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Skript Geriatrie

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<strong>Geriatrie</strong> <strong>Skript</strong> Modul V 1<strong>Geriatrie</strong>Demografische Entwicklung• Umkehr der Bevölkerungspyramide• Lebenserwartung steigt weiter um ca. 3,5 Monate pro Jahr• Alterung der Gesamtpopulation: Population im Gesamten nimmt ab, aber 65+ steigt;(90 jährige sind die am stärksten wachsende Bevölkerungsgruppe)Der geriatrische Patient“Go-Go’s - Slow-Go’s- No-Go’s” (USA)“ Young Old – Old Old – Very Old” (GB)• Biologisch älterer Patient• Durch altersbedingte Funktionseinschränkungen und Erkrankungen akut gefährdet(Mobilitätsverlust; typisch: „Furniture Walking“, Bartel Index unter 70)• Mental eingeschränkt (häufig: MMSt unter 20 Punkten)• Zu Multimorbidität neigend (typischer Patient: über 3 Diagnosen und Medikamente)• Bei dem ein besonderer Handlungsbedarf (rehabilitativ, somato-psychologisch,psychosozial) besteht.• Veränderte Krankheitsmuster: Negierung („Underreporting of disease“), Besonderheitenin Symptomatik und Verlauf (z.B. Pneumonie ohne Fieber, fehlende Abwehrspannungbeim akuten Abdomen, da Muskelmasse geringer), altersabhängige Häufung bestimmterKrankheiten (Demenz, degenerative Gelenkerkrankungen, Osteoporose, Kardiovaskulär,Infekte)• Veränderte Reaktionen auf Krankheiten: weniger Schmerzen (z.B. Verwirrtheit beiHerzinfarkt), häufig unspezifische Symptome (Veränderte Zerebralfunktion,Gewichtsverlust / Kachexie, Inkontinenz, Stürze)5 Strukturmerkmale !1. Doppeltes Altern (insgesamt älter + die schon alt sind werden noch älter)2. Feminisierung (Überwiegend Frauen wegen höherer Lebenserwartung)3. Singularisierung (psychosoziale Vereinsamung, fehlende familiäre Versorgung; Problem:„Individualisten“, die lange alleine gelebt hatten in Mehrbettzimmern im Pflegeheim)4. Änderung des sozialen Umfeldes (Verlust der Selbstständigkeit)5. Qualitative AspektePhysiologische Alters Veränderungen und deren Bedeutung beiKrankheitenSinkende Organreserven (die aktive Zellmasse sinkt durch Fibrosierung,Kompensationsmöglichkeiten eingeschränkt)Sinkende homöostatische Kapazität (Möglichkeit des Körpers krankheitsbedingte Schädigungenauffangen bzw. ausgleichen)Veränderungen der Verteilungsräume: Wasser / Fett (Berücksichtigen bei Medikamenten undToxinen; H2O: 75% beim Säugling, Mann jung – alt: 64% - 53%, Frau jung – alt: 53% - 46%)• Herz: Fibrosierung und Zellhypertrophie. reduzierte Pumpfunktion (HZV sinkt)• Gefäße: sinkende Elastizität• Lunge: sinkende ziliäre Aktivität und alveoläre Oberfläche• Niere: reduzierte GFR (Nierenfunktion), Nephronenzahl sinkt (relevant beiMedikamenteneinnahme)! Normales Krea. heißt nicht Niere normal! (Muskelabbau)• Auge: Veränderung der Akkomodationsfähigkeit• Haut: sinkende Elastizität und Flüssigkeitsgehalt• Blut/Immunsystem: sinkende Aktivität des Immunsystems• Bewegungsapparat: Abnahme von Muskelgewebe• Nervensystem: sinkender Stoffwechsel und zerebrale Durchblutung


