweichen der Flüge vom Rotationsplan<br />
führt vor allem in der Langstreckenoperation der Flag Carriers zu hohen Unregelmässigkeiten und Kosten, da<br />
Flüge aufgrund fehlender Ressourcen (vor allem Crews) nicht mehr oder nur erheblich verspätet durchgeführt<br />
werden können.<br />
98 Aus Gründen einer einfacheren Darstellung wird in diesem Abschnitt die Existenz von Frachterträgen ignoriert.<br />
Sie werden dann erst im anschliessenden Abschnitt eingeführt.<br />
99 Als <strong>St</strong>recke wird hier die Summe der Flüge zwischen zwei Flughäfen verstanden, d.h. im Anschauungsbeispiel<br />
gibt es drei <strong>St</strong>recken, die den Hub mit den Destinationen A, B und C verbinden.<br />
100 Auf der Kurzstrecke ist es viel eher möglich spontan von einer Rotationsplanung abzuweichen, da durch die<br />
höhere Häufigkeit, mit der diese Destinationen angeflogen werden, und die kürzeren Distanzen viel leichter und<br />
47
4<br />
C A<br />
3<br />
β<br />
Hub<br />
2<br />
B<br />
Abbildung 2-16: Verbundenheiten von Leistungen<br />
α<br />
Sehen alle Rotationen einer <strong>Airline</strong> aus wie Rotationα, und würden die Kunden nur Reisen<br />
kaufen können wie Reise 1, dann wäre eine Bestimmung des <strong>St</strong>reckenertrages wesentlich<br />
einfacher.<br />
So ähnlich sieht es bei den No Frills <strong>Airline</strong>s tatsächlich aus. Es werden keine komplexen<br />
Reisen, sondern nur Flüge von und nach einer Destination verkauft, also jeweils auf derselben<br />
<strong>St</strong>recke. Umsteigen können die Passagiere zwar beim Kauf von mehreren Tickets,<br />
jedoch insofern auf eigenes Risiko, als dass die <strong>Airline</strong> kein Transferprodukt anbietet und<br />
keine Anschlüsse garantiert. Die Rotationen umfassen zwar in der Regel auch bei No<br />
Frills <strong>Airline</strong>s immer mehrere Destinationen. Jedoch sind die Rotationen hier wesentlich<br />
einfacher und flexibler. Da die Flotte meist aus nur ein bis zwei Flugzeugtypen besteht,<br />
kann eine Rotation sofort umgestellt werden, ohne dass Komplikationen mit der Crew-<br />
Verfügbarkeit entstehen, oder sich die Kosten eines Fluges dadurch ändern. Die Implikation<br />
daraus ist, dass bei den No Frills <strong>Airline</strong>s eine Rotation aus Sicht der Kostenrechnung<br />
wie ein Hin- und Rückflug zu einer Destination verstanden werden darf, und dass<br />
so die Erträge mit dem allergrössten Teil der Kosten auf <strong>St</strong>reckenebene gegenübergestellt<br />
schneller eine Crew für einen neuen, bisher nicht geplanten Flug bereitgestellt werden kann. Da Crews, insbesondere<br />
die Cockpit Crews meist nur auf 1 oder 2 Flugzeugtypen spezialisiert sind, ist eine spontane Veränderung<br />
des Flugzeugtyps auf einer Rotation meist mit einer Veränderung der Crew-Rotation verbunden. Dies verlangt<br />
nach Vorlaufzeiten und es entstehen Zusatzkosten. Vor allem auf der Langstrecke fallen solche Änderungen<br />
stark ins Gewicht.<br />
1<br />
48
werden können. Das Verbundenheitsproblem ist für No Frills <strong>Airline</strong>s also relativ unerheblich.<br />
Sie können ihre <strong>St</strong>reckenprofitabilität viel eindeutiger bestimmen als die Flag<br />
Carriers.<br />
2.2.6 Fracht als Nebenprodukt<br />
Vor allem auf den Langstreckenflügen der Passagierfluggesellschaften können oft 10-<br />
20% des Umsatzes mit der Beförderung von Fracht erzielt werden. Kommen speziell für<br />
einen höheren Frachtanteil umgebaute Flugzeuge zum Einsatz, kann dieser Anteil noch<br />
weiter gesteigert werden. 101<br />
Es zeigt sich, dass die Verbundenheiten in der <strong>St</strong>reckenerfolgsrechnung also nicht nur<br />
zwischen der Ertrags- und der Kostenseite des Flugreiseproduktes liegen, sondern auch<br />
zwischen den zwei Produkten Flugreisen und Frachtbeförderung. Bei der Entscheidung<br />
eine bestimmte <strong>St</strong>recke zu betreiben, spielt in fast allen Fällen für Linienfluggesellschaften<br />
der Passagierverkehr die mit Abstand wichtigste Rolle.<br />
Die einfachste Form, das Frachtgeschäft unternehmerisch und analytisch vom Passagenverkehr<br />
zu trennen, besteht in der Ausgestaltung eines Profit Centers Fracht, das zu einem<br />
vereinbarten Fixpreis die Rechte an der Frachtkapazität der <strong>Airline</strong> - bzw. des <strong>Airline</strong><br />
Kerngeschäftes Passage - übernimmt. Die <strong>Airline</strong> kann dann zunächst relativ frei von<br />
Frachtüberlegungen ihr <strong>St</strong>reckennetz gestalten, um dann eventuell auf Umgestaltungsvorschläge<br />
des Fracht-Profit Centers einzugehen, die die Zahlung eines höheren Fixpreises<br />
für die Frachtkapazität zur Folge hätten.<br />
2.2.7 Zyklizität von Angebot und Nachfrage<br />
In den letzten Jahrzehnten hat sich das Wachstum der weltweiten Produktion von Flugreisen102<br />
im langfristigen Trend ungefähr proportional zum Wachstum der Volkswirtschaft103<br />
verhalten. Abbildung 2-17 zeigt, dass im langfristigen Trend das Wachstum der<br />
Passagierkilometer bis ins Jahr 2000 regelmässig um einige Prozentpunkte über dem<br />
101 Natürlich gibt es auch auf den alleinigen Transport von Fracht spezialisierte Frachtflugzeuge, die von Passagierlinienfluggesellschaften<br />
als eine Art Nebengeschäft betrieben werden. Die Operation solcher Flugzeuge ist jedoch<br />
von den Erträgen und Kosten der Passagieroperation klar separierbar, und daher nicht Thema dieser Dissertation,<br />
die sich mit Passierlinienflug beschäftigt. Eine Flotte von Frachtflugzeugen einer Passagierlinienfluggesellschaft<br />
wird daher in Rahmen dieser Dissertation wie ein ausserhalb des Kerngeschäftes angesiedeltes Profit<br />
Center der <strong>Airline</strong> behandelt.<br />
102 Gemessen in Passagierkilometern, zu den Definition von RPK und ASK vgl. Abschnitt 3.3.1.1 auf S. 105ff.<br />
103 Gemessen z.B. am Bruttoinlandsprodukt.<br />
49
Wachstum der Volkswirtschaft lag. Zudem zeigt die Grafik, dass die zyklischen Ausschläge<br />
der <strong>Airline</strong>-Konjunktur bei weitem intensiver sind, als die der gesamtwirtschaftlichen<br />
Konjunktur.<br />
Abbildung 2-17: Passagierkilometer vs. Bruttoinlandsprodukt (weltweit) 104<br />
Aus dieser Situation ergibt sich eine der grössten Herausforderungen für die <strong>Airline</strong>- Industrie:<br />
Die Kapazitäten und die Kosten müssen so gut es geht an die zyklischen Nachfrageschwankungen<br />
angepasst werden.<br />
Wie schwierig diese Anpassungen in der Praxis zu bewerkstelligen sind, zeigt sich am<br />
deutlichsten im Bereich der Flottenkapazitäten. Wie schon in den vorangegangenen Abschnitten<br />
beschrieben, sind die Kosten der Flotte, die in Form von Abschreibungen oder<br />
Leasingverpflichtungen auftreten, nicht nur in Bezug auf das Kostenvolumen ein bedeutender<br />
Faktor, sondern sie sind in der Regel auch der am wenigsten flexible Kostenblock.<br />
Neue Flugzeuge müssen einige Jahre vor der Auslieferung bestellt werden, und auch gebrauchtes<br />
Fluggerät oder Leasingmaschinen benötigen eine gewisse Vorlaufzeit, bevor<br />
sie zum Einsatz kommen können. Hat man zu wenige Kapazitäten, vergibt man sich<br />
möglicherweise Wachstumschancen. Hat man zu viele Flugzeuge, gibt es kaum eine Garantie,<br />
diese zu einem vorteilhaften Preis verkaufen zu können. Vor allem bei schwacher<br />
Konjunktur muss mit bedeutenden Preisabschlägen gerechnet werden, wenn die Flugzeuge<br />
überhaupt verkauft werden können. Eine vorteilhafte Flotteninvestitionspolitik zeigt<br />
sich also daran, dass die Flugzeuge eher bei schwacher Konjunktur bestellt werden und<br />
104 Nach ICAO/UBS Warburg aus <strong>Airline</strong> Analyzer S. 36. GDP steht für Gross Domestic Product = Bruttoinlandsprodukt,<br />
während RPK für Revenue Passenger Kilometer steht, d.h. für die Passagierkilometer, mit denen Flugreiseerträge<br />
erzielt wurden.<br />
50
möglichst dann zur Auslieferung kommen, wenn die Nachfrage wieder zu steigen beginnt.<br />
Abbildung 2-18 zeigt die Zyklen der weltweiten <strong>Airline</strong>-Konjunktur anhand der Profitabilität<br />
pro Sitzkilometer und vergleicht diese mit den Zyklen der Flugzeugauslieferung,<br />
gemessen am ausgelieferten Bestellwert pro Sitzkilometer. Verblüffenderweise hat die<br />
<strong>Airline</strong> Industrie in den letzten 3 Jahrzehnten fast immer das Gegenteil davon gemacht,<br />
was als ideales Investitionsverhalten angesehen werden könnte: Wenn die Profitabilität<br />
am tiefsten war, wurden jeweils die meisten Flugzeuge ausgeliefert.<br />
Abbildung 2-18: Profitabilität vs. Flottenauslieferung (weltweit) 105<br />
Zu erklären ist dieses wertvernichtende Fehlverhalten nur durch die Kombination aus den<br />
langen Lieferfristen der Flugzeughersteller mit einer zu optimistischen Expansionspolitik<br />
der <strong>Airline</strong>s, wie sie vor allem von den meisten Flag Carriers in den letzten Jahrzehnten<br />
verfolgt wurde. 106<br />
Analysten halten eine Trendwende in der Flottenpolitik der <strong>Airline</strong>s für wahrscheinlich.<br />
Denn einerseits sollte die zunehmende Zahl von Gesellschaften im privaten Eigentum<br />
eigentlich zu einem an die ökonomische Realität angepassterem Verhalten führen, und<br />
105 Schätzungen UBS Warburg, aus <strong>Airline</strong> Analyser, S. 30. Die linke Achse zeigt den <strong>St</strong>ück-Betriebsgewinn in US<br />
Cents pro Sitzkilometer bzw. engl. den operating profit pro available seat kilometer (ASK), die rechte Achse<br />
zeigt den Wert der ausgelieferten Flugzeuge pro Sitzkilometer ebenfalls in US Cents (engl. Delivery value/<br />
ASK).<br />
106 Zu der dadurch entstehenden Wertvernichtung vgl. auch Abbildung 2-7.<br />
51
anderseits trägt auch die Bildung von Allianzen zu einem weniger starken Wachstum der<br />
Flotten ihrer Mitglieder bei. 107 Die Kosten der Flotte sind jedoch nicht die einzigen Kosten,<br />
die an die Zyklen der Nachfrage angepasst werden sollten. Im Idealfall hält eine <strong>Airline</strong><br />
zu jedem Zeitpunkt immer genauso viele Produktionskapazitäten vor, wie nachgefragt<br />
werden, und zwar bei der Flotte, beim Flugpersonal, und bei allen anderen produktionsabhängigen<br />
Grössen.<br />
In der Praxis steht man in der Regel aber einem Trade-off gegenüber aus grösstmöglicher<br />
Flexibilität und tiefstmöglichen <strong>St</strong>ückkosten. Man kann Leasingverträge für Flugzeuge so<br />
abschliessen, dass sie jederzeit kündbar sind. Jedoch sind die Kosten eines solchen Vertrages<br />
aufs Jahr gerechnet viel höher, als wenn die <strong>Airline</strong> selbst Abschreibungen und<br />
Kapitalkosten des Flugzeuges tragen würde, da die Leasinggesellschaft für das übernommene<br />
Risiko kompensiert werden möchte. Ähnliches gilt für jede Art von zugekaufter<br />
Dienstleistung, sei es im Catering-Bereich oder im Bereich der Flugzeugwartung: Je<br />
grösser das Vertragsvolumen und die Laufzeit desto geringer ist in der Regel der Preis.<br />
Selbst bei der Bezahlung des fliegenden Personals lassen sich solche Gesetzmässigkeiten<br />
ausmachen, denn für die Gewerkschaften spielen Beschäftigungsgarantien eine genauso<br />
wichtige Rolle wie die Lohnhöhe.<br />
Im <strong>Performance</strong> <strong>Management</strong> kann ein Unternehmen den gewünschten Flexibilitätsgrad<br />
definieren, mit dem es auf Zyklen reagieren will. Gelingt es, diesen Flexibilitätsgrad,<br />
gemeinsam mit den Kosten, wirksam in den Zielsetzungsprozess zu integrieren, kann der<br />
Trade-off zwischen <strong>St</strong>ückkosten und Flexibilität weitgehend dezentralisiert werden. 108<br />
Wichtige Voraussetzung für ein erfolgreiches „managing the cycle“ bleibt allerdings<br />
auch weiterhin eine angepasste und antizyklisch orientierte Flottenplanung. Denn viele<br />
andere Planungsprozesse einer <strong>Airline</strong> müssen sich am Flottenplan orientieren und haben<br />
nur beschränkte Möglichkeiten, Flexibilität einzuplanen, selbst wenn das <strong>Management</strong><br />
der Flexibilität wirksam dezentralisiert wurde.<br />
2.2.8 Rolle der Gewerkschaften<br />
Im Vergleich zu anderen Branchen gibt es in der <strong>Airline</strong> Industrie aussergewöhnlich starke<br />
Gewerkschaften. Insbesondere trifft dies auf die Pilotengewerkschaften zu, die über<br />
107 Vgl. <strong>Airline</strong> Analyzer S. 30.<br />
108 Eine solche Dezentralisierung macht es wahrscheinlicher, den Trade-off nahe dem Optimum zu lösen, da dann<br />
hierüber sowohl in Vertragsverhandlungen mit Zulieferbetrieben, als auch bei der dezentralen Ressourcenplanung<br />
„frontnah“ entschieden werden kann.<br />
52
die Macht verfügen, den Flugbetrieb mittels <strong>St</strong>reiks für einen bestimmten Zeitraum ganz<br />
oder teilweise lahm zu legen. 109 In der Regel schrecken die Pilotengewerkschaften auch<br />
nicht davor zurück, ihre Machtmittel einzusetzen, um ihren Interessen Nachdruck zu verleihen.<br />
Für die <strong>Airline</strong>s ergeben sich aus dem aussergewöhnlichen Druck der Pilotengewerkschaften<br />
und anderer Mitarbeiterverbände vor allem die folgenden Konsequenzen:<br />
• Verringerte Profitabilität: Hohe und steigende Personalkosten, die häufig in keinem<br />
Verhältnis zum Gewinnwachstum stehen und aufgrund einer meist geringen EBIT-<br />
Marge110 stark auf die Profitabilität durchschlagen. Im Jahr 2002 konnten sich die Flag<br />
Carriers kaum Lohnerhöhungen für ihre Mitarbeiter leisten. Diese Ausgangslage hielt<br />
die Gewerkschaften jedoch nicht davon ab, ihre Verhandlungsmacht für teilweise erhebliche<br />
Lohnforderungen einzusetzen. Beispielsweise forderte Ende 2002 die Pilotengewerkschaft<br />
der Air France eine Lohnerhöhung von 17%. Löhne sind zwar nur<br />
ein Teil der Lohnkosten, und die Piloten nur ein Teil des Gesamtpersonals, aber dennoch<br />
stellten diese 17% Lohnerhöhung 25% des EBIT von 2001 dar. 111 Die Gewerkschaftsorganisation<br />
amerikanischer Piloten ALPA hat sich offiziell zum Ziel gesetzt,<br />
bei allen Partnergewerkschaften112 den „Pilot Shareholder Value“ zu maximieren, definiert<br />
als Anzahl Pilotenjobs multipliziert mit dem durchschnittlich vereinbarten<br />
Lohn. 113<br />
109 Prinzipiell verfügen auch die anderen Gewerkschaften wie z.B. die der Flight Attendants und die des Bodenpersonals<br />
über diese Möglichkeit. In der Praxis kommen <strong>St</strong>reiks aber häufiger auf Initiative der Pilotengewerkschaften<br />
vor. Diese sind in der Regel in der besten Position, <strong>St</strong>reikdrohungen auszusprechen.<br />
110 EBIT/Umsatz<br />
111 Scott-Gall/ Logan/Frank: Europe: <strong>Airline</strong>s, S. 2.<br />
112 Unter den europäischen <strong>Airline</strong>s werden die Gewerkschaften von KLM, Lufthansa, Air France und British Air-<br />
53<br />
ways genannt.<br />
113 Auf den Shareholder Value wird dabei oft wenig Rücksicht genommen, wie ein Zitat des Vorsitzenden der Pilotengewerkschaft<br />
von United <strong>Airline</strong>s im Februar 2002 vermuten lässt: „ We don’t want to kill the golden goose,<br />
we just want to choke it by the neck until it gives us every last egg.“ Vgl. Lowenstein, Roger, Into Thin Air, New<br />
York Times 17. Feb. 2002, zit. nach Scott-Gall/ Logan/Frank: Europe: <strong>Airline</strong>s, S.36. Man beachte, dass dieses<br />
Zitat auf wenige Monate nach dem 11. September 2001 und wenige Monate vor dem Chapter 11 bzw. Nachlasstundung<br />
der United <strong>Airline</strong>s datiert ist. Die amerikanischen Behörden haben inzwischen erkannt, dass die Pilotengewerkschaften<br />
ihre starke Verhandlungsposition voll ausspielen, um vermehrt Lohnforderungen zu stellen,<br />
die manche <strong>Airline</strong> in ernsthafte Bedrängnis führen können. Daher gibt es mit dem „McCain/Lott bill“ schon einen<br />
ersten Gesetzentwurf, der den Machtmissbrauchs von Gewerkschaften unterbinden soll. Vgl. hierzu Scott-<br />
Gall/ Logan/Frank: Europe: <strong>Airline</strong>s, S.37.<br />
113 Schätzungen UBS
• Erschwerung von Allianzen und Fusionen: Die Kosten, die den Mitgliedern einer <strong>Airline</strong>-Allianz<br />
durch die Aufnahme neuer Mitglieder entstehen, erhöhen sich, da dies oft<br />
als Anlass für weitere Lohnforderungen genommen wird. <strong>Airline</strong>-Fusionen werden<br />
erschwert oder verteuert, da die Piloten kaum bereit sind, ohne weiteres ihren erworbenen<br />
Senioritätsstatus abzugeben. 114 Die Teilnahme an einer Allianz reicht oft schon<br />
aus, um weitere Lohnforderungen zu provozieren. 115<br />
• Eingeschränkte Handlungsfreiheit bei originären <strong>Management</strong>aufgaben: Einerseits<br />
wird die Flexibilität eingeschränkt, wenn Flugzeug- und Crew-Kapazitäten abgebaut<br />
und Kosten gesenkt werden sollen. Andererseits unterliegt auch die Gestaltung der<br />
Crewrotations-, Flugzeugeinsatz- und Flottenplanung dem Einfluss der Gewerkschaften,<br />
was die Produktivität massgeblich beeinflussen kann.<br />
Das <strong>Performance</strong> <strong>Management</strong> kann unterstützend wirken für einen optimalen und konstruktiven<br />
Interessenausgleich zwischen <strong>Management</strong> und Investoren auf der einen Seite<br />
und Mitarbeitern bzw. Gewerkschaften, insbesondere Pilotengewerkschaften, auf der anderen<br />
Seite. Wenn die Piloten oder andere Mitarbeiterkategorien sich zu spezifischen<br />
Produktivitätssteigerungen verpflichten, kann als Gegenleistung dafür verhandelt werden,<br />
dass die jeweilige Gruppe vom dadurch verbesserten Ergebnis profitiert. Die Wertschöpfung<br />
von Lohngruppen kann dazu durch das <strong>Performance</strong> <strong>Management</strong> im Zielsetzungsund<br />
Kontroll-Prozess abgebildet werden. Auf diese Weise kann man dafür sorgen, dass<br />
die Urheber von Ergebnisverbesserungen am Erfolg partizipieren können.<br />
2.3 Aktuelle Entwicklungen in der Industriestruktur<br />
Da die Liberalisierung des europäischen Luftverkehrs nun schon bald 10 Jahre zurückliegt,<br />
sollte man annehmen, dass sich aufgrund der heilenden Kräfte der Marktwirtschaft<br />
längst eine gesunde Industriestruktur herausbilden konnte. Eine solche Industriestruktur<br />
sollte es den effektiv wirtschaftenden <strong>Airline</strong>s nämlich durchaus ermöglichen, eine angemessene<br />
Wertschöpfung zu erzielen, die auch in Form positiver EVAs zum Ausdruck<br />
kommt. Tatsache ist allerdings, dass die Liberalisierung bisher nur teilweise stattgefunden<br />
hat, und dass die derzeitige Mischung aus Regulierung und Wettbewerb ein Klima<br />
114 Scott-Gall/ Logan/Frank: Europe: <strong>Airline</strong>s, S. 34.<br />
115 Als Anlass bzw. offizielle Begründung für neue Forderungen werden nämlich meist höhere Lohn-Benchmarks<br />
herangezogen. Solches Benchmarking wird insbesondere unter den Piloten von Allianzpartnern praktiziert, was<br />
die Gewinne aus einer Allianz wieder völlig vernichten kann bzw. diese voll auf die Piloten übertragen werden<br />
können. Scott-Gall/ Logan/Frank: Europe: <strong>Airline</strong>s, S.26.<br />
54
erzeugt, in dem es für die Flag Carriers sehr schwer ist, ausreichende Gewinne zu erzielen.<br />
Abbildung 2-19 gibt einen Überblick darüber, wie die noch immer stattfindenden staatlichen<br />
Eingriffe und Regulierungen zu Überkapazitäten und Preiskampf im Segment der<br />
Flag Carriers führen. Die Grafik stellt ein Wirkungsgefüge dar, in dem sich verstärkende<br />
Wirkungen mittels durchgängiger Pfeile gekennzeichnet sind, während die gestrichelten<br />
Pfeile mit Minuszeichen eine abschwächende Wirkungsbeziehung beschreiben.<br />
Grössenvorteile<br />
�<br />
<strong>St</strong>ück-<br />
Kosten<br />
Wachstum<br />
�<br />
Allianzen<br />
<strong>St</strong>aatliche<br />
Eingriffe<br />
Austrittsbarrieren<br />
Überkapazitäten<br />
Preiskampf<br />
• Auswirkungen der europäischen Liberalisierung<br />
55<br />
�<br />
�<br />
Fragmentierung<br />
Käufer-<br />
Markt<br />
Abbildung 2-19: Bestimmungsgrössen der Industriestruktur<br />
No frills<br />
Liberalisierung<br />
Abbildung 2-19 bildet die Grundlage für die Auseinandersetzung mit einigen der wichtigsten<br />
mikroökonomischen Wirkungszusammenhänge in der europäischen <strong>Airline</strong> Industrie<br />
seit Anfang der 90er Jahre. Die nächsten Abschnitte beschäftigen sich jeweils mit<br />
einem Teil dieser Wirkungen:<br />
• Auswirkungen staatlicher Eingriffe und Reglementierung<br />
• Wachstum und Preiskampf
2.3.1 Auswirkungen staatlicher Eingriffe und Reglementierung<br />
Für einen grossen Teil des übermässigen Wachstums und der Überkapazitäten in der europäischen<br />
<strong>Airline</strong> Industrie sind noch immer staatliche Institutionen mit Ihren Eingriffen<br />
und Regulierungen verantwortlich. Die europäische Union hat zwar seit 1994 alle innereuropäischen116<br />
Flüge für Gesellschaften aus EU Ländern liberalisiert, jedoch ist die europäische<br />
<strong>Airline</strong> Industrie von einer vollständigen Deregulierung noch weit entfernt.<br />
In Abbildung 2-19 werden unter der Bezeichnung „<strong>St</strong>aatliche Eingriffe“ die folgenden<br />
Einflüsse staatlicher Institutionen zusammengefasst, die immer noch bedeutenden Einfluss<br />
auf die Entwicklung der Industrie haben:<br />
• Regulierung des aussereuropäischen Verkehrs und des Verkehrs aussereuropäischer<br />
Gesellschaften<br />
• Regulierung des Zugangs zu knapper Flughafenkapazität<br />
• Verhinderung von paneuropäischen Fusionen<br />
• Zahlung offener und verdeckter Subventionen<br />
Nach einer kurzen Beschreibung dieser 4 Einflüsse staatlicher Institutionen können ihre<br />
direkten Auswirkungen dargestellt werden:<br />
• Austrittsbarrieren<br />
• Fragmentierung im europäischen Markt<br />
• Wachstum und Überkapazitäten<br />
Zunächst zur Regulierung des aussereuropäischen Verkehrs und des Verkehrs aussereuropäischer<br />
Gesellschaften: Sobald europäische Gesellschaften Flüge mit <strong>St</strong>arts- und Landungen<br />
an aussereuropäischen Flughäfen durchführen wollen, kommen bilaterale Vereinbarungen<br />
zwischen der EU oder dem jeweiligen EU-Mitliedsland auf der einen Seite,<br />
und dem aussereuropäischen Land auf der anderen Seite, zum Zuge und regeln die Verkehrsrechte117.<br />
Bei diesen Verhandlungen wird in der Regel auch festgelegt, welche Verkehrsrechte<br />
die Gesellschaft des jeweiligen aussereuropäischen Landes in Europa erhält.<br />
Viele Behörden greifen dabei zum Mittel der künstlichen Verknappung von Verkehrsrechten<br />
als industriepolitischer Massnahme, mit der die partikulären Interessen des eige-<br />
116 In diesem Kontext werden unter innereuropäischen Flügen stets Flüge verstanden, die die Grenzen der EU nicht<br />
verlassen.<br />
117 Das Recht, als Linienfluggesellschaft kommerziellen Transportleistungen in den betroffenen Ländern anzubieten<br />
und den Transport durchzuführen.<br />
56
nen Flag Carriers geschützt werden sollen. Ein bedeutendes Beispiel ist hier die Vereinbarung<br />
zwischen den USA und Grossbritannien, nur an jeweils zwei US- und zwei britische<br />
Fluggesellschaften Verkehrsrechte zwischen dem Flughafen London Heathrow und<br />
den USA zu vergeben. Diese künstliche Verknappung des Angebotes ermöglicht es der<br />
British Airways, signifikant hohe Durchschnittserträge auf dem Segment des Nordatlantikverkehrs<br />
zu erzielen. Dieser Sachverhalt wird auch in Abbildung 2-15 auf Seite 45<br />
deutlich, die den direkten Langstreckenverkehr als mit Abstand beutendsten Gewinnbringer<br />
der BA ausweist.<br />
Die meisten EU-<strong>St</strong>aaten haben heute bilaterale Vereinbarungen mit den USA über den<br />
gegenseitigen freien Zugang zu Verkehrsrechten, die als so genannte Open-Sky-<br />
Agreements bezeichnet werden. Da es aber auch Ausnahmen wie die Regelung zwischen<br />
den USA und England gibt, und andererseits die Vereinbarungen mit den USA auf Ebene<br />
der Einzelstaaten ratifiziert worden sind, kann man noch nicht von einer vollen Liberalisierung<br />
der Verkehrsrechte zwischen den USA und der EU sprechen. Tendenziell sind<br />
die europäischen Gesellschaften hier gegenüber den US-Gesellschaften benachteiligt. 118<br />
Sofern ein hinsichtlich Luftverkehr voll liberalisierter Wirtschaftsraum zwischen der EU<br />
und den USA zustande kommt, könnte dies der Auftakt sein zu ähnlichen Vereinbarungen<br />
mit anderen für den Luftverkehr wichtigen Regionen. Wenn es dabei gelingen sollte,<br />
die wichtigsten asiatischen <strong>St</strong>aaten in einen freien Wirtschaftsraum mit einzubeziehen,<br />
dann könnte faktisch von global liberalisierten Verhältnissen gesprochen werden. 119<br />
Die Regulierung des Zugangs zu knapper Flughafenkapazität wirkt sich tendenziell zum<br />
Vorteil der Flag Carriers aus, die über viele schon in der Vergangenheit erworbene Slots<br />
118 Europäische Gesellschaften erhalten in der Regel noch nicht ohne weiteres das Recht, eine amerikanische Destination<br />
mit Destinationen beliebiger europäischer Länder zu verbinden. Dies ist den US-<strong>Airline</strong>s aufgrund der bilateralen<br />
Abkommen jedoch fast immer möglich. Die EU bemüht sich, in den Verhandlungen mit den USA, ein<br />
Open-Sky Agreement auf EU-Ebene zu verhandeln, das <strong>Airline</strong>s aus beiden Regionen die gleichen Rechte in einem<br />
gemeinsamen Wirtschaftsraum EU-USA gewähren soll. Konkret hat hier die EU die TCAA, die Transatlantic<br />
Common Aviation Area, als Vorschlag eingebracht, der die Verfügbarkeit von Verkehrsrechten im USund<br />
EU-Luftraum für US- und EU-Gesellschaften vollständig liberalisieren würde. Aber selbst wenn dieser Vorschlag<br />
in einen Vertrag umgesetzt werden könnte, blieben immer noch die bilateralen Abkommen mit <strong>St</strong>aaten<br />
ausserhalb der TCAA-Zone bestehen. Um eine vollständigere Liberalisierung zu vollziehen, die erste transatlantische<br />
Fusionen ermöglichen würde, müssten gleichzeitig wenigstens die wichtigsten verkehrsrechtlichen Abkommen<br />
mit anderen, z.B. asiatischen <strong>St</strong>aaten angepasst werden. Und zwar so, dass nicht mehr die Nationalität<br />
der jeweiligen Carriers – EU-Land oder USA - als Bedingung für die Verkehrsrechte gilt, sondern statt dessen<br />
die <strong>St</strong>andorte, von denen aus geflogen wird, in die Verkehrsrechtabkommen eingesetzt werden. Vgl. Scott-<br />
Gall/Logan, <strong>Airline</strong>s Europe, S. 243.<br />
119 Das Zustandekommen einer entsprechenden Vereinbarung zwischen EU und den USA wird frühestens in 5 Jahren<br />
erwartet. Vereinbarungen mit anderen Wirtschaftsräumen werden noch länger auf sich warten lassen. Vgl.<br />
Scott-Gall/Logan/Malmer/Frank, Unravelling regulation, S. 1ff.<br />
57
verfügen. Denn zusätzlich zu den Verkehrsrechten werden für das Anfliegen jedes Flughafens<br />
noch Flughafen-spezifische Landerechte, so genannte Airport Slots, benötigt. Die<br />
meisten der wirtschaftlich für die <strong>Airline</strong>s besonderes interessanten Flughäfen sind allerdings<br />
ziemlich ausgebucht, vor allem was ihre Kapazität zu den attraktivsten Reisezeiten<br />
angeht. Sowohl innerhalb wie auch ausserhalb der EU können Airport Slots nicht ohne<br />
weiteres am freien Markt erworben werden. In der Regel gibt es staatlich überwachte<br />
Vergabeverfahren der freiwerdenden Slots. Abgesehen von Flughafenerweiterungen<br />
werden solche Slots normalerweise nur dann frei, wenn die am Flughafen etablierten <strong>Airline</strong>s<br />
Slots freiwillig abgeben oder abgeben müssen, weil mit dem Slot verbundene Verpflichtungen<br />
nicht eingehalten worden sind. 120<br />
Paneuropäische Fusionen werden vor allem dadurch behindert, dass heute bei einer Fusion<br />
der Erhalt der Verkehrsrechte und Slots nur dann gesichert ist, wenn eine europäische<br />
Gesellschaft, eine europäische <strong>Airline</strong> übernimmt, die nur europäische Destinationen anfliegt.<br />
Der Grund dafür liegt darin, dass Verkehrsrechte in der Regel noch immer an so<br />
genannte „foreign ownership restrictions“ gebunden sind. D.h. die Verkehrsrechte werden<br />
unter der Bedingung vergeben, dass der Anteil ausländischer Beteiligungen am Gesellschaftskapital<br />
einen bestimmten Prozentsatz nicht überschreitet. 121 Sollte eine europäische<br />
Gesellschaft eine europäische <strong>Airline</strong> übernehmen, die interkontinental tätig ist,<br />
müssen die aussereuropäischen Verkehrsrechte der übernommenen <strong>Airline</strong> von den jeweiligen<br />
aussereuropäischen Behörden bestätigt werden. 122<br />
Ein weiteres Hindernis für innereuropäische Fusionen kann in Auflagen der EU-<br />
Wettbewerbsbehörden gesehen werden. Das Beispiel der von der EU-Kommission genehmigten<br />
Fusion von Air France und KLM zeigt jedoch, dass sich hier die Auflagen in<br />
120 Bedeutend ist hier insbesondere die Verpflichtung, den Flugbetrieb zum jeweiligen Flughafen soweit aufrechtzuerhalten,<br />
dass nur in einer minimalen Anzahl der Fälle der Slot aufgrund einer Flugannullation nicht wahrgenommen<br />
wird. Airport Slots werden an IATA Konferenzen an die Bewerber-<strong>Airline</strong>s vergeben, die mindestens 5<br />
Monate vor Beginn einer Flugplanperiode stattfinden. Zum Prozedere der Slotvergabe vgl. <strong>St</strong>erzenbach/Conrady,<br />
Luftverkehr, S.270ff.<br />
121 Beispielsweise verlieren amerikanische <strong>Airline</strong>s ihren <strong>St</strong>atus als US-Gesellschaft mit unbeschränktem Zugang zu<br />
US-Verkehrsrechten, wenn die ausländischen Beteiligungen 25% übersteigen. Scott-Gall/Logan/Malmer/Frank,<br />
Unravelling Regulation, S. 1ff.<br />
122 Da die Verkehrsrechte bilateral auf Ebene der Nationalstaaten verhandelt werden, ist eine Bestätigung nur dann<br />
sicher, wenn beide an der Fusion beteiligten <strong>Airline</strong>s vor der Übernahme nationalstaatlich gleich domiziliert waren.<br />
Das Kriterium der Domizilierung ist hier, wie schon erwähnt, vor allem die nationalstaatliche Zugehörigkeit<br />
der Investorenmehrheit.<br />
58
einem von der neu entstehenden Gesellschaft als erträglich empfundenen Rahmen bewegt<br />
haben. 123<br />
Offene und verdeckte Subventionen sind faktisch immer noch präsent, trotzdem die EU-<br />
Länder im Rahmen der Liberalisierung des europäischen Luftverkehrs mit der so genannten<br />
„one time, last time“-Regel124 übereingekommen sind, keine staatlichen Beihilfen<br />
mehr an <strong>Airline</strong>s zu zahlen. Vor allem finden verdeckte Subventionen statt. Hierbei werden<br />
z.B. Flag Carriers mit <strong>St</strong>aatsbeteiligungen unterstützt, während sie ihre Kapitalkosten<br />
nachhaltig nicht erwirtschaften können. 125 Eine andere Form der verdeckten Subvention<br />
kommt auch No Frills <strong>Airline</strong>s zu Gute: Regionale Flughäfen mit Wachstumsambitionen<br />
tendieren dazu, die Flughafengebühren extrem gering zu halten und sogar Gratisleistungen<br />
zu offerieren, wenn die <strong>Airline</strong> eine bestimmte Anzahl Flugverbindungen garantiert.<br />
126 Neben solchen verdeckten Zahlungen werden aber immer noch offene Zahlungen<br />
geleistet, gegen die die Verkehrskommission der EU allerdings inzwischen energisch<br />
vorgeht. Insbesondere sind hier Zahlungen der griechischen Regierung an Olympic Airways<br />
und Subventionspläne der französischen Regierung für Air France zu nennen. 127<br />
Austrittsbarrieren entstehen durch die enge Verflechtung vieler <strong>Airline</strong>s mit dem <strong>St</strong>aat,<br />
die Kapazitätsreduktionen und Liquidationen wesentlich erschweren. Hinter den Flag<br />
Carriers steht meist ein starkes nationales Interesse. Er soll zu einer verbesserten Verkehrsinfrastruktur<br />
und zum Nationalprestige beitragen. 128 Die Nationalstaaten werden in<br />
der Regel sehr viel unternehmen, um ihren Carrier aus einer möglichen Notlage zu retten.<br />
Neben den erwähnten versteckten Subventionen sind sogar Verstösse gegen die Verordnungen<br />
der EU-Verkehrskommission denkbar. 129 Als weitere Austrittsbarriere können die<br />
Verhältnisse auf dem Markt für Flugzeugkapazitäten angesehen werden. Flugzeuge sind<br />
123 Die beiden <strong>Airline</strong>s mussten 94 <strong>St</strong>art- und Landerechte für verschiedene Flugrouten zu Gunsten von Konkurrenten<br />
abgeben. Daneben mussten auch von Amsterdam und Paris ausgehende Routen nach Übersee – überwiegend<br />
USA - für den Wettbewerb geöffnet werden. Vgl. hierzu NZZ online vom 11.02.04, Fusion von Air France und<br />
KLM.<br />
124 Scott-Gall/Logan, <strong>Airline</strong>s Europe, S. 231.<br />
125 Vgl. hierzu die Ausführungen aus Abschnitt 2.1.2.<br />
126 Da die öffentliche Hand meistens an diesen Flughäfen beteiligt ist, kommt diese Gebührenreduktion einer Subvention<br />
mit strukturpolitischer Zielsetzung gleich. Vor allem Ryanair ist hier in der letzten Zeit immer wieder in<br />
die Diskussion gekommen. Vgl. Tagesanzeiger vom 11.12.02, EU bekämpft <strong>Airline</strong>-Subventionen, S. 1 worin<br />
von verdeckten Subventionen des belgischen Regionalflughafens Charleroi die Rede ist.<br />
127 Vgl. Tagesanzeiger vom 11.12.02, EU bekämpft <strong>Airline</strong>-Subventionen, S. 1.<br />
128 Vgl. Abschnitt 2.2.1.<br />
129 Scott-Gall/Logan, <strong>Airline</strong>s Europe, S. 231.<br />
59
zwischen <strong>Airline</strong>s handelbar und verlassen den Markt in der Regel nicht, wenn einzelne<br />
Gesellschaften verschwinden oder Kapazitätsreduktionen vornehmen. Je grösser das Angebot<br />
an freiwerdenden Flugzeugkapazitäten desto tiefer sinkt der Marktpreis. Eine reduzierende<br />
<strong>Airline</strong> muss daher vor allem in Krisenzeiten mit sehr tiefen Opportunitätskosten<br />
ihrer Flugzeugkapazitäten rechnen. 130<br />
Die Fragmentierung der europäischen <strong>Airline</strong> Industrie ergibt sich aus den oben beschriebenen<br />
staatlichen Eingriffe und Restregulierungen. Die Existenz einiger Gesellschaften<br />
ohne wirtschaftliche Existenzberechtigung, die künstlich am Leben gehalten<br />
werden bzw. die zumindest in einer künstlich vergrösserten Dimension erhalten werden,<br />
ist dabei nicht auszuschliessen.<br />
Die Hintergründe von Wachstum und Überkapazitäten ergeben sich aus den vorangehenden<br />
Ausführungen. Vor allem die Flag Carriers sehen sich einflussreichen <strong>St</strong>akeholders<br />
des Wachstum gegenübergestellt: Piloten, übrige Angestellte, Manager, Behörden, Zulieferer<br />
und andere Gruppen. 131 Das Zusammenwirken von übertriebenem Wachstum mit<br />
Austrittsbarrieren und einer fragmentierten Industriestruktur führt unweigerlich zu Überkapazitäten:<br />
In der Hochkonjunktur wird Wachstum durchgesetzt, bei schlechter Konjunktur<br />
wird dies nur teilweise zurückgenommen und Fusionen, die eine Konsolidierung<br />
der Industrie bewirken könnten, werden künstlich verhindert. Nicht nur Analysten sehen<br />
heute die Fragmentierung der Industrie, die staatlichen Eingriffe und die daraus resultierenden<br />
Überkapazitäten als wesentliche Ursache der unbefriedigenden Wirtschaftlichkeit<br />
der Flag Carriers. Inzwischen wird auch immer mehr von Seiten der Führung bedeutender<br />
europäischer <strong>Airline</strong>s die Konsolidierung der Branche, z.B. mittels Fusionen, als<br />
Voraussetzung für die Erzielung angemessener Renditen im Flag Carrier Bereich genannt.<br />
132 Gleichzeitig mehren sich heute auch die Anzeichen dafür, dass die an Wachstum<br />
130 Dies kann sich dahingehend auswirken, dass die Kapazitätsanpassung geringer ausfällt, als dies bei den höheren<br />
Marktpreisen einer guten Branchenkonjunktur der Fall wäre. Ist die Konjunktur gerade gut, wenden sich meist<br />
wichtige <strong>St</strong>akeholders gegen eine Kapazitätsreduktion, auch wenn diese langfristig die Profitabilität verbessern<br />
könnte. Vor allem bei den Flag Carriers wird ein Abbau bei guter Konjunktur durch die starken Anspruchsgruppen<br />
des Personals und der Regierungsbehörden typischerweise verhindert. Vgl. hierzu auch Scott-Gall/Logan,<br />
<strong>Airline</strong>s Europe, S. 231. Scott-Gall/Logan erwähnen in diesem Zusammenhang insbesondere auch psychologische<br />
Faktoren beim <strong>Management</strong>, das ebenfalls ein starkes Wachstumsinteresse hat und sich tendenziell gegen<br />
Kapazitätsreduktionen wendet.<br />
131 Welche Interessen diese <strong>St</strong>akeholders verfolgen und warum, wurde in den vorangehenden Abschnitten schon<br />
beschrieben (vgl. Abschnitt 2.1.2, Abschnitt 2.2.1 und Abschnitt 2.2.8).<br />
132 Beispielsweise hat Rod Eddington, CEO der British Airways, an der European Transport Leaders Conference,<br />
London März 2002, explizit die Auflösung der fragmentierten Branchenstruktur durch das Ermöglichen von Fusionen<br />
und das Einstellen von staatlichen Hilfen als Voraussetzung für eine echte Profitabilität der Branche bezeichnet.<br />
Am selben Kongress äusserte sich Karl-Ludwig Kley, CFO der Lufthansa in ähnlicher Weise.<br />
60
interessierten Gruppen ihre Interessen nicht mehr im gleichen Masse durchsetzen können<br />
wie früher. Die zunehmende Bedeutung von Allianzen als eine Art Ersatz für Wachstum,<br />
verbunden mit dem Wettbewerbsdruck durch die neuen No Frills <strong>Airline</strong>s, beschränken<br />
die Möglichkeiten, unwirtschaftliches Wachstum durchzusetzen. 133<br />
2.3.2 Wachstum und Preiskampf<br />
Die Faktoren Wachstum, Überkapazitäten und Preiskampf haben sich in der Vergangenheit<br />
gegenseitig verstärkt, wie in Abbildung 2-19 dargestellt wurde: Wachstum führt über<br />
die Grössenvorteile134 zu geringeren <strong>St</strong>ückkosten. Tiefere <strong>St</strong>ückkosten verstärken die Position<br />
der <strong>St</strong>akeholders des Wachstum, da nun bisher unprofitable Flugverbindungen eher<br />
profitabel werden bzw. wenigstens als profitabel dargestellt werden können. 135 Weiteres,<br />
sich selbst verstärkendes Wachstum wird also auf diese Weise wahrscheinlich.<br />
Übertreiben mehrere <strong>Airline</strong>s gleichzeitig ihr Wachstum im selben Markt, kommt es zu<br />
Überkapazitäten, und damit aufgrund der tiefen Opportunitätskosten leerer Sitze136 zum<br />
Preiskampf. Vor allem die wirtschaftlich besonders schwachen, mittelgrossen <strong>Airline</strong>s<br />
versuchen hier aktiv durch Preiskämpfe Marktanteile zu gewinnen – finanziert durch<br />
staatliche Subventionen. 137 Die daraus resultierenden, tieferen Preise können die <strong>St</strong>akeholders<br />
des Wachstums argumentieren lassen, dass nun noch weitergehende Kostensenkungen<br />
notwendig werden, die unter anderem das Nutzen zusätzlicher Skalenerträge mittels<br />
weiteren Wachstums erfordern.<br />
133 Eine ähnliche Wirkung hat das beharrliche Vorgehen der Verkehrskommission der EU gegen staatliche Beihilfen<br />
verbunden mit sich zunehmend verringernden Eigenkapitalquoten einiger Flag Carriers. Ein Anzeichen dafür,<br />
dass möglicherweise eine Trendwende bevorsteht, ergibt sich aus den Wachstumsprognosen für die wichtigsten<br />
europäischen <strong>Airline</strong>s in Abbildung 2-8 auf Seite 21. Der offensichtlichste Vertreter einer solchen möglichen<br />
Trendwende ist die Gesellschaft British Airways, die wesentlich radikaler als alle anderen grossen europäischen<br />
<strong>Airline</strong>s ihre Investitionen in Flugzeugkapazitäten eingestellt hat. Vgl. hierzu die Ausführungen in Abschnitt<br />
2.1.6, aber auch <strong>Airline</strong> Analyzer S. 34, und Scott-Gall/Logan/Frank, <strong>Airline</strong>s Europe, S. 9-10 u. S. 13.<br />
134 vgl. Abschnitt 2.2.4 auf Seite 41ff mit einer Auflistung und Erklärung der wichtigsten Economies of Scale.<br />
135 vgl. hierzu die Ausführungen über die <strong>St</strong>reckenerfolgsrechnung in Abschnitt 3.3.2 auf Seite 111ff. Hier finden<br />
sich Erklärungen zu typischen Wegen, unprofitable <strong>St</strong>recken künstlich „schönzurechnen“.<br />
136 Vgl. hierzu Abschnitt 2.2.3 auf Seite 39, worin die Opportunitätskosten leerer Sitze und damit das Entscheidungsmodell<br />
hinter der Bereitschaft zum Preiskampf dargestellt wird.<br />
137 An der European Transport Leaders Conference, London März 2002, haben Rod Edington, CEO der British<br />
Airways, und Karl-Ludwig Kley, CFO der Lufthansa, diese Gruppe der europäischen <strong>Airline</strong> Industrie vorrangig<br />
als Treiber von Überkapazitäten und Preiskampf genannt. Unnatürlich tiefe Preise würden dabei aus staatlichen<br />
Subventionen bezahlt. Bei Ausbleiben dieser Subventionen würden diese <strong>Airline</strong>s aber verschwinden oder ihre<br />
Kapazitäten drastisch reduzieren müssen.<br />
61
Das Ergebnis ist eine Art doppelt motivierte, ruinöse Wachstumsspirale, die lange durch<br />
staatliche Zuschüsse und andere geldwerte Vorteile aus Regulierungen genährt wurde.<br />
Gebremst wird diese Spirale einerseits durch die Verknappung des Eigenkapitals der Flag<br />
Carriers bzw. durch die abnehmende Bereitschaft der staatlichen und privaten Investoren,<br />
eine Teilnahme ihrer <strong>Airline</strong> an dieser Entwicklung weiter zu finanzieren. Andererseits<br />
bieten aber auch Allianzen eine Möglichkeit, die Wirkung der Wachstumsspirale abzuschwächen.<br />
Ein sich verstärkender Preiskampf zwingt vor allem die Flag Carriers, mittels<br />
Allianzen jeden zulässigen Spielraum für Preisabsprachen auszuschöpfen, und sinkenden<br />
Preisen so entgegenzuwirken. Gleichzeitig können Grössenvorteile, allerdings in wesentlich<br />
abgeschwächter Form, auch durch die Teilnahme an Allianzen realisiert werden. 138<br />
Ein möglicherweise entscheidendes Paradigma, das die Wachstumsspirale bei vielen <strong>Airline</strong>s<br />
lange in Gang gehalten hat, liegt in der verbreiteten Ansicht begründet, dass die europäischen<br />
Fluggesellschaften in einem stark und unaufhaltsam wachsenden Markt tätig<br />
sind.<br />
Zumindest für die globale Perspektive ist jedoch erwiesen, dass das Marktvolumen für<br />
Flugreisen seit den 70er Jahren nicht stärker gewachsen ist als das Bruttosozialprodukt.<br />
Die Wachstumsraten der beiden Grössen waren dabei lange Zeit ungefähr gleich. Seit<br />
Ende der 90er Jahre, oder spätestens seit September 2001, scheint hier aber eine Veränderung<br />
der Trends eingetreten zu sein: Abbildung 2-20 zeigt, dass sich das Marktvolumen<br />
der Flugreisen vom Wirtschaftswachstum abgekoppelt zu haben scheint.<br />
In den Kalkulationen der meisten <strong>Airline</strong>s spiegeln sich Überkapazitäten und Preiskampf<br />
in Form von sinkenden Erträgen pro Flugreise und einer schlechteren Auslastung der<br />
Sitzkapazitäten wieder. Die Messgrösse Ertrag pro Sitz stellt eine Zusammenfassung dieser<br />
beiden Effekte dar, sie ist im Zeitraum 1992-2000 für die meisten europäischen <strong>Airline</strong>s<br />
fast stetig gefallen. 139 Eine weitere Konsequenz des industrieweiten Wachstums sind<br />
Mehrkosten, die aufgrund wachsender Infrastrukturengpässe entstehen. Vor allem in der<br />
Zeit vor September 2001 hatten die europäischen <strong>Airline</strong>s mit fehlenden Luftraum- und<br />
Flughafenkapazitäten zu kämpfen. Konsequenzen wie Verspätungen, Annullationen, verärgerte<br />
Kunden, entgangene Erträge, Zusatzkosten und Leerzeiten der Flugzeuge haben<br />
sich wie latente Kostensteigerungen ausgewirkt. Sie können von den meisten <strong>Airline</strong>s<br />
138 Vgl. hierzu Abschnitt 2.2.4 auf Seite 41ff, wo auch die Grenzen der durch Allianzen erzielbaren Economies of<br />
Scale diskutiert werden.<br />
139 Scott-Gall/Logan, <strong>Airline</strong>s Europe, S. 229. Revenue/SeatGS gibt den Ertrag pro Economy-Sitzäquivalent wieder.<br />
Zur Bestimmung der SeatGS (GS steht für Goldman Sachs) wurde eine hypothetische Economy-Klassen Bestuhlung<br />
für die betrachteten <strong>Airline</strong>s angenommen.<br />
62
auch heute kaum kontrolliert werden, da sich diese Effekte weder <strong>St</strong>recken noch Funktionsbereichen<br />
einfach und sinnvoll zurechnen lassen. 140<br />
Abbildung 2-20: Abkoppelung der <strong>Airline</strong>-Erträge vom Wirtschaftswachstum 141<br />
2.3.3 Auswirkungen der europäischen Liberalisierung<br />
Die Liberalisierung des Luftverkehrs innerhalb der EU hat über die freie Verfügbarkeit<br />
intra-europäischer Verkehrsrechte für EU-Gesellschaften den Markteintritt der No Frills<br />
<strong>Airline</strong>s ermöglicht. Die Liberalisierung hat zusätzlich, katalysiert durch die technischen<br />
Möglichkeiten des Internet, den Markt für Flugreisen in einen Käufermarkt verwandelt.<br />
Die Marktmacht hat sich zugunsten der Kunden verschoben, wovon vor allem die No<br />
140 Taneja, <strong>Airline</strong> Business <strong>St</strong>rategies, S. 33ff und Heitmann, Total <strong>Performance</strong> <strong>Management</strong>, S. 1ff. Im Kapitel<br />
des AVCMS werden Lösungsmöglichkeiten für die aktive Führung und Reduktion dieser Art latenter Kosten<br />
aufgezeigt.<br />
141 Scott-Gall/ Logan/Frank: Europe: <strong>Airline</strong>s, S.18.<br />
63
Frills <strong>Airline</strong>s profitieren. 142 Beide Trends, der zunehmende Marktanteil der No Frills<br />
<strong>Airline</strong>s und die zunehmende Marktmacht der Kunden im Käufermarkt, verstärken den<br />
Preiskampf zusätzlich, der ja ohnehin schon durch die in der Industriestruktur immanenten<br />
Überkapazitäten in Gang gehalten wird. Die Flag Carriers versuchen, mit Hilfe von<br />
Zusammenschlüssen zu Allianzen, dem Preiskampf entgegenzuwirken und einen Teil<br />
ihrer Marktmacht wiederzugewinnen. Die No Frills <strong>Airline</strong>s konnten beim Aufbau Ihrer<br />
<strong>St</strong>rukturen viel unabhängiger von Anspruchsgruppen wie Mitarbeitern und Behörden<br />
vorgehen als die Flag Carriers. Dadurch konnten sie sich voll auf die Kundenbedürfnisse<br />
und die effiziente Gestaltung ihrer Geschäftsprozesse konzentrieren. Das Internet verschafft<br />
den Kunden eine erheblich verbesserte Markttransparenz.<br />
Es findet ein regelrechter Paradigmenwechsel statt, indem im Kurzstreckenbereich Flugreisen<br />
überwiegend als Commodity wahrgenommen werden und hierdurch fast kontinuierlich<br />
Marktanteile von den Flag Carriers an die No Frills <strong>Airline</strong>s übergehen. 143 Die<br />
Eintrittsbarrieren für neue No Frills <strong>Airline</strong>s sind dabei gering, solange noch genügend<br />
Kapazität an den sekundären Flughäfen zur Verfügung steht. Zumindest gilt dies bis Easyjet<br />
und Ryanair den europäischen Markt noch nicht voll dominieren. 144 Die Reaktion<br />
der Flag Carriers auf das No Frills Angebot wird entscheidend für die Dauer des profitablen<br />
Wachstums der No Frills sein, und damit auch stark deren Börsenwert beeinflussen.<br />
Eine von Mercer Consulting publizierte <strong>St</strong>udie kommt hier zu dem Schluss, dass sich im<br />
intensiven Wettbewerb langfristig nur 2-3 starke No Frills <strong>Airline</strong>s als dominant herauskristallisieren<br />
werden. 145<br />
2.4 Ergebnisverbesserungspotentiale<br />
Für die No Frills <strong>Airline</strong>s ist es wichtig, auf ihrer <strong>St</strong>ärke der konsequenten Ausrichtung<br />
auf Effizienz und den Kundennutzen aufzubauen und den gegenwärtigen Leistungslevel<br />
zu halten. Sollten die Durchschnittserträge stärker zurückgehen als in den den Wachs-<br />
142 Man könnte ergänzen, dass durch den Markteintritt der No Frills, bzw. durch die Präsenz zusätzlicher <strong>Airline</strong>s,<br />
auch eine Verstärkung der Fragmentierung der Märkte eintritt. Jedoch sollte sich hier mit der Zeit auch ein gegenläufiger<br />
Effekt einstellen, da der durch die No Frills erhöhte Wettbewerbsdruck mittel- oder langfristig auch<br />
zum Austritt einiger Gesellschaften führen könnte. Auf eine entsprechende Darstellung der Wirkungsbeziehung<br />
zwischen „No Frills“ und „Fragmentierung“ in der Graphik wurde daher aus Gründen verbesserter Übersichtlichkeit<br />
verzichtet, zumal mit dem Begriff Fragmentierung in der Grafik speziell die künstlich durch staatliche<br />
Eingriffe hervorgerufene Form der Fragmentierung gemeint ist.<br />
143 Vgl. hierzu die Ausführungen über die Flugreise als Quasi-Commodity in Abschnitt 2.2.2 auf Seite 35ff.<br />
144 Scott-Gall/Logan, <strong>Airline</strong>s Europe, S. 231.<br />
145 Vgl. Mercer Consulting, Low Cost <strong>Airline</strong>s, S. 4.<br />
64
tumsplänen zugrunde liegenden Prognosen angenommen, ist eine Revision der Wachstumspläne<br />
erforderlich. Da das Geschäftsmodell der No Frills <strong>Airline</strong>s fast beliebig skalierbar<br />
ist, ist ausreichend Flexibilität für eine Anpassung des Wachstums vorhanden. 146<br />
Anders sieht es bei den Flag Carriers aus, von denen viele noch immer zu übertriebenem<br />
und wertvernichtendem Wachstum tendieren. Allerdings könnte eine umfassende Liberalisierung,<br />
die auch über den europäischen Luftraum hinaus reicht, die Rahmenbedingungen<br />
in den nächsten Jahren so verändern, dass umfassende Fusionen durchgeführt werden<br />
können. Um dafür eine gute Ausgangsposition zu erzielen, wäre es die Flag Carriers nahe<br />
liegend sich das Erreichen einer hohen Eigenkapitalquote und eines hohen Liquiditätspotentials<br />
zu konzentrieren und dabei auch auf die Besetzung strategischer Airport-Slots<br />
nicht ausser Acht zu lassen. 147<br />
Eine Erhöhung der Kapitalkraft ohne staatliche Hilfen kann nur durch die konsequente<br />
Ausrichtung auf EVA erzielt werden. Die Erzielung von EVA führt langfristig nicht nur<br />
zur Erwirtschaftung ausreichender eigener operativer Cash Flows, sondern sie erleichtert<br />
auch erheblich die Aufnahme neuen Kapitals an den Kapitalmärkten. Voraussetzung für<br />
die nachhaltige Erzielung von EVA ist ein EVA-orientiertes <strong>Performance</strong> <strong>Management</strong>.<br />
Alle Planungs- und Führungsabläufe müssen auf das EVA-Ziel ausgerichtet werden können.<br />
Flankierend dazu muss ein Ausgleich mit anderen einflussreichen Interessengruppen<br />
gefunden werden, die einer Ausrichtung auf EVA tendenziell entgegenwirken.<br />
Für beide <strong>Airline</strong> Gruppen bedeutet EVA-Orientierung die konsequente Ausrichtung auf<br />
die Kundenbedürfnisse im jeweiligen Segment, optimale Effizienz in allen operativen<br />
Prozessen und die Einhaltung der optimalen Betriebsgrösse. In allen drei Bereichen kann<br />
146 Die No Frills <strong>Airline</strong>s unterliegen nicht der Hub-Ökonomie wie die Flag Carriers, vgl. hierzu Abschnitt 2.2.4.<br />
Zudem lässt sich in der <strong>St</strong>reckenerfolgsrechnung einer No Frills <strong>Airline</strong> ein <strong>St</strong>reckendeckungsbeitrag viel vollständiger<br />
und klarer berechnen, als dies für die Flag Carriers mit ihrem Umsteigeverkehr möglich ist, da hier die<br />
Verbundenheiten auf der Ertrags- und Kostenseite faktisch wesentlich geringer ausfallen. Vgl. hierzu Abschnitt<br />
2.2.5 auf Seite 47ff.<br />
147 Es ist gut möglich, dass die Vergabe der Airport Slots als letztes liberalisiert wird, wenn sie überhaupt je voll<br />
liberalisiert wird. Daher kann der Zugang zu globalen Landemöglichkeiten entscheidend sein, um Grössenvorteile<br />
ultimativ ausspielen zu können. Da der Zugang zu solchen knappen Kapazitäten aber auch durch Akquisition<br />
schwächerer Wettbewerber erreicht werden kann, gilt die Kapitalkraft als der wohl wichtigste Faktor, der die<br />
Flag Carriers nach einer weiteren Liberalisierung in Gewinner und Verlierer unterteilen würde. Die grossen Flag<br />
Carriers, die in der Regel auch über einen grossen Heimmarkt verfügen, werden die Kapitalkraft benötigen, um<br />
die Akquisitionen schwächerer grosser Gesellschaften und kleinerer Gesellschaften bilanziell ermöglichen zu<br />
können. Für mittelgrosse und kleine Flag Carriers sollte die Wertsteigerung für zukünftige Käufer-<strong>Airline</strong>s im<br />
Hinblick auf die Phase der Fusionen im Vordergrund stehen. Dazu gehört die Besetzung attraktiver Slots genauso<br />
wie die konsequente Ausrichtung aller Geschäftsaktivitäten auf EVA, was faktisch auch auf eine hohe Kapitalkraft<br />
hinauslaufen sollte.<br />
65
das <strong>Performance</strong> <strong>Management</strong> helfen, Ergebnisverbesserungspotentiale zu identifizieren<br />
und zu realisieren.<br />
In der Gruppe der 9 betrachteten <strong>Airline</strong>s finden sich zweifelsohne bedeutendere Ergebnisverbesserungspotentiale<br />
bei den Flag Carriers als bei den No Frills <strong>Airline</strong>s. Für die<br />
Flag Carriers wurde dargelegt, dass neben Effizienzverbesserungsmöglichkeiten der Kundenfokus,<br />
die optimale Betriebsgrösse und der Ausgleich mit <strong>St</strong>akeholders wie Gewerkschaften<br />
und <strong>St</strong>aat zu den bedeutendsten Faktoren gehören, mit denen sich das Ergebnis<br />
verbessern lässt. Wichtig ist, dass eine langfristig wirkungsvolle Initiative zur Ergebnisverbesserung<br />
möglichst auf allen Ebenen ansetzen muss, da es viele Interdependenzen<br />
zwischen diesen Ebenen gibt. Durch einen konstruktiven, verbesserten Interessenausgleich<br />
können mit vereinten Kräften Effizienz und Kundenfokus verbessert werden, und<br />
es kann auf die Einhaltung der optimalen Betriebsgrösse hingearbeitet werden. Ein verbesserter<br />
Kundenfokus oder eine verbesserte Effizienz kann auf das Erreichen der optimalen<br />
Betriebsgrösse hinwirken. 148 Denn durch höhere Effizienz und verbesserten Kundenfokus<br />
überschreiten mehr <strong>St</strong>recken die EVA-Schwelle, so dass man der optimalen<br />
Betriebsgrösse möglicherweise näher kommt.<br />
In den folgenden Abschnitten sollen im Bewusstsein dieser Interdependenzen die vier<br />
genannten Ansatzpunkte für Ergebnisverbesserungen einzeln betrachtet werden:<br />
• Verbesserung des Kundenfokus<br />
• Effizienzverbesserungen<br />
• Einhaltung der optimalen Betriebsgrösse<br />
• <strong>St</strong>akeholder-Interessenausgleich<br />
2.4.1 Verbesserung des Kundenfokus<br />
Vor allem die Flag Carriers können ihren Kundenfokus noch verstärken und dadurch bessere<br />
Ergebnisse erzielen. Es geht darum, die Kundenbedürfnisse möglichst exakt mit dem<br />
Angebot zu treffen bzw. die Erwartungen der Kunden weder unter- noch überzuerfüllen.<br />
Dabei können sich die Flag Carriers für den Teil ihres Geschäftes, der sich wie ein<br />
Commodity verhält, die Erfolge der No Frills <strong>Airline</strong>s zum Vorbild nehmen, für andere<br />
Teile im Nischen- und Premiumverkehr müssen eigene Wege gegangen werden, um sich<br />
durch Mehrwert für den Kunden vom Wettbewerb zu differenzieren.<br />
148 Da in der Praxis die meisten Flag Carriers die optimale Betriebsgrösse eher überschreiten, kommt dies in der<br />
Regel einer Ergebnisverbesserung gleich.<br />
66
Die No Frills <strong>Airline</strong>s haben erkannt, dass sich vor allem die Käufer von Kurstreckenflugreisen<br />
wie Käufer von Commodities verhalten und dabei wenig Wert auf Produktaspekte<br />
jenseits der Basistransportleistung legen. 149 Wichtig sind hier vor allem Abflugzeiten,<br />
Ticketpreis, Zuverlässigkeit, Pünktlichkeit und Sicherheit. Hier sollten Abweichungen<br />
von den erwarteten <strong>St</strong>andards, so genannte Dissatisfiers, wenn immer möglich vermieden<br />
werden. Aspekte wie Bordservice, komfortable Bestuhlung, irgendwelche Zusatzleistungen<br />
oder gar Imagefaktoren treten im Commodity-Bereich bei der Kaufentscheidung<br />
eher in den Hintergrund. Die Flag Carriers tun gut daran, sich im Kurzstreckenverkehr<br />
- und teilweise150 auch auf den Hauptrouten im Langstreckenverkehr - ähnlich<br />
wie die No Frills kompromisslos auf diese Faktoren zu fokussieren und dem Kunden<br />
zu einem tieferen Preis genau das anzubieten, was er wünscht.<br />
Nichtsdestotrotz sollte der Kundenfokus auf Basis einer realistischen Wahrnehmung der<br />
Kundenbedürfnisse auch für das ursprüngliche Hub-orientierte Kerngeschäft der Flag<br />
Carriers im Vordergrund stehen. Selbst im Kurzstreckenbereich bestehen hier für einen<br />
Teil des Verkehrs Chancen sich von No Frills <strong>Airline</strong>s zu differenzieren. Neben Nischenprodukten151<br />
trifft dies vor allem auf den Geschäftskundenbereich zu, der wegen der meist<br />
höheren Durchschnittserträge oft auch als Premium Verkehr bezeichnet wird. Für den<br />
Geschäftskunden zählt in der Regel eingesparte Zeit, Zuverlässigkeit und Pünktlichkeit<br />
noch mehr als der Preis. Zeit kann beispielsweise gespart werden, indem diejenigen<br />
Flughäfen angeflogen werden, die am nächsten an den jeweiligen Geschäftszentren der<br />
Destinationen liegen. Häufig fliegen die No Frills <strong>Airline</strong>s – vor allem die Ryanair - aus<br />
Kostengründen günstigere, vom jeweiligen Geschäftszentrum entferntere Flughäfen an.<br />
Der Geschäftskunde könnte hier mit der Wahl des Flag Carriers Zeit sparen. Andere<br />
Möglichkeiten sind in einer Flugplangestaltung zu finden, die sich aktiv bemüht, ertragreiche<br />
Nischen zu nutzen: Die Flüge sollten den Geschäftskunden möglichst zeitnah zu<br />
seinem Termin an die gewünschte Destination und wieder zurück bringen. Hinflüge früh<br />
morgens und Rückflüge spät abends bieten hier meist Vorteile, die jede <strong>Airline</strong> für Geschäftskunden<br />
aus ihrem Heimmarkt anbieten kann. Andere <strong>Airline</strong>s müssten hier, um<br />
149 Bezüglich Aussagen über kundenfokussierte Produkt- und Flugplangestaltung vgl. Abschnitt 2.2.2 auf Seite 35ff.<br />
150 Dies betrifft vor allem den touristischen oder sehr Preis-sensitiven Verkehr auf den Hauptrouten, die von vielen<br />
Fluggesellschaften bedient werden. Für den Premium-Verkehr können, wie in Abschnitt 2.2.2 dargestellt, andere<br />
Gesetzmässigkeiten gelten, die eine Produktgestaltung über dem schnörkellosen Minimum notwendig machen.<br />
151 Nischenprodukte können Verbindungen sein, für die eine monopolistische oder oligopolistische Angebotssituation<br />
gilt. Dies ist insbesondere dort möglich, wo abseits der Hauptrouten zwei kleinere Destinationen in effizienter<br />
Art und Weise über Umsteigen am Hub miteinander verbunden werden können. Andere Möglichkeiten für Nischen<br />
bestehen z.B. am Hub durch outbound (vom Hub weg)Verbindungen früh morgens bzw. inbound (zum<br />
Hub hin) Verbindungen spät abends.<br />
67
dies anbieten zu können, Flugzeug und Crew zu Mehrkosten ausserhalb ihrer Heimbasis<br />
übernachten lassen.<br />
Wesentliche Zeit kann dem Geschäftskunden auch durch eine für ihn zeiteffiziente Abwicklung<br />
aller Reisebelange durch die Fluggesellschaft gespart werden. In vielen Phasen<br />
der Reisevorbereitung und der Reise selbst - von der Buchung, über das Check-in bis<br />
zum Flug und zum Aussteigen - kann die Gesellschaft Zeit des Kunden sparen oder auch<br />
verschwenden. Pünktlichkeit und Zuverlässigkeit152 sind heute selbstverständlich und<br />
Fehlleistungen hier sollten mit grosser Energie vermieden werden. Eine wichtige Differenzierungsmöglichkeit<br />
der Flag Carriers gegenüber den No Frills <strong>Airline</strong>s im Kurzstreckenbereich<br />
kann auch im Anbieten „exotischer“ Umsteigeverbindungen gesehen werden,<br />
wodurch auch ertragreiche Nischen besetzt werden können. Es gibt <strong>St</strong>ädtepaare für<br />
die eine Direktverbindung auch aus Sicht der No Frills <strong>Airline</strong>s langfristig nicht rentabel<br />
offerierbar ist. Die Flag Carriers können hier aber noch in vielen Fällen mit dem Hubkonzept<br />
eine Lösung anbieten. Je besser diese Lösung auf die zumeist von Zeiteffizienz<br />
dominierten Bedürfnisse des Geschäftsreisenden ausgerichtet ist, umso besser sind auch<br />
die Differenzierungsmöglichkeiten. Dabei spielen nicht nur Abflug- und Ankunftszeiten<br />
der Reise zwischen den beiden Destinationen eine Rolle, sondern auch die Umsteigezeit<br />
am Hub. Wird der Aufenthalt für den Passagier zu lang, ist die Gefahr gross, dass er sich<br />
eine konkurrierende Transportmöglichkeit sucht. Ein gutes Beispiel für die Nutzung dieser<br />
Differenzierungsmöglichkeit bietet die Austrian <strong>Airline</strong>s, die an ihrem Hub in Wien<br />
Umsteigezeiten ab 25 Minuten bewältigen kann. 153<br />
Die Bedeutung jeder Art von Reisezeitersparnis für den Kundenfokus kann nicht genug<br />
betont werden. Gemäss einer <strong>St</strong>udie der SIAA kann die Einsparung von Reisezeit im<br />
Sinne eines Durchschnittswertes für Privatreisende mit 25 CHF pro <strong>St</strong>unde und für Geschäftsreisende<br />
mit 100 CHF pro <strong>St</strong>unde bewertet werden. 154 Gemäss einer Passagierbe-<br />
152 Unter der Zuverlässigkeit bzw. der „Reliability“ von <strong>Airline</strong>s wird die Wahrscheinlichkeit verstanden, dass ein<br />
gebuchter Flug nicht annulliert wird.<br />
153 Die mit den Vertretern der verschiedenen Bodenabfertigungsprozesse minimal nötige Umsteigezeit, zu der dem<br />
Passagier ein Anschluss auf einen anderen Flug garantiert werden kann beträgt hier 25 Minuten. Dieser als „Minimum<br />
Connecting Time“ bezeichnete <strong>St</strong>andard fällt bei anderen <strong>Airline</strong>s in der Regel wesentlich höher aus und<br />
kann leicht 35 oder sogar 45 Minuten betragen. Quelle: Ausführungen von Vagn Sörensen, CEO Austrian <strong>Airline</strong>s,<br />
an der European Transport Leaders Conference, London März 2002.<br />
154 In dieser <strong>St</strong>udie wurde am Flughafen Zürich eine Befragung von 2971 Passagieren durchgeführt, bei der die<br />
Zahlungsbereitschaft für einen Zeit-sparenden Direktflug gegenüber einer Umsteigeverbindung erhoben wurde.<br />
Ungefähr die Hälfte der Passagiere war bereit, für einen Direktflug einen höheren Preis zu bezahlen. Insgesamt<br />
wurde im Europaverkehr eine durchschnittliche zusätzliche Zahlungsbereitschaft von 195 CHF für Geschäftsreisende<br />
und von 136 CHF für Privatreisende festgestellt. Für den Interkontinentalverkehr ergaben sich um 35%<br />
höhere Werte. Der durchschnittliche Zeitverlust durch das Umsteigen ergab für Geschäftsreisende 2.5 <strong>St</strong>unden,<br />
68
fragung im Auftrag der Swissair wird der Zeitverlust als Folge von Verspätungen und<br />
Annullationen von den Passagieren sogar mit durchschnittlich 167 CHF pro <strong>St</strong>unde bewertet.<br />
155 Als Konsequenz dieser <strong>St</strong>udie hat Swissair damals den Zeitverlust der Passagiere<br />
aufgrund solcher Unregelmässigkeiten intern mit 50 CHF pro <strong>St</strong>unde bewertet. 156<br />
Bezüglich aller Aussagen zum Kundenfokus, ist zu ergänzen, dass es nicht allein reicht<br />
gegenüber dem Kunden die angemessenen Leistungen zu erbringen. Es ist auch dafür zu<br />
sorgen, dass der Kunde eine gute Leistung als solche wahrnimmt. Eine aktive Marketingkommunikation<br />
muss gewährleisten, dass aktuelle und potentielle Kunden die angebotenen<br />
und geleisteten Serviceelemente und Preise korrekt wahrnehmen und somit den erzielten<br />
Kundenfokus auch zu würdigen wissen. Schliesslich ist das beste Produkt mit den<br />
besten Preisen nichts wert, wenn die Kunden es nicht kennen oder falsch interpretieren.<br />
2.4.2 Effizienzverbesserungen<br />
Obwohl klassische Kostensenkungsprogramme bereits vielfach durchgeführt wurden und<br />
die damit assoziierten Potentiale im Wesentlichen ausgeschöpft sind, scheinen vor allem<br />
bei den Flag Carriers noch viele Effizienzsteigerungspotentiale und Sparmöglichkeiten zu<br />
bestehen.<br />
Auf drei Hauptansatzpunkte für Ergebnisverbesserungen wird im Folgenden separat eingegangen:<br />
• Klassisches Cost Cutting<br />
• Funktionsübergreifende Programme<br />
• Risk- und Cycle <strong>Management</strong><br />
69<br />
für Privatreisende etwas mehr als 3 <strong>St</strong>unden. Auf Basis dieser und anderer Informationen wurde der Zeitwert von<br />
25 CHF pro <strong>St</strong>unde für Privatreisende und 100 CHF pro <strong>St</strong>unde für Geschäftsreisende ermittelt. Vgl. SIA,<br />
Volkswirtschaftliche Bedeutung, S. 53-54.<br />
155 Das von der Swissair beauftragte Meinungsforschungsinstitut HTP hat im Jahr 1998 am Flughafen Zürich 50<br />
Passagiere nach der Höhe der aus ihrer Sicht fairen Kompensation für den Zeitverlust aufgrund von in der Vergangenheit<br />
erlebten Verspätungen und Annullationen befragt. Die angegebenen Beträge wurden zum jeweils realisierten<br />
Zeitverlust in Beziehung gesetzt, so dass ein Durchschnittswert berechnet werden konnte. Davon wurden<br />
allerdings einige extreme Beträge ausgenommen, die mit Verspätungs-bedingt entgangenen Geschäften der<br />
Passagiere begründet wurden. Der Autor war massgeblich an der Durchführung der <strong>St</strong>udie beteiligt. Vgl. H,T,P:<br />
Zeit ist Geld.<br />
156 Als Orientierungsgrösse für die interne <strong>St</strong>euerung der Prozesse wurde aus verschiedenen Gründen der tiefere<br />
Wert von 50 CHF pro <strong>St</strong>unde gewählt. Massgeblich dafür war allerdings, dass die als fair empfundene Kompensation<br />
von durchschnittlich 167 CHF pro <strong>St</strong>unde nicht direkt den entgangenen zukünftigen Gewinn aufgrund<br />
verringertem Kundenfokus durch die erlebte Unregelmäßigkeit gleichzusetzen ist.
2.4.2.1 Klassisches Cost Cutting<br />
Unter klassischem Cost Cutting werden hier Ergebnisverbesserungsprogramme verstanden,<br />
die sich rein auf die Reduktion der Kostenbasis innerhalb der einzelnen Funktionsbereiche<br />
beschränken. Interdependenzen zwischen Funktionsbereichen werden dabei in<br />
der Regel nur rudimentär berücksichtigt. Typische Massnahmen sind hier Gemeinkostensenkungsprogramme,<br />
Reduktion des Umlaufvermögens, Reduktion der Personalkosten<br />
etc. Der Spielraum für weitere Verbesserungen scheint hier inzwischen weitgehend ausgeschöpft<br />
zu sein. Die Investmentbank Goldman Sachs sieht Potentiale im Cost Cutting<br />
für die nächsten Jahre im Wesentlichen nur noch bei den Vertriebskosten, die über den<br />
Einsatz neuer Technologien realisiert werden könnten. 157 Es ist sogar anzunehmen, dass<br />
bei vielen <strong>Airline</strong>s die mehrfachen radikalen Kostensenkungskuren zu einem „Jojo-<br />
Effekt“ geführt haben, der durch ein „oversqueezing the lemon“ bzw. das Überstrapazieren<br />
des Cost Cutting entstanden ist. Beispielsweise kann die wiederholte Reduktion der<br />
Ersatzteillagerbestände der Flugzeugwartung im Cost Cutting zu noch höheren Mehrkosten<br />
führen als durch die Reduktion des Umlaufvermögens eingespart wurde. Dies nämlich<br />
dann, wenn aufgrund fehlender Ersatzteile Flüge annulliert werden müssen und der<br />
Ertrag dieser Flüge verloren geht. Da die Mehrkosten nicht innerhalb des Funktionsbereichs<br />
anfallen, in dem die ursprünglichen Einsparungen vorgenommen wurden, fallen<br />
solche „Jojo-Effekte“ möglicherweise erst nach längerer Verzögerung auf.<br />
2.4.2.2 Funktionsübergreifende Programme<br />
Um die Wirkungen des klassischen Cost Cutting auszubalancieren und zu ergänzen, sind<br />
funktionsübergreifende Programme notwendig. Für jeden Funktionsbereich und Prozess<br />
muss verstanden werden, welche für das Unternehmensergebnis relevanten Folgen in<br />
anderen Teilen des Unternehmens durch ihn ausgelöst werden können. Wird diese Perspektive<br />
angelegt, können sich einige vorher rein funktionsbezogen identifizierte Sparpotentiale<br />
auf das Gesamtunternehmen bezogen als Ergebnisverschlechterungspotentiale<br />
erweisen. Dies wurde schon am Beispiel des Ersatzteillagers deutlich. Das Ersatzteillager<br />
muss so gross dimensioniert werden, dass es aus Sicht des Gesamtunternehmens ergebnisoptimal<br />
ist. Die wichtigsten Wirkungen dieses Lagers auf Kosten in anderen Bereichen,<br />
verloren gegangene Erträge, Qualität aus Kundensicht, Kapitalauslastung etc. müssen<br />
erfasst und kontrolliert werden, um die <strong>Performance</strong> der Lagerbewirtschaftung und<br />
Dimensionierung wirklich zu verstehen. Dabei kann es natürlich nicht das Ziel sein, sich<br />
in der fast unendlichen Komplexität der Vernetzung von <strong>Airline</strong>prozessen und Kennzah-<br />
157 Scott-Gall/Logan, <strong>Airline</strong>s Europe, S. 244.<br />
70
len zu verlieren. Vielmehr geht aus darum, sich auf die wenigen wirklich bedeutsamen<br />
Wirkungszusammenhänge zu konzentrieren. Die grossen Vorteile der funktionsübergreifenden<br />
Verbesserungspotentiale liegen darin, dass sie zum einen meist bei weitem noch<br />
nicht so stark ausgeschöpft wurden, wie die Potentiale des klassischen Cost Cutting, und<br />
dass sie zum anderen meist relativ unabhängig von politischen Entscheidungen realisiert<br />
werden können – ganz einfach durch besseres <strong>Management</strong>. Zum Beispiel konnte bei<br />
Swissair im Jahr 2001 allein durch funktionsübergreifendes <strong>Performance</strong> <strong>Management</strong> im<br />
Bereich der Pünktlichkeit und Zuverlässigkeit eine jährlich wiederkehrende Ergebnisverbesserung<br />
von 44 Mio Euro nachgewiesen werden. Dieser Erfolg wurde durch die konsequente<br />
Reduktion von Mehrkosten und Ertragsausfällen erzielt, die durch Prozessfehler<br />
entstanden sind, die mit der Pünktlichkeit und Zuverlässigkeit in Zusammenhang stehen.<br />
Bei grösseren <strong>Airline</strong>s sind noch höhere Potentiale denkbar, und zwar erst recht dann,<br />
wenn auch andere <strong>Management</strong>themen angegangen werden. Insbesondere sind dann hohe<br />
Potentiale realisierbar, wenn die Auslastung teurer Kapazitäten aus funktionsübergreifender<br />
Perspektive angegangen wird. Die Kapitalauslastung und auch die Produktivität der<br />
Mitarbeiter kann so wesentlich verbessert werden. 158 Ein weiteres Beispiel für funktionsübergreifende<br />
Verbesserungspotentiale ist die Optimierung der Minimum Connecting<br />
Time bzw. der minimalen Umsteigezeit, die in diesem Abschnitt schon im Bereich Kundenfokus<br />
erwähnt wurde. Eine Verkürzung der Minimum Connecting Time verursacht in<br />
mehreren Abfertigungsprozessen höhere Kosten, da Transferpassagiere und Gepäck<br />
schneller abgefertigt und transportiert werden müssen. Eventuell sind sogar bauliche<br />
Veränderungen notwendig und ein Dirigieren betroffener Flugzeuge zu benachbarten<br />
<strong>St</strong>andplätzen. Die meisten Kosten dafür sind relativ einfach zu beziffern, was bei den<br />
positiven Ergebniswirkungen schwieriger ist. Hier geht es nämlich darum, einerseits die<br />
intensivierte Nutzung der Hubökonomie159 zu bewerten und andererseits auch die Auswirkungen<br />
des verbesserten Kundenfokus zu verstehen. Während klassische Kostensenkungsprogramme<br />
funktionsbezogen und dadurch meist rein nach innen gerichtet sind,<br />
können funktionsübergreifende Programme für ergebnisverbessernde Massnahmen auch<br />
die Unternehmensgrenze überschreiten. Dabei können unter anderem mit Hilfe von Lobbying-Aktivitäten<br />
auch solche Potentiale angegangen werden, die oft als exogene, und<br />
158 Vgl. zur Relevanz der so genannten „cross-functional potentials“ Taneja, <strong>Airline</strong> Business <strong>St</strong>rategies, S. 30ff.<br />
und Heitmann, Total <strong>Performance</strong> <strong>Management</strong>, S. 1ff. Hier findet sich auf die Quelle über das Verbesserungsprogramm<br />
der Swissair 2001 und die erzielten Resultate. Im Abschlussbericht der am Projekt beteiligten Consulting<br />
Unternehmung A.T. Kearney wurden Einsparungen von 44 Mio Euro attestiert. Auf Möglichkeiten, Kapitalauslastung<br />
und Mitarbeiterproduktivität mittels funktionsübergreifenden Programmen nachhaltig zu verbessern,<br />
wird im Rahmen des AVCMS eingegangen.<br />
159 Vgl. Ausführungen in Abschnitt 2.2.4 auf Seite 41ff.<br />
71
somit kaum beeinflussbare Faktoren begriffen werden. Beispielsweise leiden die <strong>Airline</strong>s<br />
vor allem in Wachstumsphasen unter chronischer Überlastung von Flughafen- und Luftraumkapazitäten.<br />
Diese Engpässe wirken sich in Form von Verspätungen und Annullationen<br />
aus, mit allen Konsequenzen hinsichtlich schlechterer Kapitalauslastung, Qualitätsproblemen<br />
für die Kunden, verloren gegangener Erträge etc. Verbessert werden kann die<br />
Situation im Wesentlichen nur durch ein Eingreifen der Behörden und Gesellschaften, die<br />
die Flughäfen und die Luftstrassen betreiben. Da nötige Kapazitätserweiterungen Kosten<br />
verursachen und aufgrund der zusätzlichen Fluglärmbelastung nicht immer politisch<br />
leicht durchsetzbar sind, benötigen die <strong>Airline</strong>s für ihr Lobbying ein starkes Argumentarium,<br />
um mit den zuständigen, meist staatlichen <strong>St</strong>ellen zu verhandeln. Die Basis eines<br />
solchen Argumentariums kann eine verständliche Zusammenstellung der Ergebnisverbesserungspotentiale<br />
sein, die mit den gewünschten Kapazitätserweiterungen realisiert werden<br />
könnten. Da sich im funktionsübergreifenden Bereich möglicherweise mit dem geringsten<br />
Aufwand und Widerstand am meisten Potential realisieren lässt, fokussiert sich<br />
das AVCMS ganz besonders darauf, hier eine einfache und gangbare Lösung anzubieten.<br />
2.4.2.3 Risk- und Cycle <strong>Management</strong><br />
Das <strong>Management</strong> von Geschäftsrisiken, bzw. das Risk <strong>Management</strong>, führt in der Regel<br />
nur dann zu Ergebnisverbesserungen, wenn das Risiko, für das vorgesorgt wurde, auch<br />
eintritt. Risk <strong>Management</strong> umfasst im Wesentlichen das Abschliessen von Hedging-<br />
Kontrakten160 sowie das Bereitstellen von Contingency Plans bzw. Krisenplänen, und<br />
auch die Gewährleistung ausreichender Flexibilität161 und Liquidität für identifizierte Ge-<br />
160 Hedging als Risk <strong>Management</strong> Aktivität kann z.B. Treibstoffpreise, Währungen oder Zinsen betreffen. Die <strong>Airline</strong><br />
kauft dabei von einem Finanzdienstleister eine Call-Option auf den Kauf der jeweiligen Ressource zu einem<br />
definierten Ausübungspreis, die für einen definierten Zeitraum Gültigkeit hat. Die <strong>Airline</strong> versichert sich damit<br />
gegen Preiserhöhungen der Ressource. Das am meisten diskutierte und wohl auch von der Ergebniswirkung in<br />
der Regel bedeutendste Hedging-Objekt ist der Flugzeugtreibstoff. Jede <strong>Airline</strong> hat ihre eigene Fuel-Hedging<br />
Philosophie und versichert einen anderen Prozentsatz ihres Bedarfs, zu unterschiedlichen Ausübungspreisen, für<br />
unterschiedliche Zeiträume. Eine Aufstellung der aktuellen Fuel-Hedging Positionen europäischer <strong>Airline</strong>s im<br />
Oktober 2002 findet sich bei Scott-Gall/ Logan/Frank: Europe: <strong>Airline</strong>s, S. 24. Es zeigt sich, dass vor allem Ryanair<br />
(mit 100% des Bedarfs) und Lufthansa (mit bis zu 95% des Bedarfs) beim Fuel-Hedging sehr weit gehen.<br />
161 Hierbei kann zwischen Volumen- und Produktflexibilität unterschieden werden. Die Volumenflexibilität beschreibt<br />
dabei die Fähigkeit der Unternehmung, kurzfristig das Produktionsvolumen zu variieren, bei nicht oder<br />
nur wenig steigenden Gesamtkosten pro produzierter Einheit. Diese Fähigkeit ist die Hauptanforderung beim<br />
<strong>Management</strong> des Konjunkturzyklus bzw. beim Cycle <strong>Management</strong>. Die Produktflexibilität beschreibt die Fähigkeit<br />
der Unternehmung, sich bei gleichbleibendem Produktionsvolumen möglichst schnell und kostengünstig auf<br />
eine Veränderung der Nachfrage einzustellen. Sei es, dass Produktaspekte oder dass Netzwerkaspekte geändert<br />
werden sollen.<br />
72
schäftsrisiken. Das Cycle <strong>Management</strong> hat die Synchronisation der Kosten mit dem Konjunkturzyklus<br />
zum Ziel. Es kann nicht als Risk <strong>Management</strong> im engeren Sinne bezeichnet<br />
werden, da Konjunkturzyklen - mindestens aus langfristiger Sicht – als vorhersehbares,<br />
zum normalen Geschäftsgang zugehöriges Phänomen angesehen werden können, und<br />
somit im engeren Sinne kein Risiko darstellen.<br />
2.4.3 Einhaltung der optimalen Betriebsgrösse<br />
Die offensichtlichste Form der Wertvernichtung bei europäischen Flag Carriers ist die,<br />
die durch übertriebenes Wachstum hervorgerufen wird. In der Reduktion der Betriebsgrösse<br />
auf eine ergebnisoptimale, EVA-maximale Dimension liegt daher das wohl bedeutendste<br />
Verbesserungspotential. Wie in Abbildung 2-7 auf Seite 20 dargestellt, wurde für<br />
Lufthansa und BA im Jahr 2003 eine Wertvernichtung von jeweils über 2.5 Mrd. USD<br />
angegeben. Entscheidend für Verbesserungen ist hier ein Interessenausgleich mit den<br />
<strong>St</strong>akeholders des Wachstums, worauf in Abschnitt 2.4.4 weiter eingegangen wird.<br />
Daneben kommt dem Netzwerkplanungsprozess und der Transparenz der <strong>St</strong>reckenerfolgsrechnung<br />
eine bedeutende Rolle zu. Weiterhin können sich auch Verbesserungen bei<br />
Kundenfokus und Effizienz positiv auswirken.<br />
Eine verfehlte Wachstumspolitik kann sich auch in Business Plan Prozess und <strong>St</strong>reckenerfolgsrechnung<br />
widerspiegeln. In der Praxis ist es verbreitet, dass das gewünschte <strong>St</strong>reckennetz<br />
als Basis für Business Plan Prozess und Budgetierung verwendet wird. 162 <strong>St</strong>ellt<br />
sich beim Vereinbaren der Kosten- und Ertragsziele für einzelne Abteilungen dann ein<br />
unbefriedigender Planerfolg heraus, kann das <strong>St</strong>reckennetz in der Regel nur noch im sehr<br />
beschränkten Umfang angepasst werden. 163 <strong>St</strong>attdessen wird dann bei den Kosten und<br />
Erträgen noch einmal nachverhandelt und eventuell sogar bei den Annahmen über die<br />
äusseren Rahmenbedingungen des Erfolgs eine optimistischere Variante gewählt, um so<br />
zu einem zufriedenstellenderen Planergebnis zu kommen. Als Konsequenz ergeben sich<br />
dann wenig realistische Ziele und Annahmen, die aufgrund eines übertrieben grossen<br />
<strong>St</strong>reckennetzes zu einem faktisch schlechten Ergebnis führen. Wie in Abschnitt 3.3.2 auf<br />
Seite 111ff beschrieben wird, ist es dann in den meisten Fällen auch einfach möglich, in<br />
der <strong>St</strong>reckenerfolgsrechnung unprofitable <strong>St</strong>recken, die eigentlich gestrichen werden<br />
müssten, noch „schönzurechnen“. Auf diese Weise haben <strong>Management</strong> und andere <strong>St</strong>akeholders<br />
des Wachstums leicht genügend Argumente zur Verfügung, um den Betrieb<br />
von überflüssigen und kontraproduktiven <strong>St</strong>recken noch zu rechtfertigen.<br />
162 Vgl. hierzu Abschnitt 4.2.8.1 auf Seite 214ff.<br />
163 Vgl. Abschnitt 3.3.3 auf Seite 123ff.<br />
73
2.4.4 <strong>St</strong>akeholder-Interessenausgleich<br />
Alle bisher genannten Ergebnis- bzw. EVA-Verbesserungspotentiale hängen mehr oder<br />
weniger von der Kooperationsbereitschaft der übrigen <strong>St</strong>akeholders mit den Investoren<br />
ab. Gelingt es, den Interessenausgleich zwischen allen Anspruchsgruppen konstruktiv zu<br />
lösen, lassen sich Programme zur Erhöhung von Effizienz und Kundenfokus sowie die<br />
Einhaltung der EVA-optimalen Betriebsgrösse wesentlich einfacher umsetzen.<br />
Zumindest im Bereich der Flag Carriers zeichnen sich drei Hauptinteressengruppen nicht<br />
nur dadurch aus, dass sie bedeutenden Einfluss auf die Geschäftsführung haben können,<br />
sondern dass sie den Investoreninteressen auch häufig direkt zuwiderlaufen:<br />
• Das <strong>Management</strong> vorwiegend mit Karriereinteressen<br />
• Gewerkschaften und Mitarbeiter vorwiegend mit Lohn- und Arbeitsplatzsicherheitsinteressen<br />
• <strong>St</strong>aat und Gesellschaft vorwiegend mit ökonomischen Infrastruktur-, Sicherheits- und<br />
Prestigeinteressen, aber auch mit Lärmreduktionsinteressen in den Flughafen-<br />
Anwohnergemeinden<br />
Im Folgenden werden Möglichkeiten des Interessenausgleichs der Investoren mit diesen<br />
drei Gruppen genauer betrachtet.<br />
2.4.4.1 <strong>Management</strong><br />
Das <strong>Management</strong> ist dafür verantwortlich, die Interessen der Eigentümer im Unternehmen<br />
zu vertreten und einen konstruktiven Ausgleich mit den Interessen der anderen <strong>St</strong>akeholders<br />
zu suchen. Manager haben allerdings auch eigene Interessen, die von den Shareholder-Interessen<br />
abweichen können. 164 Im Gesellschaftsrecht und in den Kotierungsreglementen<br />
ist dabei keine eigentliche Prüfung einer Geschäftsführung im Sinne der Eigentümer<br />
vorgesehen, so dass sich mindestens potentiell ein Agency Problem ergibt. 165<br />
164 Diese strukturell in nicht Eigentümer-geführten Unternehmungen vorhandene Interessendiskrepanz wird in der<br />
Fachliteratur häufig als Agency-Problem bezeichnet. Das Ergebnis des in der Regel durch das <strong>Management</strong> moderierten<br />
Interessenausgleiches mit den <strong>St</strong>akeholders sollte in einer Unternehmensverfassung resultieren, die einen<br />
konstitutiven Rahmen für die Lösung von Interessenkonflikten bereitstellt. Vgl. hierzu Bleicher, Integriertes<br />
<strong>Management</strong>, S. 116ff und auch Rüegg-<strong>St</strong>ürm, Das neue <strong>St</strong>. Galler <strong>Management</strong> Modell, S. 70-72.<br />
165 Aus der Corporate Governance-Richtlinie der SWX Swiss Exchange beispielsweise ergibt sich lediglich eine<br />
Publikationspflicht, die dem <strong>Management</strong> viel Handlungsspielraum bei der Publikation von über den kommentierten<br />
Jahresabschluss hinausgehenden Informationen lässt. Die Corporate Governance-Richtlinie der SWX<br />
Swiss Exchange ist am 1. Juli 2002 in Kraft getreten. Sie muss erstmals im Jahresbericht 2002, für das Geschäftsjahr,<br />
welches am 1. Januar 2002 oder später beginnt, umgesetzt werden. Die Corporate Governance Richt-<br />
74
Ein in der Praxis verbreitetes Mittel, um dem Agency Problem entgegenzuwirken, sind<br />
daher Aktienkurs-abhängige Prämienzahlungen an das <strong>Management</strong>. Der Zielkonflikt ist<br />
mit Aktien- oder Optionsprogrammen allerdings nur teilweise gelöst, da viele Manager<br />
nicht nur durch die Bezahlung auf dem aktuellen Job motiviert sind. 166 Potentielle Fehlerquellen<br />
ergeben sich auch daraus, dass der Aktienkurs nicht den tatsächlichen Wert des<br />
Unternehmens wiedergibt. 167 Je grösser der erfolgsabhängige Lohnanteil also festgelegt<br />
wird, umso wichtiger werden auch flankierende Massnahmen, die die Wahrscheinlichkeit<br />
des Missbrauches begrenzen. 168<br />
2.4.4.2 Gewerkschaften und Mitarbeiter<br />
Auf die Interessenlage der Gewerkschaften, ihre Verhandlungsmacht gegenüber dem<br />
<strong>Management</strong> und ihren massgeblicher Einfluss auf die Profitabilität wurde schon in Abschnitt<br />
2.2.8 hingewiesen. Eine grundlegende Voraussetzung für den wirkungsvollen Interessenausgleich<br />
der Mitarbeiter bzw. Gewerkschaften mit den Investoren ist, dass der<br />
Trade-off zwischen den Zielen beider Gruppen klar und einfach dargestellt werden kann.<br />
In der Praxis treten Gewerkschaften allerdings häufig mit einer relativ breiten Agenda<br />
von verschiedenen Zielsetzungen auf, die dem Shareholder Value Ziel in den Verhandlungen<br />
gegenübergestellt werden. Neben Lohnerhöhungen geht es auch um Arbeitsplatzsicherheit,<br />
Karrieremöglichkeiten und um Arbeitsbedingungen.<br />
75<br />
linie verpflichtet die Emittenten, wichtige Aspekte zur obersten Führung ihrer Unternehmung zu publizieren oder<br />
substanziell zu begründen, weshalb diese Angaben nicht publiziert werden. In der Richtlinie sind die Grundsätze<br />
festgehalten. Die einzelnen Angaben, die zu publizieren sind, finden sich im Anhang. Vgl. Corporate Governance-Richtlinie<br />
der SWX, download vom 08.05.03 von http://www.swx.com/admission/cg_intro_de.html<br />
166 Eine konkurrierende Motivation kann beispielsweise die Anerkennung durch Kollegen sein, oder auch das Erreichen<br />
bestimmter Karriereziele.<br />
167 Die Ursache hierfür kann sowohl beim <strong>Management</strong>, als auch bei den Investoren liegen. Das <strong>Management</strong> kann<br />
sich durch die Aussicht auf grosszügige Aktienkurs-abhängige Prämien dazu hinreissen lassen, den Jahresabschluss<br />
und die Aussichten des Unternehmens günstiger darzustellen, als sie tatsächlich sind. Auch wenn beim<br />
Jahresabschluss der legale Handlungsspielraum in der Darstellung stark beschränkt ist, so bleibt doch immerhin<br />
viel Freiheit bei der Publikation des unternehmerischen Ausblickes. Insbesondere zur Motivationswirkung von<br />
Anreizsystemen die auf Optionen basieren vgl. Meier, Optionen, S. 1-2.<br />
168 Aktienkurs-basierte Incentiveprogramme können langfristig angelegt werden, so dass die Aktienkurse über viele<br />
Jahre hinweg hoch bleiben müssen, damit es zu der Auszahlung einer maximalen Prämie kommt. Zudem kommt<br />
der Arbeit der Kontrollorgane eine wichtige Bedeutung zu. Aufsichtsräte, Verwaltungsräte und Wirtschaftsprüfer<br />
müssen nicht nur in der Lage sein, den aktuellen Geschäftsbericht zu prüfen, sondern es sollten auch die zukunftsweisenden<br />
Entscheide des <strong>Management</strong>s auf ihre Kompatibilität zu den Investoreninteressen geprüft werden.<br />
Für <strong>Airline</strong>s bietet sich hier insbesondere die Möglichkeit der Genehmigung eines zusätzlichen Prüfungsauftrages<br />
durch die Generalversammlung an, um übertriebenen Wachstumsambitionen des <strong>Management</strong>s entgegenzuwirken.
