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Wangerooge in alten und neuen Bildern - Wilhelmshavener Zeitung

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Seite 18 · <strong>Wilhelmshavener</strong> <strong>Zeitung</strong>Gester n<strong>und</strong>Heutepräsentiert von der:Til<strong>in</strong>gstarteteerste Raketen27. April 2013Der Ingenieur Re<strong>in</strong>holdTil<strong>in</strong>g startete auf <strong>Wangerooge</strong>e<strong>in</strong>e Reihe vonVersuchs-Raketen. DerWaffenentwickler starbbei der Explosion se<strong>in</strong>esLabors.VON JÜRGEN PETERSWANGEROOGE – Die ersten erfolgreichenRaketenversucheerfolgten nicht <strong>in</strong> Peenemünde,sondern auf <strong>Wangerooge</strong>. DerMann, der diese Flugkörper entwickelthatte <strong>und</strong> sie dann <strong>in</strong>den östlichen Inseldünen <strong>und</strong>vom <strong>Wangerooge</strong>r Flugfeld abschoss,war der Ingenieur <strong>und</strong>Pilot Re<strong>in</strong>hold Til<strong>in</strong>g.Til<strong>in</strong>g wurde am 13. Juni1893 im fränkischen Absbergals Sohn e<strong>in</strong>es Pastors geboren.Er begann e<strong>in</strong> Studium desMasch<strong>in</strong>enbaus <strong>und</strong> der Elektrotechnik,wurde zum Kriegsdienste<strong>in</strong>gezogen <strong>und</strong> meldetesich 1915 freiwillig zur Luftwaffe.Die neuartige Jagdfliegereiwar nach se<strong>in</strong>em Geschmack.Nach Kriegsende machtesich Til<strong>in</strong>g als Kunstfliegere<strong>in</strong>en Namen. Angeregt durchdas Buch „Die Rakete zu denPlanetenräumen“ von HermannOberth, dem bekanntesten Raketenpionierder damaligenZeit, wandte sich Til<strong>in</strong>g 1924der Raketentechnik zu, 1928startete er se<strong>in</strong>e ersten Experimente.Anders als Oberth, Wernervon Braun <strong>und</strong> JohannesW<strong>in</strong>kler entschied Til<strong>in</strong>g sich fürwiederverwendbare Raketenflugkörper.Sie starteten als Rakete<strong>und</strong> landeten mit ausklappbarenFlügeln.Til<strong>in</strong>g erhielt 1928 se<strong>in</strong> erstesPatent auf e<strong>in</strong> „Raketenflugzeugmit ausschwenkbarenTil<strong>in</strong>gs Raketenversuche auf <strong>Wangerooge</strong> <strong>in</strong> den Dünennördlich des heutigen Flugplatzes. – Kle<strong>in</strong>es Foto: Re<strong>in</strong>holdTil<strong>in</strong>g mit Pilotenmütze.FOTO: INSELARCHIV JÜRGENSTragflächen“ (DRP 509 115).Die Tragflächen waren <strong>in</strong> zweider vier Leitflossen so e<strong>in</strong>gelassen,dass sie bei Erreichen dergrößten Flughöhe durch e<strong>in</strong>enZeitzünder ausgeklappt werdenkonnten. So segelte der Flugkörperanschließend <strong>in</strong> sanftemGleitflug auf die Erde zurück.Re<strong>in</strong>hold Til<strong>in</strong>g erhielt noche<strong>in</strong> zweites Patent: für e<strong>in</strong>e Rakete,bei der die Leitflossen imhöchsten Flugpunkt so verstelltwurden, dass sie wie bei e<strong>in</strong>emHubschrauber wirkten. Sie ließenden Flugkörper langsam<strong>und</strong> unbeschädigt s<strong>in</strong>ken.Til<strong>in</strong>gs Versuche verschlangene<strong>in</strong>e Menge Geld. Er fand <strong>in</strong>Gisbert Freiherr von Ledebure<strong>in</strong>en begeisterten Anhänger.Der stellte Til<strong>in</strong>g auf se<strong>in</strong>emSchloss Ahrenhorst <strong>in</strong> Bohmtebei Osnabrück e<strong>in</strong>e Werkstattzur Verfügung. Im Juni 1929führte Til<strong>in</strong>g mit großem Erfolgse<strong>in</strong>en ersten Flugversuch vorillustren Vertretern aus Wirtschaft<strong>und</strong> Verwaltung vor: DieSpielwaren ·Andenken ·HaushaltswarenMONOPOLYWANGEROOGERakete erreichte unter dem Beifallder Anwesenden e<strong>in</strong>e Höhevon etwa 1000 Metern.Das Land Oldenburg stellteihm darauf h<strong>in</strong> auf <strong>Wangerooge</strong>e<strong>in</strong> spezielles Testgelände fürRaketenversuche zur Verfügung.Hier konnte er se<strong>in</strong>eStarts vor Fachleuten untergrößtmöglicher Geheimhaltungdurchführen.Offiziell wurden die Til<strong>in</strong>gschenVersuche