<strong>Geriatrie</strong> <strong>Skript</strong> Modul V 2Multimorbidität• Körperzusammensetzung: mehr Fettanteil, weniger Flüssigkeit• Verdauungssystem: Sinkende Motilität und Exkretionsreserven des Magen-Darmtraktes; Veränderung der Geschmackswahrnehmung: Geschmackspapillen fürsauer/bitter vermehrt; reduziertes Durst- und Hungergefühl (Gefahr derMangelernährung und Exsikkose erhöht!) Aufklärung: Trinken auch ohne Durst!Ausgleich verlorener Mahlzeiten (z.B. Nüchternuntersuchungen im Krankenhaus)nötig!Dadurch bedingte Versorgungsprobleme bei 15% der über 65-Järigen.• Herz-Kreislauf Erkrankungen (KHK, Hypertonie, pAVK)• Demenz• Diabetes Mellitus• Neoplasien• Degeneration, Osteoporose, ArthroseHäufig vernachlässigte Bereiche in der Betreuung geriatrischerPatienten:• Kontrolle von Nahrungs- und Flüssigkeitsaufnahme• Sensibilität für körperlich, geistige und psychische Veränderungen• Stabilisierung der Versorgungskette (Hilfe für Helfer / Angehörige)• Dynamik in der Familie des Patienten beachten (Konflikte, Eheprobleme)Ziele in der <strong>Geriatrie</strong>Modell der minimalen Morbidität: Zunahme der aktiven LebensspanneAufgaben:1. Verbesserung der Versorgungsqualität älterer multimorbider Patienten, Besserung desFunktionsstatus, Verbesserte Qualität der Diagnostik und Therapie (z.B. Medikamentenzahlsenken)2. Verkürzung der Liegezeit (Immobilität, Dekubitus, Pneumonie…!)3. Verhinderung von Fehlbelegungen, Senken der Wiedereinweisungsrate und derPflegefallzahlenDadurch: bessere Lebensqualität des Patienten und weniger Kosten für das System.Das geriatrische AssessmentZiele des geriatrischen Assessments• Aufdecken von Funktionsdefiziten• Erkennen vorhandener Ressourcen• Quantifizierung medizinischer, psychosozialer und funktioneller Fähigkeiten; sowie Problemedes älteren Menschen• Optimale Platzierung in der geriatrischen Versorgungskette• Gezielte Rehabilitations Planung (Reha vor Pflege)• Aufstellung eines ganzheitlichen Therapie- und Nachbetreuungsplans• Rationeller Einsatz ambulanter Dienste• Objektivierbare VerlaufskontrolleFunktionalitätBedeutet die Fähigkeit des Betreffenden den Ansprüchen seines täglichen Lebens zu genügen(individuell). Abhängig auch von Lebensumständen und Umgebung. Einschränkung der Funktionalitätin Relation zu den Umständen. (z.B. Ob ein Patient im Mehrgenerationenhaushalt ebenerdig oderalleine im 3. Stock ohne Lift lebt macht einen großen Unterschied.)


<strong>Geriatrie</strong> <strong>Skript</strong> Modul V 3Anforderungen der direkten UmgebungIndividuelle MöglichkeitenDie Beurteilung der Funktionalität und Versorgung erfolgt interdisziplinär: Pflegepersonal,Physiotherapie, Neuropsychologie / Psychogerontologie.In der Regel ist die Patientenbeobachtung und Fremdanamnese vorzuziehen, da Fragen vomPatienten selbst oft nicht realitätsgetreu beantwortet werden.Hierarchie der Funktionen:1. Essen2. Ankleiden3. Kochen4. Regelung finanzieller Fragen5. Autofahren6. selbständiges ReisenMultidimensionales Assessment und Stufenplan• Wohnverhältnisse• Körperliches Befinden• Soziales Befinden• Psychische Befinden• Ökonomischer Status• Medizinische Daten• ADL Status1. Stufe: geriatrisches Screening (Fragebogen)2. Stufe: Basisassessment (Tests)3. Stufe: weiterführende Diagnostik (z.B. Labor, Bildgebung)Assessment InstrumenteAssessment-Rosette1. Barthel Index2. Geriatrisches Screening (nach Lachs) Fragen und Untersuchungen3. MMSt: Minimental State Test der kognitiven Fähigkeiten:Demenz-Diagnostik und Verlaufskontrolle4. GDS Geriatric Depression Scale: Fragenkatalog zu typischen Symptomen,Screeningtest für Depression5. Tinetti - Mobilitätstest Balance, Gehprobe: Sturzrisiko6. Timed “up & go” Test: Zeitmessung in Sekunden(Mobilitätseinschränkung ohne/mit funktionellen Auswirkungen)7. Geldzählen Zeitmessung in Sekunden für Geldbetrag in einer Geldbörse:Notwendigkeit einer ambulanten oder stationären Hilfe abschätzen.z.B. Insulinapplikation selbständig möglich ?