Ein Ansatzpunkt könnte hier sein, dass dem Shareholder Value ein Jobholder Value gegenübergestellt<br />
wird, der die wichtigsten Arbeitnehmerinteressen zu einer Hauptkennzahl<br />
konsolidiert. Basierend auf solch einer Grösse könnte dann strukturiert die konstruktive<br />
Verteilung von Rendite und Risiko auf Shareholder und Jobholder in Form eines langfristigen<br />
Rahmenabkommens verhandelt werden. 169 Am Shareholder Value können aber auch<br />
Gewerkschaften und Arbeitnehmer partizipieren. Und zwar vor allem dann, wenn sich<br />
neue Ergebnisverbesserungspotentiale durch das Entgegenkommen der Arbeitnehmer bei<br />
Arbeitsabläufen und Arbeitsbedingungen erzielen lassen. 170<br />
2.4.4.3 <strong>St</strong>aat und Gesellschaft<br />
Das besondere Interesse von <strong>St</strong>aat und Gesellschaft an einer eigenen, möglichst gross<br />
ausgelegten nationalen <strong>Airline</strong> wurde bereits in Abschnitt 2.1.2 beschrieben. Dabei stehen<br />
in der Regel die folgenden vier Interessenschwerpunkte im Vordergrund:<br />
• Ökonomische Interessen: Direkt und indirekt durch die <strong>Airline</strong> generierte Arbeitsplätze,<br />
Beiträge zu Bruttoinlandsprodukt und <strong>St</strong>euervolumen.<br />
• Sicherheitsinteressen: Minimierung der Unfallrisiken für die Passagiere und für die<br />
Bevölkerung insgesamt.<br />
• Umweltinteressen: Minimierung der durch den Flugbetrieb verursachten umweltschädlichen<br />
Emissionen, insbesondere Schadstoffe und Lärm.<br />
• Nationales Prestige: Positive Imagewirkung durch eine möglichst bedeutende und<br />
erfolgreiche nationale Fluglinie.<br />
Um potentielle Interessenkonflikte auf diesen vier Gebieten zu vermeiden, ist ein andauernder<br />
konstruktiver Dialog zwischen <strong>Airline</strong> <strong>Management</strong> und <strong>St</strong>aatsvertreten notwendig.<br />
169 Möglicherweise kommt der Verteilung von Rendite und Risiko beim Interessenausgleich eine besondere Bedeutung<br />
zu. Die eher Risiko-aversen Arbeitnehmer priorisieren meist in erster Linie langfristig sichere Arbeitsplätze,<br />
und erst in zweiter Linie höhere Löhne bzw. EVA-Anteile, während die Investoren vor allem an Übergewinnen<br />
interessiert sind.<br />
170 Vgl. auch hierzu die Ausführungen im Abschnitt 2.2.8 im Unterabschnitt „Ansatzpunkte für das <strong>Performance</strong><br />
<strong>Management</strong>“.<br />
76
3 Bestehende Konzepte für das <strong>Airline</strong> <strong>Performance</strong> <strong>Management</strong><br />
In diesem Kapitel werden die schon bestehenden Konzepte betrachtet, die für das <strong>Airline</strong><br />
<strong>Performance</strong> <strong>Management</strong> verwendet werden. Hierzu zählen Industrie-spezifische Ansätze,<br />
wie der Netzwerkergebnisbaum, die <strong>St</strong>reckenerfolgsrechnung und die Netzwerkplanung.<br />
Daneben kommen bei den <strong>Airline</strong>s aber auch Konzepte zur Anwendung, die nicht<br />
spezifisch für diese Industrie entwickelt wurden, aber dennoch eine wichtige Bedeutung<br />
für die <strong>Airline</strong>s haben. Auch auf einiger dieser Konzepte soll hier kurz eingegangen werden.<br />
Vor der Darstellung der Konzepte ist jedoch eine Klärung des zugrunde gelegten<br />
Begriffsverständnisses von <strong>Performance</strong> <strong>Management</strong> notwendig.<br />
Für das Kapitel 3 ergibt sich die folgende <strong>St</strong>ruktur:<br />
• Begriff <strong>Performance</strong> <strong>Management</strong><br />
• Industrie-unabhängige <strong>Performance</strong> <strong>Management</strong> Konzepte<br />
• <strong>Airline</strong>-spezifische <strong>Performance</strong> <strong>Management</strong> Konzepte<br />
3.1 Begriff <strong>Performance</strong> <strong>Management</strong><br />
Das <strong>St</strong>ellen von Anforderungen an das <strong>Performance</strong> <strong>Management</strong> setzt die Klärung des<br />
Begriffes <strong>Performance</strong> <strong>Management</strong> voraus. Dazu gibt es keine allgemein verbindlichen<br />
Definitionen, so dass die in Literatur und Unternehmenspraxis verwendeten Begriffe sehr<br />
unterschiedlich sind.<br />
Die in dieser Arbeit verwendete Definition versteht unter dem Begriff <strong>Performance</strong> <strong>Management</strong><br />
eine Führungspraxis, die<br />
• einer systematischen Vorgehensweise folgt, bei der die meisten wichtigen Elemente<br />
der <strong>Management</strong>zyklen wie Ziele, Erfüllungsgrade, Verantwortlichkeiten und Handlungsalternativen<br />
explizit genannt und strukturiert bearbeitet werden;<br />
• dort situationsspezifisch eingesetzt wird, wo es vor dem Hintergrund der Kontextfaktoren<br />
einer unsystematischen Vorgehensweise überlegen ist;<br />
• Vereinbaren und Entscheiden als Kernfunktionen der Führung begreift, die sich in<br />
Form zweier spezifischer <strong>Management</strong>zyklen darstellen lassen, die jeweils Elemente<br />
der Zielsetzung, der Ausführung und der Leistungs- bzw. Situationsbeurteilung enthalten.<br />
77
Die wichtigste Aufgabe der <strong>Performance</strong> <strong>Management</strong> Systeme ist es dabei, die nötigen<br />
Informationen für die systematische Führung entlang der <strong>Management</strong>zyklen zur Verfügung<br />
zu stellen. Kernfunktionen sind:<br />
• Responsibility Accounting zur Unterstützung des Vereinbarungszyklus<br />
• Decision Support zur Unterstützung des Entscheidungszyklus<br />
Die zur Verfügung gestellten Informationen haben dabei in erster Linie quantitativen<br />
Kennzahlencharakter, können aber auch eine qualitative Ausprägung annehmen.<br />
Im Rahmen dieser Arbeit werden <strong>Performance</strong> <strong>Management</strong> Systeme, Konzepte und Methoden<br />
als Gestaltungsempfehlungen für das <strong>Performance</strong> <strong>Management</strong> definiert. 171<br />
Sie umfassen insbesondere Vorschläge zur Gestaltung von<br />
• Kennzahlensystemen<br />
• <strong>Management</strong>informationssystemen<br />
• Zielsetzungs- und Planungsprozessen<br />
• anderen Führungsinstrumenten<br />
Die wahrscheinlich bedeutendste Herausforderung bei der Gestaltung der <strong>Performance</strong><br />
<strong>Management</strong> Systeme für ein Unternehmen ist die Erhaltung eines Gleichgewichtes zwischen<br />
Vollständigkeit auf der einen Seite und Einfachheit und Klarheit auf der anderen<br />
Seite. Einerseits sollten zur Erreichung der Vollständigkeit alle für die Erreichung der<br />
Unternehmensziele bedeutsamen <strong>Management</strong>zyklen zu einem jeweils angemessenen<br />
Grad mit Instrumenten der systematischen Führung unterstützt werden. Andererseits soll-<br />
171 Wenn <strong>Performance</strong> <strong>Management</strong> als überwiegend systematisches <strong>Management</strong> angesehen wird und man davon<br />
ausgeht, dass Konzepte sinnvoll nur für den systematischen Bereich erstellt werden können, dann können auch<br />
die Begriffe <strong>Management</strong> Konzepte, Methoden und Systeme synonym zu den Begriffen der <strong>Performance</strong> <strong>Management</strong><br />
und <strong>Performance</strong> Measurement Konzepte, Methoden und Systeme verwandt werden. <strong>Management</strong>systeme<br />
werden in der Literatur auf die verschiedensten Arten strukturiert. Exemplarisch kann hier auf Schwaninger<br />
verwiesen werden, der vier Systemtypen erster Ordnung von einem Systemtyp zweiter Ordnung unterscheidet.<br />
Die Typen erster Ordnung sind Zielfindungs- Planungs- und Kontrollsysteme, Informationssysteme, Wertmanagementsysteme<br />
und Personalmanagementsysteme. Das Unternehmensentwicklungssystem wird als Metamanagementsystemtypus<br />
den <strong>Management</strong>systemen der zweiten Ordnung zugeteilt. Vgl. hierzu Schwaninger, <strong>Management</strong>systeme,<br />
S. 43-48. In der <strong>Management</strong> Praxis werden <strong>Performance</strong> Measurement Systeme überwiegend<br />
noch als Instrumente verstanden, die Geschäftsergebnisse rapportieren und sich dabei vorwiegend mit operativen<br />
Ergebnissen und individuellen Leistungen befassen. Das umfassendere Verständnis von <strong>Performance</strong> Measurement<br />
als Mittel zur <strong>St</strong>rategieumsetzung, zur Erreichung langfristiger Wettbewerbsvorteile und zur Schaffung von<br />
Unternehmenswert hat sich bisher kaum durchsetzen können, wie eine <strong>St</strong>udie des American Institute of Certified<br />
Public Accountants (AICPA) ergeben hat. Vgl. hierzu Lawrence S. Maisel, <strong>Performance</strong> Measurement Practises,<br />
S.4.<br />
78
ten Unternehmensziele und <strong>St</strong>rategie, sowie Verantwortlichkeiten und <strong>St</strong>rukturen mit<br />
Zielsetzungen und Erfüllungsgraden einfach darstellbar sein. 172 Dort, wo der Trade-off<br />
zwischen Vollständigkeit und Einfachheit/Klarheit nicht zufriedenstellend gelöst werden<br />
kann, ist zu überlegen, ob mit unsystematischer, intuitiver Führungsweise nicht effektiver<br />
gearbeitet werden kann. Der Einsatz der <strong>Performance</strong> <strong>Management</strong> Instrumente wäre<br />
dann nicht angemessen.<br />
Aus dieser Betrachtung heraus ergeben sich auch schon die in dieser Arbeit gestellten<br />
Anforderungen an <strong>Performance</strong> <strong>Management</strong> Systeme: Sie sollten so gestaltet sein, dass<br />
sie vor allem die für den Unternehmenserfolg besonders entscheidenden <strong>Management</strong>zyklen<br />
möglichst vollständig unterstützen und dabei möglichst einfach strukturiert und<br />
klar verständlich bleiben.<br />
3.2 Industrie-unabhängige <strong>Performance</strong> <strong>Management</strong> Konzepte<br />
Im Laufe der Jahre konnte sich aus der Unternehmenspraxis und aus der betriebswirtschaftlichen<br />
Forschung heraus eine Vielzahl von Konzepten entwickeln, die Gestaltungsempfehlungen<br />
für das <strong>Performance</strong> <strong>Management</strong> geben und sich dabei insbesondere<br />
mit Kennzahlensystemen, <strong>Management</strong>informationssystemen, Zielsetzungs- und Planungsprozessen<br />
und anderen Führungsinstrumenten befassen.<br />
Die Vielzahl, dieser Konzepte ist so gross, dass hier nur ein Ausschnitt betrachtet werden<br />
kann. Ebenso vielfältig sind dabei die Arten, auf die <strong>Performance</strong> <strong>Management</strong> Konzepte<br />
in der Literatur verschiedenen Kategorien zugewiesen werden. 173<br />
Die hier vorgenommen Einteilung unterscheidet die folgenden Konzepttypen:<br />
• Value Based <strong>Management</strong> Konzepte<br />
• Scorecard Konzepte<br />
• Qualitätsmanagement Konzepte<br />
172 Die Einfachheit und Klarheit impliziert dabei auch die Verständlichkeit einer Darstellung. Der Begriff der Verständlichkeit<br />
kann jedoch den der Einfachheit nicht ersetzen, da eine verständliche Darstellung grundsätzlich<br />
auch sehr umfangreich und damit in ihrer Interpretation zeitaufwändig sein kann. Ein solcher Zeitaufwand steht<br />
der Angemessenheit des <strong>Performance</strong> <strong>Management</strong> jedoch in der Regel entgegen. Das wirklich wichtige Kriterium<br />
für die Angemessenheit des <strong>Performance</strong> <strong>Management</strong> ist daher die über die Verständlichkeit hinausgehende<br />
Einfachheit und Klarheit, die einen minimalen Zeitaufwand für das korrekte Interpretieren der Informationen aus<br />
einem <strong>Performance</strong> <strong>Management</strong> System gewährleistet.<br />
173 Beispielsweise unterscheidet Schwaninger vier Typen von <strong>Management</strong> Systemen erster Ordnung von einem<br />
Systemtyp zweiter Ordnung. Vgl. hierzu Schwaninger, <strong>Management</strong>systeme, S. 43-48.<br />
79
• Klassische finanzielle Führung<br />
• Übrige Konzepte<br />
Die einzelnen Konzepttypen werden im Folgenden nur kurz und vor allem im Hinblick<br />
auf ihre Relevanz für das <strong>Airline</strong> <strong>Performance</strong> <strong>Management</strong> dargestellt. Da das Value<br />
Based <strong>Management</strong>, und insbesondere der EVA-Ansatz als integraler Bestandteil des im<br />
Rahmen dieser Arbeit vorgeschlagenen Ansatzes AVCMS gelten kann, wird dieser Bereich<br />
ausführlicher beschrieben. Die Methoden DCF (Discounted Cash Flow) und EVA<br />
(Economic Value Added) werden dazu in eigenen Abschnitten dargestellt. 174<br />
3.2.1 Discounted Cash Flow (DCF)<br />
Die DCF Methode zählt wohl zu den am einfachsten verständlichen und auch gebräuchlichsten<br />
Möglichkeiten, eine Unternehmensbewertung vorzunehmen. Schon im Florenz<br />
des Jahres 1340 wurde die Verwendung von Formen der Investitionsrechnung mit Barwertanalyse<br />
(present value) praktiziert. 175 In den 90er Jahren des letzten Jahrhunderts gewann<br />
DCF vor allem durch den zunehmenden Einfluss der institutionellen Anleger und<br />
Finanzanalysten auf die Unternehmensleitungen in den USA an Bedeutung. 176 Auf der<br />
Grundlage von DCF und anderen Value Based <strong>Management</strong> Konzepten wurden dabei<br />
auch zunehmend auf den Unternehmenswert ausgerichtete Erfolgsbeteiligungen für <strong>Management</strong><br />
und Mitarbeiter eingeführt. 177<br />
174 Zu den verbreiteten Value Based <strong>Management</strong> Konzepten zählt unter anderem auch CFROI und EP (Economic<br />
Profit) Vgl. Michael Contrada, Using the Balanced Scorecard to Manage Value in Your Business, Balanced<br />
Scorecard Report 1999, download hbsp.com 10.04.2002<br />
175 Smith, A Brief History of Interest Calculations, Journal of Industrial Engineering, Vol. 18, 1967, S. 569-574, zit.<br />
nach Michael E. Scorgie, Evolution of the Application of Present Value to Valuation of Non-monetary Resources,<br />
Accounting and Business Research Vol. 26, No. 3, 1996, S. 238.<br />
176 Diese Entwicklung dehnte sich auch bald auf Europa und andere Regionen aus. Verstärkt wurde der Trend durch<br />
den internationalen Konzentrationsprozess in vielen Industriezweigen und die damit zusammenhängenden Aktivitäten<br />
im Bereich Mergers and Acquistions (M&A). Die Investoren verlangten nach immer mehr Transparenz<br />
über relevante Aspekte der Unternehmensbewertung, um den wesentlichen Einfluss der M&A Aktivitäten auf<br />
den Wert ihrer Beteiligung, den Shareholder Value, abschätzen zu können. Vgl. Nyiramahoro/Shooshina, Measuring<br />
Shareholder Value, S. 1f.<br />
177 In diesem Zusammenhang wurden vor allem an leitende Mitarbeiter Aktien und Aktienderivate ausgegeben, um<br />
eine verbesserte Zielkongruenz dieser Mitarbeiter mit den Shareholders zu erreichen. Für mehr Informationen<br />
über den Bezug zur leistungsabhängigen Entlöhnung vgl. Michael C. Jensen, Corporate Budgeting is broken –<br />
let’s fix it, HBR November 2001, S. 94-101, oder Edwin A. Locke, Motivation by Goal Setting, in Handbook of<br />
Organizational Behavior, 2001.<br />
80
mio Euro<br />
81<br />
800<br />
700<br />
600<br />
500<br />
400<br />
300<br />
200<br />
100<br />
0<br />
-100<br />
-200<br />
-300<br />
Estimate 2001-2024 Ryanair<br />
Difference to free Cash Flow<br />
Discounted Free Cash Flow<br />
01 02 03 04 05 06 07 08 09 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24<br />
Abbildung 3-1: Beispiel einer Bewertung nach DCF 178<br />
Bei der DCF Methode werden die Free Cash Flows, d.h. die nach Abzug betriebsnotwendiger<br />
Zahlungen noch frei zur Verfügung stehenden Mittelzuflüsse aus der laufenden Geschäftstätigkeit,<br />
für jedes Jahr des Betrachtungszeitraumes ermittelt. Da bei einer Unternehmensbewertung<br />
der Betrachtungszeitraum in der Zukunft liegt, werden die Free Cash<br />
Flows mittels einer möglichst fundierten Datenbasis geschätzt und diskontiert. Dabei<br />
werden die den Cash Flows zugrunde liegenden Risiken im Diskontierungsfaktor berücksichtigt.<br />
Der Unternehmenswert ergibt sich dann aus der Summe der diskontierten Cash<br />
Flows. 179<br />
Das Beispiel in Abbildung 3-1 zeigt, dass ein Grossteil des Unternehmenswertes von der<br />
Diskontierung und von den Cash Flow Prognosen der ferneren Zukunft abhängen kann.<br />
Der Diskontierungsfaktor jedes einzelnen Jahres hängt dabei massgeblich von den Kapitalkosten<br />
ab. Er lässt sich aus einer Formel ermitteln, die unten dargestellt ist:<br />
178 Das Beispiel bezieht sich auf Ryanair und ist auch auf Abbildung 2-12 auf Seite 27 dargestellt. Eine ähnliche<br />
Darstellung einer Bewertung nach DCF findet sich in Abbildung 2-13 auf Seite 29, sie bezieht sich auf Easyjet.<br />
179 Vgl. Copeland/Koller/Murrin, Valuation, S. 63.
Diskontierungsfaktor<br />
=<br />
1<br />
( 1+<br />
Kapitalkostensatz)<br />
mit n = Anzahl Jahre, die der zu diskontierende Cash Flow in der Zukunft liegt<br />
Die Werte für die Cash Flows der einzelnen Jahre des Bewertungszeitraumes lassen sich<br />
mit Werttreibermodellen prognostizieren. Diese Modelle ermöglichen dabei gleichzeitig<br />
auch die Bewertung von <strong>St</strong>rategien oder auch die Ermittlung von Werttreibern durch<br />
Leistungsziele operativer Bereiche.<br />
Die Cash Flows der ferneren Zukunft lassen sich oft nur mit grossen Unsicherheiten<br />
prognostizieren, machen aber gleichzeitig nicht selten den grössten Teil des Unternehmenswertes<br />
aus. Um dieser Tatsache Rechnung zu tragen, werden häufig alle Cash Flows<br />
ab einem bestimmten Jahr in der Zukunft zu einem so genannten Restwert bzw. Residual<br />
Value oder auch Continuing Value zusammengefasst. 180<br />
Drei Hauptaspekte, die einer Unternehmensbewertung nach DCF zugrunde liegen und<br />
dabei den ermittelten Unternehmenswert massgeblich beeinflussen sind also:<br />
• Kapitalkosten<br />
• Werttreibermodell<br />
• Restwert<br />
Diese drei Hauptaspekte werden daher im Folgenden noch näher betrachtet.<br />
3.2.1.1 Kapitalkosten<br />
Die Kapitalkosten einer Unternehmung repräsentieren die Renditeansprüche von Fremdund<br />
Eigenkapitalgebern, die sie als Gegenleistung für die Zurverfügungstellung ihres Kapitals<br />
erwarten. Abbildung 3-2 zeigt die Zusammensetzung der Kapitalkosten. 181 Die Kapitalkosten<br />
lassen sich als absolute Grössen oder als Kapitalkostensätze darstellen, die die<br />
Renditeansprüche als Prozentwert des jeweils investierten Kapitals beziffern. Den Kapitalkostensatz<br />
bzw. den Gesamtkapitalkostensatz erhält man, indem man den um das Verhältnis<br />
von Fremd- und Eigenkapital gewichteten Mittelwert aus Fremdkapitalkostensatz<br />
und Eigenkapitalkostensatz berechnet.<br />
180 Rappaport, Shareholder Value, S. 61.<br />
181 Zu den Ausführungen über die Kapitalkosten vgl. Rappaport, Shareholder Value, S. 55ff.<br />
n<br />
82
83<br />
Kapitalkosten<br />
Kapitalkosten<br />
Fremdkapitalkosten<br />
Fremdkapitalkosten<br />
Eigenkapitalkosten<br />
Eigenkapitalkosten<br />
Langfristiger<br />
Langfristiger<br />
FremdFremdkapitalzinssatzkapitalzinssatz<br />
Risikofreier<br />
Risikofreier<br />
Anteil<br />
Anteil<br />
Risikoprämie<br />
Risikoprämie<br />
Abbildung 3-2: Zusammensetzung der Kapitalkosten 182<br />
Realzins<br />
Realsinz<br />
Erwartete<br />
Erwartete<br />
Inflation<br />
Inflation<br />
Marktrisiko<br />
Marktrisiko<br />
Individuelles,<br />
Individuelles,<br />
syssystematischestematisches<br />
Risiko<br />
Risiko<br />
Eine angemessene Grösse zur Darstellung des Fremdkapitalkostensatzes ist der langfristige<br />
Zinssatz, da dieser die langfristigen Inflationserwartungen enthält. Er enthält ebenfalls<br />
eine Prämie zur Abdeckung des Kreditrisikos. 183<br />
Der Eigenkapitalkostensatz beinhaltet eine Risikoprämie, mit der die Anleger für das<br />
durch sie getragene unternehmerische Risiko entschädigt werden. Der risikofreie Anteil<br />
entspricht der Rendite der so genannten risikofreien Anlagealternative, die in der Regel<br />
mit der Rendite von <strong>St</strong>aatsanleihen gleichgesetzt wird, zumindest sofern es sich um Anleihen<br />
politisch und finanziell stabiler <strong>St</strong>aaten handelt. Es verbleibt aber auch hier das<br />
Risiko einer nicht erwarteten Inflation, weswegen es bei der Darstellung des risikofreien<br />
Anteils sinnvoll sein kann, Realzins und erwartete Inflation zu unterscheiden.<br />
Wie in der unten stehenden Gleichung dargestellt, ergibt sich die Risikoprämie, aus der<br />
Differenz von erwarteter Marktrendite und risikofreien Anteil, die dann mit einem β-<br />
Koeffizienten multipliziert wird.<br />
Risikopräm ie = β * (erwartete Marktrend ite −<br />
riskofreie r<br />
Anteil)<br />
182 Kapitalkostenzusammensetzung nach Rappaport, vgl. Rappaport, Shareholder Value, S. 55ff.<br />
183 Vgl. Rappaport, Shareholder Value, S. 56.
Die erwartete Marktrendite repräsentiert eine Schätzung der in der Zukunft an die Anteilseigner<br />
geleisteten Rendite, die damit auch einen Ausgleich für die Bereitschaft der<br />
Anteilseigner enthält, nicht in risikofreie Anlagen zu investieren. Der β-Koeffizient repräsentiert<br />
die Volatilität der Anlagerendite im Vergleich zu einem Marktportfolio, d.h.<br />
der Rendite aufgrund von Dividenden und Kapitalaufwertungen. Ein Wert von 1 für β ist<br />
dabei als die zum Marktportfolio identische Volatilität definiert. Ein β >1 kennzeichnet<br />
eine stärker als das Marktportfolio schwankende Anlage, wobei ein β von 1.5 bedeutet,<br />
dass die Anlage beispielsweise um 1.5% fällt oder steigt, wenn das Marktportfolio um<br />
1% fällt oder steigt. 184<br />
In der Praxis wird die Volatilität einer Anlage in der Regel aus Vergangenheitswerten<br />
mittels linearer Regression ermittelt. Relevant ist aber die Volatilität der Zukunft, die nur<br />
schwer abgeschätzt werden kann. Hierin liegt eine der wichtigsten Grenzen für die praktische<br />
Bestimmung möglichst aussagekräftiger Kapitalkosten.<br />
Eine mögliche Methode zur konkreten Berechnung der Kapitalkosten bietet das Konzept<br />
des WACC, des „Weighted Average Cost of Capital“ bzw. der gewichteten durchschnittlichen<br />
Kapitalkosten. Diese Methode wird in Abschnitt 3.2.2.3 im Rahmen des EVA-<br />
Ansatzes näher erläutert.<br />
3.2.1.2 Werttreibermodell<br />
Das Werttreibermodell bildet eine Grundlage, auf der die Cash Flows der einzelnen Jahre<br />
im Bewertungszeitraum und auch andere Einflüsse auf den Unternehmenswert prognostiziert<br />
werden können. Dabei errechnet sich der Cash Flow jedes Jahres aus den so genannten<br />
Werttreibern, die auch als Wertgeneratoren oder Value Drivers bezeichnet werden.<br />
Den Werttreibern wiederum liegen operative Leistungen und Entscheidungen zugrunde,<br />
die ihrerseits für die Zukunft geplant oder prognostiziert werden müssen. Abbildung 3-3<br />
zeigt exemplarisch für viele Möglichkeiten der <strong>St</strong>rukturierung das Werttreibermodell<br />
nach Rappaport, das zusätzlich zur Ermittlung der Cash Flows auch die Diskontierung<br />
und das Fremdkapital berücksichtigt, um so zum Shareholder Value auf Basis einer Bewertung<br />
nach DCF zu gelangen.<br />
184 Zur Ermittlung des β-Koeffizienten auf Basis des CAPM Modells und den Grenzen der Aussagefähigkeit eines<br />
auf Vergangenheitswerten basierenden β-Koeffizienten vgl. Copeland/Koller/Murrin, Valuation, S. 223ff.<br />
84
Unternehmensziel<br />
Bewertungskomponenten<br />
Werttreiber<br />
<strong>Management</strong>entscheide<br />
85<br />
�Dauer<br />
�Dauer<br />
des<br />
des<br />
Wertzuwachses<br />
Wertzuwachses<br />
Betrieblicher<br />
Betrieblicher<br />
Cash<br />
Cash<br />
Flow<br />
Flow<br />
Generieren<br />
Generieren<br />
von<br />
von<br />
Shareholder<br />
Shareholder<br />
Value<br />
Value<br />
Diskontierungssatz<br />
Diskontierungssatz<br />
�Umsatzwachstums�Umsatzwachstumsraterate<br />
�betriebliche<br />
�betriebliche<br />
Cash<br />
Cash<br />
Flow<br />
Flow<br />
Marge<br />
Marge<br />
�liquiditätswirksamer<br />
�liquiditätswirksamer<br />
<strong>St</strong>euersatz<br />
<strong>St</strong>euersatz<br />
Handeln<br />
Handeln<br />
Fremdkapital<br />
Fremdkapital<br />
�Rate<br />
�Rate<br />
der<br />
der<br />
Veränderung<br />
Veränderung<br />
des<br />
des<br />
Umlaufvermögens<br />
Umlaufvermögens<br />
�Rate<br />
�Rate<br />
der<br />
der<br />
Investition<br />
Investition<br />
in<br />
in<br />
Anlagevermögen<br />
Anlagevermögen<br />
Investieren<br />
Investieren<br />
Abbildung 3-3: Werttreibermodell nach Rappaport 185<br />
Shareholder<br />
Shareholder<br />
Return<br />
Return<br />
�Dividenden<br />
�Dividenden<br />
�Kapitalgewinne<br />
�Kapitalgewinne<br />
�Kapitalkostensatz<br />
�Kapitalkostensatz<br />
Finanzieren<br />
Finanzieren<br />
Aus der Abbildung wird deutlich, dass im Modell nach Rappaport der betriebliche Cash<br />
Flow einerseits von Wertreibern des unternehmerischen Handels und Investierens, andererseits<br />
aber auch von der Dauer des Wertzuwachses beeinflusst wird, durch die der Betrachtungszeitraum<br />
definiert ist. Ebenfalls als Werttreiber ist der Kapitalkostensatz angegeben,<br />
der sich aus Finanzierungsentscheiden ergibt. 186<br />
Die Werttreiber bestimmen die Bewertungskomponenten, aus denen sich der Shareholder<br />
Value errechnen lässt. Das es sich beim Modell nach Rappaport um die Bestimmung des<br />
Wertes des Eigenkapitals handelt, muss hier zusätzlich zu den betrieblichen Cash Flows<br />
und dem Diskontierungssatz auch das Fremdkapital als Bewertungskomponente einfliessen.<br />
Denn man geht davon aus, dass das Fremdkapital spätestens am Ende des Betrachtungszeitraumes<br />
wieder den Fremdkapitalgebern zufliessen muss und somit diese Cash<br />
Flow Anteile den Anteilseignern nicht zur Verfügung stehen. 187<br />
185 Dort auch als Shareholder Value Netzwerk bezeichnet. Vgl. Rappaport, Shareholder Value, S. 76.<br />
186 Im Modell nach Rappaport sind die Werttreiber als Prozentgrössen definiert, wie z.B. Umsatzwachstum in Prozent<br />
oder Rate der Investition in Anlagevermögen. Wie bereits erwähnt, sind auch völlig andere Modelle möglich,<br />
die z.B. von absoluten Beiträgen zu den betrieblichen Cash Flows ausgehen und diese als Wertbeiträge darstellen.<br />
187 Zum Werttreibermodell nach Rappaport vgl. Rappaport, Shareholder Value, S. 51ff. Weitere Gestaltungsempfehlungen<br />
für den Aufbau von Werttreibermodellen finden sich auch bei Copeland/Koller/Murrin, Valuation, S. 90-<br />
104.
Um auf Basis des Modells nach Rappaport zu einer effektiven Unternehmensbewertung<br />
zu gelangen, sollten allerdings zusätzlich zu den in Abbildung 3-3 dargestellten Grössen<br />
noch die nicht betrieblichen Cash Flows berücksichtigt werden. Diese Cash Flows können<br />
beispielsweise aus der Liquidation nicht betriebsnotwendiger Wertpapiere stammen,<br />
die meist gleich zu Beginn des Betrachtungszeitraumes realisiert werden und so dem Unternehmenswert<br />
ohne Diskontierung hinzuaddiert werden können.<br />
3.2.1.3 Restwert<br />
Für viele der mit der DCF Methode zu bewertenden Unternehmen bestehen keine Pläne,<br />
sie am Ende des Betrachtungszeitraumes der Bewertung zu liquidieren und so den Cash<br />
Flow prognostizierbar zu machen. Auch macht es in der Regel wenig Sinn, den Betrachtungszeitraum<br />
über viele Jahrzehnte in die Zukunft zu strecken, um so mehr diskontierte<br />
Cash Flows in die Bewertung einzubeziehen. Denn dafür sind die Unsicherheiten über<br />
die Entwicklung des Unternehmens in der ferneren Zukunft meist viel zu gross.<br />
Trotzdem stellt sich, wie bereits erwähnt wurde, immer wieder heraus, dass der Grossteil<br />
des Unternehmenswertes auf den Cash Flows der ferneren Zukunft basiert. Die aktive<br />
Auseinandersetzung mit der Möglichkeit, einen Restwert einzusetzen, kann also für die<br />
Unternehmensbewertung entscheidend sein.<br />
Im Shareholder Value Modell nach Rappaport beispielsweise ist eine Bestimmung des<br />
Restwertes für den Zeitraum nach der Betrachtungsperiode vorgesehen, die hier die Dauer<br />
des Wertzuwachses beschreibt. Zur Bestimmung des Restwertes werden dabei in der<br />
Regel die im letzten Jahr der Betrachtungsperiode erzielten Cash Flows zugrunde gelegt.<br />
Eine Möglichkeit zu Berechnung des Restwertes ist die Methode der ewigen Rente. Man<br />
geht dabei von der Annahme aus, dass ein weiterer Wertzuwachs nach Ende der Betrachtungsperiode<br />
nicht mehr möglich ist, weil das den Wertzuwachs ermöglichende Geschäftsmodell<br />
bis dann so viel Konkurrenz angezogen haben sollte, dass die Rendite zusätzlicher<br />
Investitionen auf das Niveau der Kapitalkosten gedrückt worden ist. Man<br />
nimmt also an, dass die Cash Flows ab dem Ende des Betrachtungszeitraumes stagnieren,<br />
da keine Erweiterungsinvestitionen mehr vorgenommen werden. Die unten stehende<br />
Gleichung zeigt, wie basierend auf diesen Annahmen der Restwert, genauer der Barwert<br />
des Restwertes, berechnet werden kann.<br />
ewiger jährlicher CF<br />
Restwert =<br />
* Diskontier ungsfaktor<br />
Kapitalkos tensatz<br />
86
Alternativ zur Verwendung der Methode der ewigen Rente sind viele andere Methoden<br />
möglich. Die konkrete Situation des Unternehmens mit seinen Zukunftsaussichten ist das<br />
Kriterium dafür, welches Vorgehen am besten zu wählen ist. Verbreitet ist beispielsweise<br />
auch die von Copeland/Koller/Murrin vorgeschlagene Variante, die eine Wachstumsrate<br />
der Rendite bei der Bestimmung des Restwertes berücksichtigt. 188 Je nach Situation kann<br />
es auch Sinn machen, den Restwert z.B. in Form einer Anpassung der Cash Flows der<br />
letzten Jahre des Betrachtungszeitraumes in die Bewertung einfliessen zu lassen oder ihn<br />
sogar zu ignorieren, wie auch das Beispiel in Abbildung 3-1 zeigt. 189<br />
3.2.2 Economic Value Added (EVA)<br />
Wie die Bewertung nach DCF führt auch die Bewertung nach EVA zu einer Schätzung<br />
des Unternehmenswertes. Geht man bei einer Bewertung von den gleichen Eingangsvariablen<br />
aus, führen beide Konzepte grundsätzlich zu einem identischen Unternehmenswert.<br />
Der wesentliche Unterschied des EVA zum DCF liegt also nicht im Ergebnis, sondern in<br />
der Vorgehensweise bei der Bewertung und in der Darstellung der Zwischenergebnisse.<br />
Da gerade diese Zwischenergebnisse für die auf Unternehmenswert ausgerichtete Führung<br />
eine hohe Bedeutung haben können, kann die Wahl der Methode DCF oder EVA für<br />
den schliesslich erreichten Wertzuwachs durchaus von Bedeutung sein.<br />
Der wesentliche Unterschied der Bewertung nach EVA gegenüber DCF liegt darin, dass<br />
es sich beim EVA um eine so genannte Übergewinnmethode handelt. D.h. der Gewinn<br />
einer Periode, der über die Fremd- und Eigenkapitalkosten hinaus verdient wird, wird<br />
separat als Übergewinn ausgewiesen. Dieser Übergewinn stellt den Wertzuwachs dar, der<br />
in der betrachteten Periode erwirtschaftet wird. Addiert man für alle zukünftigen Perioden<br />
die erwarteten bzw. geplanten und abdiskontierten EVAs zum Nettowert der Aktiven<br />
hinzu, ergibt sich der Unternehmenswert.<br />
Die Zusammenhänge zwischen EVA und Unternehmenswert sind in Abbildung 3-4 mittels<br />
eines Zahlenbeispiels veranschaulicht. Den Ausgangspunkt bildet der NAV, der Net<br />
Asset Value bzw. der Substanzwert, der sich aus dem zu Fortführungswerten190 bilanzier-<br />
188 vgl. Copeland/Koller/Murrin, Valuation, S. 269.<br />
189 . Rappaport, Shareholder Value, S. 60-65, vgl. Gomez/Weber, Akquisitionsstrategie, S. 34, vgl. Copeland/Koller/Murrin,<br />
Valuation, S. 273f.<br />
190 In der Regel wird im Geschäftsbericht eines Unternehmens zu Fortführungswerten bilanziert (Englisch going<br />
concern). D.h. man geht dabei von der Prämisse aus, dass das Unternehmen grundsätzlich im bestehenden Umfang<br />
weitergeführt werden soll. Eine andere Bewertungsmöglichkeit wäre z.B. der Liquidationswert, wenn das<br />
Unternehmen ganz oder teilweise liquidiert werden soll.<br />
87
ten Wert der Aktiven abzüglich des Fremdkapitals ergibt. Hinzuaddiert werden die EVAs<br />
des Betrachtungszeitraumes, die jeweils – analog der Bewertung nach DCF - mit einem<br />
Diskontierungsfaktor multipliziert worden sind, der sich aus den Kapitalkosten und der<br />
Anzahl Jahre ergibt, um die die jeweilige Periode in der Zukunft liegt.<br />
7'000'000<br />
6'000'000<br />
5'000'000<br />
4'000'000<br />
3'000'000<br />
2'000'000<br />
1'000'000<br />
0<br />
NAV beg.<br />
2000<br />
EVA 2000 EVA 2001 EVA 2002 EVA 2003 EVA 2004 Residual<br />
EVAs<br />
Abbildung 3-4: Addition des Unternehmenswertes aus NAV und EVAs 191<br />
NAV+EVA- Market cap in<br />
Market cap mio €<br />
Wie bei der Bewertung nach DCF kann auch hier am Ende der Betrachtungsperiode ein<br />
Restwert eingesetzt werden, der hier im Beispiel mit „Residual EVAs“ bezeichnet ist.<br />
Die Höhe der Säule „Residual EVAs“ gibt nun den Unternehmenswert nach der Bewertung<br />
auf Basis EVA an, da sie die Summe aus dem NAV, den abdiskontierten, positiven<br />
und negativen EVAs der Perioden 2000-2004 und dem Residual EVA darstellt. Die beiden<br />
noch folgenden Säulen setzen sich mit einer möglichen Abweichung der errechneten<br />
Bewertung zu der tatsächlichen Bewertung des Unternehmens am Kapitalmarkt, dem<br />
market cap bzw. der Marktkapitalisierung, auseinander. Während die letzte Säule die<br />
Marktkapitalisierung beschreibt, zeigt die vorletzte Säule, die mit „NAV+EVA-Market<br />
cap“ beschriftet ist, die Bewertungsdifferenz zwischen EVA-basierter Bewertung und der<br />
Bewertung durch den Markt an. Eine solche Differenz zeigt, dass die Beurteilung des<br />
Unternehmens durch die Investoren nicht mit den Annahmen übereinstimmt, die in der<br />
191 vgl. hierzu auch Abschnitt 2.1.6 und Abbildung 2-6, die in Abbildung 3-4 wiederholt wird.<br />
88
Bewertung nach EVA zugrunde gelegt wurden. Eine solche Differenz kann daher sowohl<br />
auf Fehler bei den zugrunde gelegten Annahmen hinweisen, wie auch auf eine mangelhafte<br />
Information der Anleger, die beispielsweise durch die Funktion der Investor Relations<br />
verbessert werden kann. 192<br />
Entwickelt wurde die EVA-Methode von der Unternehmensberatung <strong>St</strong>ern <strong>St</strong>ewart & Co.<br />
Auch bei <strong>St</strong>ewart wurde grosser Wert auf den Vergleich der Resultate einer Bewertung<br />
nach der EVA-Methode mit der aktuellen Bewertung des Unternehmens durch die Kapitalmärkte<br />
gelegt. Dabei geht <strong>St</strong>ewart vom so genannten MVA, dem Market Value Added<br />
aus, der sich aus der Marktkapitalisierung abzüglich des zum Betrachtungszeitpunkt investierten<br />
Kapitals ergibt. Dieser Wert wird dann mit den EVAs aus der internen Kalkulation<br />
verglichen, zu denen ebenfalls kein investiertes Kapital oder Vermögen hinzuaddiert<br />
wurde. Inhaltlich handelt es sich also beim Vergleich des EVA vs. MVA im Wesentlichen<br />
um die selbe Aussage wie beim Vergleich der letzten drei Säulen aus<br />
Abbildung 3-4. 193<br />
Im Folgenden wird nun die Berechnung des EVA und seiner wichtigsten Eingangsvariablen<br />
dargestellt, nämlich des ROIC und des WACC. Die nächsten Abschnitte gliedern sich<br />
also wie folgt:<br />
• Berechnung des EVA<br />
• Return on Invested Capital (ROIC)<br />
• Weighted Average Cost of Capital (WACC)<br />
3.2.2.1 Berechnung des EVA<br />
Wie bei der Bewertung nach der DCF-Methode, bezieht sich auch die EVA-Kalkulation<br />
auf den betrieblichen Teil der Geschäftstätigkeit. Nicht betriebsnotwendiges Vermögen<br />
wird also genauso abgegrenzt wie ausserordentliche Gewinne oder Verluste, die mit dem<br />
eigentlichen Geschäft nichts zu tun haben. Soll der gesamte Wert eines Unternehmens<br />
berechnet werden, müssen also auch die nicht betrieblichen Vermögens- und Gewinngrössen<br />
zu den EVAs hinzuaddiert werden.<br />
192 Genau genommen kann die Position „NAV+EVA-Market Cap“ auch – ggf. diskontierte - ausserordentliche Kosten<br />
und Erträge der einzelnen Perioden enthalten, da diese bei der Berechnung der EVAs ausgenommen werden,<br />
wie in Abschnitt 3.2.2.1 dargestellt wird. In der Position „NAV+EVA-Market Cap“ können ebenfalls nicht betriebsnotwendige<br />
Vermögensteile abzüglich des dafür aufgenommenen Fremdkapitals enthalten sein, wenn bei<br />
der Bestimmung des NAV ausschliesslich betriebsnotwendige Vermögensteile mit dem damit verbundenen<br />
Fremdkapital berücksichtigt wurden.<br />
89
Die Grundgleichung zur Berechnung des EVA ist unten wiedergegeben:<br />
( ROIC − WACC ) IC<br />
EVA =<br />
*<br />
ROIC = Return on invested capital<br />
WACC = weighted average cost of capital<br />
IC = Invested capital<br />
Die Gleichung zeigt, dass bei der Berechnung des EVA zunächst eine Überrendite<br />
(ROIC-WACC) ausgewiesen wird, mit der anschliessend das investierte Kapital (IC) verzinst<br />
wird. Das investierte Kapital repräsentiert dabei die Gesamtsumme allen Fremdund<br />
Eigenkapitals, das zur Finanzierung des betriebsnotwendigen Vermögens bereitgestellt<br />
wurde. Die Überrendite gibt den Teil der Rendite (ROIC) an, der über die Kapitalkosten<br />
des Fremd- und Eigenkapitals (WACC) hinaus verdient wurde. Die Berechnung<br />
dieser beiden Bestandteile der Überrendite wird in den nächsten zwei Abschnitten näher<br />
beschrieben.<br />
3.2.2.2 Return on Invested Capital (ROIC)<br />
Wie in der unten stehenden Gleichung dargestellt, entspricht der ROIC dem Verhältnis<br />
zwischen der Gewinngrösse NOPLAT und dem investiertem betriebsnotwendigen Kapital<br />
IC. Die Variable IC wurde in 3.2.2.1 bereits definiert. Der NOPLAT repräsentiert eine<br />
betriebliche Gewinngrösse, vor Abzug von Zinsen und anderen Kapitalkosten, jedoch<br />
nach Abzug der so genannten adjusted taxes bzw. der angepassten <strong>St</strong>euern.<br />
ROIC =<br />
NOPLAT<br />
IC<br />
ROIC = Return on invested capital<br />
NOPLAT = Net operating profit less adjusted taxes<br />
IC = Invested capital<br />
Bei der Berechnung der adjusted taxes wird zu den Unternehmenssteuern noch das so<br />
genannte Tax-Shield aus der Formel für den WACC hinzuaddiert. Das Tax-Shield reprä-<br />
193 Vgl. <strong>St</strong>ewart, Quest for Value, S. 180f.<br />
90
sentiert dabei die Ersparnis durch Finanzierung mit Fremdkapital, die dadurch zustande<br />
kommt, dass die dem Fremdkapital in Form von Zinsen zufliessenden Gewinnanteile<br />
nicht steuerpflichtig sind. Da das Tax-Shield in der WACC-Gleichung somit aufgrund<br />
von vorhandenem Fremdkapital die Kapitalkosten senkt, muss die Gewinngrösse<br />
NOPLAT um das Tax-Shield reduziert werden, damit es nicht zu einer verfälschten Darstellung<br />
des EVA kommt. 194<br />
Die betriebliche Gewinngrösse, von der die <strong>St</strong>euern und das Tax-Shield zur Bestimmung<br />
des NOPLAT in Abzug gebracht werden, kann als betrieblicher EBITA oder event. auch<br />
als EBIT definiert werden. 195 EBITA steht für Earnings before interest, taxes and amortization.<br />
EBIT bedeutet Earnings before interest and taxes und bezeichnet den Betriebsgewinn<br />
vor Zinsen und <strong>St</strong>euern. Damit entspricht diese Grösse dem EBIT, bis auf die Tatsache<br />
das hier Amortisierungen auf z.B. Kapitalbeteiligungen oder Goodwill in der Bilanz<br />
noch nicht in Abzug gebracht worden sind. 196<br />
3.2.2.3 Weighted Average Cost of Capital (WACC)<br />
Der WACC repräsentiert die Kapitalkosten der Unternehmung. In die Kalkulation des<br />
WACC fliessen Fremd- und Eigenkapitalkosten gewichtet nach ihrem jeweiligen Anteil<br />
am Gesamtkapital ein, wobei die anteiligen Fremdkapitalkosten um den <strong>St</strong>euerspareffekt<br />
der Fremdfinanzierung, das so genannte Tax-Shield, verbilligt werden. Die unten stehende<br />
Gleichung stellt die Berechnung des WACC dar:<br />
194 Das Tax-Shield wird im Rahmen der Erläuterungen der WACC-Gleichung in Abschnitt 3.2.2.3 näher erläutert.<br />
Kritisiert am EVA-Ansatz wird häufig auch die Komplexität, die durch das Abziehen des Tax Shield in der<br />
WACC-Gleichung und das gleichzeitige Wiederhinzuaddieren des Tax-Shield beim NOPLAT entsteht. Alternative<br />
Ansätze wie der APV Adjusted Present Value versuchen genau diese Schwierigkeiten zu umgehen. Vgl.<br />
hierzu Luehrman, Guide to Valuation, S 135f.<br />
195 <strong>St</strong>ewart geht von einer Nachsteuergewinngrösse aus, die alle Cash Elemente enthält, die zur Verteilung an sämtliche<br />
Anspruchsgruppen prinzipiell zur Verfügung stehen, mit Ausnahme betrieblicher Abschreibungen. Die betrieblichen<br />
Abschreibungen werden deswegen in Abzug gebracht, weil sie einen direkten betriebsnotwendigen<br />
Wertverzehr repräsentieren. Die Amortisationen sollten sich in der Regel von den betriebsnotwendigen Abschreibungen<br />
unterscheiden und daher nicht zur Berechnung des NOPLAT vom Betriebsgewinn in Abzug gebracht<br />
werden. Für Fälle, in denen das Kriterium der direkten Betriebsnotwendigkeit auch für die Amortisationen<br />
gegeben ist, ist eine Verwendung des EBIT anstatt des EBITA denkbar. Copeland/Koller/Murrin gehen ebenfalls<br />
von EBITA als Eingangsgrösse in die Kalkulation des NOPLAT aus. Vgl. <strong>St</strong>ewart, Quest for Value, S.<br />
87ff und Copeland/Koller/Murrin, Valuation, S. 163ff.<br />
196 Vgl. Copeland/Koller/Murrin, Valuation, S. 164.<br />
91
⎛<br />
⎞<br />
⎜ D ⎟<br />
E<br />
WACC = ⎜<br />
⎟ * C<br />
*<br />
⎜ D + E ⎟<br />
⎝<br />
⎠<br />
⎛<br />
⎞<br />
⎜<br />
⎟<br />
d * ⎜<br />
⎛1<br />
T ⎟<br />
⎞ − + ⎜<br />
⎟ C e<br />
⎝ ⎠ ⎜ D E ⎟<br />
⎝ + ⎠<br />
WACC = Weighted average cost of capital<br />
D = Debt<br />
E = Equity<br />
Cd = Cost of debt<br />
Ce = Cost of equity<br />
T = Corporate tax rate<br />
D steht für Debt bzw. das Fremdkapital, während E das Equity bzw. das Eigenkapital<br />
repräsentiert. Cd gibt die Fremdkapitalkosten, wie z.B. Zinsen an, während Ce den Eigenkapitalkosten<br />
entspricht. 197 T ist der Unternehmenssteuersatz, zu dem die Gewinne des<br />
Unternehmens versteuert werden.<br />
Es zeigt sich, dass die linke Seite der Gleichung, die den Anteil der Fremdkapitalkosten<br />
am WACC berechnet, mit (1-T) multipliziert wird und so reduziert wird, und zwar um so<br />
mehr, je höher der <strong>St</strong>euersatz ist. Dies ist die Wirkungsweise des Tax-Shield. Die absolute<br />
Grösse des Tax-Shield, die für die Berechnung des NOPLAT gemeinsam mit den<br />
<strong>St</strong>euern vom EBITA bzw. EBIT abgezogen werden muss, ergibt sich, wenn die absoluten<br />
Fremdkapitalkosten mit dem <strong>St</strong>euersatz multipliziert werden.<br />
3.2.3 Scorecard Konzepte<br />
Die in den letzten Jahren an Verbreitung gewonnenen Scorecard Konzepte gehen überwiegend<br />
auf die Balanced Scorecard von Norton/Kaplan zurück. 198 Daher konzentriert<br />
sich dieser Abschnitt auf die Auseinandersetzung mit diesem Konzept von Norton/Kaplan.<br />
199 Die Balanced Scorecard ist das Resultat einer 1990 vom Nolan Norton Institute<br />
initiierten <strong>St</strong>udie, deren Zielsetzung es war, gemeinsam mit 12 Unternehmungen<br />
197 Zur Zusammensetzung der Eigenkapitalkosten und Fremdkapitalkosten vgl. Abschnitt 3.2.1.1.<br />
198 Zur Scorecard von Kaplan/Norton vgl. vor allem Kaplan/Norton, Balanced Scorecard und Kaplan/Norton, <strong>St</strong>rategy-focused<br />
Organization.<br />
199 Der begriffliche Rahmen der Scorecard Ansätze kann dabei unterschiedlich weit gefasst werden. Von Müller-<br />
<strong>St</strong>ewens und Lechner werden z.B. zusätzlich zur Balanced Scorecard von Norton/Kaplan ausserdem auch die<br />
folgenden Ansätze zu den Scorecard Ansätzen gezählt: Der „Trotter“ von General Electric, der Skandia Navigator<br />
und das EFQM-Modell. Nach der hier vorgenommenen Einteilung fällt das EFQM-Modell eher unter die<br />
Qualitätsmanagementkonzepte, während der Skandia Navigator eher zu den Knowledge <strong>Management</strong> Konzepten<br />
gezählt wird. Nach der hier vertretenen Ansicht gibt es aber durchaus inhaltliche Überlappungen, so dass die<br />
Konzepte auch mehreren Gruppen zugeordnet werden könnten.<br />
92
aus verschiedenen Branchen ein den aktuellen Anforderungen entsprechendes <strong>Performance</strong><br />
Measurement Modell zu entwickeln. Im Hintergrund der <strong>St</strong>udie stand die Hypothese,<br />
dass eine sich zu stark an finanziellen Vergangenheitsdaten orientierende Führung<br />
einer Ausrichtung auf das Generieren zukünftiger Wertschöpfungspotentiale entgegensteht.<br />
Dabei wurde die überwiegende Orientierung an finanziellen Vergangenheitsdaten<br />
einer traditionellen Form des <strong>Performance</strong> Measurement zugeordnet, die zwar für Unternehmungen<br />
aus dem industriellen Zeitalter als weitgehend angemessen gelten kann, für<br />
Unternehmungen aus dem neu angebrochenen, so genannten Informationszeitalter aber<br />
nicht mehr ausreichend sei. 200<br />
Man ging davon aus, dass im Industriezeitalter vor allem das physische, im Anlagevermögen<br />
gut darstellbare Kapital für den unternehmerischen Erfolg ausschlaggebend war,<br />
während im Informationszeitalter das bilanziell schwer bewertbare Human- und Markenkapital<br />
die entscheidenden Wettbewerbsvorteile bringt. 201 Diese Hypothese konnte durch<br />
<strong>St</strong>udienergebnisse untermauert werden, die die Entwicklung des Anteiles des Buchwertes<br />
der Aktiven an der Börsenkapitalisierung einer typischen Industrieunternehmung zum<br />
Thema hatten. Man stellte fest, dass der typische Anteil des Buchwertes am Börsenwert<br />
1982 noch bei 62% lag, 1992 nur noch bei 38% und schliesslich am Ende des 20. Jahrhunderts<br />
bis auf 10-15% gesunken war. 202 Auch wenn sich die 10-15% für die Zeit nach<br />
der so genannten New Economy kaum halten liessen, lässt sich nur schwer bestreiten,<br />
dass ein gewisser Trend hin zu einer stärkeren Bedeutung des Humankapitals im Gange<br />
ist.<br />
Das Ergebnis der <strong>St</strong>udie und der anschliessenden Praxisarbeit waren Empfehlungen für<br />
die Gestaltung des <strong>Performance</strong> <strong>Management</strong>. Es wurde ein <strong>Performance</strong> Measurement<br />
System mit der Bezeichnung Balanced Scorecard vorgestellt, dessen Kennzahlen nach<br />
bestimmten Kriterien angemessen ausbalanciert sein sollten, und das durch vier Perspektiven<br />
des <strong>Management</strong> strukturiert wurde. Um das Messinstrumentarium der Balanced<br />
Scorecard zu einem <strong>Management</strong>instrumentarium zu entwickeln, wurden ausserdem<br />
Empfehlungen für die Gestaltung von Scorecard-basierten <strong>Management</strong>prozessen abgegeben.<br />
200 Kaplan/Norton, Balanced Scorecard, Preface. Vgl. auch Lynch/Cross, Measures Up, S. 38ff. Hier werden in<br />
ähnlicher Form wie bei Kaplan/Norton die traditionellen, vergangenheitsbezogenen <strong>Management</strong>systeme den<br />
Anforderungen an moderne Systeme gegenübergestellt.<br />
201 Kaplan/Norton, Balanced Scorecard, 2ff, vgl. auch Fisher: Use of Nonfinancial <strong>Performance</strong> Measures, S. 31ff.<br />
202 Kaplan/Norton, <strong>St</strong>rategy-focused Organization, S. 2.<br />
93
Die Relevanz für das <strong>Airline</strong> <strong>Performance</strong> <strong>Management</strong> ergibt sich vor allem aus der Gegenüberstellung<br />
von unterschiedlichen erfolgskritischen Messgrössen, sowohl finanzieller<br />
wie nicht finanzieller Natur. Durch diese Gegenüberstellung werden die Trade-offs<br />
zwischen kurzfristigem finanziellen Erfolg und einer langfristigen Wertentwicklung darstellbar,<br />
die von finanziell schwer bewertbaren Faktoren wie gut funktionierenden Prozessen<br />
und zufriedenen Kunden abhängig ist. Eine wichtige Rolle der Balanced Scorecard<br />
ist dabei auch in der Ergänzung der Value Based <strong>Management</strong> Konzepte zu sehen.<br />
Schon Michael Porter konnte feststellen, dass trotz aller Vorzüge der Ausrichtung auf den<br />
Unternehmenswert eine zu sehr auf den Shareholder Value fokussierte Führung zu<br />
schlechtem strategischen <strong>Management</strong> und damit zu einer langfristigen Vernichtung von<br />
Wert führen kann. 203<br />
Die vorgeschlagene <strong>St</strong>ruktur einer Balanced Scorecard kann die Ursache-Wirkungs-<br />
Zusammenhänge zwischen Effektivität und Effizienz der Prozesse, der Kundenzufriedenheit<br />
und den Finanzresultaten verständlich darstellen. Es stellt sich jedoch die Frage,<br />
inwieweit durch die von Kaplan/Norton vorgeschlagene Anzahl der zu verwendeten<br />
Messgrössen noch die von einem <strong>Performance</strong> <strong>Management</strong> System geforderte Einfachheit<br />
und Klarheit erfüllt werden kann. Für jede der 4 Scorecard-Perspektiven werden 4-5<br />
Kennzahlen empfohlen, so dass sich insgesamt ein Portfolio von 16-24 Messgrössen ergibt.<br />
204<br />
3.2.4 Qualitätsmanagement Konzepte<br />
Als Qualitätsmanagement Konzepte können alle <strong>Management</strong>konzepte gelten, die vordringlich<br />
auf das Erzielen von Qualität ausgerichtet sind. Dabei können eine ganze Reihe<br />
unterschiedlicher Qualitätsbegriffe zur Anwendung kommen, was sich in Form von sehr<br />
unterschiedlichen Zielrichtungen und Vorgehensweisen bei den zugrunde liegenden <strong>Management</strong>konzepten<br />
auswirkt.<br />
Eine Möglichkeit, die verschiedenen Betrachtungsweisen von Qualität zu unterteilen, ist<br />
die Unterscheidung zwischen einem traditionellen und einem modernen Qualitätsbegriff.<br />
Während der traditionelle Begriff unter Qualität vor allem die Erfüllung vordefinierter<br />
203 Michael Porter geht davon aus, dass die Konzentration einer Unternehmung auf den Shareholder Value einer<br />
Orientierung des strategischen <strong>Management</strong>s an der vorherrschenden Analystenmeinung gleichkommt. Dadurch<br />
wird es unmöglich, eine robuste, strategische Differenzierung gegenüber dem Wettbewerb aufzubauen. Vgl. Michael<br />
Porter, The Importance of Being <strong>St</strong>rategic, S. 9.<br />
204 Vgl. Kaplan/Norton, Linking the Balanced Scorecard to <strong>St</strong>rategy, S. 68. Vgl. auch Kaplan/Norton, Putting the<br />
Balanced Scorecard to work, S. 138 und 141.<br />
94
Spezifikationen versteht, geht man beim modernen Qualitätsbegriff von einer umfassenden<br />
Ausrichtung auf die Kundenbedürfnisse aus, in die alle Dimensionen der Unternehmensführung<br />
einbezogen sind. 205<br />
Das moderne Qualitätsverständnis wird in der Regel mit Total Quality <strong>Management</strong><br />
(TQM) verbunden, das gegenwärtig wohl als das bedeutendste Rahmenkonzept im Bereich<br />
Qualitätsmanagement bezeichnet werden kann. TQM wird dabei nicht nur als <strong>Management</strong>konzeption,<br />
-methode oder –system206 verstanden, sondern auch als Qualitätsphilosophie,<br />
die die Unternehmenskultur und das Mitarbeiterverhalten prägen soll. Dabei<br />
sollen mit TQM nicht nur Qualitätsprobleme gelöst werden. <strong>St</strong>attdessen ist es das Ziel,<br />
mittels einer qualitätsorientierten Ausrichtung der Organisation eine insgesamt erfolgreiche<br />
Geschäftstätigkeit zu erreichen, die alle wichtigen Anspruchsgruppen nachhaltig zufriedenstellen<br />
kann.<br />
Das Total Quality <strong>Management</strong> geht aus einer Entwicklung hervor, die nach Ende des 2.<br />
Weltkrieges ihren Anfang nahm und bis in die 80er Jahre des zwanzigsten Jahrhunderts<br />
andauerte, seit denen der Begriff TQM erst als solcher verwendet wird. Die Entwicklung<br />
ging aus dem Wirken einiger Autoren und der Praxis vorwiegend japanischer Unternehmen<br />
der Automobil- und Elektronikindustrie hervor. Bei einigen Autoren handelte es sich<br />
um Wirtschaftsexperten aus den USA, die den Wiederaufbau der japanischen Wirtschaft<br />
im Auftrag der US-Regierung unterstützen sollten, wobei insbesondere die amerikanischen<br />
Erfahrungen in der Massenfertigung und in der Qualitätssicherung im Vordergrund<br />
standen. 207 Die im Wiederaufbau befindlichen japanischen Unternehmen brachten dem<br />
transferierten Wissen grosses Interesse entgegen und entwickelten daraus neue Qualitätsmethoden<br />
und eine neue Qualitätskultur, was später unter dem Begriff Total Quality<br />
205 Cole, Quality Movement, S. 43f.<br />
206 TQM als Rahmenkonzept fasst konkretere Qualitätsmodelle bzw. Qualitätsmanagementsysteme zusammen, die<br />
den Grundsätzen des TQM entsprechen. Die bekanntesten dieser Qualitätsmodelle sind durch die Qualitätspreise<br />
Deming Prize, Malcolm Baldrige Award und EFQM repräsentiert, denen jeweils ein konkret ausgearbeitetes<br />
<strong>Management</strong>konzept mit gewichteten Zielgrössen zugrunde liegt. Göhringer/Keck/Köppe/Schröter, Qualitätsmanagementsysteme,<br />
S. 14f. Zu den Qualitätspreisen vgl. David A. Garvin, Baldrige Award, S. 82; Göhringer/Keck/Köppe/Schröter,<br />
Qualitätsmanagementsysteme, S.15; Radtke, Ganzheitliches Modell zur Umsetzung<br />
von Total Quality <strong>Management</strong>, S. 10 und Malorny, Qualitätsauszeichnungen, S.204ff.<br />
207 Als für die Entwicklung des TQM bedeutendster Autor kann wahrscheinlich W. Edwards Deming bezeichnet<br />
werden, nach dem schon 1951 in Japan der dort wichtigste Qualitätspreis benannt wurde. Neben ihm haben auch<br />
Joseph Juran, Armand Feigenbaum, Karo Ishikawa und Genichi Taguchi als Autoren und Berater eine zentrale<br />
Rolle bei der Entwicklung des neuen Qualitätsverständnisses im Zusammenhang mit dem Wiederaufbau der japanischen<br />
Wirtschaft nach dem zweiten Weltkrieg gespielt. Vgl. Glauser, Qualität Quo Vadis, S. 9f. und Göhringer/Keck/Köppe/Schröter,<br />
Qualitätsmanagementsysteme S. 12f. Vgl. auch Norton, First Balanced Scorecard,<br />
S. 15.<br />
95
<strong>Management</strong> zusammengefasst werden sollte. Die Erfolge der japanischen Unternehmen<br />
waren aufgrund massiver Qualitätsverbesserungen und Effizienzsteigerungen so gross,<br />
dass sie ihre U.S.-amerikanischen Konkurrenten in eine tiefe Absatzkrise stürzten, deren<br />
Schwerpunkt in den 70er Jahren lag. Das in den USA aufkommende Krisenbewusstsein<br />
führte zu einer intensiven Auseinandersetzung mit den Ursachen des dramatisch zunehmenden<br />
Vorsprungs der japanischen Unternehmen. 208 In Japan war mit Unterstützung der<br />
amerikanischen Experten ein neues Paradigma des Wirtschaftens entstanden, das offensichtlich<br />
– zumindest in den betroffenen Industrien - dem in den USA immer noch vor-<br />
herrschenden von Frederick Winslow Taylor 209 und Max Weber 210 geprägtem Denken<br />
überlegen war. Dieser Paradigmenwechsel im Qualitätsmanagement ist in Abbildung 3-5<br />
zusammengefasst.<br />
Traditionelles Paradigma<br />
des Qualitätsmanagement<br />
Basierend auf Taylors Scientific <strong>Management</strong> und<br />
Max Webers Bürokratiemodell.<br />
Organisation als hierarchische <strong>St</strong>ruktur<br />
�Informationen fliessen vertikal<br />
�Wertmassstäbe des Vorgesetzen sind zentral<br />
�Pflichtenhefte für jeden einzelnen<br />
�Zielvorgaben mit vorgesetzter <strong>St</strong>elle<br />
Akzeptanz-Orientierung<br />
�Spezifikation ist erfüllt oder nicht<br />
�Digitales Qualitätsverständnis<br />
�Keine Verbesserungen bei Null Fehlern<br />
�Fehler beheben durch Inspektion<br />
Modernes Paradigma<br />
des Qualitätsmanagement<br />
Grundlage der Erfolge in der japanischen Industrie<br />
ab den 50er Jahren und Grundlage des TQM.<br />
Organisation als Produktionssytem<br />
�Der Informationsfluss folgt dem Produktionsfluss<br />
�Das Übertreffen der Kundenerwartungen ist zentral<br />
�Beiträge der Teams sind entscheidend<br />
�Ziel ist der Beitrag zum Erfolg des Ganzen<br />
Wünschbarkeits-Orientierung<br />
�Spezifikation möglichst gut erfüllen<br />
�Ziel ist die Minimierung von Abweichungen<br />
�Kontinuierliche Verbesserung<br />
�Fehler antizipieren<br />
Abbildung 3-5: Paradigmawechsel im Qualitätsmanagement 211<br />
208 Man versuchte zunächst in Japan beobachtete Phänomene wie Qualitätszirkel oder Just-in-time Systeme in die<br />
amerikanischen Unternehmen zu integrieren, ohne dabei die zugrunde liegenden Zusammenhänge wirklich zu<br />
verstehen. Viele der Geheimnisse konnten erst nach einem in den 80er Jahren durchgeführten fünfjährigen Forschungsprojekt<br />
des Massachusetts Institute of Technology (MIT) gelüftet werden, dessen Ergebnisse 1990 unter<br />
dem Titel „The Machine That Changed the World“ zur Publikation kamen. Vgl. Simon, Quo Vadis Qualitätsmanagement,<br />
S. 1 und Frehr, Total Quality <strong>Management</strong>, S. 31ff.<br />
209 Begründer des Scientific <strong>Management</strong> bzw. des Taylorismus. Vgl. Taylor, Scientific <strong>Management</strong>.<br />
210 Begründer des Bürokratiemodells. Vgl. Weber, Soziologische Grundbegriffe.<br />
211 Vgl. Glauser, Qualität Quo Vadis, S. 5.<br />
96
Die genaue Definition von TQM fällt bei den einzelnen Autoren unterschiedlich aus, jedoch<br />
lassen sich auch viele Gemeinsamkeiten finden. Dabei wird TQM meist sowohl als<br />
konkretes Rahmenkonzept wie auch als kulturbezogene Philosophie begriffen. Zudem ist<br />
die Kundenorientierung bei gleichzeitiger Ausrichtung des Denkens auf Prozesse eine<br />
wichtige Gemeinsamkeit. 212Als eine Art offizielle Definition für TQM kann diejenige der<br />
ISO Norm herangezogen werden. 213<br />
Sie wurde im Jahr 2000 überarbeitet und Form der folgenden acht Grundsätze des Qualitätsmanagements<br />
neu formuliert: 214<br />
• Kundenorientierung<br />
• Führung<br />
• Einbeziehung von Personen<br />
• Prozessorientierter Ansatz<br />
• Systemorientierter Ansatz<br />
• <strong>St</strong>ändige Verbesserung 215<br />
212 Vgl. beispielsweise Simon, Quo Vadis Qualitätsmanagement, S.2f, Witte, Integrierte Qualitätssteigerung, 90ff,<br />
oder auch Frehr, Total Quality <strong>Management</strong>, S. 31ff. Für Frehr sind die genannten TQM-Bausteine ein Teil des<br />
„TQM-Gebäudes“, das unter dem Titel „<strong>Management</strong> Verpflichtung“ auch die Vorbildfunktion des <strong>Management</strong><br />
und die Qualitätspolitik mit einschliesst und damit auch Bezüge zum Verständnis des TQM als Philosophie aufweist,<br />
die auf das Mitarbeiterverhalten und die Kultur einwirken will.<br />
213 Bis zum Jahr 2000 wurde in der ISO Norm 8402 TQM als umfassendes Qualitätsmanagement wie folgt definiert:<br />
Umfassendes Qualitätsmanagement ist eine auf der Mitwirkung aller ihrer Mitglieder gestützte <strong>Management</strong>methode<br />
einer Organisation, die Qualität in den Mittelpunkt stellt und durch Zufriedenheit der Kunden auf langfristigen<br />
Geschäftserfolg sowie Nutzen für die Mitglieder der Organisation und für die Gesellschaft zielt. ISO 8402<br />
zit. nach Göhringer/Keck/Köppe/Schröter, Qualitätsmanagementsysteme, S. 14.<br />
214 Vgl. Göhringer/Keck/Köppe/Schröter, Qualitätsmanagementsysteme, S. 14. Vgl. ausserdem Frehr, Total Quality<br />
<strong>Management</strong>, S. 31ff. Frehr geht bei seiner Definition von TQM von so genannten TQM-Bausteinen aus, die<br />
weitgehend den acht Grundsätzen der der ISO-Normen entsprechen. Seine TQM-Bausteine umfassen: <strong>Management</strong><br />
by Objectives, Kundenorientierung des gesamten Unternehmens, Interne und externe Kunden-<br />
Lieferantenbeziehungen, Null-Fehler-Programme (Zero-Defect), Prozessorientierung, Kontinuierliche Verbesserung<br />
(Continuous Improvement), Einbeziehung und Schulung aller Mitarbeiter, <strong>Management</strong> Audits.<br />
215 Der Grundsatz der ständigen Verbesserung ist fester Bestandteil des Paradigmawechsels und ursprünglich unter<br />
dem japanischen Begriff „Kaizen“ bekannt geworden, der für ein in vielen kleinen Schritten auf allen Ebenen<br />
systematisch betriebenes Verbesserungsmanagement steht.<br />
97
• Sachbezogener Ansatz zur Entscheidungsfindung 216<br />
• Lieferantenbeziehungen zum gegenseitigen Nutzen. 217<br />
Als Alternative zu den bereits genannten Qualitätsmanagementsystemen wird häufig die<br />
Zertifizierung nach ISO 9000ff verstanden. 218<br />
Der Wert dieser Zertifizierung ist allerdings in Fachkreisen nicht unumstritten. Mit ihr<br />
kann zwar die Konformität der operativen Prozesse einer Unternehmung mit relevanten<br />
Minimalstandards nachgewiesen werden, wodurch möglicherweise auch im Marketing<br />
eine positive Imagewirkung entfaltet werden kann. Jedoch bietet das Zertifikat für den<br />
Kunden kaum eine verlässliche Garantie für ein qualitativ hochstehendes Niveau der zu<br />
erwerbenden Produkte oder Dienstleistungen. 219 Über diese Kritik hinaus wird von einigen<br />
Autoren sogar die These vertreten, dass die Orientierung an detaillierten operativen<br />
Prozessnormen des ISO 9000ff einem modernen Qualitätsverständnisses entgegensteht.<br />
216 Der Grundsatz des sachbezogenen Ansatzes zur Entscheidungsfindung verweist auf die statistischen Methoden<br />
mit denen Prozessfehler beurteilt und schliesslich antizipiert werden sollen. Diese Methoden gehen auf Deming<br />
und Shewhart zurück und kommen gegenwärtig im Six Sigma Ansatz stark zum Ausdruck. In diesem Zusammenhang<br />
ist insbesondere die statistische Prozessüberwachung (SPC bzw. <strong>St</strong>atistical Process Control) zu erwähnen,<br />
bei der es darum geht, die Ursachen hinter Variationen von Prozessen auch mit Hilfe statischer Methoden<br />
besser zu verstehen. Insbesondere sollen dabei so genannte chronische Ursachen (common causes) von sporadischen<br />
Ursachen (special causes) unterscheidbar gemacht werden, wobei letztere meist konkreten verursachenden<br />
Faktoren zugeschrieben werden können. Diese Unterscheidung soll das <strong>Management</strong> in die Lage versetzen, das<br />
System und die Ursachen von Schwankungen wirklich zu verstehen, um so sachlich richtige Korrekturmassnahmen<br />
anzuordnen. Denn “verbessern lässt sich nur, was man versteht“. Vgl. Glauser, Qualität Quo Vadis, S. 12 ff.<br />
wo das „System of Profound Knowledge“ bzw. das „System umfassenden Wissens“ nach Deming dargestellt<br />
wird, und zwar im Kontext der statistischen Prozessüberwachung, die auf Shewhart zurückgeht. Zu den Hintergründen<br />
der statistischen Prozessüberwachung nach Shewhart vgl. auch Wheeler/Chambers, Understanding <strong>St</strong>atistical<br />
Process Control, S.37ff.<br />
217 Die Lieferantenbeziehungen zum gegenseitigen Nutzen nehmen Bezug auf ein umfassendes Qualitätsverständnis<br />
mit einer Kundenorientierung, die auch auf interne Kunden ausgerichtet ist. Auch aus der Prozessorientierung<br />
des neuen Paradigmas ergibt sich die aktive Auseinandersetzung mit den Prozessschnittstellen zu internen und<br />
externen Lieferanten, damit hier mit Massnahmen der Qualitätsverbesserung angesetzt werden kann. Zu den<br />
Hintergründen der Qualitätsprinzipien vgl. auch ISO, Quality <strong>Management</strong> Principles, S. 1ff.<br />
218 Vgl. hierzu ISO, The Basics, S. 3; Quality <strong>Management</strong> Principles, S.1. Zu den Unterschieden zwischen I-<br />
SO9000ff einerseits und Qualitätsmanagementsystemen wie dem EFQM-Modell vgl. Kirstein, Von ISO zu<br />
TQM, S.2ff.<br />
219 Dafür gibt es neben der weitgehenden Beschränkung der ISO-Normen auf operative Prozesse noch einen weiteren<br />
Grund: Es ist nämlich durchaus möglich, dass einzelne Unternehmungen ihre Telefonzentrale oder ihr Pförtnerhäuschen<br />
zertifizieren lassen, um damit im Marketing den Anschein zu erwecken, alle Prozesse wären ISOzertifiziert.Simon,<br />
Quo Vadis Qualitätsmanagement, S. 5.<br />
98
Hinter diesen Normen stehe der Grundgedanke der Lenkbarkeit einer Organisation und<br />
die Vorstellung von der Beherrschbarkeit sozialer Prozesse aus dem Taylorismus. 220<br />
Zusammenfassend lässt sich Total Quality <strong>Management</strong> als eine <strong>Management</strong>methode<br />
und Philosophie bezeichnen, die darauf abzielt, jedem Mitglied einer Organisation Verantwortung<br />
dafür zu übertragen, dem Endkunden für ihn relevante Qualität zu liefern.<br />
Dabei wird jede Teilaufgabe als ein Prozess angesehen, der in Kunden-Lieferanten-<br />
Beziehungen zu anderen Prozessen steht. Das Ziel jeder Prozessstufe ist die Definition<br />
von Kundenanforderungen, die in der praktischen Umsetzung dann möglichst genau getroffen<br />
werden sollen. Auf diese Weise sollen die Erwartungen der Endkunden möglichst<br />
weit übererfüllt werden, bei einer gleichzeitigen Minimierung der Kosten. Als Konsequenz<br />
soll sich neben zufriedenen Kunden auch eine starke Wettbewerbsposition für das<br />
Unternehmen ergeben, die von hohen Renditen für die Investoren und sicheren Arbeitsplätzen<br />
für die Mitarbeiter begleitet ist. Darüber hinaus wird vielfach auch die möglichst<br />
weitgehende Erfüllung der Interessen von weiteren Anspruchsgruppen angestrebt, so dass<br />
beispielsweise die Wahrnehmung der gesellschaftlichen Verantwortung zum integralen<br />
Bestandteil des Verständnisses von TQM werden kann.<br />
Trotz der einleuchtenden Argumentationskraft vieler Grundsätze des Qualitätsmanagement<br />
stellte man fest, dass die reine Ausrichtung des <strong>Performance</strong> <strong>Management</strong> auf Qualität<br />
und Produktivität vielfach nicht ausreicht. In einigen Industrien kam es so weit, dass<br />
die Unternehmen mit der besten Qualität ihrer Branche Konkurs anmelden mussten. 221<br />
Ein Grund dafür, dass viele Unternehmen ihr TQM-Programm zu Beginn der 90er Jahre<br />
wieder einstellten, war die damalige ökonomische Krise. Mit traditionellen hierarchischen<br />
<strong>St</strong>rukturen und autoritärer Führung lassen sich Entscheide schneller - und vermeintlich<br />
Krisen-gerechter - durchsetzen als mit dem Mitarbeiter-„Empowerment“-<br />
Ansatz des TQM. Von vielen Experten wird diese Krisen-bedingte Abkehr aber als Fehler<br />
angesehen, da auch radikale, schnelle Entscheide bei richtiger Anwendung mit TQM<br />
vereinbar sind. 222<br />
220 Die Rolle der obersten Leitung würde in den ISO-Normen so stark betont, dass sie primär eine Führung über<br />
traditionelle hierarchische <strong>St</strong>rukturen suggeriert. Zudem konnte der empirische Nachweis über eine höhere Qualitätsfähigkeit<br />
der ISO-zertifizierten Unternehmen nicht erbracht werden. Vgl. Simon, der ein Zitat von Tom Peters<br />
nennt „Die ISO-Bürokraten haben den TQM-Gedanken gekillt“ und auch Malorny und Kassebohm anführt,<br />
die die ISO-Normen in Frage stellen, „da diese keine strukturellen und unternehmensspezifischen Gegebenheiten<br />
berücksichtigen“, Simon, Quo Vadis Qualitätsmanagement, S. 3ff, zum empirischen Nachweis vgl. Malorny/Kassebohm:<br />
Brennpunkt TQM, S.245 zit. nach Simon, Quo Vadis Qualitätsmanagement, S. 4.<br />
221 Wilkinson / Willmott, Quality <strong>Management</strong>, S. 55. Paul Niven, Introduction to <strong>Performance</strong> Measurement, S. 2.<br />
222 vgl.Ferrazzi/Haley/Cross/Broadhead/de Sousa/Lawler/Francis, Can TQM Survive in the Downsized Mueller<br />
Chemical Company?, Seven experts consider MCC’s options, HBR May-June 1993.<br />
99
Viele der Ansatzpunkte des TQM scheinen für das <strong>Airline</strong> <strong>Performance</strong> <strong>Management</strong><br />
sehr angebracht zu sein. Die Forderung nach einer Darstellung der Beiträge zu Dissatisfiers<br />
und zur Reisezeit des Kunden korrespondiert mit der von TQM angestrebten ganzheitlichen<br />
Ausrichtung des Unternehmens auf die Bedürfnisse des Endkunden. Der Notwendigkeit<br />
bei den <strong>Airline</strong>s aufgrund von Prozessfehlern und Engpässen entstehende<br />
Kosten und Ertragsausfälle zu reduzieren, kommt der prozessorientierten Ansatz des<br />
TQM und das Konzept der Qualitätskosten ebenfalls entgegen. 223 Die eigentliche Herausforderung<br />
besteht jedoch darin, das <strong>Airline</strong> <strong>Performance</strong> <strong>Management</strong> möglichst vollständig<br />
zu unterstützen, und dabei die Einfachheit und Klarheit der <strong>Management</strong>systeme<br />
noch voll zu gewährleisten. Hierzu ist es unter anderem nötig, die zentralen Erfolgsbeiträge<br />
eines Unternehmens mittels nur weniger, unternehmensweit gültiger Kennzahlen<br />
ausdrücken zu können. Weder die TQM-Grundsätze noch die konkret ausgestalteten <strong>Management</strong>systeme<br />
Deming Application Prize, EQA/EFQM oder MBNQA konnten hier<br />
eine wirklich überzeugende Lösung für <strong>Airline</strong>s anbieten. Denn die Einfachheit in der<br />
Konzeption ist notwendig, wenn die unternehmensweite Ausrichtung auf den Kunden<br />
und das Gesamtergebnis nicht in einer übermässigen Bürokratie ausarten soll. Die Praxis<br />
hat leider gezeigt, dass diese Gefahr nicht von der Hand zu weisen ist. 224 Häufig ist der<br />
Fokus von Qualitätsmanagementsystemen so stark auf <strong>St</strong>atistik, technische Planung und<br />
Verwaltungsabläufe ausgerichtet, dass der Verlust durch Bürokratie die Gewinne durch<br />
Qualitätsverbesserung wieder mehr als zunichte macht. Dem TQM kann auf diese Weise<br />
in der Praxis die Ergebnisorientierung verloren gehen.<br />
3.2.5 Klassische finanzielle Führung<br />
Unter der klassischen finanziellen Führung wird hier das <strong>Management</strong> auf der Basis von<br />
typischen, seit Jahrzehnten weit verbreiteten Instrumenten des finanziellen und betrieblichen<br />
Rechnungswesens verstanden.<br />
223 Zu Darstellungen der unterschiedlichen Arten von Qualitätskosten sowie zu den Möglichkeiten der Qualitätskostenerfassung<br />
im Zusammenhang mit TQM vgl. Göhringer/Keck/Köppe/Schröter, Qualitätsmanagementsysteme,<br />
S. 19ff.<br />
224 Wruck/Jensen, Sience, Specific Knowledge and Total Quality <strong>Management</strong>, S.248, zit. nach Freiesleben, Technology-Rooted<br />
Delivery Quality, S.248.<br />
100
101<br />
Finanzielles Rechnungswesen<br />
Jahres-<br />
Quartals- und<br />
Monatsabschlüsse,<br />
Bewertungen,<br />
Liquiditätsbeurteilung<br />
(nach<br />
(nach<br />
aussen<br />
aussen<br />
gerichtet)<br />
gerichtet)<br />
Bilanz<br />
Erfolgsrechnung<br />
Mittelflussrechnung<br />
Eigenkapitalverwendung<br />
Betriebliches Rechnungswesen<br />
Kostenartenrechnung<br />
Kostenstellenrechnung<br />
Kostenträgerrechnung<br />
Investitionsrechnung<br />
(nach<br />
(nach<br />
innen<br />
innen<br />
gerichtet)<br />
gerichtet)<br />
Abbildung 3-6: Instrumente der klassischen finanziellen Führung<br />
Geschäfts-,<br />
Budget-,<br />
Investitionsplanung<br />
und<br />
-steuerung<br />
Bei der Unterscheidung zwischen finanziellem Rechnungswesen und betrieblichen Rechnungswesen<br />
werden häufig auch die Begriffe externes vs. internes Rechnungswesen, Finanzbuchhaltung<br />
vs. Betriebsbuchhaltung oder auch auf englisch Financial Accounting<br />
vs. <strong>Management</strong> Accounting verwendet. Auch wenn die Unterscheidung der beiden Gebiete<br />
in den Grundzügen von den meisten Autoren sehr ähnlich vorgenommen werden,<br />
gibt es dennoch verschiedene Ansichten dazu, wo die Grenzen der beiden Gebiete des<br />
Rechnungswesens zu anderen Gebieten der Führung mit Finanzkennzahlen genau zu setzen<br />
sind. 225 Das finanzielle Rechnungswesen dient vor allem der nach aussen gerichteten<br />
Information an Anspruchsgruppen des Unternehmens. Das betriebliche Rechnungswesen<br />
dient primär der nach innen gerichteten Information, Planung, <strong>St</strong>euerung und Kontrolle.<br />
226<br />
Seit Beginn der Betriebswirtschaft hat es Ansätze gegeben, auf Basis von Finanzinformationen<br />
systematisch <strong>Performance</strong> <strong>Management</strong> zu betreiben. Dafür gibt es viele Beispiele.<br />
Die ersten Spuren einer auf einem echten Zahlensystem227 basierten Buchhaltung lassen<br />
sich bis in den mittleren Osten des Jahres 3100 v. Chr. zurückverfolgen. 228 Eine strukturierte<br />
<strong>Performance</strong> Analyse mit Soll-Ist Abweichungen auf Basis von Budgets, die<br />
schliesslich verantwortlichen Personen zugewiesen wurden, konnte schon für englische<br />
225 Vgl. beispielsweise Haberstock, Kostenrechnung; Kleinschmidt, vom betrieblichen Rechnungswesen zum Controlling;<br />
Falterbaum/Beckmann, Buchführung und Bilanz; Tanne, Kostenrechnung. Hier finden sich auch detaillierte<br />
Beschreibungen über die Abschlussrechnungen und daraus abgeleitete Kennzahlen, sowie über die klassischen<br />
in Abbildung 3-6 aufgeführten Instrumente des betrieblichen Rechnungswesens.<br />
226 Zur gegenwärtigen Anwendung der klassischen Budgetierungsinstrumente vgl. z.B. Robert G. Finney, Essentials<br />
of Business Budgeting; Tony Hope and Jeremy Hope, Transforming the Bottom Line.<br />