als „Postraketen“bezeichnet, die Flugkörpersollten möglichst rasch Postauf die vorgelagerten Inselntransportieren. Doch erwiesenist, dass Til<strong>in</strong>gs Absichten e<strong>in</strong>deutigvon Anfang an auf demmilitärischen Gebiet lagen. Erselbst zählte <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Aufstellunge<strong>in</strong>e lange Liste militärischerAnwendungsmöglichkeitense<strong>in</strong>er Raketen auf: Geschossraketefür Land- <strong>und</strong>Luftkrieg; Flugzeugbombe fürden Horizontalschuss; Lenkgeschossfür große Entfernungen;Antriebsmittel für Unterwassergeschosse;Signalrakete; Nachrichtenmittelmit Fernlenkung;Zieldarstellung bei der Ausbildungder Truppe <strong>in</strong> der Luftabwehr. . .Diese militärischen Verwendungsmöglichkeitenprobte derRaketenpionier auf <strong>Wangerooge</strong>.Er ließ beispielsweise unterden Tragflächen e<strong>in</strong>er „Klemm35“, e<strong>in</strong>em Sportflugzeug ausHolz, 33 Kilogramm schwereRaketen von zehn ZentimeternDurchmesser <strong>und</strong> 1,5 MeterLänge montieren <strong>und</strong> deklariertedas als „Bombenabwurfnach vorn“.Til<strong>in</strong>gs Fre<strong>und</strong> <strong>und</strong> GönnerFreiherr von Ledebur berichteteals Augenzeuge: „Er flog vonSüden unsere gewohnte Abschussstellean. Genau über ihrzeigte e<strong>in</strong>e Rauchwolke unterder Tragfläche aus Holz <strong>und</strong>Stoff uns die Zündung an. Dannschoss pfeilgerade der Rauchschwanzder Rakete, dem Flugzeugvorauseilend, auf die Seeh<strong>in</strong>aus. Sek<strong>und</strong>en später stiegfern am Horizont e<strong>in</strong>e Wassersäuleauf, den E<strong>in</strong>schlag anzeigend.Der erste Bombenabwurfnach vorn – so bezeichnete esTil<strong>in</strong>g nach der Landung war geglückt.“Bei e<strong>in</strong>em zweitenStart schoss Til<strong>in</strong>g im Sturzfluge<strong>in</strong>e Rakete auf e<strong>in</strong>e am Bodengezeichnete Zielscheibe ab.Der spätere Generaladmiral<strong>und</strong> Chef des Mar<strong>in</strong>ewaffenhauptamtesKarl Witzell aberteilte dem enttäuschten Til<strong>in</strong>g<strong>in</strong> dürren Zeilen mit, dass „dieMar<strong>in</strong>e solche halsbrecherischenFeuerwerkskunststückenicht mitmache“.Til<strong>in</strong>g wandte sich nun anausländische Interessenten.Insbesondere die Engländerwaren auf Til<strong>in</strong>gs Versuche aufmerksamgeworden. E<strong>in</strong>e englischeMilitärkommission hattesich zu e<strong>in</strong>er umfangreichen Raketenvorführungim Oktober1933 angesagt.Doch dazu kam es nichtmehr. Am Nachmittag des 10.Oktober 1933 flog das Til<strong>in</strong>gscheLabor durch e<strong>in</strong>e Explosion<strong>in</strong> die Luft. Der erst 40-jährigeTil<strong>in</strong>g <strong>und</strong> se<strong>in</strong>e zwei Helfer, AngelikaBuddenböhmer <strong>und</strong> derMonteur Friedrich Kuhr, verstarbenan ihren Verletzungen.1934 ließ die Heeresleitungdie Werkstätten <strong>in</strong> Ahrenshorstschließen <strong>und</strong> beschlagnahmtealle Akten <strong>und</strong> technischen Aufzeichnungen.Das neue Regime<strong>und</strong> se<strong>in</strong>e militärischen Beraterhatten sehr schnell erkannt,welche Möglichkeiten die Raketenentwicklungbot. Das Heereswaffenamt<strong>in</strong> Berl<strong>in</strong> zog diegesamte deutsche Raketenentwicklungzusammen. Am Endedieser Anstrengungen standenPeenemünde <strong>und</strong> die V2, dieRiesenrakete, die nur vier Jahrzehntenach Til<strong>in</strong>gs tragischemTod Gr<strong>und</strong>lage für den Flug vonMenschen zum Mond se<strong>in</strong> sollte.Til<strong>in</strong>gs Grab ist auf dem Hasefriedhof<strong>in</strong> Osnabrück zu f<strong>in</strong>denist, <strong>in</strong> Bohmte er<strong>in</strong>nert e<strong>in</strong>Gedenkste<strong>in</strong>, <strong>in</strong> Osnabrücke<strong>in</strong>e Straße <strong>und</strong> auf dem Monde<strong>in</strong> Krater, der nach ihm benanntwurde, an den Raketenpionier.

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