<strong>Geriatrie</strong> <strong>Skript</strong> Modul V 4Geriatrische Syndrome1. Instabilität2. Immobilität3. Intellektueller Abbau4. Inkontinenz5. Inappetenz6. IatrogenitätTypisch ist auch eine „Syndromvernetzung“ImmobilitätInstabilitätIntell.AbbauInkontinenzInappetenzIatrogenitätInstabilität, Stürze im AlterSturzgefahr:Ursache: eingeschränkte Homöostasefähigkeit (physiologische Altersveränderungen, Multimorbidität)Problem: Stürze im Alter (Ursache für erhöhte Morbidität und Mortalität)Sturzdefinition: unbeabsichtigter, unkontrollierter, plötzlicher Kontakt zur tieferenEbene; auch: Heruntergleiten, -rutschen: (oft kaum Verletzungen aber PFS!)PFS: Post Fall Syndrom (Angst, Vermeidung von Bewegung, Immobilität, Incompliance) psychischeUrsache für Bettlägrigkeit im PflegeheimEpidemiologie:30% aller über 65 Jährigen stürzen innerhalb eines Jahres10% davon erfordern ärztliche Interventionen (Medikation, Frakturversorgung)davon die Hälfte Knochenbrüche33 % aller Oberschenkelhalsfrakturen führen zum Tod25% aller Gestürzten behalten (z.T. auch ohne Verletzungen) einen erhöhten Pflegeaufwand (PFS)Sturzrisiko:• soziodemografische / psychosoziale Risikofaktoren:Alter an sich, weibliches Geschlecht (?), allein lebend, beeinträchtigte Selbsthilfefähigkeit.• Medizinische RF:können bei Anamnese und körperlichen Untersuchung erhoben werden:Polymedikation (mehr als 4 verschiedene Präparate), spezielle Medikamente (Betablocker,Diuretika), Orthostase (Medikamentös bedingt, Durstempfinden reduziert),neurologisch (PNP, Visusminderung), muskulär (Muskelschwäche, Gangbild)Erkrankungen:Demenz (Risikosituationen werden nicht erkannt, Orientierungsstörungen, Hilfsmittel werdenvergessen), Morbus Parkinson (Retropulsionsneigung beim Aufstehen),Apoplex, (Hemiparese, Hemianopsie, Neglect),Arthrosen, chronische Schmerzen,Depression,Inkontinenz.Erfassen des Sturzrisikos:Anamnese und Sturzanamnese, geriatrisches Assessment (Tinetti, TUaG, MMSt), körperlicheUntersuchung (RR, Hf, Cor, Ödeme, Hautturgor etc.), neurologische Untersuchung (Visus,Gleichgewicht, Hirnnerven, Reflexe, Sensibilität, Muskelkraft etc.)Risikoreduktion:• Optimale Therapie der Grunderkrankung• Trainingstherapie (Kraft, Gleichgewicht, Koordination)• Hilfsmittelanpassung (Beratung, Erklärung) evtl. Ergotherapie


<strong>Geriatrie</strong> <strong>Skript</strong> Modul V 5• Umgebungsanpassung: Beratung, auch von Angehörigen (Stolperfallen, Beleuchtung etc.)Sturzprävention:• Bewegung (tägl. Spaziergang), Verbesserung der Mobilität (Primärprävention)• spezielle Programme in Pflegeheimen - von AOK bezahlt (Sekundärprävention)Intellektueller Abbau, DemenzTeilweise physiologische Alters Veränderungen im ZNS MCI: Mild Cognitive Impairment / LKD: Leichtes Kognitives Defizit Demenz Starke DemenzEpidemiologie: Demenz bei 10% der 75 Jährigen, 30% der 85 JährigenPrävalenz: 7% aller über 65 JährigenDefinition Demenz (ICD-10):• erworbene Störung kognitiver Funktionen, wie Gedächtnis und Denkvermögen• keine Störung des Bewusstseins• mit alltagsrelevantem Ausmaß• länger als 6 Monate andauernd• nicht im Rahmen eines DelirsDemenz Typen:1. AD: Alzheimer Demenz (50 – 