227 Ein Zahlensystem, das auf Symbolen für 1, 2, 3 etc. basiert.<br />
228 Schmandt-Besserat, From Counting to Cuneiform, S. 192.
Benediktinerkloster des 13. Jahrhunderts nachgewiesen werden229. Ebenso konnte man<br />
feststellen, dass Formen der Investitionsrechnung mit Barwertanalyse schon in der Zeit<br />
um 1340 in Florenz eingesetzt wurden. 230 Die doppelte Buchhaltung, die die eigentliche<br />
Basis des finanziellen Rechnungswesens darstellt, hat sich aber wahrscheinlich erst im<br />
späten 15. Jahrhundert entwickelt. Die erste bekannte Schrift über die doppelte Buchhaltung<br />
ist das 1494 vom venezianischen Autor Luca Pacioli veröffentlichte Buch „Summa<br />
de arithmetica“. 231 Bezüglich der Kostenrechnung des betrieblichen Rechnungswesens<br />
fand eine wichtige Entwicklung der theoretischen Grundlagen im Zeitraum zwischen<br />
1880 und 1920 statt, und zwar vornehmlich in den USA. Die treibende Kraft dabei waren<br />
Ingenieure, die inspiriert vom sich gerade entwickelnden Taylorismus die konzeptionellen<br />
Grundlagen für <strong>St</strong>andardkostenrechnung und Budgetkontrolle legten. 232<br />
Zu diesen neueren Modellen der finanziellen Führung werden auch die Value Based <strong>Management</strong><br />
Konzepte gezählt, trotzdem sich Investitionsrechnung und Barwertanalyse bis<br />
ins Mittelalter zurückverfolgen lassen. 233 Als bedeutende Weiterentwicklung auf dem<br />
Gebiet des betrieblichen Rechnungswesens wird häufig auch das Activity Based Costing<br />
(ABC) genannt. Dabei handelt es sich um eine Methode, der prozessorientierten Gemeinkostenverrechnung,<br />
bei der die Kosten zuliefernder Prozesse nach dem Kriterium der dort<br />
erzielten Wertschöpfung auf die Kundenprozesse verteilt werden. Wo ein zuliefernder<br />
229 J.S. Drew, Manorial accounts, S. 21., zit. nach Scorgie, Progenitors of modern management accounting concepts,<br />
S. 51 ff.<br />
230 Vgl. Abschnitt 3.2.1 auf S. 80. G. W. Smith, History of Interest Calculations, Journal of Industrial Engineering,<br />
Vol. 18, 1967, S. 569-574, zit. nach Scorgie, Evolution of the Application of Present Value, S. 238.<br />
231 Pacioli, Summa de arithmetica zit. nach Partridge, accounting’s conceptual scheme, S. 6. Der Entwicklung und<br />
Verbreitung der doppelten Buchhaltung standen dabei erhebliche Widerstände entgegen. Denn mindestens bis<br />
ins 16. Jahrhundert hinein waren in Europa für den urkundlichen Gebrauch meist römische Zahlen vorgeschrieben,<br />
mit denen sich die für die doppelte Buchhaltung nötigen Berechnungen nur wesentlich schwerer durchführen<br />
liessen, als mit arabischen Zahlen. Mit zunehmender Überwindung dieser Widerstände konnten sich jedoch<br />
die Abschlussrechnungen des finanziellen Rechnungswesens im Laufe der folgenden Jahrhunderte immer mehr<br />
verbreiten. Vgl. Chatfield, Roman Numerals, S. 505.<br />
232 Die Ursprünge der <strong>St</strong>andardkostenrechnung werden von einigen Autoren sogar schon auf das beginnende 19.<br />
Jahrhundert datiert, als erste <strong>St</strong>andards in der U.S. Militärakademie Westpoint zur Anwendung kamen, die später<br />
von Eisenbahngesellschaften übernommen wurden. Boyns, Accounting History, S. 3f. Einen bedeutenden Beitrag<br />
zur Entwicklung der Kostenrechnung hat Schmalenbach in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts geleistet.<br />
Auf ihn geht nicht nur die Grundsystematik der Kostenarten-, Kostenstellen- und Kostenträgerrechnung zurück.<br />
Er hat sich auch intensiv mit den Konzepten der Grenzkosten und der Opportunitätskosten auseinandergesetzt<br />
und hier eine entsprechende Basis zur Weiterentwicklung von Entscheidungsrechnungen legen können. Vgl.<br />
Kilger, Schmalenbachs Beitrag zur Kostenlehre und Riebel, Einzelkosten- und Deckungsbeitragsrechnung.<br />
233Vgl. Abschnitt 3.2.1 auf S. 80. G. W. Smith, History of Interest Calculations, Journal of Industrial Engineering,<br />
Vol. 18, 1967, S. 569-574, zit. nach Scorgie, Evolution of the Application of Present Value, S. 238.<br />
102
Prozess keine Wertschöpfung erzielt, ergeben sich so genannte „non-value-added activities“,<br />
die im Rahmen eines Activity Based <strong>Management</strong> (ABM) kontinuierlich reduziert<br />
werden müssen. 234 Auch wenn das ABC einige neue Elemente und Sichtweisen einbringen<br />
kann, so stellt man doch fest, dass die elementaren Grundprinzipien dieser Prozesskostenverrechnung<br />
schon bei der Gemeinkostenverrechnung nach Schmalenbach zu finden<br />
sind. 235<br />
Für das <strong>Airline</strong> <strong>Performance</strong> <strong>Management</strong> sind die Instrumente der klassischen finanziellen<br />
Führung unverzichtbar. Sie bilden nicht nur die Basis für die Finanzberichterstattung<br />
an die Shareholders sondern sie ermöglichen auch die Ausrichtung der Führung auf eine<br />
positive Wertentwicklung hin. Um diese Wertentwicklung sicherzustellen, sind auch <strong>Airline</strong>s<br />
darauf angewiesen, ihre Erträge und Kosten in den klassisch strukturierten Planungs-<br />
und Entscheidungsrechnungen des betrieblichen Rechnungswesens abbilden zu<br />
können. Alle <strong>Airline</strong>-spezifischen <strong>Performance</strong> <strong>Management</strong> Konzepte, die in Abschnitt<br />
3.3 dargestellt werden, und auch der in Kapitel 4 vorgeschlagene Ansatz des AVCMS<br />
basieren auf grundlegenden Instrumenten der klassischen finanziellen Führung.<br />
3.2.6 Übrige Konzepte<br />
Angesichts der breiten Definition des Begriffes <strong>Performance</strong> <strong>Management</strong>, die in Abschnitt<br />
3.1 zugrunde gelegt wurde, ist es kaum möglich, alle jemals entwickelten Industrie-unabhängigen<br />
<strong>Performance</strong> <strong>Management</strong> Konzepte und Trends zusammenzutragen<br />
und im Hinblick auf ihre Eignung für das <strong>Airline</strong> <strong>Performance</strong> <strong>Management</strong> zu untersuchen.<br />
Daher wurden in den vorangehenden Abschnitten bis diejenigen Konzepte betrachtet,<br />
die nach der hier vertretenen Ansicht als besonders repräsentativ für die Unternehmenspraxis<br />
und für andere in der Diskussion stehende <strong>Performance</strong> <strong>Management</strong> Ansätze<br />
gelten können, und die zudem auch über das Potential verfügen, einen Beitrag zum Aufbau<br />
eines wirksamen <strong>Airline</strong> <strong>Performance</strong> <strong>Management</strong> Systems leisten zu können.<br />
Bezüglich der in Abschnitt 3.2.5 dargestellten klassischen finanziellen Führung wurde<br />
schon erwähnt, dass eine ganze Reihe von <strong>Performance</strong> <strong>Management</strong> Konzepten in weiten<br />
Teilen auf sie zurückgeht. Ähnliches gilt auch für die Instrumente des TQM, die Sco-<br />
234 Billington, Activity-Based Costing and <strong>Management</strong>, S. 3-4.<br />
235 Sofern die Gemeinkostenverrechnung nach inhaltlich korrekt definierten Kostenschlüsselungsmechanismen<br />
erfolgt und die Prozesse inhaltlich korrekt abgegrenzten Kostenstellen zugewiesen werden, kann man mit der<br />
klassischen Methodik prinzipiell zu den gleichen Resultaten der Kostenverrechnung gelangen, wie mit ABC.<br />
103
ecard Konzepte und das Value Based <strong>Management</strong>. 236 Es gibt viele <strong>Management</strong>konzepte<br />
mit ähnlichem Aufbau oder vergleichbarer Zielrichtung, allerdings haben sich diese<br />
teilweise auch unabhängig von den oben genannten Konzepten entwickelt. Für eine vollständige<br />
Systematisierung von <strong>Performance</strong> <strong>Management</strong> Konzepten kann auf die darauf<br />
spezialisierte Literatur verwiesen werden. 237<br />
3.3 <strong>Airline</strong>-spezifische <strong>Performance</strong> <strong>Management</strong> Konzepte<br />
Im Laufe der Entwicklung der <strong>Airline</strong> Industrie hat sich eine Reihe Industrie-spezifischer<br />
Konzepte herausbilden können, die zum Teil weite Verbreitung gefunden haben. Einige<br />
Kennzahlen und <strong>St</strong>andards haben sich soweit etabliert, dass sie von Aktionären und Finanzanalysten<br />
zur Beurteilung der Geschäftslage verlangt werden und eine Berichterstattung<br />
nach aussen ohne diese Messgrössen kaum möglich erscheint. Andere etablierte <strong>Airline</strong>-spezifische<br />
<strong>Management</strong>konzepte und -instrumente leiten sich aus dem klassischen<br />
Geschäftsmodell eines Flag Carriers ab. Eine Herausforderung im <strong>Airline</strong> <strong>Performance</strong><br />
<strong>Management</strong> liegt nun darin, die langjährig etablierten Kennzahlen und <strong>Management</strong>konzepte<br />
an die neuen Anforderungen, die durch die in Abschnitt 2.3 dargestellten aktu-<br />
236 Beispielsweise können die Wertanalyse (Customer Value Analysis bzw. CVA ) und die PIMS-<strong>St</strong>udie (Profit<br />
Impact of Market <strong>St</strong>rategy) als Methoden genannt werden, die grösstenteils unabhängig von der TQM-<br />
Bewegung weite Verbreitung und Akzeptanz gefunden haben, aber dennoch in der Zielrichtung wichtige Parallelen<br />
zu ihr aufweisen. Vgl. Contrada, Using the Balanced Scorecard to Manage Value in Your Business, S. 4,<br />
Müller-<strong>St</strong>ewens/Lechner, <strong>St</strong>rategisches <strong>Management</strong>, S. 320ff. Dem weiteren Zusammenhang des TQM-<br />
Gedanken und der klassischen finanziellen Führung lassen sich die Enterprise Ressource Planning (ERP) Systeme<br />
zuordnen, die die Kosten- und Ressourcenseite einer Unternehmung auf möglichst allen Prozessebenen und<br />
Funktionsbereichen abzubilden suchen. Vgl. Hierzu Mathias Kirchmer, Business Process Oriented Implementation<br />
of <strong>St</strong>andard Software und Mabert/Soni/Venkataramanan, Enterprise Resource Planning, S. 73f. In den weiteren<br />
Zusammenhang der Scorecard Konzepte lassen sich unter anderem die Knowledge <strong>Management</strong> Systeme<br />
stellen, die vor allem gegen Mitte der 90er Jahre an Bedeutung gewonnen haben. Der Anlass war die Beobachtung,<br />
dass bei einem Grossteil der Unternehmungen der Substanzwert über die Jahre hinweg einen immer geringeren<br />
Anteil am Börsenwert ausmachte. Paul Niven stellt heute fest, dass 75% des Wertes einer modernen Unternehmung<br />
auf „Intangible Assets“ wie den Kenntnissen der Mitarbeiter und Kundeninformationen basieren,<br />
während 60% der Kennzahlen typischerweise Finanzkennzahlen sind. Daraus liess sich folgern, dass die „intangible<br />
Assets“ und das „Intellectual Capital“ immer mehr zur entscheidenden Quelle der Generierung von Unternehmenswert<br />
wurden. Vgl. Niven, Introduction to <strong>Performance</strong> Measurement and the Balanced Scorecard, S. 1.<br />
Einer der ersten Repräsentanten dieses Trends war der „Skandia Navigator“ der Firma Skandia, einer schwedischen<br />
Unternehmensgruppe aus dem Dienstleistungsbereich. Zum Skandia Navigator vgl. z.B. Müller-<br />
<strong>St</strong>ewens/Lechner: <strong>St</strong>rategisches <strong>Management</strong>, S.711.<br />
237 Ein Beispiel für Literaturquellen, die sich direkt mit der Systematisierung von <strong>Performance</strong> <strong>Management</strong> Systemen<br />
auseinandersetzen ist Schwaninger, <strong>Management</strong>systeme.<br />
104
ellen Entwicklungen in der europäischen <strong>Airline</strong> Industrie hervorgerufen wurden, anzupassen.<br />
Im Folgenden werden beispielhaft einige der für das <strong>Performance</strong> <strong>Management</strong> einer <strong>Airline</strong><br />
bedeutenden Industrie-spezifischen Konzepte dargestellt, und dabei auch in Hinblick<br />
auf einen möglichen Anpassungsbedarf an die neuen Bedingungen und auf ihre aktuelle<br />
Relevanz für das <strong>Airline</strong> <strong>Performance</strong> <strong>Management</strong> hin betrachtet.<br />
Die nächsten Abschnitte gliedern sich damit, entsprechend den untersuchten <strong>Airline</strong>spezifischen<br />
Konzepten, wie folgt:<br />
• Netzwerkergebnisbaum<br />
• <strong>St</strong>reckenerfolgsrechnung<br />
• Netzwerkplanung<br />
• Übrige Konzepte<br />
3.3.1 Netzwerkergebnisbaum<br />
Der Netzwerkergebnisbaum ist ein Kennzahlensystem, das einige der wichtigsten etablierten<br />
Messgrössen der <strong>Airline</strong> Industrie zueinander in Beziehung setzt. Nach einer Beschreibung<br />
der Kennzahlen des Netzwerkergebnisbaumes sollen seine Möglichkeiten und<br />
Grenzen diskutiert werden. Anschliessend findet eine Beurteilung der Relevanz dieses<br />
Kennzahlensystems für das <strong>Airline</strong> <strong>Performance</strong> <strong>Management</strong> statt.<br />
Demnach ergibt sich für die nächsten Abschnitte die folgende Gliederung:<br />
• Grundlagen des Netzwerkergebnisbaumes<br />
• Möglichkeiten und Grenzen des Netzwerkergebnisbaumes<br />
3.3.1.1 Grundlagen des Netzwerkergebnisbaumes<br />
Die Kennzahlen des in Abbildung 3-7 dargestellten Netzwerkergebnisbaumes und die<br />
Beziehungen zwischen ihnen werden im Folgenden genauer erläutert.<br />
105
Netzwerk-<br />
Ergebnis<br />
Netzwerk-<br />
Ertrag Ertrag<br />
Netzwerk-<br />
Kosten<br />
Ertrag Ertrag<br />
/RPK /RPK<br />
RPK RPK<br />
ASK ASK<br />
Kosten Kosten<br />
/ASK /ASK<br />
Abbildung 3-7: Netzwerkergebnisbaum 238<br />
Seat-Load-<br />
Factor Factor<br />
Break- Break-<br />
Even Even SLF SLF<br />
Netzwerkergebnis: Das Netzwerkergebnis stellt das operative Flugbetriebsergebnis dar,<br />
das keine Bestandteile ausserordentlicher oder nicht dem <strong>Airline</strong>-Kerngeschäft zugehöriger<br />
Ergebnisbeiträge enthält. Das Netzwerkergebnis errechnet sich aus den Netzwerkerträgen<br />
abzüglich der Netzwerkkosten.<br />
Netzwerkertrag: Der Netzwerkertrag wird als Produkt des Ertrag/RPK und der RPK dargestellt.<br />
RPK: Die RPK, die Revenue Passenger Kilometers bzw. Passagierkilometer bezeichnen<br />
die Addition aller im Flugzeug zurückgelegten Kilometer jedes einzelnen zahlenden Passagiers.<br />
Die RPK stellen damit eine <strong>St</strong>ückzahl verkaufter Einheiten dar, die entfernungsgewichtet<br />
ist.<br />
Ertrag/RPK: Der Ertrag/RPK entspricht damit auch einem entfernungsgewichteten<br />
<strong>St</strong>ückerlös oder einem Durchschnittsertrag.<br />
Netzwerkkosten: Für die Netzwerkkosten ist eine ähnliche <strong>St</strong>rukturierung erkennbar. Sie<br />
sind im Netzwerkergebnisbaum als das Produkt von ASK und Kosten/ASK dargestellt.<br />
238 Eine ähnliche Darstellung findet sich bei Heitmann/Weder: <strong>Management</strong> mit Cockpits, S. 195. Zu den Kennzahlendefinitionen<br />
vgl. auch O’Connor, <strong>Airline</strong> Economics, S.72. Hier sind die Kennzahlen in der USamerikanischen<br />
Variante auf Meilen, anstatt auf Kilometern basiert, sodass sich statt RPK RPM (Revenue Seat<br />
Miles) und statt ASK ASM (Available Seat Miles) ergeben.<br />
106
ASK: Die ASK, die Available Seat Kilometers oder Sitzkilometer bezeichnen die Addition<br />
aller im Flugzeug zurückgelegten Kilometer jedes einzelnen Sitzes, und zwar unabhängig<br />
davon, wie weit die Sitze von Passagieren besetzt waren. Die ASK stellen damit<br />
eine entfernungsgewichtete <strong>St</strong>ückzahl der produzierten Einheiten dar.<br />
Kosten/ASK: Die Kosten/ASK sind somit analog zum Ertrag/RPK auch eine entfernungsgewichtete<br />
<strong>St</strong>ückkostengrösse, allerdings mit einer anderen Basis, die die Anzahl<br />
<strong>St</strong>ück definiert.<br />
Seat-load-factor (SLF): Der Seat-load-factor (SLF) bzw. der Sitzladefaktor ist die Relation<br />
aus RPK und ASK, wobei die RPK durch die ASK dividiert werden. Der SLF stellt<br />
damit ein Entfernungs-gewichtetes Mass für die Auslastung der in Flügen bewegten Sitze<br />
dar.<br />
Break-even SLF: Der Break-even SLF ist Relation aus <strong>St</strong>ückerträgen und <strong>St</strong>ückkosten,<br />
wobei die Kosten/ASK durch die Erträge/RPK dividiert werden. Die Messgrösse gibt die<br />
Gewinnschwelle des Netzwerkergebnisses für den SLF an, d.h. den minimalen SLF, zu<br />
dem das Netzwerkergebnis positiv ausfällt.<br />
In einer Variante des Netzwerkergebnisbaumes werden statt RPK und ASK, RTK und<br />
ATK verwendet:<br />
RTK: RTK, Revenue Ton Kilometers bzw. beförderte Tonnenkilometer bezeichnet die<br />
Addition aller im Flugzeug zurückgelegten Kilometer von beförderten Tonnen gezahlter<br />
Nutzlast. Wobei sich die Nutzlast aus Passagieren und Fracht zusammensetzt.<br />
ATK: ATK, Available Ton Kilometers bzw. verfügbare Tonnenkilometer bezeichnet analog<br />
zu den ASK die Addition aller im Flugzeug zurückgelegten Kilometer von verfügbaren<br />
Tonnen Nutzlast, unabhängig von der tatsächlichen Ladung.<br />
Bei dieser Variante werden zur der Berechnung der Kennzahlen dort, wo in der ersten<br />
Variante ASK und RPK angegeben waren, ATK bzw. RPK eingesetzt. Die Durchschnittserträge<br />
sind hier also als Ertrag/RTK und die <strong>St</strong>ückkosten als Kosten/ATK definiert.<br />
Gleiches gilt für den SLF, der in der zweiten Variante als Load-Factor LF das Verhältnis<br />
aus RTK und ATK beschreibt. Der Break-Even LF ergibt sich dementsprechend<br />
aus dem Verhältnis der Kosten/ATK zum Ertrag/RTK.<br />
Die Variante auf Basis RTK/ATK erlaubt die Integration des Frachtproduktes. Beförderte<br />
Passagiere und Sitzkapazitäten können in RTK bzw. in ATK umgerechnet werden und zu<br />
der beförderten Fracht bzw. verfügbaren Frachtkapazität, ebenfalls ausgedrückt in RTK<br />
und ATK, hinzuaddiert werden. Da für die im Passagierlinienflugverkehr tätigen Gesellschaften<br />
die Frachterträge in der Regel eine eher untergeordnete Rolle spielen, liegt der<br />
107
Fokus meist auf der ersten Variante des Netzwerkergebnisbaumes, die auf RPK und ASK<br />
basiert. 239<br />
3.3.1.2 Möglichkeiten und Grenzen des Netzwerkergebnisbaumes<br />
Mit Hilfe des Netzwerkergebnisbaumes können einige der bedeutendsten etablierten Industrie-spezifischen<br />
Kennzahlen für <strong>Airline</strong>s zueinander in Beziehung gesetzt und auf<br />
ihre Wechselwirkungen hin untersucht werden.<br />
Eine der möglichen Anwendungen ist die Darstellung von Sensitivitäten einzelner Kennzahlen<br />
auf das Netzwerkergebnis. Auf diese Weise kann festgestellt werden, wie das<br />
Netzwerkergebnis sich in Abhängigkeit von Veränderungen anderer zugrundeliegender<br />
Kennzahlen verhält. Tabelle 3-1 zeigt ein Zahlenbeispiel zur Durchführung einer solchen<br />
Sensitivitätsanalyse.<br />
Ausgangsbasis<br />
Erhöhung der<br />
RPK<br />
Erhöhung<br />
der ASK<br />
Erhöhung<br />
der <strong>St</strong>ückerträge<br />
Senkung der<br />
<strong>St</strong>ückkosten<br />
Netzwerkergebnis (Mio €) 100 200 200 200 200<br />
Netzwerkertrag (Mio €) 1'600 1'700 3'200 1'700 1'600<br />
Ertrag/RPK (€) 0.20 0.20 0.20 0.21 0.20<br />
RPK (Mio) 8'000 8'500 16'000 8'000 8'000<br />
Netzwerkkosten (Mio €) 1'500 1'500 3'000 1'500 1'400<br />
Kosten/ASK (€) 0.15 0.15 0.15 0.15 0.14<br />
ASK (Mio) 10'000 10'000 20'000 10'000 10'000<br />
Seat-Load-Factor (%) 80% 85% 80% 80% 80%<br />
Break-Even SLF (%) 75% 75% 75% 71% 70%<br />
Tabelle 3-1: Zahlenbeispiel zur Sensitivitätsanalyse<br />
Im Zahlenbeispiel wird von der Zielsetzung ausgegangen, das Netzwerkergebnis von 100<br />
Mio € auf 200 Mio € zu steigern. Dabei wird für einige zugrundeliegende Kennzahlen<br />
(RPK, Ertrag/RPK, ASK, Kosten/ASK) untersucht, inwieweit sie steigen müssen, um<br />
dieses Ziel für das Netzwerkergebnis zu erreichen.<br />
Es zeigt sich, dass eine Erhöhung der RPK um 6.3% auf 8.5 Mrd. einer <strong>St</strong>eigerung des<br />
Seat-Load-Factors um 5 Prozentpunkte entspricht, und dies eine Möglichkeit darstellt,<br />
das Netzwerkergebnis zu verdoppeln. Um dasselbe Resultat bei konstant gehaltenem SLF<br />
durch eine <strong>St</strong>eigerung der ASK zu erreichen, müssen diese verdoppelt werden.<br />
239 Vgl. Abschnitt 2.2.6 zur Bedeutung der Fracht als Nebenprodukt.<br />
108
Eine <strong>St</strong>eigerung der <strong>St</strong>ückerträge um 6.2% oder eine Senkung der <strong>St</strong>ückkosten um 6.7%<br />
führt ebenfalls zur Erreichung des Ziels auf dem Netzwerkergebnis, während gleichzeitig<br />
der Break-Even SLF um 4 bzw. 5 Prozentpunkte sinkt.<br />
Der Seat-Load-Factor lässt sich auch auf andere Bezugsgrössen anwenden als auf das<br />
gesamte Netzwerk einer <strong>Airline</strong>. Auch für Netzwerkregionen, für <strong>St</strong>recken oder für einzelne<br />
Flüge können die RPK und ASK ermittelt und gegenübergestellt werden.<br />
Wenn entsprechende Schlüsselungen von Kosten und Erträgen vorgenommen werden,<br />
können auf diesen Ebenen auch die anderen Kennzahlen des Netzwerkergebnisbaumes<br />
angewandt werden. Diese Schlüssellungen können jedoch zu irreführenden Resultaten<br />
führen, wie in Abschnitt 3.3.2 über die <strong>St</strong>reckenerfolgsrechnung dargelegt wird.<br />
Die Kennzahlen des Netzwerkergebnisbaumes weisen trotz ihrer weiten Verbreitung und<br />
hohen Akzeptanz allerdings auch wichtige Grenzen auf, von denen zwei hier kurz dargestellt<br />
werden sollen. Zum einen handelt es sich um die beschränkte Aussagekraft der<br />
Messgrösse Seat-Load-Factor, zum anderen um die Nachteile eines Mengengerüstes auf<br />
Basis RPK und ASK.<br />
Der Seat-Load-Factor geniesst als Messgrösse zwar eine hohe Akzeptanz, hat allerdings<br />
streng genommen keinen wirklichen Bezug zum Netzwerkergebnis, da die Erträge und<br />
Kosten pro <strong>St</strong>ück nicht in seine Berechnung mit einfliessen. Ein tiefer Seat-Load-Factor<br />
kann durchaus wünschenswert sein, wenn mit einer schlecht ausgelasteten Flugoperation<br />
besonders hohe Durchschnittserträge erwirtschaftet werden können, oder wenn diese Operation<br />
zu sehr tiefen Durchschnittskosten durchführbar ist. Eine <strong>St</strong>rategie, die auf die<br />
<strong>St</strong>eigerung des Seat-Load-Factors ausgerichtet ist, kann, wenn nicht genauso deutlich<br />
<strong>St</strong>ückkosten- und Durchschnittsertragsziele vorgegeben werden, zu einem steigenden<br />
Seat-Load-Factor bei gleichzeitig zurückgehendem <strong>St</strong>reckenergebnis führen. Denn es ist<br />
leicht möglich, dass zur <strong>St</strong>eigerung des SLF ausserordentliche Marketing- und Verkaufsförderungsmassnahmen<br />
ergriffen werden, die nicht nur sinkende Durchschnittserträge zur<br />
Folge haben, sondern möglicherweise, z.B. durch Marketingaufwendungen und Produktverbesserungen,<br />
sogar zu höheren <strong>St</strong>ückkosten führen. 240<br />
Die Grenzen der Messgrössen RPK und ASK werden vor allem dann ersichtlich, wenn<br />
man ihre Rolle als Bestandteil des Mengengerüstes vieler Kennzahlen und Zielsetzungen<br />
einer <strong>Airline</strong> betrachtet. Tatsächlich stehen die Erträge/RPK und die Kosten/ASK im<br />
Zentrum der Berichterstattung vieler Fluggesellschaften und nehmen daher in der Regel<br />
240 Zur Kritik an der Messgrösse SLF vgl. O’Connor, <strong>Airline</strong> Economics, S.72 und Heitmann, Total <strong>Performance</strong><br />
109<br />
<strong>Management</strong>, S. 2f.
auch eine wichtige Rolle bei der strategischen Planung und Budgetierung ein. Vielfach ist<br />
es so, dass sich Erträge und Kosten nicht so direkt proportional zu den RPK und ASK<br />
verhalten, wie dies für Messgrössen, die einen bedeutenden Teil des Mengengerüstes abbilden<br />
sollen, wünschenswert wäre. Besonders stark machen sich diese Einschränkungen<br />
bei Fluggesellschaften bemerkbar, die eine Mischung aus Lang- und Kurzstreckenflügen<br />
betreiben, und zwar vor allem dann, wenn gleichzeitig für einen hohen Anteil der Flüge<br />
lange Bodenzeiten an überlasteten oder gross dimensionierten Flughäfen in Kauf genommen<br />
werden müssen. In so einem Fall nämlich können durch zusätzliche ASK auf<br />
Kurzstreckenflügen, die Flughäfen mit langen Warte- und Rollzeiten betreffen, die Kosten<br />
stark überproportional ansteigen, so dass in der Konsequenz die Kosten/ASK zunehmen.<br />
Cash cost per ASK (US$)<br />
0.14<br />
0.12<br />
0.10<br />
0.08<br />
0.06<br />
0.04<br />
0.02<br />
easyJet<br />
Iberia Lufthansa<br />
Air France<br />
Ryanair KLM<br />
British Airways<br />
0.00<br />
0 500 1'000 1'500 2'000<br />
European <strong>Airline</strong>s 2004<br />
Average stage length (km)<br />
Abbildung 3-8: Cash Kosten/ASK vs. Durchschnittliche <strong>St</strong>reckenlänge 241<br />
SAS<br />
Die oben stehenden Abbildung 3-8 stellt für 8 europäische <strong>Airline</strong>s die liquiditätswirksamen<br />
Kosten/ASK der durchschnittlichen <strong>St</strong>reckenlänge gegenüber. Unter den Flag Carriers,<br />
zeigt sich eine klare Tendenz zu tieferen Kosten, wenn die durchschnittliche <strong>St</strong>reckenlänge<br />
zunimmt. Die Aussage ist also plausibel, dass die Kosten pro ASK auch von<br />
241 Die sog. Cash Cost sind eine von Goldman Sachs zur Bilanz- und Ergebnisanalyse von <strong>Airline</strong>s eingeführte<br />
Kategorie. Sie stellen im Wesentlichen die operativen Kosten exklusiv der Abschreibungen, Leasing- und Charterkosten,<br />
sowie anderer nicht liquiditätswirksamer Kosten dar. Zur Datenquelle siehe Abschnitt 7.9<br />
110
anderen Faktoren wesentlich beeinflusst werden, als nur von der Effizienz der Prozesse<br />
einer <strong>Airline</strong>.<br />
Ähnliches gilt auf der Ertragsseite. Die RPK auf der Kurzstrecke können einen wesentlich<br />
höheren Ertrag/RPK ausweisen als auf der Langstrecke: Ein 500 Kilometer langer<br />
Flug kostet in der Regel mehr als 5% des Verkaufspreises eines 10‘000 Kilometer langen<br />
Fluges. Soll eine <strong>Airline</strong> anhand ihrer Erträge/RPK und ihrer Kosten/ASK beurteilt werden,<br />
dann sollten gleichzeitig die Zusammensetzung des <strong>St</strong>reckennetzes und die durchschnittliche<br />
Länge eines Fluges in Kilometern in die Beurteilung einfliessen. 242<br />
Trotz der dargestellten Grenzen der Kennzahlen des Netzwerkergebnisbaumes gelten sie<br />
heute als fester Bestandteil des <strong>Airline</strong> <strong>Performance</strong> <strong>Management</strong>. Anleger und Finanzanalysten<br />
sind gewohnt, zur Beurteilung der Geschäftslage einer <strong>Airline</strong>, auf die etablierten<br />
Industriekennzahlen zurückzugreifen. Insbesondere Seat-Load-Factor, Erträge/RPK<br />
und Kosten/ASK werden in der Regel genau beobachtet und mit anderen <strong>Airline</strong>s verglichen.<br />
Da auch Industrieverbände wie die AEA243 regelmässig diese Daten von ihren Mitgliedern<br />
erheben und auch Benchmarking-Vergleiche auf Ebene einzelner Kostenarten/ASK<br />
bzw. Ertragsarten/RPK organisieren, kann hier von Industriestandards gesprochen<br />
werden. Auf der Ausgangsgrösse des Netzwerkergebnisbaumes, dem Netzwerkergebnis,<br />
können Bewertungsmodelle wie EVA aufbauen, die den Shareholder Value berechnen.<br />
244 Entlang der Baumstruktur ist dann auch eine Plausibilisierung des Shareholder<br />
Value möglich. Vor dem Hintergrund der genannten Grenzen der Kennzahlen des Netzwerkergebnisbaumes<br />
ist jedoch zu diskutieren, ob nicht eine andere Form der Plausibilisierung<br />
mit geeigneteren Messgrössen für <strong>St</strong>ückerträge und –kosten den Anteilseignern<br />
noch wertvollere Hintergrundinformationen liefern könnte. Eine entsprechende Alternative<br />
wird im Rahmen des AVCMS zur Verfügung gestellt.<br />
3.3.2 <strong>St</strong>reckenerfolgsrechnung<br />
Die <strong>St</strong>reckenerfolgsrechnung ist die <strong>Airline</strong>-spezifische Variante einer Kostenträgerrechnung.<br />
Sie soll die Profitabilität von Flügen, <strong>St</strong>recken oder Teilen des <strong>St</strong>reckennetzes<br />
ausweisen. Die <strong>St</strong>reckenerfolgsrechnung zählt daher in erster Linie zu den Instrumenten<br />
242 Vgl. O’Connor, <strong>Airline</strong> Economics, S.72f.<br />
243 Association of European <strong>Airline</strong>s<br />
244 Dazu ist unter anderem die Prognose der zukünftigen Entwicklung des Netzwerkergebnisbaumes notwendig.<br />
Vgl. zur Bewertung nach EVA Abschnitt 3.2.2 auf Seite 87ff.<br />
111
des Decision Support. Relevanz für das Responsibility Accounting erhält sie dort, wo<br />
Verantwortliche für Teile des <strong>St</strong>reckennetzes eingesetzt werden. 245<br />
In Abschnitt 2.2.5 wurde bereits dargestellt, dass die Erträge und Kosten einer <strong>Airline</strong><br />
einer Reihe von Verbundenheiten unterliegen. Ein Grossteil der Erträge und Kosten kann<br />
nicht direkt einzelnen Flügen oder <strong>St</strong>recken zugewiesen werden, so dass Schlüsselungen<br />
zwangsläufig notwendig werden, wenn der Betriebsgewinnbeitrag für einzelne <strong>St</strong>recken<br />
ausgewiesen werden soll.<br />
Nach der hier vertretenen Ansicht ist das Ausweisen eines Betriebsgewinnes auf <strong>St</strong>reckenebene,<br />
wie es von der klassischen Form der <strong>St</strong>reckenerfolgsrechnung angestrebt<br />
wird, mindestens für die Flag Carriers246 nicht sinnvoll, sondern irreführend. Denn dazu<br />
muss ein so wesentlicher Teil der Erträge und Kosten mit Schlüsselungen verteilt werden,<br />
dass die Aussagekraft eines <strong>St</strong>reckengewinnbeitrages für die meisten zu treffenden Entscheidungen<br />
verloren geht. Wenn es z.B. um den Erhalt oder das Einstellen einer <strong>St</strong>recke<br />
geht, wird als Entscheidungshilfe ein echter Gewinnbeitrag benötigt, d.h. die Prognose<br />
der Veränderung des Unternehmensgewinnes bei Einstellen der Verbindung. Was die<br />
klassische <strong>St</strong>reckenerfolgsrechnung jedoch ausweist ist ein Betriebsgewinnbeitrag, der<br />
viele allgemeine Fixkostenanteile enthält, die sich nicht in Abhängigkeit davon ändern<br />
werden, ob die <strong>St</strong>recke erhalten bleibt oder nicht. Der Umgang mit solchen <strong>St</strong>reckengewinnbeiträgen<br />
ist deswegen irreführend, weil keine Entscheidungssituationen vorstellbar<br />
sind, für die sie Relevanz gewinnen können.<br />
Die Alternative zur klassischen <strong>St</strong>reckenerfolgsrechnung ist eine Netzwerkdeckungsbeitragsrechnung,<br />
die bestehende Verbundenheiten nicht mit irreführenden Schlüsselungen<br />
verdeckt, sondern für jede zu treffende Entscheidung die relevante Information in bestmöglicher<br />
Form bereitstellt.<br />
Bevor auf die Netzwerkdeckungsbeitragsrechnung und die möglichen Konsequenzen einer<br />
in irreführender Weise zum Einsatz kommenden <strong>St</strong>reckenerfolgsrechnung eingegangen<br />
wird, sollen die Kostendimensionen und die Kostenverteilung einer <strong>Airline</strong> näher<br />
betrachtet werden. Schliesslich kann dann, analog zu den Konzeptbetrachtungen in den<br />
vorangehenden Abschnitten, eine Beurteilung der Möglichkeiten und Grenzen der <strong>St</strong>re-<br />
245 Als Verantwortlich für den <strong>St</strong>reckenerfolg können z.B. interdisziplinäre Teams eingesetzt werden, in denen Mitarbeiter<br />
aller Funktionen vertreten sind, die den Erfolg einer bestimmten <strong>St</strong>recke beeinflussen.<br />
246 In Abschnitt 2.2.5 wurde bereits dargestellt, warum die Verbundenheiten bei den No Frills <strong>Airline</strong>s wesentlich<br />
geringer ausfallen als bei den Flag Carriers. Für No Frills <strong>Airline</strong>s ist daher der sinnvolle Einsatz einer klassischen<br />
<strong>St</strong>reckenerfolgsrechnung eher vorstellbar.<br />
112
ckenerfolgsrechnung im Hinblick auf das <strong>Airline</strong> <strong>Performance</strong> <strong>Management</strong> vorgenommen<br />
werden.<br />
Die nächsten Abschnitte gliedern sich damit wie folgt:<br />
• Kostendimensionen einer <strong>Airline</strong><br />
• Kostenverteilung einer <strong>Airline</strong><br />
• Netzwerkdeckungsbeitragsrechnung<br />
• Klassische <strong>St</strong>reckenerfolgsrechnung<br />
• Möglichkeiten und Grenzen der klassischen Darstellung des <strong>St</strong>reckenerfolges<br />
3.3.2.1 Kostendimensionen einer <strong>Airline</strong><br />
Eine wichtige Voraussetzung für das Verständnis der Kostenstruktur einer <strong>Airline</strong>, auf<br />
der eine <strong>St</strong>reckenerfolgs- oder Netzwerkdeckungsbeitragsrechnung aufgebaut werden<br />
kann, ist die Transparenz der Kosten in den Dimensionen, in denen <strong>Management</strong>entscheide<br />
getroffen werden können. Einzelne Reisen können zu verschieden hohen Preisen<br />
angeboten werden oder nicht, einzelne Flüge können durchgeführt werden oder nicht. Für<br />
diese Art von Entscheidungen wird von einer Kostenträgerrechnung eine Hilfestellung<br />
erwartet. Die durch die Entscheidungsvarianten eintretende Kostenfolge muss daher verstanden<br />
und darstellbar gemacht werden.<br />
Nach der Zuordenbarkeit im Sinne des Konzeptes der direkten Kosten247, lassen sich die<br />
folgenden 7 wesentlichen Kostendimensionen definieren:<br />
• Reise-direkte Kosten, die sich wie die Erträge direkt auf die gesamte Reise eines Passagiers<br />
mit der <strong>Airline</strong> beziehen.<br />
• Passagier-direkte Kosten, die sich innerhalb eines Fluges direkt auf den einzelnen<br />
Passagier beziehen.<br />
• Flug-direkte Kosten, die direkt durch die Durchführung eines individuellen Fluges<br />
verursacht werden, unabhängig von der Anzahl Passagiere.<br />
• Rotations-direkte Kosten, die direkt die Ressourcen betreffen, die im Hinblick auf<br />
eine Rotation eingesetzt werden, d.h. vor allem Crews.<br />
247 Nach dem Konzept der direkten Kosten, werden all diejenigen Kosten als direkt zum Bezugsobjekt bezeichnet,<br />
die ausschliesslich und direkt durch dieses Bezugsobjekt verursacht werden. Gemeinkosten sind also ausgeschlossen.<br />
Fällt das Bezugsobjekt weg, fallen auch die direkten Kosten dieses Bezugsobjektes weg. Man kann<br />
die direkten Kosten eines Objektes auch als Kosten der Entscheidung für das Bezugsobjekt bezeichnen. Vgl.<br />
hierzu auch z.B. Horngren/Foster Cost Accounting, S. 411f.<br />
113
• Flotten-direkte Kosten, die dadurch entstehen, dass eine bestimmte Flotte bereitgehalten<br />
wird, unabhängig vom Einsatz der Flotte.<br />
• Destinations-direkte Kosten, die nur entstehen, weil man eine bestimmte Destination<br />
anfliegt und dafür Betreuungspersonal und Infrastruktur bereithält.<br />
• Verwaltungskosten, d.h. alle übrigen, nicht als direkt aufgeführten Kosten.<br />
Es lassen sich zweifelsohne noch andere mögliche Bezugsobjekte definieren, die für einige<br />
Dienststellen beim Treffen von Entscheidungen von Bedeutung sind. Beispiele sind<br />
Kunden-direkte Kosten, Allianz-direkte Kosten, direkte Kosten eines Vertriebskanals etc.<br />
Wenn es aber wie hier in erster Linie um die Beurteilung des <strong>St</strong>reckenerfolges geht, sind<br />
diese Dimensionen von untergeordneter Bedeutung.<br />
3.3.2.2 Kostenverteilung einer <strong>Airline</strong><br />
Aufbauend auf der Darstellung verschiedener Kostendimensionen geht es im nächsten<br />
Schritt darum zu untersuchen, welche Bedeutung die einzelnen Kostendimensionen für<br />
das gesamte Kostenvolumen eines Flag Carriers haben und wie die Zusammensetzung<br />
der Kosten typischerweise aussieht.<br />
Abbildung 3-9 zeigt anhand eines Beispiels, wie die Kostenverteilung entlang der 7 Dimensionen<br />
bei einem typischen Flag Carrier aussehen könnte. 248 Da die Summe der 7<br />
Dimensionen der Gesamtheit der Kosten entspricht, kann auch von Kostenstufen gesprochen<br />
werden. Im Zentrum der Grafik sind die <strong>St</strong>ufen zu 3 Hauptkategorien zusammengefasst.<br />
Die Reise- und Passagier-direkten Kosten lassen sich zusammenfassen, da durch<br />
den Entscheid eine Reise anzutreten, auch immer die Passagier-direkten Kosten auf den<br />
betroffenen Flügen prädestiniert sind.<br />
248 Die Verteilung ist überwiegend aus der Beispielrechnung des AVCMS im Anhang abgeleitet. Darüber hinaus<br />
wurden Vergleiche und Anpassungen vorgenommen, um sicherzustellen, dass die Verteilung auch wirklich als<br />
typisch für europäische Flag Carriers angesehen werden kann. Als Basis dazu dienten die Daten aus Abbildung<br />
3-10; Informationen über die typische Kostenverteilung aus Hitchhikers‘s Guide to European Transport, S. 12<br />
und Erfahrungen des Autors. Eine weitere als typisch bezeichnete, allerdings nach anderen Kriterien strukturierte<br />
Kostenverteilung findet sich beispielsweise bei <strong>St</strong>erzenbach/Conrady, Luftverkehr, S. 377.<br />
114
115<br />
13% Flotten-direkt<br />
2% Destinations-direkt<br />
11% Verwaltung<br />
�Flugzeugbezogene Wartungskosten<br />
�Abschreibungen<br />
�Leasing<br />
�Kapitalkosten<br />
(überwiegend Personal)<br />
�Fixe Crew-Kosten<br />
�Network Mgt.<br />
�Fixe Verkaufskosten<br />
�Finanzen<br />
�Übrige Kosten<br />
Flotte &<br />
Verwaltung<br />
26%<br />
18% Rotations-direkt<br />
Reise &<br />
Passagier<br />
22%<br />
Flug &<br />
Rotation<br />
52%<br />
(überwiegend rotationsbezogene<br />
Crew-Kosten)<br />
Abbildung 3-9: Beispiel einer Kostenverteilung<br />
14% Reise-direkt<br />
�Call Centers<br />
�Key Acc Mgt.<br />
�z.T. Internet Sales<br />
34% Flug-direkt<br />
�CRS<br />
�Agents<br />
�FPP<br />
8% Passagierdirekt<br />
�Catering<br />
�Passagierabfertigung<br />
�Treibstoff<br />
�Flug-bezogene Gebühren<br />
�Flugzeugabfertigung<br />
�Flug-bezogene Wartungskosten<br />
Das Gleiche gilt für die Zusammenfassung der Flug- und Rotations-direkten Kosten: Die<br />
Entscheidung, eine Rotation durchzuführen, beinhaltet immer den Entscheid für die Flüge,<br />
aus denen die Rotation besteht. Es zeigt sich also, dass die Flug- und Rotationsdirekten<br />
Kosten mit 52% den grössten Anteil der Kosten eines typischen Flag Carriers<br />
ausmachen.<br />
Abbildung 3-10 zeigt die Kostenstruktur der 9 europäischen Beispiel-<strong>Airline</strong>s, aufgeteilt<br />
in Kategorien, wie sie aus Analystenberichten und Geschäftsberichten öffentlich verfügbar<br />
sind.<br />
Die Zuordnung zu den oben beschriebenen 7 Kostendimensionen ist, von aussen betrachtet,<br />
für die meisten Kategorien nur anhand von Schätzungen möglich, da solche Kosteninformationen<br />
in der Regel von den Unternehmungen geheim gehalten werden.
Abbildung 3-10: Kostenverteilung der europäischen <strong>Airline</strong>s 249<br />
3.3.2.3 Netzwerkdeckungsbeitragsrechnung<br />
Angesichts der dargestellten Kostenstruktur stellt sich vor dem Hintergrund der Verbundenheiten<br />
auf der Ertrags- und Kostenseite die Frage, wie die genannten 7 Kostendimensionen<br />
in eine Netzwerkdeckungsbeitragsrechnung einfliessen sollen. Eine Lösungsmöglichkeit<br />
ist in Abbildung 3-11 dargestellt. 250<br />
Für jede Flugreise kann ein Reisedeckungsbeitrag errechnet werden, der den zusätzlichen<br />
EBIT darstellt, der mit dem Verkauf der Flugreise erzielt wird – gegeben, dass die dadurch<br />
in Anspruch genommenen Sitze, leer bleiben würden, wenn diese Reise nicht verkauft<br />
werden würde. 251 Auf der anderen Seite können für jede Rotation die Kosten, die<br />
direkt durch ihre Flüge verursacht werden, zusammengefasst werden. Von der Summe<br />
aller Reisedeckungsbeiträge kann die Summe aller Flug- und Rotationskosten abgezogen<br />
werden, um den Netzwerkdeckungsbeitrag I zu erhalten. Dieser gibt an, welcher EBIT<br />
249 Datenquelle ist die Vergleichsrechnung über die 9 europäischen <strong>Airline</strong>s für das Jahr 2000 im Anhang.<br />
250 Ein ähnlicher Aufbau findet sich auch in der Netzwerkdeckungsbeitragsrechnung der Lufthansa wieder, die dort<br />
als Netzergebnisrechnung bezeichnet wird. Vgl. hierzu <strong>St</strong>erzenbach/Conrady, Luftverkehr, S. 378f.<br />
251 Auf Möglichkeiten, Opportunitätskosten bei der Darstellung des <strong>St</strong>reckenerfolges zu berücksichtigen, wird in<br />
Abschnitt 3.3.2.5 eingegangen.<br />
116
durch die Entscheidung, den Flugbetrieb in der Betrachtungsperiode aufrecht zu erhalten,<br />
erzielt wurde.<br />
Ertrag der Flugreise<br />
- Reise-direkte Kosten<br />
- Passagier-direkte Kosten<br />
Reisedeckungsbeitrag<br />
Σ aller Reisedeckungsbeiträge<br />
117<br />
Netzwerkdeckungsbeitrag I<br />
- Destinationsdirekte Kosten<br />
- Flottendirekte Kosten<br />
Netzwerkdeckungsbeitrag II<br />
- Verwaltungskosten<br />
Betriebsgewinn<br />
Flug-direkte Kosten<br />
+ Rotations-direkte Kosten<br />
Flug- & Rotationskosten<br />
Σ aller Flug- & Rotationskosten<br />
Abbildung 3-11: Netzwerkdeckungsbeitragsrechnung für eine <strong>Airline</strong><br />
Vom Netzwerkdeckungsbeitrag I lassen sich im nächsten Schritt die direkten Kosten der<br />
Destinationen und der Flotte abziehen, um den Netzwerkdeckungsbeitrag II zu erhalten,<br />
der den direkten EBIT-Beitrag des Kerngeschäfts vor Verwaltungskosten repräsentiert.<br />
Im Netzwerkdeckungsbeitrag II sind somit auch die Kosten der beiden Entscheidungen,<br />
eine bestimmte Flotte zu unterhalten und bestimmte Destinationen anzufliegen, enthalten.<br />
Der Betriebsgewinn schliesst die Verwaltungskosten mit ein, die nach dieser Systematik<br />
auch alle Kosten der Ineffizienzen z.B. bei der Crew-, Flotten- und Operationsplanung<br />
enthalten. 252<br />
252 Werden beispielsweise mehr Crew-Kapazitäten vorgehalten, als in den Rotationen Verwendung finden, sind die<br />
Kosten der überschüssigen Crew als Effizienzverluste der Verwaltung zuzuschreiben. Solche Mehrkosten haben<br />
nichts mit der Entscheidung eine bestimmte Rotation durchzuführen zu tun, und dürfen daher auf der <strong>St</strong>ufe der<br />
Flug- und Rotationskosten nicht verrechnet werden.
Beim Vergleich der Deckungsbeitragsrechnungsstruktur aus Abbildung 3-11 mit der<br />
Kostenverteilung aus Abbildung 3-9 zeigt sich, dass nur ca. 22% der Kosten den Ertraggenerierenden<br />
Objekten, d.h. den Flugreisen, direkt zugeordnet werden können. Der gesamte<br />
Rest der Kosten kann den Erträgen erst auf <strong>St</strong>ufe des Gesamtnetzwerkes direkt<br />
gegenübergestellt werden. Um im Rahmen der Netzwerkplanung Entscheide über die<br />
Beibehaltung oder Neuaufnahme von Flügen, <strong>St</strong>recken oder anderen Netzwerkteilen zu<br />
treffen, sind also weitergehende Simulationen und Analysen notwendig. Dabei muss<br />
prognostiziert werden, welche Kosten und Erträge sich bei der Wahrnehmung der einzelnen<br />
Entscheidungsalternativen jeweils ändern. Die Netzwerkdeckungsbeitragsrechnung<br />
kann hierzu als ein Einstieg dienen, der zwar noch viel Analysearbeit offen lässt, dafür<br />
aber auch keinen irreführenden Eindruck über die Zusammenhänge zwischen Entscheidungsvarianten<br />
und deren Kostenfolge hinterlässt, wie dies durch Schlüsselungen geschehen<br />
kann.<br />
3.3.2.4 Klassische <strong>St</strong>reckenerfolgsrechnung<br />
Anders als bei der Netzwerkdeckungsbeitragsrechnung werden in der klassischen <strong>St</strong>reckenerfolgsrechnung<br />
sämtliche Erträge und Kosten einer <strong>Airline</strong> mit Schlüsselungen auf<br />
die <strong>St</strong>recken verteilt. Die klassische <strong>St</strong>reckenerfolgsrechnung verfügt dabei über eine wesentlich<br />
grössere Anzahl Deckungsbeitragsstufen, auf denen die einzelnen Kostenarten<br />
sukzessive - meist durch Schlüsselungen - vom <strong>St</strong>reckenerlös in Abzug gebracht werden<br />
bis ein <strong>St</strong>reckenerfolg auf Vollkostenbasis erreicht ist. Die einzelnen Deckungsbeitragsstufen<br />
sollen für unterschiedliche Arten von Entscheidungen als Wirtschaftlichkeitsmassstab<br />
herangezogen werden. Abbildung 3-12 gibt einen Überblick über die Kostendimensionen,<br />
die auf den einzelnen <strong>St</strong>ufen der <strong>St</strong>reckenerfolgsrechnung in Abzug gebracht<br />
werden, während in Abbildung 3-13 die Verwendungszwecke der einzelnen Deckungsbeitragsstufen<br />
zusammengefasst sind. 253<br />
Aus Abbildung 3-12 ist ersichtlich, dass auf jeder <strong>St</strong>ufe der Deckungsbeitragsrechnung<br />
neue Schlüsselungen vorgenommen werden, auch wenn Kosten einiger Kostendimensionen<br />
den <strong>St</strong>recken direkt zugewiesen werden können.<br />
253 Die dargestellte <strong>St</strong>ruktur der <strong>St</strong>reckenerfolgsrechnung und die Verwendungszwecke der Deckungsbeitragsstufen<br />
sind der <strong>St</strong>reckenerfolgsrechnung der Lufthansa entnommen. Dabei wurde zum besseren Verständnis die in der<br />
Quelle auf Basis von Kostenarten dargestellte <strong>St</strong>ruktur in eine <strong>St</strong>ruktur nach den Kostendimensionen in Abschnitt<br />
3.3.2.1 übersetzt. Die Informationen zur <strong>St</strong>reckenerfolgsrechnung der Lufthansa stammen aus <strong>St</strong>erzenbach/Conrady,<br />
Luftverkehr, S. 374ff.<br />
118
Geschlüsselte<br />
Reiseerträge abzüglich<br />
Provisionen und<br />
Erlösminderungen<br />
Geschlüsselte Teile der<br />
Rotations-direkten<br />
Kosten, geschlüsselte<br />
Flotten-direkte Kosten<br />
Teile der Destinationsdirekten<br />
Kosten,<br />
geschlüsselte Teile der<br />
Verwaltungskosten<br />
119<br />
<strong>St</strong>reckenerlöse<br />
- Direkte variable Kosten<br />
= Deckungsbeitrag I<br />
- Direkte Fixkosten<br />
= Deckungsbeitrag II<br />
- <strong>St</strong>ationsfixkosten<br />
= Deckungsbeitrag III<br />
- Verkaufskosten<br />
= Deckungsbeitrag IV<br />
- Verwaltungskosten<br />
= <strong>St</strong>reckenerfolg<br />
Geschlüsselte Reisedirekte<br />
Kosten,<br />
Passagier-direkte<br />
Kosten, Flug-direkte<br />
Kosten, geschlüsselte<br />
Teile der Rotationsdirekten<br />
Kosten<br />
Abbildung 3-12: <strong>St</strong>ruktur einer klassischen <strong>St</strong>reckenerfolgsrechnung<br />
Teile der Destinationsdirekten<br />
Kosten,<br />
geschlüsselte Teile der<br />
Verwaltungskosten<br />
Geschlüsselte Teile der<br />
Verwaltungskosten<br />
Direkt zuweisbar sind hier die Destinations-direkten Kosten, die unmittelbar mit dem<br />
Betrieb einer <strong>St</strong>recke zusammenhängen. Sie sind in Abbildung 3-12 aufgeteilt in <strong>St</strong>ations-254<br />
und in Verkaufs-direkte Kosten. Zur Ermittlung der Deckungsbeiträge III und IV<br />
werden allerdings nicht nur die <strong>St</strong>ations- und Verkaufskosten der Nicht-Hub-Destination<br />
der betrachteten <strong>St</strong>recke in Abzug gebracht, sondern auch geschlüsselte Teile der zentralen<br />
<strong>St</strong>ations- und Verkaufskosten.<br />
In Abbildung 3-13 sind die typischen Verwendungszwecke der Deckungsbeitragsstufen<br />
als Wirtschaftlichkeitsmassstäbe für verschiedene Arten von Entscheidungen aufgeführt.<br />
Da die Deckungsbeiträge durch die erwähnten Schlüsselungen aber nicht die Konsequenzen<br />
der genannten Entscheidungssituationen für das Netzwerkergebnis angeben, können<br />
solche Wirtschaftlichkeitsmassstäbe bestenfalls eine grobe Orientierung bieten, die als<br />
Einstieg für die bereits in Abschnitt 3.3.2.3 genannten weitergehenden Simulationen und<br />
Analysen dienen kann. Dabei ist allerdings abzuwägen, ob solche auf Schlüsselungen<br />
basierenden Wirtschaftlichkeitsmassstäbe bei der Gestaltung des <strong>St</strong>reckennetzes nicht<br />
mehr irritieren als sie helfen können.<br />
254 <strong>St</strong>ationskosten sind die Abfertigungskosten an einem Flughafen, die bezüglich der Durchführung einzelner Flüge<br />
auch fixe Elemente enthalten können, wie die Kosten des Rahmenvertrages mit einem Abfertigungsunternehmen<br />
oder die Kosten eigener Abfertigungsmitarbeiter an dieser Destination.
<strong>St</strong>reckenerlöse<br />
- Direkte variable Kosten<br />
= Deckungsbeitrag I Wirtschaftlichkeitsmassstab für ein einzelnes Flugereignis<br />
- Direkte Fixkosten<br />
= Deckungsbeitrag II<br />
- <strong>St</strong>ationsfixkosten<br />
= Deckungsbeitrag III<br />
- Verkaufskosten<br />
= Deckungsbeitrag IV<br />
- Verwaltungskosten<br />
= <strong>St</strong>reckenerfolg<br />
Wirtschaftlichkeitsmassstab für Fluggerät und Besatzungen,<br />
Grundlage für Kapazitäts- und Flugplanentscheidungen<br />
Wirtschaftlichkeitsmassstab für Abfertigungsorganisationen,<br />
Entscheidungsgrundlage für grössere Änderungen der<br />
<strong>St</strong>reckenstruktur<br />
Wirtschaftlichkeitsmassstab für Verkaufsorganisationen<br />
Beurteilung der gesamten <strong>St</strong>reckenwirtschaftlichkeit<br />
Abbildung 3-13: Typische Verwendung der Deckungsbeitragsstufen<br />
Einen Einstieg in weitere Analysen kann schliesslich auch die Netzwerkdeckungsbeitragsrechnung<br />
bieten, die ohne Schlüsselungen auskommt. Eine entsprechende Abwägung<br />
der Grenzen und Möglichkeiten der klassischen <strong>St</strong>reckenerfolgsrechnung wird im<br />
nächsten Abschnitt vorgenommen.<br />
3.3.2.5 Möglichkeiten und Grenzen der klassischen Darstellung des <strong>St</strong>reckenerfolges<br />
Trotz der bereits erwähnten Nachteile, die mit dem Ausweisen eines Vollkosten-basierten<br />
<strong>St</strong>reckenerfolges verbunden sind, ist die Anwendung dieser Form der <strong>St</strong>reckenerfolgsrechnung<br />
immer noch sehr verbreitet. 255 Die potentiell irreführende Wirkung des <strong>St</strong>reckenerfolges<br />
auf Vollkostenbasis ergibt sich aufgrund der Schlüsselung von Erträgen und<br />
Gemeinkosten auf <strong>St</strong>recken.<br />
Die Erträge von <strong>St</strong>recken-übergreifenden Flugreisen werden in der Regel in einer ähnlichen<br />
Vorgehensweise auf <strong>St</strong>recken verteilt, wie dies im Interlining-Verfahren256 zwischen<br />
255 Vgl. <strong>St</strong>erzenbach/Conrady, Luftverkehr, S. 374ff, wo sich auch die Darstellung einer <strong>St</strong>reckenerfolgsrechnungsstruktur<br />
am Beispiel der Deutschen Lufthansa AG findet. Die dem Autor bekannten <strong>St</strong>reckenerfolgsrechnungen<br />
der Gesellschaften Swissair, Crossair und Swiss International <strong>Airline</strong>s sind in ähnlicher Form Vollkosten-basiert<br />
strukturiert.<br />
256 Das Interlining-Verfahren beschreibt die Modalitäten mit denen ein Flugreiseertrag zwischen mehreren <strong>Airline</strong>s<br />
aufgeteilt wird, dessen zugrundeliegende Flugreise Leistungen von mehreren Gesellschaften in Anspruch nimmt.<br />
120
verschiedenen <strong>Airline</strong>s geschieht. Dabei kommen in erster Linie die Flugkilometer der<br />
beteiligten <strong>St</strong>recken als Schlüssel zum Einsatz, wobei diese durch eine Reihe von Sonderregelungen<br />
wie z.B. die so genannten Proviso-Regeln ergänzt werden. 257 Die Schlüsselung<br />
der Kosten greift zu einem grossen Teil auch auf die <strong>St</strong>reckenlänge oder die Produk-<br />
tion in ASK und ähnliches zurück. 258 Wenn nach den Proviso-Regeln 259 den besonders<br />
kurzen <strong>St</strong>recken überproportional zur <strong>St</strong>reckenlänge Ertrag zugerechnet wird, gleichzeitig<br />
die Kostenschlüsselung aber überwiegend linear nach Sitzkilometern oder <strong>St</strong>reckenlänge<br />
vollzogen wird, kann es dazu kommen, dass besonders kurze <strong>St</strong>recken im Ergebnis zu<br />
positiv dargestellt werden.<br />
Häufig wirkt sich die Anwendung der Proviso-Regeln auch weniger stark auf die kurzen<br />
<strong>St</strong>recken aus, so dass diese dennoch als Verlustbringer ausgewiesenen werden. Dieses<br />
Bild ändert sich jedoch, wenn den <strong>St</strong>recken in einer zweiten <strong>St</strong>ufe ein so genannter Anschlussertrag<br />
zugewiesen wird. Dieser Anschlussertrag setzt sich aus den Deckungsbeiträgen<br />
zusammen, die auf anderen <strong>St</strong>recken mit solchen Flugreisen erzielt wurden, die<br />
auch die betrachtete <strong>St</strong>recke260 im Umsteigeverkehr tangiert haben. Für eine <strong>Airline</strong> mit<br />
Umsteigeverkehr ist unter Berücksichtigung dieses Anschlussertrages dann in der Regel<br />
der <strong>St</strong>reckenerfolg fast jeder <strong>St</strong>recke positiv. 261<br />
Die genannten Schwierigkeiten bei der eindeutigen Bestimmung der Profitabilität von<br />
<strong>St</strong>recken können dazu beitragen, dass Flag Carriers ein gemessen an den Verhältnissen<br />
ihres Heimmarktes übertrieben grosses <strong>St</strong>reckennetz betreiben. Ein ungenügender Netzwerkdeckungsbeitrag,<br />
ein zu geringer Betriebsgewinn und ungedeckte Kapitalkosten<br />
können sich unmittelbar daraus ergeben. Die <strong>St</strong>reckenerfolgsrechnung eines Flag Carriers<br />
121<br />
Damit solche Flugreisen verkauft werden können, müssen die involvierten <strong>Airline</strong>s einem entsprechenden Interlining-Abkommen<br />
beigetreten sein. Vgl. <strong>St</strong>erzenbach/Conrady, Luftverkehr, S. 318ff.<br />
257 Für eine Darstellung der im Interlining gebräuchlichen Verfahren zur Ertragsaufteilung vgl. <strong>St</strong>erzenbach/Conrady,<br />
Luftverkehr, S. 370f.<br />
258 Für weitere Beispiele der Kostenschlüsselung in der <strong>St</strong>reckenerfolgsrechnung vgl. <strong>St</strong>erzenbach/Conrady, Luft-<br />
verkehr, S. 369ff.<br />
259 Die Proviso-Regeln legen den Minimumertrag einer kurzen <strong>St</strong>recke fest, wenn 2 <strong>Airline</strong>s einen gemeinsamen<br />
Ertrag nach dem Interling-Verfahren unter sich aufteilen. Vgl. <strong>St</strong>erzenbach/Conrady, Luftverkehr, S. 370f.<br />
260 Häufig wird diese Betrachtung insbesondere in Bezug auf Kurzstrecken vorgenommen, da diese besonders häufig<br />
ein negatives <strong>St</strong>reckenergebnis aufweisen, wenn man den Anschlussertrag weglässt. Trotzdem kann dieselbe<br />
Betrachtung natürlich auch auf Langstrecken angewandt werden.<br />
261 Zu den Anschlusserträgen vgl. auch <strong>St</strong>erzenbach/Conrady, Luftverkehr, S. 371ff und 378f. Hier werden die Anschlusserträge<br />
als Upline/Downline Erlöse abzüglich Upline/Downline beförderungsabhängigen Kosten definiert.
ietet viele Möglichkeiten, das Ergebnis einer verlustbringenden <strong>St</strong>recke „schönzurechnen“.<br />
Wenn sich eine genügend starke Lobby dafür einsetzt, ist es auch denkbar, dass<br />
solche Rechnungen tatsächlich argumentativ zur Anwendung kommen.<br />
Wird dennoch das Ausweisen eines Betriebsgewinnbeitrages auf <strong>St</strong>reckenebene gefordert,<br />
dann sollten zwei Voraussetzungen geschaffen werden, die das den Verbundenheiten<br />
innewohnende Irritationspotential reduzieren helfen.<br />
Zum einen kann die Verteilung der Reisedeckungsbeiträge auf <strong>St</strong>recken nach einem Opportunitätskosten-bezogenen<br />
Ansatz262 erfolgen. Solche Verfahren sorgen dafür, dass eine<br />
<strong>St</strong>recke nie weniger Reisedeckungsbeitrag aus einer mehrere <strong>St</strong>recken umfassenden Reise<br />
zugerechnet bekommt, als die Opportunitätskosten der Sitze auf dieser <strong>St</strong>recke betragen.<br />
Die Verbundenheiten auf der Ertragsseite lassen sich auf diese Weise stark reduzieren.<br />
Denn hier werden zuerst die den Opportunitätskosten entsprechenden Deckungsbeiträge<br />
auf die <strong>St</strong>recken verteilt und nur der restliche Deckungsbeitrag verbleibt als zwischen<br />
mehreren <strong>St</strong>recken verbunden und muss mit Schlüsselungen verteilt werden.<br />
Zum anderen kann Flexibilisierung und Vereinfachung der Flotte263 die Verbundenheiten<br />
auf der Kostenseite reduzieren helfen. Denn sobald die Anzahl der Flugzeugtypen soweit<br />
konsolidiert werden kann, dass Crews in den meisten Fällen auch kurzfristig noch auf<br />
einen anderen Flug umdirigiert werden können, können fast alle Rotations-direkten Kosten<br />
wie Flug-direkte Kosten behandelt werden. Damit wäre eine Zuordnung der Rotations-bezogenen<br />
Kosten auf <strong>St</strong>recken analog der No Frills <strong>Airline</strong>s264 möglich und es können<br />
fast 75% der Kosten sinnvoll auf <strong>St</strong>reckenebene zugeordnet werden.<br />
Die Auseinandersetzung mit der Ertrags- und Kostenstruktur des <strong>St</strong>reckennetzes zählt zu<br />
den wichtigsten Aufgaben des <strong>Management</strong>s einer <strong>Airline</strong>. Nur auf diese Weise können<br />
die strategischen und operativen Entscheidungen im Hinblick auf die Gestaltung und den<br />
Betrieb des <strong>St</strong>reckennetzes gewinnorientiert getroffen werden. Das <strong>Performance</strong> Mana-<br />
262 Obwohl die Umsetzung solcher Ansätze auf der Basis der heutigen Revenue <strong>Management</strong> Systeme kein grosses<br />
Problem mehr darstellt, gibt es nach Kenntnisstand des Autors kaum einen Flag Carrier, der ein solches Verfahren<br />
schon umsetzen konnte.<br />
263 Sobald die Anzahl der Flugzeugtypen soweit konsolidiert worden ist, dass Crews in den meisten Fällen auch<br />
kurzfristig noch auf einen anderen Flug umdirigiert werden können, können fast alle Rotations-direkten Kosten<br />
wie Flug-direkte Kosten behandelt werden.<br />
264 In Abschnitt 2.2.5 wurde bereits darauf hingewiesen, dass die Verbundenheiten von Erträgen und Kosten auf<br />
<strong>St</strong>reckenebene bei No Frills <strong>Airline</strong>s wesentlich geringer ausfallen. Denn hier wird einerseits in der Regel kein<br />
Umsteigeprodukt angeboten, so dass weniger Schlüsselungen auf der Ertragsseite vorgenommen werden müssen.<br />
Andererseits entstehen durch die meist sehr homogene Flottenstruktur auch weniger Verbundenheiten auf der<br />
Kostenseite.<br />
122
gement hat die Aufgabe, im Rahmen seiner Decision Support Funktion die für diese Entscheidungen<br />
benötigten Informationen möglichst vollständig und klar strukturiert zur<br />
Verfügung zu stellen. Die <strong>St</strong>reckenerfolgsrechnung kann daher einen wichtigen Beitrag<br />
zur Gestaltung des <strong>Airline</strong> <strong>Performance</strong> <strong>Management</strong> leisten. Voraussetzung ist allerdings,<br />
dass eine moderne, möglichst wenig irreführende Form der <strong>St</strong>reckenerfolgsrechnung<br />
gewählt wird. Dies gilt besonders für die nach dem Hub-Prinzip operierenden Flag<br />
Carriers. No Frills <strong>Airline</strong>s müssen aufgrund geringerer Verbundenheiten weniger<br />
Nachteile beim Einsatz der klassischen Form der <strong>St</strong>reckenerfolgsrechnung hinnehmen.<br />
Eine Variante einer solchen modernen Form der <strong>St</strong>reckenerfolgsrechnung stellt die<br />
Netzwerkdeckungsbeitragsrechnung dar, die auf die Ausweisung eines Betriebsgewinnbeitrages<br />
auf <strong>St</strong>reckenebene bewusst verzichtet, um irreführende Schlüsselungen zu vermeiden.<br />
Eine weitere Alternative für die Flag Carriers besteht in der Reduktion der Verbundenheiten<br />
einer klassischen <strong>St</strong>reckenerfolgsrechnung durch einen Opportunitätskosten-bezogenen<br />
Ansatz auf der Ertragsseite und eine Homogenisierung der Flottenstruktur<br />
auf der Kostenseite.<br />
Damit die Entscheidungsgrundlage, die von einer Produkterfolgsrechnung erwartet wird,<br />
vollständig ist, müssen die Ertrags- und Kosteninformationen der <strong>St</strong>reckenerfolgsrechnung<br />
jedoch noch ergänzt werden. Wenn über den Betrieb von Flügen, <strong>St</strong>recken, Rotationen<br />
oder Flottenteilen entschieden werden soll, sind nämlich auch deren Wirkungen auf<br />
Aspekte der Kundenzufriedenheit und auf die Effizienz der <strong>Airline</strong> von Bedeutung. Einzelne<br />
<strong>St</strong>recken oder Flüge können, vor allem vor dem Hintergrund einer permanenten<br />
operativen Engpasssituation, über eine Kette von Ursache-Wirkungs-Beziehungen erhebliche<br />
<strong>St</strong>örungen verursachen, deren Einfluss weit über die betrachtete <strong>St</strong>recke hinausgeht.<br />
Solche <strong>St</strong>örungen können in Wartezeiten für Kunden oder in Mehrkosten für Reservekapazitäten<br />
zum Ausdruck kommen und einen positiv ausgewiesenen <strong>St</strong>reckendeckungsbeitrag<br />
durchaus überkompensieren.<br />
3.3.3 Netzwerkplanung<br />
Die Netzwerkplanung umfasst nach dem hier zugrunde gelegten Verständnis sämtliche<br />
Planungsaktivitäten, die mit der Gestaltung und Operation des <strong>St</strong>reckennetzes zusammenhängen.<br />
265 Nach dem Zeithorizont kann dabei zwischen strategischer Netzwerkplanung,<br />
operativer Netzwerkplanung und Netzwerksteuerung unterschieden werden.<br />
265 Eine detaillierte Aufstellung der Ziele, Entscheidungsparameter, und Restriktionen der Netzwerkplanung findet<br />
sich bei <strong>St</strong>erzenbach/Conrady, Luftverkehr, S. 267ff.<br />
123
Dabei kommt der operativen Netzwerkplanung eine besondere Bedeutung zu, da hier<br />
weitgehend unumkehrbare Flugplanentscheidungen getroffen werden, die in der Regel<br />
einen grossen Einfluss auf das Unternehmensergebnis haben. Aus diesem Grund konzentrieren<br />
sich die Betrachtungen auf den operativen Planungsbereich, der hier auch als<br />
Netzwerkplanung im engeren Sinn bezeichnet wird. 266<br />
Nach einer Darstellung der Terminologie und der Grundlagen der Netzwerkplanung soll<br />
die grundlegend verbreitete Variante, in der eine operative Netzwerkplanung typischerweise<br />
durchgeführt wird, dargestellt werden. Sie wird hier als Volumen-basierten Netzwerkplanung<br />
bezeichnet. Im Rahmen des AVCMS wird später auch eine alternative Variante<br />
vorgeschlagen, die als <strong>St</strong>ückkosten-basierte Netzwerkplanung bezeichnet wird.<br />
Die nächsten Abschnitte gliedern sich wie folgt:<br />
• Terminologie und Grundlagen der Netzwerkplanung<br />
• Volumen-basierte Netzwerkplanung<br />
• Möglichkeiten und Grenzen der Netzwerkplanung<br />
3.3.3.1 Terminologie und Grundlagen der Netzwerkplanung<br />
Zur Netzwerkplanung gehören neben dem Entscheidungsprozess für die Operation eines<br />
bestimmten Netzwerkes auch die Vereinbarungsprozesse mit internen und externen Lieferanten<br />
notwendiger Ressourcen und Dienstleistungen. Während unter Netzwerkplanung<br />
im engeren Sinne hier die Planung mit Horizont von ungefähr einem Jahr verstanden<br />
wird, zählen zur Netzwerkplanung im weiteren Sinne Planungsprozesse aller Fristigkeiten,<br />
sofern diese das Netzwerk betreffen. Dabei kann zwischen strategischer Netzwerkplanung,<br />
operativer Netzwerkplanung und Netzwerksteuerung unterschieden werden: 267<br />
<strong>St</strong>rategische Netzwerkplanung<br />
In der langfristig ausgerichteten, strategischen Netzwerkplanung wird eine grundsätzliche<br />
Produkt-Markt-<strong>St</strong>rategie entwickelt, aus der die langfristige Ressourcenplanung wie z.B.<br />
die Flottenplanung abgeleitet werden kann. Langfristige Ertrags- und Kostenzielsetzun-<br />
266 Über die Planungsprozesse von <strong>Airline</strong>s auf langfristiger strategischer Ebene gibt es schon einige Literatur. Vgl.<br />
beispielsweise Joppien, <strong>St</strong>rategisches <strong>Airline</strong> <strong>Management</strong> oder <strong>St</strong>oll, <strong>St</strong>rategic <strong>Management</strong> in Global Transport.<br />
267 Zur Einteilung in strategische und operative Netwerkplanung sowie Netzwerkdisposition vgl. Joppien, <strong>St</strong>rategisches<br />
<strong>Airline</strong> <strong>Management</strong>, S.147f.<br />
124
gen, sowie Investitionsvorhaben werden in einem Business Plan festgelegt, dem z.B. ein<br />
Drei- oder ein Fünfjahreshorizont zugrunde gelegt werden kann.<br />
Operative Netzwerkplanung bzw. Netzwerkplanung im engeren Sinne<br />
Die operative Netzwerkplanung legt zweimal im Jahr den Flugplan268 fest und ist mit dem<br />
jährlichen Budgetierungsprozess eng vernetzt. Für jede <strong>St</strong>recke müssen die einzelnen<br />
Flüge, mit detaillierten Abflugzeiten und die Flugzeugtypen bestimmt werden, damit diese<br />
im Rahmen des Sommer- bzw. Winterflugplan publiziert werden können.<br />
<strong>St</strong>rukturierungs<strong>St</strong>rukturierungsphasephase<br />
�18-8 Monate vor<br />
Beginn der<br />
Flugplanperiode<br />
�<strong>St</strong>reichen bisheriger<br />
Flüge, Hinzunehmen<br />
neuer Flüge,<br />
Grobplanung<br />
Umsteigeverkehr<br />
125<br />
OptimierungsOptimierungsphasephase<br />
�8-5 Monate vor<br />
Beginn der<br />
Flugplanperiode<br />
�Detailplanung des<br />
Umsteigeverkehrs<br />
und der Abflugzeiten,<br />
Zuweisen von<br />
Kapazitäten<br />
IATA-Flugplan-<br />
IATA-Flugplan-<br />
Konferenz Konferenz<br />
�5 Monate vor<br />
Beginn der<br />
Flugplanperiode<br />
�Internationale<br />
Koordination der<br />
Flugpläne (nicht nur<br />
unter IATA-<br />
Mitgliedern)<br />
Abbildung 3-14: Typischer Ablauf der operativen Flugplanung 269<br />
RealisierungsRealisierungsphasephase<br />
�5-2 Monate vor<br />
Beginn der<br />
Flugplanperiode<br />
�Umsetzen der<br />
Kapazitätsplanung in<br />
Zuweisung<br />
individueller<br />
Flugzeuge,<br />
Rotationsplanung<br />
Ein typischer Ablauf der operativen Netzwerkplanung für einen Flag Carrier mit Hub-<br />
Betrieb ist in Abbildung 3-14 wiedergegeben. Sie startet typischerweise 18-8 Monate vor<br />
Beginn einer Flugplanperiode. Die Planungsprozesse für verschiedene Flugplanperioden<br />
finden also parallel statt. Die entscheidende Phase im Ablauf ist die IATA-<br />
Flugplankonferenz, da sich für viele Flüge erst hier entscheidet, ob die <strong>Airline</strong> ihre gewünschten<br />
Flughafen-Slots auch tatsächlich erhält. 270<br />
268 Hierbei wird zwischen Sommer- und Winterflugplan unterschieden. Der Sommerflugplan oder Summer Time<br />
Table (STT) reicht in der Regel von Ende März bis Ende Oktober, während der Winterflugplan oder Winter<br />
Time Table (WTT) von Ende Oktober bis Ende März des folgenden Jahres reicht. Vgl. <strong>St</strong>erzenbach/Conrady,<br />
Luftverkehr, S. 266.<br />
269 Abbildung in Anlehnung an <strong>St</strong>erzenbach/Conrady, Luftverkehr, S. 273.<br />
270 Die effektive Vergabe von Flughafen-Slots wird in der EU durch Flughafenkoordinatoren vorgenommen. Dabei<br />
müssen sie anhand von innerhalb der EU gültigen, verbindlichen Regeln entscheiden. Diese Regeln wiederum<br />
orientieren sich sehr stark an lange etablierten IATA-Regeln. Im internationalen Kontext nimmt der Flughafenkoordinator<br />
an den regelmässigen Flugplankonferenzen der IATA teil. Zusammengefasst richtet sich die Slot-
Durch die Publikation des Flugplanes entsteht für Linienfluggesellschaften eine Verpflichtung<br />
zur Operation gegenüber den Luftverkehrsbehörden als Verleiher der Lizenz,<br />
Linienluftverkehr betreiben zu dürfen. Einmal publizierte Flüge dürfen dabei nur in Ausnahmefällen<br />
aus kommerziell motivierten Gründen annulliert werden. 271 Den Ressourcenbezogenen<br />
Zielsetzungen und Budgets, die mit dieser Verpflichtung verbunden sind,<br />
kommt aufgrund dieser Irreversibilität der Planung eine besondere Bedeutung im <strong>Performance</strong><br />
<strong>Management</strong> zu.<br />
Netzwerksteuerung<br />
Die Netzwerksteuerung bezeichnet die kurzfristig ausgerichteten Planungs- und Entscheidungsprozesse,<br />
die im Rahmen eines gegebenen Flugplanes weitere Optimierungspotentiale<br />
auszuschöpfen suchen. Dazu zählen neben den Funktionen Pricing und Revenue<br />
<strong>Management</strong> beispielsweise auch Verkaufsförderungsmassnahmen oder Umstellungen<br />
in der Rotationsplanung, mit der die auf den Flügen eingesetzten Flugzeugtypen der<br />
aktuellen Nachfrageentwicklung angepasst werden oder mit denen auf <strong>St</strong>örungen des<br />
Flugbetriebs reagiert wird.<br />
Die operative Netzwerkplanung kann in der Regel mit den bedeutendsten nach aussen<br />
eingegangenen Verpflichtungen assoziiert werden und ist daher besonders entscheidend<br />
für das sich am Ende einer Budgetierungsperiode einstellende Netzwerkergebnis. Bedeutende<br />
Verpflichtungen können sich zwar auch im Rahmen der strategischen Netzwerkplanung<br />
durch Flottenkäufe oder langfristige Flugzeugleasingverträge ergeben, jedoch<br />
stehen hier Möglichkeiten zur Verfügung, durch kurzfristig ausgerichtete Leasingverträge,<br />
durch Kaufoptionen für Flugzeuge oder durch Verkauf und Vermietung von Überkapazitäten<br />
eine gewisse Flexibilität zu erlangen – auch wenn dies in der Regel mit zusätzlichen<br />
Kosten verbunden ist.<br />
Im Rahmen der Netzwerkdisposition stellen Buchungen, die von Passagieren vorgenommen<br />
werden, bedeutende Verpflichtungen dar. Jedoch kann das Eingehen dieser Verpflichtungen<br />
mit den Instrumenten des Pricing und Revenue <strong>Management</strong> in der Regel<br />
vergabe nach der EU-Verordnung nach den folgenden Hauptcharakteristika: Bereits bestehende Slots einer <strong>Airline</strong><br />
bleiben ihr erhalten, solange sie sie zu mindestens 80% nutzt; neue Slots sind erhältlich aus einem Slot-Pool<br />
von zurückgegebenen oder verlorenen Slots, oder aber sie können mit anderen <strong>Airline</strong>s getauscht bzw. auf diese<br />
übertragen werden; unter bestimmten Bedingungen können Inlandsverbindungen bei der Vergabe von neuen<br />
Slots aus dem Slot-Pool bevorzugt behandelt werden. Zu den Mechanismen der Slotvergabe und der IATA-<br />
Konferenzen vgl. <strong>St</strong>erzenbach/Conrady, Luftverkehr, S. 270ff.<br />
271 Vgl. Abschnitt 2.1.5.<br />
126
auf sehr verlässlichen Nachfrageprognosen basiert werden, so dass auch hier die Risiken<br />
für das Netzwerkergebnis vergleichsweise überschaubar sind.<br />
3.3.3.2 Volumen-basierte Netzwerkplanung<br />
Die Volumen-basierte Netzwerkplanung ist einerseits dadurch charakterisiert, dass im<br />
Planungsprozess weitgehend von <strong>St</strong>ückkostenbetrachtungen abgesehen wird und statt<br />
dessen absolute Ertrags- und Kostenvolumina im Vordergrund stehen. Andererseits ist<br />
entscheidend, dass hierbei der Grossteil der Budgetierungstätigkeit stattfindet, nachdem<br />
bereits über ein geplantes Netzwerk entschieden wurde, das nach der Budgetierung nur<br />
noch marginal angepasst werden soll.<br />
Optimierung Realisierung WTT<br />
127<br />
<strong>St</strong>rukturierung Optimierung Realisierung<br />
STT<br />
<strong>St</strong>rukturierung Optimierung Realisierung WTT<br />
Budgetierung<br />
und Budgetanpassung<br />
März<br />
Abbildung 3-15: Volumen-basierte Netzwerkplanung<br />
Oktober<br />
Die Teilprozesse der (operativen) Netzwerkplanung gemäss Abbildung 3-14 sind in<br />
Abbildung 3-15 dem Budgetierungsprozess einer <strong>Airline</strong> gegenübergestellt, die das Budget<br />
jeweils auf Ende des Kalenderjahres abschliesst und ihre Budgetierungsaktivitäten<br />
auf die letzten Monate des Jahres konzentriert. Ein solcher Zeitplan geht in der Regel<br />
auch mit einem Jahresabschluss auf Basis von Kalenderjahren einher, d.h. das Ende des<br />
Geschäftsjahres ist jeweils der 31. Dezember. Es zeigt sich, dass die Budgetierungsaktivitäten<br />
beginnen, wenn die Realisierung des WTT272 bis März bereits läuft und auch die<br />
<strong>St</strong>rukturierungsphase des Sommerflugplanes schon abgeschlossen ist. Bis Ende des<br />
STT273 können auf Basis des Budgets keine wesentlichen Änderungen am Flugplan mehr<br />
vorgenommen werden. Nur für die letzten Monate des Jahres, die den neuen Winterflug-<br />
272 Winter Time Table bzw. Winterflugplan<br />
273 Summer Time Table bzw. Sommerflugplan
plan ab Ende Oktober betreffen, könnten Rückschlüsse aus dem Budget in die Netzwerkplanung<br />
einfliessen.<br />
Für den Volumen-basierten Budgetierungsprozess ergeben sich aus dieser Tatsache allerdings<br />
keine grundsätzlichen Schwierigkeiten. Denn hier soll das Budget auf den Flugplänen<br />
basiert werden. Eine umgekehrte Planungslogik, bei der die Planung der Flüge auf<br />
dem Budgetierungsprozess basiert, gehört nicht zum Wesen der Volumen-basierten<br />
Netzwerkplanung.<br />
Die nächste Übersicht in Abbildung 3-16 abstrahiert von den detaillierten, auf die einzelnen<br />
Flugplanperioden bezogenen Planungsprozessen und von der Koordination mit der<br />
Budgetierungsperiode. Sie konzentriert sich stattdessen auf die logische Abfolge der<br />
wichtigsten Phasen des Volumen-basierten Netzwerkplanungsprozesses.<br />
Controlling Controlling<br />
<strong>St</strong>recken<strong>St</strong>reckenerfolgerfolg �Soll-Ist-Vergleich<br />
auf Basis <strong>St</strong>recken-<br />
Erfolgsrechnung<br />
�Bei Abweichungen<br />
wenig Handlungsmöglichkeiten<br />
in der<br />
laufenden<br />
Flugplanperiode<br />
<strong>St</strong>reckennetz<strong>St</strong>reckennetzplanungplanung<br />
�Basis sind Istdaten<br />
aus der <strong>St</strong>reckenerfolgsrechnung<br />
�Prognosen über<br />
Ertrags- und<br />
Verkehrsentwicklung,<br />
Konjunktur, Allianzen<br />
etc.<br />
Budgetierung<br />
Budgetierung<br />
�Basis ist das<br />
geplante<br />
<strong>St</strong>reckennetz<br />
�Interne und externe<br />
Zulieferer<br />
budgetieren Kosten<br />
�Verkauf budgetiert<br />
Erträge<br />
Abbildung 3-16: Phasen der Volumen-basierten Netzwerkplanung<br />
BudgetBudgetanpassunganpassung �Umsetzung der<br />
Budgeteingaben in<br />
die <strong>St</strong>reckenerfolgsrechnung<br />
�Anpassung der<br />
Ertrags- und<br />
Kostenbudgets<br />
�Vereinzelte<br />
Anpassung des<br />
geplanten<br />
<strong>St</strong>reckennetzes<br />
Die Abbildung zeigt, dass die eigentliche <strong>St</strong>reckennetzplanung grösstenteils auf den<br />
Istdaten der meist klassisch strukturierten274 <strong>St</strong>reckenerfolgsrechnung basiert. Wenn für<br />
eine <strong>St</strong>recke der <strong>St</strong>reckenerfolg als ausreichend positiv beurteilt wurde, wird die <strong>St</strong>recke<br />
mindestens beibehalten oder es wird sogar Kapazität hinzugefügt, indem neue Frequenzen275<br />
aufgebaut werden oder grösseres Fluggerät zum Einsatz kommt. Wird der <strong>St</strong>re-<br />
274 Die klassische <strong>St</strong>rukturierung impliziert das Ausweisen eines <strong>St</strong>reckenerfolges auf Vollkostenbasis, wie in Abschnitt<br />
3.3.2.5 bereits dargestellt wurde.<br />
275 Zusätzliche Frequenzen sind zusätzliche Flüge, die auf der betreffenden <strong>St</strong>recke durchgeführt werden.<br />
128
ckenerfolg hingegen negativ beurteilt, wird eine Reduktion der Kapazität oder sogar ein<br />
komplettes Einstellen der Flugverbindungen auf dieser <strong>St</strong>recke geprüft. 276 Daneben werden<br />
Prognosen über die zu erwartende Ertrags-, Verkehrs-, Konjunktur- und Konkurrenzentwicklung,<br />
über Infrastrukturrestriktionen und Implikationen von Allianzen, sowie über<br />
viele andere Bestimmungsgrössen herangezogen. Auf Basis solcher Betrachtungen und<br />
Prognosen können dem Netzwerk auch komplett neue <strong>St</strong>recken hinzugefügt werden.<br />
Ergebnis der <strong>St</strong>reckennetzplanung ist ein tentativer Flugplan, der die Grundlage der Budgetierung<br />
bildet. Dieser Flugplan wird an alle internen und externen Lieferanten der <strong>Airline</strong><br />
- inklusive dem Verkauf - verteilt, damit diese ihre Budgeteingaben darauf basieren<br />
können.<br />
Nach einer ersten Plausibilisierung und Nachverhandlung der Budgets werden diese in<br />
eine Planstreckenerfolgsrechnung eingesetzt, woraufhin möglicherweise ein unbefriedigendes<br />
Plannetzwerkergebnis festgestellt werden muss. Man bemüht sich dann, durch<br />
Nachverhandlungen im Rahmen einer Budgetanpassung zu günstigeren Ertrags- und<br />
Kostenvolumina zu gelangen. Wurde bei der ersten Budgetplausibilisierung und Nachverhandlung<br />
gute Arbeit geleistet, sind diese Spielräume allerdings gering.<br />
Die Anpassung des tentativen Flugplanes ist im Falle eines Flag Carriers mit Hub-Betrieb<br />
in der Regel nur im sehr beschränkten Umfang möglich. Dies geht auch schon aus<br />
Abbildung 3-15 hervor. Grössere Veränderungen, wie das Herausnehmen von <strong>St</strong>recken<br />
oder Flügen können nur in der <strong>St</strong>rukturierungsphase vorgenommen werden. Sie sind also<br />
nur noch für die letzten Monate des Jahres, ab Ende Oktober möglich. Für den Sommerflugplan<br />
könnte eventuell noch in letzter Minute auf die Optimierungsphase Einfluss genommen<br />
werden, um hier noch einige Abflugzeiten leicht zu verschieben oder Kapazitätszuteilungen<br />
zu ändern. <strong>St</strong>reichungen von Flügen oder <strong>St</strong>recken sind hier bestenfalls<br />
noch punktuell möglich. Denn die IATA-Konferenz steht kurz bevor, und weit reichende<br />
Änderungen am Netzwerkkonzept wären mit einem hohen Arbeits-, Koordinations- und<br />
Zeitaufwand verbunden. 277<br />
Wenn trotz der Nachverhandlungen immer noch ein wenig zufrieden stellendes Plannetzwerkergebnis<br />
verbleibt, ist die Versuchung gross, die Grenzen einer konstruktiven<br />
Budgetierung zu überschreiten.<br />
276 Vgl. hierzu <strong>St</strong>erzenbach/Conrady, Luftverkehr, S. 379, wo sich ein Kriterienraster zur Beurteilung des <strong>St</strong>reckenerfolges<br />
findet, aus dem Empfehlungen für die Anpassung des <strong>St</strong>reckennetzes abgeleitet werden.<br />
277 Zum Prozess der Netzwerkoptimierung auf Basis von <strong>St</strong>recken-übergreifenden Verkehrsströmen vgl. <strong>St</strong>erzenbach/Conrady,<br />
Luftverkehr, S.286ff. Zur Vergabe der Slots an den IATA-Konferenzen.<br />
129
Der Verkauf könnte dazu bewegt werden, unrealistisch hohe Erträge zu budgetieren, so<br />
dass eine Budgetunterschreitung prädestiniert ist. Ebenso könnten interne Lieferanten auf<br />
unrealistisch tiefe Kostenbudgets verpflichtet werden. In beiden Fällen droht die Motivationswirkung<br />
der Budgets verloren zu gehen. Denn den Verantwortlichen wäre dann von<br />
vornherein klar, dass sie ihre Ziele keinesfalls erreichen können.<br />
Eine weitere zu befürchtende Wirkung eines solchen destruktiven Kostendrucks auf interne<br />
und externe Lieferanten liegt in der Reduktion relevanter Prozessqualität. Lieferanten<br />
könnten sich veranlasst sehen, am falschen Ende zu sparen, um so zwar die Kostenbudgets<br />
der <strong>Airline</strong> zu erfüllen, aber gleichzeitig Betriebsstörungen, Ineffizienzen und<br />
Beeinträchtigungen der Kunden zu verursachen, die die Einsparungen überkompensieren.<br />
Dieses Risiko ist insbesondere dort von Bedeutung, wo ein vollständiges Portfolio Lieferanten-spezifischer<br />
Qualitätszielsetzungen fehlt, das bei der Beurteilung der Lieferanten<br />
gleichrangig zu den Kostenbudgetzielen zum Einsatz kommt.<br />
Sollten die Grenzen einer konstruktiven Budgetierung überschritten werden, ist die<br />
Wahrscheinlichkeit hoch, dass das künftige Netzwerkergebnis noch viel weniger zufriedenstellend<br />
ausfällt, als das unbefriedigende Plannetzwerkergebnis, das zu dieser Form<br />
von Budgetierung geführt hat.<br />
Am Ende des Netzwerkplanungsprozesses liegen neben dem Budget auch ein publizierter<br />
Sommerflugplan und der Entwurf eines Winterflugplanes vor. 278 Ist der Flugplan erst einmal<br />
veröffentlicht, sind die Handlungsmöglichkeiten eher gering, wenn beim Controlling<br />
des <strong>St</strong>reckenerfolges Abweichungen festgestellt werden. Sie beschränken sich auf die<br />
Mittel der Netzwerksteuerung.<br />
3.3.3.3 Möglichkeiten und Grenzen der Netzwerkplanung<br />
Als einer der wichtigsten Planungsprozesse einer <strong>Airline</strong> ist die Netzwerkplanung auch<br />
automatisch von hoher Relevanz für das <strong>Airline</strong> <strong>Performance</strong> <strong>Management</strong>. Allerdings<br />
kann eine <strong>St</strong>ückkosten-basierte Netzwerkplanung eher zur Vollständigkeit und Einfachheit<br />
des <strong>Performance</strong> <strong>Management</strong> beitragen als die Volumen-basierte Variante. Denn<br />
wenn das Netzwerk auf der Basis verbindlich vereinbarter <strong>St</strong>ückkostenziele geplant werden<br />
kann, ergibt sich eine wesentlich fundiertere Basis für eine realistisch zu erreichende<br />
Zielsetzung auf dem Netzwerkergebnis. In Abschnitt 4.2.8.1 wird die <strong>St</strong>ückkosten-<br />
278 Häufig können vor der endgültigen Publizierung des Flugplanes im geringen Masse noch Änderungen angebracht<br />
werden. Dies gilt insbesondere für den Winterflugplan, wenn der Budgetierungsprozess vor dem Sommerflugplan<br />
abgeschlossen werden konnte. Dann bleiben noch über 6 Monate Zeit, um kleinere Anpassungen vorzunehmen,<br />
die sich im Rahmen des Budgets vollziehen lassen.<br />
130
asierte Netzwerkplanung als Bestandteil des AVCMS dargestellt und dabei auch mit der<br />
etablierten Volumen-basierten Variante verglichen.<br />
3.3.4 Übrige Konzepte<br />
Die drei dargestellten <strong>Airline</strong>-spezifischen <strong>Performance</strong> <strong>Management</strong> Konzepte des<br />
Netzwerkergebnisbaumes, der <strong>St</strong>reckenerfolgsrechnung und der Netzwerkplanung stellen<br />
nur einen Ausschnitt dessen dar, was in der <strong>Airline</strong> Industrie existiert. Nach der hier vertretenen<br />
Ansicht sind diese Konzepte jedoch von übergeordneter Bedeutung und von besonderer<br />
Relevanz für die Gestaltung eines angemessenen <strong>Airline</strong> <strong>Performance</strong> <strong>Management</strong>.<br />
Die übrigen Konzepte sind zum Teil mit ihrem Schwerpunkt auf einzelne Funktionen<br />
oder auf einzelne interne bzw. externe Lieferanten bezogen. Andere Planungsprozesse<br />
wiederum, wie beispielsweise der der strategischen Planung, sind zwar auch übergeordnet<br />
von hoher Bedeutung, laufen aber nicht zwingend so systematisch ab wie beispielsweise<br />
die operative Netzwerkplanung, so dass sie hier erst in zweiter Linie dem <strong>Performance</strong><br />
<strong>Management</strong> als besonders systematischem <strong>Management</strong> zugerechnet werden. 279<br />
Beispiele für Konzepte, die die Zulieferprozesse der <strong>Airline</strong>s betreffen, sind Systeme der<br />
Crewplanung und –steuerung, der Kapazitätsplanung und -steuerung, oder auch Systeme<br />
die das <strong>Management</strong> der Flugzeugwartung unterstützen. 280 Im Bereich der Flugzeugwartung<br />
kommen beispielsweise Prognosesysteme zum Einsatz, mit deren Hilfe die Ausfallwahrscheinlichkeit<br />
von Triebwerkteilen vorhergesagt wird. Auf diese Weise können<br />
technisch bedingt notwendig werdende Triebwerkwechsel, die über die vorgeschriebenen<br />
Wartungsintervalle hinausgehen, häufig schon vor der Landung und Inspektion des Flugzeuges<br />
erahnt und vorbereitet werden. Es kann so vermieden werden, dass ein Flugzeug<br />
lange Bodenzeiten in Kauf nehmen muss, die durch ein unerwartet zu überholendes<br />
Triebwerk hervorgerufen werden.<br />
Beispiele für funktionsbezogene Konzepte des <strong>Performance</strong> <strong>Management</strong> finden sich im<br />
Revenue <strong>Management</strong>, im Pricing und in der Produktgestaltung. Dabei gelten insbesondere<br />
die Revenue <strong>Management</strong> Systeme als weit verbreitetes Vorgehen zur Ertragssteuerung,<br />
und zwar sowohl unter Flag Carriers wie auch unter den No Frills <strong>Airline</strong>s. Allerdings<br />
wurden diese Systeme von einzelnen No Frills <strong>Airline</strong>s stark vereinfacht. Easyjet<br />
beispielsweise integriert die Funktionen Revenue <strong>Management</strong> und Pricing in einen ein-<br />
279 Vgl. hierzu die Definition von <strong>Performance</strong> <strong>Management</strong> in Abschnitt 3.1.<br />
280 Zur Kapazitätsplanung vgl. <strong>St</strong>erzenbach/Conrady, Luftverkehr, S.246ff.<br />
131
heitlichen Prozess und verzichtet dabei auf die Verwendung von Buchungsklassen und<br />
IATA-standardisierten Tarifgruppen. 281 Auf Seiten der Flag Carriers finden sich die<br />
Funktionen von Revenue <strong>Management</strong> und Pricing nicht nur im Passagebereich sondern<br />
auch im Frachtmanagement wieder. 282 Um Entscheide der Produktgestaltung zu unterstützen,<br />
werden häufig <strong>Management</strong>systeme auf Basis von Kundenumfragen verwendet.<br />
Dabei wird die Bedeutung einzelner Produktaspekte aus Sicht der Kunden erforscht und<br />
in entsprechende Gestaltungsvorschläge umgesetzt. Solche Kundenumfragen werden z.T.<br />
auch von unabhängigen Instituten durchgeführt, die die Messresultate den <strong>Airline</strong>s gegen<br />
eine Gebühr zur Verfügung stellen. 283 Ein weiteres Beispiel für ein eher Funktionsbezogenes<br />
Konzept sind die Customer Relationship <strong>Management</strong> Systeme. Hier wird die<br />
Kundenbasis bis auf die Ebene des Individuums segmentiert, analysiert und bewertet. Die<br />
kontinuierlich gesammelten Informationen werden zur Anpassung von Serviceaspekten<br />
für die einzelnen Kunden- bzw. Kundengruppen und zur <strong>St</strong>euerung von Verkaufsförderungs-<br />
und Marketingmassnahmen verwendet. 284<br />
Es zeigt sich, dass es über die in den Abschnitten 3.3.1 bis 3.3.3 genannten <strong>Performance</strong><br />
<strong>Management</strong> Konzepte hinaus noch viele andere <strong>Airline</strong>-spezifische Ansätze gibt, die<br />
ebenfalls in Form von Kennzahlen, Planungsprozessen und Entscheidungsrechnungen<br />
zum Ausdruck kommen können. Jedoch werden diese Konzepte im Vergleich zu den drei<br />
detaillierter dargestellten Ansätzen hier als weniger bedeutsam für das systematisch auszugestaltende<br />
<strong>Airline</strong> <strong>Performance</strong> <strong>Management</strong> auf übergeordneter Ebene angesehen.<br />
281 Ausführungen von Ray Webster, CEO Easyjet, an der European Transport Leaders Conference, London März<br />
2002. Allgemeine Informationen zum Aufbau von Pricing und Revenue <strong>Management</strong> Systemen finden sich bei<br />
<strong>St</strong>erzenbach/Conrady, Luftverkehr, S.300ff.<br />
282 Zu den Herausforderungen des Information <strong>Management</strong> im Frachtbereich vgl. Taneja, <strong>Airline</strong> Business <strong>St</strong>rate-<br />
gies, S. 147ff.<br />
283 Ein Beispiel für eine solche kommerzielle Durchführung und Auswertung von Kundenumfragen ist die Airtrack-<br />
<strong>St</strong>udie, vgl. Heitmann/Weder: <strong>Management</strong> mit Cockpits, S. 195.<br />
284 Vgl. Taneja, <strong>Airline</strong> Business <strong>St</strong>rategies, S. 72ff.<br />
132
4 <strong>Airline</strong> Value Contribution <strong>Management</strong> System<br />
Das <strong>Airline</strong> Value Contribution <strong>Management</strong> System ist eine Methodik für das <strong>Airline</strong><br />
<strong>Performance</strong> <strong>Management</strong>, die entwickelt wurde, um die in Abschnitt 3.1 formulierten<br />
Anforderungen an das <strong>Performance</strong> <strong>Management</strong> für <strong>Airline</strong>s möglichst optimal zu erfüllen,<br />
und in deren Zentrum ein Kennzahlensystem steht.<br />
Die Bezeichnung <strong>Airline</strong> Value Contribution <strong>Management</strong> System, oder abgekürzt<br />
AVCMS leitet sich folgendermassen aus den Eigenschaften des Ansatzes her:<br />
<strong>Airline</strong>:<br />
Der Ansatz richtet sich an <strong>Airline</strong>s, insbesondere an europäische Flag Carriers, und geht<br />
auf spezifische Bedürfnisse dieses Industriesegmentes ein.<br />
Value Contribution:<br />
Die Erfolgsbeiträge der Leistungserstellungsprozesse laufen als Wertbeiträge in einem<br />
Bewertungsmodel zusammen und werden dort in eine Berechnung des Unternehmenswertes<br />
umgesetzt. Die Leistungserstellungsprozesse repräsentieren interne Organisationseinheiten<br />
oder externe Lieferanten, so dass auch von Value Contributions der internen<br />
bzw. externen Lieferanten gesprochen werden kann.<br />
<strong>Management</strong> System:<br />
Es geht um ein <strong>Performance</strong> <strong>Management</strong> System aus Kennzahlen und anderen <strong>Management</strong>informationen<br />
mit Gestaltungsempfehlungen für Zielsetzungs- und Planungsprozesse.<br />
285<br />
Bevor die <strong>St</strong>ruktur des AVCMS mit seinen Kennzahlen und Prozessen genauer erläutert<br />
wird, werden die dem Modell zugrunde liegenden Zielsetzungen dargestellt. Anschliessend<br />
an die Erläuterung der <strong>St</strong>ruktur und Prozesse wird auf die Cockpits eingegangen.<br />
Am Schluss finden sich einige Erläuterungen zur praktischen Anwendung des Modells.<br />
Das Kapitel gliedert sich damit wie folgt:<br />
• Zielsetzung<br />
• <strong>St</strong>ruktur und Prozesse<br />
• Cockpits<br />
• Praktische Anwendung<br />
285 Vgl. hierzu die Definition des Begriffes <strong>Performance</strong> <strong>Management</strong> System in Abschnitt 3.1.<br />
133
4.1 Zielsetzung<br />
Hinsichtlich seiner Zielsetzungen weist das <strong>Airline</strong> Value Contribution <strong>Management</strong> System<br />
einige Parallelen zu den Grundsätzen des TQM auf. Auch beim AVCMS steht die<br />
Ausrichtung auf Qualität, auf Kunden, auf Prozesse, auf Mitarbeiter, und auf die Beziehungen<br />
zu internen und externen Lieferanten im Vordergrund. 286 Ein wesentlicher Unterschied<br />
zum TQM liegt darin, dass das AVCMS weniger als Philosophie zur Unternehmensführung,<br />
sondern eher als Orientierungshilfe für den Aufbau von <strong>Airline</strong> <strong>Performance</strong><br />
<strong>Management</strong> Systemen verstanden werden sollte. Der Schwerpunkt liegt dabei auf<br />
dem Finden einer optimalen Lösung für den zentralen Trade-off des <strong>Performance</strong> <strong>Management</strong><br />
zwischen Vollständigkeit auf der einen Seite und Einfachheit und Klarheit auf<br />
der anderen Seite. 287 Insbesondere soll das AVCMS dabei helfen, eine pragmatische Einfachheit<br />
und Ergebnisorientierung des <strong>Airline</strong> <strong>Performance</strong> <strong>Management</strong> zu erreichen,<br />
die die TQM-basierten Systeme in der Regel vermissen lassen, und zwar ohne bei der<br />
Vollständigkeit der Führungsinformationen und -abläufe Kompromisse einzugehen. 288<br />
Das AVCMS geht auf das <strong>Performance</strong> <strong>Management</strong> der Leistungserstellungsprozesse<br />
der Swissair zurück und wurde diesem Zusammenhang auch als TPM, bzw. Total <strong>Performance</strong><br />
<strong>Management</strong> bezeichnet. Hier konnten durch eine Neudefinition von Kennzahlen,<br />
Führungsstrukturen und <strong>Management</strong>abläufen, die nach den Leitlinien des AVCMS<br />
erfolgten, mit geringem Aufwand und in kurzer Zeit erhebliche Erfolge erzielt werden.<br />
Ein Beispiel dafür ist die Reduktion der Passagierwartezeiten 289 von Sommer 290 2000 auf<br />
Sommer 2001 um 31%. Die mit einem AVCMS Projekt verbundenen, jährlich wiederkehrenden<br />
Einsparungen von Operationskosten und Zusatzerträgen wurden von der Unternehmensberatung<br />
A.T. Kearney auf 44 Mio Euro geschätzt. Die bisherigen Veröffentlichungen<br />
über das AVCMS waren in ihrer Anwendung auf das <strong>Performance</strong> <strong>Management</strong><br />
der <strong>Airline</strong>-Leistungserstellungsprozesse beschränkt. Dabei stand die Reduktion<br />
von Verspätungen, Flugannullationen und der damit im Zusammenhang stehenden Kosten<br />
im Vordergrund. 291 Für den Aufbau des AVCMS wurden die Zielsetzungen des ur-<br />
286 Vgl. hierzu die TQM Grundsätze in Abschnitt 3.2.4.<br />
287 Vgl. hierzu Abschnitt 3.1.<br />
288 Zur Komplexität und vielfach fehlenden Ergebnisorientierung der TQM-basierten Systeme vgl. Abschnitt 3.2.4.<br />
289 Solche Wartezeiten, die durch Abflugverspätungen oder Flugannullationen hervorgerufen wurden.<br />
290 Exakter Vergleichszeitraum ist April bis August, jeweils 2000 und 2001.<br />
291 Nawal Taneja, <strong>Airline</strong> Business <strong>St</strong>rategies, S. 33-37; Volker Heitmann, Total <strong>Performance</strong> <strong>Management</strong>, S.1-17;<br />
Volker Heitmann / Daniel Weder, <strong>Management</strong> mit Cockpits, S. 190-205.<br />
134
sprünglich eher operativ ausgerichteten Ansatzes nun umfassend als Richtlinien zur Gestaltung<br />
eines integralen <strong>Airline</strong> <strong>Performance</strong> <strong>Management</strong> Systems angewandt.<br />
Die Zielsetzung des AVCMS kommt in vier Hauptanforderungen zum Ausdruck, auf die<br />
nachfolgend kurz eingegangen werden soll:<br />
• Relevante Kennzahlen<br />
• Klarheit der Verantwortung<br />
• Einfachheit und Transparenz<br />
• Aussagekräftige Cockpits.<br />
4.1.1 Relevante Kennzahlen<br />
Die Wertbeiträge der Organisationseinheiten und Lieferanten sollen mit wenigen relevanten<br />
und aussagekräftigen Kennzahlen dargestellt werden können, die möglichst auf allen<br />
Ebenen der Organisation gleich definiert und verstanden werden. Dies gilt für finanzielle<br />
und nicht finanzielle Indikatoren. Soweit wie möglich soll die in der <strong>Airline</strong> Industrie<br />
vorherrschende Vielfalt von Leistungsindikatoren zu wenigen Wertbeiträgen verbunden<br />
werden, von denen jeder für sich ein zu fokussierendes Thema vollständig abzudecken<br />
vermag.<br />
Bei der Gestaltung des AVCMS wurden einige spezifische Anforderungen an die Aussagekraft<br />
von Kennzahlen, bzw. von Wertbeiträgen gestellt, die im Folgenden kurz aufgeführt<br />
werden:<br />
• Darstellung resultierender Erfolgsbeiträge<br />
• Durchgängige Zuweisbarkeit<br />
• Konzentration auf das Wesentliche<br />
• Aktualität<br />
• Bewertbarkeit<br />
Darstellung resultierender Erfolgsbeiträge<br />
Im AVCMS gelten nur Resultate aus den Bereichen Ertrag, Kosten, Effizienz oder Qualität<br />
als echte Wertbeiträge. Andere für die Unternehmensführung bedeutende Kennzahlen,<br />
die indirekter über eine längere Wirkungskette mit dem Unternehmenserfolg verbunden<br />
sind, werden im ACVMS zwar nicht ausgeschlossen, gelten aber nicht als Wertbeiträge.<br />
135
Durchgängige Zuweisbarkeit<br />
Im ACVMS sollen sich Wertbeiträge auf Unternehmensteile, auf Lieferanten, auf Teams<br />
oder auf einzelne Transaktionen beziehen lassen. Sie sollten grundsätzlich auf allen Hierarchiestufen<br />
und in allen Funktionen anwendbar sein.<br />
Konzentration auf das Wesentliche<br />
Ziel im AVCMS ist es, die Kennzahlen, die im Zentrum des Führungsprozesses einer<br />
Unternehmung stehen, möglichst auf eine Anzahl von 3-6 zu beschränken. Denn wenn<br />
beispielsweise auf jeder Führungsstufe 6 interne oder externe Lieferanten im Zentrum<br />
stehen, die die Wertbeiträge massgeblich beeinflussen, dann ergeben sich 18-36 Kombinationen,<br />
für die Planungs- und Kontrollzyklen ablaufen müssen. Bei einer grösseren Anzahl<br />
können Übersicht und Fokus leicht verloren gehen.<br />
Aktualität<br />
Da Wertbeiträge als Resultate in die Vergangenheit gerichtet sind, ist es umso wichtiger<br />
sie so aktuell wie möglich erheben zu können. Müsste man Tage oder Wochen auf die<br />
Messung der Wertbeiträge warten, dann könnte man auf Fehlentwicklungen auch erst mit<br />
entsprechender Verzögerung reagieren. Ideal ist eine real-time Messung ohne jede Zeitverzögerung<br />
zu den verursachenden Ereignissen. Denn wenn einer auf diese Weise eingeleiteten<br />
Massnahme ein sofortiges Feedback ihrer Auswirkung auf die Unternehmensziele<br />
folgt, können die Lernzyklen einer Organisation erheblich beschleunigt werden.<br />
Bewertbarkeit<br />
Die Bewertbarkeit der nicht finanziellen Wertbeiträge ist eine Voraussetzung dafür, dass<br />
die Ausrichtung einer Organisation und ihrer Lieferanten auf die Unternehmensziele hin<br />
im Rahmen des AVCMS funktionieren kann. Dazu muss der kleinsten Einheit jeder der<br />
nicht finanziellen Wertbeitragskennziffern ein Bewertungssatz zugewiesen werden. Eine<br />
Kennzahl, für die kein angemessener Bewertungssatz definiert werden kann, kann auch<br />
nicht als Wertbeitrag gelten.<br />
136
4.1.2 Klarheit der Verantwortung<br />
Ein wichtiges Ziel des <strong>Airline</strong> Value Contribution <strong>Management</strong> besteht darin, dass wenn<br />
einmal Erfolgsbeiträge in Form von Wertbeiträgen definiert worden sind, diese auch<br />
vollständig und eindeutig auf verantwortliche Organisationen umgesetzt werden sollen.<br />
Kein Erfolgsbeitrag soll ohne eindeutige aktive Führungsverantwortung sich selbst überlassen<br />
bleiben. Dies gilt auch dann, wenn die Beeinflussbarkeit mancher Erfolgsbeiträge<br />
oder Bestimmungsgrössen des Erfolges nur sehr eingeschränkt gegeben ist. In der Regel<br />
kann jeder wichtige Bestimmungsfaktor des Erfolges von irgendeinem internen oder externen<br />
Lieferanten entweder beeinflusst oder wenigstens durch Antizipation in seiner<br />
Wirkung auf den Erfolg abgeschwächt werden. Solange die Beeinflussbarkeit nicht wirklich<br />
bei Null liegt, sollte eine Organisation ihre Chancen zur Einflussnahme nutzen, indem<br />
sie demjenigen die Verantwortung dafür überträgt, der über am meisten Informationen<br />
und Handlungsmöglichkeiten verfügt, um konstruktiven Einfluss ausüben zu können.<br />
Die Unterstützung der Responsibility Accounting Funktion steht damit noch stärker im<br />
Fokus des <strong>Airline</strong> Value Contribution <strong>Management</strong> System als die der Funktion des Decision<br />
Support.<br />
4.1.3 Einfachheit und Transparenz<br />
Das AVCMS soll für seine Anwender so verständlich und zugänglich sein, dass diese<br />
schnell und einfach die für sie relevanten Informationen aus ihm herauslesen können.<br />
Versuche, die Vollständigkeit und Korrektheit der Information zu perfektionieren, können<br />
schnell zu einem komplexen, schwer zugänglichem System führen, wenn das Kriterium<br />
der Einfachheit und der bewussten Beschränkung auf wenige Kennzahlen und Wirkungsbeziehungen<br />
ausser Acht gelassen wird.<br />
4.1.4 Aussagekräftige Cockpits<br />
Die Cockpits des AVCMS sollen dazu dienen, den Kennzahlen und Führungsprozessen<br />
des <strong>Airline</strong> Value Contribution <strong>Management</strong> Systems zu weitreichender Akzeptanz im<br />
Unternehmen zu verhelfen und es in die Lage zu versetzen, seine volle Wirkung zu entfalten.<br />
AVCMS-Cockpits sollen dabei über Eigenschaften verfügen, die eine stufengerechte<br />
und interaktive Darstellung der Wertbeiträge und anderer <strong>Performance</strong> Informationen<br />
erlauben, so dass die Vorbereitung und Durchführung von <strong>Performance</strong> <strong>Management</strong><br />
Meetings, sowie die <strong>Performance</strong>-Kommunikation an die Mitarbeiter vereinfacht<br />
wird.<br />
137
4.2 <strong>St</strong>ruktur und Prozesse<br />
Ein erster Überblick über die <strong>St</strong>ruktur des AVCMS ist aus Abbildung 4-1 ersichtlich. Das<br />
Kennzahlensystem ist so aufgebaut, dass Finanzresultate und Bewertungskennziffern aus<br />
Ertrags- und Kostengrössen hergeleitet werden, während die Ertragsgrössen zusätzlich<br />
durch Messgrössen der Qualität beeinflusst sind. Die drei Kennzahlenbereiche Ertrag,<br />
Qualität und Kosten sind dabei alle durch die Dimension der Leistungserstellungsprozesse<br />
fundiert.<br />
Beiträge aus der Prozessdimension zu Ertrags-, Qualitäts- und Kostenkennzahlen lassen<br />
sich daher als Wertbeiträge bzw. als Value Contributions bezeichnen. Denn die Leistungsbeiträge<br />
der operativen Einheiten fliessen so direkt in das Bewertungsmodell ein.<br />
Finanzresultate<br />
Ertrag Qualität Kosten<br />
Abbildung 4-1: <strong>St</strong>ruktur des AVCMS<br />
Leistungserstellungsprozesse<br />
Die Finanzresultate stehen an der Spitze der Hauptstrukturelemente. Hier werden Kennzahlen<br />
der klassischen Finanzberichterstattung ausgewiesen und auch Messgrössen, die<br />
sich mit dem Unternehmenswert und mit der Ertragskraft der <strong>Airline</strong> beschäftigen.<br />
Im Ertragsbereich geht es um Durchschnittserträge, um entgangene Erträge und um die<br />
Kennzahlen aus dem Bereich der seat°-utilization-rate. Während die ush, die unavailable<br />
Seat°-hours direkt durch die Prozessleistung beeinflusst werden, kommen Ticketpreise<br />
138
und Seat°-load-factor aus einem Sensitivitätsmodell, das massgeblich durch die <strong>Performance</strong><br />
im Bereich Qualität beeinflusst wird.<br />
Der Qualitätsbereich befasst sich mit nicht finanziellen Wertbeiträgen, die die Leistungsbeiträge<br />
der einzelnen Prozesse bzw. internen/externen Lieferanten zu für die Kunden<br />
relevanten Qualitätsaspekten darstellen.<br />
Im Kostenbereich werden die Beiträge der einzelnen Leistungserstellungsprozesse zu<br />
Kosten und Investitionssummen dargestellt. Insbesondere werden hierbei auch die Kosten<br />
thematisiert, die für die Kompensation von Qualitätsdefekten aufgewendet werden<br />
müssen.<br />
Der Bereich der Leistungserstellungsprozesse schliesslich befasst sich mit den Beiträgen<br />
der internen/externen Lieferanten zu den Kennzahlen aus den Bereichen Ertrag, Qualität<br />
und Kosten. Dieser Bereich bietet die Basis, um auf der Grundlage von unternehmensweit<br />
gültigen Wertreibern für jeden internen/externen Lieferanten Zielsetzungs- und Kontrollprozesse<br />
betreiben zu können.<br />
Ein erster Eindruck vom AVCMS und von seinem Leistungsvermögen, mit einem Minimum<br />
an Kennzahlen die Vereinbarungsprozesse einer <strong>Airline</strong> sehr vollständig unterstützen<br />
zu können, kann anhand von Abbildung 4-2 gewonnen werden. Die Abbildung zeigt<br />
eine Auswahl von 12 nummerierten Charts, die in Form eines Cockpits angeordnet worden<br />
sind. Die Charts basieren auf einem Zahlenbeispiel, mit dem die <strong>Performance</strong> einer<br />
hypothetischen <strong>Airline</strong> in einer Mehrperiodenbetrachtung durch alle Dimensionen des<br />
AVCMS hindurch dargestellt werden kann. Auf dieses Zahlenbeispiel wird in diesem<br />
Kapitel laufend zurückgegriffen, wobei für viele Kennzahlen zusätzlich auch die tatsächlichen<br />
Werte einiger untersuchter europäischer <strong>Airline</strong>s angegeben werden. In Tabelle<br />
4-1 sind die im Cockpit verwendeten Abkürzungen erklärt.<br />
Legende zum APVMS Cockpit<br />
EVA = Economic Value Added Ash = Available Seat°-hours<br />
IC = Invested Capital Rsh = Revenue Seat°-hours<br />
DAR = Depreciation, Amortization and Rents Ush = unavailable Seat°-hours<br />
Var cash cost = Variable Cash Kosten SLF = Seat-load-factor<br />
Fix cash cost = Fixe Cash Kosten Tb SLF = time-based Seat°-load-factor<br />
EBIT = Earnings Before Interest and Taxes A/C util. = Aircraft-utilization<br />
na EBIT = Non-<strong>Airline</strong> EBIT Seat° util. = Seat°-utilization<br />
Seats° = Full-Economy Sitzäquivalente Pax-h = Passenger-hours<br />
Pax = Passagiere MRO = Maintenance, Repair and Overhaul<br />
Ask = Available Seat Kilometers<br />
Tabelle 4-1: Erklärungen zu den AVCMS Cockpits<br />
139
Abbildung 4-2: AVCMS Cockpit mit Volumen-Grössen<br />
140
Die Charts 1-4 der Abbildung 4-2 befassen sich vorwiegend mit dem Unternehmenswert,<br />
den Finanzergebnissen und dem Wachstum der Unternehmung. Die Hintergründe dazu<br />
gehen aus den Charts 5-12 hervor. Dabei geht es in den Charts 5-11 um die Erfolgsbeiträge<br />
der internen und externen Lieferanten bzw. der Leistungserstellungsprozesse, die<br />
durch die Legende am unteren Rand der Abbildung bezeichnet werden. Die 7 Charts bezeichnen<br />
die Beiträge zu Kosten, Qualität und zu wichtigen Treibern des Ertrages. Durch<br />
diese Aufteilung auf Prozessverantwortliche ist so der Grossteil der Bestimmungsgrössen<br />
des Unternehmenserfolges durch Vereinbarungsprozesse führbar gemacht worden. Die in<br />
Chart 12 dargestellte Entwicklung der Durchschnittserträge ist zwar nicht in Form von<br />
Leistungsbeiträgen dargestellt, jedoch fliessen die Ergebnisse der Charts 9-11, die sich<br />
mit den Beiträgen zur Kunden-relevanten Produktqualität befassen, mittels eines Sensitivitätsmodels<br />
in die Durchschnittserträge und in die Sitzauslastung ein, so dass auch diese<br />
Bestimmungsgrössen des Erfolges wenigstens zum Teil aktiv geführt werden können.<br />
Die Erfolgsbeitragskennziffern könnten sogar noch weiter zusammengefasst werden. Wie<br />
diese Konsolidierung auf ein Minimum an Kennzahlen und Charts zur Führung des Unternehmens<br />
funktioniert, kann beispielsweise anhand von Chart 7 deutlich gemacht werden.<br />
Dieses Chart gibt gleichzeitig Auskunft über den Sitzladefaktor und die Effizienz<br />
des Flugzeugeinsatzes mit den Beiträgen der einzelnen Abteilungen und Lieferanten dazu.<br />
Dass solch eine Darstellung möglich ist, ergibt sich nicht zuletzt auch aus der Einführung<br />
eines überarbeiteten Mengengerüstes als Bestandteil des AVCMS.<br />
Der Überblick über die <strong>St</strong>ruktur des AVCMS aus Abbildung 4-1 wird in Abbildung 4-3<br />
um den Kontext der Hauptsstrukturelemente ergänzt.<br />
Die Hauptstrukturelemente umfassen die fünf Kernbereiche Finanzresultate, Ertrag, Kosten,<br />
Qualität und Leistungserstellungsprozesse.<br />
Im erweiterten Kontext des AVCMS treten fünf weitere Gebiete hinzu, die in Kennzahlen<br />
zum Ausdruck gebracht werden können. Sie ergänzen und erweitern die fünf Hauptstrukturelemente<br />
des AVCMS.<br />
Der Bereich Grösse und Wachstum repräsentiert die in Abschnitt 4.2.1 dargestellten Basiskennzahlen<br />
des AVCMS, auf denen die Kennzahlen der fünf Kernbereiche aufbauen.<br />
Daneben sind im Kontext des AVCMS auch zusätzliche <strong>Performance</strong>- und Finanzinformationen<br />
zu finden, die zur Berechnung oder Abgrenzung einiger wichtiger Kennzahlen<br />
nötig sind, jedoch selbst nicht im Zentrum des Interesses stehen. Ein Beispiel hierfür sind<br />
Gewinnbeiträge, die ausserhalb des <strong>Airline</strong> Geschäftes erwirtschaftet wurden. Sie fliessen<br />
in die Finanzresultate ein, haben aber ansonsten nur wenig mit der Systematik des<br />
AVCMS zu tun.<br />
141
Grösse &<br />
Wachstum<br />
Zusätzliche<br />
<strong>Performance</strong><br />
Informationen<br />
Zusätzliche Finanzinformationen<br />
Finanzresultate<br />
Ertrag Qualität Kosten<br />
Leistungserstellungsprozesse<br />
Process Enablers<br />
Abbildung 4-3: AVCMS im erweiterten Kontext<br />
Volkswirtschaftlich<br />
bedeutsame<br />
Resultate<br />
Das Gebiet der Process Enablers enthält Variablen, die zwar geeignet sind, die <strong>Performance</strong><br />
der Leistungserstellungsprozesse zu steigern, dabei allerdings nicht im Zentrum<br />
des AVCMS stehen. Hierunter fallen vor allem all diejenigen Variablen, die in der Entwicklungssicht<br />
der Balanced Scorecard zu finden sind. Die Themenstellungen dort sind<br />
zwar oft entscheidend für den Erfolg der Leistungserstellungsprozesse, jedoch lassen sie<br />
sich, wie bereits gezeigt wurde, kaum in aussagekräftige Wertbeiträge übersetzten. 292<br />
Schliesslich ist im Kontext des AVCMS noch das Gebiet der volkswirtschaftlich bedeutsamen<br />
Resultate zu finden. Die Führung einer <strong>Airline</strong> kann sich nämlich in der Regel<br />
nicht ausschliesslich auf die Interessen der Investoren zu konzentrieren. In Abschnitt<br />
2.4.4 wurde bereits dargestellt, dass neben den Finanzresultaten von einer <strong>Airline</strong> meist<br />
auch andere Ergebnisse produziert werden, die z.B. für die Anspruchsgruppe <strong>St</strong>aat und<br />
Gesellschaft von hoher Bedeutung sein können. Beispiele auf der Negativseite sind alle<br />
Arten umweltschädigender Emissionen, auf der positiven Seite ist unter anderem der Beitrag<br />
zur Verkehrsinfrastruktur und zum <strong>St</strong>eueraufkommen zu nennen.<br />
292 Vgl. Abschnitt 3.2.3.<br />
142
Als erster Schritt zur Darstellung von <strong>St</strong>ruktur und Prozessen des AVCMS werden die<br />
Basiskennzahlen beschrieben, auf denen das Grundmodell beruht. Darauf aufbauend<br />
können die fünf Kernbereiche des AVCMS genauer dargestellt werden. Dabei wird immer<br />
wieder auf ein umfassendes Rechenmodell des AVCMS zurückgegriffen, das in zwei<br />
Varianten im Anhang eingesehen werden kann. Die eine Variante bezieht sich auf eine<br />
mehrere Perioden umfassende Beispielrechnung einer hypothetischen <strong>Airline</strong>, während<br />
die andere Variante auf Daten europäischer <strong>Airline</strong>s des Jahres 2000 basiert. Zum Teil<br />
liegen dabei auch Aktualisierungen vor, so dass die Daten mancher Charts bis ins Jahr<br />
2004 reichen.<br />
Im Anschluss an eine Darstellung der Basiskennzahlen des AVCMS werden fünf Kernbereiche<br />
des AVCMS beschrieben und anhand von Daten aus den genannten Rechenmodellen<br />
illustriert. Danach wird der erweiterte Kontext des AVCMS geklärt. Zum Abschluss<br />
folgt eine Darstellung der Führungsprozesse im AVCMS und ein zusammenfassender<br />
Überblick.<br />
Die nächsten Abschnitte gliedern sich damit wie folgt:<br />
• Basiskennzahlen<br />
• Finanzresultate<br />
• Ertragsbereich<br />
• Qualitätsbereich<br />
• Kostenbereich<br />
• Bereich der Leistungserstellungsprozesse<br />
• Erweiterter Kontext<br />
• Führungsprozesse<br />
• Zusammenfassender Überblick über die <strong>St</strong>ruktur des AVCMS<br />
4.2.1 Basiskennzahlen<br />
Bevor die <strong>St</strong>ruktur der Wertbeiträge, der internen/externen Lieferanten und der übrigen<br />
Kennzahlen des AVCMS dargestellt wird, ist es sinnvoll einen Überblick über die dem<br />
AVCMS zugrunde liegenden Basiskennzahlen zu geben. Viele der Wertbeiträge und übrigen<br />
Kennzahlen des AVCMS greifen in ihrer Definition auf diese Basiskennzahlen zurück<br />
oder stehen mit ihnen in einem engen Zusammenhang. Denn bei den Basiskennzahlen<br />
handelt es sich vorwiegend um Mengengrössen, die die Grundlage für das Bilden von<br />
Verhältniskennzahlen in den 5 Kernbereichen des AVCMS bilden.<br />
143
Die Herausforderung bei der Definition eines angemessenen Mengengerüstes liegt vor<br />
allem darin, die Proportionalitäten zwischen Erfolgsgrössen und Mengengrössen richtig<br />
abzubilden und dabei die Anzahl der unterschiedlichen verwendeten Mengengrössen, und<br />
damit auch die Komplexität, so gering wie möglich zu halten. Mit einigen wenigen, möglichst<br />
konsistent definierten Grössen soll also ein Set zur Verfügung gestellt werden, mit<br />
dem die mengenmässigen Treiber verschiedener Kategorien von Kosten, Erträgen und<br />
Qualität möglichst korrekt und verständlich abgebildet werden können. Dort wo zur Erreichung<br />
dieses Zieles von in der Industrie weit verbreiteten Mengengrössen abgewichen<br />
werden muss, ist sicherzustellen, dass eine Übersetzung zu gültigen Industriestandards<br />
möglichst einfach durchzuführen ist. Denn häufig verlangen die Anteilseigner eine Berichterstattung<br />
nach Industriestandards und auch Benchmarking-Analysen sind erst dann<br />
möglich, wenn eine ausreichende Vergleichbarkeit mit den publizierten Daten anderer<br />
Gesellschaften erfolgen kann.<br />
Einheit Erfolgskriterium<br />
Seat<br />
Seat°<br />
Seat°-hour<br />
msh<br />
ush<br />
ash<br />
rsh<br />
ssh<br />
pfh<br />
Fixkosten<br />
A/C Auslastung<br />
Variable Kosten<br />
Erträge<br />
Pax Produktqualität<br />
Legende<br />
Abbildung 4-4: Basiskennzahlen im AVCMS<br />
Seat = Nr. of Seats<br />
(Anzahl installierter Sitze)<br />
Seat° = full economy seat-equivalent<br />
(Sitzäquivalente zu 100% Economy-Sitzen)<br />
msh = maximum Seat°-hour<br />
(theoretisches Maximum der Sitzstunden)<br />
ush = unavailable Seat°-hour<br />
(Sitzstunden ausserhalb Blockzeit)<br />
ash = available Seat°-hour<br />
(Sitzstunden innerhalb Blockzeit)<br />
rsh = revenue Seat°-hour<br />
(Produktive Sitzstunden mit Passagieren)<br />
ssh= spoiled Seat°-hour<br />
(Produktive Sitzstunden ohne Passagiere)<br />
pfh = Pax flight hour<br />
(Flugstunden der Passagiere)<br />
Pax = Nr. of Passengers<br />
(Anzahl der Passagiere)<br />
Ein erster Überblick über das im AVCMS verwandte Mengengerüst ist aus Abbildung<br />
4-4 ersichtlich. In ihr werden die fünf wesentlichen Mengengrössen - Seat°, ush, ash, rsh<br />
und Pax – jeweils einem Erfolgskriterium gegenübergestellt, für das sie als Treiber gelten<br />
sollen. Auf der rechten Seite der Abbildung befindet sich ausserdem eine Legende, die<br />
nicht nur Kurzbeschreibungen für die fünf hauptsächlichen Mengentreiber enthält, son-<br />
144
dern dabei auch vier ergänzende Mengengrössen – Seats, msh, ssh und pfh –<br />
berücksichtigt.<br />
Im Folgenden sollen die Grössen aus der oben stehenden Abbildung näher erläutert werden.<br />
Dabei soll insbesondere auch auf die Vorteile dieser Mengengrössen gegenüber den<br />
heute verbreiteten Grössen des Netzwerkergebnisbaumes eingegangen werden. Denn nur<br />
wenn die Vorteile neuer Mengengrössen hinreichend bedeutend sind, ist ein Abweichen<br />
von den Quasi-Industriestandards des Netzwerkergebnisbaumes auch sinnvoll.<br />
In einem ersten Schritt soll auf die Messgrösse Seat° eingegangen werden, die als Mass<br />
für die Flottengrösse und als Treiber für die meisten Fixkostenkategorien gelten kann. In<br />
diesem Zusammenhang werden auch die konventionellen „Seat“ als ergänzende Messgrösse<br />
erläutert. Daran anschliessen soll das Konzept der Sitzstunden erläutert werden,<br />
das auf den Seat° aufbaut und als Basis für die fünf Mengengrössen msh, ush, ash, rsh<br />
und ssh dient. Im nächsten Schritt geht es um eine ausführlichere Darstellung genau dieser<br />
fünf Mengengrössen, wobei auch das Bilden von Relationen aus diesen Grössen, die<br />
als Effizienzmassstäbe dienen können, thematisiert wird. Schliesslich werden noch die<br />
Pax als Treiber für viele Qualitätsmessgrössen beschrieben, die in dieser Funktion durch<br />
eine zweite Mengengrösse, die pfh, ergänzt werden können. Abschliessend folgt eine Zusammenfassung<br />
der Vorteile des dem AVCMS zugrunde liegenden Mengengerüstes gegenüber<br />
der klassischen Variante der Kennzahlen des Netzwerkergebnisbaumes.<br />
Die nächsten Abschnitte sind damit wie folgt strukturiert:<br />
• Economy-Sitzäquivalente als Mass für die Flottengrösse<br />
• Sitzstunden-basierte Messgrössen<br />
• Anzahl Passagiere als Treiber für viele Qualitätsmessgrössen<br />
• Vorteile der Basiskennzahlen<br />
4.2.1.1 Economy-Sitzäquivalente als Mass für die Flottengrösse<br />
Wenn die Grösse der Flotten mehrerer <strong>Airline</strong>s verglichen werden soll, bietet sich die<br />
Anzahl Sitze als das geeignete Vergleichkriterium an. Häufig werden in der Industrie<br />
zwar auch die ASK, die verfügbaren Sitzkilometer, verwendet um die Flottengrössen zu<br />
vergleichen. 293 Dies ist jedoch kaum das geeignetere Kriterium, denn die ASK werden<br />
auch stark durch den Einsatz der Flotte und die effektiv zurückgelegten Entfernungen<br />
beeinflusst.<br />
293 Scott-Gall/Logan, <strong>Airline</strong>s Europe, S. 36.<br />
145
Es zeigt sich allerdings, dass auch bei einem Vergleich auf Basis der Anzahl Sitze einige<br />
Hürden genommen werden müssen, um zu möglichst aussagekräftigen Vergleichswerten<br />
gelangen zu können. Unterschiedliche <strong>Airline</strong>s können sehr unterschiedliche Flugzeugtypen<br />
im Einsatz haben, und dabei kann auch der Anteil an Lang- und Kurzstreckenflugzeugen<br />
der <strong>Airline</strong>s stark voneinander abweichen. Selbst da, wo bei verschiedenen <strong>Airline</strong>s<br />
gleiche Flugzeugtypen im Einsatz sind, können sie eine unterschiedliche Bestuhlung<br />
aufweisen, so dass gleiche Flugzeugtypen bei unterschiedlichen <strong>Airline</strong>s auch über eine<br />
unterschiedliche Anzahl Sitze verfügen.<br />
Ein Ausweg aus dieser Situation der schwierigen Vergleichbarkeit bietet sich, wenn mit<br />
Economy-Sitzäquivalenten gearbeitet wird. Dazu wird für jeden Flugzeugtyp diejenige<br />
Anzahl Sitze als Economy-Sitzäquivalent definiert, für die er maximal zugelassen ist.<br />
Vergleicht man auf dieser Basis den Marktwert von Economy-Sitzäquivalenten verschiedener<br />
Flugzeuge verschiedener <strong>Airline</strong>s, dann stellt sich heraus, dass der Wert eines solchen<br />
Economy-Sitzäquivalentes viel stärker vom Alter des betreffenden Flugzeuges abhängt<br />
als vom Flugzeugtyp. 294 Abbildung 4-5 zeigt die Ergebnisse einer entsprechenden<br />
Untersuchung, die von der Investmentbank Goldman Sachs durchgeführt wurde.<br />
Die Abbildung zeigt für die untersuchten Flugzeugtypen den Marktwert eines Economy-<br />
Sitzäquivalentes in einem 10 Jahre alten, 5 Jahre alten und neuen Flugzeug. Das unterste<br />
dunkle Segment jeder Säule gibt dabei den Wert für das 10 Jahre alte Flugzeug an, während<br />
die beiden darüber liegenden Segmente die Prämien bezeichnen, die für eine Aufwertung<br />
auf ein 5 Jahre altes oder neues Flugzeug veranschlagt werden müssen. 295 Die<br />
drei quer liegenden Linien bezeichnen die Durchschnittswerte eines Economy-<br />
Sitzäquivalentes je Alterskategorie. Anhand der Abbildung zeigt sich also tatsächlich,<br />
dass innerhalb einer Alterskategorie die Werte der Sitzäquivalente verschiedener Flugzeugtypen<br />
nur wenig divergieren.<br />
Gemäss weiteren Untersuchungen der Investmentbank Goldman Sachs können beim<br />
Grössenvergleich auf Basis Economy-Sitzäquivalente mit einer gewissen Berechtigung<br />
sogar die Alterkategorien vernachlässigt werden. Denn es wurde herausgefunden, dass<br />
zumindest die Flag Carriers ein durchschnittliches Flottenalter von 8 bis 10 Jahren an-<br />
294 Scott-Gall/Logan, <strong>Airline</strong>s Europe, S. 39.<br />
295 Für die B777 und die Airbus-Flugzeuge mit Ausnahme des A320 standen keine Werte für 10 Jahre alte Flugzeuge<br />
zur Verfügung. Für den A319 konnten sogar nur Werte für neue Flugzeuge erhoben werden. Hier ist die Grafik<br />
entsprechend anders zu lesen, was jedoch kein Problem darstellt. Die Spitze der Säule gibt für jeden Flugzeugtyp<br />
den Neuwert an, die Spitze des darunter liegenden Segments den 5 Jahreswert etc.<br />
146
streben, und dass Abweichungen von diesem Alterbereich von den Kapitalmärkten meist<br />
mit Abschlägen auf den Aktienkursen gestraft werden. 296<br />
Wert pro Economy-Sitzäquivalent in 1000 USD .<br />
147<br />
300<br />
250<br />
200<br />
150<br />
100<br />
50<br />
0<br />
B737-<br />
300/700<br />
B737-<br />
400/800<br />
B747-<br />
400<br />
B757-<br />
200<br />
B767-<br />
300<br />
B777-<br />
200<br />
Abbildung 4-5: Wert pro Economy-Sitzäquivalent 297<br />
neu<br />
5 Jahre alt<br />
10 Jahre alt<br />
Durchschnitt neu<br />
Durchschnitt 5 Jahre<br />
Durchschnitt 10 Jahre<br />
A319 A320 A321 A330 A340<br />
Die Economy-Sitzäquivalente, die nachfolgend auch als Seat° bezeichnet werden, eignen<br />
sich deshalb so gut als Mass für die Flottengrösse einer <strong>Airline</strong>, da sie näherungsweise<br />
das in der Flotte gebundene Kapital repräsentieren können. Auf dieser Basis lassen sich<br />
Kennzahlen der Ertragskraft entwickeln, die darstellen, wieviel Gewinn oder Cash Flow<br />
die jeweilige <strong>Airline</strong> aus einem Seat° herausholen kann, der ja für jede Gesellschaft ungefähr<br />
gleich viel kostet.<br />
Ein Beispiel für solche die Ertragskraft darstellenden Kennzahlen ist die Messgrösse<br />
EBITDAR/Seat°, auf die in Abschnitt 4.2.2.1 auf Seite 167 näher eingegangen wird.<br />
296 Scott-Gall/Logan, <strong>Airline</strong>s Europe, S. 39 und S. 106.<br />
297 Datenquelle: Scott-Gall/Logan, <strong>Airline</strong>s Europe, S. 39 und 106.
Für das AVCMS ist entscheidend, dass die Grösse Seat° als Treiber für alle wichtigen<br />
flotten-direkten Fixkostenkategorien Verwendung finden kann. Für alle Kapitalkosten,<br />
Abschreibungen und Leasingkosten, sowie betriebsunabhängige Wartungskosten, die mit<br />
der Flotte zusammenhängen, kann angenommen werden, dass sie sich annähernd proportional<br />
zu den Seat° verhalten sollten. 298 Ergänzend zur Grösse Seat° ist es allerdings auch<br />
notwendig, die real existierenden Sitze nicht aus den Augen zu verlieren. Diese Messgrösse<br />
wird im Rahmen des AVCMS mit Seat bezeichnet. Sie wird benötigt, um Vergleiche<br />
z.B. der Ertragskraft zu solchen <strong>Airline</strong>s herstellen zu können, für die die Messgrösse<br />
Seat° nicht verfügbar ist.<br />
Ein weiterer für das AVCMS entscheidender Aspekt der Seat° ist, dass darauf das Konzept<br />
der Seat°-h, der auf Economy-Sitzäquivalenten basierten Sitzstunden aufgebaut<br />
werden kann. Auf dieses Konzept wird im Folgenden Abschnitt näher eingegangen.<br />
4.2.1.2 Sitzstunden-basierte Messgrössen<br />
Wenn die Messgrösse Seat° das in der Flotte gebundene Kapital repräsentiert, dann kann<br />
mit einer Zeitspanne, in der solch ein Seat° zur Verfügung steht, ein Wertverzehr ausgedrückt<br />
werden, der als Asset time oder Anlagenzeit bezeichnet werden kann. Die mit der<br />
Bereitstellung eines Seat° verbundenen jährlichen Kapitalkosten können beispielsweise<br />
auf alle <strong>St</strong>unden eines Jahres umgelegt werden, so dass sich ein Kostensatz pro Seat°-<br />
<strong>St</strong>unde ergibt, der dann denjenigen internen/externen Lieferanten belastet werden kann,<br />
die auf die Seat°-<strong>St</strong>unden zurückgreifen.<br />
Auf dem Konzept dieser Seat°-<strong>St</strong>unden oder Seat°-hours, abgekürzt auch Seat°-h, basiert<br />
eine ganze Reihe von Mengengrössen, die im AVCMS zum Einsatz kommen.<br />
Ein Überblick über die im AVCMS verwendeten Sitzstunden-basierten Messgrössen, ist<br />
in Abbildung 4-6 zu sehen. Es handelt sich dabei einerseits um die Mengengrössen msh,<br />
ash, rsh, ssh und ush, die im unteren Teil der Abbildung dargestellt sind. Werden die<br />
Mengengrössen zueinander ins Verhältnis gesetzt, lassen sich die Relationsgrössen<br />
rsh/msh, ash/msh und rsh/ash bilden, wie dies im oberen Tel der Abbildung gezeigt wird.<br />
298 Vgl. hierzu auch die Definitionen zu den Kostendimensionen einer <strong>Airline</strong> in Abschnitt 3.3.2.1 und die typische<br />
Kostenverteilung in Abschnitt 3.3.2.2.<br />
148
msh<br />
maximum-seat°-hours<br />
149<br />
ash/msh<br />
aircraft-utilizationrate<br />
rsh/msh<br />
seat°-utilization-rate<br />
ash<br />
available-seat°-hours<br />
rsh/ash<br />
seat°-load-factor<br />
ush<br />
unavailable-seat°-hours<br />
Abbildung 4-6: Sitzstunden-basierte Messgrössen im AVCMS<br />
rsh<br />
revenue-seat°-hours<br />
ssh<br />
spoiled-seat°-hours<br />
Im Folgenden werden die einzelnen Kennzahlen aus der Abbildung in der nachstehenden<br />
Reihenfolge erläutert:.<br />
• Maximum-seat°-hours (msh)<br />
• Available-seat°-hours (ash)<br />
• Unavailable-seat°-hours (ush)<br />
• Revenue-seat°-hours (rsh)<br />
• Spoiled-seat°-hours (ssh)<br />
• Seat°-utilization-rate (rsh/msh)<br />
• Aircraft-utilization-rate (ash/msh)<br />
• Seat°-load-factor (rsh/ash )
Maximum-seat°-hours (msh)<br />
Werden alle theoretisch verfügbaren Sitzstunden eines Jahres ermittelt, indem die Anzahl<br />
Seat° mit der Anzahl <strong>St</strong>unden eines Jahres (24*365) multipliziert wird, ergeben sich die<br />
maximum-seat°-hours. Diese können in ash und ush aufgeteilt werden.<br />
Available-seat°-hours (ash)<br />
Die ash oder available-seat°-hours beschreiben diejenigen Sitzstunden, die vollständig<br />
produktiv für Beförderungsleistungen zur Verfügung stehen. Die ash können damit auch<br />
als diejenigen Sitzstunden verstanden werden, die sich aus den kalkulierten Blockzeiten<br />
der durchgeführten Flüge ergeben, d.h. aus den vorgesehenen Flugzeiten und den vorgesehenen<br />
Rollzeiten vom Gate bis zum <strong>St</strong>art, zuzüglich einer minimalen Zeitspanne für<br />
das Ein- und Aussteigen der Passagiere und das Verladen des Gepäcks.<br />
Da die ash nur dann anfallen, wenn effektiv produziert wird, können sie als Treiber für<br />
die Flug- und Rotations-direkten Kosten299 dienen, die wie in Abschnitt 3.3.2.2 festgestellt<br />
wurde, in der Regel mehr als 50% der Gesamtkosten ausmachen sollten.<br />
Für das AVCMS ist es entscheidend, dass die ash sich als Treiber der Flug- und Rotations-direkten<br />
Kosten wesentlich besser eignen als die etablierte Mengengrösse aus dem<br />
Netzwerkergebnisbaum ASK. Diese bessere Eignung geht auf zwei Vorteile zurück, die<br />
die ash gegenüber den ASK ausspielen können.<br />
Zum einen verhält sich der Grossteil der Flug- und Rotations-direkten Kosten in der Regel<br />
viel stärker proportional zur Einsatzzeit als zur zurückgelegten Distanz in Kilometern,<br />
zum anderen liegt bei diesen Kosten meist auch eine höhere Proportionalität zu Economy-Sitzäquivalenten<br />
als zu tatsächlich installierten Sitzen vor.<br />
Für die Crew-Kosten ist diese direktere Proportionalität zu den ash wahrscheinlich am<br />
offensichtlichsten. In den Arbeitsverträgen der Crews stehen Vereinbarungen über die zu<br />
leistenden Arbeitsstunden und keine Regelungen über zurückzulegende Entfernungen.<br />
Die Anzahl benötigter Crews und der anfallenden Crew-Kosten ergibt sich damit eher<br />
aus der Präsenzzeit als aus der in den Flügen zurückgelegten Entfernung. Ein weiteres<br />
Argument für die ash als geeigneteren Treiber der Crew-Kosten ergibt sich aus der Tatsache,<br />
dass für Sitze in der First- oder Business Class in der Regel eine höhere Anzahl<br />
Flight Attendants pro Sitz zur Verfügung gestellt wird als im Economy-Bereich. Die ash,<br />
299 Zur Definition der Flug- und Rotationsdirekten Kosten vgl. Abschnitt 3.3.2.1.<br />
150
die einem First oder Business Class Sitz mehr Sitzäquivalente zurechnen als einem Economy<br />
Sitz, berücksichtigen diesen Effekt, während die ASK jeden Sitz gleich gewichten.<br />
Für die Treibstoffkosten zeigt sich ein ähnlicher Effekt was die Gewichtung von First und<br />
Business Class Sitzen angeht. Diese Sitze nehmen mehr Raum und damit auch mehr Gewicht<br />
in Anspruch, so dass sie höhere Treibstoffkosten verursachen. Während des Fluges<br />
verhalten sich die Treibstoffkosten wahrscheinlich gleich proportional zur zurückgelegten<br />
Entfernung wie zur Dauer der Flugzeit, jedoch ergeben sich Unterschiede zwischen<br />
ash und ASK für <strong>St</strong>art- und Landung und für die Zeiten unmittelbar davor bzw. danach.<br />
Während des Ein- und Aussteigens und während der Rollzeiten wird zwar weniger Treibstoff<br />
verbraucht als während des Fluges, jedoch wird dieser Effekt dadurch wieder ausgeglichen,<br />
dass vor allem bei der <strong>St</strong>artphase und im <strong>St</strong>eigflug ein höherer Treibstoffverbrauch<br />
zum Tragen kommt als während der übrigen Flugphasen.<br />
Die Abfertigungskosten verhalten sich weder zur Blockzeit noch zur zurückgelegten Entfernung<br />
wirklich proportional, da sie für jeden Flug bei <strong>St</strong>art und Landung jeweils einmal<br />
anfallen. Werden ash oder ASK hier als Kostentreiber verwendet, ergeben sich daher<br />
zwangsläufig Ungenauigkeiten. Bei Verwendung der ash fallen diese Ungenauigkeiten<br />
allerdings etwas geringer aus als bei den ASK, denn bei der Berechnung der ash erhalten<br />
die Kurzstrecken durch das Einschliessen der Roll- und Einsteigezeiten ein grösseres<br />
Gewicht als bei den ASK.<br />
Selbst hinsichtlich der Flug-bezogenen Wartungskosten kann wahrscheinlich von einer<br />
höheren Proportionalität der ash ausgegangen werden. Denn die Wartungsintervalle für<br />
Triebwerke und Flugzeuge werden vielfach durch die Anzahl an Betriebsstunden vorgegeben.<br />
Zusätzlich beseitigen die ash auch hier gegenüber den ASK Verzerrungen, die<br />
durch unterschiedliche Bestuhlungen oder einen unterschiedlichen Klassenmix hervorgerufen<br />
werden. 300<br />
Trotz der überwiegenden Vorteile der ash sind die ASK noch immer der weit verbreitete<br />
Industriestandard, mit dem Grössenvergleiche angestellt und <strong>St</strong>ückkostenkalkulationen<br />
vorgenommen werden. 301<br />
Dass der Unterschied zwischen einer Darstellung in ash und in ASK nicht unwesentlich<br />
ist, zeigt Abbildung 4-7. Verschiedene <strong>Airline</strong>s weisen sehr unterschiedliche ASK pro<br />
ash auf. Dabei fällt auf, dass die No Frills <strong>Airline</strong>s hier besonders hohe Werte erreichen,<br />
300 Wie diese Verzerrungen zustande kommen können wurde bereits im Zusammenhang mit den Crew- und Treibstoffkosten<br />
ausgeführt.<br />
301 Vgl. hierzu Abschnitt 3.3.1.1. Hier wird gezeigt, dass die Kosten pro ASK als wesentlicher Bestandteil des<br />
Netzwerkergebnisbaumes zur Beurteilung der <strong>St</strong>ückkosten dienen.<br />
151
was sich vor allem auf die ausschliessliche Bestuhlung mit Economy Sitzen zurückführen<br />
lässt. Allerdings haben hier auch die durchschnittliche <strong>St</strong>reckenlänge und die durchschnittlichen<br />
Rollzeiten am Hub einen wichtigen Einfluss.<br />
ASK/ash<br />
year 2000<br />
700<br />
600<br />
500<br />
400<br />
300<br />
200<br />
100<br />
0<br />
Lufthansa BA Easyjet Air France SAS KLM Ryanair Alitalia Iberia<br />
Abbildung 4-7: ASK pro ash europäischer <strong>Airline</strong>s im Jahr 2000 302<br />
Die Mengengrösse ash kann ihre <strong>St</strong>ärken vor allem dann voll ausspielen, wenn sie in einem<br />
<strong>St</strong>ückkosten-basierten Planungsprozess zur Festlegung von Zielsetzungen für die<br />
Flug- und Rotations-direkten Kosten eingesetzt wird. Dabei ist es wichtig, dass die Kosten<br />
von Ineffizienzen aus dem Planungsprozess herausgehalten werden und stattdessen<br />
dem Verursacher der Ineffizienz direkt belastet werden können. Beispielsweise sollen so<br />
die Kosten, die durch Verspätungen oder Zeitüberschreitungen bei der Abfertigung entstehen<br />
können – wie z.B. Mehrkosten für zusätzliche Crew-Zeiten – denjenigen internen/externen<br />
Lieferanten zugewiesen werden, die die Abweichung vom Plan verursacht<br />
302 Datenquelle: Berechnungen im Anhang.<br />
152
haben. Derartige Zusatzkosten sollen also nicht in einen Plankostensatz wie beispielsweise<br />
Crewkosten/ash einfliessen. 303<br />
Unavailable-seat°-hours (ush)<br />
Die ush oder unavailable-seat°-hours umfassen den gesamten Rest der msh, der nicht den<br />
ash zuzurechnen ist. Hierunter fallen alle Arten von Verspätungen oder Flugannullationen304,<br />
sowie alle Arten von geplanten unproduktiven Bodenzeiten. Die ush können somit<br />
beispielsweise die Flugzeugwartung, die Reinigung, die Versorgung mit Treibstoff und<br />
Wasser, Flugvorbereitungszeiten, zusätzliche Verlade- und Einsteigezeiten, zusätzliche<br />
Rollzeiten oder zusätzliche Flugzeiten betreffen. Damit können die ush auch einzelnen<br />
internen/externen Lieferanten wie z.B. Flugzeugwartung, Bodenabfertigung, Crew,<br />
Netzwerkmanagement etc. zugewiesen werden.<br />
Aus dieser Zuweisbarkeit zu internen/externen Lieferanten ergibt sich eine für das<br />
AVCMS ganz entscheidende Implikation. Denn die ush können somit als echter Wertbeitrag<br />
und als aussagekräftige Kennzahl gelten. Sie erfüllen alle wichtigen Anforderungen<br />
dafür, die in Abschnitt 4.1.1 genannt wurden: Die ush sind resultierende Erfolgsbeiträge,<br />
die durchgängig zuweisbar sind, sich auf einen wesentlichen Beitrag zum Unternehmenserfolg<br />
konzentrieren, sehr aktuell gemessen werden können und dabei auch bewertbar<br />
sind.<br />
Einen wesentlichen und bewertbaren Erfolgsbeitrag stellen die ush deswegen dar, weil<br />
jede Sitzstunde, die nicht produktiv genutzt werden kann, Kapitalkosten verursacht, denen<br />
keine Erträge gegenübergestellt werden können. Die Investmentbank Goldman Sachs<br />
geht von durchschnittlichen Leasingkosten von 15'000 USD jährlich für einen Seat° in<br />
einem neun Jahre alten Flugzeug aus. 305 Dividiert man diese 15'000 USD durch die Anzahl<br />
<strong>St</strong>unden eines Jahres von 8760, dann ergeben sich Leasingkosten von 1.71 USD pro<br />
Seat°-h. Da es bei einer Senkung der ush in genügender Grössenordnung nicht unwahrscheinlich<br />
ist, dass ganze Flugzeuge aus der Flotte genommen werden können, kann der<br />
Wert von 1.71 USD durchaus zur Bewertung einer ush angewandt werden.<br />
303 Auf die Rolle der Mengengrösse ash im Planungsprozess des AVCMS wird in Abschnitt 4.2 auf S. 138ff näher<br />
153<br />
eingegangen.<br />
304 Auch Flugannullationen sind durch eine Zeitspanne repräsentiert, in der das betroffene Fluggerät nicht für die<br />
geplanten Blockzeiten zur Verfügung steht.<br />
305 Scott-Gall/Logan, <strong>Airline</strong>s Europe, S. 99.
Die Aktualität der Messung der ush kann bis auf real-time Niveau gewährleistet werden.<br />
Denn die Operations Control Systeme einer <strong>Airline</strong> wissen in der Regel auf die Minute<br />
genau in welchem Prozess und an welcher Position sich jedes Flugzeug gerade befindet.<br />
Die Zuweisbarkeit der ush ist für die geplanten Leerzeiten sehr leicht möglich, da die<br />
Verursacher, wie z.B. die Netzwerkplanung oder die Flugzeugwartung ja in ihrer Planung<br />
die Bodenzeiten des Flugzeuges vorgesehen haben und dies in der Regel auch dokumentiert<br />
ist. Für ungeplante ush können die Irregularity Codes, über die in der Regel jede <strong>Airline</strong><br />
im Zusammenhang mit Verspätungen und Annullationen verfügt, eine Hilfestellung<br />
bei der Zuweisung auf Verursacher bieten. 306<br />
Revenue-seat°-hours (rsh)<br />
Die ash, d.h. die produktiv mit Flugoperation genutzten Seat°-h, können noch weiter in<br />
rsh und ssh unterteilt werden. Die rsh, bzw. die revenue-seat°-hours bezeichnen dabei<br />
denjenigen Anteil der ash, der von zahlenden Passagieren genutzt wird und mit dem somit<br />
ein Ertrag erzielt werden kann.<br />
Viele der Argumente für einen Einsatz der rsh anstelle der RPK können aus der Beschreibung<br />
der ash übertragen werden. Denn wenn <strong>St</strong>ückerträge berechnet werden sollen,<br />
ist es sinnvoll den Ertrag auf die zu den ash kompatiblen rsh zu beziehen. rsh und ash<br />
können dann in einer ähnlichen Systematik verbunden werden, wie dies mit den RPK und<br />
ASK im Rahmen des Netzwerkergebnisbaumes geschehen ist. Neben zueinander kompatiblen<br />
<strong>St</strong>ückerträgen und – kosten kann dann auch ein Sitzladefaktor auf Basis rsh und<br />
ash eingeführt werden, der weiter unten beschrieben wird. Die <strong>St</strong>ruktur eines Netzwerkergebnisbaumes<br />
auf Basis rsh und ash wurde bereits in Abbildung 4-6 wiedergegeben.<br />
Ein weiterer nicht weniger wichtiger Vorteil den die rsh gegenüber den RPK für sich<br />
verbuchen können, kann in der höheren Proportionalität zu den Ticketpreisen gesehen<br />
werden.<br />
Einer der Gründe für diese höhere Proportionalität ist sehr offensichtlich. Denn <strong>Airline</strong>s<br />
verlangen in der Regel höhere Preise für ein First Class oder Business Class Ticket als für<br />
ein Economy Class Ticket, und nur die rsh rechnen den First und Business Class Sitzen<br />
einen höheren Wert zu als denen der Economy Class. Die RPK hingegen gewichten jeden<br />
Sitz in gleicher Weise.<br />
306 Ggf. müssen die Irregularity Codes noch durch andere Messkriterien und -abläufe ergänzt werden, um eine zuverlässige<br />
und ursächlich richtige Zuweisung zu den Verursachern gewährleisten zu können.<br />
154
Ein anderer Grund für die höhere Proportionalität der rsh zu den Ticketpreisen wird deutlich,<br />
wenn die Preise von sehr langen Flügen mit denen von sehr kurzen Flügen verglichen<br />
werden. Nimmt man beispielsweise für ein 15'000 Kilometer langen Flug einen<br />
Preis von CHF 2000.- an, dann müsste bei völliger Proportionalität der Preise zu den<br />
RPK ein sehr kurzer Flug von 150 Kilometern nur CHF 20.- kosten. Solche Preisdifferenzen<br />
sind, auch wenn es vereinzelt bei No Frill <strong>Airline</strong>s extrem tiefe Preise geben kann,<br />
eine sehr seltene Ausnahme. Wird hingegen das den ash zugrunde liegende Blockzeitverständnis<br />
angewandt, können für einen 15'000 Kilometer langen Flug beispielsweise 16<br />
<strong>St</strong>unden angenommen werden, während der 150 Kilometer lange Flug vielleicht 45 Minuten<br />
beansprucht. Geht man jetzt bei einem Ticketpreis von CHF 2000.- von einer Proportionalität<br />
der Preise zu den rsh aus, dann ergeben sich für den kurzen Flug CHF<br />
104.17. Ein solches Preisgefüge ist viel eher im Markt plausibel, als wenn für den kurzen<br />
Flug CHF 20.- angenommen werden müssten.<br />
RPK/rsh<br />
year 2000<br />
700<br />
600<br />
500<br />
400<br />
300<br />
200<br />
100<br />
0<br />
155<br />
Lufthansa BA Easyjet Air<br />
France<br />
SAS KLM Ryanair Alitalia Iberia<br />
Abbildung 4-8: RPK pro rsh europäischer <strong>Airline</strong>s im Jahr 2000 307<br />
307 Datenquelle: Berechnungen im Anhang.
Aus der oben stehenden Abbildung 4-8 ist ersichtlich, dass das Verhältnis zwischen RPK<br />
und rsh bei den europäischen <strong>Airline</strong>s durchaus unterschiedlich ausfallen kann. Die hohen<br />
Werte von Easyjet und Ryanair sind, analog zu der Interpretation der ASK/ash Betrachtung<br />
vor allem auf die engere Bestuhlung bei den No Frills <strong>Airline</strong>s zurückzuführen.<br />
Natürlich spielt aber auch hier die durchschnittliche <strong>St</strong>reckenlänge der einzelnen <strong>Airline</strong>s<br />
eine wichtige Rolle.<br />
Spoiled-seat°-hours (ssh)<br />
Dies shh oder spoiled-seat°-hours bezeichnen all diejenigen ash, denen kein Ertrag gegenübergestellt<br />
werden kann. Sie beziehen sich damit auf diejenigen Sitze auf durchgeführten<br />
Flügen, die nicht mit zahlenden Passagieren belegt werden konnten.<br />
Die Summe aus rsh und ssh ergibt die ash.<br />
Die Tatsache, dass den ssh sowohl die Flotten-direkten, wie auch die Flug- und Rotations-direkten<br />
Kosten zuzurechnen sind, ohne dass ihnen Erträge gegenüberstehen, zeigt<br />
die dringende Notwendigkeit, die ssh so gering wie möglich zu halten. Im Rahmen der<br />
Beschreibung der ush wurde bereits festgestellt, dass sich die Flotten-direkten Kosten in<br />
der Grössenordnung von USD 1.71 pro Economy-Sitzäquivalent-<strong>St</strong>unde bewegen können.<br />
Legt man nun die Kostenverteilung aus Abbildung 3-9 in Abschnitt 3.3.2.2 zugrunde,<br />
stellt man fest, dass die auf die ash zu verteilenden Flug- und Rotationsdirekten Kosten<br />
für eine typische <strong>Airline</strong> mehr als das vierfache dieses Betrages ausmachen sollten.<br />
Zusätzlich zu den Flottendirekten-Kosten entstehen für jede ssh also anteilig mehr als<br />
USD 6.84 für den Flugbetrieb, denen kein Ertrag gegenübergestellt werden kann.<br />
Seat°-utilization-rate (rsh/msh)<br />
Werden die rsh zu den msh in Relation gesetzt, ergibt sich die seat°-utilization-rate, die<br />
zur besseren Verdeutlichung der Abgrenzung von der RPK/ASK-Systematik auch als<br />
time-based seat° utilization oder tb seat° utilization bezeichnet wird.<br />
Die seat°-utilization-rate gibt an, welcher Anteil der theoretisch nutzbaren Sitzstunden<br />
msh an zahlende Passagiere verkauft werden konnte. Sie umfasst damit zum einen die<br />
Effizienz des Flugzeugeinsatzes, die in ash/msh gemessen wird. Zum anderen beinhaltet<br />
sie die Effektivität, mit der das <strong>Management</strong> das Produkt, die Preise und den Flugplan<br />
auf die Bedürfnisse der Kunden ausgerichtet hat, gemessen in rsh/ash.<br />
Diese beiden Teilelemente der seat°-utilization-rate kommen in den Kennzahlen aircraftutilization-rate<br />
und seat°-load-factor zum Ausdruck. In Abbildung 4-9 sind sie beide in<br />
156
ihren Auswirkungen auf die seat°-utilization-rate am Beispiel europäischer <strong>Airline</strong>s im<br />
Jahr 2000 dargestellt.<br />
Abbildung 4-9: Elemente der seat°-utilization-rate bei europäischen <strong>Airline</strong>s 308<br />
Die seat°-utilization-rate, die auch durch Multiplikation der aircraft-utilization-rate und<br />
des seat°-load-factor ermittelt werden kann, fällt für die in der Abbildung dargestellten<br />
<strong>Airline</strong>s sehr unterschiedlich aus. Auffallend ist, dass es sowohl unter den Flag Carriers<br />
wie auch unter den untersuchten No Frills <strong>Airline</strong>s erhebliche Unterschiede gibt. Beispielsweise<br />
erreicht Easyjet sehr gute Werte auf der seat°-utilization-rate durch einen extrem<br />
hohen seat°-load-factor, verbunden mit einer Flugzeugeinsatzeffizienz, die nur von<br />
KLM und Air France überboten wird. Gleichzeitig zählt Ryanair zu den am wenigsten<br />
ausgelasteten <strong>Airline</strong>s, und zwar sowohl was die Effizienz der aircraft-utilization-rate, als<br />
auch was die Effektivität beim seat°-load-factor angeht. Der Gewinn der mit tiefen Preisen<br />
operierenden Ryanair im Jahr 2000 muss also aufgrund tiefer Einheitskosten zustande<br />
gekommen sein.<br />
308 Datenquelle: Berechnungen im Anhang.<br />
157
Es sollte allerdings bemerkt werden, dass es für die ausschliesslich mit Kurzstreckenflugzeugen<br />
operierenden No Frills <strong>Airline</strong>s in der Regel viel schwieriger ist als für die Flag<br />
Carriers eine hohe aircraft-utilization-rate zu erzielen. Denn nachts sind Kurzstreckenflugzeuge<br />
wesentlich schwieriger gewinnbringend einzusetzen als am Tage. Um diesen<br />
Effekt zu neutralisieren, können bei der Berechnung der msh der Kurzstreckenflotte alternativ<br />
auch die Kernnachtstunden ausgeschlossen werden, so dass hier die msh eines<br />
seat° pro Tag nicht mit 24 <strong>St</strong>unden sondern zB. mit nur 18 <strong>St</strong>unden zu beziffern wären.<br />
Aus Gründen der Einfachheit wurde im AVCMS allerdings immer von 24 <strong>St</strong>unden ausgegangen.<br />
Denn die Wahrscheinlichkeit, dass sämtliche Nachtstunden nicht produktiv<br />
genutzt werden, sollte eher steigen, wenn diese <strong>St</strong>unden aus der Messung und aus der<br />
Zuweisung von Verantwortung herausgenommen werden. Besser ist es, nicht ausgelastete<br />
Nachtstunden bei der Leistungsbeurteilung anders zu gewichten als <strong>St</strong>unden, die am<br />
Tag nicht ausgelastet wurden.<br />
Aircraft-utilization-rate (ash/msh)<br />
Die Relation aus ash und msh bzw. die aircraft-utilization-rate zeigt, wieviel der total zur<br />
Verfügung stehenden msh genutzt werden. Zur klareren Abgrenzung von traditionellen<br />
Messgrössen kann die aircraft-utilization-rate auch als time-based aircraft-utilization-rate<br />
oder als tb aircraft-utilization-rate bezeichnet werden.<br />
Die aircraft-utilization-rate beschreibt die Effizienz des Flugzeugeinsatzes. Sie steigt an,<br />
wenn die ush, die unavailable-seat°-hours reduziert werden können. Gelingt es, die ush<br />
als echten Wertbeitrag zu etablieren, sind damit gute Vorraussetzungen für kontinuierliche<br />
Verbesserungen von ush und aircraft-utilization-rate geschaffen.<br />
Eine heute verbreitete Messgrösse, um die Einsatzeffizienz der Flugzeuge darzustellen,<br />
sind die Blockstunden pro Zeiteinheit und Flugzeugtyp. 309<br />
Abbildung 4-10 zeigt einen Vergleich dieser verbreiteten Messgrösse mit der tb aircraftutilization-rate<br />
für europäische <strong>Airline</strong>s im Jahr 2000. Die grossen Unterschiede in der<br />
Verteilung der Messungen beider Varianten können darauf zurückzuführen sein, dass zur<br />
Bildung des konsolidierten Durchschnittswertes bei der traditionellen Messgrösse alle<br />
Flugzeugtypen gleich gewichtet werden, während in die tb aircraft-utilization-rate jedes<br />
Flugzeug mit seiner individuellen Anzahl Economy-Sitzäquivalenten einfliesst.<br />
Daraus ergibt sich ein gravierender Nachteil für die klassische Messgrösse, denn hier ist<br />
eine sinnvolle Konsolidierung eigentlich gar nicht möglich. Wenn nicht mit Hilfe des<br />
309 Vgl. z.B. <strong>St</strong>erzenbach / Conrady, Luftverkehr, S. 261.<br />
158
Konzeptes der Economy-Sitzäquivalente vom Flugzeugtyp abstrahiert werden kann,<br />
müsste für jede Kategorie Flugzeug die Einsatzeffizienz eigentlich separat dargestellt<br />
werden um Fehlinterpretationen zu vermeiden. Mit der tb aircraft-utilization-rate hingegen<br />
ist beides möglich, eine Darstellung pro Flugzeugtyp und eine für die gesamte Flotte.<br />
Durch eine solche Konsolidierbarkeit kann der Umgang mit der Kennzahl einfacher,<br />
übersichtlicher und stufengerechter gestaltet werden.<br />
ash/msh in %<br />
159<br />
50%<br />
45%<br />
40%<br />
35%<br />
30%<br />
25%<br />
20%<br />
15%<br />
10%<br />
5%<br />
0%<br />
year 2000<br />
Lufthansa BA Easyjet Air<br />
France<br />
Time-based A/C-utilization (tb A/C-LF)<br />
avg A/C-h per day<br />
SAS KLM Ryanair Alitalia Iberia<br />
Abbildung 4-10: tb aircraft-utilization-rate europäischer <strong>Airline</strong>s 310<br />
Ein weiterer Vorteil der tb aircraft-utilization-rate gegenüber der traditionellen Messgrösse<br />
kommt darin zum Ausdruck, dass eine kontinuierliche Verbesserung der Einsatzeffizienz<br />
bei der tb aircraft-utilization-rate über den Wertbeitrag ush erreicht werden kann.<br />
Auf Basis der klassischen Blockstunden pro Jahr und Flugzeugtyp ist es hingegen kaum<br />
möglich, internen/externen Lieferanten Leistungsbeitragsziele zuzuteilen, mit denen sich<br />
eine Verbesserung der Situation herbeiführen lässt.<br />
310 Datenquelle: Berechnungen im Anhang.<br />
16<br />
14<br />
12<br />
10<br />
8<br />
6<br />
4<br />
2<br />
0<br />
operational hours per day & aircraft .