60%)Primärdegenerativ, Früh- und Spätform bekannt, reduzierte Lebenserwartung um 6-8 Jahre2. VD: Vaskuläre Demenz (20%)Multiinfarktdemenz, kognitive Defizite und fokal neurologische Symptome3. LBD: Levy-Body-Demenz (10 – 15%)Räumlich-konstruktive Störungen, Parkinson- Symptome, erhöhte Sturzgefahr, unauffälligeGedächtnisfunktion.4. FTD: Fronto-Temporal-Demenz (5%)Persönlichkeitsveränderungen, Verhaltensauffälligkeiten, Enthemmung, Sprachstörungen,meist frühes Auftreten (unter 65 Jahren)Diagnostik:Testverfahren (z.B. MMSt u.a.), Bildgebung (CT, MRT), Labor (Elekrtolyte, Schilddrüse…)ACHTUNG: Akute Verwirrtheit kann ein Symptom anderer Krankheiten (Infarkt, NPH) oder eine UAWsein. Bei Behebung der Ursache: evtl. reversibel.Mögliche Risiken für Patienten mit unerkannter Demenz:• Unzureichende Verwaltung persönlicher Finanzen• Verkehrsunfälle (direktes und indirektes Verschulden aufgrund reduzierter Reaktionsfähigkeit,vorausschauendes Fahren unmöglich)• Unfälle in Haus und Garten (Fehleinschätzung von Gefahrensituationen; Betroffener versucht,Fassade aufrechtzuerhalten, Ausreden etc.)• Probleme am Arbeitsplatz: Unfälle, Fehler, peinliche Zwischenfälle (z.B.Verhaltensauffälligkeiten bei FTD, Probleme in der Affektsteuerung, Mobbing)• Zwischenmenschliche Konflikte: Entfremdung von Familie und nahe stehenden Personen(Verhaltensauffälligkeiten: Aggression, Reizbarkeit, Wahn…)• Unzureichende Planung zukünftig notwendiger Hilfen: Patientenverfügung, Vollmachten,Betreuung. Ist der Patientenwille nicht festgehalten gibt es oft Probleme, wenn es späterFragen zur Therapielimitierung gibt.• Geringere Lebensqualität als bei Patienten mit bekannter und behandelter Demenz• Medikationsfehler. Missbrauch verordneter Medikamente, Verwendung nicht verordneter undevtl. kontraindizierter OTC-(Over The Counter) Medikamente (Beruhigungmittel,Schnupfenmittel). Anwendungs Fehler bei „heiklen“ Medikamenten (Insulin, Marcumar) oderbei Medikamenten mit geringer Therapeutischer Breite (Digitalis)• Unzureichende, schlecht organisierte medizinische Versorgung:


<strong>Geriatrie</strong> <strong>Skript</strong> Modul V 6Unangebrachte unnötige Diagnostik und Therapie, mangelnde Fähigkeit zur Compliance,versäumte Termine, iatrogene Komplikationen, bruchstückhafte Versorgung• Delirium (akuter Verwirrtheitszustand) erhöhte Gefahr bei zuvor schon eingeschränkterGehirnfunktion. Auftreten z.B. bei Infektionskrankheiten, UAW von z.B. AntibiotikaTherapie:Behandlungs-Strategien:• Umfassendes Gesundheitsmanagement des Patienten in verschiedenen Situationen• Optimaler Einsatz aller zu Verfügung stehender Mittel• Ziel: Qualitätskontrolle und –Sicherung; Senkung der Gesamtbehandlungskosten.Prinzipien der Demenz-Therapie:1. Pharmakotherapie: (ACH-Esterasehemmer) teuer, UAW. Zielgerichteter Einsatz!2. Nichtmedikamentöse Therapie:• Orientierungshilfen im Wohnumfeld• Beratung und Betreuung der Angehörigen (häufig Depressionen bei Angehörigen)• Hilfen beim Essen und Trinken (bei Schluckstörungen)• Körperliches Training, begleitete Spatziergänge• Psychosoziale TherapieTherapeutische Herausforderungen:• Verhaltensauffälligkeiten (Aggression, Wahn) Beratung