Seat°-load-factor (rsh/ash )<br />
Das Verhältnis der rsh zu den ash wird als seat°-load-factor oder auch als time-based<br />
seat°-load-factor oder tb seat°-load-factor bezeichnet. Der seat°-load-factor gibt den Anteil<br />
der mit zahlenden Passagieren belegten ash an und kann damit als Mass für die Effektivität<br />
einer <strong>Airline</strong> angesehen werden. Denn steigende rsh und ein steigender seat°-loadfactor<br />
bedeuten, dass es der <strong>Airline</strong> zunehmend gelingt, potentielle Kunden für den angebotenen<br />
Service zu gewinnen. Der seat°-load-factor ist vor allem dann hoch, wenn Flugplan,<br />
Preise und Produktaspekte auf die Bedürfnisse der Kunden so sehr zugeschnitten<br />
sind, dass die Mehrheit der angebotenen Produktionseinheiten verkauft werden kann.<br />
Hinsichtlich des Flugplanes kommt es darauf an, zu den richtigen Abflugzeiten die richtigen<br />
Destinationen mit einem angemessen grossen Fluggerät zu bedienen, wobei auch<br />
auf das richtige Mass der Anzahl Verbindungen, so genannter Frequenzen geachtet werden<br />
muss. Hinsichtlich der Preise ist zentral, dass schnell und effizient durch die Funktionen<br />
Revenue <strong>Management</strong> und Pricing auf das aktuelle Marktpreisniveau vor dem Hintergrund<br />
der eigenen noch freien Kapazitäten reagiert werden kann. 311 Bei den Produktaspekten<br />
muss neben einer bedürfnisgerechten Produktgestaltung, die sich am gegenwärtigen<br />
Quasi-Commodity <strong>St</strong>andard orientiert, im Betrieb vor allem auf die Vermeidung von<br />
Dissatisfiers und auf einen für den Kunden möglichst geringen Zeitverlust geachtet werden.<br />
312<br />
Ein Überblick über die seat°-load-factors einiger europäischer <strong>Airline</strong>s ist in Abbildung<br />
4-11 zu sehen. Hier werden die Werte für den tb seat°-load-factor mit den Werten des<br />
klassischen SLF gemäss Netzwerkergebnisbaum verglichen. Es zeigt sich, dass sich grosse<br />
Unterschiede zwischen den beiden Messmethoden vor allem bei einigen Flag Carriers<br />
bemerkbar machen. Die No Frills <strong>Airline</strong>s dagegen weisen für beide Ladefaktoren sehr<br />
ähnliche Werte auf, was unter anderem auf die Economy-Bestuhlung zurückzuführen ist.<br />
Denn die Sitzäquivalente sind für diese No Frills <strong>Airline</strong>s mit den physisch vorhandenen<br />
Sitzen identisch. Eine andere mögliche Ursache für Abweichungen der Messungen nach<br />
beiden Methoden kann darin liegen, dass die Lang- und Kurzstrecken nach beiden Berechnungsweisen<br />
unterschiedlich stark gewichtet werden. Ein tiefer Ladefaktor auf einer<br />
sehr kurzen <strong>St</strong>recke bekommt nach dem tb seat°-load-factor ein tendenziell grösseres<br />
Gewicht als nach der klassischen Methode, da durch die Berücksichtigung von Roll- und<br />
Einsteigezeiten die rsh und ash der Kurzstrecken nicht ganz so stark in den Hintergrund<br />
treten wie im Modell nach dem Netzwerkergebnisbaum.<br />
311 Vgl. Abschnitt 2.2.3.<br />
312 Vgl. Abschnitt 2.2.2.<br />
160
Aus diesem Verständnis der Unterschiede beider Berechnungsweisen ergibt sich, dass der<br />
tb seat°-load-factor gegenüber dem klassischen SLF nicht nur deswegen Vorteile vorweisen<br />
kann, weil die Kompatibilität zu den ash, den ush und der tb aircraft-utilization-rate<br />
gegeben ist. Vielmehr sorgt die Grösse rsh/ash auch für eine angemessenere Gewichtung<br />
der unterschiedlichen besetzten und nicht besetzten Sitze.<br />
Seat load factor in %<br />
year 2000<br />
161<br />
100%<br />
90%<br />
80%<br />
70%<br />
60%<br />
50%<br />
40%<br />
30%<br />
20%<br />
10%<br />
0%<br />
Lufthansa BA Easyjet Air<br />
France<br />
Time-based seat°-load-factor (tb SLF)<br />
Classic SLF<br />
SAS KLM Ryanair Alitalia Iberia<br />
Abbildung 4-11: Vergleich des time-based SLF mit dem klassischen SLF 313<br />
Leer stehende First Class oder Business Class Sitze erhalten im tb seat°-load-factor ein<br />
erheblich grösseres Gewicht, das sich danach richtet, wieviel Platz von potentiellen Economy-Sitzen<br />
verbraucht wird. Während dem erhält beim klassischen SLF jeder Sitz das<br />
gleiche Gewicht, unabhängig von der Klasse und dem an Bord des Flugzeuges verbrauchten<br />
Platz. Zudem werden Sitze auf sehr kurzen <strong>St</strong>recken vom tb seat°-load-factor<br />
höher und damit auch genauer gewichtet als dies beim klassischen SLF der Fall ist.<br />
Die Darstellungsweise des seat°-load-factor im Cockpit des AVCMS ist in Abbildung<br />
4-12 wiedergegeben. Hier wird der seat°-load-factor zusammen mit der aircraft-<br />
313 Datenquelle: Berechnungen im Anhang.
utilization-rate und der seat°-utilization-rate dargestellt, so dass alle Kennzahlen aus dem<br />
Bereich Anlagennutzung bzw. Asset utilization in einer Gesamtsicht überblickt werden<br />
können.<br />
100%<br />
80%<br />
60%<br />
40%<br />
20%<br />
0%<br />
Asset utilization<br />
2000 2001 2002 2003 2004<br />
tb SLF Classic SLF tb A/C util. tb seat° util.<br />
Abbildung 4-12: Asset utilization im Cockpit des AVCMS 314<br />
Daneben wird auch ein Vergleich zum klassischen Seat-Load-Factor RPK/ASK hergestellt,<br />
so dass Benchmarks zu <strong>Airline</strong>s möglich werden, die mit klassischen Kennzahlen<br />
arbeiten.<br />
4.2.1.3 Anzahl Passagiere als Treiber für viele Qualitätsmessgrössen<br />
Die Anzahl Passagiere, abgekürzt Pax, können als Treiber für viele Qualitätsmessgrössen<br />
gelten. Denn das Volumen der auftretenden Qualitätsprobleme wirkt sich vor allem in<br />
Abhängigkeit der Anzahl Pax auf die Kundenzufriedenheit und den Ertrag der <strong>Airline</strong><br />
aus. Dies gilt vor allem für die in Abschnitt 2.2.2 bereits erwähnten Dissatisfiers.<br />
Am deutlichsten kann der treibende Effekt der Anzahl Pax dargestellt werden, wenn eine<br />
Betrachtung anhand der in Abschnitt 4.2.4.1 vorgestellten Kennzahl Passagierstunden<br />
314 Datenquelle: Berechnungen im Anhang.<br />
162
zw. Pax-h vorgenommen wird. 315 Generiert eine <strong>Airline</strong> eine bestimmte Anzahl Pax-h,<br />
dann wirkt sich dies vor allem dann negativ auf die Kundenzufriedenheit aus, wenn die<br />
Gesamtzahl der Passagiere eher gering ist. Denn dann entfällt auf jeden Passagier eine<br />
grössere Anzahl Pax-h. Zielsetzungen für den zu erreichenden Qualitätsstandard auf dem<br />
Dissatisfier Pax-h sind also idealerweise auf der Basis von Pax-h/Pax zu vereinbaren.<br />
Die Anzahl Pax als Treiber lässt sich analog zu den Pax-h auch auf eine ganze Reihe anderer<br />
Qualitätsmessgrössen ausdehnen. Betrachtet man beispielsweise das Volumen fehlender<br />
Zeitschriften, fehlender Mahlzeiten oder fehlerhafter Sitzleuchten, dann relativieren<br />
sich diese Messgrössen genauso vor dem Hintergrund der Anzahl beförderter Passagiere.<br />
Eine Hilfsgrösse zur Anzahl Pax stellen die pfh oder Pax-flight-hours dar. Sie bezeichnen<br />
das Total der Blockzeit, das alle beförderten Passagiere in der Betrachtungsperiode mit<br />
der <strong>Airline</strong> verbracht haben. Die pfh verhalten sich dabei ähnlich wie die rsh, beziehen<br />
sich dabei aber auf Passagiere, anstatt auf besetzte Economy-Sitzäquivalente. Für eine<br />
<strong>Airline</strong> mit vollständiger Economy-Bestuhlung wäre demnach der Wert für die pfh dem<br />
Wert für die rsh gleich. Die pfh können ebenfalls, wie die Anzahl Pax als Treiber für<br />
Qualitätsmessgrössen angesehen werden. Sie nehmen dabei eine ergänzende Funktion<br />
wahr. Denn für manche Qualitätsaspekte kann man die Ansicht vertreten, dass der der<br />
<strong>Airline</strong> durch die Qualitätsmängel entstehende Goodwill-Verlust auch von der erlebten<br />
Flugdauer der Passagiere abhängig ist. Beispielsweise ist zu diskutieren, ob die Pax-h<br />
nicht eher zu den pfh als zu der Anzahl Pax ins Verhältnis gesetzt werden sollten, da Passagiere<br />
bei langen Flügen möglicherweise eher bereit sind, längere Verspätungen in Kauf<br />
zu nehmen. Im Rahmen des AVCMS wird die Ansicht vertreten, dass die Anzahl Pax als<br />
Verhältnisgrösse auch für die Pax-h verwendet werden sollten. Denn zum einem kommt<br />
der Goodwill-Verlust bei den Passagieren aufgrund von Verspätungen und Annullationen<br />
zum Grossteil dadurch zustande, dass Termine am Ankunftsort verpasst werden können,<br />
die oft unabhängig von der Flugdauer vereinbart worden sind. 316 Zum anderen soll im<br />
AVCMS die Anzahl qualitätstreibender Grössen möglichst gering gehalten werden, um<br />
die Komplexität des Modells und der Planungsprozesse nicht unnötig zu erhöhen. Wenn<br />
möglich sollte daher ausschliesslich die Anzahl Pax als Qualitätstreiber verwendet werden.<br />
315 Die Kennzahl beschreibt die Wartezeit von Passagieren. 1 Pax-h = 1 Passagier verliert eine <strong>St</strong>unde Zeit.<br />
316 Vgl. H,T,P Research: Zeit ist Geld, S. 72ff.<br />
163
4.2.1.4 Vorteile der Basiskennzahlen<br />
In den vorangehenden Abschnitten konnte gezeigt werden, dass die Mengen- und Verhältnisgrössen<br />
des AVCMS gegenüber den Kennzahlen des Netzwerkergebnisbaumes,<br />
die in Abschnitt 3.3.1.1 dargestellt wurden, erhebliche Vorteile aufweisen.<br />
Die wichtigsten dieser Vorteile sollen nachfolgend nochmals zusammengefasst werden:<br />
Verfügbarkeit eines Treibers der Flotten-direkten Kosten<br />
Mit der Messgrösse Seat° steht eine Kennzahl zur Verfügung, die sich weitgehend proportional<br />
zu den Flotten-direkten Kosten verhält. In vielen <strong>Performance</strong> <strong>Management</strong><br />
Abläufen kann so weitgehend von den Flugzeugtypen abstrahiert werden, so dass sich<br />
diese wesentlich einfacher und vielfach stufengerechter durchführen lassen. Zudem lässt<br />
sich auch die kapazitätsmässige Grösse einer <strong>Airline</strong> durch die Kennzahl Seat° angemessener<br />
repräsentieren, als dies beispielsweise durch die Messgrösse ASK möglich ist. Kapazitätsvergleiche<br />
zwischen <strong>Airline</strong>s werden so auf eine verständlichere Basis gestellt.<br />
Verfügbarkeit eines genaueren Treibers der Flug- und Rotations-direkten Kosten<br />
Es wurde gezeigt, dass die ash sich stärker proportional zu den Flug- und Rotationsdirekten<br />
Kosten verhalten als die ASK. Denn zumindest innerhalb dieser Kategorie treibt die<br />
Zeit mehr Kostenarten als die Entfernung.<br />
Verfügbarkeit eines genaueren Treibers für die Ticketpreise<br />
Auch für die rsh konnte gezeigt werden, dass sie sich stärker proportional zu den Ticketpreisen<br />
verhalten als die RPK. Mit den rsh steht damit eine in der Genauigkeit verbesserte<br />
Relationsgrösse zur Verfügung, um <strong>St</strong>ückerträge darstellen zu können.<br />
Verfügbarkeit einer Wertbeitragskennzahl zur Flugzeugeinsatzeffizienz<br />
Mit den ush steht eine Kennzahl zur Verfügung, mit der Leistungsbeiträge zur Flugzeugeinsatzeffizienz<br />
internen/externen Lieferanten zugeordnet, bewertet und aktuell dargestellt<br />
werden können. Daraus ergeben sich ideale Vorraussetzungen, um mit <strong>Performance</strong><br />
<strong>Management</strong> Aktivitäten eine kontinuierliche Verbesserung der Einsatzeffizienz zu erzielen.<br />
Bei den Kennzahlen des Netzwerkergebnisbaumes gibt es keine Entsprechung.<br />
164
Umfassendes Konzept der Flugzeugauslastung<br />
Das Konzept der Flugzeugauslastung kann mit den Kennzahlen des AVCMS vollständiger,<br />
genauer und gleichzeitig vereinfacht dargestellt werden. Vollständiger deshalb, weil<br />
die Flugzeugeinsatzeffizienz, die im klassischen Netzwerkergebnisbaum fehlt317, in das<br />
Gesamtkonzept des AVCMS integriert werden konnte. Genauer, da die Kennzahlen<br />
aircraft-utilization-rate und seat°-load-factor den Wertverzehr, der im Zusammenhang<br />
mit der Flugzeugeinsatzeffizienz und der Sitzauslastung entsteht, präziser abbilden können<br />
als dies mit den klassisch verwendeten Messgrössen möglich ist. Die Vereinfachung<br />
aufgrund der neuen Kennzahlen ergibt sich daraus, dass aircraft-utilization-rate und seat°load-factor<br />
auch in der Kennzahl seat°-utilization-rate zusammengefasst werden können.<br />
Die seat°-utilization-rate enthält dann mit dem seat°-load-factor einen Teil, der die Effektivität<br />
betrifft, und mit der aircraft-utilization-rate einen Teil, der die Effizienz betrifft<br />
und mit dem der Wertbeitrag ush verbunden werden kann. Die nachstehende Abbildung<br />
4-13 verdeutlicht diesen Vereinfachungseffekt.<br />
Abbildung 4-13: Darstellung von rsh, ash und ush im Cockpit des AVCMS 318<br />
317 Geht man von der <strong>St</strong>ruktur des in Abschnitt 3.3.1 dargestellten klassischen Netzwerkergebnisbaumes aus, dann<br />
findet sich dort keine Messgrösse für die Einsatzeffizienz der Flugzeuge. Der Netzwerkergebnisbaum muss hier<br />
durch eine ausserhalb der Systematik stehende Messgrösse ergänzt werden.<br />
318 Datenquelle: Berechnungen im Anhang.<br />
165
Die Darstellung einer Beispielrechnung in der Abbildung zeigt, dass rsh, ash und ush<br />
problemlos in einem einzigen Chart miteinander verbunden werden können. Die unteren<br />
Segmente der Säulen zeigen dabei die ush, aufgeschlüsselt nach den Beiträgen der einzelnen<br />
internen/externen Lieferanten. Die Linie repräsentiert das unternehmensweite Ziel<br />
für die ush, das ausserhalb der Grafik in weitere Ziele pro internen/externen Lieferanten<br />
aufgeschlüsselt werden kann. Das zweitoberste Segment repräsentiert die ssh oder die<br />
leer geflogenen ash, wobei das oberste Segment die rsh anzeigt. Während der seat°-loadfactor<br />
aus dem Verhältnis der beiden obersten Segmente gelesen werden kann, ist die<br />
aircraft-utilization-rate aus der Summe der beiden obersten Segmente im Verhältnis zur<br />
gesamten Höhe der Säulen ersichtlich.<br />
Es zeigt sich, dass auf Basis der Mengengrössen des AVCMS aus einer einzigen Grafik<br />
ein Grossteil der für eine <strong>Airline</strong> relevanten Kennzahlen herausgelesen werden kann. Neben<br />
einer Zunahme an Vollständigkeit und Genauigkeit kann also ein ganz erheblicher<br />
Vereinfachungseffekt und eine dementsprechende <strong>St</strong>eigerung der Aussagekraft erzielt<br />
werden.<br />
Hinsichtlich der Kennzahlen des klassischen Netzwerkergebnisbaumes darf aber nicht<br />
vergessen werden, dass sie faktisch einen Industriestandard darstellen. Benchmarking-<br />
Daten sind damit in der Regel nur in dieser klassischen Form erhältlich.<br />
Genauso ist davon auszugehen, dass Berichte an Industrieverbände oder ergänzende Informationen<br />
an Anleger Bezug zu den Industriestandards nehmen sollten. Eine <strong>Airline</strong>,<br />
die sich an den Mengengrössen des AVCMS orientieren möchte, sollte daher sicherstellen,<br />
dass eine Übersetzung ihrer Kennzahlen in die Form der aktuellen Industriestandards<br />
jederzeit möglich ist.<br />
4.2.2 Finanzresultate<br />
In Abbildung 4-14 wird ein Überblick über die wichtigsten Elemente des Bereiches der<br />
Finanzresultate im AVCMS gegeben.<br />
Es zeigt sich, dass neben den Instrumenten der klassischen Finanzberichterstattung mit<br />
den Messgrössen EVA und WACC auch der Unternehmenswert nach den Konzepten des<br />
Value Based <strong>Management</strong> ausgewiesen wird. 319 Zusätzlich wird dabei noch ein Mass für<br />
die Ertragskraft der <strong>Airline</strong> angegeben, das im AVCMS durch die Messgrösse EBIT-<br />
DAR/Seat° repräsentiert ist.<br />
166
167<br />
Erfolgsrechnung<br />
Mittelflussrechnung<br />
Finanzresultate<br />
Bilanz<br />
Ertragskraft<br />
WACC<br />
Ertrag Qualität Kosten<br />
Leistungserstellungsprozesse<br />
Abbildung 4-14: Finanzresultate im AVCMS<br />
EVA<br />
In den folgenden Abschnitten soll zunächst auf das Mass für die Ertragskraft, dann auf<br />
EVA und WACC, und zum Abschluss auf die Instrumente der klassischen Finanzberichterstattung<br />
eingegangen werden.<br />
4.2.2.1 Ertragskraft<br />
Den Anlegern soll mit Ertragskraft eine Messgrösse zur Verfügung gestellt werden, die<br />
ihnen zeigt, wie effektiv die <strong>Airline</strong> in der Lage ist, das von ihnen zur Verfügung gestellte<br />
Kapital gewinnbringend einzusetzen. Dabei steht vor allem der Vergleich dieser Effektivität<br />
des Kapitaleinsatzes zu anderen Anlagemöglichkeiten in <strong>Airline</strong>s im Vordergrund.<br />
Die Ertragskraft einer <strong>Airline</strong> wird im AVCMS, wie bereits erwähnt wurde, mit der<br />
Kennzahl EBITDAR/Seat° gemessen. Hinter der Wahl dieser Kennzahl stehen vor allem<br />
zwei Überzeugungen. Zum einem wird davon ausgegangen, dass zur vergleichenden<br />
Darstellung der Ertragskraft verschiedener <strong>Airline</strong>s eine Gewinngrösse zur Mengengrösse<br />
Seat° ins Verhältnis gesetzt werden sollte. Die andere Überzeugung betrifft die Wahl<br />
der Gewinngrösse EBITDAR. Sie ist auf der Ansicht begründet, dass aufgrund der in<br />
319 Vgl. Abschnitt 3.2.2.
Abschnitt 4.2.1.1 dargelegten Homogenität der Kosten eines Economy-Sitzäquivalentes<br />
alle <strong>Airline</strong>s vergleichbare Kosten pro Seat° aufweisen. Wenn dies angenommen werden<br />
kann, dann ist es sinnvoll, beim Vergleich der <strong>Airline</strong>s eine Gewinngrösse vor allen Flotten-direkten<br />
Kosten den Flotten-direkten Erträgen gegenüberzustellen. Der EBITDAR<br />
kommt einer solchen Gewinngrösse ziemlich nahe, da hier die Abschreibungen und Leasingkosten,<br />
die bei einer <strong>Airline</strong> weitgehend Flotten-bezogen sind, noch nicht enthalten<br />
sind. 320<br />
EBITDAR/Seat° & leasing cost in mio €<br />
60<br />
50<br />
40<br />
30<br />
20<br />
10<br />
0<br />
2000<br />
2001<br />
2002<br />
2003E<br />
2004E<br />
leasing cost<br />
Air<br />
France<br />
British<br />
Airways<br />
easyJet Iberia KLM Lufthansa Ryanair SAS<br />
Abbildung 4-15: EBITDAR/Seat° europäischer <strong>Airline</strong>s auf Gruppenebene 321<br />
In Abbildung 4-15 ist die Entwicklung des EBITDAR/Seat° für einige europäische <strong>Airline</strong>s<br />
den geschätzten durchschnittlichen Leasingkosten von USD 15'000.- jährlich gegenübergestellt<br />
worden. 322 Vereinfacht ausgedrückt kann überall dort, wo der EBIT-<br />
320 Der Begriff EBITDAR steht für Earnings before interest, taxes, depreciation, amortization and rents. Er bezeichnet<br />
damit den Gewinn vor Zinsen, <strong>St</strong>euern, Abschreibungen, Amortisierungen und Mietzahlungen bzw. auch<br />
Leasinggebühren.<br />
321 Datenquelle: Berechnungen im Anhang.<br />
322 Vgl. Abschnitt 4.2.1.1.<br />
168
DAR/Seat° unter den Leasingkosten liegt, kann mit hoher Wahrscheinlichkeit ein negativer<br />
EBIT für die <strong>Airline</strong> erwartet werden. Die Investmentbank Goldman Sachs hat eine<br />
enge Korrelation zwischen dem Aktienkurs und dem EBITDAR/Seat° feststellen können.<br />
323 Dies kann für Abbildung 4-15 nachvollzogen werden, wenn sie mit Abbildung<br />
2-14 auf Seite 31 verglichen wird.<br />
Will man die Ertragskraft einer <strong>Airline</strong> genauer verstehen, dann sollten alle nicht zur <strong>Airline</strong><br />
gehörigen Gewinnanteile aus der Betrachtung herausgenommen werden, so dass ein<br />
reiner <strong>Airline</strong>-EBITDAR/Seat° entsteht. 324<br />
-10'000<br />
169<br />
45'000<br />
40'000<br />
35'000<br />
30'000<br />
25'000<br />
20'000<br />
15'000<br />
10'000<br />
5'000<br />
0<br />
-5'000<br />
Depr., amo. & rents/seat° € EBIT/seat° €<br />
avg lease rate of 9-year old seat° € Estimated actual lease rate per seat° €<br />
Lufthansa BA Easyjet Air<br />
France<br />
SAS KLM Ryanair Alitalia Iberia<br />
year 2000<br />
Abbildung 4-16: EBITDAR/Seat° europäischer Gesellschaften auf <strong>Airline</strong>-Ebene 325<br />
In der oben stehenden Abbildung 4-16 ist der <strong>Airline</strong>-EBITDAR/Seat° in einen E-<br />
BIT/Seat° und einen DAR/Seat° aufgeschlüsselt, der Depreciation, Amortization and<br />
Rents, d.h. die Abschreibungen, Amortisierungen, Mieten und Leasinggebühren ins Ver-<br />
323 Scott-Gall / Logan, <strong>Airline</strong>s Europe, S. 40.<br />
324 Vgl. hierzu Abbildung 2-11 auf S. 26.<br />
325 Datenquelle: Berechnungen im Anhang.
hältnis zu den Seat° setzt. Daneben wurden die geschätzten durchschnittlichen Leasingkosten<br />
für die Gesamtindustrie noch durch eine präzisere, für die einzelne <strong>Airline</strong> geschätzte<br />
Leasinggebühr ergänzt.<br />
Die Abbildung zeigt, dass die individuell geschätzten Leasingkosten meist über den DAR<br />
Kosten liegen. Dies ist plausibel, denn die Kapitalkosten, die auch als Bestandteil der<br />
Leasingkosten begriffen werden müssen, sind ja in den DAR Kosten nicht enthalten. Genauso<br />
können die DAR Kosten aber auch umgekehrt solche Elemente enthalten, die mit<br />
der Flotte der <strong>Airline</strong> nichts zu tun haben, so dass hier auch ein gegenläufiger Effekt<br />
nicht völlig auszuschliessen ist. In der Regel sollten die DAR-Kosten einer <strong>Airline</strong> jedoch<br />
durch Flotten-direkte Kosten dominiert sein. 326<br />
Beim Vergleich der für jede <strong>Airline</strong> genauer geschätzten Leasingkosten/Seat° mit den<br />
dem Industrie-weiten Durchschnittssatz für den 9 Jahre alten Sitz zeigt sich, dass die<br />
Werte für viele aber nicht für alle <strong>Airline</strong>s recht gut korrespondieren. Legt man die Aussagen<br />
von Abschnitt 4.2.1.1 zugrunde, dann sind Abweichungen zwischen den beiden<br />
Leasingkostenschätzungen vor allem auf ein von 9 Jahren abweichendes durchschnittliches<br />
Flottenalter zurückzuführen. Denkbar wäre aber auch ein Abschluss der Mehrheit<br />
der Kauf- oder Leasingverträge für Flugzeuge zu einem untypischen Zeitpunkt, an dem<br />
die Preise für einen Seat° über oder unter dem von Goldman Sachs gesetzten Referenzwert<br />
lagen.<br />
Wenn die Aussagen aus Abschnitt 4.2.1.1 korrekt sind und sich die unmittelbar mit der<br />
Sitzkapazität einer <strong>Airline</strong> verbundenen Kosten mindestens mit der Zeit bei jeder <strong>Airline</strong><br />
auf dem selben Niveau angleichen, dann ist der EBIT/Seat° sicher weniger als Mass für<br />
die Ertragskraft einer <strong>Airline</strong> geeignet als EBITDAR/Seat°. Denn beim EBIT/Seat° wären<br />
temporäre Abweichungen aufgrund eines untypischen Flottenalters oder untypischer<br />
Einkaufskonditionen enthalten, die im Zeitablauf wieder verschwinden und daher für die<br />
dauerhafte Ertragskraft nicht repräsentativ sind.<br />
Eine grundsätzlich denkbare Alternative zum EBITDAR/Seat° wäre eine operative Cash<br />
Flow Grösse, die zu den Sitzäquivalenten ins Verhältnis gesetzt wird. Im Rahmen des<br />
AVCMS erweist sich eine solche Cash Flow basierte Variante im Vergleich zum EBIT-<br />
DAR/Seat° aber als nachteilig, da sie hier nicht die gleiche Kompatibilität zum System<br />
der Ertrags- und Kostenbudgetierung und zum EVA bieten kann, wie sie beim Einsatz<br />
von Gewinngrössen gegeben ist. 327<br />
326 Vgl. Abschnitt 4.2.5.3 auf S. 199f.<br />
327 Vgl. hierzu auch Abschnitt 3.2.2., wo gezeigt wird, wie ausgehend von Gewinngrössen der EVA als Unternehmenswert<br />
berechnet werden kann.<br />
170
Zusammenfassend kann gesagt werden, dass der EBITDAR/Seat° im AVCMS als ein<br />
besseres Mass für die Ertragskraft einer <strong>Airline</strong> angesehen werden kann als verbreiterte<br />
alternative Messgrössen wie beispielsweise der Ertrag/RPK oder der Gewinn/ASK.<br />
Denn der EBITDAR/Seat° bezieht sich mit dem EBITDAR auf eine Gewinngrösse, die<br />
von im Markt auf Dauer homogenen Kapazitätskosten abstrahiert, nämlich auf das relevante<br />
Grössenmass einer <strong>Airline</strong>, den Seat°.<br />
4.2.2.2 EVA und WACC<br />
Da das plausibilisierte Ausweisen des Unternehmenswertes von den Anteilseignern als<br />
Finanzinformation gefordert wird, ist die Integration eines Bewertungskonzeptes in das<br />
AVCMS unbedingt notwendig.<br />
Abbildung 4-17: WACC, ROIC und EVA/IC europäischer <strong>Airline</strong>s im Jahr 2000 328<br />
Darüber hinaus wurde bereits in Abschnitt 2.4.4 darauf hingewiesen, dass das Erzielen<br />
von Übergewinn als gemeinsames Ziel aller <strong>St</strong>akeholdes begriffen werden kann. Denn je<br />
328 Datenquelle. Anhang. Vgl. auch Abbildung 2-9 auf S. 23.<br />
171
mehr Übergewinn erwirtschaftet wird, desto mehr Mittel stehen grundsätzlich für die<br />
Verteilung an sämtliche <strong>St</strong>akeholders zur Verfügung. Aufgrund der weitergehenden<br />
Kompatibilität zur Ertrags- und Kostenbudgetierung wurde für das AVCMS anstelle des<br />
DCF-Ansatzes das EVA Konzept gewählt. Im Rahmen des AVCMS werden für EVA und<br />
WACC die identischen Kennzahlen und Definitionen verwandt, die schon in Abschnitt<br />
3.2.2 dargestellt wurden. Ein erneutes Beschreiben der Konzepte ist somit an dieser <strong>St</strong>elle<br />
nicht mehr nötig.<br />
Zur Illustration sollen in Abbildung 4-17 nochmals die Zusammenhänge zwischen ROIC,<br />
WACC und EVA anhand der untersuchten europäischen <strong>Airline</strong>s gezeigt werden. Aus<br />
der Abbildung geht hervor, dass im Jahr 2000 nur die <strong>Airline</strong>s Ryanair und Easyjet in der<br />
Lage waren, einen positiven EVA von 1% bzw. 3% ihres investierten Kapitals zu erwirtschaften.<br />
Daher liegen nur diese beiden <strong>Airline</strong>s jenseits der Linie, die all jene Punkte<br />
markiert, auf denen der ROIC bzw. die Rendite exakt gleich dem WACC bzw. den Kapitalkosten<br />
ist.<br />
Abbildung 4-18: WACC, ROIC und EVA/IC in einer Mehrperiodenrechnung 329<br />
329 Datenquelle: Berechnungen im Anhang.<br />
172
Die gleiche Form der Darstellung ist auch für eine Mehrperiodenrechnung möglich.<br />
Abbildung 4-18 zeigt das EVA-bezogene Chart im AVCMS Cockpit. Hier werden die<br />
EVAs mehrerer Perioden einer Zielsetzung gegenübergestellt, die aus einem Ziel für<br />
ROIC und WACC hergeleitet ist.<br />
4.2.2.3 Klassische Finanzberichterstattung<br />
Auch im AVCMS werden im Rahmen der klassischen Finanzberichterstattung Erfolgsrechnung,<br />
Bilanz, Cash Flow Rechnung und Eigenkapitalverwendung ausgewiesen. Ein<br />
Finanzabschluss nach allgemein anerkannten Kriterien ist in Regel unverzichtbar. Er wird<br />
nicht nur von den Anteileignern gewünscht, sondern er ist auch vom Gesellschaftsrecht<br />
und von den Kotierungsreglementen der Börsen vorgeschrieben.<br />
Die klassischen Finanzinformationen sind daher integraler Bestandteil des AVCMS. Alle<br />
Wertbeiträge und alle übrigen in den fünf AVCMS-Kernbereichen verwandten Indikatoren<br />
münden schliesslich in den Finanzabschlussrechnungen. In Abschnitt 4.2.7.2 auf Seite<br />
210 wird gezeigt, dass dafür zusätzlich zu den Kennzahlen aus den fünf Kernbereichen<br />
noch weitere ergänzende Finanzinformationen notwendig sind, um zu einer vollständigen<br />
Darstellung der Finanzabschlüsse gelangen zu können. Im Anhang befinden sich detaillierte<br />
Aufstellungen von Erfolgsrechnung, Bilanz, Cash Flow Rechnung und Eigenkapitalverwendung<br />
des Jahres 2000 für die untersuchten europäischen <strong>Airline</strong>s und für eine<br />
Mehrperiodenrechnung mit fiktiven Daten. 330 Alle diese Aufstellungen sind integraler<br />
Bestandteil des AVCMS und sie sind über Formeln mit den Kennzahlen der fünf Kernbereiche<br />
verbunden.<br />
Hinsichtlich der Finanzabschlussrechnungen steht für das AVCMS vor allem die Erfolgsrechnung<br />
im Zentrum. Sie wird für das <strong>Airline</strong> Kerngeschäft und auf Gruppenebene ausgewiesen.<br />
Abbildung 4-19 zeigt einen Auszug aus den Erfolgsrechnungen der untersuchten<br />
europäischen <strong>Airline</strong>s. Aus dieser Abbildung können zusätzlich zu den in der Legende<br />
aufgeführten Kategorien331 auch der EBITDAR und der Umsatz gelesen werden. Während<br />
der Umsatz durch die gesamte Höhe der Säulen repräsentiert ist, muss zum Lesen<br />
des EBITDAR das oberste Säulensegment ignoriert werden.<br />
Es zeigt sich, dass ein Vergleich der Profitabilität der betrachteten <strong>Airline</strong>s aufgrund der<br />
absoluten Grössen aus der Erfolgsrechnung kaum möglich ist. Die Notwendigkeit, zu-<br />
330 Vgl. im Anhang die Abschnitte 7.4 und 7.8.<br />
331 Cash Cost beschreiben im AVCMS alle diejenigen Kostenanteile, die nicht den Bereichen IT und DAR zuzurechen<br />
sind. Ausgenommen sind hier also interest and taxes sowie Depreciation, Amortization and Rents, bzw.<br />
Zinsen und <strong>St</strong>euern sowie Abschreibungen, Amortisierungen, Mieten und Leasinggebühren.<br />
173
sätzlich über eine Darstellung auf Ebene Seat° verfügen zu können, wird hier schnell<br />
klar. Die in Abschnitt 4.2.2.1 gezeigte Abbildung 4-16 über den EBITDAR/Seat° beispielsweise<br />
stellt eine wesentlich geeignetere Basis für den Profitabilitätsvergleich dar.<br />
mio €<br />
14'000<br />
12'000<br />
10'000<br />
8'000<br />
6'000<br />
4'000<br />
2'000<br />
0<br />
-2'000<br />
year 2000<br />
Cash-cost <strong>Airline</strong><br />
DAR <strong>Airline</strong><br />
EBIT <strong>Airline</strong><br />
Lufthansa BA Easyjet Air France SAS KLM Ryanair Alitalia Iberia<br />
Abbildung 4-19: Auszug aus den Erfolgsrechnungen europäischer <strong>Airline</strong>s 332<br />
Die Erfolgsrechnung lässt sich auch in der Form einer Mehrperiodenrechnung darstellen,<br />
so dass Trends sichtbar werden. Abbildung 4-20 zeigt die entsprechende Darstellung aus<br />
dem Cockpit des AVCMS mit Beispieldaten.<br />
Die Darstellung bezieht sich ebenfalls auf eine Erfolgsrechnung auf <strong>Airline</strong>-Ebene, jedoch<br />
wird ihr noch ein nicht-<strong>Airline</strong> EBIT (na EBIT) hinzugefügt, der den Anteil des<br />
<strong>Airline</strong>-fremden Geschäftes am Konzern EBIT repräsentiert. Auf diese Weise kann die<br />
Zusammensetzung des <strong>Airline</strong> EBIT überblickt werden, ohne das gesamthafte Konzernresultat<br />
aus den Augen zu verlieren. Ansonsten entsprechen die verwandten Kategorien<br />
der Systematik aus Abbildung 4-19, mit dem Unterschied allerdings, dass die Cash Cost<br />
hier zusätzlich in einen variablen und einen fixen Anteil unterteilt wurden. Der variable<br />
332 Datenquelle: Berechnungen im Anhang.<br />
174
Anteil repräsentiert dabei diejenigen Kosten, die durch Veränderungen des Produktionsvolumens<br />
unmittelbar beeinflusst werden. In Abschnitt 4.2.4.7 auf Seite 191ff wird diese<br />
Aufteilung näher beschrieben.<br />
Abbildung 4-20: Darstellung der Ertragskraft im AVCMS Cockpit 333<br />
4.2.3 Ertragsbereich<br />
Im Zentrum des Ertragsbereiches steht das absolute Ertragsvolumen sowie, unter Anwendung<br />
des Mengengerüstes des AVCMS, der Ertrag/Seat°. Der Ertragsbereich bildet<br />
damit eine der Grundlagen, auf die der Finanzbereich zur Berechnung seiner Kennzahlen<br />
zurückgreift.<br />
Ein Überblick über die <strong>St</strong>ellung des Ertragsbereiches im AVCMS und einige seiner wichtigsten<br />
Kennzahlen wird in Abbildung 4-21 gegeben. Hier zeigt sich, dass die Erträge vor<br />
allem von den Ticket Preisen und den Elementen der seat°-utilization-rate, d.h. von seat°load-factor<br />
und Flugzeugauslastung beeinflusst werden. Hinzu treten noch die verlorenen<br />
333 Datenquelle: Berechnungen im Anhang.<br />
175
Erträge, die zwar nicht direkt in die Berechnung des erzielten Ertrages einfliessen, jedoch<br />
trotzdem von erheblicher Relevanz für das final erzielte Ertragsvolumen sind.<br />
Ertrag<br />
Erträge<br />
verlorene<br />
Erträge<br />
Ticket<br />
Preise<br />
Seat°Load<br />
Factor<br />
Flugzeug<br />
Auslastung<br />
Finanzresultate<br />
Qualität Kosten<br />
Leistungserstellungsprozesse<br />
Abbildung 4-21: Ertragsbereich im AVCMS<br />
Die Kennzahlen des Ertragsbereiches werden im Folgenden nacheinander beschrieben.<br />
Daraus ergibt sich die Gliederung der nächsten Abschnitte:<br />
• Ertrag/Seat°<br />
• Ticketpreise und Ertrag/rsh<br />
• Seat°-load-factor und Flugzeugauslastung<br />
• Verlorene Erträge<br />
4.2.3.1 Ertrag/Seat°<br />
Der Ertrag/Seat° bezeichnet die Umsatzstärke einer <strong>Airline</strong>. Dabei zeigt sich, wieviel<br />
Umsatz eine Fluggesellschaft in Relation zu den für alle <strong>Airline</strong>s grundsätzlichen gleichen<br />
Flottenkapazitätseinheiten, gemessen in Seat°, generieren kann.<br />
176
Abbildung 4-22 stellt die Entwicklung dieser Messgrösse der letzten Jahre für einige europäische<br />
<strong>Airline</strong>s dar.<br />
Revenue/Seat° in 1000 USD .<br />
177<br />
250<br />
200<br />
150<br />
100<br />
50<br />
0<br />
Air<br />
France<br />
British<br />
Airways<br />
2000<br />
2001<br />
2002<br />
2003E<br />
2004E<br />
easyJet Iberia KLM Lufthansa Ryanair SAS<br />
Abbildung 4-22: Entwicklung des Ertrag/Seat° europäischer <strong>Airline</strong>s 334<br />
Wie auch schon für die Kennzahl EBITDAR/Seat° in Abbildung 4-15 festgestellt wurde,<br />
fällt auf, dass nur wenige Gesellschaften in den letzten Jahren eine kontinuierliche <strong>St</strong>eigerung<br />
verbuchen konnten.<br />
Der Ertrag/Seat° kann durch Multiplikation des Ertrag/rsh mit einem fixen Faktor für die<br />
msh/Seat° und mit den rsh/msh bzw. der seat°-utilization-rate ermittelt werden. Da man<br />
für die analytische Betrachtungsweise den fixen Faktor für die msh/Seat°, der mit 24*365<br />
bzw. mit 8760 beziffert werden kann, ignorieren darf, kann der Ertrag/Seat° vereinfacht<br />
auch als Produkt aus dem Durchschnittsertragsmass Ertrag/rsh und der seat°-utilizationrate<br />
begriffen werden.<br />
In Abbildung 4-23 werden für einige europäische <strong>Airline</strong>s diese beiden Haupteinflussgrössen<br />
dem Ertrag/Seat° gegenübergestellt. Aus der Abbildung geht hervor, dass denje-<br />
334 Datenquelle: Berechnungen im Anhang.
nigen <strong>Airline</strong>s, die im Jahr 2000 überdurchschnittliche Werte für den Ertrag/Seat° erzielen<br />
konnten, dies auf teilweise sehr unterschiedliche Art und Weise gelungen ist. Während<br />
beispielsweise Easyjet und Air France durch hohe Werte der Sitzauslastung einen<br />
überdurchschnittlichen Revenue/Seat° erreichen konnten, ist bei SAS das Gegenteil der<br />
Fall. Die sehr tiefen Werte für die Sitzauslastung werden hier durch aussergewöhnlich<br />
hohe Durchschnittserträge kompensiert.<br />
Abbildung 4-23: Ertrag/Seat° europäischer <strong>Airline</strong>s im Jahr 2000 335<br />
4.2.3.2 Ticketpreise und Ertrag/rsh<br />
Die Ticketpreise sind die wichtigste Einflussgrösse auf den Durchschnittsertrag. Je besser<br />
es einer <strong>Airline</strong> gelingt, ihre Tickets teuer zu verkaufen, umso eher wird sie auch hohe<br />
Durchschnittserträge erzielen können. Wichtig ist dabei, dass vor allem dort höhere Preise<br />
erzielt werden, wo den Tickets ein hoher Wertverzehr auf der Kostenseite gegenübersteht.<br />
Im Rahmen der Diskussion des Mengengerüstes des AVCMS wurde bereits festgestellt,<br />
dass sich die Grössen rsh, ash und msh zu einem Grossteil der Kosten proportional<br />
335 Datenquelle: Berechnungen im Anhang.<br />
178
verhalten, und zwar stärker als alternative Messgrössen wie RPK und ASK dies tun.<br />
Wenn die erzielten Ticketerträge also auf die rsh bezogen werden, kann so nach der hier<br />
vertretenen Ansicht die aussagekräftigste Form der Durchschnittserträge ausgewiesen<br />
werden.<br />
Da allerdings noch andere Messgrössen für die Durchschnittserträge in Gebrauch sind,<br />
werden diese in Abbildung 4-24 anhand von Industriedaten des Jahres 2000 mit dem Ertrag/rsh<br />
verglichen.<br />
Abbildung 4-24: Durchschnittserträge europäischer <strong>Airline</strong>s im Jahr 2000 336<br />
Die Abbildung zeigt jeweils auf der linken Seite den Ertrag pro Passagier, wobei jeder<br />
Passagier bei jedem einzelnen Flug neu gezählt wird. 337 Daneben folgen die Erträge pro<br />
RPK und pro rsh.<br />
336 Datenquelle: Berechnungen im Anhang.<br />
337 In der <strong>Airline</strong> Industrie sind die Passagierzahlen in der Regel auf so genannte Flight Legs bezogen, die jeweils<br />
einen Flugabschnitt vom <strong>St</strong>art bis zur Landung umschreiben. Tickets und Flugreisen können demnach auch mehrere<br />
Flight Legs enthalten, wenn z.B. Hin- und Rückflug gebucht werden oder auch wenn ein Flugreise mit Zwischenlandung<br />
oder Umsteigen gebucht wird.<br />
179
Es zeigt sich, dass vor allem die <strong>Airline</strong>s mit einem hohen Langstreckenanteil einen im<br />
Verhältnis zu den anderen Durchschnittsertragsmessgrössen sehr hohen Ertrag pro Passagier<br />
auf weisen. Bei den No Frills <strong>Airline</strong>s gleichen sich Ertrag pro Passagier und pro rsh<br />
fast an. Da hier die physisch installierten Sitze mit den Seat° sehr genau übereinstimmen,<br />
legt dies den Schluss nahe, dass die Passagiere im Durchschnitt ungefähr eine rsh an<br />
Bord der Flugzeuge dieser beiden <strong>Airline</strong>s verbringen.<br />
Der Ertrag pro rsh wird von einer ganzen Reihe von Faktoren beeinflusst. Dazu zählen<br />
die Attraktivität des <strong>St</strong>reckennetzes, das Leistungsvermögen von Revenue <strong>Management</strong><br />
und Pricing, sowie auch die Zufriedenheit der Kunden, die wiederum überwiegend durch<br />
das Vermeiden von Dissatisfiers unterstützt werden kann.<br />
Im Rahmen des AVCMS können Planwerte für den Ertrag/rsh aus einem Sensitivitätsmodell<br />
abgeleitet werden, in das die geplante <strong>Performance</strong> auf den Qualitätsmessgrössen<br />
wie auch verschiedene Annahmen über das Verhalten anderer Bestimmungsfaktoren einfliessen.<br />
Auf das Sensitivitätsmodell wird im Abschnitt über den Qualitätsbereich des<br />
AVCMS eingegangen.<br />
4.2.3.3 Seat°-load-factor und Flugzeugauslastung<br />
Die seat°-utilization-rate wurde bereits mit ihren beiden Bestandteilen, seat°-load-factor<br />
und aircraft-utilization-rate, in Abschnitt 4.2.1.2 ausführlich behandelt. Daher wird hier<br />
nicht nochmals auf Definitionen oder die Abgrenzung zu alternativen, in der Industrie<br />
gebräuchlichen Messgrössen eingegangen.<br />
<strong>St</strong>att dessen soll hier kurz thematisiert werden, wie man im Rahmen des AVCMS zu<br />
Planwerten für beide Grössen gelangen kann.<br />
Für den seat°-load-factor kann man im AVCMS zu Planwerten gelangen, indem in gleicher<br />
Weise wie für die Planung des Ertrages/rsh ein Sensitivitätsmodell verwendet wird.<br />
Hier fliessen, wie bei der Planung der rsh, Werte für die Attraktivität des <strong>St</strong>reckennetzes,<br />
das Leistungsvermögen von Revenue <strong>Management</strong> und Pricing, und die für die Kundenzufriedenheit<br />
relevanten Qualitätsaspekte ein.<br />
Für die aircraft-utilization-rate ist das Festlegen eines Planwertes wesentlich einfacher<br />
und zuverlässiger möglich. Denn die aircraft-utilization-rate kann in die Kennzahl ush<br />
übersetzt werden, die als Wertbeiträge den verantwortlichen internen/externen Lieferanten<br />
vollständig zuweisbar ist. <strong>St</strong>eht die Flottenkapazität fest, dann sind die msh bekannt,<br />
so dass sich die effektiven ash aus den ush ableiten lassen. 338<br />
338 Vgl. Abschnitt 4.2.1.2.<br />
180
4.2.3.4 Verlorene Erträge<br />
Die verlorenen Erträge spielen im Ertragsbereich des AVCMS eine zentrale Rolle, da<br />
nach der hier vertretenen Ansicht gerade in diesem Bereich noch erhebliche Ergebnisverbesserungspotentiale<br />
zu finden sind. <strong>Airline</strong>s können durch Flugannullationen oder durch<br />
lange Verspätungen Passagiere, die schon gebucht waren, an Konkurrenzgesellschaften<br />
verlieren. Solche verlorenen Erträge sind messbar, da man die betroffenen Passagiere und<br />
ihre Tickets kennt, sowie zuweisbar, wenn man mit Hilfe der Operations Control Abläufe<br />
die verantwortlichen internen/externen Lieferanten erheben kann. Verlorene Erträge können<br />
als aussagekräftige Kennzahlen und als Wertbeiträge gelten. Die in Abschnitt 4.1.1<br />
genannten Anforderungen an aussagekräftige Kennzahlen wie Aktualität, Bewertbarkeit<br />
etc. können erfüllt werden.<br />
Abbildung 4-25: Verlorene Erträge im Cockpit des AVCMS 339<br />
Abbildung 4-25 zeigt anhand einer Mehrperiodenmodellrechnung, wie die verlorenen<br />
Erträge im Cockpit des AVCMS dargestellt werden. Sie nehmen aufgrund ihrer Eigenschaft<br />
als Wertbeiträge im Cockpit und im Ertragsbereich des AVCMS eine zentrale Rolle<br />
ein, obwohl sie rechnerisch nicht direkt in den Ertrag/Seat° einfliessen. Denn wird eine<br />
339 Datenquelle: Berechnungen im Anhang.<br />
181
wirksame und dauerhafte Senkung der Messgrösse „verlorene Erträge“ erreicht, dann<br />
äussert sich dies zwangsläufig in einer höheren seat°-utilization-rate, die sich sehr direkt<br />
auf den buchhalterisch darstellbaren Ertrag auswirkt.<br />
4.2.4 Qualitätsbereich<br />
Der Qualitätsbereich des AVCMS enthält diejenigen Messgrössen, die von direkter Relevanz<br />
für die Kunden der <strong>Airline</strong> sind. Vergleicht man diese Abgrenzung mit dem sehr<br />
weiten Qualitätsbegriff des TQM340, kann das AVCMS auf den ersten Blick als bezüglich<br />
der Qualität sehr eng gefasstes Konzept aufgefasst werden. Dies ist jedoch nur auf den<br />
ersten Blick so, denn viele Aspekte aus dem Qualitätsbegriff des TQM finden sich in anderen<br />
Bereichen des AVCMS wieder. Kosten beispielsweise, die aufgrund von Kompensationsleistungen<br />
entstehen, die durch Qualitätsmängel notwendig geworden sind, sind<br />
dem Kostenbereich des AVCMS zuzurechnen. Genauso können auch Teile des Ertragsbereiches<br />
durchaus einem weiteren Qualitätsverständnis zugeordnet werden. Denn die<br />
Effizienz des Flugzeugeinsatzes ist stark von der Qualität der Leistungserstellungsprozesse<br />
der internen/externen Lieferanten beeinflusst.<br />
Einen Überblick über die Position des Qualitätsbereiches im AVCMS und einige seiner<br />
wichtigsten Kennzahlen und Hauptaspekte zeigt Abbildung 4-26.<br />
Die Abbildung zeigt, dass die Qualität im AVCMS durch drei Hauptaspekte repräsentiert<br />
ist, die dann in einer gesamthaften Qualitätsmessgrösse, den Qualitätsdefekten zusammenfliessen.<br />
Alle vier Kennzahlen können als Wertbeiträge gelten, müssen allerdings<br />
ständig mit Kundenbefragungen auf ihre Relevanz für die Kundenzufriedenheit hin überprüft<br />
werden, um möglicherweise neu kalibriert werden zu können.<br />
Die Wertbeiträge aus dem Qualitätsbereich gehen schliesslich in eine Sensitivitätsanalyse<br />
ein, die die Auswirkungen der Qualitätsleistung auf den Ertrag/rsh und den seat°-loadfactor<br />
im Ertragsbereich zu beziffern sucht. Um Trade-off Situationen zwischen dem Erfolg<br />
auf Wertbeitragskennziffern des Qualitätsbereichs und dem Erfolg auf finanziellen<br />
Wertbeitragskennziffern zu lösen, können die Qualitätsmessgrössen auch mit Hilfe von<br />
Bewertungssätzen finanziell quantifiziert werden.<br />
340 Vgl. Abschnitt 3.2.4.<br />
182
183<br />
Ertrag<br />
Finanzresultate<br />
Qualitätsdefekte<br />
Kundenzufriedenheit<br />
Qualität<br />
Wartezeit<br />
Service<br />
Verhalten<br />
Physisches<br />
Produkt<br />
Leistungserstellungsprozesse<br />
Abbildung 4-26: Qualitätsbereich im AVCMS<br />
Kosten<br />
In den nächsten Abschnitten wird in folgender Reihenfolge auf die einzelnen genannten<br />
Elemente des Qualitätsbereiches eingegangen:<br />
• Wartezeit der Passagiere<br />
• Service Verhalten<br />
• Physisches Produkt<br />
• Qualitätsdefekte<br />
• Kundenzufriedenheit<br />
• Sensitivitätsanalyse<br />
• Bewertungssätze<br />
4.2.4.1 Wartezeit der Passagiere<br />
Die Wartezeit der Kunden bzw. der Passagiere wird im Rahmen des AVCMS in der<br />
Messgrösse Passagierstunden, abgekürzt Pax-h gemessen. Eine Pax-h bezeichnet einen<br />
Passagier, der im Zusammenhang mit seiner Flugreise eine <strong>St</strong>unde mehr Zeit verliert, als<br />
es ihm durch die <strong>Airline</strong> versprochen wurde. Neben ihrem Charakter als Wertbeitrag besteht<br />
ein weiterer grosser Vorteil der Pax-h gegenüber anderen das Wartezeitthema
etreffenden Messgrössen darin, dass alle Arten von verlorener Kundenzeit in einer einzigen<br />
Messgrösse zusammengefasst werden können. Wartezeit aufgrund von Verspätungen,<br />
aufgrund von Annullationen, Wartezeit auf das Gepäck, am Check-in, an der Passkontrolle,<br />
beim Sicherheits-Check etc., alles kann durch eine einzige Messgrösse, die<br />
Pax-h abgedeckt werden. Abbildung 4-27 zeigt die Darstellung der Messgrösse Pax-h im<br />
Cockpit des AVCMS.<br />
Abbildung 4-27: Pax-h im Cockpit des AVCMS 341<br />
Die Pax-h können als echter Wertbeitrag gelten, denn sie umfassen nicht nur einen<br />
Grossteil der für die Kunden äusserst relevanten zeitbezogenen Dissatisfiers342, sondern<br />
sie können auch vollständig und wirksam den internen/externen Lieferanten zugewiesen<br />
werden. 343 Die anderen Anforderungen an aussagekräftige Kennzahlen wie Aktualität der<br />
Messung und Bewertbarkeit können durch die Pax-h ebenfalls erfüllt werden.<br />
341 Datenquelle: Berechnungen im Anhang.<br />
342 Vgl. hierzu Abschnitt 2.2.2.<br />
343 In Abschnitt 4.4.1.3 wird anhand eines realen Beispiels gezeigt, wie eine Zuweisung auch unter erschwerten<br />
Bedingungen möglich ist.<br />
184
Bei der Bewertung einer Pax-h wird zugunsten der Einfachheit ein einzelner Bewertungssatz<br />
gewählt, der für alle Pax-h gleich ist, unabhängig vom Kontext ihrer Entstehung.<br />
Pax-h von Vielfliegern, die in der Business Class gebucht sind, werden damit gleich gewichtet<br />
wie solche von selten reisenden Economy-Passagieren. Als Betrag wird für den<br />
Bewertungssatz analog zum Vorgehen bei Swissair ein Wert von CHF 50.- pro Pax-h<br />
vorgeschlagen. Denn dieser Betrag deckt sich auch mit vielen anderen, schon in Abschnitt<br />
2.4.1 erwähnten Bewertungsansätzen für Verspätungszeiten der Passagiere.<br />
Hierbei zeigt sich, dass im AVCMS als Mengentreiber der Pax-h die Grösse Pax, d.h. die<br />
Anzahl Passagiere verwendet wird. Dies wurde bereits in Abschnitt 4.2.1.3 im Zusammenhang<br />
mit der Darstellung des Mengengerüstes des AVCMS begründet. Denn steigt<br />
die Anzahl der Passagiere, kann sich die <strong>Airline</strong> bei konstanten Pax-h/Pax auch eine Zunahme<br />
der Wartezeiten im gleichen Verhältnis leisten, ohne dass dadurch die Kundenzufriedenheit<br />
massgeblich beeinflusst werden sollte. 344<br />
4.2.4.2 Service Verhalten<br />
Das Service Verhalten wird im AVCMS mit der Kennzahl Service-Attitude-points, abgekürzt<br />
SA-p gemessen. Die Kennzahl stellt die Freundlichkeit, die Kompetenz und das<br />
Engagement der Mitarbeiter im Kundenkontakt bei der Betreuung der Passagiere dar. Sie<br />
steigt an, wenn im Bereich des Service Verhaltens Dissatisfiers auftreten, d.h. wenn der<br />
Kunde nicht gemäss den an das <strong>Airline</strong> Produkt als Quasi-Commodity gestellten Erwartungen<br />
bedient wird. 345 Wie bei den Pax-h wird auch hier entlang der gesamten Erlebniskette<br />
des Kunden gemessen, von der Buchung bis zum Verlassen des Flughafens am<br />
Zielort bzw. nach dem Rückflug. Ein SA-p soll dabei in der Messung so kalibriert werden,<br />
dass er sich zu einer Pax-h äquivalent verhält. Ein Passagier der durch Mängel im<br />
Service Verhalten um einen SA-p geschädigt wurde, soll so also durchschnittlich genauso<br />
in seiner Kundenzufriedenheit beeinträchtigt worden sein, wie wenn er von einer Pax-h<br />
betroffen wäre. Auf diese Weise können die SA-p genau wie die Pax-h auch mit dem<br />
vorgeschlagenen Bewertungssatz von CHF 50.- bewertet werden.<br />
Ein gewichtiger Nachteil, der gegenüber den Pax-h verbleibt, ist darin zu sehen, dass die<br />
SA-p ausschliesslich durch Kundenumfragen oder die Auswertung von Beschwerden<br />
344 Beim Schluss von den Pax-h pro Pax auf die Kundenzufriedenheit muss berücksichtigt werden, dass durch das<br />
Ignorieren von Kontextfaktoren wie Buchungsklasse, Vielfliegerstatus oder Verspätungsdauer Ungenauigkeiten<br />
in Kauf genommen werden. Zudem sollte die Wirkung der Pax-h auf die Kundenzufriedenheit kontinuierlich<br />
durch Kundenbefragungen erhoben werden. Vgl. Hierzu Abschnitt 4.2.4.5.<br />
345 Vgl. Abschnitt 2.2.2.<br />
185
erhoben werden können. Eine genauso aktuelle Messung wie die der Pax-h zu erreichen,<br />
scheint daher auch bei Einsatz modernster Kommunikationsmethoden eine erhebliche<br />
Herausforderung darzustellen. Leider lässt sich die Messgrösse SA-p als auf Kundenumfragen<br />
basierende Kennzahl nur als Index darstellen, was der Forderung nach Einfachheit<br />
und Nachvollziehbarkeit entgegensteht.<br />
Die geringere Nachvollziehbarkeit der SA-p als Indexmessgrösse kann jedoch durch das<br />
Bilden von Äquivalenzpunkten zu den Pax-h etwas abgemildert werden. Denn sobald<br />
<strong>Management</strong> und Mitarbeiter verstehen, dass ein SA-p nicht nur eine abstrakte Indexmessung<br />
darstellt, sondern das mit jedem SA-p das Äquivalent zu einer Pax-h und damit<br />
auch zu CHF 50.- realisiert wird, werden die Messresultate greifbarer. So bestehen bessere<br />
Chancen auf Basis der SA-p wirksame und breit akzeptierte Zielvereinbarungen zu<br />
treffen und damit im täglichen Handeln etwas zu bewirken.<br />
Obwohl die SA-p nicht alle Kriterien für aussagekräftige Kennzahlen ideal erfüllen, können<br />
sie, vor allem wenn mit Hilfe der Anlehnung an die Pax-h die Mängel weitgehend<br />
kompensiert werden, als Wertbeitragskennziffer eine wichtige Rolle spielen.<br />
Im Cockpit des AVCMS werden die SA-p in exakt derselben Form dargestellt wie die<br />
Pax-h, auch mit den Pax als treibender Mengengrösse. Daher ist an dieser <strong>St</strong>elle keine<br />
gesonderte Abbildung des SA-p Cockpits im AVCMS nötig.<br />
4.2.4.3 Physisches Produkt<br />
Im AVCMS wird die qualitative Leistung, die die physischen Produkteigenschaften betrifft,<br />
mit der Kennzahl Physical-Product-points, abgekürzt PP-p gemessen. Die PP-p befassen<br />
sich mit allen direkt Kunden-relevanten Produktaspekten, die nichts mit der Zeit<br />
des Kunden, dem Service Verhalten, der Flugplanung und der Preisgestaltung zu tun haben.<br />
Aspekte, die in diese Kategorie fallen sind beispielsweise die Sauberkeit am Flughafen<br />
und an Bord, die Verfügbarkeit der Getränkeauswahl, Qualität und Umfang des Angebotes<br />
an Cateringleistungen und Zeitschriften, Qualität und Funktionalität der Sitze<br />
und der Unterhaltungssysteme. Analog zu den SA-p steigen die PP-p an, wenn im Bereich<br />
der physischen Produktaspekte die Erwartungen der Kunden, die durch die Eigenschaft<br />
des <strong>Airline</strong> Produktes als Quasi-Commodity geprägt sind, nicht erfüllt werden,<br />
wenn also Dissatisfiers auftreten. 346<br />
346 Vgl. Abschnitt 2.2.2.<br />
186
Wie bei den Pax-h und den SA-p wird auch hier wieder entlang der gesamten Erlebniskette<br />
des Kunden gemessen, so dass alle Elemente, die mit den physischen Produktaspekten<br />
zu tun haben, in einer einzigen Kennzahl vereint werden können.<br />
Hinsichtlich der Messbarkeit gelten für die PP-p die gleichen Einschränkungen wie für<br />
die SA-p, da auch hier auf das Bilden einer Indexmessgrösse auf Basis von Kundenumfragen<br />
oder Beschwerdeauswertungen zurückgegriffen werden muss. Durch die Definition<br />
der PP-p als Äquivalente zu den Pax-h, können diese Einschränkungen aber auch hier<br />
weitgehend überwunden werden. Die PP-p können somit ebenfalls als Wertbeiträge dienen,<br />
auf die beispielsweise der vorgeschlagenen Bewertungssatz von CHF 50.- pro PP-p<br />
angewandt werden kann.<br />
Als Mengentreiber im AVCMS wird für die PP-p analog zu den Pax-h und den SA-p die<br />
Anzahl Passagiere verwendet. Die graphische Repräsentation der PP-p im Cockpit des<br />
AVCMS ist ebenfalls zu der Lösung für die Pax-h und die SA-p identisch, so dass sich<br />
eine entsprechende Abbildung an dieser <strong>St</strong>elle erübrigt.<br />
4.2.4.4 Qualitätsdefekte<br />
Die Messgrössen Pax-h, SA-p und PP-p können im AVCMS durch Addition zu einer<br />
Grösse, den Quality-Defect-points, abgekürzt den QD-p, zusammengefasst werden.<br />
Auf diese Weise kann für jeden Lieferanten eine Gesamtsicht seiner Beiträge zu den aus<br />
Kundensicht relevanten Qualitätsaspekten erstellt werden.<br />
Wendet man den Bewertungssatz an, ergibt sich für jeden internen/externen Lieferanten<br />
eine hypothetische Schadenssumme, die er gegenüber der <strong>Airline</strong> verantworten muss,<br />
und die mit Bonus-Malus-Vereinbarungen verknüpft werden kann. Für jeden internen/externen<br />
Lieferanten wird so der Trade-off zwischen den durch ihn verursachten, für<br />
die Kunden der <strong>Airline</strong> relevanten Qualitätsdefekten und den Kosten der vollständigen<br />
oder teilweisen Behebung dieser Defekte quantifizierbar und fassbar.<br />
Die QD-p könnten auch als einzige den Qualitätsbereich repräsentierende Messgrösse im<br />
AVCMS Cockpit dargestellt werden. 347 Auf diese Weise würde sich die Anzahl der<br />
Kennzahlen nochmals reduzieren, was der Forderung nach Einfachheit sehr entgegen<br />
käme.<br />
Gegen den Verzicht auf ein explizites Ausweisen der Pax-h, SA-p und PP-p spricht einerseits<br />
die dann schlechtere Nachvollziehbarkeit der QD-p. Die QD-p wären viel eher<br />
347 In diesem Fall wäre der Mengentreiber die Anzahl Passagiere und die Cockpit-Darstellung wäre dieselbe, wie sie<br />
im Rahmen der Pax-h schon gezeigt wurde.<br />
187
der Gefahr ausgesetzt als abstrakte Indexmessgrösse zu gelten, deren Bedeutung im Alltag<br />
nur schwer nachvollzogen werden kann, und für die somit auch Zielvereinbarungen<br />
eher auf geringere Akzeptanz stossen würden.<br />
Zum anderen vertreten Pax-h, SA-p und PP-p je für sich selbst sehr wichtige Aussagen,<br />
die im Zentrum der <strong>Performance</strong> <strong>Management</strong> Abläufe stehen sollten. Denn jede der drei<br />
Messgrössen beschreibt ein sehr unterschiedliches Kernthema der Kunden-relevanten<br />
Qualität einer <strong>Airline</strong>, das mit sehr unterschiedlichen Massnahmen angegangen werden<br />
sollte, wenn Qualitätsdefekte auftreten.<br />
Die Pax-h beschreiben das Thema der verlorenen Zeit des Kunden. Sollen hier Verbesserungen<br />
erzielt werden, ist es meist notwendig, operative Leistungserstellungsprozesse<br />
besser aufeinander abzustimmen, Kapazitätsengpässe zu beseitigen und an kritischen<br />
<strong>St</strong>ellen Reserven einzusetzen. Verbesserungen sind hier also vielfach auch mit Investitionen<br />
und zusätzlichen Kosten verbunden.<br />
Die SA-p beschreiben das Thema des Service Verhaltens. Verbesserungen hier können<br />
meist kaum durch Investitionen in Anlagen etc. erreicht werden. <strong>St</strong>att dessen sind Mitarbeiterselektion<br />
und Training, sowie das Formen einer von Service-Orientierung geprägten<br />
Unternehmenskultur die geeigneteren Massnahmen.<br />
Die PP-p repräsentieren das Thema der physischen Produktaspekte. Wenn hier Verbesserungen<br />
erzielt werden sollen, muss häufig direkt in die betroffenen Qualitätsaspekte investiert<br />
werden. Entspricht beispielsweise das Catering nicht den Erwartungen und verursacht<br />
PP-p, dann kann zur Besserung der Lage beim Lieferanten ein höherwertiges Produkt<br />
eingekauft werden, das auch mit höheren Kosten verbunden ist. Allerdings ist es<br />
auch möglich, dass die Definition des Produktes die Erwartungen trifft und stattdessen<br />
die Ausführung verbessert werden muss. Beispielsweise könnten die Kunden mit dem<br />
Unterhaltungssystem an Bord grundsätzlich zufrieden sein, während Funktionsfehler, die<br />
durch eine mangelhafte technische Wartung entstehen, zu Beschwerden Anlass geben.<br />
Die PP-p richten sich damit also auch an die Produktgestaltungsfunktion einer <strong>Airline</strong>.<br />
Hier muss sichergestellt werden, dass die Produktspezifikationen die aktuellen Kundenerwartungen<br />
soweit abdecken, dass grosse PP-p Volumina verursachende Dissatisfiers<br />
vermieden werden können. Dabei muss gleichzeitig darauf geachtet werden, dass nicht<br />
dort zuviel in Produktaspekte investiert wird, wo die durch den Quasi-Commodity Charakter<br />
des <strong>Airline</strong>-Produktes geprägten Ansprüche der Kunden übererfüllt werden würden.<br />
Bei Swissair waren die Pax-h im Einsatz, allerdings in einer ersten Phase auf die Messung<br />
von Verspätungen und Annullationen beschränkt. In einer zweite Phase war die<br />
Messung von Warteschlangen und von Wartezeiten auf das Gepäck am Flughafen Zürich<br />
188
vorgesehen. Die SA-p und PP-p sollten ebenfalls bei der Swissair eingeführt werden. In<br />
einer ersten Phase sollten die Messungen vor allem auf der Auswertung von Beschwerden<br />
basieren, während in einer zweiten Phase auch an einigen Flughäfen ausgehändigte<br />
Kurzumfragebögen zur Ergänzung hinzugezogen werden sollten.<br />
4.2.4.5 Kundenzufriedenheit<br />
Neben den Messungen der Pax-h, SA-p und PP-p, die im Zentrum des Qualitätsbereiches<br />
des AVCMS stehen, sollte auch immer wieder die Kundenzufriedenheit direkt erfasst<br />
werden. Denn nur die Kunden selbst können entscheiden, welche Qualitätsaspekte für sie<br />
wirklich relevant sind.<br />
Für die Messgrössen SA-p und PP-p sind Kundenumfragen ohnehin schon ein Bestandteil<br />
des Messverfahrens, so dass sie im laufenden Betrieb nach der Entwicklung der Kundenbedürfnisse<br />
kalibriert werden können.<br />
Die Messgrösse Pax-h allerdings geht nur von der Annahme aus, dass die Kundenzufriedenheit<br />
um so mehr abnimmt, je mehr Zeit der Kunden verloren geht. Diese Annahme<br />
mag zwar plausibel sein, wie stark dieser Effekt auf die Kundenzufriedenheit im Einzelfall<br />
jedoch ist, und von welchen Kontextfaktoren er abhängt, ist aus der Messgrösse Paxh<br />
allein nicht ersichtlich. Sowohl die Höhe des Bewertungssatz pro Pax-h, als auch das<br />
Ausmass der Ungenauigkeiten, das durch das Ignorieren der Kontextfaktoren der Pax-h<br />
entsteht, sollte also kontinuierlich durch Erhebungen der Kundenzufriedenheit überprüft<br />
werden. Geschieht dies nicht, läuft man Gefahr die Pax-h falsch zu bewerten oder sie zu<br />
stark vereinfacht zu interpretieren.<br />
Die Erhebung der Wirkung der Pax-h auf die Kundenzufriedenheit ist ausserdem eine<br />
Vorrausetzung dafür, dass die Kennzahlen SA-p und PP-p überhaupt in Pax-h-<br />
Äquivalenten ausgedrückt werden können. Denn erst wenn ein Referenzwert der Wirkung<br />
auf die Kundenzufriedenheit für die Pax-h zur Verfügung steht, kann dieser auch<br />
zur Kalibrierung der SA-p und PP-p eingesetzt werden. 348<br />
Die Kundenzufriedenheit selbst allerdings stellt weder einen Wertbeitrag dar, noch fliesst<br />
sie in das Sensitivitätsmodell des AVCMS zur Bestimmung von Eingangsgrössen des<br />
Ertragsbereichs ein. <strong>St</strong>attdessen dient sie im AVCMS der Kalibrierung und Überprüfung<br />
der im Qualitätsbereich verwandten Kennzahlen und Gewichtungen.<br />
348 Vgl. Abschnitt 2.4.1 zur bei Swissair vorgenommen Erhebung der Wirkung der Pax-h auf die Kundenzufriedenheit.<br />
Vgl. H.T.P, Zeit ist Geld.<br />
189
4.2.4.6 Sensitivitätsanalyse<br />
Wenn das AVCMS als Planungsrechnung verwendet werden soll, kann sich die Frage<br />
stellen, wie die positiven Effekte einer guten Leistung auf den Qualitätsindikatoren in<br />
verbesserte Durchschnittserträge und eine verbesserte Sitzauslastung umzusetzen sind.<br />
Um dieser Frage nachzugehen, kann im AVCMS mit einer Sensitivitätsanalyse gearbeitet<br />
werden, mit deren Hilfe die Wirkungen aller wichtigen Einflussgrössen auf Ertrag/rsh<br />
und rsh/ash untersucht werden können.<br />
Ertragsbereich Qualitätsbereich<br />
Ertragsleistung<br />
Ertragsleistung<br />
der der Periode:<br />
Periode:<br />
•Ertrag/rsh<br />
•rsh/ash<br />
Sensitivitäts-<br />
Analyse<br />
Qualitätsleistung<br />
Qualitätsleistung<br />
der der Periode:<br />
Periode:<br />
•Pax-h/Pax<br />
•SA-p/Pax<br />
•PP-p/Pax<br />
Kontextfaktoren: Kontextfaktoren: <strong>Management</strong> <strong>Management</strong> Leistung:<br />
Leistung:<br />
•Historische Qualitätsleistung •Revenue <strong>Management</strong> & Pricing<br />
•Minimum Connecting Time (MCT) •Verkauf und Frequent Flyer<br />
•Wettbewerbsintensität<br />
Programme<br />
•Nachfrage<br />
•Übrige Faktoren<br />
•<strong>Management</strong> von Netzwerk,<br />
Flotte und Allianzen<br />
Abbildung 4-28: Sensitivitätsanalyse im AVCMS<br />
Die Übersicht in Abbildung 4-28 zeigt, dass die Qualitätsleistung einer zu planenden Periode<br />
nur unter Einbezug einer ganzen Reihe von Kontextfaktoren und Aspekten der <strong>Management</strong><br />
Leistung in die Grössen der Ertragsleistung übersetzt werden kann.<br />
Einen wichtigen <strong>St</strong>ellenwert unter den Kontextfaktoren nimmt die historische Qualitätsleistung<br />
ein, die die Pax-h/Pax, die SA-p/Pax und die PP-p/Pax der vergangenen Perioden<br />
repräsentiert. Denn vielfach wirkt sich die Qualität erst mit einiger Verzögerung über die<br />
190
Bildung eines Qualitätsimage auf die relevanten Grössen des Ertragsbereiches aus. 349 Ist<br />
das Image einmal durch schlechte Qualitätsleistung ruiniert worden, kann es Jahre dauern,<br />
in denen kontinuierlich eine gute <strong>Performance</strong> erzielt werden muss, bis sich eine<br />
spürbare Wirkung auf den entsprechenden Werten des Ertragsbereiches einstellt.<br />
Ein weiterer wichtiger Kontextfaktor ist die Minimum Connecting Time bzw. die minimal<br />
mögliche Umsteigezeit am Hub, die in Minuten dargestellt werden kann. Je kürzer<br />
diese Zeitspanne gesetzt werden kann, umso mehr mögliche Flugverbindungen können<br />
angeboten werden350 und umso mehr steigt auch die Attraktivität dieser Verbindungen<br />
aufgrund der kürzeren Umsteigezeiten.<br />
Weitere sehr wichtige Einflussgrössen sind die Wettbewerbsintensität und die allgemeine<br />
Nachfrage nach Transportleistungen. 351 Daneben sind eine ganze Reihe weiterer Kontextfaktoren<br />
denkbar, die durchaus in das Sensitivitätsmodell aufgenommen werden können,<br />
hier aber nicht explizit aufgeführt werden.<br />
Neben den Kontextfaktoren hat auch die Leistung verschiedener <strong>Management</strong>bereiche<br />
einen erheblichen Einfluss auf den Ertrag/rsh und die rsh/ash.<br />
In der Abbildung wurden Revenue <strong>Management</strong> und Pricing, Verkauf und Frequent Flyer<br />
Programme, sowie das <strong>Management</strong> von Netzwerk, Flotte und Allianzen genannt. 352<br />
Auch hier sind aber noch viele andere Leistungsaspekte des <strong>Management</strong>s denkbar, die<br />
zusätzlich in das Sensitivitätsmodell Eingang finden können.<br />
4.2.4.7 Bewertungssätze<br />
Die Bewertung der nicht finanziellen Wertbeiträge ist eine Voraussetzung dafür, dass die<br />
Ausrichtung einer Organisation und ihrer Lieferanten auf die Unternehmensziele hin im<br />
Rahmen des AVCMS funktionieren kann.<br />
Wenn bei den <strong>Management</strong>entscheidungen der internen und externen Lieferanten Tradeoff<br />
Situationen zu lösen sind, bei denen zwischen der Zielerreichung auf finanziellen und<br />
auf nicht finanziellen Wertbeiträgen abgewogen werden muss, keine Bewertungssätze<br />
349 Vgl. beispielsweise Kaplan/Norton, Balanced Scorecard, S. 76ff.<br />
350 Vgl. hierzu Abschnitt 2.2.4 über die Hub-Ökonomie.<br />
351 Vgl. Abschnitt 2.2.7 zur Zyklizität der Nachfrage und Abschnitt 2.3.2 zu den Auswirkungen der Wettbewerbsin-<br />
191<br />
tensität.<br />
352 Zur Leistung von Revenue <strong>Management</strong> und Pricing vgl. Abschnitt 2.2.3. Zu <strong>Management</strong> von Verkauf, Frequent<br />
Flyer Programmen, Netzwerk, Flotte und Allianzen vgl. Abschnitt 2.2.4., sowie zur Netzwerkplanung<br />
auch Abschnitt 3.3.3.
zur Verfügung stehen, ergeben sich daraus zwei unbedingt zu vermeidende Konsequenzen:<br />
Zum einen ist anzunehmen, dass die nicht finanziellen Indikatoren ohne Bewertungssatz<br />
bei der Lösung des Trade-offs eher untergewichtet werden. Denn die finanziellen Leistungsbeiträge<br />
zum Erfolg sind greifbar und klar definiert, während der Wert der nichtfinanziellen<br />
Beiträge im Unklaren bleibt. Vor allem bei Kostendruck könnte die Geschäftsleitung<br />
dazu tendieren, die Erreichung der Kostensenkungsziele mit so grosser<br />
Energie durchzusetzen, dass daraus resultierende Qualitätsprobleme die ursprünglichen<br />
Einsparungen überkompensieren.<br />
Zum anderen wirkt sich der fehlende Bewertungssatz eines Wertbeitrages dahingehend<br />
aus, dass überall im Unternehmen und bei seinen Lieferanten die Lösung der Trade-off<br />
Situationen mit unterschiedlichen Gewichtungen angegangen wird. Faktisch nimmt dann<br />
jeder Entscheidungsträger zur Lösung des Trade-off seine eigene situationsspezifische<br />
Bewertung vor.<br />
Wenn bei der Lösung jeder Trade-off Situation zwischen finanziellen und nicht finanziellen<br />
Wertbeiträgen faktisch ohnehin immer eine Bewertung vorgenommen wird, dann soll<br />
diese lieber gleich von der Geschäftsleitung einheitlich vorgegeben werden. Die Geschäftsleitung<br />
ist besser als alle internen und externen Lieferanten in der Lage den Wert<br />
festzusetzen, den die durch die nicht finanziellen Wertbeiträge repräsentierten Qualitätsbeiträge<br />
im Rahmen der <strong>St</strong>rategie und der langfristigen Ausrichtung des Unternehmens<br />
haben sollen. Wird ein solcher Bewertungssatz gesetzt, dann kann sichergestellt werden,<br />
dass kurzfristige Kosteneinsparungen und Umsatzsteigerungen nicht aufgrund falscher<br />
Gewichte in destruktiver Weise auf Kosten der Produkt- und Produktionsqualität vorgenommen<br />
werden. Zudem kann mit Bewertungssätzen die Grundlage dafür geschaffen<br />
werden, dass überall im Unternehmen und bei den Lieferanten die Trade-offs in gleicher<br />
Weise entschieden werden können. Auch daraus ergeben sich weit reichende Konsequenzen:<br />
Alle internen und externen Lieferanten sind dann nämlich aufgefordert, solange in<br />
Qualitätsverbesserungen zu investieren und bei der Geschäftsleitung um entsprechende<br />
Mittel nachzusuchen, bis die Grenzkosten einer weiteren Einheit Qualitätsverbesserung<br />
den Grenznutzen bzw. den Bewertungssatz erreicht haben. Umgekehrt gilt dies auch für<br />
Kosteneinsparungen. Auch hier können die internen und externen Lieferanten Sparmöglichkeiten<br />
auf Kosten der Qualität solange ausschöpfen, bis weitere Einsparungen durch<br />
den bewerteten Rückgang der Qualität überkompensiert werden würden.<br />
Damit Bewertungssätze wirklich auf breiter Front eingesetzt werden können, müssen sie<br />
leicht verständlich und einfach anwendbar sein. Ein kompliziertes Bewertungssystem,<br />
das abhängig von Kontextfaktoren einer Wertbeitragskennziffer immer wieder einen an-<br />
192
deren Bewertungssatz zuweist, kommt dazu kaum in Frage. Ungenauigkeiten können in<br />
Kauf genommen werden, wenn dies dem praktischen Einsatz der Wertbeiträge dient.<br />
Zur Definition eines Bewertungssatzes muss der kleinsten Einheit jedes nicht finanziellen<br />
Wertbeitrages ein Bewertungssatz zugewiesen werden.<br />
Die Definition eines einfach anwendbaren Bewertungssatzes kann an der Kennzahl Passagierstunden,<br />
Pax-h, illustriert werden. Als bei Swissair nach einer angemessenen Bewertung<br />
einer Pax-h gesucht wurde, stellte man fest, dass situationsspezifisch eine ganze<br />
Reihe von Kontextfaktoren bestimmen, wie sich eine einzelne Passagierstunde auf das<br />
langfristige Unternehmensergebnis auswirken kann. Ein hoher Wert wurde angenommen,<br />
wenn Vielflieger in für sie sehr unangenehme Verspätungssituationen verwickelt wurden,<br />
und gleichzeitig auf dem verkauften Reiseweg ein breites Konkurrenzangebot bestand.<br />
Tiefe Werte wurden für entsprechend gegenteilige Situationen angenommen, die beispielsweise<br />
durch selten fliegende Passagiere mit günstigen Tickets gekennzeichnet waren.<br />
Eine zunächst entwickelte, situationsspezifische Bewertungssatzliste für Pax-h stellte<br />
sich schnell als zu komplex für die praktische Anwendung heraus. <strong>St</strong>att dessen wurde der<br />
Bewertungssatz von der Geschäftsleitung situationsunabhängig auf CHF 50.- pro Pax-h<br />
gesetzt. Das Wissen um diesen Bewertungssatz verbreitete sich schnell und setzte viele<br />
Initiativen zur Qualitätsverbesserung in Gang. Auch operativ tätige Mitarbeiter verschiedener<br />
interner und externer Lieferanten, die bisher kaum an <strong>Performance</strong> <strong>Management</strong><br />
Prozessen teilgenommen hatten, entwickelten nun Vorschläge. Denn mit dem Bewertungssatz<br />
war es jedem Mitarbeiter sehr schnell möglich, die Rentabilität seiner Idee abzuschätzen.<br />
Trotzdem bei der effektiven Entscheidung über die Umsetzung meist dann<br />
doch vorsichtiger als mit CHF 50.- pro Pax-h kalkuliert wurde, konnten dennoch erhebliche<br />
Qualitätsverbesserungen realisiert werden. 353<br />
4.2.5 Kostenbereich<br />
Im Kostenbereich des AVCMS steht eine Führung im Zentrum, bei der bestimmte Kostenkategorien<br />
als Wertbeiträge definiert werden und in Form einer <strong>St</strong>ückkosten-basierten<br />
Netzwerkplanung354 in Zielsetzungen für interne/externe Lieferanten umgesetzt werden<br />
können. Zusammen mit dem Ertragsbereich bildet der Kostenbereich dann die Grundlage<br />
für die Berechnung und auch die Planung der Finanzresultate. Ein Überblick über die<br />
353 In der Einleitung zu Abschnitt 4.1 wurde bereits erwähnt, dass innerhalb eines Jahres bis zu 31% der Passagierstunden<br />
abgebaut werden konnten. Zur Bewertung der Pax-h bei Swissair vgl. auch Abschnitt 2.4.1.<br />
354 Vgl. Abschnitt 4.2.8.1.<br />
193
Position des Kostenbereiches in der <strong>St</strong>ruktur des AVCMS und einige seiner wichtigsten<br />
Messgrössen wird in Abbildung 4-29 gegeben.<br />
Finanzresultate<br />
Ertrag Qualität<br />
Leistungserstellungsprozesse<br />
Abbildung 4-29: Kostenbereich im AVCMS<br />
Kapitalkosten<br />
Investiertes<br />
Kapital<br />
DAR<br />
Kosten<br />
Gesamtkosten<br />
Kosten vor<br />
DAR &<br />
Kapital<br />
Qualitätskompensationskosten<br />
Kosten<br />
Die Abbildung zeigt, dass die Gesamtkosten im AVCMS im Wesentlichen in drei Komponenten<br />
unterteilt werden:<br />
• Die Kosten vor DAR und Kapitalkosten, die im AVCMS auch als Cash Kosten bezeichnet<br />
werden.<br />
• Die DAR Kosten, die die Abschreibungen, Amortisierungen, Mieten und Leasingkosten<br />
umfassen.<br />
• Die Kapitalkosten, die sich auf die Komponenten des investierten Kapitals und des<br />
Kapitalkostensatzes zurückführen lassen.<br />
Daneben zeigt sich, dass die Qualitätskompensationskosten explizit als Bestandteil der<br />
Cash Kosten aufgeführt sind. Sie nehmen im AVCMS eine wichtige <strong>St</strong>ellung ein.<br />
194
In den nächsten Abschnitten sollen daher die genannten Kostenkategorien des AVCMS<br />
in der folgenden Reihenfolge näher dargestellt werden:<br />
• Cash Kosten<br />
• Qualitätskompensationskosten<br />
• DAR Kosten<br />
• Kapital und Kapitalkosten<br />
4.2.5.1 Cash Kosten<br />
Die Cash Kosten im AVCMS umfassen all diejenigen Kosten, die bei der Berechnung<br />
des EBITDAR schon von den Erträgen in Abzug gebracht wurden. Keine Cash Kosten<br />
sind also die DAR Kosten, sowie alle Kapitalkosten und <strong>St</strong>euern.<br />
Der Begriff Cash Kosten wurde von der Investment Bank Goldman Sachs übernommen.<br />
355 Er trifft das gemeinte einerseits recht gut, da die DAR Kosten bei vielen <strong>Airline</strong>s<br />
von Abschreibungen dominiert werden, die den Cash Flow nicht beeinflussen. Auf der<br />
anderen Seite dürfen ausgehend von dem Begriff Cash Kosten aber keine falschen<br />
Schlüsse über die Liquiditätswirksamkeit der dieser Kategorie zugeordneten Kostenelemente<br />
gezogen werden. Es ist durchaus möglich, dass sich einige der Kostenarten aus<br />
diesem Bereich nicht immer sehr schnell auf den Cash Flow auswirken. Genauso gilt<br />
auch umgekehrt, dass die DAR Kosten stark liquiditätswirksame Elemente enthalten<br />
können. Als Beispiel können Leasinggebühren oder Mieten gelten, die sich in der Regel<br />
monatlich in der Cash Flow Berechnung niederschlagen.<br />
Abbildung 4-30 zeigt die Entwicklung der Cash Kosten/Seat° für einige europäische <strong>Airline</strong>s.<br />
Es zeigt sich, dass einige der grossen Flag Carriers ihre Kosten in dieser Kategorie<br />
in den letzten Jahren kontinuierlich senken konnten. Für die No Frills <strong>Airline</strong>s ist dieser<br />
Effekt nicht ganz so deutlich zu beobachten. Insbesondere easyJet musste von 2000 bis<br />
2002 sogar steigende Cash Kosten verbuchen.<br />
Im Rahmen der Darstellung der Basiskennzahlen des AVCMS wurde bereits darauf hingewiesen,<br />
dass die Flug- und Rotationsdirekten Kosten nicht von den Seat° sondern von<br />
den ash getrieben werden. 356 Da diese Kosten in der Regel einen hohen Anteil an den<br />
Cash Kosten ausmachen, werden im AVCMS die Cash Kosten anstatt zu den Seat° zu<br />
den ash in Relation gesetzt. Abbildung 4-31 zeigt die entsprechende Darstellung im<br />
355 Vgl. Scott-Gall/Logan, <strong>Airline</strong>s Europe, S. 48.<br />
356 Vgl. Abschnitt 4.2.1.2.<br />
195
Cockpit des AVCMS. In der Beispielrechnung machen die Crewkosten und die im Bereich<br />
Network & Finance angesiedelten Treibstoffkosten, die beide als Flug- bzw. Rotations-direkt<br />
gelten können, einen hohen Anteil an den Cash Kosten/ash aus.<br />
Cash Cost/Seat° in 1000 USD<br />
200<br />
180<br />
160<br />
140<br />
120<br />
100<br />
80<br />
60<br />
40<br />
20<br />
0<br />
Air<br />
France<br />
British<br />
Airways<br />
2000<br />
2001<br />
2002<br />
2003E<br />
2004E<br />
easyJet Iberia KLM Lufthansa Ryanair SAS<br />
Abbildung 4-30: Entwicklung der Cash Kosten/Seat° europäischer <strong>Airline</strong>s 357<br />
Im Rahmen des <strong>St</strong>ückkosten-basierten Planungsprozesses des AVCMS werden die Cash<br />
Kosten in einen fixen Anteil und einen Produktions-getriebenen Anteil unterteilt.<br />
Während im Planungsprozess des AVCMS für die fixen Cash Kosten Anteile, deren Entstehung<br />
nicht wesentlich von der Produktion beeinflusst wird, mit jedem internen/externen<br />
Lieferanten ein fixes Kostenziel vereinbart wird, werden die Cash Kosten<br />
Ziele für den variablen Anteil als Satz pro produzierter Einheit festgelegt.<br />
Es lässt sich nun feststellen, dass sich die einzelnen den variablen Cash Kosten angehörigen<br />
Kostenarten proportional zu unterschiedlichen Grössen aus dem Mengengerüst des<br />
357 Datenquelle: Berechnungen im Anhang.<br />
196
AVCMS verhalten. 358 Während die Flug- und Rotations-direkten Kosten ash-getrieben<br />
sind, sind viele der Reise- und Passagier-direkten Kosten eher von rsh oder eventuell von<br />
den Pax getrieben. 359<br />
Es muss also wieder eine Abwägung zwischen der Vollständigkeit und Korrektheit des<br />
<strong>Performance</strong> <strong>Management</strong> einerseits gegenüber der Einfachheit und Klarheit andererseits<br />
getroffen werden. Am einfachsten und klarsten wäre es, mit den ash einen einzigen Treiber<br />
für alle variablen bzw. produktionsabhängigen Cash Kosten einzusetzen.<br />
Abbildung 4-31: Cash Kosten im Cockpit des AVCMS 360<br />
Gegen eine solche Vereinfachung spricht allerdings, dass die Kosten-Proportionalitäten<br />
weniger direkt abgebildet werden, als man es eigentlich könnte. Der im Rahmen des<br />
358 <strong>St</strong>att der Bezeichnung variable Kosten wäre der Begriff proportionale Kosten eigentlich besser geeignet, um das<br />
gemeinte präzise zu beschreiben. Um sich an den Sprachgebrauch in der <strong>Airline</strong> Industrie anzupassen, wird hier<br />
jedoch der Begriff variable Kosten verwendet.<br />
359 Vgl. Abschnitt 3.3.2.1 zu den Kostendimensionen einer <strong>Airline</strong>.<br />
360 Datenquelle: Berechnungen im Anhang.<br />
197
AVCMS vorgeschlagene Kompromiss sieht vor, dass sämtliche variablen Cash Kosten<br />
als ash-Kostensätze budgetiert werden, jedoch im Falle einer extremen Abweichung des<br />
seat°-load-factor von seinen Planwerten, die Zielkostensätze für die eigentlich rshgetriebenen<br />
Kostenarten nachträglich angepasst werden.<br />
Beispielsweise würde auf diese Weise für die rsh getrieben Catering-Kosten mit dem Catering-Lieferanten<br />
ein Kostensatz oder <strong>St</strong>ückpreis pro ash vereinbart, dem ein geplanter<br />
seat°-load-factor von z.B. 70% zugrunde gelegt wird. <strong>St</strong>eigt oder sinkt der seat°-loadfactor<br />
über oder unter einen vereinbarten Schwellwert, dann findet eine Neuberechnung<br />
des Kostensatzes oder <strong>St</strong>ückpreises statt, der in der Abrechnung mit dem internen/externen<br />
Lieferanten dann definitiv zur Anwendung kommt.<br />
Durch diesen Kompromiss kann die Einfachheit des <strong>St</strong>ückkosten-orientierten Planungsprozesses<br />
im AVCMS gewährleistet werden, ohne dass im unverhältnismässig hohen<br />
Ausmass das Risiko für eine Planabweichung auf dem seat°-load-factor an die internen/externen<br />
Lieferanten übertragen wird. Für Entscheidungsrechnungen ist dieser Kompromiss<br />
natürlich nicht anwendbar. Hier müssen die Proportionalitäten so genau wie<br />
möglich abgebildet werden können, um Fehlentscheide zu vermeiden.<br />
4.2.5.2 Qualitätskompensationskosten<br />
Die Qualitätskompensationskosten sind Bestandteil der Cash Kosten. Hierunter fallen<br />
alle diejenigen Kosten, die im Zusammenhang mit Qualitätsdefekten auftreten. Wenn alle<br />
Leistungserstellungsprozesse genau nach Vorgaben funktionieren, treten somit keine<br />
Qualitätskompensationskosten auf.<br />
Beispiele für die Entstehung von Qualitätskompensationskosten sind:<br />
• Übernachtungen für von Annullationen betroffene Passagiere.<br />
• Gutscheine für Getränke oder Mahlzeiten, die an lange wartende Passagiere ausgegeben<br />
werden.<br />
• Kompensationszahlungen an gebuchte Passagiere, denen die Beförderung z.B. aufgrund<br />
einer Überbuchung des Flugzeuges verweigert wurde. Die Industrie-<br />
Bezeichnung dafür ist Denied Bording Compensation.<br />
• Chartergebühren für Ersatzflugzeuge, die wegen technischer Defekte in der eigenen<br />
Flotte angemietet werden müssen.<br />
• Zahlungen für verloren gegangenes Gepäck.<br />
• Mehrkosten, die im Bereich Treibstoff oder Crew entstehen, weil ein Flugzeug z.B.<br />
aufgrund von Engpässen in den Luftstrassen länger unterwegs war als geplant.<br />
198
Es gehört zur Natur der Qualitätskompensationskosten, dass sie zumeist nicht von dem<br />
internen/externen Lieferanten verursacht werden, bei dem sie anfallen. Die Herausforderung<br />
liegt hier also in der Zuteilung zum richtigen Verursacher. In der Regel sollte sich<br />
Aufwand für das Vornehmen solcher Zuteilungen allerdings schnell bezahlt machen.<br />
Denn nach der hier vertretenen Ansicht liegt ein Grossteil der noch realisierbaren Ergebnisverbesserungspotentiale<br />
genau in diesem Bereich einer Reduktion der Qualitätskompensationskosten.<br />
361 Die Erfassung einiger zentraler Qualitätskompensationskostenarten<br />
bei Swissair hat gezeigt, dass eine Zuteilung auf Verursacher mit geringem Aufwand<br />
möglich ist und zum Realisieren beachtlicher Sparpotentiale führen kann. 362<br />
In der Planungsrechnung kann ein dem internen/externen Lieferanten erlaubtes Mass an<br />
Qualitätskompensationskosten festgelegt werden. Dabei ist sowohl eine entsprechende<br />
Erhöhung seiner fixen Cash Kosten Budgets wie auch seines ash-Kostensatzes denkbar.<br />
Die Entscheidung für eine der beiden Varianten kann davon abhängig gemacht werden,<br />
wie wahrscheinlich es ist, dass eine Produktionszunahme mit einer ungefähr proportionalen<br />
Zunahme der Qualitätskompensationskosten des jeweiligen internen/externen Lieferanten<br />
einhergeht.<br />
4.2.5.3 DAR Kosten<br />
Der Begriff DAR Kosten steht für Depreciation, Amortization and Rents, so dass hier die<br />
Kosten für Abschreibungen, Amortisierungen, Mieten und Leasinggebühren enthalten<br />
sind. Abbildung 4-32 zeigt die DAR Kosten im Cockpit des AVCMS.<br />
Aus der Abbildung ist ersichtlich, dass im AVCMS die DAR Kosten zu den Seat° ins<br />
Verhältnis gesetzt werden. Da der Grossteil der DAR Kosten in der Regel als Flottendirekt<br />
betrachtet werden kann, ist Seat° hier die geeignete Grösse, um als Kostentreiber<br />
zu dienen. 363<br />
Die Abbildung mit den Daten der Beispielrechnung zeigt den überwiegenden Anteil der<br />
DAR Kosten/Seat° für den Bereich Network & Finance, wo die Abschreibungen und<br />
Leasingkosten der Flotte angesiedelt sind. Ein weiterer bedeutender Bereich ist MRO364, das für technische Flugzeugwartung steht. Denn ein Grossteil der hier anfallenden DAR<br />
Kosten hat mit dem Ersatzteillager zu tun, das für die Flotte vorgehalten wird.<br />
361 Vgl. Abschnitt 2.4.2.2.<br />
362 Vgl. Abschnitt 2.4.2.2.<br />
363 Vgl. Abschnitt 4.2.1.1.<br />
364 Maintenance, Repair and Overhaul<br />
199
Abbildung 4-32: DAR Kosten im Cockpit des AVCMS 365<br />
Im <strong>St</strong>ückkosten-basierten Planungsprozess des AVCMS wird analog zu den Cash Kosten<br />
zwischen variablen und fixen DAR Kosten unterschieden. Für die fixen Anteile wird mit<br />
jedem Lieferanten ein Gesamtbetrag für die Planungsperiode vereinbart. Für die variablen<br />
Anteile wird ein zu der Flottengrösse proportionales Verhalten der Kosten angenommen,<br />
so dass hier ein Kostensatz pro Seat° vereinbart werden kann. Für einzelne Bestanteile<br />
der DAR Kosten, die sich stärker proportional zu anderen Mengengrössen des<br />
AVCMS als zu den Seat° verhalten, wird ein ähnliches Vorgehen wie bei den Cash Kosten<br />
vorgeschlagen. Dabei kann ein Kostensatz pro Seat° durch Schwellwerte auf der Verhältnisgrösse<br />
des besser geeigneten Kostentreibers zu den Seat° ergänzt werden. Für den<br />
Fall einer Überschreitung dieser Schwellwerte kann dann eine entsprechende Anpassung<br />
des Kostensatzes pro Seat° vereinbart werden. 366 Wenn die Erträge einer <strong>Airline</strong> der<br />
Summe aus den Cash Kosten und den DAR Kosten gegenübergestellt werden, lässt sich<br />
der EBIT errechnen. Der EBIT wiederum kann mit Hilfe des Tax Shield zum NOPLAT<br />
konvertiert werden, aus dem sich mittels des investierten Kapitals der ROIC ermitteln<br />
365 Datenquelle: Berechnungen im Anhang.<br />
366 Vgl. Abschnitt 4.2.5.1.<br />
200
lässt. Der ROIC bildet schliesslich eine der zentralen Eingangsgrössen, aus der im Finanzbereich<br />
der EVA ermittelt werden kann. 367<br />
4.2.5.4 Kapital und Kapitalkosten<br />
Das in der <strong>Airline</strong> investierte Kapital ist einer der wichtigsten Treiber der absoluten Kapitalkosten.<br />
Im AVCMS ist der Kapitalkostensatz durch den WACC repräsentiert, aus dem<br />
sich, wenn er vom ROIC abgezogen wird, eine EVA-Rendite errechnen lässt. Diese ergibt<br />
dann multipliziert mit dem investierten Kapital das absolute EVA Volumen der Betrachtungsperiode.<br />
368<br />
Der WACC selbst ergibt sich, wie in Abschnitt 3.2.2.3 dargestellt wurde, aus einem<br />
Fremd- und Eigenkapitalkostensatz, aus dem Verhältnis von Fremd- und Eigenkapital,<br />
sowie aus dem <strong>St</strong>euersatz. Abbildung 4-33 zeigt eine Gegenüberstellung des WACC mit<br />
dem Eigenfinanzierungsgrad für einige europäische <strong>Airline</strong>s im Jahr 2000.<br />
Gemäss der Berechnungsformel des WACC könnte eigentlich erwartet werden, dass mit<br />
zunehmenden Eigenfinanzierungsgrad auch der WACC eher ansteigt. Denn das in der<br />
WACC-Gleichung die Kapitalkosten senkende Tax Shield erzielt vor allem bei überwiegender<br />
Fremdfinanzierung einen hohen Wirkungsgrad. Dass diese Gesetzmässigkeit in<br />
den Daten der Abbildung nicht zum Ausdruck kommt, liegt wahrscheinlich an den unterschiedlichen<br />
Eigenkapitalkostensätzen der einzelnen <strong>Airline</strong>s. In Abschnitt 3.2.1.1 wurde<br />
gezeigt, dass der Eigenkapitalkostensatz auch eine Risikoprämie enthält. <strong>St</strong>ellt die Anlage<br />
in eine bestimmte <strong>Airline</strong> aus Sicht der Investoren ein im Vergleich zu den alternativen<br />
Anlagemöglichkeiten erhöhtes Risiko dar, ergibt sich so über den höheren Eigenkapitalkostensatz<br />
auch ein höherer WACC. 369<br />
Im AVCMS wird der Kapitalkostensatz nicht wie ein Wertbeitrag über Leistungsbeiträge<br />
verschiedener interner/externer Lieferanten geführt. Auch wenn es theoretisch denkbar<br />
wäre, den Beitrag einzelner Bereiche zum Geschäftsrisiko der <strong>Airline</strong> zu planen und zu<br />
erheben, scheint ein solches Vorgehen für einen unternehmensweit durchzuführenden<br />
367 Zur Berechnung von NOPLAT, ROIC und EVA vgl. Abschnitt 3.2.2.<br />
368 Vgl. Abschnitt 3.2.2.1.<br />
369 Zur Wirkung des Financial Gearing auf die Volatilität der Cash Flows vgl. Abschnitt 2.1.4. Ergänzend kann<br />
hinzugefügt werden, dass ein erhöhtes Geschäftsrisiko auch Auswirkungen auf den Fremdkapitalkostensatz haben<br />
kann, der sich so möglicherweise erhöht. Ein weiter Einflussfaktor auf den WACC ist der <strong>St</strong>euersatz. Paradoxerweise<br />
erhöht sich der WACC bei sinkenden <strong>St</strong>euersätzen, da das Tax Shield so weniger zum Tragen<br />
kommt. Über eine Erhöhung des NOPLAT und des ROIC haben sinkende <strong>St</strong>euern aber natürlich netto gerechnet<br />
immer einen positiven Effekt auf den EVA.<br />
201
Zielsetzungsprozess zu komplex. <strong>St</strong>attdessen wird im AVCMS die Verantwortung für<br />
den Kapitalkostensatz dem Finanzbereich übertragen. Hier kann unter anderem mit Hilfe<br />
der Investor Relations Funktion eine günstige Beeinflussung des Eigenkapitalkostensatzes<br />
erreicht werden. 370 Dabei kann zusätzlich über eine sachgemässe <strong>St</strong>euerung des Financial<br />
Gearing auf einen günstigen Gesamtkapitalkostensatz bzw. WACC hingewirkt<br />
werden. 371<br />
Equity in % of IC<br />
70%<br />
60%<br />
50%<br />
40%<br />
30%<br />
20%<br />
10%<br />
0%<br />
Equity % of IC<br />
WACC<br />
year 2000<br />
Lufthansa BA Easyjet Air France SAS KLM Ryanair Alitalia Iberia<br />
Abbildung 4-33: WACC und Eigenfinanzierungsgrad europäischer <strong>Airline</strong>s 372<br />
Für den anderen wesentlichen Einflussfaktor auf das Volumen der Kapitalkosten, das<br />
investierte Kapital, ist die Führung über einen unternehmensweit angewandten Budgetierungsprozess<br />
wesentlich sinnvoller. Denn das investierte Kapital stellt einen relevanten<br />
Wertverzehr dar, der den verursachenden Organisationseinheiten in der Regel klar zugewiesen<br />
werden kann.<br />
370 Vgl. Abschnitt 2.1.6.<br />
371 Vgl. Abschnitt 2.1.4.<br />
372 Datenquelle: Berechnungen im Anhang.<br />
8.6%<br />
8.4%<br />
8.2%<br />
8.0%<br />
7.8%<br />
7.6%<br />
7.4%<br />
WACC<br />
202
Analog zu den Cash Kosten und den DAR Kosten ist auch hier eine Differenzierung des<br />
investierten Kapitals nach verursachenden Proportionalitäten möglich. Neben einem fixen<br />
Kapitalanteil, gibt es auch einen anderen Anteil, der sich weitgehend proportional zur<br />
Produktion und Flottenkapazität verhält.<br />
Im AVCMS wird wie für die DAR-Kosten der Seat° als Treiber des proportionalen Anteils<br />
des investierten Kapitals vorgeschlagen. Investitionsbudgets können somit als Fixum<br />
oder als Satz pro Seat° vereinbart werden.<br />
In einer <strong>Airline</strong> wird in der Regel das weitaus meiste Kapital durch die Flotte gebunden.<br />
Abbildung 4-34 zeigt das investierte Kapital/Seat° für einige europäische <strong>Airline</strong>s.<br />
Daneben wurden auch die Miet- und Leasingkosten/Seat° abgebildet.<br />
in 1000 €<br />
203<br />
250<br />
200<br />
150<br />
100<br />
50<br />
0<br />
Lufthansa BA Easyjet Air<br />
France<br />
IC (<strong>Airline</strong>) /seat°<br />
rents (<strong>Airline</strong>) /seat°<br />
year 2000<br />
SAS KLM Ryanair Alitalia Iberia<br />
Abbildung 4-34: Kapital und Miet- und Leasingkosten pro Seat° 373<br />
Für diejenigen <strong>Airline</strong>s, die vergleichsweise tiefe Werte für das Kapital/Seat° aufweisen,<br />
zeigt sich meist ein entsprechend höherer Wert für die Miet- und Leasingkosten. Denn<br />
das Besitzen von Flugzeugen kann durch Miete bzw. Leasing substituiert werden. Ein<br />
373 Datenquelle: Berechnungen im Anhang.
anderer für die Unterschiede beim Kapital/Seat° wichtiger Faktor kann im unterschiedlichen<br />
durchschnittlichen Flottenalter begründet sein. Unterschiedliche Flugzeugtypen sind<br />
gemäss den Ausführungen in Abschnitt 4.2.1.1 kein Faktor, der grosse Abweichungen<br />
beim Kapital/Seat° erklären könnte.<br />
Die Verantwortung für die Grösse der Flotte und das durch sie beanspruchte Investitionsvolumen<br />
liegt in der Regel beim CEO selbst. Dieser kann die Fachverantwortung an die<br />
Funktion der Flottenplanung delegieren, die häufig im Netzwerkmanagement angesiedelt<br />
ist. Da der in der Regel mit Abstand grösste Bestandteil des Investitionsvolumens so häufig<br />
von einer einzigen Organisationseinheit verantwortet wird, ist eine Darstellung des<br />
Investitionsvolumens in Form von Wertbeiträgen in den zentralen Cockpits des AVCMS<br />
nach der hier vertretenen Ansicht nicht sinnvoll. Denn in diesen Cockpits sollen in erster<br />
Linie solche Wertbeiträge im Zentrum der Betrachtung stehen, zu denen viele unterschiedlichen<br />
interne/externe Lieferanten einen Beitrag leisten. 374<br />
Allerdings soll diese Aussage nicht darüber hinweg täuschen, dass das investierte Kapital<br />
ein entscheidender Bestimmungsfaktor des Erfolges einer <strong>Airline</strong> ist, der unbedingt durch<br />
<strong>Performance</strong> <strong>Management</strong> Abläufe unterstützt werden sollte. <strong>St</strong>att als unternehmensweit<br />
im Fokus stehender Wertbeitrag wird das investierte Kapital im AVCMS daher als unterstützende<br />
Messgrösse im Cockpit des Netzwerkmanagement oder der Flottenplanung<br />
angesiedelt. 375<br />
4.2.6 Bereich der Leistungserstellungsprozesse<br />
Der Bereich der Leistungserstellungsprozesse repräsentiert im AVCMS die Basis für alle<br />
durch das Unternehmen erzielten Leistungen. Der beeinflussbare Teil des Unternehmenserfolges<br />
geht nach diesem Verständnis einzig auf die <strong>Performance</strong> der Leistungserstellungsprozesse<br />
zurück. Der Begriff des Leistungserstellungsprozesses ist in der <strong>St</strong>ruktur<br />
des AVCMS bedeutungsgleich mit dem Begriff des internen/externen Lieferanten gemäss<br />
AVCM. D.h. ein Leistungserstellungsprozess bzw. ein interner/externer Lieferant kann<br />
durch unternehmensinterne Organisationsbereiche, durch externe Lieferanten oder auch<br />
durch exogene, schwer beeinflussbare Bereiche, die durch einen verantwortlichen Manager<br />
überwacht werden, repräsentiert sein.<br />
374 Vgl. zur Gestaltung der Cockpits anhand der Lieferantenstruktur vgl. Abschnitt 4.3.2.2.<br />
375 Zu den unterstützenden Messgrössen in AVCMS-basierten Cockpits vgl. Abschnitt 4.3.2.4.<br />
204
205<br />
Flugzeugwartung<br />
Finanzresultate<br />
Ertrag Qualität Kosten<br />
Leistungserstellungsprozesse<br />
Crew<br />
Bodenabfertigung<br />
Exogene Verkauf<br />
Abbildung 4-35: Bereich der Leistungserstellungsprozesse im AVCMS<br />
Netzwerk<br />
& Finanzen<br />
Ein Überblick über die Position des Bereiches der Leistungserstellungsprozesse in der<br />
<strong>St</strong>ruktur AVCMS ist in Abbildung 4-35 ersichtlich. Hier ist auch die erste Hierarchiestufe<br />
der internen/externen Lieferanten angegeben, wie sie im Rahmen des AVCMS vorgeschlagen<br />
wird.<br />
Zur Durchführung des vom AVCMS vorgeschlagenen <strong>St</strong>ückkosten-basierten Planungsprozesses<br />
werden im Bereich der Leistungserstellungsprozesse Leistungsbeiträge für alle<br />
in den vorangehenden Abschnitten dargestellten Wertbeitragskennziffern definiert. In<br />
Abbildung 4-36 sind diese Wertbeiträge nochmals zusammengefasst.<br />
Aus der Abbildung ist ersichtlich, dass 8 Wertbeitragskennzahlen zur Verfügung stehen,<br />
die aber zu einer Anzahl von 4 konsolidiert werden können. Dass mit diesen 4-8 Wertbeiträgen<br />
in der Regel der grösste Teil der beeinflussbaren <strong>Performance</strong> einer <strong>Airline</strong> abgebildet<br />
werden kann, wurde in den vorangehenden Abschnitten dargestellt.
Verlorene<br />
Erträge<br />
Finanzresultate<br />
Ertrag Qualität<br />
Kosten<br />
ush<br />
Pax-h SA-p PP-p<br />
Leistungserstellungsprozesse<br />
Prozesse<br />
Qualitäts -<br />
kompensa -<br />
tionskosten<br />
Cash<br />
Kosten<br />
Abbildung 4-36: Wirkung der Wertbeiträge in der <strong>St</strong>ruktur des AVCMS<br />
DAR<br />
Kosten<br />
Wenn auf Basis der Wertbeiträge ein <strong>St</strong>ückkosten-basierter Netzwerkplanungsprozess376 durchgeführt wird, kann sichergestellt werden, dass für den Grossteil der beeinflussbaren<br />
Bestimmungsgrössen des Erfolges verbindliche Zielsetzungen vorliegen. Gleichzeitig ist<br />
das Gefüge der zentralen Kennzahlen, Wirkungsbeziehungen und Verantwortlichkeiten<br />
mit diesen Wertbeiträgen so einfach und überschaubar gehalten, dass im Responsibility<br />
Accounting und im Decision Support wirkungsvolle <strong>Performance</strong> <strong>Management</strong> Prozesse<br />
ablaufen können. <strong>Management</strong> und Mitarbeiter haben gute Chancen ihren Beitrag zum<br />
Unternehmenserfolg zu verstehen und können ihr Verhalten auf eine Maximierung ihrer<br />
Erfolgsbeiträge ausrichten.<br />
Da die Wertbeiträge aber nicht 100% der erfolgsrelevanten Kriterien abdecken, sollten in<br />
den Cockpits einzelner interner/externer Lieferanten ergänzende Messgrössen eingesetzt<br />
werden, die die verbliebenen Lücken füllen. In Abschnitt 4.2.5.4 wurden bereits die Investitionen<br />
genannt, die in die Kategorie solcher zu ergänzender Messgrössen fallen.<br />
Für die Entwicklung der <strong>St</strong>ruktur bzw. die Hierarchie der internen/externen Lieferanten<br />
im AVCMS werden im Rahmen dieser Arbeit einige Hinweise gegeben. 377 Die wichtigsten<br />
Kriterien sind dabei die Relevanz der gebildeten Lieferantenkategorien für die Wert-<br />
376 vgl. Abschnitt 4.2.8.1.<br />
377 Vgl. Abschnitt 4.4.1.2 und Abschnitt 4.4.2.1.<br />
206
eiträge und die Zuordenbarkeit der Verantwortung. Gefordert wird, dass jede Kategorie<br />
einen wesentlichen Anteil an den Wertbeitrag abdeckt und dass die Kategorien so gebildet<br />
werden, dass jeweils ein Manager definiert werden kann, der alle der Kategorie zugewiesenen<br />
Erfolgsbeiträge stärker beeinflussen kann als jeder andere Manager derselben<br />
Führungsstufe innerhalb der Organisation und ihrer Lieferanten. Abbildung 4-37 zeigt<br />
einen Vorschlag für die Gestaltung der Lieferantenhierarchie im AVCMS.<br />
Auf der obersten Hierarchiestufe sind die technische Flugzeugwartung (MRO), die Crew,<br />
die Bodenabfertigung, ein Cockpit für exogene Einflüsse, der Verkauf und eine Kombination<br />
von Netzwerkmanagement und Finanzen aufgeführt. Die AVCMS-Cockpits mit<br />
den beispielhaften Daten der Mehrperiodenrechnung, die in den vorangehenden Abschnitten<br />
zur Illustration der Wertbeiträge verwandt wurden, veranschaulichen, dass jede<br />
der Lieferantenkategorien mindestens auf einige der Wertbeiträge einen wesentlichen<br />
Einfluss haben kann. 378<br />
207<br />
MRO<br />
MRO<br />
Aircraft<br />
Aircraft<br />
Modificat.<br />
Modificat.<br />
Engineer.<br />
Engineer.<br />
Mainten.<br />
Mainten.<br />
Shorthaul<br />
Shorthaul<br />
Mainten.<br />
Mainten.<br />
Longhaul<br />
Longhaul<br />
Spare<br />
Spare<br />
Part.<br />
Part.<br />
Shorthaul<br />
Shorthaul<br />
Spare Part.<br />
Spare Part.<br />
Longhaul<br />
Longhaul<br />
<strong>Airline</strong><br />
<strong>Airline</strong><br />
Ground<br />
Network<br />
Crew Ground<br />
Exogene<br />
Sales<br />
Network<br />
Crew<br />
Services<br />
Exogene<br />
Sales<br />
Services<br />
&<br />
&<br />
Finance<br />
Finance<br />
Cockpit<br />
Cockpit<br />
Longhaul<br />
Longhaul<br />
Cockpit<br />
Cockpit<br />
Shorthaul<br />
Shorthaul<br />
Cabin<br />
Cabin<br />
Longhaul<br />
Longhaul<br />
Cabin<br />
Cabin<br />
Shorthaul<br />
Shorthaul<br />
Aircraft<br />
Aircraft<br />
Defects<br />
Defects<br />
Others<br />
Others<br />
Passenger<br />
Passenger<br />
Servicing<br />
Servicing<br />
Baggage<br />
Baggage<br />
&<br />
&<br />
Cargo<br />
Cargo<br />
Ramp<br />
Ramp<br />
Services<br />
Services<br />
Aircraft<br />
Aircraft<br />
Handling<br />
Handling<br />
Others<br />
Others<br />
OutOutstationsstations<br />
ATS<br />
ATS<br />
Hub<br />
Hub<br />
ATC<br />
ATC<br />
Hub<br />
Hub<br />
ATS other<br />
ATS other<br />
ATC<br />
ATC<br />
other<br />
other<br />
Weather<br />
Weather<br />
<strong>St</strong>rikes and<br />
<strong>St</strong>rikes and<br />
other<br />
other<br />
Internet<br />
Internet<br />
Call<br />
Call<br />
Centers<br />
Centers<br />
Key.<br />
Key.<br />
Acc.<br />
Acc.<br />
Mgt.<br />
Mgt.<br />
CRS<br />
CRS<br />
Agents<br />
Agents<br />
FPP<br />
FPP<br />
Abbildung 4-37: Vorschlag einer Lieferantenhierarchie im AVCMS<br />
Network<br />
Network<br />
Mgt.<br />
Mgt.<br />
Fleet<br />
Fleet<br />
Mgt.<br />
Mgt.<br />
Catering<br />
Catering<br />
Fuel<br />
Fuel<br />
Finance<br />
Finance<br />
Other<br />
Other<br />
Das andere prioritäre Kriterium des AVCMS zur Gestaltung der Lieferantenhierarchie,<br />
die Zuordenbarkeit der Verantwortung, konnte für einen ähnlichen Aufbau bei der Swiss-<br />
378 Zu Beginn des Abschnittes 4.2 wurde ausserdem eine Zusammenfassung der Cockpits dargestellt, anhand der<br />
alle wichtigen Wertbeiträge in ihrer Verteilung auf die vorgeschlagenen Lieferantenkategorien auf einer Seite<br />
überblickt werden können.
air gestestet werden. Die Kategorien MRO, Crew, Ground Services und Exogene waren<br />
im AVCMS-Cockpit der Swissair sehr ähnlich definiert und haben sich bezüglich der<br />
Zuweisung der Verantwortlichkeiten bewähren können. 379 Der Bereich Sales war in dem<br />
auf das <strong>Management</strong> der operativen Leistungserstellungsprozesse beschränkten<br />
AVCMS-Cockpit der Swissair nicht vertreten, jedoch scheint hier aufgrund der in der<br />
Regel organisatorisch klar geregelten Verantwortlichkeiten das Funktionieren der Zuordnung<br />
plausibel zu sein. Gleiches gilt für den Bereich Network & Finance. Allerdings<br />
muss hier darauf geachtet werden, dass das Cockpit Finance für die Finanzfunktion als<br />
Bestandteil des Netzwerk <strong>Management</strong> Cockpits verstanden wird. Denn die Zuständigkeiten,<br />
die die Netzwerkstruktur bzw. den Flugplan, die Flotte, Produktaspekte wie das<br />
Catering und den Treibstoffverbrauch wesentlich beeinflussen liegen in der Regel im<br />
Netzwerk <strong>Management</strong>. Die Leistung des Finanzbereiches, der als <strong>St</strong>abstelle in den<br />
Wertbeitrag direkt möglicherweise ohnehin nur in Form von Kostenbeiträgen zum Ausdruck<br />
kommt, kann dann separat als Zusatz im Netzwerk <strong>Management</strong> Cockpit erscheinen.<br />
Die zweite <strong>St</strong>ufe der vorgeschlagenen Lieferantenhierarchie ist exemplarisch gemeint.<br />
Hier sollte für jede <strong>Airline</strong> eine geeignete Lösung gefunden werden, die den Gestaltungskriterien<br />
des AVCMS möglichst gerecht wird. Im Rahmen des AVCMS wird dabei vorgeschlagen,<br />
nur die erste Hierarchiestufe zentral zu definieren. Denn die internen/externen<br />
Lieferanten auf der ersten <strong>St</strong>ufe sollen so die Möglichkeit erhalten, mit ihren<br />
internen/externen Lieferanten die den eigenen Bedürfnissen am besten entsprechende<br />
Aufteilung zu finden. 380<br />
4.2.7 Erweiterter Kontext<br />
Da im AVCMS die fünf Kernbereiche mit ihren Wertbeiträgen, Leistungserstellungsprozessen<br />
und Finanzresultaten im Vordergrund stehen, verbleiben einige andere, zwar auch<br />
wichtige aber weniger zentrale Messgrössen und Führungsinformationen im Kontext.<br />
Diese Informationen können entweder lokal von entscheidender Bedeutung sein und sich<br />
so über eine Ursache-Wirkungskette auf die Wertbeiträge auswirken, oder sie haben einen<br />
übersetzenden Charakter und helfen beispielsweise dabei, aus den Wertbeiträgen die<br />
benötigten Informationen für das Ausweisen detaillierter Finanzabschlüsse zu gewinnen.<br />
Daneben gibt es im Kontext auch die Finanzresultate ergänzende Ergebnisse, die im<br />
Kernbereich des AVCMS nicht abgebildet werden.<br />
379 Vgl. Abbildung 4-59 auf Seite 266.<br />
380 Vgl. Abschnitt 4.4.1.2.<br />
208
Abbildung 4-38 gibt einen Überblick über eine Auswahl der Kontextbereiche des<br />
AVCMS, die je nach Bedürfnissen der anwendenden <strong>Airline</strong> beliebig ergänzt werden<br />
kann.<br />
209<br />
Grösse &<br />
Wachstum<br />
Zusätzliche<br />
<strong>Performance</strong><br />
Informationen<br />
Netzwerk- &<br />
Verkaufs-Mgt.<br />
Nachfrage &<br />
Wettbewerb<br />
Ressourcenmärkte<br />
& Gewerkschaften<br />
Exogene<br />
Restriktionen<br />
Übrige<br />
Einflussgrössen<br />
Non-<strong>Airline</strong> EBIT<br />
Beiträge<br />
Technische<br />
Indicatoren<br />
Mitarbeiterzufriedenheit<br />
Zusätzliche Finanzinformationen<br />
<strong>St</strong>euern<br />
Process Enablers<br />
Innovation Lernen<br />
Finanzieren &<br />
Investieren<br />
Finanzresultate<br />
Time to<br />
Market<br />
Buchhalterische<br />
Details<br />
Ertrag Qualität Kosten<br />
Leistungserstellungsprozesse<br />
Abbildung 4-38: Erweiterter Kontext des AVCMS<br />
Übrige<br />
Indikatoren<br />
Volkswirtschaftlich<br />
bedeutsame<br />
Resultate<br />
(Beispiele)<br />
Verkehrsinfrastruktur<br />
Emissionen<br />
(Lärm etc.)<br />
Abhängige<br />
Arbeitsplätze<br />
Auf die in der Abbildung aufgeführten Kontextbereiche soll in den nächsten Abschnitten<br />
in der folgenden Reihenfolge kurz eingegangen werden:<br />
• Grösse und Wachstum<br />
• Zusätzliche Finanzinformationen<br />
• Zusätzliche <strong>Performance</strong> Informationen<br />
• Process Enablers<br />
• Volkswirtschaftlich bedeutsame Resultate<br />
4.2.7.1 Grösse und Wachstum<br />
Obwohl die Faktoren Grösse und Wachstum nicht im Sinne des AVCMS als eigentliche<br />
Wertbeiträge gelten können und auch nicht expliziter Bestandteil der fünf Kernbereiche
des AVCMS sind, sind sie dennoch so wichtig für das Verständnis der Unternehmensleistung<br />
und der zugrunde liegenden Wirkungszusammenhänge, dass sie im zentralen Cockpit<br />
des AVCMS abgebildet werden.<br />
Abbildung 4-39: Grösse und Wachstum im Cockpit des AVCMS 381<br />
Die Cockpit-Darstellung in Abbildung 4-39 bezieht sich nur auf einen Teil der Messgrössen<br />
aus dem Mengengerüst des AVCMS. Ein Grund dafür ist, dass die Grössen rsh und<br />
ush bereits in der Darstellung abgebildet werden, die sich mit der Zusammensetzung der<br />
seat°-utilization-rate befasst. 382 Bei Bedarf können die Cockpits aber natürlich um weitere<br />
Mengengrössen ergänzt werden.<br />
4.2.7.2 Zusätzliche Finanzinformationen<br />
Die zusätzlichen Finanzinformationen dienen einerseits dazu, die im Finanzbereich dargestellten<br />
Kennzahlen um weitere Informationen zu ergänzen. Andererseits ist ohne zusätzliche<br />
Finanzinformationen das Ausweisen der Finanzabschlüsse nicht möglich. Denn<br />
381 Datenquelle: Modellrechnung im Anhang.<br />
382 Vgl. Abbildung 4-13 auf Seite 165.<br />
210
nur aus den Wertbeiträgen und dem EVA-Model heraus lässt sich weder eine Jahresbilanz<br />
berechnen noch irgendeine andere Abschlussrechnung.<br />
Ein Beispiel für diese Art von Zusatzinformation ist der Beitrag des nicht-<strong>Airline</strong> Geschäftes<br />
zum Unternehmenserfolg. Für das Ausweisen eines Finanzabschlusses muss dieser<br />
Beitrag in seine Ertrags- und Kostenkomponenten aufgeschlüsselt werden können.<br />
Ein anderes Beispiel sind die <strong>St</strong>euern. Für den Finanzabschluss muss bekannt sein, welche<br />
<strong>St</strong>eueranteile in welcher Periode auf den Cash Flow wirken und wann sie in Rückstellungen<br />
zum Ausdruck kommen. Ein weiterer Bereich, den die Kennzahlen der Kernbereiche<br />
des AVCMS nicht abdecken, sind Kennzahlen, die dem mit Finanzieren, Investieren<br />
und dem Liquiditätsmanagement zu tun haben. Nur wenn diese Messgrössen vorliegen,<br />
können Veränderungen auf Bilanzpositionen richtig dargestellt werden. Zudem<br />
hängt auch die Unterteilung der Mittelflussrechnung in operativen, investiven und finanziellen<br />
Cash Flow von solchen Informationen ab.<br />
Um das AVCMS um eine Liquiditätsdarstellung zu ergänzen, kann beispielsweise auf die<br />
Abschnitt 2.1.5 dargestellte Cash Burn Analyse zurückgegriffen werden. Aber auch hier<br />
stellt man schnell fest, dass dazu eine ganze Reihe von Finanzinformationen zu den Daten<br />
der 5 Kernbereiche ergänzt werden muss.<br />
Buchhaltungsdetails (in % or 000 €)<br />
Mitarbeiterkosten in % der Cash Kosten 41% Beteiligungen in % des IC 9%<br />
Materialkosten in % der Cash Kosten 10% Debitoren in % des IC 8%<br />
übrigige Kosten in % der Cash Kosten 49% Tangible Güter in % des IC 71%<br />
Abschreibungen in % der DAR 34% Resultate aus Minderheitsbeteiligungen 1'000<br />
Amortisierung in % der DAR 1% Gewinne aus Anlagenverkäufen 15'000<br />
Mieten in % der DAR 66% Gewinne aus Beteiligungsverkäufen 2'000<br />
Flüssige Mittel in % des IC 6% Nicht <strong>Airline</strong> bezogenes (Ertrag, Kosten, IC)<br />
Intangible Güter in % des IC 6% Übriges<br />
Tabelle 4-2: Beispiele für ergänzende Buchhaltungsdetails 383<br />
Einige weitere Beispiele für zusätzliche Finanzinformationen, die benötigt werden um die<br />
Kennzahlen der 5 Kernbereiche in Finanzabschlüsse zu übersetzen, sind in Tabelle 4-2<br />
aufgeführt. Die aufgeführten Daten betreffen konkret die Zieldimension in der beispielhaften<br />
Mehrperiodenrechnung, die zur Illustration der AVCMS Cockpits verwandt wurde.<br />
383 Datenquelle: Berechnungen im Anhang.<br />
211
4.2.7.3 Zusätzliche <strong>Performance</strong> Informationen<br />
Die zusätzlichen <strong>Performance</strong> Informationen, die den nicht finanziellen Bereich betreffen,<br />
können sich mit grundsätzlich jeder für die Unternehmensleistung relevanten Thematik<br />
befassen, die im Kern des AVCMS nicht abgebildet ist.<br />
Insbesondere sind hier diejenigen <strong>Performance</strong> Informationen zu nennen, die zusätzlich<br />
zu den Wertbeiträgen des Qualitätsbereiches in die Sensitivitätsanalyse einfliessen. 384<br />
Denn die dort aufgeführten Leistungselemente einiger Fachbereiche der <strong>Airline</strong>s, die<br />
nicht in Form von Wertbeiträgen dargestellt werden können, können den Erfolg massgeblich<br />
mitbeeinflussen. Hierzu zählen Leistungsaspekte des Revenue <strong>Management</strong> & Pricing,<br />
des Verkaufs mit den Frequent Flyer Programmen, sowie des <strong>Management</strong> von<br />
Netzwerk, Flotte und Allianzen. Ebenfalls im Rahmen der Sensitivitätsanalyse wurden<br />
auch bereits solche Faktoren genannt, die nur wenig beeinflussbar sind, aber auf die dennoch<br />
zum Verständnis des Zustandekommens des Erfolges kaum verzichtet werden kann.<br />
Hierzu zählen unter anderem die Nachfrage nach Transportleistungen und die Wettbewerbsintensität.<br />
Aber auch andere, stärker durch die <strong>Airline</strong> beeinflussbare Leistungsaspekte<br />
können im Rahmen der zusätzlichen <strong>Performance</strong> Information in die Cockpits<br />
aufgenommen werden. Insbesondere sind hier die historische Qualitätsleistung bzw. das<br />
Qualitätsimage und die Minimum Connecting Time (MCT) zu nennen, auf die ebenfalls<br />
im Rahmen der Sensitivitätsanalyse schon hingewiesen wurde.<br />
Weitere Faktoren von Interesse können im Bereich der Ressourcenmärkte, der Gewerkschaften<br />
oder der exogen auferlegten Restriktionen einer <strong>Airline</strong> zu finden sein.<br />
4.2.7.4 Process Enablers<br />
Als Process Enablers können alle diejenigen Faktoren bezeichnet werden, die geeignet<br />
sind, die <strong>Performance</strong> der Leistungserstellungsprozesse zu steigern, dabei aber weder als<br />
Wertbeiträge gelten können noch im Zentrum des AVCMS stehen. Aufgrund ihrer Bedeutung<br />
können sie als unterstützende Messgrössen385 in die Cockpits derjenigen internen/externen<br />
Lieferanten Eingang finden, deren Prozessleistung massgeblich durch sie<br />
beeinflusst wird.<br />
Es wurde bereits erwähnt, dass viele Beispiele für solche Process Enablers im Bereich<br />
der Entwicklungssicht386 der Balanced Scorecard angetroffen werden können. Themen<br />
384 Vgl. Abschnitt 4.2.4.6.<br />
385 Zu den unterstützenden Messgrössen in AVCMS-Cockpits vgl. Abschnitt 4.3.2.4<br />
386 Kaplan/Norton, Balanced Scorecard, S. 126ff.<br />
212
wie Innovation, Time to Market, Mitarbeiterzufriedenheit oder das Lernen sind zweifellos<br />
relevant für den Erfolg eines Unternehmens. Jedoch können sie nicht im Sinne des<br />
AVCMS als Resultate gelten und entsprechen daher nicht den Anforderungen an Wertbeiträge<br />
als resultierende, aussagekräftige Kennzahlen.<br />
Ähnlich wie die Kennzahlen der Entwicklungssicht können auch technische Indikatoren<br />
einen erheblichen Beitrag zum Erfolg einzelner Leistungserstellungsprozesse leisten.<br />
Diese Kennzahlen können oft deswegen nicht als Wertbeiträge gelten, weil sie nur lokal,<br />
bei einzelnen Lieferanten von Bedeutung sind.<br />
Beispiele für solche Kennzahlen aus dem Bereich der Flugzeugwartung sind Triebwerkzustände<br />
oder auch Lagerbestände für bestimmte Ersatzteilkategorien.<br />
4.2.7.5 Volkswirtschaftlich bedeutsame Resultate<br />
Da sich die <strong>St</strong>ruktur des AVCMS auf das Erzielen von Finanzresultaten konzentriert,<br />
können andere für den Unternehmenserfolg relevante Ergebnisse, die andere <strong>St</strong>akeholders<br />
als die Anteilseigner betreffen, im Kontext des AVCMS dargestellt werden. Im<br />
Zentrum stehen hier die volkswirtschaftlich bedeutenden Resultate einer <strong>Airline</strong>, auf die<br />
in Abschnitt 2.4.4 bereits eingegangen wurde. Auf der positiven Seite trägt eine <strong>Airline</strong><br />
hier zur Verkehrsinfrastruktur bei, sie schafft im eigenen Betrieb und bei ihren Lieferanten<br />
Arbeitsplätze, und sie entrichtet <strong>St</strong>euern an das Gemeinwesen. Auf der negativen Seite<br />
verursacht eine <strong>Airline</strong> allerdings auch Schadstoff- und Lärmemissionen.<br />
Es kann festgehalten werden, dass die volkswirtschaftlich bedeutsamen Resultate gleich<br />
wie die Finanzresultate auch ihren Ursprung in den Leistungserstellungsprozessen, d.h. in<br />
den internen/externen Lieferanten haben können. Werden im Bereich der volkswirtschaftlich<br />
bedeutsamen Resultate also Ziele gesetzt, ist zu prüfen, inwieweit diese in<br />
Leistungsbeiträge der internen/externen Lieferanten übersetzbar sind. Gelingt eine solche<br />
Übersetzung, können die auf volkswirtschaftlich bedeutsame Resultate bezogenen Zielsetzungen<br />
analog zu den Wertbeiträgen in den Cockpits des AVCMS abgebildet werden.<br />
4.2.8 Führungsprozesse<br />
Der Zweck des <strong>Airline</strong> Value Contribution <strong>Management</strong> System liegt darin, die Führungsprozesse<br />
einer <strong>Airline</strong> möglichst wirksam zu unterstützen.<br />
Zum einen sollten die Entscheidungsprozesse unterstützt werden können, vor allem wenn<br />
es sich um solche Entscheidungen handelt, die von grosser Tragweite für die <strong>Airline</strong> sind,<br />
wie beispielsweise Flugplanentscheide oder bestimmte strategische Entscheidungen.<br />
213
Zum anderen sollen aber auch die Vereinbarungen mit den Betreibern der Leistungserstellungsprozesse,<br />
d.h. mit den internen und externen Lieferanten möglichst fair getroffen,<br />
transparent gestaltet und dabei einfach und fair im Hinblick auf ihre Erfüllung kontrolliert<br />
werden können.<br />
Die Kennzahlen des AVCMS bieten durch den Fokus auf wenige aussagekräftige Kennzahlen<br />
und die Klarheit von Verantwortung durch Zuweisung von Leistungsbeiträgen<br />
wichtige Vorraussetzungen für das Ablaufen der zentralen Entscheidungs- und Vereinbarungsprozesse<br />
einer <strong>Airline</strong>.<br />
Ein Kernelement bei der Gestaltung der Führungsprozesse einer <strong>Airline</strong> ist jedoch die<br />
Netzwerkplanung. Hier wird im Rahmen des AVCMS eine <strong>St</strong>ückkosten-basierte Variante<br />
vorgeschlagen, die sich von der üblichen Volumen-basierten Form unterscheidet. 387 Bevor<br />
auf die Führungsabläufe hinsichtlich der Leistungserstellungsprozesse eingegangen<br />
wird, soll daher zunächst die <strong>St</strong>ückkosten-basierte Netzwerkplanung dargestellt werden.<br />
Zum Abschluss wird auf die Gestaltung der Messprozesse eingegangen, die Korrektheit<br />
und Akzeptanz der Resultate auf den Kennzahlen des AVCMS gewährleisten sollen.<br />
Die nächsten Abschnitte gliedern sich damit wie folgt:<br />
• <strong>St</strong>ückkosten-basierte Netzwerkplanung<br />
• Führung der Leistungserstellungsprozesse<br />
• Messprozesse<br />
4.2.8.1 <strong>St</strong>ückkosten-basierte Netzwerkplanung<br />
In Abschnitt 3.3.3 wurden die Grundbegriffe der Netzwerkplanung bereits dargestellt.<br />
Die Netzwerkplanung betrifft danach sämtliche Planungsaktivitäten, die mit der Gestaltung<br />
und Operation des <strong>St</strong>reckennetzes zusammenhängen. Es wurde festgestellt, dass<br />
insbesondere die operative Netzwerkplanung, die sich mit einem Zeithorizont von zwei<br />
Flugplanperioden beschäftigt, von besonderer Bedeutung für den Erfolg einer <strong>Airline</strong> ist.<br />
Denn hier werden weitgehend irreversible Entscheide getroffen, die auf die anfallenden<br />
Kosten der <strong>Airline</strong> einen sehr grossen Einfluss haben.<br />
Die <strong>St</strong>ückkosten-basierte Netzwerkplanung stellt eine Variante der operativen Netzwerkplanung<br />
dar, die in der hier untersuchten Theorie und Praxis der <strong>Airline</strong> Industrie nicht<br />
vorkommt. Sie repräsentiert damit den im Rahmen dieser Arbeit entwickelten Vorschlag<br />
zur Gestaltung des Flugplanungsprozesses.<br />
387 Zur Volumen-basierten Netzwerkplanung vgl. Abschnitt 3.3.3.2.<br />
214
Es gehört zum Wesen der <strong>St</strong>ückkosten-basierten Netzwerkplanung, dass sich die logische<br />
Abfolge im Vergleich zur Volumen-basierten Netzwerkplanung388 umdreht. Nicht der<br />
Flugplan bestimmt hier das Budget, sondern das Budget – in Form von <strong>St</strong>ückkostenzielsetzungen<br />
– bestimmt den Flugplan.<br />
Dies soll anhand der Übersicht in Abbildung 4-40 veranschaulicht werden, die von einer<br />
<strong>Airline</strong> ausgeht, die ihr Berichtsjahr nach dem Beginn und Ende des Winterflugplanes<br />
definiert und dabei den Budgetierungsprozess Ende März abschliesst. Denn wenn die<br />
Budgetierung auf die Flugplanperioden abgestimmt ist, kann der <strong>St</strong>ückkosten-basierte<br />
Planungsprozess seine <strong>St</strong>ärken besonders gut ausspielen. 389<br />
Optimierung Realisierung WTT<br />
215<br />
<strong>St</strong>rukturierung Optimierung Realisierung<br />
STT<br />
<strong>St</strong>rukturierung Optimierung Realisierung WTT<br />
Budgetierung<br />
<strong>St</strong>ückkosten<br />
Budgetfinalisierung<br />
Abbildung 4-40: <strong>St</strong>ückkosten-basierte Netzwerkplanung<br />
März Oktober<br />
März<br />
Die Abbildung zeigt, dass sich hier die Budgetierung der <strong>St</strong>ückkosten mit den <strong>St</strong>rukturierungsphasen<br />
von STT und WTT überschneidet. 390 Resultate der <strong>St</strong>ückkostenbudgetierung<br />
können demnach in die Flugplangestaltung einfliessen. 391<br />
Die untenstehende Abbildung 4-41 abstrahiert von Flugplan- und Budgetierungsperioden.<br />
Sie konzentriert sich stattdessen auf die logische Abfolge der wichtigsten Phasen des<br />
<strong>St</strong>ückkosten-basierten Netzwerkplanungsprozesses.<br />
388 Vgl. Abschnitt 3.3.3.2.<br />
389 Die Abstimmung des Budgetierungsprozesses mit den Flugplanperioden wäre auch für den Volumen-basierten<br />
Netzwerkplanungsprozess von Vorteil. Jedoch kombiniert sich dieser Vorteil dort nicht mit den Wirkungen des<br />
<strong>St</strong>ückkosten-basierten Ansatzes.<br />
390 STT = Summer Time Table (Sommerflugplan), WTT = Winter Time Table (Winterflugplan).<br />
391 Die Überschneidung der <strong>St</strong>ückkostenbudgetierung mit dem STT ist vergleichsweise knapp bemessen. Hier sollten<br />
die Anwender-<strong>Airline</strong>s prüfen, ob die Optimierungsphase zugunsten einer längeren <strong>St</strong>rukturierungsphase<br />
verkürzt werden kann.
Controlling Controlling<br />
<strong>St</strong>recken<strong>St</strong>reckenerfolgerfolg �Soll-Ist-Vergleich<br />
auf Basis <strong>St</strong>recken-<br />
Erfolgsrechnung<br />
�Bei Abweichungen<br />
wenig Handlungsmöglichkeiten<br />
in der<br />
laufenden<br />
Flugplanperiode<br />
Budgetierung<br />
Budgetierung<br />
<strong>St</strong>ückkosten<br />
<strong>St</strong>ückkosten<br />
�Basis ist eine grobe<br />
Mengenplanung<br />
�Interne und externe<br />
Zulieferer<br />
budgetieren<br />
<strong>St</strong>ückkosten<br />
�Verkauf erstellt erste<br />
Grobschätzung der<br />
Erträge<br />
<strong>St</strong>reckennetz<strong>St</strong>reckennetzplanungplanung<br />
�Basis sind<br />
<strong>St</strong>ückkosten-Budgets<br />
�Prognosen über<br />
Ertrags- und<br />
Verkehrsentwicklung,<br />
Konjunktur, Allianzen<br />
etc.<br />
Budget- Budget-<br />
Finalisierung<br />
Finalisierung<br />
Abbildung 4-41: Phasen der <strong>St</strong>ückkosten-basierten Netzwerkplanung<br />
�Umsetzung der<br />
Budgeteingaben in<br />
die <strong>St</strong>reckenerfolgsrechnung<br />
�Ermittlung der<br />
Kostenbudgets aus<br />
<strong>St</strong>ückkosten<br />
�Ertragszielsetzungen<br />
finalisieren<br />
Die Basis der <strong>St</strong>ückkostenbudgetierung ist eine grobe Mengenplanung der für den künftigen<br />
STT und WTT benötigten Ressourcen. Diese Mengenplanung kann durchaus auch<br />
auf dem Controlling des <strong>St</strong>reckenerfolges basiert werden. Die Netzwerkdeckungsbeitragsrechnung<br />
kann Aufschluss darüber geben, ob das <strong>St</strong>reckennetz in der Vergangenheit<br />
eher zu gross oder eher zu klein dimensioniert war. In Verbindung mit Prognosen über<br />
die Verkehrs-, Konkurrenz- und Konjunkturentwicklung sowie über einige andere Bestimmungsfaktoren<br />
kann dann die ungefähre Grössenordnung der in der Budgetierungsperiode<br />
einzusetzenden Flotte, der Flugstunden, der zu befördernden Passagiere etc.<br />
abgeschätzt werden.<br />
Auf der Basis solcher ungefähren Mengenangaben können die internen und externen Lieferanten<br />
der <strong>Airline</strong> ihre <strong>St</strong>ückkosten kalkulieren. Ein Verhandlungsprozess kann gestartet<br />
werden, an dessen Ende verbindliche <strong>St</strong>ückkostenzielsetzungen stehen, die für die<br />
gesamte Budgetierungsperiode gelten, sofern die zugrunde gelegten Mengenangaben<br />
nicht vereinbarte Toleranzschwellen verlassen. Bei der Verhandlung der <strong>St</strong>ückkostenziele<br />
müssen selbstverständlich auch Qualitäts- und Effizienzzielsetzungen auf <strong>St</strong>ück-Ebene<br />
festgelegt werden. Nur so kann sichergestellt werden, dass Einsparungen nicht zu Lasten<br />
wertvoller Qualitätsaspekte stattfinden können, deren Verlust die zweifelhaften Kostenreduktionen<br />
überkompensieren würde. Korrekt ausgedrückt müsste die <strong>St</strong>ückkostenbasierte<br />
Netzwerkplanung aufgrund des Einbezugs von Effizienz- und Qualitätszielsetzungen<br />
als Einheits-basierte Netzwerkplanung bezeichnet werden. Der Begriff der<br />
<strong>St</strong>ückkosten-Basierung wurde jedoch gewählt, um sich dem gängigen Sprachgebrauch in<br />
der <strong>Airline</strong> Industrie möglichst weit anzunähern.<br />
216
Ein ebenso wichtiger Aspekt, der bei der Verhandlung der <strong>St</strong>ückkostenziele berücksichtigt<br />
werden sollte, ist das Heranziehen von externen Benchmarking-Informationen und<br />
Marktpreisen. Auf diese Weise kann den Kalkulationen der internen und externen Lieferanten<br />
eine neutrale Perspektive gegenübergestellt werden, die versteckte Ineffizienzen<br />
aufzudecken vermag. 392<br />
Während dieser <strong>St</strong>ückkostenbudgetierung erstellt der Verkauf erste grobe Schätzungen<br />
über die erwartete Nachfrage- und Ertragsentwicklung in den einzelnen Märkten der <strong>Airline</strong>.<br />
Im nächsten Schritt kann die <strong>St</strong>reckennetzplanung auf verbindlichen <strong>St</strong>ückkostenbudgets<br />
aufbauen. In Verbindung mit den Prognosen des Verkaufs und anderer Abschätzungen<br />
relevanter Bestimmungsgrössen393 kann ein Flugplan gestaltet werden, dessen<br />
Profitabilität auf wesentlich gesicherteren Prämissen beruht, als dies bei der Volumenbasierten<br />
Planungsvariante der Fall ist. Ist die <strong>St</strong>ückkostenbudgetierung korrekt abgelaufen,<br />
kann nach Erstellung des Flugplanes kaum noch eine negative Überraschung auf der<br />
Kostenseite auftreten. Es ergibt sich fast zwangsläufig ein positives Plannetzwerkergebnis.<br />
394 Dies ist wohl der wichtigste Unterschied zur Volumen-basierten Netzwerkplanung,<br />
aus der nach Abschluss der Flugplanung und Budgetierung häufig ein unbefriedigendes<br />
Plannetzwerkergebnis resultieren kann. Natürlich ist aber nie völlig auszuschliessen, dass<br />
sich im Flugplanungsprozess die zuvor festgelegten Mengengrössen in einer bedeutenden<br />
Grössenordnung als unangemessen herausstellen. In solch einem Fall müsste eine neue<br />
Iteration des <strong>St</strong>ückkostenbudgetierungsprozesses stattfinden, dem korrigierte Mengengrössen<br />
zugrunde gelegt werden. Wenn jedoch die erstmalige Abschätzung der Mengengrössen<br />
gewissenhaft durchgeführt wird, dürfte dieser Fall eher selten vorkommen.<br />
In der Phase der Budgetfinalisierung können die Planwerte in die <strong>St</strong>recken- bzw. Netzwerkerfolgsrechnung<br />
eingesetzt werden. Zudem sind durch das entsprechende Ausmultiplizieren<br />
der <strong>St</strong>ückkostenziele Volumenbudgetziele ermittelbar, und schliesslich sollten<br />
auch auf Basis des Flugplanes die Ertragsschätzungen des Verkaufs in konkrete Ertragsund<br />
Deckungsbeitragszielsetzungen des Verkaufs überführt werden. 395<br />
392 Benchmarking ist natürlich auch im Rahmen der Volumen-basierten Netzwerkplanung möglich, wenn die Kostenvolumina<br />
in <strong>St</strong>ückkosten umgerechnet werden. Allerdings haben hier die Ergebnisse einer Benchmarkinggestützten<br />
Verhandlung mit Lieferanten keinen Einfluss mehr auf die aktuell anstehenden Flugpläne.<br />
393 Beispielsweise Schätzungen der Ertrags-, Verkehrs-, Konjunktur- und Konkurrenzentwicklung, erwartete Infrastrukturrestriktionen<br />
und Implikationen von Allianzen. Vgl. hierzu auch Abschnitt 3.3.3.2.<br />
394 Vorausgesetzt natürlich, bei der Planung wird die Erzielung von Gewinn angestrebt.<br />
395 Der Verkauf beeinflusst in erster Linie den Reisedeckungsbeitrag. Es ist aber auch möglich, mit einem Opportunitätskosten-bezogenen<br />
Ansatz den direkten Beitrag einer Verkaufsniederlassung oder eines Vertriebskanals zum<br />
Netzwerkergebnis festzustellen. Dazu müssen auf Basis von Revenue <strong>Management</strong> Systemen nachweisbare Op-<br />
217
Nach Abschluss der Budgetfinalisierung bleiben, was die laufende Flugplanperiode betrifft,<br />
die Handlungsmöglichkeiten bei Budgetabweichungen genauso auf die Mittel der<br />
Netzwerksteuerung beschränkt, wie dies beim Volumen-basierten Netzwerkplanungsprozess<br />
der Fall ist.<br />
In Abbildung 4-42 wird die <strong>St</strong>ückkosten-basierte Netzwerkplanung mit der Volumenbasierten<br />
Variante hinsichtlich ihrer Möglichkeiten und Grenzen verglichen. Dazu wurden<br />
einige Gemeinsamkeiten und Unterschiede gegenübergestellt.<br />
Volumen-basierte<br />
Netzwerkplanung<br />
�Die Budgetierung baut auf der<br />
Netzwerkplanung auf<br />
�Planungsbasis sind Istdaten aus der<br />
<strong>St</strong>reckenerfolgsrechnung<br />
�Planungsschwerpunkt der Budgetierung ist ca.<br />
3 Monate vor Beginn der Budgetperiode<br />
<strong>St</strong>ückkosten-basierte<br />
Netzwerkplanung<br />
�Die Netzwerkplanung baut auf der<br />
Budgetierung auf<br />
�Planungsbasis sind Mengenschätzungen und<br />
<strong>St</strong>ückkostenbudgets<br />
�Planungsschwerpunkt der Budgetierung ist<br />
ca. 6 Monate vor Beginn der Budgetperiode<br />
Gemeinsamkeiten beider Varianten<br />
�Mit beiden Varianten ist das Ausweisen von Soll- und Ist-<strong>St</strong>ückkosten möglich, inklusive der<br />
Durchführung von Benchmarking auf dieser Basis<br />
�Für beide Varianten kann die Budgetperiode als Kalenderjahr oder als STT/WTT definiert werden<br />
�Beide Varianten arbeiten mit Prognosen über die Entwicklung der Verkehrsströme, der Konjunktur<br />
der Konkurrenz und anderen Bestimmungsgrössen der Flugplanung<br />
Abbildung 4-42: Gegenüberstellung der Planungsvarianten<br />
Bei den Gemeinsamkeiten ist zu betonen, dass mit beiden Methoden <strong>St</strong>ückkosten auf<br />
Soll- und Ist-Basis ausgewiesen werden können. Jedoch werden diese bei der Volumenbasierten<br />
Variante erst in einem zweiten Schritt auf der Grundlage von Volumenbudgets<br />
abgeleitet. Nur bei der <strong>St</strong>ückkosten-basierten Planungsmethode, stehen die festzulegenden<br />
Soll-<strong>St</strong>ückkosten von Beginn an im Vordergrund. Weitere Gemeinsamkeiten liegen<br />
in der freien Wahl von Beginn und Ende der Budgetierungsperiode und in der Nutzung<br />
gleicher Informationsquellen und Prognosen für die Bestimmungsgrössen der Flugplanung.<br />
Der bedeutendste Unterschied zwischen den Planungsmethoden liegt in ihrer logischen<br />
Verknüpfung mit dem Budgetierungsprozess. Während die Volumen-basierte<br />
Netzwerkplanung von Istdaten der <strong>St</strong>reckenerfolgsrechnung ausgeht und der Flugplan die<br />
portunitätskosten von den erzielten Reisedeckungsbeiträgen der Niederlassung oder des Kanals in Abzug gebracht<br />
werden (vgl. hierzu Abschnitt 3.3.2.5).<br />
218
Grundlage für das Budget bildet, verfolgt die <strong>St</strong>ückkosten-basierte Variante eine umgekehrte<br />
Logik: Zuerst werden auf der Grundlage von Mengenprognosen <strong>St</strong>ückkostenbudgets<br />
festgelegt, auf denen dann die Flugplanung basieren kann. Die Ausmultiplikation zu<br />
Volumenbudgets findet erst nach der Flugplanung statt, wenn die definitiven Mengengrössen<br />
feststehen. Auf Grund dieser Vorverlagerung der <strong>St</strong>ückkostenbudgetierung muss<br />
der Budgetierungsprozess hier auch ca. 3 Monate früher starten als bei der Volumenbasierten<br />
Variante. Grundsätzlich bieten beide Planungsvarianten die Möglichkeit, zu<br />
einem Flugplan und zu einem Budget zu gelangen. Hinsichtlich der Qualität von Flugplan<br />
und Budget stösst die Volumen-basierte Variante gegenüber der <strong>St</strong>ückkostenbasierten<br />
Variante jedoch an wichtige Grenzen.<br />
Diese Grenzen kommen in zwei Risiken zum Ausdruck, die im Folgenden näher erläutert<br />
werden:<br />
• Risiko der Überdimensionierung des Netzwerks<br />
• Risiko des Verpassens von Gewinnchancen<br />
Risiko der Überdimensionierung des Netzwerks<br />
Da die Volumen-basierte Netzwerkplanung nicht von Beginn an von verbindlichen<br />
<strong>St</strong>ückkostenzielen ausgeht, besteht die Gefahr von zu optimistischen Annahmen über die<br />
Möglichkeiten der Kostensenkung und Effizienzsteigerung auszugehen, die erst im späteren<br />
Budgetierungsprozess verhandelt werden. Waren die Annahmen tatsächlich zu optimistisch,<br />
ergibt sich nach der Budgetierung ein ungenügendes Plannetzwerkergebnis, an<br />
dem aufgrund der dann schon fortgeschrittenen Flugplanungsprozesse kaum noch etwas<br />
geändert werden kann. In Abschnitt 3.3.3.2 wurde bereits darauf hingewiesen, dass in<br />
solch einer Situation häufig die Versuchung gross ist, unrealistische und destruktive<br />
Budgetanpassungen vorzunehmen, die zu Motivationsverlust und zum Rückgang von<br />
Effizienz und Qualität führen können. Das effektive Netzwerkergebnis kann dann das<br />
ungünstige Plannetzwerkergebnis sogar noch unterschreiten.<br />
Das Risiko einer Überdimensionierung des Netzwerks wird noch grösser, wenn die <strong>St</strong>reckenerfolgsrechnung<br />
falsch interpretiert wird. Dies gilt insbesondere dann, wenn mit der<br />
klassischen Form der <strong>St</strong>reckenerfolgsrechnung gearbeitet wird und dabei den <strong>St</strong>reckenergebnissen<br />
die Anschlusserträge zugerechnet werden, ohne dass Opportunitätskosten-<br />
Betrachtungen angestellt werden. Auf diese Weise ist fast jede zu planende <strong>St</strong>recke eines<br />
Flag Carriers mit einem positiven <strong>St</strong>reckenergebnis darstellbar. 396<br />
396 Vgl. Abschnitt 3.3.2.5.<br />
219
Risiko des Verpassens von Gewinnchancen<br />
Da bei der Volumen-basierten Variante die Netzwerkplanung vor der Budgetierung erfolgt,<br />
können die während des Budgetierungsprozesses verhandelten Kostensenkungsund<br />
Effizienzsteigerungspotentiale nicht nur überschätzt, sondern prinzipiell auch unterschätzt<br />
werden. Daraus kann sich ergeben, dass potentiell profitable Flüge nicht in die<br />
Planung eingehen und damit Gewinnchancen verpasst werden.<br />
Die Wahrscheinlichkeit, dass so etwas passiert ist noch grösser, wenn bei der Flugplanung<br />
von den Istdaten einer klassisch strukturierten <strong>St</strong>reckenerfolgsrechnung ausgegangen<br />
wird, bei der die Kosten von Ineffizienzen und Überkapazitäten interner und externer<br />
Lieferanten auf die <strong>St</strong>reckenergebnisse verteilt werden. Da diese Art von Kosten unabhängig<br />
vom Betrieb eines Fluges anfallen, ist es falsch, sie bei der Entscheidung, den<br />
Flug durchzuführen, zu berücksichtigen. Auch hier zeigt sich, dass die Gefahr von Fehlentscheiden<br />
vor allem dann gegeben ist, wenn die Volumen-basierte Netzwerkplanung<br />
mit der klassischen Form der <strong>St</strong>reckenerfolgsrechnung kombiniert wird. Der Vergleich<br />
der beiden Varianten zeigt, dass die <strong>St</strong>ückkosten-basierte Netzwerkplanung der Volumen-basierten<br />
Netzwerkplanung in Bezug auf die Entscheidungsqualität weit überlegen<br />
ist.<br />
Eine hohe Entscheidungsqualität ist gerade in der operativen Netzwerkplanung von hoher<br />
Bedeutung. Da ein einmal publizierter Flugplan kaum noch geändert werden kann, determinieren<br />
Flugplanungsentscheide den Erfolg der <strong>Airline</strong> in besonderer Weise. Berücksichtigt<br />
man die Vorlaufzeiten eines Flugplanes397 ergibt sich, dass <strong>Airline</strong>s wahrscheinlich<br />
mehr als 80% ihrer Kosten nur mit einer Vorlaufzeit von bis zu einem Jahr beeinflussen<br />
können. 398 Damit stellt sich die Frage, warum so viele <strong>Airline</strong>s überhaupt mit einem<br />
Volumen-basierten Netzwerkplanungsprozess arbeiten. 399 Eventuell kann dies auf die<br />
397 STT oder WTT.<br />
398 Die 80% ergeben sich aus der Kostenstruktur in Abschnitt 3.3.2.2, wenn man davon ausgeht, dass auch die Reise-<br />
und Passagier-direkten Kosten nicht stark reduziert werden können, indem Buchungen abgelehnt werden (das<br />
Ablehnen von Buchungen ist die einzige Möglichkeit, kurzfristig noch grössere Kostenblöcke zu beeinflussen,<br />
wenn keine verbindlichen Regeln wie die Durchführung des regelmässigen Flugbetriebes gemäss Flugplan verletzt<br />
werden sollen). Die anderen Kostenarten sind durch den Flugplan vorgegeben und können grundsätzlich nur<br />
durch Cost-Cutting Massnahmen weiter reduziert werden. In Abschnitt 2.4.2.1 wurde bereits dargestellt, dass die<br />
verbleibenden Potentiale in diesem Bereich eher als gering einzuschätzen sind. Die Vorlaufzeit ist aus den Planungsabläufen<br />
in Abbildung 3-15 und Abbildung 4-40 ersichtlich. Man kann dabei davon ausgehen, dass nach<br />
Abschluss der <strong>St</strong>rukturierungsphase grössere Flugplanänderungen nur noch schwer möglich sind.<br />
399 Dem Autor sind keine <strong>Airline</strong>s bekannt, die nicht nach der Volumen-basierten Variante der Netzwerkplanung<br />
arbeiten. Entsprechende Diskussionen wurden geführt mit B. Maul (Swissair, 2001), P. Estoppey (Crossair,<br />
220
historische Entwicklung der europäischen <strong>Airline</strong>s zurückgeführt werden. Im vergleichsweise<br />
stabilen Umfeld vor der Liberalisierung des europäischen Luftverkehrs, waren die<br />
Nachteile eines Netzwerkplanungsprozess auf der Basis historischer Daten der <strong>St</strong>reckenerfolgsrechnung<br />
möglicherweise weniger spürbar.<br />
Ein weiterer Grund könnte darin bestehen, dass die <strong>St</strong>ückkosten mancher Lieferanten<br />
sich ohne einen konkreten Flugplan nur schwer bestimmen lassen. Solche Lieferanten<br />
müssten dann im Falle einer <strong>St</strong>ückkosten-basierten Netzwerkplanung das Risiko übernehmen,<br />
dass ihnen bei einer wesentlichen Änderung der Flugplanstruktur zusätzliche<br />
Kosten entstehen. Allerdings kann sich dieses Risiko auch positiv für die Lieferanten<br />
auswirken, indem eine wesentliche Änderung der Netzwerkstruktur ihre Kosten sinken<br />
lässt. Es kann vermutet werden, dass eine mangelnde Risikobereitschaft der Lieferanten<br />
zu der heute typischerweise anzutreffenden Situation einen wesentlichen Beitrag geleistet<br />
hat.<br />
4.2.8.2 Führung der Leistungserstellungsprozesse<br />
Die Führungsabläufe der Leistungserstellungsprozesse auf Basis des AVCMS ergeben<br />
sich aus dem Ansatz der <strong>St</strong>ückkosten-basierten Netzwerkplanung in Kombination mit<br />
den in den vorangehenden Abschnitten definierten Kennzahlen des AVCMS.<br />
Denn als Resultat des <strong>St</strong>ückkosten-basierten Netzwerkplanungsprozesses ergeben sich<br />
Zielsetzungen bis auf <strong>St</strong>ufe der internen/externen Lieferanten. Dabei werden nicht nur die<br />
Beiträge zu den Kennzahlen des Kostenbereiches, bei z.B. Cash-Kosten oder DAR-<br />
Kosten budgetiert. Denn die <strong>St</strong>ückkosten-basierte Netzwerkplanung, die korrekter auch<br />
als Einheits-basierte Netzwerkplanung bezeichnet werden kann, setzt für jeden internen/externen<br />
Lieferanten auch spezifische Beitragsziele auf den Kennzahlen aus Ertragsund<br />
Qualitätsbereich des AVCMS.<br />
Es ergibt sich somit ein Zielportfolio auf den Wertbeitragskennzahlen des AVCMS, dass<br />
bis auf Ebene der einzelnen Leistungserstellungsprozesse bzw. internen/externen Lieferanten<br />
durch verbindliche Vereinbarungen plausibilisiert worden ist. Werden diese Vereinbarungen<br />
von Leistungserstellungsprozessen eingehalten, und bewahrten sich gleichzeitig<br />
die der Netzwerkplanung zugrunde liegenden Annahmen über die Entwicklung von<br />
Märkten und Wettbewerb, dann wird das in der Planung vorgesehene Netzwerkergebnis<br />
auch tatsächlich realisiert werden können.<br />
221<br />
2001), S. Schulze (Swiss International <strong>Airline</strong>s, 2002), P. Derycker (Sabena, 2000), Ch. Klingenberg (Lufthansa,<br />
2000), Ch. Wills (Bristish Airways, 2001).
Die Einhaltung der Zielsetzungen kann mit Hilfe von Cockpits, die Schlüsselkennzahlen<br />
des AVCMS zueinander in Beziehung setzten, überwacht und gesteuert werden. Hierzu<br />
sollten regelmässige <strong>Performance</strong> Review Sitzungen stattfinden, an denen der Geschäftsleiter<br />
gemeinsam mit den für Leistungserstellungsprozesse verantwortlichen internen/externen<br />
Lieferanten auf Basis der Cockpits eine Lagebeurteilung vornimmt. Im<br />
Zentrum steht hier nicht nur die eigentliche Bewertung der gegenwärtigen Zielerreichung.<br />
Vielmehr sollte bei dieser Gelegenheit auch ein Ausblick auf zukünftige Perioden<br />
diskutiert werden und es sollten gemeinsame Massnahmen im Hinblick auf eine verbesserte<br />
Zielerreichung vereinbart werden.<br />
In Abschnitt 4.3 werden daher auch konkrete Gestaltungsvorschläge für den Aufbau von<br />
Cockpits auf Basis des AVCMS gegeben, die später noch durch Hinweise zur praktischen<br />
Anwendung ergänzt werden.<br />
4.2.8.3 Messprozesse<br />
Die Wertbeitragskennziffern des AVCMS können ihre Wirkung erst dann voll entfalten,<br />
wenn ihre Akzeptanz nicht nur beim Top <strong>Management</strong>, sondern auch bei allen entscheidenden<br />
internen und externen Lieferanten gesichert ist. Alle Beteiligten sollten die Überzeugung<br />
vertreten können, dass die Wertbeiträge ein geeignetes, faires und pragmatisches<br />
Mittel sind, auf denen die Vereinbarungen über die Zusammenarbeit basiert werden können.<br />
Werden Wertbeitrag vom Top <strong>Management</strong> verordnet, während die Akzeptanz bei<br />
wichtigen internen/externen Lieferanten noch fehlt, muss mit Reibungsverlusten oder<br />
sogar mit Boykottmassnahmen gerechnet werden. Wenig überzeugte Manager, Mitarbeiter<br />
und Lieferanten müssten zwar in Kauf nehmen, dass sie an den Wertbeiträgen gemessen<br />
werden. Jedoch kann eine mangelnde Identifikation dazu führen, dass intern mit anderen<br />
Messgrössen gearbeitet wird und dabei die Erfüllung der Zielsetzungen auf Wertbeiträge<br />
zu wenig ins Zentrum gestellt wird. Als besondere Herausforderung kann sich<br />
eine mangelnde Akzeptanz der Wertbeiträge dort erweisen, wo diese auf Schätzungen<br />
basiert werden müssen und daher bei der Messung gewisse Ungenauigkeiten in Kauf genommen<br />
werden. In solchen Fällen können die Ungenauigkeiten von gegen den Wertbeitrag<br />
eingestellten Lieferanten dazu genutzt werden, die korrekte Zuweisung der Erfolgsbeiträge<br />
zu ihrer Organisation in destruktiver400 Art und Weise in Zweifel zu ziehen.<br />
400 Es gibt auch eine konstruktive Art, die Zuweisung von Erfolgsbeiträgen in Zweifel zu ziehen. Diese andere konstruktive<br />
Art ist gewollt und führt in der Regel zu einer <strong>St</strong>eigerung der Akzeptanz. In den nachfolgenden Ausführungen<br />
wird darauf näher eingegangen.<br />
222
Durch so entstehende zeitaufwendige Diskussionen kann viel kostbare <strong>Management</strong>zeit<br />
verloren gehen, der kein realer Gegenwert gegenübergestellt werden kann.<br />
Einige wichtige Grundvoraussetzungen zum Erzielen von Akzeptanz liegt darin, dass die<br />
Wertbeiträge in der Lage sein müssen, die Vereinbarungsprozesse zwischen <strong>Management</strong><br />
und internen/externen Lieferanten sachgerecht und pragmatisch abzubilden. Dies kann<br />
durch die Darstellung aussagekräftiger Kennzahlen, die sich auf das Wesentliche konzentrieren,<br />
grundsätzlich erreicht werden.<br />
Ein weiterer wichtiger Schlüssel zum Aufbau der Akzeptanz wurde allerdings noch nicht<br />
thematisiert. Er kommt in der Nachvollziehbarkeit der Wertbeiträge zum Ausdruck. In<br />
diesem Abschnitt sollen daher einige Empfehlungen abgegeben werden, mit denen im<br />
Rahmen des AVCMS die Nachvollziehbarkeit und Akzeptanz der Wertbeitragskennziffern<br />
gesteigert werden kann.<br />
Konkret geht es dabei um:<br />
• Einbinden der Gemessenen in das Messverfahren<br />
• Gegenseitige Kontrolle im Messverfahren<br />
• Schrittweiser Aufbau des Commitment<br />
• Aktualität im Messverfahren<br />
Involvieren der für die Resultate Verantwortlichen in das Messverfahren<br />
Vor allem dann, wenn die Messung eines Wertbeitrages mit Ungenauigkeiten verbunden<br />
ist oder auf Schätzungen basiert, kann sich eine Einbindung der für Resultate Verantwortlichen<br />
in das Messverfahren als wichtig für die Akzeptanz der Kennzahl erweisen. Dazu<br />
sollten Messwerte und Schätzverfahren den für die Resultate verantwortlichen <strong>St</strong>ellen<br />
vollständig offen gelegt werden. Dadurch erhalten sie einerseits die Möglichkeit, in der<br />
Einführungsphase einer neuen Kennzahl, Vorschläge über das Messverfahren einzubringen.<br />
Andererseits kann so aber auch nach dieser Phase, wenn das Messverfahren grundsätzlich<br />
feststeht, qualifiziert gegen einzelne Messungen opponiert werden. Kommt für<br />
gewisse Messungen keine Einigung zwischen <strong>Performance</strong> <strong>Management</strong> Verantwortlichen<br />
und der für die Resultate verantwortlichen <strong>St</strong>ellen zustande, dann kann ein Teil des<br />
Leistungsbeitrages auf der neuen Kennzahl als durch den internen/externen Lieferanten<br />
nicht anerkannt deklariert werden. Für den Wirkungsgrad des Responsibility Accounting<br />
ist eine solche Situation immer noch vorteilhafter, als die komplette Verweigerung der<br />
Akzeptanz dieser Messgrösse durch den internen/externen Lieferanten.<br />
223
Innerhalb der Swissair wurden beispielsweise die verloren gegangenen Erträge von den<br />
Operations Controllers auf der Basis operativer Daten und operativer Erlebnisse eingeschätzt<br />
und den verursachenden Lieferanten je in Form einer Liste mit den eigenen Vorfällen<br />
zugänglich gemacht. Kurz nach Beginn der Einführung der neuen Kennzahl lösten<br />
diese Listen viele Diskussionen über die korrekte Zuteilung von Ertragsverlusten zu den<br />
jeweiligen Lieferanten aus. Vielfach wurde ein gewisser Teil der Messung bzw. der Zuteilung<br />
der Ertragsverluste von den Lieferanten nicht anerkannt. Nach wenigen Monaten<br />
ging der Anteil der nicht anerkannten Messungen fast auf Null zurück. Missverständnisse<br />
und Fehler im Zuteilungsverfahren waren ausgeräumt worden. Gleichzeitig hatten die<br />
Lieferanten gelernt, dass es sich auf Dauer nicht lohnt, gegen eine korrekt vorgenommene<br />
Zuteilung zu opponieren.<br />
Gegenseitige Kontrolle im Messverfahren<br />
Für das Erlangen der Akzeptanz ist es nicht nur entscheidend, dass die für die Resultate<br />
verantwortlichen internen/externen Lieferanten die Messvorgänge verstehen und kontrollieren<br />
können. Auch die <strong>Performance</strong> <strong>Management</strong> Verantwortlichen, die die Messverfahren<br />
aufbauen und die Resultate für die Leistungsevaluation zur Verfügung stellen,<br />
sollten über eine angemessene Kontrolle der korrekten Messung verfügen. Dies gilt insbesondere<br />
dann, wenn die Gemessenen Teile des Messverfahrens kontrollieren und beeinflussen<br />
können. In solchen Fällen kann ein Anreiz bestehen, die Messresultate zugunsten<br />
der verantwortlichen internen/externen Lieferanten zu verändern. Finden solche Veränderungen<br />
tatsächlich statt, kann daraus eine ganze Kette von negativen Konsequenzen<br />
für das <strong>Performance</strong> <strong>Management</strong> entstehen. Wenn die Leistungsbeiträge einzelner Lieferanten<br />
zu positiv dargestellt werden, kann dies deren Engagement, sich für Leistungsverbesserungen<br />
einzusetzen zurückgehen lassen. Zudem fliessen gemessene Leistungsbeiträge<br />
oft auch in Entscheidungsrechnungen ein, so dass möglicherweise falsche Entscheidungen<br />
getroffen werden. Nicht zuletzt kann sich ein Fehler im Messverfahren auch auf<br />
die Akzeptanz der Wertbeiträge negativ auswirken. Sollten interne/externe Lieferanten<br />
bemerken, dass andere Lieferanten in unfairer Weise von fehlerhaften Messungen profitieren<br />
können, wird die Bereitschaft, die eigene Leistung anhand dieser Messungen beurteilen<br />
zu lassen naturgemäss sinken. Denn meist sind Fehler im Messverfahren mit Umverteilungen<br />
von <strong>Performance</strong> Beiträgen verbunden, die sich zu Gunsten des einen und<br />
zu Lasten des anderen auswirken.<br />
Anhand eines Beispiels aus der Swissair kann gezeigt werden, wie die Wahrscheinlichkeit<br />
von Messfehlern durch Kontrollmassnahmen eingeschränkt werden kann. Bei Swissair<br />
wurden auf Basis zuverlässiger Systeme gemessene Abflugverspätungen manuell<br />
224
durch das Abfertigungspersonal einer Ursache zugewiesen, die durch einen so genannten<br />
Irregularity Code (IRR) gekennzeichnet wurde. Dabei wurden jeder Verspätung ein bis<br />
zwei dieser IRR Codes aus einer Liste von 99 Möglichkeiten zugewiesen. Vom <strong>Performance</strong><br />
<strong>Management</strong> wurden diese Codes in Verbindung mit anderen Informationen dazu<br />
verwendet, die Zuweisung der Verspätungen zu den Lieferanten vorzunehmen. 401 Die<br />
Abfertigungsmanager hatten also einen erheblichen Einfluss auf die Zuteilung der Verspätungen<br />
und es wurde vermutet, dass sie ihren Einfluss zum eigenen Vorteil nutzen<br />
könnten. Tatsächlich stieg der gemessene Anteil der Verspätungen aufgrund der Abfertigungsleistung<br />
markant an, nachdem ein Überprüfungsmechanismus eingeführt wurde.<br />
Dieser Überprüfungsmechanismus kam durch das Engagement der Piloten zustande. Bei<br />
jedem verspäteten Abflug wurden vom Piloten ebenfalls ein bis zwei IRR Codes festgehalten.<br />
Da die Piloten zu einem anderen internen/externen Lieferanten gehörten, hatten<br />
sie nicht das Interesse im Sinne der Abfertigungsorganisation die Vergabe der IRR Code<br />
zu beeinflussen. Beide Versionen der Codes wurden automatisiert verglichen und es entstand<br />
eine Liste, auf der die Verspätungen mit unterschiedlich zugewiesenen IRR Codes<br />
aufgeführt waren. Auf Basis dieser Liste konnten die <strong>Performance</strong> Managers den einzelnen<br />
Fällen nachgehen und ggf. mit den verantwortlichen Abfertigungsmanagers und Piloten<br />
in Kontakt treten.<br />
Ein weiteres Mittel, mit dem die Anfälligkeit für Messfehler im operativen <strong>Performance</strong><br />
<strong>Management</strong> der Swissair stark reduziert werden konnte, waren Plausibilitäts-Checks<br />
durch unmittelbar in das Tagesgeschäft involvierte Operations Controllers. Da die operative<br />
<strong>Performance</strong> <strong>Management</strong> Funktion im Operations Control angesiedelt war, konnte<br />
die Zuteilung der Wertbeiträge laufend anhand der Ereignisse des Tagesgeschäftes nachvollzogen<br />
werden. Dort, wo ein plausibles Nachvollziehen nicht möglich war, wurden<br />
weitere Analysen eingeleitet. Aufgrund einer spezialisierten Visualisierungssoftware<br />
konnten die Ergebnisse dieser Analysen dann so in die Cockpits eingetragen werden, dass<br />
sie in den Diagrammen genau bei den nicht plausiblen Werten abgerufen werden konnten.<br />
Damit war das Reporting durch Erklärungen für wenig plausible Situationen aus dem<br />
Tagesgeschäft ergänzt. Wurden Berechnungsfehler identifiziert, die nicht sofort zu beheben<br />
waren, wurde eine entsprechende Kennzeichnung des Fehlers in den Cockpits vorgenommen.<br />
Es stellte sich heraus, dass mit der Methode der tagesgeschäftsnahen Plausibilitäts-Checks<br />
fast alle grösseren Messfehler und nahezu alle gleichartigen Ansammlungen<br />
kleinerer Messfehler eliminiert oder zumindest dokumentiert werden konnten. Diese<br />
401 Die internen/externen Lieferanten wurden unter anderem nach ihrem Anteil am Wertbeiträge Passagierstunden<br />
(Pax-h) beurteilt. Die Verspätungen waren ein wesentlicher Bestandteil, der in die Berechnung der Pax-h eingeflossen<br />
ist.<br />
225
Checks waren wahrscheinlich eine der wichtigsten Voraussetzungen für die Akzeptanz<br />
des operativen <strong>Performance</strong> <strong>Management</strong> der Swissair.<br />
Schrittweiser Aufbau des Commitment<br />
Führt man für eine neu definierte, noch ungenau messbare Wertbeitragskennziffer zu früh<br />
verbindliche Zielsetzungen ein, die zudem Auswirkungen auf Bonuszahlungen an Lieferanten<br />
oder interne Manager haben können, muss mit Widerstand gegen die neuen Kennzahlen<br />
gerechnet werden. Den für die Resultate verantwortlichen <strong>St</strong>ellen sollten daher<br />
möglichst viele Chancen gegeben werden, die neuen Kennzahlen vorgängig zu verstehen<br />
und einzuschätzen, was bezüglich der neuen Beurteilungskriterien auf sie zukommt.<br />
Empfohlen wird hier, bei der Einführung neuer Wertbeitragskennziffern in den drei aufeinander<br />
folgenden Phasen Messen, Reporting und Incentivierung vorzugehen.<br />
In der Messphase können dann die internen/externen Lieferanten in bilateralen Treffen<br />
mit den <strong>Performance</strong> <strong>Management</strong> Verantwortlichen in die Messungen oder Schätzungen<br />
der neuen Wertbeiträge eingeführt werden. Sie haben die Möglichkeit, Fragen zu stellen<br />
und Vorschläge zum Messverfahren einzubringen. Ihre Leistungsbeiträge werden in dieser<br />
Phase weder dem Top <strong>Management</strong> präsentiert, noch haben sie irgendwelche Auswirkungen<br />
auf Leistungsbeurteilung und Bonuszahlungen.<br />
In der Reportingphase können dann die Erfolgsbeiträge auf der neuen Wertbeitragskennziffer<br />
regelmässig dem Top <strong>Management</strong> präsentiert werden, ohne dass schon verbindliche<br />
Zielsetzungen für jeden internen/externen Lieferanten festgelegt wurden. In dieser<br />
Phase geht es auf Seiten der Lieferanten darum, die Zusammenhänge zwischen dem Tagesgeschäft<br />
und der neuen Kennzahl laufend zu verfolgen, dabei zu lernen, wie mit steuernden<br />
Massnahmen die <strong>Performance</strong> verbessert werden kann, eine Vorstellung von fairen<br />
Zielsetzungen zu entwickeln, und Routine in der Arbeit mit der neuen Kennzahl in<br />
den Geschäftsleitungssitzungen zu gewinnen.<br />
Die Incentivierungsphase stellt die Schlussphase der Einführung einer neuen Wertbeitragskennziffer<br />
dar. Ab hier gelten verbindliche Zielsetzungen für die Leistungsbeiträge<br />
auf der neuen Kennzahl und die Zielerreichung kann Konsequenzen haben für Bonuszahlungen402<br />
an externe Lieferanten und interne Manager und Mitarbeiter.<br />
402 Im Rahmen von Bonus-Malus Programmen sind gegenüber externen Lieferanten auch Maluszahlungen der Lieferanten<br />
an den Kunden möglich, wenn gewisse Minimalzielsetzungen nicht erreicht werden.<br />
226
Aktualität im Messverfahren<br />
Da die im AVCMS vorgeschlagenen Wertbeitragskennziffern als Resultate in die Vergangenheit<br />
gerichtet sind, ist es umso wichtiger sie so aktuell wie möglich erheben zu<br />
können. Müsste man Tage oder Wochen auf die Messung der Wertbeiträge warten, dann<br />
könnte man auf Fehlentwicklungen auch erst mit entsprechender Verzögerung reagieren.<br />
Ideal ist eine real-time Messung ohne jede Zeitverzögerung zu den verursachenden Ereignissen.<br />
Wenn auf diese Weise einer eingeleiteten Massnahme ein sofortiges Feedback<br />
ihrer Auswirkung auf die Unternehmensziele folgt, können die Lernzyklen einer Organisation<br />
erheblich beschleunigt werden. Obwohl die Wertbeitragskennziffern des AVCMS<br />
primär auf das Responsibility Accounting ausgerichtet sind, könnten sie so auch zum Decision<br />
Support einen wichtigen Beitrag leisten. Echter Decision Support wird allerdings<br />
kaum allein auf Wertbeiträge basiert werden können, er ist auf Simulationsmodelle,<br />
Prognosen und Frühwarnindikatoren angewiesen.<br />
Ein weiterer wichtiger Vorteil einer real-time Aktualität der Wertbeiträge kann auch im<br />
unmittelbaren Bezug zum Tagesgeschäft gesehen werden, der von den für die Resultate<br />
verantwortlichen Lieferanten hergestellt werden kann. Bei real-time Aktualität ist es den<br />
internen und externen Lieferanten möglich, die Messungen anhand der unmittelbar erlebten<br />
Ereignisse nachzuvollziehen und in begründeten Fällen gegen die Messungen zu opponieren.<br />
Müssten die Lieferanten wochenlang auf die Messresultate warten, wäre das<br />
Nachvollziehen mit einem aufwendigen Durcharbeiten von Aufzeichnungen der Betriebsdatenbanken<br />
etc. verbunden. Aus den Erfahrungen bei Swissair hat sich gezeigt,<br />
dass eine hohe Aktualität die Akzeptanz der Wertbeiträge bei den internen und externen<br />
Lieferanten aufgrund der verbesserten Nachvollziehbarkeit erheblich begünstigen kann.<br />
Dieser Aspekt wird vor allem dann wichtig, wenn die Aktualität nur um den Preis von<br />
Ungenauigkeiten in der Messung erreicht werden kann. Denn gerade die Ungenauigkeiten<br />
können den Lieferanten Anlass geben, den Wertbeitrag die Akzeptanz zu verweigern.<br />
Am Anfang dieses Abschnittes wurde ja schon anhand von Beispielen gezeigt, wie die<br />
Akzeptanz eines Wertbeitrages auch durch den Einbezug der Lieferanten in die Messung<br />
und durch eine verbesserte Nachvollziehbarkeit der Messung erreicht werden kann. Es ist<br />
also durchaus denkbar, dass eine verbesserte Aktualität auch dann zu einer verbesserten<br />
Akzeptanz führt, wenn die Aktualität nur um den Preis einer verringerten Genauigkeit<br />
erreicht werden kann.<br />
Um diesen Effekt zu illustrieren, wird auf das Beispiel der Einführung des Wertbeitrages<br />
für verloren gegangene Erträge bei Swissair verwiesen. Schon in der ersten Einführungsphase,<br />
der Messphase, wurden unterschiedlichen Lieferanten ihre Leistungsbeiträge zugänglich<br />
gemacht, jeweils fundiert durch die Beiträge der einzelnen sie betreffenden Ge-<br />
227
schäftsvorfälle. Der Lieferant Crossair, der im Auftrag der Swissair Flugoperationen<br />
durchführte, erhielt monatlich Feedback fundiert durch eine Liste der durch Crossair verursachten<br />
Annullationen, die zu Ertragsverlusten auf Seiten der Swissair führten. Hier<br />
dauerte es länger als 6 Monate, bis die neue Wertbeitragskennziffer auf Seiten der Crossair<br />
hinlänglich akzeptiert war. Eine wesentlich weitergehende Akzeptanz konnte beim<br />
Lieferanten SR Technics erzielt werden, der die technische Wartung der Swissair Flugzeuge<br />
durchführte. Dies obwohl SR Technics einen um ein vielfaches grösseren Beitrag<br />
zu den entgangenen Erträgen der Swissair zu verantworten hatte. Ein wichtiger Grund<br />
dafür kann in dem Feedback-Prozess zu den neuen Wertbeiträgen gesehen werden, der<br />
fast real-time stattfinden konnte. Die zuständigen Operations Manager der SR Technics<br />
erhielten laufend den aktualisierten <strong>St</strong>and der von SR Technics verursachten Umsatzverluste,<br />
und zwar ebenso fundiert durch die einzelnen verursachenden Vorfälle, wie es der<br />
Crossair zur Verfügung gestellt wurde. Durch die fundierte Aktualität der Messung entstand<br />
auf Seiten der SR Technics eine hohe Nachvollziehbarkeit, ohne dass damit grosser<br />
Aufwand verbunden werden musste. In der Konsequenz entwickelte sich das Akzeptanzniveau<br />
viel schneller als bei Crossair. Schon nach wenigen Monaten wurden kaum noch<br />
Beanstandungen an zugewiesenen Umsatzverlusten geltend gemacht.<br />
4.2.9 Zusammenfassender Überblick über die <strong>St</strong>ruktur des AVCMS<br />
Wenn alle die <strong>St</strong>ruktur des AVCMS illustrierenden Übersichten der letzten Abschnitte zu<br />
einer Übersicht zusammengefasst werden, kommen die Zusammenhänge zwischen den 5<br />
Kernbereichen des AVCMS noch klarer zum Ausdruck. Abbildung 4-43 zeigt eine solche<br />
Zusammenfassung. Bei der Interpretation der die Wirkungszusammenhänge aufzeigenden<br />
Pfeile ist wichtig zu beachten, wo sie sich auf einen der 5 Hauptbereiche und wo einen<br />
auf ihrer Teilaspekte beziehen. Die Prozesse beispielsweise wirken direkt auf die<br />
Wertbeiträge und auf das investierte Kapital. Gleichzeitig beeinflussen die Prozesse jedoch<br />
auch die volkswirtschaftlich bedeutsamen Resultate. Im Qualitätsbereich ist ersichtlich,<br />
dass die Qualitätsdefekte über die Sensitivitätsanalyse die Ticketpreise bzw. die<br />
Durchschnittserträge und den seat°-load-factor beeinflussen. Hinsichtlich der Finanzresultate<br />
lässt sich feststellen, dass sie von den Erträgen und den Gesamtkosten beeinflusst<br />
werden, gleichzeitig aber über den WACC auf die Kapitalkosten im Kostenbereich einwirken.<br />
Abbildung 4-43 soll illustrieren, wie auf Basis der <strong>St</strong>ruktur des AVCMS mit Hilfe der<br />
Wertbeiträge das Verhalten der internen/externen Lieferanten wirkungsvoll auf die Unternehmensziele<br />
ausgerichtet werden kann. Die Möglichkeiten, auf der Grundlage des<br />
AVCMS eine solche verhaltenssteuernde Wirkung zu erzielen werden noch klarer, wenn<br />
228
im nächsten Abschnitt Wege aufgezeigt werden, wie im Rahmen des AVCMS Cockpits<br />
und Zielsetzungsprozesse gestaltet werden können.<br />
Abbildung 4-43: Zusammenfassende Darstellung der <strong>St</strong>ruktur des AVCMS<br />
4.3 Cockpits<br />
Um ein optimales Verständnis der Zusammenhänge zwischen den Wertbeitragskennzahlen<br />
im AVCMS zu erzielen, wird empfohlen, sowohl Ist- wie auch Planwerte in Form<br />
von Cockpits zu visualisieren. Der Begriff Cockpit wird im Zusammenhang mit Kennzahlen<br />
in der Regel als sinnvolle Kombination verschiedener grafischer Darstellungen<br />
verschiedenartiger Messgrössen verstanden. Im Zusammenhang mit dem AVCMS werden<br />
dabei vor allem solche Kombinationen als sinnvoll erachtet, die in der jeweiligen<br />
Situation die Führungsprozesse optimal unterstützen.<br />
Demnach kann eine einzige Kennzahlen-Zusammenstellung kaum für alle denkbaren Situationen<br />
ausreichend sein. Vielmehr geht es darum, Cockpits funktions- und stufengerecht<br />
zu gestalten, und dabei möglichst auch mittels informationstechnischer Lösungen<br />
mit interaktiven Funktionalitäten zu versehen.<br />
229
Ein Manager sollte sich in seinem <strong>Management</strong> Cockpit ähnlich schnell orientieren können,<br />
wie ein Pilot im Flugzeug-Cockpit. Die für ihn wichtigsten Elemente müssen klar<br />
überblickbar im Zentrum stehen. Unnötige Detailinformationen dürfen hier nicht ablenken.<br />
Gleichzeitig müssen die Detailinformationen aber situationsspezifisch in ihrem relevanten<br />
Kontext schnell zur Verfügung stehen, sofern sie gebraucht werden. Daneben sollten<br />
Cockpits nicht nur die Bedürfnisse einzelner Manager abdecken. Vielmehr sollten sie<br />
auch als gemeinsame Basis für die Vorbereitung und Durchführung von <strong>Performance</strong><br />
Review Sitzungen dienen. Neben der reinen Darstellungsfunktion von Kennzahlen kann<br />
hier auch eine Kommunikationsfunktion hinzutreten, die es beispielsweise einzelnen<br />
Teilnehmern erlaubt, Kommentare oder Ergänzungen zu den bekannten Kennzahlen in<br />
der festgelegten Cockpitstruktur hinzuzufügen. Eine weitere Einsatzmöglichkeit für<br />
Cockpits ist die laufende oder periodische Kommunikation der Unternehmensleistung an<br />
breite Mitarbeiterkreise. Hier sind meist andere Funktionalitäten gefragt als bei der Gestaltung<br />
von Cockpits, die ausschliesslich für <strong>Management</strong> Sitzungen bestimmt sind.<br />
Trotz dieser verschiedenartigen Anforderungen spricht auch viel dafür, einheitliche<br />
<strong>St</strong>rukturen in allen Cockpits einer Unternehmung aufrecht zu erhalten. Auf diese Weise<br />
kann die Orientierung in Cockpit verschiedener <strong>Management</strong>bereiche wie z.B. verschiedener<br />
Leistungserstellungsprozesse erheblich leichter fallen.<br />
Im vorliegenden Abschnitt soll zunächst einmal eine Basisdarstellung der zentralen<br />
Kennzahlen aus dem AVCMS in Form eines Basis-Cockpits aufgezeigt werden, das die<br />
Grundelemente des AVCMS in einer Art Überblick zusammenfasst. Im nächsten Schritt<br />
werden Gestaltungsempfehlungen für Cockpits beschrieben, die aus Erfahrungen mit<br />
dem Einsatz von TPM-Cockpits403 bei Swissair hergeleitet wurden. Zum Abschluss wird<br />
ein konkreter Vorschlag für eine mögliche informationstechnische Umsetzung der Frontend<br />
Lösung von auf dem AVCMS basierenden Cockpits aufgezeigt.<br />
Die nächsten Abschnitte gliedern sich damit wie folgt:<br />
• Basis-Cockpit<br />
• Gestaltungsempfehlungen und Praxis<br />
• Technische Umsetzung<br />
403 Wie schon erwähnt wurde, wurde bei Swissair im Qualitätsbereich der operativen Leistungserstellungsprozesse<br />
bereits ein Teilbereich des AVCMS eingesetzt, unter der Bezeichnung TPM bzw. Total <strong>Performance</strong> <strong>Management</strong>.<br />
Vgl. hierzu Abschnitt 4.1.<br />
230
4.3.1 Basis-Cockpit<br />
Um die zentralen Kennzahlen des AVCMS in einer Übersicht zusammenzufassen bietet<br />
sich als Einstieg ein Basis-Cockpit an. Hieraus sollten alle bedeutenden Beziehungen und<br />
Trade-offs zwischen der Entwicklung der Schlüsselkennzahlen ersichtlich sein. Von einer<br />
solchen Grundlage aus können später weitere Verfeinerungen der Cockpit-Gestaltung<br />
vorgenommen werden. Die Cockpit-Darstellungen in diesem Abschnitt beziehen sich auf<br />
die im Anhang dargestellte Mehrperiodenrechnung mit Daten für eine hypothetische <strong>Airline</strong>.<br />
Das Basis-Cockpit wird dabei in 2 Varianten gezeigt: Abbildung 4-44 repräsentiert<br />
eine auf Verhältnisgrössen, d.h. sozusagen eine auf pro <strong>St</strong>ück Werte fokussierte Sicht, ,<br />
während Abbildung 4-45 die absoluten Volumengrössen darstellt. 404<br />
Zu beachten in beiden Cockpit-Varianten ist die Unterteilung in zwei Bereiche, die der<br />
<strong>St</strong>ruktur des AVCMS entsprechen. Während in der oberen Reihe mit den Charts 1-4 die<br />
Finanzresultate und Mengengrössen visualisiert werden, befasst sich der untere Teil in<br />
den Charts 5-12 mit den Wertbeiträgen und übrigen Kennzahlen der AVCMS-<br />
Kernbereichen Ertrag, Qualität und Kosten, sowie mit den Beiträgen der Leistungserstellungsprozesse<br />
bzw. der internen/externen Lieferanten zu diesen.<br />
Für Abbildung 4-45 ist der Aufbau der gleiche wie für Abbildung 4-44, allerdings werden<br />
hier die Kennzahlen des AVCMS als Volumengrössen dargestellt, d.h. es wird nicht<br />
wie in Abbildung 4-44 in jedem Chart die Relation zu einer Mengengrösse hergestellt.<br />
Ausnahmen bilden die Charts 1, 3, 4 und 12, die in beiden Abbildungen identisch sind.<br />
Die in den Cockpit-Darstellungen verwendeten Abkürzungen sind in Tabelle 4-3 erklärt.<br />
Legende zum APVMS Cockpit<br />
EVA = Economic Value Added Ash = Available Seat°-hours<br />
IC = Invested Capital Rsh = Revenue Seat°-hours<br />
DAR = Depreciation, Amortization and Rents Ush = unavailable Seat°-hours<br />
Var cash cost = Variable Cash Kosten SLF = Seat-load-factor<br />
Fix cash cost = Fixe Cash Kosten Tb SLF = time-based Seat°-load-factor<br />
EBIT = Earnings Before Interest and Taxes A/C util. = Aircraft-utilization<br />
na EBIT = Non-<strong>Airline</strong> EBIT Seat° util. = Seat°-utilization<br />
Seats° = Full-Economy Sitzäquivalente Pax-h = Passenger-hours<br />
Pax = Passagiere MRO = Maintenance, Repair and Overhaul<br />
Ask = Available Seat Kilometers<br />
Tabelle 4-3: Erklärungen zu den AVCMS Cockpits<br />
404 Diese Variante des Basis-Cockpits wurde schon zu Beginn des Kapitels 4 in Abbildung 4-2 auf Seite 140 gezeigt.<br />
Sie wird hier wiederholt, um den direkten zur auf Verhältnisgrössen basierten Variante zu erleichtern.<br />
231
Hinsichtlich der Finanzresultate in der oberen Reihe wurde Chart 1 über den EVA/IC in<br />
Abschnitt 4.2.2.2 behandelt, während sich die Abschnitte 4.2.2.1 und 4.2.2.3 mit Chart 2,<br />
das die Ertragskraft und Auszüge aus der Erfolgsrechnung darstellt, beschäftigt haben.<br />
Da in der Modellrechnung die Seat° über alle Perioden konstant gehalten wurden, gleichen<br />
sich in Chart 2 die Verläufe in der Relations- und der Volumen-basierten Variante.<br />
Chart 3 fasst einige der im AVCMS gültigen Mengengrössen zusammen und setzt sie ins<br />
Verhältnis zu den ask. In diese Darstellung wurde bereits in Abschnitt 4.2.7.1 eingeführt.<br />
Chart 4, das bereits in Abschnitt 4.2.1.2 diskutiert wurde, enthält eine Kombination von<br />
Analagennutzungsraten, die im Zusammenhang mit dem Mengengerüst des AVCMS definiert<br />
wurden. Dabei wird auch der seat°-load-factor zu seiner Entsprechung bei den<br />
klassischen Messgrössen der <strong>Airline</strong> Industrie, den RPK/ASK, in Beziehung gesetzt.<br />
Die mittlere Reihe in den Cockpits startet mit den Charts 5 und 6, die dem Kostenbereich<br />
zuzurechnen sind. Die Darstellungsweisen wurden bereits in Abschnitt 4.2.5.1 für die<br />
Cash Kosten und in Abschnitt 4.2.5.3 für die DAR Kosten beschrieben. Die Verläufe<br />
beider Varianten von Chart 6 gleichen sich, da hier wieder die Mengengrösse Seat° zum<br />
Einsatz kommt, die in der Modellrechnung über die Perioden konstant gehalten worden<br />
ist.<br />
Die Cash Kosten Verläufe in Chart 5 sind jedoch sehr unterschiedlich. Hier wird die Relation<br />
nämlich statt zu den Seat° zu den ash gebildet, so dass die Cash Kosten pro ash<br />
aufgrund des wachsenden ash-Volumens und der unterproportional dazu steigenden Cash<br />
Kosten Volumina kontinuierlich abnehmen. Die Abbildung zeigt, dass in der Modellrechnung<br />
die Cash Kosten pro ash vor allem aufgrund geringerer Kostenbeiträge von<br />
Network & Finance und von MRO zustande gekommen sind. Möglicherweise ist ein<br />
Rückgang der von diesen Bereichen verursachten Qualitätskompensationskosten hierfür<br />
verantwortlich. Aber auch andere Teile der variablen oder fixen Cash Kosten können zu<br />
diesem Rückgang geführt haben.<br />
Chart 7 zeigt Werte für rsh, ash und ush, und zwar je nach Variante entweder absolut<br />
oder pro Seat°. In diese Darstellung, die das Konzept des tb seat°-load-factor mit einer<br />
auf ush- und damit mit einer auf Wertbeiträgen basierten Führung der Flugzeugeinsatzeffizienz<br />
verbindet, wurde in Abschnitt 4.2.1.4 bereits eingeführt. In der Beispielrechnung<br />
zeigt sich, dass die rsh nicht nur deswegen zunehmen, weil der seat°-load-factor im <strong>St</strong>eigen<br />
begriffen ist, sondern auch, weil die internen/externen Lieferanten ihre ush reduzieren<br />
konnten, so dass mehr ash für den Verkauf an Passagiere zur Verfügung standen.<br />
232
Abbildung 4-44: AVCMS-Cockpit Darstellungen als Relationsgrössen<br />
233
Abbildung 4-45: AVCMS- Cockpit Darstellungen als Volumengrössen<br />
234
Chart 8, das in Abschnitt 4.2.3.4 bereits dargestellt wurde, zeigt die verlorenen Erträge<br />
absolut bzw. pro Seat°. In der Modellrechnung konnte offensichtlich wohl vor allem der<br />
Bereich MRO dazu beitragen, dass die Ertragsverluste eingedämmt werden konnten. Eine<br />
Ursache für solch einen Erfolg kann in der Vermeidung technischer Annullationen oder<br />
langer Verspätungen liegen.<br />
Die untere Reihe der Charts setzt sich in den ersten drei Positionen von Chart 9 bis Chart<br />
11 mit den Kennzahlen des Qualitätsbereiches auseinander, die in Abschnitt 4.2.4 thematisiert<br />
wurden. Dort wurde auch in die Darstellung der Passagierstunden (Pax-h) aus<br />
Chart 9 eingeführt. Die Darstellungsweisen von Chart 10 und 11, die die Service Attitude<br />
Points (SA-p) und die Physical Product Points (PP-p) betreffen, können als dazu identisch<br />
angesehen werden. Es zeigt sich, dass in der Modellrechnung die Werte der auf die<br />
Relation zu den Pax bezogenen Charts kontinuierlich abnehmen, während bei der Volumen-bezogenen<br />
Darstellung das Gegenteil der Fall ist. Der Grund dafür wird klar, wenn<br />
die Entwicklung der Pax in der Modellrechnung betrachtet wird. Da die Passagiere (Pax)<br />
überproportional zu den Pax-h, SA-p und PP-p ansteigen, gehen ihre Werte in Relation<br />
zu den Pax zurück. In der Modellrechnung konnte die verbesserte Leistung auf den Pax-h<br />
pro Pax vor allem auf geringere durch MRO und Ground Services verursachte Wartezeiten<br />
zurückgeführt werden. Die verringerten SA-p/Pax gingen auf eine Verbesserung des<br />
Service Verhaltens bei der Crew, den Ground Services und im Sales zurück. Den Hauptanteil<br />
zu einer Verringerung der PP-p/Pax konnten Network & Finance für sich verbuchen.<br />
Möglicherweise ist eine Veränderung der Produktgestaltung hierfür verantwortlich.<br />
Für alle drei Qualitätsmessgrössen sowie auch für die Cash Kosten zeigt sich, dass die<br />
Zielsetzungskurve in der Darstellungsvariante mit absoluten Zahlen stark steigt, während<br />
sie bei den Relationen konstant bleibt. Dieser Effekt kommt dadurch zustande, dass im<br />
AVCMS die Zielsetzungen auf diesen Kennzahlen grösstenteils auf den Relationen vereinbart<br />
werden. <strong>St</strong>eigt dann das Volumen der der Relation zugrunde liegenden Mengengrösse,<br />
steigt auch das absolute Volumen des zu ereichenden Zieles.<br />
Die letzte Kennzahl in den Abbildungen, die in Chart 12 dargestellt ist, befasst sich mit<br />
den Durchschnittserträgen, die im AVCMS durch die Messgrösse Ertrag/rsh repräsentiert<br />
sind. In Abschnitt 4.2.3.2 wurde diese Kennzahl bereits beschrieben.<br />
4.3.2 Gestaltungsempfehlungen und Praxis<br />
Es wurde bereits erwähnt, dass Teile des AVCMS schon für das <strong>Management</strong> der operativen<br />
Prozesse der Swissair erfolgreich eingesetzt wurden, allerdings mit dem Fokus auf<br />
Verspätungsreduktion und Reduktion der im Zusammenhang mit Betriebsstörungen auftretenden<br />
Kosten. Auch bei der Swissair wurde mit Wertbeiträgen gearbeitet, die in Form<br />
235
von Cockpits dargestellt und optimiert wurden. Cockpits dienten hier somit nicht nur als<br />
reines Visualisierungsinstrument sondern auch als Plattform für <strong>Performance</strong> Review<br />
Sitzungen und als multilaterales Wertbeitrag-geleitetes Kommunikationsinstrument.<br />
Aus den bei Swissair mit den Cockpits gemachten Erfahrungen können daher einige Gestaltungsempfehlungen<br />
abgeleitet werden. Diese Empfehlungen reichen von einer Konzentration<br />
der Cockpits auf Wertbeiträge bis hin zu einer einheitlichen Gestaltung der<br />
Schlüsselelemente in allen Cockpit-Sichten. Alle diese Empfehlungen werden anhand<br />
von Screenshots der originalen Swissair-Cockpits illustriert.<br />
Daneben soll auch auf Erfahrungen mit den Cockpits eingegangen werden, die sich aus<br />
der Einsatzpraxis in <strong>Management</strong> Meetings und aus Verwendung zur Visualisierung der<br />
<strong>Performance</strong> für die Mitarbeiter ergeben haben.<br />
Die <strong>St</strong>ruktur der nächsten Abschnitte gliedert sich damit wie folgt:<br />
• Konzentration auf Wertbeiträge<br />
• <strong>St</strong>rukturierung nach der Lieferantenhierachie<br />
• Möglichkeiten zur Kommentierung<br />
• Unterstützender Messgrössen<br />
• Offener Bereich<br />
• Einheitlichkeit der Schlüsselelemente<br />
• Verwendung in <strong>Management</strong> Meetings<br />
• Visualisierung für die Mitarbeiter<br />
4.3.2.1 Konzentration auf Wertbeiträge<br />
Im Zentrum eines AVCMS-Cockpits sollten die Wertbeiträge stehen, die in Säulendiagrammen<br />
abgebildet und jeweils mit einem Zielwert verglichen werden. Dabei sollen die<br />
Beiträge der einzelnen Lieferanten zu allen Wertbeiträgen leicht auf einen Blick zu erkennen<br />
sein. Abbildung 4-46 zeigt eine in dieser Form konzentrierte Darstellung der<br />
Wertbeiträge am Beispiel des Cockpits der Swissair. Die Abbildung zeigt im dunkel eingerahmten<br />
Teil den Bereich für die Wertbeitragskennzahlen des Swissair Cockpits.<br />
Die Sicht bezieht sich dabei auf die oberste Führungsebene. Wie schon erwähnt, war das<br />
<strong>Performance</strong> <strong>Management</strong> nach AVCMS Prinzipien bei Swissair auf den Bereich der<br />
kurzfristigen Führung der den Flugbetrieb steuernden Prozesse beschränkt. Daher gab es<br />
nur drei Wertbeiträge. Zum einen CF+ und CF-, die die positiven und negativen Effekte<br />
von Betriebsstörungen oder kurzfristig realisierten Optimierungspotentialen auf den ope-<br />
236
ativen Cash Flow bezeichneten405, zum anderen die schon beschriebenen Pax-h, die die<br />
Wartezeit der Passagiere aufgrund von Verspätungen und Flugannullationen darstellen.<br />
237<br />
ZI CF+<br />
ZI CF-<br />
Abbildung 4-46: Wertbeiträge im Swissair Cockpit<br />
ZI Pax-h<br />
Die Abbildung zeigt die Darstellung der drei Wertbeiträge in Form von Säulendiagrammen,<br />
deren Segmente die Beiträge der internen/externen Lieferanten der nächsten Hierarchiestufe<br />
bezeichnen. Die Legende zu den Farbschattierungen ist unmittelbar unter den<br />
Wertbeitrag angegeben. Dabei zeigt sich, dass die Beeinflussbarkeit der Segmente von<br />
der Null-Linie ausgehend abnimmt. So wird ersichtlich dass „SR Technics“ zu den am<br />
405 Auf der negativen Seite (CF- bzw. Cash Flow -) waren die grössten Positionen die entgangenen Erträge, die<br />
aufgrund von Betriebsstörungen verloren wurden, bei denen Passagiere auf Konkurrenzgesellschaften umgebucht<br />
werden mussten. Ausserdem sind hier auch Kosten durch Hotelübernachtungen für Passagiere, Taxigutscheine,<br />
Restaurantgutscheine etc. zu nennen, sowie operative Mehrkosten von irregulär einzusetzendem Ersatzfluggerät.<br />
Auf der Positivseite (CF+ bzw. Cash Flow +) waren die wichtigsten Positionen Einsparungen aufgrund<br />
von Chancen, kurzfristig Betriebskosten-günstigeres bzw. kleineres Fluggerät als geplant einzusetzen,<br />
Nutzen von kurzfristig auftretenden Marktchancen (z.B. aufgrund von <strong>St</strong>reiks der Konkurrenz etc.) durch den<br />
Einsatz grösseren Fluggerätes, und Einsparungen aufgrund von Flugannullationen.
meisten beeinflussbaren Bereichen zählt, während „ATFM und Exogen“ am wenigsten<br />
durch eigene Entscheide zu steuern ist. 406<br />
Jede der Säulen in den Diagrammen bezeichnet einen Tag, kann aber bei anderer Einstellung<br />
auch eine Woche, einen Monat oder eine <strong>St</strong>unde bezeichnen. 407 Der dargestellte<br />
Zeitraum reicht für die Pax-h vom 5. September 2001 bis zum 2. Oktober 2001, dem Tag<br />
des Swissair-Groundings. 408 Für die Kennzahlen CF+ und CF- stehen statt 28 wie für die<br />
Pax-h nur 14 Säulen zur Verfügung, so dass der Zeitraum hier vom 19. September bis<br />
zum 2. Oktober 2001 reicht. Es fällt auf, dass die Y-Achse nicht gross genug dimensioniert<br />
ist, um die <strong>Performance</strong> einiger extremer Tage darstellen zu können. Insbesondere<br />
fällt dies auf für die Tage ab dem 11. September 2001 und die Tage um das Grounding.<br />
Diese Fixierung der Y-Achsen wurde bewusst vorgenommen, um es dem Betrachter auf<br />
den ersten Blick, nur anhand der Höhe der Säulen zu ermöglichen, das Ausmass der aktuellen<br />
<strong>Performance</strong> korrekt erfassen zu können. Das Cockpit enthielt zusätzliche Funktionen,<br />
mit denen die genauen Werte aller Tage sichtbar gemacht werden konnten. 409<br />
Aufgrund der konzentrierten Darstellung der Wertbeiträge konnten die Anwender des<br />
Swissair Cockpit nach kurzer Eingewöhnungszeit auf den ersten Blick erkennen, wie sich<br />
die operative <strong>Performance</strong> auf den Wertbeitrag entwickelt hat und welche internen und<br />
externen <strong>St</strong>ellen welche Beiträge dazu geleistet haben.<br />
Als Gestaltungsempfehlung für AVCMS-Cockpits ergibt sich, dass die Darstellungen der<br />
Wertbeiträge und der Trade-offs zwischen ihnen so gestaltet werden sollten, dass sie auf<br />
einen Blick erfassbar sind. Dabei können Säulendiagramme mit Ziellinie zum Einsatz<br />
kommen, deren Segmente die Leistungsbeiträge der nächsten Hierarchieebene zeigen.<br />
Zur schnelleren Erfassbarkeit der Verantwortungsdimension können die Segmente dabei<br />
von unten nach oben in Abfolge abnehmender Beeinflussbarkeit angeordnet werden.<br />
406 Bezüglich der Lieferantenstruktur bei Swissair vgl. Abschnitt 4.4.2.1. Eine Beschreibung davon, wie die Kategorie<br />
„ATFM und Exogen“ (ATFM = Air Traffic Flow <strong>Management</strong> bzw. <strong>St</strong>euerung der Luftstrassennutzung) bei<br />
Swissair durch einen für ATS und ATC verantwortlichen Lobbying Manager geführt wurde, findet sich in Abschnitt<br />
4.4.1.3.<br />
407 Unten links in der Abbildung befindet sich ein Regler, mit dem zwischen <strong>St</strong>unden-, Tages-, Wochen- und Monatsdarstellung<br />
der Säulen variiert werden kann.<br />
408 Swissair ist am 2. Oktober 2001 in Liquiditätsschwierigkeiten geraten und musste den Flugbetrieb einstellen.<br />
Dieses Ereignis wurde aufgrund der am Boden verbleibenden Flugzeuge als Grounding bezeichnet. Kurze Zeit<br />
später wurde die Nachlassstundung der Swissair eingeleitet.<br />
409 Vgl. hierzu Abschnitt 4.3.2.3.<br />
238
4.3.2.2 <strong>St</strong>rukturierung nach der Lieferantenhierachie<br />
Um effektiv mit Wertbeiträgen arbeiten zu können, sollten die Cockpits klar nach Leistungserstellungsprozessen<br />
strukturiert sein. Das Cockpit auf der höchsten Hierarchiestufe<br />
zeigt dann den Totalbetrag für alle Wertbeitragskennziffern und auch wie sich diese aus<br />
Beiträgen der Leistungserstellungsprozesse bzw. der internen/externen Lieferanten zusammensetzen.<br />
Von dieser Basis aus sollten dann gleichartig strukturierte Cockpits aufgerufen<br />
werden können, die sich mit den Beiträgen eines einzelnen internen/externen<br />
Lieferanten befassen, wobei auch hier wieder eine <strong>St</strong>rukturierung nach dessen Unterlieferanten<br />
möglich ist.<br />
Auf diese Weise können die Wertbeiträge der Unternehmung mit gleich strukturierten<br />
Cockpits, die auf mehreren Führungsebenen zur Anwendung kommen, dargestellt werden.<br />
Abbildung 4-47 veranschaulicht, wie auf Basis einer Lieferantenhierarchie Cockpits verschiedener<br />
Ebenen strukturiert werden können. Die Abbildung zeigt, dass alle Cockpits<br />
einen Ausschnitt aus der Lieferantenstruktur repräsentieren, der immer zwei Führungsstufen<br />
umfasst. Dabei wird die <strong>Performance</strong> der oberen <strong>St</strong>ufe durch die Kategorien der<br />
unteren <strong>St</strong>ufe weiter aufgeschlüsselt.<br />
Cockpit des<br />
Lieferanten A<br />
(<strong>St</strong>ufe 2)<br />
239<br />
Lieferant<br />
Lieferant<br />
A1<br />
A1<br />
Cockpit des<br />
Lieferanten A3<br />
(<strong>St</strong>ufe 3)<br />
Cockpit des CEO<br />
(<strong>St</strong>ufe 1)<br />
Lieferant<br />
Lieferant<br />
A<br />
Lieferant<br />
Lieferant<br />
A2<br />
A2<br />
Lieferant<br />
Lieferant<br />
A3-a<br />
A3-a<br />
CEO<br />
CEO<br />
Lieferant<br />
Lieferant<br />
B<br />
Lieferant<br />
Lieferant<br />
A3<br />
A3<br />
Lieferant<br />
Lieferant<br />
A3-b<br />
A3-b<br />
Lieferant<br />
Lieferant<br />
C<br />
Lieferant<br />
Lieferant<br />
A3-c<br />
A3-c<br />
Abbildung 4-47: AVCMS-Cockpits in der Lieferantenhierarchie<br />
Führungsstufe 1<br />
Führungsstufe 2<br />
Führungsstufe 3<br />
Führungsstufe 4
Um die Komplexität der Cockpits zu begrenzen, wird empfohlen, die Anzahl Lieferanten<br />
in den Cockpits auf gleicher Ebene auf maximal 6 zu beschränken. Und zwar im Bewusstsein,<br />
dass dies nicht immer ganz einfach ist, da häufig mehr als 6 Leistungserstellungsprozesse<br />
für den Erfolg auf den Wertbeiträgen einer bestimmten Führungsstufe verantwortlich<br />
sind. In Abschnitt 4.4.2.1 werden Möglichkeiten aufgezeigt, mit denen diese<br />
Zahl dennoch erreicht werden kann.<br />
Für die Anzahl der Führungsstufen wird keine fixe Beschränkung empfohlen. Die Cockpitstruktur<br />
kann grundsätzlich soweit fortgesetzt werden, wie die Lieferantenhierarchie<br />
reicht. Eine dynamische Grenze ist allerdings dadurch gesetzt, dass häufig auf den unteren<br />
Ebenen der mit dem Betrieb der Cockpits verbundene Aufwand kaum noch gerechtfertigt<br />
werden kann. Wenn auf den untersten Führungsstufen die Volumina der Wertbeiträge<br />
einiger interner/externer Lieferanten sehr klein werden und nur wenige Mitarbeiter<br />
in den <strong>Performance</strong> <strong>Management</strong> Prozess involviert sind, kann ein <strong>Management</strong> mit<br />
Cockpits auch in übertriebene Bürokratie ausarten.<br />
Lieferanten<br />
Abbildung 4-48. Lieferantenhierarchie im Swissair-Cockpit<br />
Lieferanten<br />
240
Die oben stehende Abbildung 4-48 zeigt in der schwarzen Umrandung, wie im Swissair-<br />
Cockpit die Lieferantenhierarchie wiedergegeben ist. Die Cockpit-Darstellung zeigt die<br />
oberste Führungsebene und damit die Lieferanten 6 internen/externen Hauptlieferanten,<br />
und zwar sowohl als Legende im unteren Bereich, wie auch als Navigationselement im<br />
linken oberen Bereich. Ausgehend von den Wertbeizträgen eines Lieferanten im Swissair<br />
Cockpit kann so das spezifische eigene Cockpit dieses Lieferanten angewählt werden, so<br />
dass die Detailzusammensetzung seiner Wertbeiträge sichtbar wird. Diese Detailzusammensetzung<br />
kann dann auch Aufschlüsse über die Anteile von Unterlieferanten zu seinen<br />
Wertbeiträgen geben. In Abbildung 4-59 auf Seite 266 ist die dem Swissair-Cockpit zugrund<br />
gelegte Lieferantenstruktur detailliert wiedergegeben.<br />
Die Schwierigkeit beim Aufbau einer Lieferantenhierarchie ergibt sich vor allem daraus,<br />
dass es um nichts anderes geht als um die Zuweisung von Verantwortlichkeiten für die<br />
Anteile an den Wertbeitragskennziffern. Insbesondere deswegen, weil die Verantwortung<br />
für Wertbeiträge vollständig auf interne/externe Lieferanten verteilt werden soll, kann<br />
eine vorgeschlagene Lieferantenhierarchie leicht auf mangelnde Akzeptanz im Unternehmen<br />
stossen und erheblichen Widerstand hervorrufen. Wie bei der Entwicklung und<br />
Einführung einer Lieferantenhierarchie die nötige Akzeptanz erzielt werden kann ohne<br />
dabei Kompromisse bezüglich der sachlich richtigen Zuteilung von Verantwortlichkeiten<br />
eingehen zu müssen, wird in Abschnitt 4.4.1 auf Seite 255ff im Rahmen der Hinweise zur<br />
praktischen Anwendung des AVCMS beschrieben.<br />
Für die Gestaltung der Cockpits hingegen ergibt sich die Empfehlung, dass die Cockpits<br />
der <strong>St</strong>ruktur der Leistungserstellungsprozesse bzw. der internen/externen Lieferanten folgen<br />
sollte, wobei die maximale Anzahl von Lieferanten pro Cockpit auf 6 nicht überschritten<br />
werden sollte, um die Komplexität der Cockpits nicht zu weit ansteigen zu lassen.<br />
4.3.2.3 Möglichkeiten zur Kommentierung<br />
In den Cockpits sollte es möglich sein, jede einzelne Säulendarstellung der Wertbeiträge<br />
mit einem Kommentar zu versehen. Den Zugriff zu dieser Funktionalität sollte dabei jeweils<br />
der Eigentümer des Cockpits haben, d.h. interne/externe Lieferant, dessen <strong>Performance</strong><br />
im Cockpit weiter aufgeschlüsselt wird. Dessen Lieferanten wiederum sollten auf<br />
den eine Ebene darunter liegenden Cockpits über die Berechtigung verfügen, ihre eigenen<br />
Leistungsbeiträge zu kommentieren. Auf der obersten <strong>St</strong>ufe der Cockpits könnte der<br />
Zugriff zur Funktionalität der Kommentierung neben dem CEO auch den Mitarbeitern<br />
einer <strong>Performance</strong> <strong>Management</strong> Abteilung übertragen werden.<br />
241
Die Funktionalität der Kommentierung dient dabei nicht nur dazu, Leistungsbeiträge verständlicher<br />
zu machen und zu plausibilisieren. Daneben sollten die internen/externen Lieferanten<br />
auch die Möglichkeit erhalten, ihnen zugewiesene Leistungsbeiträge nicht oder<br />
nur unter Vorbehalt zu akzeptieren und dies mit einem begründeten Kommentar zum<br />
Ausdruck zu bringen. Ausserdem soll den Verantwortlichen für das Messverfahren die<br />
Möglichkeit gegeben werden, durch Kommentare auf Messfehler oder Ungenauigkeiten<br />
hinzuweisen. Aussagekräftige Wertbeitragskennzahlen können Ungenauigkeiten aufweisen,<br />
die sich aus den hohen Ansprüchen an Bewertbarkeit, Nachvollziehbarkeit, Aktualität<br />
und ihre limitierte Anzahl ergeben können. 410 Um unter diesen Bedingungen ein hohes<br />
Akzeptanzniveau für die Wertbeiträge zu erreichen, ist es dringend notwendig, mit geeigneten<br />
Kommentierungsfunktionen einen Dialog über mögliche Ungenauigkeiten und<br />
ihre Hintergründe führen zu können.<br />
Abbildung 4-49: Kommentierungsmöglichkeiten im Swissair Cockpit<br />
410 Beispielsweise muss in vielen Fällen die Aktualität einer Messung durch Ungenauigkeiten erkauft werden, indem<br />
Zahlen rapportiert werden, die z.B. durch die Buchhaltung noch nicht voll bestätigt sind.<br />
242
Abbildung 4-49 gibt einen Eindruck davon, wie in den Cockpits der Swissair die Kommentierungsfunktionalität<br />
umgesetzt wurde. Durch Anwählen einer beliebigen Säule<br />
konnte ein Kommentar eingetragen werden, der anschliessend durch ein kleines Dreieck<br />
unterhalb der Säule gekennzeichnet wurde. Beim Bewegen des Cursor auf ein solches<br />
Dreieck wurde der Kommentar sichtbar, wobei zusätzlich auch der Autor des Kommentars<br />
angezeigt werden konnte. Die Abbildung zeigt im Zentrum den Kommentar zu den<br />
Pax-h des 11. September 2001, in dem auf eine ganze Reihe umgeleiteter und annullierter<br />
Flüge hingewiesen wird.<br />
Im rechten unteren Bereich der Abbildung ist eine weitere Funktionalität sichtbar, mit der<br />
analog zum Kommentar die Information einer Säule in Zahlen ausgegeben werden konnte.<br />
Dies war wichtig, wo die Dimensionierung der Y-Achse nicht ausreichte, um extreme<br />
Säulen darstellen zu können, wie sie sich z.B. am 11. September ergeben haben. Kommentare,<br />
die nicht an Säulen gebunden waren, konnten in beliebiger Menge im offenen<br />
Bereich des Cockpits zum Ausdruck gebracht werden, der in Abschnitt 4.3.2.5 beschrieben<br />
wird.<br />
Als konkrete Empfehlung ergibt sich das Einbauen einer Funktionalität in die Cockpits,<br />
mit der das <strong>Performance</strong> <strong>Management</strong> und die für das jeweilige Cockpit verantwortlichen<br />
internen/externen Lieferanten ihre Kommentare direkt an einzelnen Werten in den Wertbeitragsdiagrammen<br />
anbringen können.<br />
4.3.2.4 Unterstützende Messgrössen<br />
AVCMS-Cockpits sind auf das Abdecken der Informationsbedürfnisse der Beziehung<br />
eines Managers einer beliebigen Führungsstufe mit seinen internen/externen Lieferanten<br />
ausgerichtet. Auch dann, wenn es gelingt, ein ideales Portfolio von Wertbeiträgen zu<br />
entwickeln, ist davon auszugehen, dass mit diesen zwar ein Grossteil der Informationsbedürfnisse<br />
aber nicht wirklich alle abgedeckt werden können.<br />
Vor allem dann, wenn Wertbeiträge neu eingeführt werden, kann es für die Akzeptanz<br />
der neuen Kennzahlen bei internen und externen Lieferanten entscheidend sein, dass parallel<br />
auch die etablierten und gewohnten Leistungskennzahlen im Cockpit eine angemessene<br />
Berücksichtigung finden.<br />
Wo der Vergleich mit Wettbewerbern dargestellt werden soll, kann es notwendig werden,<br />
zusätzliche Kennzahlen einzuführen, für die Benchmarking-Daten beschafft werden können.<br />
Denn wo Wertbeiträge beim Wettbewerb nicht gebräuchlich sind, müssen Benchmarking-Informationen<br />
mittels anderer Messgrössen dargestellt werden. Es sei denn, die-<br />
243
se lassen sich einfach und ohne grosse Ungenauigkeiten in Kauf nehmen zu müssen zu<br />
Wertbeiträgen konvertieren. 411<br />
Da Wertbeiträge in die Vergangenheit gerichtete, resultierende Grössen sind, kann es<br />
ausserdem sinnvoll sein, zusätzlich Frühwarnindikatoren in das Cockpit zu integrieren.<br />
Auch wenn Responsibility Accounting als Schwerpunkt der AVCMS-Cockpits gesehen<br />
wird, ist es durchaus wünschenswert, auch Elemente des Decision Support zu integrieren,<br />
wenn diese bei der Verwendung des Cockpits helfen können. 412<br />
Die Auswahl der unterstützenden Messgrössen sollte dem Eigentümer des jeweiligen<br />
Cockpits, dessen <strong>Performance</strong> dort aufgeschlüsselt wird, überlassen werden. Die Darstellungsform<br />
kann allerdings durch eine zentrale <strong>St</strong>elle oder die verwendete Software-<br />
Lösung vorgegeben werden. Dadurch erhöht sich die Einheitlichkeit der Darstellung und<br />
die Cockpits sind auch für Aussenstehende schneller in ihrer Bedeutung zu erfassen.<br />
Abbildung 4-50 zeigt, wie im Cockpit der Swissair mit unterstützenden Messgrössen<br />
umgegangen wurde. Der Bereich der unterstützenden Messgrössen ist in der Abbildung<br />
dunkel eingerahmt. Aufgrund der operativen Ausrichtung des Swissair Cockpits beschränkte<br />
man sich in diesem Bereich auf die Darstellung des Prozentsatzes pünktlicher<br />
Flüge, die auch als Prozentpünktlichkeit bezeichnet wird. 413<br />
Aus der Abbildung wird ersichtlich, dass die Darstellung der Prozentpünktlichkeit direkt<br />
unterhalb der Pax-h angeordnet wurde. Auf diese Weise war es einfach möglich, die<br />
Auswirkungen von Betriebsstörungen auf zwei unterschiedliche Qualitätsmessgrössen<br />
der Pünktlichkeit und Zuverlässigkeit zu vergleichen. Kritische Anwender, die nicht auf<br />
die Darstellung der klassischen Prozentpünktlichkeit verzichten wollten, sollten so mit<br />
der Zeit von der besseren Eignung des Wertbeitrages Pax-h überzeugt werden. Als Beispiel,<br />
das diese bessere Eignung besonders gut dokumentiert, können die Tage unmittelbar<br />
nach dem 11. September 2001 gelten. Hier zeigen die Pünktlichkeitskurven einen<br />
aussergewöhnlich hohen Prozentsatz pünktlicher Flüge, also eine sehr gute <strong>Performance</strong><br />
an. Die Pax-h sind allerdings auf Rekordniveau einer sehr schlechten <strong>Performance</strong>. In der<br />
Folge der Terroranschläge des 11. Septembers wurden viele Flüge annulliert oder es kam<br />
411 Zum Benchmarking bei Swissair im Bereich Überlastung der Luftstrassen- und Flughafenkapazität vgl. Ab-<br />
schnitt 4.4.1.3.<br />
412 Vgl. hierzu die Abschnitte 4.3.2.7 und 4.3.2.8 auf Seite 251ff.<br />
413 Abflugs- und Ankunftspünktlichkeit (Departure and Arrival Punctuality) sind definiert als Prozentsatz der pünktlich<br />
abgeflogenen bzw. pünktlich angekommenen Flüge innerhalb von einer Toleranz von 15 Minuten. Bei<br />
Swissair-internen Messungen wurde für die Abflugspünktlichkeit sogar eine Toleranzschwelle von nur 3 Minuten<br />
verwendet.<br />
244
zu lange anhaltenden Verspätungen. Kurze Verspätungen, z.B. durch Engpässe am Flughafen<br />
Zürich, gingen teilweise zurück, da aufgrund vieler Annullationen sonst überlastete<br />
Abfertigungskapazitäten und Luftstrassen frei wurden. Der Prozentsatz der unpünktlichen<br />
Flüge ging also zurück, während die Passagiere aufgrund von Annullationen und langen<br />
Verspätungen Wartezeiten in Rekordhöhe hinnehmen mussten. Dem Betrachter wurde<br />
schnell klar, dass die Pax-h den für die Kunden relevanten Schaden direkter darstellen<br />
konnten, als die Prozentpünktlichkeit. Ein weiterer Vorteil der Wertbeitragskennziffer<br />
Pax-h, der durch den unmittelbaren Vergleich mit den Verspätungskurven deutlich wird,<br />
ist in der Anzeige der Erfolgsbeiträge zu sehen. Nicht das Ausmass eines Problems wird<br />
deutlich, sondern auch seine Verteilung auf die verantwortlichen Manager und Lieferanten.<br />
Aus den Kurven der Prozentpünktlichkeit hingegen kann keinerlei ursächliche Verknüpfung<br />
abgelesen werden.<br />
Prozentsatz pünktlicher Flüge<br />
Abbildung 4-50: Unterstützende Messgrössen im Swissair Cockpit<br />
Ein weiteres Beispiel für eine unterstützende Messgrösse, die eingesetzt wurde, um für<br />
die Akzeptanz der Pax-h zu werben, konnte im Cockpit der SR Technics gefunden werden.<br />
Das ansonsten identisch aufgebaute Cockpit des Swissair-Lieferanten, zeigte im<br />
Wertbeiträge Bereich die Aufschlüsselung der Leistungsbeiträge nach innerhalb der SR<br />
245
Technics verwendeten Kategorien. Anstelle der Prozentpünktlichkeit wurde als unterstützende<br />
Messgrösse die so genannte Dispatch Reliability gezeigt. Diese Kennzahl gibt den<br />
Prozentsatz derjenigen Flüge an, die aufgrund technischer Schwierigkeiten weder mehr<br />
als 15 Minuten verspätet abgeflogen, noch annulliert worden sind. Abbildung 4-51 zeigt<br />
das Cockpit der SR Technics, in dem der Bereich der unterstützenden Messgrössen mit<br />
der Dispatch Reliability durch eine dunkle Umrahmung hervorgehoben ist.<br />
Aus der Abbildung ist ersichtlich, dass die Dispatch Reliability fast konstant bei 100%<br />
liegt. Denn der Anteil der durch technische Schwierigkeiten verzögerten oder annullierten<br />
Abflüge war sehr gering. Die Pax-h im Säulendiagramm darüber zeigen hingegen<br />
starke Schwankungen. Fällt beispielsweise ein einzelnes Langstreckenflugzeug aufgrund<br />
technischer <strong>St</strong>örungen für längere Zeit aus, kann dies eine ganze Kette von Annullationen<br />
und Verspätungen nach sich ziehen, die alle in erheblichen Beiträgen zu den Pax-h zum<br />
Ausdruck kommen.<br />
Abbildung 4-51: Cockpit des Lieferanten SR Technics<br />
Dispatch Reliability<br />
Da man bei SR Technics gewohnt war mit der Dispatch Reliability umzugehen und diese<br />
Kennzahl lange in den Leistungsvereinbarungen und Lieferverträgen zwischen Swissair<br />
246
und SR Technics verankert war, wurde es notwendig, zunächst beide Kennzahlen in einem<br />
Parallelbetrieb zu verfolgen. Denn vor der Umstellung der Verträge auf den Wertbeitrag<br />
Pax-h musste erst das nötige Akzeptanzniveau hergestellt werden, das vor allem<br />
durch eine Erhöhung der Nachvollziehbarkeit und den Bezug zu etablierten Messgrössen<br />
erreicht werden kann.<br />
Die Existenz lange etablierter Messgrössen kann ein wichtiger Grund dafür sein, dass<br />
einer neuen Wertbeitragskennziffer nicht die gewünschte Akzeptanz entgegengebracht<br />
wird. Die internen und externen Lieferanten sind es dann möglicherweise gewohnt, ihre<br />
<strong>Performance</strong> an solch einer etablierten Kennzahl zu messen und auch danach beurteilt zu<br />
werden. Die Akzeptanz kann in solch einem Fall gesteigert werden, indem zusätzlich zur<br />
neuen Wertbeitragskennziffer die etablierte Kennzahl als Orientierungsgrösse beibehalten<br />
wird. Durch eine Gegenüberstellung beider Grössen in den Cockpits wird es für die Beteiligten<br />
einfacher, Bezüge zwischen neuen und etablierten Kennzahlen herzustellen und<br />
die Zusammenhänge zu verstehen.<br />
Als Empfehlung für die Gestaltung von Cockpits im Rahmen des AVCMS kann also<br />
festgehalten werden, dass in den Cockpits neben den Wertbeiträgen auch für solche<br />
Kennzahlen Raum reserviert werden muss, die für die Akzeptanz neuer Wertbeitragskennziffern<br />
und für das Benchmarking nötig sind.<br />
4.3.2.5 Offener Bereich<br />
Ein offener Bereich sollte in den Cockpits des AVCMS die Möglichkeit bieten, all diejenigen<br />
für die betrachteten Kunden-Lieferanten-Beziehungen relevanten Informationen<br />
darzustellen, die von den strukturierten Teilen nicht ausreichend abgedeckt werden. Der<br />
offene Bereich sollte dabei von den für das jeweilige Cockpit verantwortlichen internen/externen<br />
Lieferanten und von den <strong>Performance</strong> <strong>Management</strong> Verantwortlichen individuell<br />
gestaltet werden können. Technisch könnte diese Gestaltungsfreiheit beispielsweise<br />
durch die Möglichkeit, elektronische Verweise (Links) anzubringen oder durch die<br />
Verfügbarkeit von Textfeldern zur freien Eingabe umgesetzt werden.<br />
Mögliche Inhalte des offenen Bereichs können neben generellen Kommentaren und Beschreibungen<br />
auch Ad hoc Analysen oder lokal erarbeitete Auswertungen und Reports<br />
sein, auf die elektronisch verwiesen wird. Alle internen/externen Lieferanten haben so die<br />
Möglichkeit, eigene Präsentationen, Dokumente oder Tabellenkalkulationen, die die Systematik<br />
der Wertbeiträge und der unterstützenden Messgrössen verlassen, in den Kontext<br />
ihres Cockpits einzufügen. Es gibt viele denkbare Gründe dafür, dass für das Responsibility<br />
Accounting relevante Betrachtungen und Analysen, nicht immer vollständig im strukturierten<br />
Teil vorliegen. Vielfach sind z.B. bestimmte Analysen nur für einen begrenzten<br />
247
Zeitraum relevant. Dies gilt beispielsweise dann, wenn ein Problem auftritt, das sich zwar<br />
eine Zeit lang stark auf die Wertbeiträge auswirkt und genau verfolgt werden sollte, dann<br />
aber behoben werden kann.<br />
Ein Beispiel für die Darstellung eines offenen Bereiches ist in Abbildung 4-52 zu sehen,<br />
die das Swissair Cockpit zeigt, in dem der offene Bereich durch eine dunkle Umrandung<br />
hervorgehoben wurde. Bei Swissair wurden hier von den interne/externen Lieferanten vor<br />
allem Analysen und Trends dargestellt, die sich mit dem Fortschritt auf aktuell laufenden<br />
Qualitäts- und Ergebnisverbesserungsprogrammen befassten.<br />
Abbildung 4-52: Offener Bereich im Swissair Cockpit<br />
Offener Bereich<br />
Vom zentralen <strong>Performance</strong> <strong>Management</strong> Team wurde der offene Bereich ausserdem<br />
genutzt, um vereinbarte Meilensteine der Verbesserungsprogramme zu dokumentieren<br />
und ihre Einhaltung überwachen zu können. Durch das Drücken von Knöpfen konnten<br />
elektronische Links zu den entsprechenden Dokumenten aufgerufen werden, die entweder<br />
vom <strong>Performance</strong> <strong>Management</strong> Team oder von den internen/externen Lieferanten auf<br />
den Cockpit-Server geladen wurden.<br />
248
Durch die Möglichkeit, beliebige Dokumente mit den Cockpits zu „Verlinken“ konnte<br />
ein laufend aktualisierter Bezug der in Wertbeitragskennziffern ausgedrückten Leistungsbeiträge<br />
der internen/externen Lieferanten zu ihrer lokalen Situation und ihren verwendeten<br />
Lösungsansätzen hergestellt werden. Auf diese Weise entstand faktisch ein<br />
durch Leistungsbeiträge strukturiertes Information <strong>Management</strong> System.<br />
Als Gestaltungsempfehlung lässt sich somit zusammenfassen, dass jedes Cockpit über<br />
einen unstrukturierten Bereich verfügen sollte, der von den <strong>Performance</strong> <strong>Management</strong><br />
Verantwortlichen und den für das jeweilige Cockpit verantwortlichen internen/externen<br />
Lieferanten individuell gestaltet und - z.B. mit elektronischen Verweisen (Links) - beliebig<br />
ausgeweitet werden kann.<br />
4.3.2.6 Einheitlichkeit der Schlüsselelemente<br />
Eine weitere wichtige Eigenschaft, die für Cockpits auf Basis des AVCMS empfohlen<br />
wird, ist der unternehmensweit einheitliche Aufbau von Schlüsselkomponenten der Darstellung<br />
und funktionalen <strong>St</strong>euerung. Denn auf diese Weise kann die Orientierung in den<br />
Cockpits und ihre Verständlichkeit verbessert werden. Hat man einmal den Aufbau und<br />
die Funktionsweise eines Cockpits verstanden, erschliesst sich das Verständnis für alle<br />
anderen Cockpits dann wie von selbst.<br />
In der unten stehenden Abbildung 4-53 sind einige dieser Schlüsselkomponenten im<br />
Swissair Cockpit durch eine dunkle Umrandung hervorgehoben. In allen Cockpits der<br />
Swissair und ihren Lieferanten war der Bereich für die Navigation, die Wahl des Betrachtungszeitraumes414<br />
und die Legende am gleichen Ort. Zudem waren die in den vorangehenden<br />
Abschnitten dargestellten Bereiche für Wertbeiträge, unterstützende Messgrössen<br />
und den offen Bereich ebenfalls in allen Cockpits identisch platziert. Um Verwechslungen<br />
zwischen den identisch aufgebauten Cockpits zu vermeiden, wurden für die Cockpits<br />
der einzelnen internen/externen Lieferanten unterschiedliche Hintergrundfarben verwendet,<br />
die jeweils der Farbe des gerade dargestellten Lieferanten in der Legende entsprachen.<br />
Die Zusammenfassung der Gestaltungsempfehlung ist hier sehr einfach: Die Darstellung<br />
der Wertbeiträge, der graphische Aufbau und die Grundelemente der funktionalen <strong>St</strong>euerung<br />
sollten in allen Cockpits einer Organisation einheitlich gestaltet und angeordnet<br />
sein.<br />
414 Hier konnte der Aggregationsgrad der Daten in einer Säule verstellt werden, wobei pro Säule entweder die Daten<br />
einer <strong>St</strong>unde, eines Tag, einer Woche oder eines Monats enthalten waren. Im Bereich der Pax-h beispielsweise<br />
waren damit Trends von 28 <strong>St</strong>unden bis 28 Monaten darstellbar.<br />
249
Navigation<br />
Zeitraum<br />
Abbildung 4-53: Einheitlichkeit der Schlüsselelemente im Swissair Cockpit<br />
4.3.2.7 Verwendung in <strong>Management</strong> Meetings<br />
Legende<br />
Auf Basis des AVCMS gestaltete Cockpits müssen sich schliesslich daran messen lassen,<br />
wie gut sie in der Lage sind, die Durchführung und die Vorbereitung der <strong>Management</strong><br />
Meetings zu unterstützen, die sich mit Responsibility Accounting befassen. Solche Meetings,<br />
die auch als <strong>Performance</strong> Reviews bezeichnet werden können, dienen zwar in erster<br />
Linie der Führung der internen/externen Lieferanten im Rahmen des Responsibility<br />
Accounting, sie können aber auch Entscheidungsabläufe tangieren.<br />
Bei Swissair wurde ein solches <strong>Performance</strong> Review Meeting für den operativen Bereich<br />
14-täglich unter der Bezeichnung EMB, Executive <strong>Management</strong> Briefing, durchgeführt.<br />
Das <strong>Management</strong> Team der Swissair traf sich an diesen Meetings mit den Leitern der<br />
externen Lieferanten, so dass Repräsentanten der wichtigsten internen/externen Lieferanten,<br />
anwesend waren.<br />
Jeder dieser Lieferanten konnte am EMB sein eigenes Cockpit präsentieren, das er unter<br />
Zuhilfenahme des offenen Bereiches und der Kommentarfunktionen optimal für das<br />
Meeting vorbereiten konnte. Jeder Lieferant war so in der Lage, Zielabweichungen auf<br />
seinen Beiträgen zu Wertbeitragskennziffern fundiert zu kommentieren und den <strong>St</strong>atus<br />
250
auf damit verbundenen Initiativen zur <strong>Performance</strong>-Verbesserung im selben Zusammenhang<br />
aufzuzeigen. Vielfach wurden von den internen/externen Lieferanten am EMB auch<br />
Vorschläge für neue Verbesserungsinitiativen angebracht, die auch die Involvierung anderer<br />
Lieferanten betrafen oder die durch die Geschäftsleitung entschieden werden mussten.<br />
Die Wertschöpfung solcher Vorschläge wurde dann oft in ihrem angestrebten Effekt<br />
auf die Wertbeiträge ausgedrückt und direkt mit dem entsprechenden Cockpit durch<br />
elektronische Links verbunden. Auf diese Weise waren die Vorschläge stets sehr schnell<br />
für alle Beteiligten fassbar und auf die relevanten Leistungsaspekte zuordenbar. Die Abläufe<br />
um die Cockpits waren nach einiger Zeit so effizient geworden, dass das EMB in<br />
nur 30 Minuten durchgeführt werden konnte, in denen auch eine Vielzahl von Vorschlägen<br />
diskutiert und ggf. angenommen wurden.<br />
Ein Grossteil der Effizienz des EMB konnte auf eine fundierte Vorbereitung auf Seiten<br />
der internen/externen Lieferanten zurückgeführt werden. Bei jedem Lieferanten konnte<br />
eine ganze Reihe von Linienmanagers sehr einfach am Vorbereitungsprozess teilnehmen,<br />
da diesen die Möglichkeit zur Verfügung stand, jederzeit auf das eigene Cockpit zuzugreifen,<br />
und dabei sowohl Kommentare wie auch elektronische Links anzubringen.<br />
Von dieser Funktionalität wurde häufig Gebrauch gemacht. Viele Linienmanagers wussten<br />
die Möglichkeit zu schätzen, mit dem Cockpit über eine Plattform zu verfügen, über<br />
die sie ihre Verbesserungsvorschläge schnell und unbürokratisch an die entscheidungsrelevanten<br />
Geschäftsleitungssitzungen bringen konnten. Sie wussten es ebenfalls zu schätzen,<br />
dass sie ihre Vorschläge in den Cockpits genau dort einbauen konnten, wo die Abweichungen<br />
auf Wertbeiträge zu sehen waren, die mit ihren Vorschlägen angegangen<br />
werden sollten. Die Effizienz der <strong>Performance</strong> <strong>Management</strong> Aktivitäten wurde durch das<br />
Cockpit also nicht nur für die Teilnehmer des EMB verbessert, sondern die übrigen Linienmanager<br />
konnten ebenfalls von vereinfachten Abläufen profitieren.<br />
4.3.2.8 Visualisierung für die Mitarbeiter<br />
AVCMS-Cockpits sollten in ihrer Anwendung nicht auf die Unterstützung der <strong>Management</strong>prozesse<br />
auf den oberen Führungsebenen beschränkt bleiben. Entsprechend gestaltete<br />
Cockpits können sich auch hervorragend dazu eignen, die aktuelle <strong>Performance</strong> Situation<br />
für die Mitarbeiter zu visualisieren.<br />
Wird eine solche Visualisierung erfolgreich umgesetzt, sollten die Mitarbeiter in die Lage<br />
versetzt sein, die <strong>Performance</strong> des Unternehmens und den Beitrag ihres Bereiches dazu<br />
vollumfänglich zu verstehen und damit auch den Bezug zu ihrer täglichen Arbeit herzustellen.<br />
Kann auf breiter Basis ein solches Verständnis erreicht werden, dann kann man in<br />
251
der Regel damit rechnen, dass die Motivation und Initiative vieler Mitarbeiter steigen<br />
wird, sich täglich für die Ziele ihres Unternehmens einzusetzen.<br />
Bei Swissair wurden an für viele Mitarbeiter gut sichtbaren <strong>St</strong>ellen, wie z.B. am Haupteingang,<br />
Monitore platziert, die den aktuellen <strong>St</strong>and der Cockpits wiedergaben. Dabei<br />
wurde häufig auch eine Einstellung gewählt, auf der die <strong>Performance</strong> der letzten 28<br />
<strong>St</strong>unden sichtbar war, so dass jede Säule in den Cockpits die <strong>Performance</strong> einer <strong>St</strong>unde<br />
anzeigte. Mittels dieser meist durch Kommentare ergänzten Darstellung war es den Mitarbeitern<br />
zunehmend möglich, die Auswirkungen von soeben im Tagesgeschäft erlebten<br />
Vorkommnissen auf die <strong>Performance</strong> ihres Bereiches zu verstehen. Spürbar war dieses<br />
wachsende Verständnis nicht nur aufgrund von generellen Leistungsverbesserungen. Es<br />
konnte auch beobachtet werden, dass zunehmend aus den Reihen der Mitarbeiter Vorschläge<br />
darüber gemacht wurden, wie die <strong>Performance</strong> auf den Wertbeitrag verbessert<br />
werden konnte. Im Bereich der Bodenabfertigung wurden beispielsweise neue, kürzere<br />
Wege für Transferpassagiere vorgeschlagen, während im Bereich der Flugzeugwartung<br />
Vorschläge über die Neugestaltung technischer Abläufe eingebracht wurden.<br />
Es scheint möglich, dass im Fall von Swissair auch die gewählten Wertbeiträge einiges<br />
zur hohen den Cockpits entgegengebrachten Aufmerksamkeit beigetragen haben. Denn<br />
der Bezug dieser Messgrössen zum unmittelbar erlebten Tagesgeschäft war teilweise sehr<br />
direkt. Wurde beispielsweise ein Langstreckenflugzeug einige <strong>St</strong>unden zu spät aus der<br />
Wartung entlassen, dann kam dies in den Cockpits in der Regel durch ein starkes Ansteigen<br />
der Pax-h und eventuell der CF- zum Ausdruck. Mitarbeiter der SR Technics, die<br />
einige <strong>St</strong>unden nach solch einem Vorfall einen Blick auf das Cockpit werfen konnten,<br />
waren in der Lage die Auswirkungen ihres erlebten Tagesgeschäftes dort direkt nachzuvollziehen.<br />
Sie konnten zunehmend ein Bewusstsein dafür entwickeln, bei welchen Flügen<br />
ein pünktliches Abschliessen der Wartung von besonderer Bedeutung für die <strong>Airline</strong><br />
ist, und wie bei diesen wichtigen Flügen Vorkehrungen getroffen werden können, die<br />
eine verspätete Auslieferung verhindern helfen.<br />
4.3.3 Technische Umsetzung<br />
Viele der in Abschnitt 4.3.2 genannten Gestaltungsempfehlungen für AVCMS-Cockpits<br />
haben mit der informationstechnischen Umsetzung des Cockpits zu tun. Dabei konnten<br />
zwar Screenshots von Swissair-Cockpits zur Illustration herangezogen werden, jedoch<br />
decken diese Beispiele nur einen kleinen Teil der Kennzahlen des AVCMS ab. Denn wie<br />
bereits erwähnt wurde, kann die Cockpit-Umsetzung bei Swissair zwar als eine Art frühe<br />
Version des AVCMS bezeichnet werden. Allerdings muss dabei berücksichtigt werden,<br />
dass sie auf den Bereich der Reduktion von <strong>St</strong>örungen des Flugbetriebes beschränkt war.<br />
252
Dennoch sollte die <strong>St</strong>ruktur des Swissair-Cockpit als Ausgangsbasis für die Gestaltung<br />
der Funktionalitäten eines AVCMS Cockpit dienen können, wenn angemessene Anpassungen<br />
vorgenommen werden, die dem verbreiterten Fokus des AVCMS Rechnung tragen.<br />
Ein entsprechender Vorschlag über eine solche Anpassung der Funktionalitäten des<br />
Swissair Cockpit an die Erfordernisse des AVCMS ist in Abbildung 4-54 ersichtlich.<br />
Hier wurde der mittlere Teil, der für die Darstellung der Wertbeiträge und unterstützenden<br />
Messgrössen vorgesehen ist, durch einen neuen Aufbau ersetzt.<br />
Abbildung 4-54: Anpassungen bei den Cockpit Funktionalitäten<br />
Dazu wurden vier Segmente gebildet, die vier der fünf Kernbereiche des AVCMS repräsentieren.<br />
Links oben wurde der Ertrag, daneben die Qualität, unter dem Ertrag die Kosten,<br />
und daneben der Bereich der Finanzresultate platziert. Am oberen Rand jedes der<br />
vier Segmente wurde eine Auswahlmöglichkeit geschaffen, mit der die gerade benötigte<br />
Sicht aus jedem der vier Kernbereiche in den Vordergrund bewegt werden kann. Um<br />
zwischen Volumen- und verschiedenen Relationsdarstellungen wählen zu können, wurde<br />
zusätzlich für jede Sicht in jedem Bereich eine weitere Auswahlmöglichkeit geschaffen.<br />
Diese wurde jeweils auf der linken Seite angeordnet. Zudem wurden für alle Auswahl-<br />
253
möglichkeiten <strong>St</strong>andardeinstellungen markiert, so dass für jeden der vier Kernbereiche<br />
erkennbar ist, welche der Sichten in der Regel für das <strong>Performance</strong> <strong>Management</strong> von<br />
primärer Bedeutung sind. In einer anderen Form der <strong>St</strong>andardeinstellung wurde für jede<br />
Sicht diejenige Mengengrösse markiert, die gemäss der Zielsetzungsprozesse von primärer<br />
Bedeutung für das Bilden der Relationsgrössen ist. Betrachtet man beispielsweise den<br />
Qualitätsbereich in der rechten oberen Ecke, dann wird klar, dass die Sicht Quality, die<br />
die Quality-Defect-points (QD-p) anzeigt, hier als <strong>St</strong>andardsicht markiert ist. Innerhalb<br />
dieser Sicht sind die Pax als standardmässige Mengengrösse zum Bilden von Relationen<br />
markiert. Mit einem Aufbau, wie in Abbildung 4-54 gezeigt, kann interaktiv durch alle<br />
wichtigen Kernbereiche415 des AVCMS navigiert werden, ohne dabei entscheidende Wirkungszusammenhänge<br />
zwischen diesen Bereichen aus den Augen zu verlieren oder das<br />
Cockpit mit zu vielen gleichzeitig angezeigten Charts zu überladen. Zudem wird auch<br />
dem Bedürfnis Rechnung getragen, die Mengengrössen des AVCMS so zu verwalten,<br />
dass die Zielsetzungs- und Kontrollprozesse auf Wertbeiträgen, einschliesslich der Darstellung<br />
von Zielabweichungen, optimal unterstützt werden können.<br />
4.4 Praktische Anwendung<br />
Die vorangehenden Abschnitte haben sich vor allem damit befasst, auf welche Weise die<br />
Forderungen des AVCMS nach aussagekräftigen Kennzahlen und Cockpits erfüllt werden<br />
können. Dazu wurden die Wertbeitragskennziffern des AVCMS und Gestaltungsempfehlungen<br />
für Cockpit auf Basis dieser Kennzahlen dargestellt.<br />
Vorschläge zur Erfüllung der anderen beiden in Abschnitt 4.1 genannten Zielsetzungen<br />
des AVCMS, die Klarheit der Verantwortung und die Einfachheit und Transparenz, ergeben<br />
sich nicht direkt aus der Darstellung der Kennzahlen und Cockpits des AVCMS. Hier<br />
können eher Hinweise zur praktischen Anwendung helfen, die aus Erfahrungen mit<br />
Wertbeitragskennziffern und Cockpits bei Swissair gewonnen werden konnten.<br />
Mit solchen auf Erfahrungen basierten Hinweisen befassen sich die nächsten Abschnitte,<br />
und zwar unter den folgenden Titeln:<br />
• Regelung der Verantwortlichkeiten<br />
• Erzielen von Einfachheit und Transparenz<br />
415 Der fünfte Bereich der Prozesse, der nicht Teil der vier neu in das Swissair Cockpit eingesetzten Kernbereiche<br />
ist, war ursprünglich schon im Swissair Cockpit vorhanden und muss daher nicht neu eingebaut werden. Mittels<br />
einer Navigationsleiste an der linken Seite des Cockpits kann man sich durch die Prozesse bzw. durch die Hierarchie<br />
der internen/externen Lieferanten bewegen.<br />
254
4.4.1 Regelung der Verantwortlichkeiten<br />
Bei der Arbeit mit Wertbeitragskennziffern nimmt die klare Regelung der Verantwortlichkeiten<br />
eine zentrale <strong>St</strong>ellung ein. Nur wenn die internen/externen Lieferanten auch<br />
wirklich Verantwortung für ihren Anteil an den Wertbeitragskennziffern übernehmen und<br />
sich entsprechend verhalten, wird sich die Leistung des Unternehmens nachhaltig verbessern<br />
können. Transparent wird die Verantwortung für Wertbeiträge dann, wenn eine Hierarchie<br />
der internen/externen Lieferanten aufgezeigt werden kann, die klar regelt, wer auf<br />
welcher Führungsstufe für welchen Anteil an den Erfolgsmessgrössen verantwortlich ist.<br />
Zur Klarheit der Verantwortung gehört allerdings auch, dass alle Wertbeiträge möglichst<br />
vollständig einer verantwortlichen <strong>St</strong>ellen zugewiesen werden können, so dass möglichst<br />
wenige Beiträge entstehen, für die sich niemand verantwortlich fühlt. Auch schwer zuordenbare<br />
oder wenig beeinflussbare Beiträge sollten daher soweit wie möglich einem Verantwortlichen<br />
zugeteilt werden können.<br />
Das Thema der Regelung der Verantwortlichkeiten wird daher in den nächsten Abschnitten<br />
in drei Schritten behandelt:<br />
• Vollständige Zuweisung der Verantwortlichkeiten<br />
• Entwicklung einer Lieferantenhierarchie<br />
• Zuweisung von Verantwortung in komplexen Wirkungsketten<br />
• Zuweisung von wenig beeinflussbaren Erfolgsbeiträgen<br />
4.4.1.1 Vollständige Zuweisung der Verantwortlichkeiten<br />
In der Praxis der Unternehmensführung ist eine vollständige Zuteilung der Verantwortlichkeiten<br />
nicht immer selbstverständlich. Häufig werden wichtige Bestimmungsfaktoren<br />
des Erfolges als exogen deklariert und von niemandem wirklich verantwortet. Andere<br />
wichtige Erfolgsbeiträge werden oft von mehreren Managers oder Organisationen gemeinsam<br />
verantwortet. Bei schlechter <strong>Performance</strong> kann dies dazu führen, dass viel <strong>Management</strong>zeit<br />
für Diskussionen über die Zuweisung von Schuld verwendet wird, die dem<br />
Erarbeiten von konstruktiven Massnahmen zur Leistungssteigerung abhanden kommt. In<br />
solchen Situationen kann die vollständige Verteilung der Verantwortung zum Erschliessen<br />
bedeutender Ergebnisverbesserungspotentiale verhelfen. Die Hintergründe werden in<br />
der nachstehenden Abbildung 4-55 veranschaulicht.<br />
Die Abbildung zeigt auf der linken Seite eine Ausgangslage, bei der ein Grossteil der<br />
Verantwortung für die Erfolgsbeiträge entweder keinem Verantwortlichen zugeteilt ist<br />
255
oder einer Gruppe von Managers in Form einer gemeinsam wahrzunehmenden Verantwortung<br />
übertragen wurde.<br />
50%<br />
Verbesserungspotential<br />
Vollständige Zuweisung<br />
der Verantwortlichkeiten<br />
Erfolgsbeiträge<br />
Niemand<br />
Geteilt<br />
Manager A<br />
Manager B<br />
Manager C<br />
Erfolgsbeiträge<br />
Abbildung 4-55: Vollständige Zuweisung von Verantwortlichkeiten<br />
Exogene<br />
Faktoren<br />
50%<br />
Verbesserungspotential<br />
Wenn man davon ausgeht, dass Verbesserungen vor allem dort aktiv vorgenommen werden,<br />
wo die Verantwortung dafür einem einzelnen Manager klar und eindeutig zugewiesen<br />
werden kann, dann bleibt das realisierbare Verbesserungspotential, im Beispiel mit<br />
einer Verbesserungsrate von 50% angegebenen, auf den Bereich der drei kleinen Blöcke<br />
unten links in der Grafik beschränkt. Die rechte Seite der Abbildung veranschaulicht was<br />
passiert, wenn die Verantwortung vollständig auf die drei Manager verteilt wird, und dabei<br />
jeder seinen Teil der Verantwortung eindeutig zugewiesenen bekommt. Die angenommene<br />
Verbesserungsrate von 50% kann jetzt grundsätzlich auf die gesamte Menge<br />
der Erfolgsbeiträge angewendet werden, so dass sich ein um ein vielfaches grösseres realisierbares<br />
Ergebnisverbesserungspotential ergibt. Aus der Abbildung geht hervor, dass<br />
um eine vollständige Verteilung von Verantwortlichkeiten zu erreichen, den Managers<br />
häufig auch so genannte exogene Faktoren zugewiesen werden müssen. In Abschnitt<br />
4.4.1.3 auf Seite 258ff wird näher auf Möglichkeiten eingegangen, solche wenig beeinflussbaren<br />
Erfolgsbeiträge wirksam in die Abläufe des Responsibility Accounting zu integrieren.<br />
256
4.4.1.2 Entwicklung einer Lieferantenhierarchie<br />
Die vollständige Zuweisung von Verantwortung sollte auf jeder <strong>St</strong>ufe der Führung separat<br />
vorgenommen werden. Auf diese Weise entsteht eine sich von oben nach unten entwickelnde<br />
Lieferantenhierarchie, bei der jeder interne/externe Lieferant dafür Sorge trägt,<br />
dass er der ihm übertragenen Verantwortung auch gerecht werden kann, indem er seinerseits<br />
Vereinbarungen mit internen/externen Lieferanten der nachfolgenden Führungsstufe<br />
trifft. Die sich so entwickelnde Lieferantenhierarchie wird in Abbildung 4-56 illustriert.<br />
Lieferant<br />
Lieferant<br />
A1<br />
A1<br />
257<br />
Lieferant<br />
Lieferant<br />
A<br />
Lieferant<br />
Lieferant<br />
A2<br />
A2<br />
Lieferant<br />
Lieferant<br />
A3-a<br />
A3-a<br />
CEO<br />
CEO<br />
Lieferant<br />
Lieferant<br />
B<br />
Lieferant<br />
Lieferant<br />
A3<br />
A3<br />
Lieferant<br />
Lieferant<br />
A3-b<br />
A3-b<br />
Abbildung 4-56: Lieferantenhierarchie<br />
Lieferant<br />
Lieferant<br />
C<br />
Lieferant<br />
Lieferant<br />
A3-c<br />
A3-c<br />
Führungsstufe 1<br />
Führungsstufe 2<br />
Führungsstufe 3<br />
Führungsstufe 4<br />
Die Lieferantenhierarchie startet ihre Entwicklung beim Geschäftsführer bzw. CEO, der<br />
streng genommen auch als Lieferant der Anteilseigner und anderer <strong>St</strong>akeholders bezeichnet<br />
werden kann. 416 Hat der CEO in Zusammenarbeit mit den <strong>St</strong>akeholders und den <strong>Performance</strong><br />
<strong>Management</strong> Verantwortlichen die wichtigsten Unternehmensziele in Form<br />
von Wertbeiträgen definiert, sollte er die Verantwortung für die Erreichung der angestrebten<br />
Leistungsbeiträge vollständig der nächsten Führungsebene zuteilen können. Da-<br />
416 Würde man dieses Kunden-Lieferantenverhältnis in die Darstellung einbeziehen, könnte dies in Form einer dem<br />
CEO vorgelagerten Führungsstufe 0 abgebildet werden.
zu trifft er Vereinbarungen mit internen und externen Lieferanten, über die Erfolgsbeiträge,<br />
für die diese Verantwortung übernehmen sollen. Die direkten Lieferanten des CEO<br />
auf der Führungsstufe 2 setzen die übernommene Verantwortung dann ihrerseits in planerische<br />
und organisatorische Massnahmen um, die auch hier im Treffen von Vereinbarungen<br />
zum Ausdruck kommen, die die möglichst vollständige Zuweisung der Verantwortung<br />
auf die nächste Führungsstufe zum Ziel haben. Weil der CEO mit den Vereinbarungsprozessen<br />
beginnt und jeder Lieferant nur in Vereinbarungsprozesse mit der direkt<br />
vor- und der direkt nachgelagerten Führungsstufe involviert ist, entwickelt sich die Lieferantenhierarchie<br />
von oben nach unten.<br />
4.4.1.3 Zuweisung von Verantwortung in komplexen Wirkungsketten<br />
Eine Voraussetzung um das Ziel der vollständigen Zuweisung von Wertbeiträgen zu erreichen,<br />
ist es, Verkettungen von Verantwortung verschiedener Lieferanten in komplexen<br />
Wirkungsketten wirksam auflösen zu können. Nur so kann vermieden werden, dass<br />
Restwertbeiträge übrig bleiben, für die mehrere internen/externe Lieferanten eine gemeinsame<br />
Verantwortung haben, so dass niemand wirksam in die Pflicht genommen<br />
werden kann. Wo eine genaue Auflösung Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge im Messverfahren<br />
der Wertbeitragskennziffern nicht möglich ist, können Schätzungen oder<br />
<strong>St</strong>ichproben helfen, näherungsweise eine Zuordnung vorzunehmen.<br />
Anhand eines Beispiels aus der Swissair kann illustriert werden, wie Ursache-Wirkungs-<br />
Zusammenhänge, die eine Zuordnung zu den verantwortlichen internen und externen Lieferanten<br />
erschweren, aufgelöst werden können.<br />
Auslösende Verspätung Rotationsverspätung<br />
Abbildung 4-57: Ursache-Wirkungs-Kette bei Folgeverspätungen<br />
Verspätete<br />
Anschlussflüge<br />
258
Bei Swissair wurde festgestellt, dass die in Wertbeiträge auszudrückenden Konsequenzen<br />
von Verspätungen vielfach nicht den Verursachern der Verspätung direkt zugewiesen<br />
werden konnten. In den nach IATA-<strong>St</strong>andards kalibrierten Messsystemen wurde als<br />
Grund für einen Grossteil der Verspätungen die Flugzeugrotation oder ein verspätet eintreffender<br />
Flug mit Anschlusspassagieren angegeben. Dabei war unklar, wodurch die Rotationsverspätungen<br />
ausgelöst wurden, sie konnten keiner verantwortlichen Organisation<br />
zugeordnet werden. Gleiches galt für Anschlussverspätungen. Es war unklar, aus welchem<br />
Grund ein Flug mit Anschlusspassagieren verspätet eingetroffen ist, der auf einem<br />
oder mehreren anderen Flügen Anschlussverspätungen verursacht hat. Um diese Situation<br />
zu lösen, wurde bei Swissair ein System eingeführt, mit dem den indirekt verursachten<br />
Verspätungen und Flugannullationen die ursprünglichen Verursacher zugewiesen werden<br />
konnten. Mit Hilfe dieses Systems, das in Abbildung 4-57 illustriert ist, konnten die Konsequenzen<br />
aller Verspätungen dem verursachenden und verantwortlichen Organisationsbereich<br />
zugewiesen werden. Sie wurden damit führbar und Verbesserungen liessen sich<br />
realisieren.<br />
4.4.1.4 Zuweisung von wenig beeinflussbaren Erfolgsbeiträgen<br />
Bei einer vollständigen Zuweisung der Verantwortlichkeiten sollte immer berücksichtigt<br />
werden, dass für grosse Teile der Erfolgsbeiträge die Beeinflussbarkeit, realistisch betrachtet,<br />
sehr gering sein kann. Diese wenig beeinflussbaren Beiträge sollten in der Leistungsbeurteilung<br />
des Managers gesondert als solche aufgeführt werden, wie dies auch in<br />
der vorletzten Abbildung 4-55 durch den Bereich „exogene Faktoren“ gekennzeichnet ist.<br />
Gelingt es einem Manager in solch einem schwer beeinflussbaren Bereich Wertschöpfungspotentiale<br />
zu realisieren, dann sollte dies im <strong>Performance</strong> <strong>Management</strong> als viel<br />
grösserer Verdienst gewürdigt werden, als wenn gleiche Potentiale im leichter beeinflussbaren<br />
Bereich ausgeschöpft werden konnten. In derselben Weise sollten Zielsetzungen,<br />
die den schwer beeinflussbaren Bereich betreffen, entweder weniger ehrgeizig formuliert<br />
sein oder bei der Beurteilung der Zielerreichung sollte der teilweise exogene Charakter<br />
der Bestimmungsgrössen des Erfolges entsprechend berücksichtigt werden. Die<br />
Sonderrolle der schwer beeinflussbaren Erfolgsbeiträge in der Leistungsbeurteilung kann<br />
mit einem einfachen Hilfsmittel der grafischen Darstellung hervorgehoben werden. Die<br />
entsprechenden Wertbeitragskennziffern können dazu im Cockpit eines Lieferanten als<br />
unterteiltes Säulendiagramm dargestellt werden, wobei jede Säule in unterschiedliche<br />
Kategorien von Erfolgsbeiträgen innerhalb des Wertbeitrages aufgeteilt ist. Dabei können<br />
die Kategorien bzw. Segmente der Säulen von unten nach oben mit abnehmender Beeinflussbarkeit<br />
angeordnet werden. Schwer beeinflussbare Leistungsbeiträge sind auf diese<br />
Weise immer im obersten Teil der Säule zu finden und können bei Bedarf ausgeblendet<br />
259
werden, so dass das Diagramm auch ohne die schwer beeinflussbaren Erfolgsbeiträge<br />
gelesen und mit der Ziellinie verglichen werden kann.<br />
Anhand eines Beispiels aus der Swissair kann illustriert werden, wie die Zuweisung von<br />
schwer beeinflussbaren Erfolgsbeiträgen in den Verantwortungsbereich eines Managers<br />
zur Realisierung bedeutender Ergebnisverbesserungspotentiale führen kann.<br />
Ein grosser Anteil der bei Swissair realisierten Pax-h wurde ursächlich auf die Überfüllung<br />
des Luftraumes und die Wetterbindungen zurückgeführt. Da beide Faktoren als exogen<br />
angesehen wurden, standen sie lange Zeit nicht in Form aktiv geführter Leistungsbeiträge<br />
im Zentrum des <strong>Performance</strong> <strong>Management</strong>. Im Rahmen der Einführung von Lieferanten-spezifischen<br />
Cockpits, die unter anderem Pax-h enthielten, wurde auch ein Cockpit<br />
für die vermeintlich exogenen Faktoren eingeführt. Im Wesentlichen wurden dort die<br />
Effekte von Air Traffic Control (ATC), Air Traffic Services (ATS), <strong>St</strong>reiks von Dritt-<br />
<strong>Airline</strong>s, und von Wetterbedingungen auf Wertbeiträge wie den Pax-h abgebildet. Hinter<br />
den Begriffen ATC und ATS stehen Organisationen, die den Luftraum kontrollieren und<br />
die Luftstrassenkapazitäten verwalten. Als verantwortlich für das Cockpit der exogenen<br />
Einflussfaktoren wurde ein Manager eingesetzt, der über langjährige Erfahrungen im Bereich<br />
ATC und ATS verfügte. Er war in der Lage, die Hintergründe zu analysieren, die zu<br />
einer Überfüllung des Luftraumes führten und daraus Vorschläge für Kapazitätserweiterungen<br />
an kritischen Engpässen abzuleiten. Mit Hilfe von Lobbying-Aktivitäten konnte<br />
eine ganze Reihe der Vorschläge umgesetzt werden. 417 Die für ATC und ATS verantwortlichen<br />
Organisationen haben mehrmals Umstrukturierungen vorgenommen durch die<br />
neue Luftraumkontrollkapazitäten zur Verfügung gestellt werden konnten. Die durch<br />
Swissair realisierten Pax-h aufgrund ATC und ATS sind in mehreren Schritten deutlich<br />
zurückgegangen, und das trotzdem das Verkehrsvolumen der Swissair zur gleichen Zeit<br />
laufend im <strong>St</strong>eigen begriffen war. Diese Entwicklung geht auch aus Abbildung 4-58 hervor,<br />
die Aufgrund der Verfügbarkeit von Benchmarking Informationen anstatt Pax-h den<br />
Prozentsatz der ATC-induzierten Flugverspätungen pro Flughafen zeigt. 418<br />
Die Abbildung vergleicht die ATC-Verspätungsentwicklung des Flughafens Zürich, die<br />
in der oberen Linie angegeben ist mit der Entwicklung an anderen europäischen Flughäfen.<br />
Die Bezeichnungen „ARN V3“, „CILO 1+2“ und „Skyguide Zurich Training“ bezeichnen<br />
Massnahmen, die aufgrund zunehmender Verspätungen auch auf Initiative des<br />
für das exogene Cockpit verantwortlichen Swissair Managers eingeleitet worden sind.<br />
417 Zu den genannten Lobbying Aktivitäten vgl. auch Abschnitt 2.4.2.2.<br />
418 Der Prozentsatz der Flugverspätungen ist in Form von Abflugverspätungen mit 15 Minuten Toleranz angegeben<br />
(Departure Delay).<br />
260
Dabei ist sichtbar, dass die Umstellungen jeweils zu einer kurzfristigen Spitzenbelastung<br />
geführt haben, wonach sich allerdings immer die Verspätungssituation trotz Verkehrswachstum<br />
auf einem tieferen Niveau als vorher stabilisierte.<br />
% of Departures delayed due ATC-Slots<br />
261<br />
60<br />
50<br />
40<br />
30<br />
20<br />
10<br />
0<br />
ARN V3<br />
CIL0 1+2<br />
SKYGUIDE<br />
Zurich Training<br />
Sep Nov Jan Mar May Jul Sep Nov Jan Mar May Jul Sep Nov Jan Mar<br />
1998 1999 2000 2001<br />
Amsterdam Brussels Frankfurt London Zurich<br />
Source: Eurocontrol<br />
Abbildung 4-58: Rückgang der Verspätungen aufgrund von Luftraumüberlastung<br />
Ein wichtiger Grund für die erzielten Erfolge mag darin zu sehen sein, dass der zuständige<br />
Manager die Verantwortung für die schwer beeinflussbaren Bestimmungsgrössen seines<br />
Cockpits akzeptiert hat und aktiv dabei war, auf Verbesserungen hinzuwirken. Selbst<br />
die als klassisch exogen betrachtete Einflussgrösse des Wetters wurde so in den aktiven<br />
<strong>Management</strong>prozess einbezogen. Ein Teil der Pax-h aufgrund von Wetter-bedingten Verspätungen<br />
und Annullationen lässt sich nämlich vermeiden, wenn in aufwendigere Blindflugsysteme<br />
an Bord der Flugzeuge und an den Flughäfen investiert wird.<br />
4.4.2 Erzielen von Einfachheit und Transparenz<br />
Eine der wichtigsten Zielsetzungen des AVCMS ist die Einfachheit und Transparenz von<br />
<strong>Performance</strong> <strong>Management</strong> System und Abläufen. Die Einfachheit eines Systems kann vor<br />
allem dann erreicht werden, wenn die Anzahl der Systemelemente in einem überschaubaren<br />
Rahmen gehalten werden. Es geht also darum die im AVCMS abgebildete Anzahl<br />
Kennzahlen sowie die Anzahl interner und externer Lieferanten möglichst gering zu halten,<br />
ohne dabei zuviel an Aussagekraft zu verlieren. Aber auch dann, wenn ein diesen<br />
Ansprüchen genügendes System aus Kennzahlen und Lieferanten definiert worden ist,<br />
ist die Einfachheit und Transparenz im <strong>Performance</strong> <strong>Management</strong> einer <strong>Airline</strong> noch
nicht automatisch gewährleistet. Es kommt nämlich auch darauf an, die gewählten <strong>St</strong>rukturen<br />
konsequent in alle wichtigen Reporting-, Planungs- und Entscheidungsrechnungen<br />
zu integrieren. Nur so kann vermieden werden, dass eine zusätzliche Komplexität entsteht,<br />
die sich aus einer laufend notwendigen Abstimmung unterschiedlich definierter<br />
<strong>Performance</strong> <strong>Management</strong> Systeme und Abläufe ergeben würde.<br />
Um Möglichkeiten für das Erzielen von Einfachheit und Transparenz aufzuzeigen, befassen<br />
sich die nächsten Abschnitte daher mit den folgenden Schwerpunkten:<br />
• Beschränkung auf wenige und aussagekräftige Kennzahlen<br />
• Beschränkung der Anzahl Lieferanten pro Führungsstufe<br />
• Integration von Wertbeitragskennziffern und Lieferantenstruktur mit allen zentralen<br />
Reporting-, Planungs- und Entscheidungsrechnungen<br />
4.4.2.1 Beschränkung auf wenige und aussagekräftige Kennzahlen<br />
Schon im Abschnitt über die Zielsetzung des AVCMS wurde auf die Notwendigkeit hingewiesen,<br />
die Anzahl der im Zentrum des <strong>Performance</strong> <strong>Management</strong> stehenden Wertbeitragskennziffern<br />
auf möglichst 3-6 zu beschränken. Denn geht man von 6 internen/externen<br />
Lieferanten pro Führungsstufe aus, dann ergeben sich 18-36 Kombinationen<br />
aus Wertbeitragskennziffern und Lieferanten, die auf jeder Führungsstufe mit Planungs-,<br />
Zielsetzungs- und Kontrollprozessen aktiv geführt werden müssen. Eine Überschreitung<br />
dieser Anzahl ist nur schwierig mit dem hier zugrunde gelegten Verständnis von Einfachheit<br />
und Transparenz vereinbar.<br />
In den vorangehenden Abschnitten wurden insgesamt 9 Wertbeitragskennziffern für das<br />
AVCMS definiert, die sich jedoch auf 5 zusammenfassen lassen:<br />
Ertragsbereich: 2 Wertbeitragskennziffern<br />
Die beiden Wertbeitragskennziffern im Ertragsbereich sind die Entgangenen Erträge und<br />
die Unavailable-seat°-hours. Obwohl der Seat°-load-factor eine entscheidende Messgrösse<br />
des AVCMS darstellt, ist er keine eigentliche Wertbeitragskennziffer, da er nur durch<br />
einen der auf der obersten <strong>St</strong>ufe definierten Leistungserstellungsprozesse wirksam beeinflusst<br />
werden kann. Jedoch kann der Seat°-load-factor faktisch mit den Unavailableseat°-hours<br />
gemeinsam in einer Übersicht dargestellt werden, wenn er in die absolute<br />
Form von Revenue-seat°-hours und Available-seat°-hours übersetzt wird. 419 Daneben<br />
419 Vgl. hierzu Abbildung 4-13 auf Seite 165.<br />
262
sind Ticketpreis und Durchschnittsertrag als wichtige Kennziffern des AVCMS zu erwähnen,<br />
die allerdings aus den gleichen Gründen wie beim Seat°-load-factor keine eigentlichen<br />
Wertbeitragskennziffern darstellen.<br />
Qualitätsbereich: 1-3 Wertbeitragskennziffern<br />
Für den Qualitätsbereich wurden als Wertbeitragskennziffern die Passagierstunden (Paxh),<br />
die Service Attitude Points (SA-p) und die Physical Product Points (PP-p) definiert.<br />
Sie lassen allerdings zu einer einzigen Wertbeitragskennziffer, den Quality Defect Points<br />
(QD-p) zusammenfassen. Dazu müssen die SA-p und PP-p auf Basis von Äquivalenzpunkten<br />
auf die Pax-h kalibriert werden. 420<br />
Kostenbereich: 1-4 Wertbeitragskennziffern<br />
Im Kostenbereich wurden die Cash-Kosten, die Qualitätskompensationskosten, die DAR-<br />
Kosten und die Kapitalkosten bzw. der Kapitaleinsatz als Wertbeitragskennziffern definiert.<br />
Die Qualitätskompensationskosten sind eine Teilmenge der Cash-Kosten. Diese<br />
wiederum lassen sich mit den DAR-Kosten und den Kapitalkosten zu den Gesamtkosten<br />
konsolidieren. Es wurde allerdings empfohlen, alternativ zu den Kapitalkosten den Kapitaleinsatz<br />
als Wertbeitragskennziffer zu verwenden, da fast alle der auf der obersten Ebene<br />
aufgeführten Lieferanten kaum Einfluss auf den Kapitalkostensatz nehmen können.<br />
Das AVCMS bietet also die Möglichkeit sich auf ein Minimum von Wertbeitragskennzahlen<br />
zu beschränken, die im Zentrum der Führung einer <strong>Airline</strong> stehen. Ob die Zahl der<br />
tatsächlich verwendeten Wertbeitragskennzahlen eher bei 5 oder eher bei 9 liegt, kann<br />
dann aus der Situation der individuellen <strong>Airline</strong> heraus entschieden werden.<br />
4.4.2.2 Beschränkung der Anzahl Lieferanten pro Führungsstufe<br />
In den vorangehenden Abschnitten wurde mehrfach auf die Notwendigkeit einer möglichst<br />
nicht zu überschreitenden maximalen Anzahl der internen/externen Lieferanten pro<br />
Führungsstufe hingewiesen Dabei wurde empfohlen, ein Maximum von 6 Lieferanten pro<br />
Führungsstufe anzustreben. Der Grund für diese Beschränkung wurde schon in vorangehenden<br />
Abschnitt genannt: Die Komplexität der <strong>Performance</strong> <strong>Management</strong> Prozesse wird<br />
wesentlich durch die Anzahl Kombinationen aus Wertbeitragskennziffern und inter-<br />
420 Vgl. hierzu Abschnitt 4.2.4.2.<br />
263
nen/externen Lieferanten bestimmt. Bezüglich der Wertbeitragskennziffern wurden im<br />
Rahmen des AVCMS konkrete Vorschläge zur Kennzahlendefinition gemacht, wobei<br />
davon ausgegangen wird, dass sie auch auf sehr verschieden geartete <strong>Airline</strong>s angewandt<br />
werden können. Im Bereich der internen/externen Lieferanten lässt sich allerdings kaum<br />
eine für eine grosse Zahl von <strong>Airline</strong>s gleichermassen anwendbare <strong>St</strong>ruktur entwickeln.<br />
Zwar wurde im Rahmen der Beispielrechnung ein exemplarischer Vorschlag für eine<br />
<strong>St</strong>ruktur der internen/externen Lieferanten angegeben, jedoch sind die Leistungserstellungsprozesse<br />
in jeder <strong>Airline</strong> anders organisiert und jede <strong>Airline</strong> befindet sich hier in<br />
einem anderen situativen Kontext: Leistungserstellungsprozesse werden beispielsweise in<br />
der einen <strong>Airline</strong> durch eigene Organisationseinheiten, in der anderen durch externe Lieferanten<br />
oder durch Partner-<strong>Airline</strong>s erbracht. Oder in der einen <strong>Airline</strong> werden z.B. 2<br />
Leistungserstellungsprozesse durch den selben Lieferanten erbracht, während eine andere<br />
<strong>Airline</strong> einen der beiden Prozesse vielleicht sogar weiter aufgeteilt hat und durch mehrere<br />
externe Lieferanten durchführen lässt.<br />
Gefragt ist also kein allgemeingültiges Konzept für eine Hierarchie interner/externer Lieferanten<br />
sondern es geht eher um Empfehlungen, mit denen eine sinnvolle Reduktion der<br />
internen/externen Lieferanten auf 6 pro Führungsstufe möglich ist.<br />
Umfasst die Leitungsspanne eines Managers mehr als 6 Abteilungen und dazu noch einige<br />
externe Lieferanten, die dringend kontrolliert werden müssen, dann wird empfohlen,<br />
für die Cockpits, in denen die Wertbeiträge dargestellt werden, eine neue und geeignetere<br />
<strong>St</strong>ruktur zu entwickeln. Diese <strong>St</strong>ruktur muss dabei nicht zwingend mit den tatsächlichen<br />
Unterstellungs- und Lieferantenverhältnissen deckungsgleich sein. Sie sollte sich<br />
allerdings dazu eignen, die Vereinbarungsprozesse mit den tatsächlichen internen und<br />
externen Lieferanten optimal abwickeln zu können. Um diese Eignung zu gewährleisten,<br />
vier Gestaltungskriterien vorgeschlagen, mit deren Hilfe 6 Lieferantenkategorien gebildet<br />
werden können, die die Wertbeiträge in zweckmässiger Form weiter aufschlüsseln.<br />
Die Gestaltungskriterien zur Entwicklung der 6 Lieferantenkategorien sind nachfolgend<br />
in absteigender Prioritätenfolge aufgeführt:<br />
• Relevanz für die Wertbeiträge: Jede Kategorie deckt einen wesentlichen Anteil der<br />
gegenwärtigen Messung an den Wertbeiträgen ab. Es gibt keine Kategorie die für jeden<br />
Wertbeitrag weitgehend unbedeutend ist.<br />
• Zuordenbarkeit der Verantwortung: Die Kategorien sollten so abgegrenzt werden,<br />
dass jeweils ein Manager definiert werden kann, der alle der Kategorie zugewiesenen<br />
Erfolgsbeiträge stärker beeinflussen kann als jeder andere Manager derselben Führungsstufe<br />
innerhalb der Organisation und ihrer Lieferanten.<br />
264
• Kompatibilität zur Organisation: Nach Möglichkeit gehört kein interner/externer<br />
Lieferant zwei unterschiedlichen Kategorien an. Es sollten eher mehrere Lieferanten<br />
zu einer Kategorie zusammengefasst werden.<br />
• Abbildung der Wertschöpfungskette: Jede Kategorie vertritt nach Möglichkeit ein<br />
Segment der Wertschöpfungskette. Kann die Limitierung auf 6 Segmente so nicht erreicht<br />
werden, sollten jeweils mehrere, möglichst zusammenhängende Segmente zu<br />
einer Kategorie zusammengefasst werden.<br />
Vor allem die ersten beiden Kriterien sind entscheidend für eine sinnvolle Aufteilung der<br />
Wertbeiträge im jeweiligen Cockpit. Denn mit einer Kategorie, die für keine der Wertbeitragskennziffern<br />
eine wirkliche Bedeutung hat, sollte das <strong>Performance</strong> <strong>Management</strong> nicht<br />
belastet werden. Die <strong>Management</strong>zeit kann sinnvoller genutzt werden, wenn eine solche<br />
Kategorie mit einer anderen zusammengefasst wird. Bezüglich der Zuordenbarkeit der<br />
Verantwortung ist es wichtig, dass für jede Kategorie ein Manager als Ansprechpartner<br />
gefunden werden kann, bei dem die Beeinflussbarkeit der Erfolgsbeiträge dieser Kategorie<br />
zusammenläuft. Einerseits geht dies schon aus der Forderung nach einer vollständigen<br />
Zuweisung der Verantwortlichkeiten hervor, der in Abschnitt 4.4.1.1 diskutiert worden<br />
ist. Andererseits ergibt sich das Kriterium der Zuordenbarkeit der Verantwortung auf<br />
denjenigen mit dem meisten Einfluss auch schon aus dem Prinzip der Einheit von Verantwortung<br />
und Kompetenz, das häufig der Gestaltung von Organisationen zugrunde gelegt<br />
wird.<br />
Wenn das vorletzte Kriterium der Kompatibilität zur Organisation nicht befolgt werden<br />
kann, ohne die Befolgung der ersten beiden Kriterien zu beeinträchtigen, dann liegt möglicherweise<br />
ein Bedarf zur Anpassung der Führungsstrukturen vor. Denn eine solche Situation<br />
würde bedeuten, dass organisatorische Entscheidungskompetenzen nicht immer<br />
demjenigen Manager oder Lieferanten unterstehen, der den grössten Einfluss auf die<br />
Auswirkungen auf den Wertbeitrag hat. Für einen solchen Fall wird empfohlen zu erwägen,<br />
die Cockpits inkompatibel zur Organisation aufzubauen, um auf diese Weise auf<br />
eine korrektere Umverteilung der Verantwortung hinwirken zu können. Im Rahmen einer<br />
solchen Abwägung muss aber auch berücksichtigt werden, dass für das Erreichen optimaler<br />
Akzeptanz schrittweise und nachvollziehbar vorgegangen werden sollte.<br />
Das letzte genannte Kriterium der Abbildung der Wertschöpfungskette dient vor allem<br />
der Verständlichkeit der zu bildenden Kategorien. Dieses Kriterium sollte nur befolgt<br />
werden, wenn dies ohne die Beeinträchtigung der Befolgung der anderen drei Kriterien<br />
möglich ist. Sofern es befolgt werden kann, sollte dadurch der Zugang zum Cockpit für<br />
die internen und externen Benutzer erleichtert werden. Denn die Wertschöpfungskette<br />
265
einer Industrie ist eine über die Grenzen einzelner Unternehmungen hinweg bekannte<br />
<strong>St</strong>rukturierungsform.<br />
Um die Anwendung der vier Gestaltungskriterien zum Aufbau von 6 Lieferantenkategorien<br />
zu veranschaulichen, soll wieder ein Beispiel aus der Swissair verwendet werden.<br />
Abbildung 4-59 zeigt die <strong>St</strong>ruktur der Cockpits, die bei Swissair vor allem auf das operative<br />
<strong>Management</strong> der Produktionsprozesse ausgerichtet war.<br />
SR<br />
SR<br />
Technics<br />
Technics<br />
SR<br />
SR<br />
Crew<br />
Crew<br />
GS<br />
GS<br />
Zurich<br />
Zurich<br />
SR<br />
SR<br />
Ground<br />
Ground<br />
Services<br />
Services<br />
SR<br />
SR<br />
GS<br />
GS<br />
others<br />
others<br />
Swissair<br />
Swissair<br />
Wetlease<br />
Wetlease<br />
Crossair<br />
Crossair<br />
Netw.<br />
Netw.<br />
SR<br />
SR<br />
Operation<br />
Operation<br />
SR<br />
SR<br />
Network<br />
Network<br />
Late<br />
Late<br />
Release<br />
Release<br />
Crew<br />
Crew<br />
SR<br />
SR<br />
Check-in<br />
Check-in<br />
Gate<br />
Gate<br />
Check-in<br />
Check-in<br />
Gate<br />
Gate<br />
LX<br />
LX<br />
Technics<br />
Technics<br />
Revenue<br />
Revenue<br />
Mgt.<br />
Mgt.<br />
Aircraft<br />
Aircraft<br />
Defects<br />
Defects<br />
Crew<br />
Crew<br />
Rotation<br />
Rotation<br />
Ramp<br />
Ramp<br />
Process<br />
Process<br />
Ramp<br />
Ramp<br />
Process<br />
Process<br />
Crew<br />
Crew<br />
LX<br />
LX<br />
Planning<br />
Planning<br />
Spare<br />
Spare<br />
Parts<br />
Parts<br />
Flight<br />
Flight<br />
Plan<br />
Plan<br />
IT<br />
IT<br />
GS<br />
GS<br />
IT<br />
IT<br />
GS<br />
GS<br />
GS<br />
GS<br />
Zurich<br />
Zurich<br />
LX<br />
LX<br />
IT<br />
IT<br />
Systems<br />
Systems<br />
ConseConsequencesquences<br />
Dispatch<br />
Dispatch<br />
IT<br />
IT<br />
Serv.<br />
Serv.<br />
A/P<br />
A/P<br />
infrainfrastructurestructure<br />
A/P<br />
A/P<br />
infrainfrastructurestructure<br />
GS<br />
GS<br />
other<br />
other<br />
LX<br />
LX<br />
Ops<br />
Ops<br />
Control<br />
Control<br />
Damage<br />
Damage<br />
to<br />
to<br />
A/C<br />
A/C<br />
Security<br />
Security<br />
Security<br />
Security Network<br />
Network<br />
ConnecConnectionstions<br />
Through<br />
Through<br />
Check-in<br />
Check-in<br />
Through<br />
Through<br />
Check-in<br />
Check-in<br />
ATFM<br />
ATFM<br />
and<br />
and<br />
Exogen.<br />
Exogen.<br />
Abbildung 4-59: Cockpit <strong>St</strong>ruktur der Swissair<br />
Other<br />
Other<br />
Wetlease<br />
Wetlease<br />
Flightline<br />
Flightline<br />
Air<br />
Air<br />
Littoral<br />
Littoral<br />
Balair<br />
Balair<br />
Others<br />
Others<br />
ATFM<br />
ATFM<br />
and<br />
and<br />
Exogen.<br />
Exogen.<br />
ATS<br />
ATS<br />
Zurich<br />
Zurich<br />
ATS<br />
ATS<br />
other<br />
other<br />
Airports<br />
Airports<br />
ATC<br />
ATC<br />
Zurich<br />
Zurich<br />
ATC<br />
ATC<br />
other<br />
other<br />
Airports<br />
Airports<br />
Weather<br />
Weather<br />
<strong>St</strong>rikes<br />
<strong>St</strong>rikes<br />
and<br />
and<br />
other<br />
other<br />
Die Abbildung zeigt, dass in den Kategorien SR Ground Services und SR Network eine<br />
Zwischenebene eingefügt wurde. Auf diese Weise konnte das Bedürfnis, auf der zweiten<br />
Ebene 8 Cockpits für 8 interne/externe Lieferanten zu erhalten, mit dem Prinzip der Aufteilung<br />
der Wertbeiträge auf maximal 6 Lieferantenkategorien pro Führungsstufe verbunden<br />
werden.<br />
Im Rahmen des Beispiels stellt sich die Frage, warum bei Swissair ausgerechnet die Kategorien<br />
SR Ground Services und SR Network für die Einführung der Zwischenebene<br />
gewählt wurden. Im Fall von SR Network liegt der Hintergrund im ersten der genannten<br />
vier Gestaltungskriterien zum Aufbau von Lieferantenkategorien, der Relevanz für die<br />
Wertbeiträge. Da in den Swissair Cockpits im Wesentlichen die Pax-h und die entgangenen<br />
Erträge dargestellt wurden, und die Kategorie Other Wetlease hier nur einen geringen<br />
266
Einfluss hatte, wurde sie mit den anderen Bereichen des SR Network kombiniert. Zudem<br />
waren die Wetlease-verantwortlichen Manager im organisatorischen Bereich Network<br />
angesiedelt Sie konnten mehr als jeder andere in der Organisation auf die <strong>Performance</strong><br />
der Wetlease <strong>Airline</strong>s Flightline, Air Littoral und Balair einwirken. Damit sind auch die<br />
Kriterien 2 und 3, der Zuordenbarkeit der Verantwortung und der Kompatibilität zur Organisation<br />
eingehalten. Im Fall der Ground Services war die GS others, d.h. die Bodenabfertigung<br />
ausserhalb von Zürich unter allen verbliebenen 7 Kategorien diejenige, die am<br />
wenigsten Beiträge zu den Wertbeitragskennziffern geleistet hat. Sie wurde daher mit der<br />
anderen Ground Services Kategorie zu einer Zwischenebene zusammengefasst.<br />
Am Beispiel ist auch gut zu beobachten, dass in der Cockpit <strong>St</strong>ruktur auf der unteren<br />
Ebene421 die 4 bis 6 Kategorien immer in der Reihenfolge abnehmender Beeinflussbarkeit<br />
durch den verantwortlichen Manager angeordnet sind. Denn die oberen Kategorien erscheinen<br />
in den Säulengrafiken der Cockpits immer als die unteren Segmente. In Abschnitt<br />
4.3.2.1 wurde bereits auf die Notwendigkeit einer solchen Anordnung hingewiesen,<br />
wenn die Verantwortung für die Beiträge zu den Wertbeiträgen den Managers und<br />
Lieferanten vollständig übertragen werden soll. In den Säulendiagrammen stehen dann<br />
die kaum oder nur schwer beeinflussbaren Erfolgsbeiträge immer an der Spitze der Darstellung,<br />
so dass sie bei Bedarf aus der Zielsetzung und Beurteilung ausgeblendet bzw.<br />
abgeschwächt gewichtet werden können.<br />
Besonders deutlich wird diese Anordnung in den beiden Cockpits der Ground Services.<br />
Die ersten beiden Kategorien, das Check-in und die Rampenprozesse wie das Verladen<br />
etc., können noch recht gut vom Anbieter der Bodenabfertigung selbst beeinflusst werden.<br />
Die IT Systeme werden den Bodenabfertigungslieferanten von IT Firmen zugeliefert<br />
und gewartet. Hier ist also nur eine indirekte Einflussnahme möglich. Die nächsten beiden<br />
Kategorien, die Flughafeninfrastruktur und die Sicherheitskontrollen, werden in erster<br />
Linie von Flughäfen und von Polizei- und Zollbehörden beeinflusst. Da hier mit Behörden<br />
und Monopolisten zusammengearbeitet wird, ist die Beeinflussbarkeit in der Regel<br />
noch weniger gegeben als bei anderen Lieferanten. Die letzte Kategorie, das through<br />
check-in, ist von den Abfertigungsfirmen kaum zu beeinflussen. 422 Allerdings sind diese<br />
Firmen am ehesten in der Lage negative Auswirkungen dieser Kategorie zu erklären.<br />
421 Dasselbe gilt im Prinzip auch für die oberste Ebene. Allerdings sind hier die Unterschiede im Beispiel weniger<br />
deutlich, da die linken 3 Kategorien alle ähnlich beeinflussbar sind.<br />
422 Beim through check-in handelt es sich um das Check-in von Umsteigepassagieren am <strong>St</strong>artflughafen bis hin zum<br />
Endflughafen. Werden hier Fehler begangen, wirken sich diese immer an einem anderen Flughafen aus, als an<br />
dem, an dem das Check-in vorgenommen wurde. Da dieses Phänomen in der Regel nur einen sehr geringen Ein-<br />
267
4.4.2.3 Integration von Wertbeitragskennziffern und Lieferantenstruktur mit allen<br />
zentralen Reporting-, Planungs- und Entscheidungsrechnungen<br />
Wertbeitragskennziffern und Lieferantenstruktur des AVCMS können vor allem dann<br />
einen wirksamen Beitrag zur Erzielung von Einfachheit und Transparenz leisten, wenn<br />
sie in allen zentralen Reporting,- Planungs- und Entscheidungsprozessen einer <strong>Airline</strong> ein<br />
wesentliches <strong>St</strong>rukturierungselement darstellen. Je mehr einzelne <strong>Performance</strong> <strong>Management</strong><br />
Prozesse einer auf Basis des AVCMS geführten <strong>Airline</strong> von den zentral definierten<br />
Wertbeitragskennziffern und Lieferantenstrukturen abweichen, umso mehr entsteht zusätzlicher<br />
Koordinations-Aufwand und zusätzliche Komplexität. Da das AVCMS einen<br />
Grossteil der zentralen <strong>Performance</strong> <strong>Management</strong> Prozesse einer <strong>Airline</strong> umfasst, sollten<br />
es jedoch möglich solche Abweichungen gering zu halten:<br />
• Für die Führung der Leistungserstellungsprozesse stehen mit den Wertbeiträgen<br />
Kennzahlen und eine Lieferantenstruktur bereit.<br />
• Für das Reporting an die Anteilseigner übersetzt das AVCMS im Bereich der Finanzresultate<br />
die Wertbeitragskennziffern in EVA und in klassische Finanzkennzahlen.<br />
• Auch für die Netzwerkplanung wird im Rahmen des AVCMS mit der <strong>St</strong>ückkostenbzw.<br />
Einheits-basierten Netzwerkplanung ein Ansatz vorgeschlagen, der mit der Anwendung<br />
der Wertbeitragskennziffern und der Lieferantenstruktur integriert ist.<br />
Gelingt, es einer <strong>Airline</strong>, die die Führung ihrer Leistungserstellungsprozesse nach dem<br />
AVCMS gestaltet, diese, wie im Abschnitt 4.2.2 beschrieben, auch voll mit den Kennzahlen<br />
der finanziellen Berichterstattung und Unternehmensbewertung zu integrieren, dann<br />
kann sich daraus eine ganze Reihe positiver Konsequenzen ergeben:<br />
• Insgesamt sind weniger Kennzahlen und Wirkungsbeziehungen notwendig, da Finanzplanung<br />
und Bewertungsmodell zum grossen Teil auf die gleichen Messgrössen -<br />
die Wertbeiträge – zurückgreifen, die auch in der Führung der Leistungserstellungsprozesse<br />
verwendet werden.<br />
• Finanzplanung und Bewertungsmodell können in ihrer Logik auf den Wertbeitragskennziffern<br />
aufbauen und sind daher für Manager und Mitarbeiter, die den Umgang<br />
mit Wertbeiträgen gewohnt sind, leichter nachvollziehbar.<br />
• Finanzplanung und Bewertungsmodell können durch verbindliche Zielsetzungen für<br />
interne/externe Lieferanten auf den Wertbeitrag plausibilisiert werden und sind so in<br />
der Lage, bei den Investoren an Glaubwürdigkeit zu gewinnen.<br />
fluss auf die Wertbeiträge hat, gibt es kaum <strong>Management</strong>abläufe zwischen den Abfertigungsorganisationen an<br />
verschiedenen Flughäfen, um diesen Fehlern entgegenzuwirken.<br />
268
Analoge Überlegungen lassen sich für den Bereich der Netzwerkplanung anstellen. Wenn<br />
hier die gleichen Basiskennzahlen bzw. Mengengrössen verwendet werden können wie in<br />
der Führung der internen/externen Lieferanten mit Wertbeitragskennziffern, dann ergeben<br />
sich auch hier viele positive Konsequenzen. Denn die Zusammenhänge zwischen der<br />
Planung des Netzwerkes und der Führung der Leistungserstellungsprozesse können dann<br />
einfacher und transparenter dargestellt werden, was das Verständnis aller beteiligten<br />
Manager und Mitarbeiter fördert und sich so auch auf eine verbesserte Koordination dieser<br />
beiden zentralen Führungsprozesse einer <strong>Airline</strong> auswirken kann.<br />
Auch hinsichtlich anderer Entscheidungsrechnungen sind durch eine Integration der<br />
Wertbeiträge und Lieferantenkategorien Vereinfachungen möglich. Denn eine Entscheidungsrechnung<br />
oder ein Optimierungssystem dient als Instrument des Decision Support<br />
immer dem Ausrichten der Entscheidungen auf die Zielsetzungen der Organisation. Diese<br />
Zielsetzungen können weiträumig durch die Wertbeiträge und mit Hilfe der Lieferantenkategorien<br />
auf die verschiedenen Ebenen interner und externer Lieferanten operationalisiert<br />
werden. Die Wertbeiträge können auf diese Weise die wichtigsten Zielsetzungen der<br />
meisten Organisationseinheiten vorgeben. Werden in den Decision Support Systemen<br />
jeweils andere Kennzahlen als die Wertbeiträge als Zielwerte eingesetzt, muss laufend<br />
eine Übersetzung stattfinden, um mit diesen Systemen die Organisationseinheit auch<br />
wirklich auf die Zielvorgaben auszurichten. Je weiter die Wertbeiträge also in die Zielfunktionen<br />
der Entscheidungsrechnungen Einlass finden, umso mehr kann die Gesamtzahl<br />
der Kennzahlen und Wirkungsbeziehungen im <strong>Performance</strong> <strong>Management</strong> reduziert<br />
werden. Es sollte allerdings ergänzt werden, dass bei der Definition der Wertbeiträge zu<br />
Gunsten der Nachvollziehbarkeit und Akzeptanz, sowie zu Gunsten der Aktualität und<br />
der Bewertbarkeit häufig auch Einschränkungen hinsichtlich der Genauigkeit und Korrektheit<br />
hingenommen werden müssen. Ggf. muss beim Treffen von Entscheidungen und<br />
beim Aufbau von Decision Support Systemen also eine Abwägung zwischen Genauigkeit<br />
und Einfachheit stattfinden. Da Decision Support Systeme oft nur lokal in Teilbereichen<br />
einer Organisation zum Einsatz kommen, kann angenommen werden, dass in solchen<br />
Fällen häufig die Entscheidung zu Gunsten der Genauigkeit ausfallen wird. Denn anders<br />
als bei den meisten Responsibility Accounting Systemen müssen die Kennzahlen und<br />
Wirkungsbeziehungen spezialisierter Entscheidungsrechnungen nicht in weiten Teilen<br />
des Unternehmens kommuniziert und verstanden werden, um eine bestmögliche Wirkung<br />
zu erzielen. Auf weniger spezialisierte Entscheidungsrechnungen, wie beispielsweise die<br />
<strong>St</strong>reckenerfolgsrechnung einer <strong>Airline</strong>, trifft diese Aussage nur eingeschränkt zu. Da viele<br />
Fachbereiche hier zugreifen und an der Entscheidungsvorbereitung teilnehmen, kann<br />
es Sinn machen hier eher zu Gunsten der Einfachheit zu entscheiden und stets unveränderte<br />
Wertbeitragskennziffern in die Zielfunktion einzusetzen.<br />
269
5 Ergebnisse<br />
Am Ende dieser Arbeit soll nochmals auf die in Kapitel 1 formulierte Zielsetzung zurückgekommen<br />
werden, um zu überprüfen inwieweit diese durch das Vorstellen des<br />
AVCMS erreicht werden konnte. Als Zielsetzung wurde die Entwicklung eines <strong>Performance</strong><br />
<strong>Management</strong> Konzeptes genannt, mit dessen Hilfe Fluggesellschaften eine bedeutende<br />
und nachhaltige Verbesserung ihrer Unternehmensleistung und Anpassungsfähigkeit<br />
erzielen können. Dabei wurde besonders herausgestellt, dass eine Vielzahl von Führungsabläufen<br />
möglichst vollständig unterstützt werden soll, wobei gleichzeitig ein Maximum<br />
an Einfachheit und Klarheit zu gewährleisten ist. 423 Die später in Kapitel 2 genannten<br />
Besonderheiten, Entwicklungen und Ergebnisverbesserungspotentiale der europäischen<br />
<strong>Airline</strong> Industrie lassen sich ebenfalls dem Kontext der Zielsetzung zurechnen.<br />
Denn das vorgeschlagene <strong>Performance</strong> <strong>Management</strong> Konzept muss hinreichend auf die<br />
Rahmenbedingungen der <strong>Airline</strong>s eingehen und auch beim Ausschöpfen möglicher Ergebnisverbesserungspotentiale<br />
eine wirksame Hilfestellung bieten.<br />
Konkretisiert wurde die Zielsetzung schliesslich in Kapitel 4, indem vier Hauptanforderungen<br />
zum Ausdruck gebracht wurden, die für das AVCMS gelten sollen: 424<br />
• Relevante Kennzahlen<br />
• Klarheit der Verantwortung<br />
• Einfachheit und Transparenz<br />
• Aussagekräftige Cockpits.<br />
Dass das AVCMS diese Hauptanforderungen grundsätzlich erfüllt, wurde in Kapitel 4<br />
umfassend demonstriert. Dazu konnten illustrativ Fallbeispiele mit einer 5-<br />
Periodenrechnung und auch reale Leistungsdaten von 9 europäischen <strong>Airline</strong>s herangezogen<br />
werden.<br />
423 Die thematische Breite einer typischen Balance Scorecard sollte mit der führungsmässigen Umsetzungsstärke des<br />
klassischen Kostenmanagements mit seinen Budget- und Kontrollprozessen kombiniert werden, während ein<br />
Maximum an Verständlichkeit, Kommunizierbarkeit und Anwendbarkeit des <strong>Performance</strong> <strong>Management</strong> erhalten<br />
bleibt.<br />
424 Vgl. Abschnitt 4.1.<br />
270
Einige der wichtigsten <strong>St</strong>ärken des AVCMS sollen hier jedoch nochmals im Hinblick auf<br />
eine abschliessende Beurteilung zusammengefasst werden:<br />
• Die Resultate aus den operativen Leistungserstellungsprozessen stehen in einem einfachen<br />
und direkten Bezug zu den Kennzahlen der Unternehmensbewertung und der<br />
Finanzabschlussrechnungen. Wertsteigerungsziele werden operationalisierbar.<br />
• Das AVCMS kann mit 4-8 Wertbeitragskennziffern und 6 internen/externen Lieferanten<br />
pro Führungsstufe die in der Regel bedeutendsten Führungsprozesse einer <strong>Airline</strong><br />
abdecken. Ein Maximum an Führungsunterstützung kann mit einem Minimum an<br />
Komplexität erreicht werden.<br />
• Durch die unternehmensweite Anwendbarkeit der Wertbeitragskennziffern entsteht<br />
eine gemeinsame Sprache der Wertschöpfung, die in allen Funktionen und Hierarchieebenen<br />
verstanden wird. Alle Vertreter des Unternehmens können hinsichtlich der<br />
<strong>St</strong>rategieumsetzung am gleichen <strong>St</strong>rang ziehen.<br />
• Durch die Aggregation von für die Kunden zentralen Qualitätsaspekten in drei intuitiv<br />
verständliche Wertbeitragskennziffern kann eine kosteneffiziente und unternehmensweit<br />
wirkungsvolle Reduktion der Dissatisfiers erreicht werden.<br />
• Ein überarbeitetes Modell der Basiskennzahlen einer <strong>Airline</strong> ermöglicht einen <strong>St</strong>ückkosten-basierten<br />
Netzwerkplanungsprozess. Dieser erhöht die Sicherheit, Netzwerkergebnisziele<br />
zu erreichen und steigert gleichzeitig die Flexibilität der <strong>Airline</strong>, auf<br />
Nachfragezyklen zu reagieren.<br />
• Aus dem überarbeiteten Modell der Basiskennzahlen ergeben sich weitere wesentliche<br />
Vorteile für die Darstellung der <strong>Airline</strong> <strong>Performance</strong>. Unter anderem können in<br />
einem neuen Konzept der Flugzeugauslastung alle Arten der Auslastung in einer einzigen<br />
Kennzahl zusammengefasst werden, die sich dann zusätzlich in Wertbeitragszielsetzungen<br />
für die Funktions- und Prozessverantwortlichen übersetzen lässt.<br />
• Das AVCMS unterstützt die aktive Ausrichtung einer <strong>Airline</strong> auf meist noch unerschlossene<br />
Ergebnisverbesserungspotentiale. Dazu zählen die „verlorenen Erträge“,<br />
die Qualitätskompensationskosten, die ungenutzten Kapazitäten und alle nur durch<br />
funktionsübergreifende Programme erschliessbaren Ergebnisverbesserungen.<br />
• Die einfache technische Umsetzbarkeit des AVCMS ist dadurch gewährleistet, dass<br />
alle zentralen Kennzahlen auf von IATA-<strong>St</strong>andards unterstützen Daten basieren, die<br />
bei praktisch allen <strong>Airline</strong>s vorhanden sind.<br />
271
Die oben stehende Auflistung ist allerdings noch nicht vollständig. Viele weitere <strong>St</strong>ärken<br />
des AVCMS sind aus den detaillierteren Beschreibungen in Kapitel 4 ersichtlich. Die<br />
maximale Wirksamkeit des AVCMS ergibt sich dabei natürlich durch die Kombination<br />
der verschiedenen Vorteile.<br />
Die eigentlichen Herausforderungen liegen dabei weniger in der technischen Umsetzung<br />
als vielmehr in der organisatorischen Einführung und der praktischen Anwendung im<br />
Führungsalltag. Entscheidend ist hier einerseits die Veränderungsbereitschaft des <strong>Management</strong>s<br />
der <strong>Airline</strong>, und andererseits die Art der Einführung in den richtigen Schritten<br />
und mit den richtigen Hilfsmitteln.<br />
Etablierte Kennzahlen und Führungsprozesse bringen eine gewisse Persistenz mit sich<br />
und lassen sich nicht durch einen einfachen Entscheid verändern. Anleger, Finanzanalysten,<br />
Partnergesellschaften und andere <strong>St</strong>akeholders werden ein Reporting in den klassischen<br />
Kennzahlen des Netzwerkergebnisbaumes wahrscheinlich auch dann noch erwarten,<br />
wenn sie in den Führungsprozessen der <strong>Airline</strong> schon durch die neuen Basiskennzahlen<br />
und Wertbeitragskennziffern des AVCMS ersetzt sind. 425<br />
Mit ähnlichen Widerständen kann auch innerhalb eines Unternehmens gerechnet werden,<br />
da auch hier <strong>Management</strong> und Mitarbeiter den Umgang mit etablierten Kennzahlen und<br />
Führungsprozessen gewohnt sind. Die eigentliche Herausforderung besteht hier darin,<br />
internen Managers und externen Lieferanten Verantwortung für Teile der Wertbeitragskennziffern<br />
zu übertragen, wo vorher keine Verantwortung übernommen wurde. In der<br />
Regel ist hier mit sicherem Widerstand zu rechnen. Ein solcher Widerstand zeigt jedoch<br />
auch, dass man mit der Einführung des AVCMS auf dem richtigen Weg ist. Denn je mehr<br />
Verantwortung für bisher nicht kontrollierte Bereiche neu übernommen wird, umso mehr<br />
gewinnt das Unternehmen Kontrolle über die Erreichung seiner Ziele.<br />
In Kapitel 4 werden hinsichtlich der Einführung und Anwendung des AVCMS eine ganze<br />
Reihe praktischer Hinweise gegeben, die sich vor allem mit dem Modus der schrittweisen<br />
Einführung, der Regelung von Verantwortlichkeiten und der Gestaltung von<br />
Cockpits als Kommunikationsplattform befassen. Ein Grossteil der zu erwartenden Widerstände<br />
sollte auf diese Weise überwunden werden können.<br />
Abschliessend soll nicht unerwähnt bleiben, dass die Einführung des AVCMS nicht für<br />
jede <strong>Airline</strong> als gleich sinnvoll angesehen werden kann. In Abhängigkeit der spezifischen<br />
Situation einer <strong>Airline</strong> ist die Einführung des AVCMS bei bestimmten Gesellschaften<br />
425 Auch bei einer vollständigen Einführung des AVCMS sollten die klassischen Kennzahlen behalten werden. Dies<br />
ist auch problemlos möglich, da zu den neuen Basiskennzahlen des AVCMS ein einfach nachvollziehbarer<br />
Übersetzungmodus definiert worden ist.<br />
272
möglicherweise wenig zweckmässig. Dies ist beispielsweise für kleine No Frills <strong>Airline</strong>s<br />
denkbar, in denen einfache Grundfunktionen des <strong>Performance</strong> <strong>Management</strong> völlig ausreichen.<br />
Hier würde die Umstellung auf ein neues Modell keinen grossen Unterschied<br />
ausmachen.<br />
Entscheidend ist, dass jede an dem AVCMS interessierte <strong>Airline</strong> auch selektiv entscheiden<br />
kann, welche Teile sie in welcher Reihenfolge einführen will. Die Eintrittsschwelle<br />
ist niedrig. Man kann von einer einfachen Basis aus starten und schrittweise alle diejenigen<br />
Teile des AVCMS übernehmen, die in der spezifischen Situation sinnvoll einzusetzen<br />
sind.<br />
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08.05.03 von http://www.swx.com/admission/rlcg_comm_de.pdf<br />
Unbekannter Autor, Kotierungsreglement der SWX, download 08.05.03 von<br />
http://www.swx.com/admission/02_reglement_d.pdf<br />
Unbekannter Autor: Grünes Licht für Fusion von Air France und KLM , NZZ 11. Februar 2004, download 11.02.04 von<br />
http://www.nzz.ch/2004/02/11/wi/page-newzzDQJP4GQB-12.html<br />
Weber, Max: Soziologische Grundbegriffe, in Winckelmann, Johannes (Hrsg.): Weber,<br />
Max, Gesammelte Aufsätze, Tübingen 1988, S. 541-562<br />
Wheeler, Donald J. / Chambers, David S.: Understanding <strong>St</strong>atistical Process Control,<br />
SPC Press, Knoxville 1992<br />
280
Wilkinson, A. / Willmott, H.: Quality <strong>Management</strong> – Problems and Pitfalls – A Critical<br />
Perspective , International Journal of Quality & Reliability <strong>Management</strong>,<br />
Vol. 13 1996, Nr. 2, S. 55-65<br />
Witte, Andreas: Integrierte Qualitätssteigerung im Total Quality <strong>Management</strong> , Diss., Lit. Verlag, Münster 1993<br />
Wruck, K.H. / Jensen, M.C.: Sience, Specific Knowledge and Total Quality <strong>Management</strong><br />
, Journal of Accounting<br />
and Economics; vol. 18, 1994; S. 247-287<br />
281
7 Anhang<br />
7.1 Abkürzungsverzeichnis<br />
A/C Aircraft<br />
AEA Association of European <strong>Airline</strong>s<br />
AVCMS <strong>Airline</strong> Value Contribution <strong>Management</strong> System<br />
ash available-seat°-hors<br />
ASK Available Seat Kilometers<br />
ATK Available Ton Kilometers<br />
BA British Airways<br />
bzw. beziehungsweise<br />
ca. circa<br />
CHF Schweizer Franken<br />
CRS Computer Reservation System<br />
DAR depreciation, amortization and rents<br />
DCF Discounted Cash Flow<br />
d.h. das heisst<br />
Diss. Dissertation<br />
EAT Earnings after taxes<br />
EBIT Earnings before interest, taxes and depreciation<br />
EBITDAR Earnings before interest, taxes, depreciation, amortization and rents<br />
engl. englisch<br />
EU europäische Union<br />
EUR Euro<br />
282
EVA Economic Value Added bzw. Übergewinn, der die Kapitalkosten übersteigt<br />
FFP Frequent Flyer Program<br />
Forts. Fortsetzung<br />
ggf. gegebenenfalls<br />
HBR Havard Business Review<br />
Hrsg. Herausgeber<br />
HSG Univers. <strong>St</strong>. <strong>Gallen</strong>, Hochschule für Wirtschafts-, Rechts- und Sozialwissenschaften<br />
IC Invested Capital<br />
KLM<br />
KM Kilometer<br />
Market cap Market Capitalization bzw. Börsenwert<br />
Mio Millionen<br />
Mrd Milliarden<br />
MRO Maintenance Repair and Overhaul bzw. technische Flugzeugwartung<br />
NAV Net Asset Value bzw. Nettowert der Aktiven<br />
NOPLAT Net operating profit less adjusted taxes<br />
NZZ Neue Zürcher Zeitung<br />
ROIC Return on invested capital<br />
RPK Revenue Passenger Kilometers<br />
rsh revenue-seat°-hours<br />
RTK Revenue Ton Kilometers<br />
283
Seat° Economy-Sitzäquivalent<br />
SLF Seat-Load-Factor<br />
ssh spoiled-seat°-hours<br />
tb time-based<br />
AVCMS <strong>Airline</strong> Value Contribution <strong>Management</strong> System<br />
USD U.S. Dollar<br />
ush unavailable-seat°-hours<br />
v. Chr. vor Christus<br />
Vgl. Vergleiche<br />
WACC Weighted Average Cost of Capital bzw. gewichteter Kapitalkostensatz<br />
zit. zitiert<br />
z.T. zum Teil<br />
284
7.2 Abbildungsverzeichnis<br />
Abbildung 2-1: Verschuldungsgrad europäischer <strong>Airline</strong>s im Jahr 2000 ..................................................................... 9<br />
Abbildung 2-2: Financial und Operational Gearing im Oktober 2002 (Kurserwartungen pro Szenario) ................... 10<br />
Abbildung 2-3: Cash Burn Analyse ............................................................................................................................ 12<br />
Abbildung 2-4: Umfassende Liquiditätsanalyse für das Jahr 2002............................................................................. 14<br />
Abbildung 2-5: Börsenwert und Nettowert der Aktiven europäischer <strong>Airline</strong>s .......................................................... 16<br />
Abbildung 2-6: Weg von NAV zu market cap............................................................................................................ 17<br />
Abbildung 2-7: Schätzung der Wertschöpfung europäischer <strong>Airline</strong>s 2003............................................................... 20<br />
Abbildung 2-8: ATK Wachstum europäischer <strong>Airline</strong>s 1998-2005............................................................................ 21<br />
Abbildung 2-9: Hintergründe der EVAs ..................................................................................................................... 23<br />
Abbildung 2-10: EVA, NOPLAT und EBIT europäischer <strong>Airline</strong>s ........................................................................... 24<br />
Abbildung 2-11: Konzern-EBIT und <strong>Airline</strong>-EBIT.................................................................................................... 26<br />
Abbildung 2-12: Erwartete Discounted Free Cash Flows für Ryanair 2001-2024......................................................27<br />
Abbildung 2-13: Erwartete Discounted Free Cash Flows für Easyjet 2001-2024 ......................................................29<br />
Abbildung 2-14: Börsenkapitalisierungen 2000, 2002 und 2004................................................................................ 31<br />
Abbildung 2-15: Profitabilitätsanalyse bei BA ........................................................................................................... 45<br />
Abbildung 2-16: Verbundenheiten von Leistungen .................................................................................................... 48<br />
Abbildung 2-17: Passagierkilometer vs. Bruttoinlandsprodukt (weltweit) ................................................................. 50<br />
Abbildung 2-18: Profitabilität vs. Flottenauslieferung (weltweit) .............................................................................. 51<br />
Abbildung 2-19: Bestimmungsgrössen der Industriestruktur...................................................................................... 55<br />
Abbildung 2-20: Abkoppelung der <strong>Airline</strong>-Erträge vom Wirtschaftswachstum.........................................................63<br />
Abbildung 3-1: Beispiel einer Bewertung nach DCF.................................................................................................. 81<br />
Abbildung 3-2: Zusammensetzung der Kapitalkosten ................................................................................................ 83<br />
Abbildung 3-3: Werttreibermodell nach Rappaport.................................................................................................... 85<br />
Abbildung 3-4: Addition des Unternehmenswertes aus NAV und EVAs................................................................... 88<br />
Abbildung 3-5: Paradigmawechsel im Qualitätsmanagement .................................................................................... 96<br />
Abbildung 3-6: Instrumente der klassischen finanziellen Führung........................................................................... 101<br />
Abbildung 3-7: Netzwerkergebnisbaum ................................................................................................................... 106<br />
Abbildung 3-8: Cash Kosten/ASK vs. Durchschnittliche <strong>St</strong>reckenlänge.................................................................. 110<br />
Abbildung 3-9: Beispiel einer Kostenverteilung....................................................................................................... 115<br />
Abbildung 3-10: Kostenverteilung der europäischen <strong>Airline</strong>s.................................................................................. 116<br />
Abbildung 3-11: Netzwerkdeckungsbeitragsrechnung für eine <strong>Airline</strong>.................................................................... 117<br />
Abbildung 3-12: <strong>St</strong>ruktur einer klassischen <strong>St</strong>reckenerfolgsrechnung ..................................................................... 119<br />
Abbildung 3-13: Typische Verwendung der Deckungsbeitragsstufen...................................................................... 120<br />
Abbildung 3-14: Typischer Ablauf der operativen Flugplanung .............................................................................. 125<br />
Abbildung 3-15: Volumen-basierte Netzwerkplanung ............................................................................................. 127<br />
Abbildung 3-16: Phasen der Volumen-basierten Netzwerkplanung ......................................................................... 128<br />
Abbildung 4-1: <strong>St</strong>ruktur des AVCMS....................................................................................................................... 138<br />
Abbildung 4-2: AVCMS Cockpit mit Volumen-Grössen......................................................................................... 140<br />
Abbildung 4-3: AVCMS im erweiterten Kontext ..................................................................................................... 142<br />
Abbildung 4-4: Basiskennzahlen im AVCMS .......................................................................................................... 144<br />
Abbildung 4-5: Wert pro Economy-Sitzäquivalent................................................................................................... 147<br />
Abbildung 4-6: Sitzstunden-basierte Messgrössen im AVCMS ............................................................................... 149<br />
Abbildung 4-7: ASK pro ash europäischer <strong>Airline</strong>s im Jahr 2000............................................................................ 152<br />
Abbildung 4-8: RPK pro rsh europäischer <strong>Airline</strong>s im Jahr 2000 ............................................................................ 155<br />
Abbildung 4-9: Elemente der seat°-utilization-rate bei europäischen <strong>Airline</strong>s......................................................... 157<br />
Abbildung 4-10: tb aircraft-utilization-rate europäischer <strong>Airline</strong>s............................................................................ 159<br />
Abbildung 4-11: Vergleich des time-based SLF mit dem klassischen SLF.............................................................. 161<br />
285
Abbildung 4-12: Asset utilization im Cockpit des AVCMS..................................................................................... 162<br />
Abbildung 4-13: Darstellung von rsh, ash und ush im Cockpit des AVCMS ..........................................................165<br />
Abbildung 4-14: Finanzresultate im AVCMS .......................................................................................................... 167<br />
Abbildung 4-15: EBITDAR/Seat° europäischer <strong>Airline</strong>s auf Gruppenebene ........................................................... 168<br />
Abbildung 4-16: EBITDAR/Seat° europäischer Gesellschaften auf <strong>Airline</strong>-Ebene ................................................. 169<br />
Abbildung 4-17: WACC, ROIC und EVA/IC europäischer <strong>Airline</strong>s im Jahr 2000.................................................. 171<br />
Abbildung 4-18: WACC, ROIC und EVA/IC in einer Mehrperiodenrechnung ....................................................... 172<br />
Abbildung 4-19: Auszug aus den Erfolgsrechnungen europäischer <strong>Airline</strong>s............................................................ 174<br />
Abbildung 4-20: Darstellung der Ertragskraft im AVCMS Cockpit......................................................................... 175<br />
Abbildung 4-21: Ertragsbereich im AVCMS............................................................................................................ 176<br />
Abbildung 4-22: Entwicklung des Ertrag/Seat° europäischer <strong>Airline</strong>s..................................................................... 177<br />
Abbildung 4-23: Ertrag/Seat° europäischer <strong>Airline</strong>s im Jahr 2000........................................................................... 178<br />
Abbildung 4-24: Durchschnittserträge europäischer <strong>Airline</strong>s im Jahr 2000 ............................................................. 179<br />
Abbildung 4-25: Verlorene Erträge im Cockpit des AVCMS .................................................................................. 181<br />
Abbildung 4-26: Qualitätsbereich im AVCMS......................................................................................................... 183<br />
Abbildung 4-27: Pax-h im Cockpit des AVCMS...................................................................................................... 184<br />
Abbildung 4-28: Sensitivitätsanalyse im AVCMS ................................................................................................... 190<br />
Abbildung 4-29: Kostenbereich im AVCMS............................................................................................................ 194<br />
Abbildung 4-30: Entwicklung der Cash Kosten/Seat° europäischer <strong>Airline</strong>s........................................................... 196<br />
Abbildung 4-31: Cash Kosten im Cockpit des AVCMS........................................................................................... 197<br />
Abbildung 4-32: DAR Kosten im Cockpit des AVCMS .......................................................................................... 200<br />
Abbildung 4-33: WACC und Eigenfinanzierungsgrad europäischer <strong>Airline</strong>s .......................................................... 202<br />
Abbildung 4-34: Kapital und Miet- und Leasingkosten pro Seat° ............................................................................ 203<br />
Abbildung 4-35: Bereich der Leistungserstellungsprozesse im AVCMS ................................................................. 205<br />
Abbildung 4-36: Wirkung der Wertbeiträge in der <strong>St</strong>ruktur des AVCMS................................................................ 206<br />
Abbildung 4-37: Vorschlag einer Lieferantenhierarchie im AVCMS ...................................................................... 207<br />
Abbildung 4-38: Erweiterter Kontext des AVCMS .................................................................................................. 209<br />
Abbildung 4-39: Grösse und Wachstum im Cockpit des AVCMS........................................................................... 210<br />
Abbildung 4-40: <strong>St</strong>ückkosten-basierte Netzwerkplanung......................................................................................... 215<br />
Abbildung 4-41: Phasen der <strong>St</strong>ückkosten-basierten Netzwerkplanung .................................................................... 216<br />
Abbildung 4-42: Gegenüberstellung der Planungsvarianten..................................................................................... 218<br />
Abbildung 4-43: Zusammenfassende Darstellung der <strong>St</strong>ruktur des AVCMS........................................................... 229<br />
Abbildung 4-44: AVCMS-Cockpit Darstellungen als Relationsgrössen .................................................................. 233<br />
Abbildung 4-45: AVCMS- Cockpit Darstellungen als Volumengrössen.................................................................. 234<br />
Abbildung 4-46: Wertbeiträge im Swissair Cockpit ................................................................................................. 237<br />
Abbildung 4-47: AVCMS-Cockpits in der Lieferantenhierarchie ............................................................................ 239<br />
Abbildung 4-48. Lieferantenhierarchie im Swissair-Cockpit ................................................................................... 240<br />
Abbildung 4-49: Kommentierungsmöglichkeiten im Swissair Cockpit.................................................................... 242<br />
Abbildung 4-50: Unterstützende Messgrössen im Swissair Cockpit ........................................................................ 245<br />
Abbildung 4-51: Cockpit des Lieferanten SR Technics............................................................................................ 246<br />
Abbildung 4-52: Offener Bereich im Swissair Cockpit ............................................................................................ 248<br />
Abbildung 4-53: Einheitlichkeit der Schlüsselelemente im Swissair Cockpit .......................................................... 250<br />
Abbildung 4-54: Anpassungen bei den Cockpit Funktionalitäten............................................................................. 253<br />
Abbildung 4-55: Vollständige Zuweisung von Verantwortlichkeiten ...................................................................... 256<br />
Abbildung 4-56: Lieferantenhierarchie..................................................................................................................... 257<br />
Abbildung 4-57: Ursache-Wirkungs-Kette bei Folgeverspätungen .......................................................................... 258<br />
Abbildung 4-58: Rückgang der Verspätungen aufgrund von Luftraumüberlastung ................................................. 261<br />
Abbildung 4-59: Cockpit <strong>St</strong>ruktur der Swissair........................................................................................................ 266<br />
286
7.3 Basisdaten der 9 europäischen <strong>Airline</strong>s für das Jahr 2000<br />
Operative und finanzielle Basisdaten „Sheet Business“:<br />
287
Operative und finanzielle Basisdaten „Sheet Business“ (Forts. 1):<br />
288
Operative und finanzielle Basisdaten „Sheet Business“ (Forts. 2):<br />
289
Basisdaten und Berechnungen zum Bereich Unternehmensbewertung „Sheet Valuation“:<br />
Basisdaten und Berechnungen zum Bereich Finanzkalkulationen „Sheet Finance“:<br />
290
7.4 Erklärungen und Datenquellen zu den Basisdaten der 9 europäischen<br />
<strong>Airline</strong>s für das Jahr 2000<br />
Erklärungen und Datenquellen „Sheet Business“:<br />
291
Erklärungen und Datenquellen „Sheet Business“ (Forts. 1):<br />
292
Erklärungen und Datenquellen „Sheet Business“ (Forts. 2):<br />
293
Erklärungen und Datenquellen „Sheet Business“ (Forts. 3):<br />
294
Erklärungen und Datenquellen „Sheet Business“ (Forts. 4):<br />
295
Erklärungen und Datenquellen zum Bereich Unternehmensbewertung „Sheet Valuation“:<br />
Anmerkungen und Quellen Sheet "Valuation"<br />
Quellen<br />
GS01-I Scott-Gall, Hugo / Logan, Chris: <strong>Airline</strong>s Europe – Sitting uncomfortably, Goldman Sachs Global Equity Research, November 2001<br />
ML01 The Hitchhikers’s Guide to European Transport, Merrill Lynch & Co. Global Securities Research & Economics Group, 2002 Edition.<br />
Sheet "Business", Zeilen aus dieser Quelle sind mit (B..) gekennzeichnet<br />
Sheet "Finance" Zeilen aus dieser Quelle sind mit (F..) gekennzeichnet<br />
(1) Cash cost €/ash (B64)*1000/(4) Cash- Kosten hier definiert als exkl. Abschreibungen, Miete, Amortisierungen und Leasing<br />
(2) Dep., a. & r. €/ash [(B69)+(B72)+(B75)]*1000/(4) Kosten von Abschreibungen, Miete, Amortisierungen und Leasing<br />
(3) IC €/ash (B118)*[(B69)+(B72)]/[(B71)+(B74)]*1000/(4) Investiertes Kapital/ash<br />
(4) Available seat-h (ash) in 1000 =(B15) Seat-h, die für den produktiven Betrieb zur Verfügung stehen (Teilmenge von msh)<br />
(5) Seats° =(B2) Sitz-Äquivalente. Zurückgerechnet aus Scheduled Revenue und Revenue/Seat° (4), Iberia-Werte um -10'000 korrigiert<br />
(6) Time period (years) Betrachtungsperiode 1 Jahr<br />
(7) Revenue/seat° € (B58)*1000000/(B2) Ertrags pro Sitz-Äquivalent<br />
(8) Cash cost/seat° € (B64)*1000000/(B2) Cash Kosten pro Sitz-Äquivalent<br />
(9) EBITDAR/seat° € (B66)*1000000/(B2) Earnings before interes, taxes, depreciation, amortization and rents / Sitz-Äquivalent<br />
(10) Depr., amo. & rents/seat° € [(B69)+(B72)-(B75)]*1000000/(B2)<br />
(11) EBIT/seat° € (B78)*1000000/(B2) Kosten von Abschreibungen, Miete, Amortisierungen und Leasing / Sitz-Äquivalent<br />
(12) <strong>Airline</strong> EBIT in 1000 € (B78)*1000 Earnings before interest and taxes (nur <strong>Airline</strong>)<br />
(13) non-<strong>Airline</strong> EBIT in 1000 € (B79)*1000 Earnings before interest and taxes Beiträge von ausserhalb des <strong>Airline</strong>-Geschäftes)<br />
(14) Group EBIT in 1000 € (B80)*1000 Earnings before interest and taxes (Gruppe)<br />
(15) Adjusted taxes in1000 € (F22)*1000 Anpassung der <strong>St</strong>euern zur Berechnung von Tax Shield bzw. NOPLAT<br />
(16) NOPLAT IN 1000 € (14)-(15) Net Operating Profit Less Adjusted Taxes<br />
(17) IC (<strong>Airline</strong>) /seat° (3)*(4)/(5) <strong>Airline</strong>-Kapital/Sitz-Äquivalent<br />
(18) IC (Group) /seat° (B132)/(B2)*1000 Gruppen-Kapital/Sitz-Äquivalent<br />
(19) IC in 1000 € (B132)*1000 Gruppen-Kapital<br />
(20) ROIC (16)/(19) Return on Invested Capital<br />
(21) WACC =(F6) Weighted Avergae Cost of Capital<br />
(22) EVA in 1000 € [(20)-(21)]*(19) Economic Value Added<br />
(23) Abs. EVA/IC Absolutwert(22)/(19) Economic Value Added / Invested Capital (Absolutwert)<br />
(24) EBITDAR/seat° € =(9) Earnings before interes, taxes, depreciation, amortization and rents / Sitz-Äquivalent<br />
(25) Lease rate per seat° € =(B19) Leasingrate pro Sitz-Äquivalent<br />
(26) Pre-tax profit per seat° € (24)-(25) Vorsteuergewinn pro Sitz-Äquivalent<br />
(27) Market cap in mio € ML01 Market Value mio € 30.01.02, Merrill Lynch Hitchhikers's Guide S. 11 (Marktkapitalisierung)<br />
(28) Net asset value (NAV) in mio € (B119)+(B120) Substanzwert<br />
(29) Market cap-NAV in mio € (27)-(28)<br />
(30) pos. Market cap-NAV in mio € Wenn (29)0 dann [(25)-(10)/(25)] sonst 0 DAR = Depreciation, Amortization and Rents<br />
(34) Market Cap/Pax (27)/[(B16)/1000] Marktkapitalisierung/Passagier<br />
(35) Market Cap 2000 in mio € Daten zusammengestellt durch Salomon Smith Barney (Zürich), jeweils zum Bilanzstichtag<br />
(36) Market Cap 2001 in mio € Daten zusammengestellt durch Salomon Smith Barney (Zürich), jeweils zum Bilanzstichtag<br />
(37) Market Cap 2002 in mio € Daten zusammengestellt durch Salomon Smith Barney (Zürich), jeweils zum Bilanzstichtag<br />
296
Erklärungen und Datenquellen Bereich Finanzkalkulationen „Sheet Finance“:<br />
297
7.5 Finanzberichterstattung der 9 europäischen <strong>Airline</strong>s für das Jahr<br />
2000<br />
Alle Werte in den nachfolgenden Tabellen sind in Millionen Euro angegeben.<br />
7.5.1 Konzern-Bilanz<br />
Konzern-Bilanz<br />
Lufthansa<br />
BA<br />
Easyjet<br />
Air<br />
France<br />
SAS KLM<br />
Ryanair<br />
Alitalia Iberia<br />
Fl. Mittel 386 735 23 94 90 667 355 91 9<br />
Debitoren 2'506 2'253 68 1'805 621 1'441 28 1'383 687<br />
Material 253 128 0 160 142 296 14 231 101<br />
Wertschriften 584 1'153 0 1'818 896 63 0 10 711<br />
Anlagen 11'081 17'991 338 7'489 3'676 6'180 315 2'985 3'003<br />
Total Aktiven 14'810 22'260 428 11'366 5'426 8'647 712 4'700 4'511<br />
Kreditoren 1'064 1'909 26 1'205 588 710 23 515 881<br />
Rückstellungen / <strong>St</strong>euern 5'943 133 3 1'092 54 458 15 741 1'248<br />
Darlehen und anderes Fremdkapital 3'638 14'716 292 5'562 2'620 5'459 233 1'947 1'211<br />
Eigenkapital<br />
Total Passiven<br />
4'165<br />
14'810<br />
5'501<br />
22'260<br />
107<br />
428<br />
3'507<br />
11'366<br />
2'163<br />
5'426<br />
2'020<br />
8'647<br />
441<br />
712<br />
1'497<br />
4'700<br />
1'171<br />
4'511<br />
7.5.2 Konzern-Erfolgsrechnung<br />
Konzern-Erfolgsrechnung<br />
Lufthansa<br />
BA<br />
Easyjet<br />
Air<br />
France<br />
SAS KLM<br />
Ryanair<br />
Alitalia Iberia<br />
Umsatz 16'392 14'725 435 10'325 5'229 6'296 370 5'661 4'487<br />
Materialaufwand -6'618 -5'442 -72 -1'745 -884 -1'055 -59 -1'117 -659<br />
Personalaufwand -3'625 -4'086 -46 -3'094 -1'642 -1'676 -49 -1'183 -1'337<br />
Übriger Ertrag (Aufwand) -4'035 -3'678 -216 -4'026 -2'085 -2'906 -132 -2'821 -1'893<br />
EBITDAR 2'114 1'519 100 1'460 618 659 130 540 598<br />
Mieten und Leasing -62 -313 -28 -260 -209 -161 -2 -491 -364<br />
EBITDA 2'052 1'206 72 1'200 410 498 128 49 234<br />
Abschreibungen -1'097 -1'067 -25 -868 -241 -402 -44 -302 -168<br />
Erfolg vor Zinsen und <strong>St</strong>euern (EBIT) 955 138 48 332 168 96 84 -253 66<br />
Zinsen -256 -664 -12 -188 -32 -112 4 7 -158<br />
Beteiligungserfolg 64 124 0 0 0 54 0 0 0<br />
a.o. Erfolg 452 410 0 163 169 324 2 30 158<br />
Erfolg vor <strong>St</strong>euern (EBT) 1'215 8 36 307 305 362 90 -216 66<br />
<strong>St</strong>eueraufwand -529 -25 0 -1 -34 -25 -17 -40 -17<br />
Erfolg nach <strong>St</strong>euern (EAT) 686 -16 36 306 271 337 73 -256 49<br />
Erfolgsanteil Minderheitsbeteiligungen 3 -18 0 48 1 0 0 1 -3<br />
Erfolg nach <strong>St</strong>euern (EAT) nach Minderh. 689 -35 36 354 272 337 73 -255 46<br />
7.5.3 Spartenerfolg <strong>Airline</strong><br />
Spartenerfolg <strong>Airline</strong><br />
Lufthansa<br />
BA<br />
Easyjet<br />
Air<br />
France<br />
SAS KLM<br />
Ryanair<br />
Alitalia Iberia<br />
Umsatz 12'884 13'211 435 8'653 4'893 5'507 404 5'125 2'964<br />
Material, Personal und andere Cash-Kosten -11'097 -11'414 -334 -7'452 -4'295 -4'813 -262 -4'608 -2'585<br />
EBITDAR 1'787 1'797 100 1'201 598 694 142 517 378<br />
Mieten und Leasing -62 -313 -28 -260 -209 -161 -2 -466 -356<br />
EBITDA 1'725 1'484 72 941 389 533 140 50 22<br />
Abschreibungen -971 -1'014 -25 -825 -229 -382 -44 -234 -159<br />
Erfolg vor Zinsen und <strong>St</strong>euern (EBIT) 754 470 48 116 160 151 96 -184 -137<br />
298
7.5.4 Konzern Cash Flow-Rechnung<br />
Konzern Cash Flow-Rechnung<br />
Lufthansa<br />
BA<br />
Easyjet<br />
Air<br />
France<br />
SAS KLM<br />
Ryanair<br />
Alitalia Iberia<br />
Anfangsbest. Kasse / Bankkontokorrent 225 763 49 73 158 761 159 110 14<br />
Zahlungen von Kunden 16'093 14'672 413 10'169 5'264 5'953 367 5'298 4'560<br />
Zahlungen an Lieferanten -6'378 -5'187 -63 -1'473 -792 -901 -68 -1'070 -547<br />
Lohnzahlungen -3'625 -4'086 -46 -3'094 -1'642 -1'676 -49 -1'183 -1'337<br />
Zahlungen übr. Ertrag (Aufwand) -3'657 -3'668 -208 -4'494 -2'414 -2'783 -102 -3'064 -2'153<br />
Zahlungen für Zinsen -256 -664 -12 -188 -32 -112 4 7 -158<br />
Zahlungen fällige Rückstellung / <strong>St</strong>euern -211 -3 -2 -1 -26 -25 -16 -31 -17<br />
Operativer Cash Flow 1'966 1'064 84 919 358 456 136 -43 348<br />
Investitionen Anlagen -2'881 -2'609 -100 -1'597 -1'215 -599 -154 -1'219 -915<br />
Desinvestitionen Anlagen 826 828 13 171 611 510 1 575 789<br />
Investiver Cash Flow -2'055 -1'780 -87 -1'426 -604 -89 -153 -644 -126<br />
Aufnahme/Rückzahlung Darlehen u. übr. FK 504 697 -28 75 178 171 97 668 -176<br />
Einzahlung/Entnahme Eigenkapital -254 -8 5 453 1 -632 116 0 -52<br />
Finanzieller Cash Flow 250 688 -23 528 179 -461 213 668 -227<br />
Cash Flow total<br />
Endbestand Kasse / Bankkontokorrent<br />
161<br />
386<br />
-28<br />
735<br />
-26<br />
23<br />
21<br />
94<br />
-67<br />
90<br />
-94<br />
667<br />
196<br />
355<br />
-19<br />
91<br />
-5<br />
9<br />
7.5.5 Indirekte Berechnung des operativen Konzern Cash Flow<br />
CF operativ indirekt Konzern<br />
Lufthansa<br />
BA<br />
Easyjet<br />
Air<br />
France<br />
SAS KLM<br />
Ryanair<br />
Alitalia Iberia<br />
Erfolg nach <strong>St</strong>euern (EAT) 686 -16 36 306 271 337 73 -256 49<br />
Abschreibungen 1'097 1'067 25 868 241 402 44 302 168<br />
a.o. Erfolg -452 -410 0 -163 -169 -324 -2 -30 -158<br />
(Zu-)Abnahme Debitoren -299 -53 -21 -156 34 -343 -3 -363 73<br />
(Zu-)Abnahme Material -22 10 0 39 -25 -50 -1 -20 -26<br />
(Zu-)Abnahme Wertschriften -31 0 0 -272 -120 120 0 61 -165<br />
Zu(Ab-)nahme Kreditoren 126 440 43 282 117 269 21 254 118<br />
Zu(Ab-)nahme Rückstellungen<br />
CF operativ indirekt<br />
861<br />
1'966<br />
26<br />
1'064<br />
2<br />
84<br />
15<br />
919<br />
8<br />
358<br />
45<br />
456<br />
4<br />
136<br />
9<br />
-43<br />
288<br />
348<br />
7.5.6 Eigenkapitalveränderung Konzern<br />
Eigenkapitalveränderung Konzern<br />
Lufthansa<br />
BA<br />
Easyjet<br />
Air<br />
France<br />
SAS KLM<br />
Ryanair<br />
Alitalia Iberia<br />
AB Eigenkapital 3'733 5'526 66 2'727 1'891 2'157 251 1'753 1'019<br />
Erfolg 686 -16 36 306 271 337 73 -256 49<br />
Sacheinlage in Anlagevermögen, Saldierung 0 0 0 21 0 158 1 0 155<br />
Einzahlung/Entnahme Eigenkapital<br />
EB Eigenkapital<br />
-254<br />
4'165<br />
-8<br />
5'501<br />
5<br />
107<br />
453<br />
3'507<br />
1<br />
2'163<br />
-632<br />
2'020<br />
116<br />
441<br />
0<br />
1'497<br />
-52<br />
1'171<br />
7.5.7 Bilanzstichtage der betrachteten <strong>Airline</strong>s<br />
Die Berichtsdaten (Bilanzstichtage) der einzelnen Gesellschaften sind die folgenden:<br />
Lufthansa 31. Dezember 2000<br />
British Airways 31. März 2000<br />
Easyjet 30. September 2000<br />
Air France 31. März 2000<br />
SAS 31. Dezember 2000<br />
KLM 31. März 2000<br />
Ryanair 31. März 2000<br />
Alitalia 31. Dezember 2000<br />
Iberia 31. Dezember 2000<br />
299
7.6 Erweiterte <strong>Airline</strong> Industrie-Daten 2000-2004<br />
Basisdaten:<br />
Seats° (Seat- equivalents)<br />
(1) 2000 2001 2002 2003E 2004E<br />
Air France 57'437 61'073 63'281 65'167 66'980<br />
British Airways 96'762 105'266 99'778 90'156 87'222<br />
easyJet 2'585 3'169 6'178 9'781 12'064<br />
Iberia 33'500 35'701 33'439 32'234 33'162<br />
KLM 38'488 41'695 42'826 42'338 42'732<br />
Lufthansa 86'102 96'700 100'115 103'992 109'764<br />
Ryanair 3'768 5'087 6'515 9'465 12'073<br />
SAS 34'195 37'340 49'278 50'102 49'383<br />
ASK (in Mio)<br />
(2) 2000 2001 2002 2003E 2004E<br />
Air France 112'443 119'562 123'857 126'907 131'676<br />
British Airways 168'361 183'158 166'443 166'633 171'003<br />
easyJet 5'801 7'112 11'936 19'856 24'454<br />
Iberia 54'863 58'467 54'894 55'627 60'078<br />
KLM 76'380 75'222 75'513 73'182 73'968<br />
Lufthansa 123'801 126'400 119'877 122'787 135'066<br />
Ryanair 5'031 6792 9'676 15'185 19'301<br />
SAS 34'132 37'271 46'608 46'466 48'793<br />
EBITDAR /seat (US$ 000) (Group EBITDAR)<br />
(3) 2000 2001 2002 2003E 2004E<br />
Air France 25 26 27 26 27<br />
British Airways 14 19 21 24 27<br />
easyJet 36 40 40 33 34<br />
Iberia 18 18 28 25 29<br />
KLM 17 21 14 15 19<br />
Lufthansa 25 13 21 13 19<br />
Ryanair 35 35 52 43 38<br />
SAS 18 9 15 11 18<br />
Revenue/seat° (US$ 000) (Group Revenue)<br />
(4) 2000 2001 2002 2003E 2004E<br />
Air France 180 201 183 176 178<br />
British Airways 140 133 132 143 152<br />
easyJet 154 170 172 164 160<br />
Iberia 134 133 134 134 139<br />
KLM 164 167 153 144 143<br />
Lufthansa 190 186 176 163 165<br />
Ryanair 98 96 131 116 105<br />
SAS 153 152 163 146 153<br />
300
Basisdaten (Forts. 1):<br />
Overall Yield USC/RPK<br />
(5) 2000 2001 2002 2003E 2004E<br />
Air France 6.31 7.11 7.75 7.56 7.61<br />
British Airways 7.04 7.44 8.05 7.72 7.71<br />
easyJet 5.60 6.29 5.52 4.93 4.78<br />
Iberia 8.50 8.50 8.31 7.75 7.59<br />
KLM 4.75 5.22 5.61 5.29 5.24<br />
Lufthansa 7.62 7.72 8.27 7.93 8.06<br />
Ryanair 4.95 4.72 7.54 6.32 5.50<br />
SAS 13.11 13.39 15.36 14.57 14.42<br />
Cash Cost USC/ASK<br />
(6) 2000 2001 2002 2003E 2004E<br />
Air France 5.47 6.27 5.47 5.30 5.29<br />
British Airways 6.13 5.63 4.97 4.73 4.72<br />
easyJet 5.27 5.78 6.74 6.33 6.08<br />
Iberia 7.09 6.93 7.74 7.64 7.40<br />
KLM 5.14 5.75 4.86 4.53 4.33<br />
Lufthansa 8.27 9.58 7.79 7.13 7.20<br />
Ryanair 3.51 3.63 4.37 3.72 3.44<br />
SAS 12.72 12.01 12.17 11.58 11.37<br />
Overall Load Factor<br />
(7) 2000 2001 2002 2003E 2004E<br />
Air France 71.9% 73.4% 71.9% 71.8% 71.9%<br />
British Airways 66.6% 67.4% 64.9% 66.0% 66.9%<br />
easyJet 81.5% 83.0% 85.3% 84.5% 84.9%<br />
Iberia 73.8% 70.8% 71.4% 73.7% 74.8%<br />
KLM 76.1% 77.8% 76.8% 78.1% 78.2%<br />
Lufthansa 71.8% 66.3% 70.4% 69.7% 70.3%<br />
Ryanair 67.3% 65.8% 84.0% 81.9% 82.5%<br />
SAS 65.3% 63.0% 66.1% 65.2% 65.6%<br />
<strong>St</strong>age Length (kms) Mkt Cap Mio in US$<br />
(8) 2002-2004E (9) Market cap*<br />
Air France 1'516 Air France 3'897<br />
British Airways 1'715 British Airways 5'922<br />
easyJet 833 easyJet 2'163<br />
Iberia 1'100 Iberia 3'094<br />
KLM 1'589 KLM 973<br />
Lufthansa 1'221 Lufthansa 6'366<br />
Ryanair 683 Ryanair 4'420<br />
SAS 913 SAS 1'485<br />
301<br />
*in mio € (27.04.2004)
Erklärungen und Datenquellen:<br />
Anmerkungen und Quellen<br />
Wechselkurse 2000 und 2001: 1 EUR/USD 1.51 EUR/£ 0.11 EUR/SKR<br />
(1) Daten 2000 Analyse 2000<br />
Daten 2001 Alle ausser Lufthansa und KLM extrapoliert anhand ASK (2)<br />
Lufthansa und KLM extrapoliert anhand ASK (2), + Anpassung von 10%<br />
Daten 02-04 GS04 (angegebene Wachstumsraten Seat° angewandt auf Daten 2001)<br />
(2) Daten 2000 aus Analyse 2000<br />
Daten 2001 Air France, KLM, Lufthansa, SAS GS02-I<br />
Bristish Airways, easyjet, Ryanair GS01-II<br />
Iberia IB01<br />
Daten 02-04 GS04 (angegebene Wachstumsraten ASK angewandt auf Daten 2001)<br />
(3) Daten 00-01 Air France, BA, KLM, Lufthansa, SAS GS02-I Group EBITDAR geteilt durch Seat° aus (1)<br />
easyjet, Ryanair GS01-II Group EBITDAR geteilt durch Seat° aus (1)<br />
Iberia IB01 Group EBITDAR geteilt durch Seat° aus (1)<br />
Daten 02-04 GS04<br />
(4) Daten 00-01 Air France, BA, KLM, Lufthansa, SAS GS02-I Group Revenue geteilt durch Seat° aus (1)<br />
easyjet, Ryanair GS01-II Group Revenue geteilt durch Seat° aus (1)<br />
Iberia IB01 Group Revenue geteilt durch Seat° aus (1)<br />
Daten 02-04 GS04<br />
(5)<br />
Daten 00-01 alle ausser Iberia GS01-II<br />
Iberia IB01<br />
Daten 02-04 GS04<br />
(6) Daten 00-01 Air France, BA, KLM, Lufthansa, SAS GS02-I Operting Cost abzügl. Abschreibungen, Leasing, Charter, übrige Kosten, Erlösminderungen<br />
easyjet, Ryanair GS01-II Operting Cost abzügl. Abschreibungen, Leasing, Charter, übrige Kosten, Erlösminderungen<br />
Iberia IB01 Operting Cost abzügl. Abschreibungen, Leasing, Charter, übrige Kosten, Erlösminderungen<br />
Daten 02-04 GS04 Umgerechnet von USD/ASK in USC/ASK<br />
(7) Daten 00-01 alle ausser Iberia GS01-II<br />
Iberia IB01<br />
(8) Daten 02-04 GS04<br />
(9) Daten 04 (<strong>St</strong>ichtag 27.04.04) GS04<br />
Quellen:<br />
GS01-I Scott-Gall, Hugo / Logan, Chris: <strong>Airline</strong>s Europe – Sitting uncomfortably, Goldman Sachs Global Equity Research, November 2001<br />
GS01-II Scott-Gall, Hugo / Logan, Chris: <strong>Airline</strong>s Europe – Company Profiles, Goldman Sachs Global Equity Research, November 2001<br />
GS02-I Scott-Gall, Hugo / Logan, Chris / Frank, Campbell: Europe: <strong>Airline</strong>s – Balance Sheet analysis and industry overview - ratings and estimate changes, Goldman Sachs Global Equity Research, October 2002<br />
GS02-II Scott-Gall, Hugo / Logan, Chris / Malmer <strong>St</strong>affan / Frank, Campbell: Transportation: <strong>Airline</strong>s Europe – Unravelling regulation, Goldman Sachs Global Equity Research, December 2002<br />
GS02-III Scott-Gall, Hugo / Logan, Chris / Malmer <strong>St</strong>affan / Frank, Campbell: easyJet, Goldman Sachs Global Equity Research, December 2002<br />
GS04-I Scott-Gall, Hugo / Logan, Chris / Malmer <strong>St</strong>affan / Bramley-Jackson, <strong>St</strong>eve / Ravera, Annwyn: New Global Analysis, Goldman Sachs Global Equity Research, April 2004<br />
IB01 Iberia Annual Report 2001, Download 11.08.04 von www.iberia.com<br />
302
7.7 Basisdaten der Mehrperiodenmodellrechnung<br />
Operative und finanzielle Basisdaten „Sheet Business“:<br />
303
Operative und finanzielle Basisdaten „Sheet Business“ (Forts.1):<br />
304
Operative und finanzielle Basisdaten „Sheet Business“ (Forts.2):<br />
305
Basisdaten und Berechnungen zum Bereich Unternehmensbewertung „Sheet Valuation“:<br />
Basisdaten und Berechnungen zum Bereich Finanzkalkulationen „Sheet Finance“:<br />
306
7.8 Erklärungen zu den Basisdaten der Mehrperiodenmodellrechnung<br />
Erklärungen und Datenquellen „Sheet Business“:<br />
307
Erklärungen und Datenquellen „Sheet Business“ (Forts. 1):<br />
308
Erklärungen und Datenquellen „Sheet Business“ (Forts. 2):<br />
309
Erklärungen und Datenquellen „Sheet Business“ (Forts. 3):<br />
310
Erklärungen und Datenquellen „Sheet Business“ (Forts. 4):<br />
311
Erklärungen und Datenquellen zum Bereich Unternehmensbewertung „Sheet Valuation“:<br />
Anmerkungen und Quellen Sheet "Valuation"<br />
Quellen<br />
Sheet "Business", Zeilen aus dieser Quelle sind mit (B..) gekennzeichnet<br />
Sheet "Finance" Zeilen aus dieser Quelle sind mit (F..) gekennzeichnet<br />
Weiter ist angegeben, wo Daten aus den Sheets "Sensitivity", "Prozesse" und "Non-<strong>Airline</strong>" kommen<br />
Dort, wo direkt Daten eingegeben werden können, ist dies Durch den Vermerk "Eingabe" oder "Eingabefeld" gekennzeichnet.<br />
(1) Cash cost €/ash ex Prozesse Cash- Kosten hier definiert als exkl. Abschreibungen, Miete, Amortisierungen und Leasing<br />
(2) Dep., a. & r. €/ash ex Prozesse Kosten von Abschreibungen, Miete, Amortisierungen und Leasing<br />
(3) IC €/ash ex Prozesse Investiertes Kapital/ash<br />
(4) Available seat-h (ash) in 1000 =(B15) Seat-h, die für den produktiven Betrieb zur Verfügung stehen (Teilmenge von msh)<br />
(5) Seats° Eingabefeld Sitz-Äquivalente.<br />
(6) Time period (years) Eingabefeld<br />
(7) Revenue/seat° € (B4)*Währungsumrechnung Ertrags pro Sitz-Äquivalent<br />
(8) Cash cost/seat° € (1)*(4)*1000)/(5) Cash Kosten pro Sitz-Äquivalent<br />
(9) EBITDAR/seat° € (7)-(8) Earnings before interes, taxes, depreciation, amortization and rents / Sitz-Äquivalent<br />
(10) Depr., amo. & rents/seat° € (1)*1000*(4))/(5)<br />
(11) EBIT/seat° € (9)-(10) Kosten von Abschreibungen, Miete, Amortisierungen und Leasing / Sitz-Äquivalent<br />
(12) <strong>Airline</strong> EBIT in 1000 € (11)*(5)/1000 Earnings before interest and taxes (nur <strong>Airline</strong>)<br />
(13) non-<strong>Airline</strong> EBIT in 1000 € (B79)*1000 Earnings before interest and taxes Beiträge von ausserhalb des <strong>Airline</strong>-Geschäftes)<br />
(14) Group EBIT in 1000 € (12)+(13) Earnings before interest and taxes (Gruppe)<br />
(15) Adjusted taxes in 1000 € =(F22) Anpassung der <strong>St</strong>euern zur Berechnung von Tax Shield bzw. NOPLAT<br />
(16) NOPLAT IN 1000 € (14)-(15) Net Operating Profit Less Adjusted Taxes<br />
(17) IC (<strong>Airline</strong>) /seat° (3)*(4)/(5) <strong>Airline</strong>-Kapital/Sitz-Äquivalent<br />
(18) IC (Group) /seat° (B132)/(B2)*1000 Gruppen-Kapital/Sitz-Äquivalent<br />
(19) IC in 1000 € (B132)*1000 Gruppen-Kapital<br />
(20) ROIC (16)/(19) Return on Invested Capital<br />
(21) WACC =(F6) Weighted Avergae Cost of Capital<br />
(22) EVA in 1000 € [(20)-(21)]*(19) Economic Value Added<br />
(23) Abs. EVA/IC Absolutwert(22)/(19) Economic Value Added / Invested Capital (Absolutwert)<br />
(24) EBITDAR/seat° € =(9) Earnings before interes, taxes, depreciation, amortization and rents / Sitz-Äquivalent<br />
(25) Lease rate per seat° € =(B19) Leasingrate pro Sitz-Äquivalent<br />
(26) Pre-tax profit per seat° € (24)-(25) Vorsteuergewinn pro Sitz-Äquivalent<br />
(27) Market cap in mio € Eingabefeld Marktkapitalisierung<br />
(28) Net asset value (NAV) in mio € (B119)+(B120) Substanzwert<br />
(29) Market cap-NAV in mio € (27)-(28)<br />
(30) pos. Market cap-NAV in mio € Wenn (29)0 dann [(25)-(10)/(25)] sonst 0 DAR = Depreciation, Amortization and Rents<br />
(34) EVA B/E EBITDAR/Seat° (21)*(18)*1000+(15)*1000/(5)-(13)*1000/(5)+(10) Break-even EBITDAR/Seat° für positiven EVA<br />
(35) NAV beginning year 2000 [(B142)+(B143)]*1000 NAV zum Jahresbeginn 2000<br />
(36) Present value EVA in 1000 € (22)*[1-(21)] Gegenwartswert eines kontinuierlich gleichbleibendem Jahres-EVA<br />
(37) Terminal growth rate (seats°) Eingabefeld Wachstumsrate der Sitze nach Ende der Betrachtungsperiode<br />
(38) Residual value (NPV) Formel zur Berechnung des Gegenwartswertes des Restwertes<br />
312
Erklärungen und Datenquellen zum Bereich Finanzkalkulationen „Sheet Finance“:<br />
Anmerkungen und Quellen Sheet "Finance"<br />
313<br />
Quellen<br />
Sheet "Business", Zeilen aus dieser Quelle sind mit (B..) gekennzeichnet<br />
Sheet "Financial Reporting" (aufgrund der Länge und Komplexität vieler Formeln in diesem Sheet hierfür keine Berechnungsdetails)<br />
Dort, wo direkt Daten eingegeben werden können, ist dies Durch den Vermerk "Eingabe" oder "Eingabefeld" gekennzeichnet.<br />
(1) Debt % of IC [Summe von (B122) bis (B131)]/(B132) Fremdkapital in % des Investierten Kapitals (IC)<br />
(2) Equity % of IC 1-(1) Eigenkapital in % des Investierten Kapitals (IC)<br />
(3) avg interest rate Eingabefeld Zinssatz (Durchschnitt)<br />
(4) Cost of equity rate Eingabefeld Eigenkapitalkostensatz<br />
(5) Tax rate applied for tax shield Eingabefeld <strong>St</strong>euersatz, wie er auf das Tax Shield angewandt wird<br />
(6) WACC (1)*[1-(5)]*(3)+(2)*(4) Weigthed Average Cost of Capital<br />
(7) Adaptation WACC->MIC Eingabefeld Anpassung von WACC auf MICC<br />
(8) MICC (6)+(7) Market Implied Cost of Capital (die aus den Kapitalmarktverhältnissen abgeleiteten Kapitalkosten)<br />
(9) CROGCI Eingabefeld Cash Return on Gross Capital Invested<br />
(10) Fixed charges cover Eingabefeld Deckungsgrad der fixen Zahlungsverpflichtungen<br />
(11) % of shares vol. daily traded Eingabefeld Anteil der Aktien, die täglich gehandelt werden<br />
(12) IC <strong>Airline</strong> =(V19) Investiertes Kapital der <strong>Airline</strong><br />
(13) IC non <strong>Airline</strong> Eingabefeld Investiertes Kapital Nicht-<strong>Airline</strong><br />
(14) IC Total (12)+(13) Investiertes Kapital der Gruppe<br />
(15) of that IC Minorities Eingabefeld Anteile der Minderheitsbeteiligungen<br />
(16) Debt (1)*(14) Fremdkapital<br />
(17) Cost of debt -1*(3)*(16) Fremdkapitalkosten<br />
(18) Interest receivable Eingabefeld Zinseinnahmen<br />
(19) Net interest (17)+(18) Nettofremdkapitalkosten<br />
(20) Taxes (provisions) Maximum von 0 oder [(B78)*1000+(17)]*(5) <strong>St</strong>euerrückstellungen<br />
(21) Tax shield Wenn (B80)>0, dann das Minimum von (B80)*1000 oder -(17) mit (5) multiplizieren, andernfalls 0 Bestandteil des WACC<br />
(22) Adjusted taxes (20)+(21) Anpassung zur Berechnung des Tax Shield<br />
(23) Taxes cash in mio € Eingabefeld Liquiditätswirksame <strong>St</strong>euerzahlungen<br />
(24) Minorities (income) in mio € Eingabefeld Einkommen Minderheitsbeteiligungen<br />
(25) Dividend Eingabefeld Dividende
7.9 Finanzberichterstattung der Mehrperiodenmodellrechnung<br />
7.9.1 Konzern-Bilanz<br />
Konzern-Bilanz Target 2000 2001 2002 2003 2004<br />
Fl. Mittel 151 169 176 171 167 166<br />
Debitoren 223 211 218 218 222 228<br />
Material 236 245 253 270 267 266<br />
Wertschriften 10 10 10 20 20 20<br />
Anlagen 2'128 2'181 2'188 2'181 2'176 2'199<br />
Total Aktiven 2'748 2'816 2'845 2'860 2'853 2'878<br />
Kreditoren 400 400 410 420 425 430<br />
Rückstellungen / <strong>St</strong>euern 800 800 810 810 810 810<br />
Darlehen und anderes Fremdkapital 1'238 1'206 1'165 1'020 1'058 1'028<br />
Eigenkapital 310 410 460 610 560 610<br />
Total Passiven 2'748 2'816 2'845 2'860 2'853 2'878<br />
7.9.2 Konzern-Erfolgsrechnung<br />
Konzern-Erfolgsrechnung Target 2000 2001 2002 2003 2004<br />
Umsatz 3'522 1'653 1'622 2'534 3'150 3'967<br />
Materialaufwand -520 -405 -427 -590 -598 -681<br />
Personalaufwand -955 -766 -778 -1'003 -1'021 -1'096<br />
Übriger Ertrag (Aufwand) -754 -578 -583 -804 -820 -865<br />
EBITDAR 1'293 -97 -167 138 712 1'325<br />
Mieten und Leasing -198 -203 -207 -211 -214 -219<br />
EBITDA 1'095 -300 -374 -73 498 1'106<br />
Abschreibungen -98 -102 -104 -107 -108 -110<br />
Erfolg vor Zinsen und <strong>St</strong>euern (EBIT) 997 -402 -478 -180 389 996<br />
Zinsen -170 -168 -166 -157 -160 -158<br />
Beteiligungserfolg 1 1 1 1 1 1<br />
a.o. Erfolg 17 18 19 20 21 22<br />
Erfolg vor <strong>St</strong>euern (EBT) 845 -551 -625 -316 252 861<br />
<strong>St</strong>eueraufwand -323 0 0 0 -82 -308<br />
Erfolg nach <strong>St</strong>euern (EAT) 522 -551 -625 -316 169 553<br />
Erfolgsanteil Minderheitsbeteiligungen -1 -1 -1 -1 -1 -1<br />
Erfolg nach <strong>St</strong>euern (EAT) nach Minderh. 521 -552 -626 -317 168 552<br />
7.9.3 Spartenerfolg <strong>Airline</strong><br />
Spartenerfolg <strong>Airline</strong> Target 2000 2001 2002 2003 2004<br />
Umsatz 3'282 1'401 1'357 2'256 2'859 3'617<br />
Material, Personal und andere Cash-Kosten -2'079 -1'592 -1'624 -2'223 -2'256 -2'450<br />
EBITDAR 1'203 -191 -266 34 602 1'167<br />
Mieten und Leasing -148 -151 -152 -153 -153 -155<br />
EBITDA 1'055 -342 -418 -120 449 1'012<br />
Abschreibungen -77 -77 -78 -80 -80 -81<br />
Erfolg vor Zinsen und <strong>St</strong>euern (EBIT) 978 -420 -497 -200 369 931<br />
314
7.9.4 Konzern Cash Flow-Rechnung<br />
Konzern Cash Flow-Rechnung Target 2000 2001 2002 2003 2004<br />
Anfangsbest. Kasse / Bankkontokorrent 131 150 169 176 171 167<br />
Zahlungen von Kunden 3'480 1'822 1'615 2'534 3'146 3'961<br />
Zahlungen an Lieferanten -448 -420 -426 -597 -590 -674<br />
Lohnzahlungen -955 -766 -778 -1'003 -1'021 -1'096<br />
Zahlungen übr. Ertrag (Aufwand) -941 -760 -760 -1'004 -1'033 -1'082<br />
Zahlungen für Zinsen -170 -168 -166 -157 -160 -158<br />
Zahlungen fällige Rückstellung / <strong>St</strong>euern -283 -20 -20 -20 -82 -308<br />
Operativer Cash Flow 683 -313 -535 -246 260 643<br />
Investitionen Anlagen -111 95 -122 -110 -112 -141<br />
Desinvestitionen Anlagen 30 30 30 30 30 30<br />
Investiver Cash Flow -81 125 -92 -80 -82 -111<br />
Aufnahme/Rückzahlung Darlehen u. übr. FK -210 -44 -41 -145 38 -30<br />
Einzahlung/Entnahme Eigenkapital -372 251 675 466 -219 -503<br />
Finanzieller Cash Flow -582 207 633 321 -181 -533<br />
Cash Flow total 20 19 7 -6 -3 -2<br />
Endbestand Kasse / Bankkontokorrent 151 169 176 171 167 166<br />
7.9.5 Indirekte Berechnung des operativen Konzern Cash Flow<br />
CF operativ indirekt Konzern Target 2000 2001 2002 2003 2004<br />
Erfolg nach <strong>St</strong>euern (EAT) 522 -551 -625 -316 169 553<br />
Abschreibungen 98 102 104 107 108 110<br />
a.o. Erfolg -17 -18 -19 -20 -21 -22<br />
(Zu-)Abnahme Debitoren -42 169 -7 0 -4 -5<br />
(Zu-)Abnahme Material -8 5 -8 -17 3 1<br />
(Zu-)Abnahme Wertschriften 10 0 0 -10 0 0<br />
Zu(Ab-)nahme Kreditoren 80 -20 10 10 5 5<br />
Zu(Ab-)nahme Rückstellungen<br />
CF operativ indirekt<br />
40<br />
683<br />
0<br />
-313<br />
10<br />
-535<br />
0<br />
-246<br />
0<br />
260<br />
0<br />
643<br />
7.9.6 Eigenkapitalveränderung Konzern<br />
Eigenkapitalveränderung Konzern Target 2000 2001 2002 2003 2004<br />
AB Eigenkapital 160 710 410 460 610 560<br />
Erfolg 522 -551 -625 -316 169 553<br />
Sacheinlage in Anlagevermögen 0 0 0 0 0 0<br />
Einzahlung/Entnahme Eigenkapital -372 251 675 466 -219 -503<br />
EB Eigenkapital 310 410 460 610 560 610<br />
315
Lebenslauf<br />
Volker Heitmann, geboren am 2. Oktober 1967 in Wesel, Deutschland<br />
Ausbildung<br />
Aug 1978-Jun 1987 Johanneum Hamburg, Deutschland: Abitur (Matura)<br />
Jul 1987-Okt 1988 Führungsakademie der Bundeswehr, Hamburg, Deutschland:<br />
Wehrdienst im Bereich Betriebs- und<br />
Organisationswissenschaften<br />
Okt 1988-Dez 1993 <strong>Universität</strong> <strong>St</strong>. <strong>Gallen</strong>, Schweiz:<br />
<strong>St</strong>udium der Betriebswirtschaftslehre,<br />
Vertiefungsrichtung Finanz- und Rechnungswesen<br />
Apr 1990-Mai 1990 ESADE Business School Barcelona, Spanien: Sprachstudien<br />
Mär 1999–Mär 2001 SAirGroup <strong>Management</strong> Development Pool, Kloten Schweiz:<br />
Führungs- und <strong>St</strong>rategie-Training<br />
Mär 2002-Aug 2004 <strong>Universität</strong> <strong>St</strong>. <strong>Gallen</strong>, Schweiz:<br />
Doktorarbeit<br />
Berufliche Laufbahn<br />
Mai 1990-Dez 1992 Otto Versand Hamburg, Deutschland und<br />
Helbling <strong>Management</strong> Consulting, Zürich, Schweiz:<br />
Praktika<br />
Jan 1994-Mär 2002 Swissair und Swiss International <strong>Airline</strong>s, Kloten, Schweiz:<br />
• Projektleitung in der Ertragssteuerung (Jan 94-Dec 94)<br />
• <strong>St</strong>ab Marketing und Bodendienste (Apr 95-Mär 96)<br />
• Leiter <strong>St</strong>rategies, Economics and Reporting (Apr 96-Jan 02)<br />
(inkl. Leitung operatives <strong>Performance</strong> <strong>Management</strong>)<br />
• Aufbau der finanziellen Planungsprozesse (Feb 02-Mär 02)<br />
Seit Sep 2004 Swisscard AECS, Horgen, Schweiz:<br />
Leiter <strong>Performance</strong> <strong>Management</strong>