Betreuender• Inkontinez (Geruch…) Häufig: Trigger zur Institutionalisierung Heimeinweisung• Körperhygiene (Institutionalisierung)• Ausreichende und ausgewogene Ernährung• Weglaufgefährdung (evtl. nötig: Beschützende Einrichtung/ geschlossenen Station/Gerontopsychiatrie; dafür notwendig: Vormundschaftsgericht)„GMC“ Geriatric Mobility Classifications:• BMW: Being meaningless wandering (Problem in unbekannter Umgebung)• SAAB: Syndrome of aggressive ambulatory behaviour• FORD: Fast out of rear door (Agitation bei Hinderung an freier Bewegung/ Fixierung;wichtig: Identifikation durch Namensschilder / Klinik-Logo an der KleidungUmgang mit kognitiv beeinträchtigten Personen:• Doppeldeutigkeit und komplexe Wahlmöglichkeiten vermeiden• Besser: JA - NEIN Fragen• Routine erhalten• Vorsicht bei Umsiedlung von Zuhause ins Heim (Orientierung)• Ängstlichkeit und Agitation beachten• Todeswünsche in Betracht ziehenInkontinenzDefinition Kontinenz:Fähigkeit zur Wahrnehmung (Perzeption), Retention und Entleerung am Ort und zur Zeit derWahl.Inkontinenz:• Harninkontinenz (Stressinkontinenz, Dranginkontinenz)• Stuhlinkontinenz (Grad I bis III: Winde, Schmierstuhl, komplett)Stuhlinkontinenz:Epidemiologie:allgemein: 0,5 -5 % der Bevölkerung,speziell: 25% der Krankenhaus Patienten, 20-50% der Pflegeheimbewohner, höher bei DemenzAnamnese:Patienten meiden das Thema, gezielt nachfragen oder Fremdanamnese.Hinweise: „häufige Durchfälle“, „Allergien“, „Nahrungsmittelunverträglichkeiten“,


<strong>Geriatrie</strong> <strong>Skript</strong> Modul V 7vegetative Anamnese, LaxantiengebrauchRisikopatienten:• Voroperationen (Rektum etc.)• Demenz (verminderte Planungsfähigkeit) kognitiver Abbau• Neurologische Erkrankungen (z.B. Apoplex)• Harninkontinenz in der Vorgeschichte• Eingeschränkte Mobilität (z.B. auch Post Fall Syndrom)• Alter über 70 JahreSymptome:• Stuhlverschmierte Unterwäsche 81%• Unangenehm starker Stuhldrang 69%• Inkontinenz unterwegs 67%• Unwillkürlicher Abgang von Winden, flüssigem und festem StuhlAnatomie/Physiologie:Sphinkter ani internus (autonom), Sphinkter ani externus (Wille), Nervus pudendus, Mu. PuborectalisRektoanaler InhibitionsreflexStörungen: Rektum (Noplasien, Strahlentherapie), Nerven (PNP, Wurzelkompression,Beckenbodensenkung), Sphinkter (traumatische, Fissuren, Beckenbodensenkung)Diagnostik:• Inspektion: Narben, Fistelöffnungen, Hämorrhoiden• Palpation: digital rektal (Raumforderung, Funktion der puborektalen Schlinge)• Proktoskopie/ evtl. Coloskopie (Tumor, Polypen, hypertrophe Papillen, Entzündungen)• Diagnostik Komorbidität (z.B. Diabetes Mellitus)• Nicht vergessen: Erfassung des Leidensdruckes, evtl. DepressionTherapie:• Optimale Therapie der Grunderkrankung z.B. BZ- Einstellung• Nichtmedikamentös: Aufklärung, Toilettentraining, gastrokolischer Reflex, programmierteRektumentleerung, Biofeedback Sphinktertraining (Nur mögl. bei guter Kognition), beiparadoxer Diarrhö: Ballaststoffe und Flüssigkeit, evtl. Hilfsmittel /Vorlagen, Laxantienabsetzen.• Medikamentös: evtl. Loperamid (entspr. Stuhlkonsistenz) bei Diabetes, radiogener Colitis• Evtl. Antidepressiva• Operativ: Analplastik, Beckenbodenplastik• Hilfsmittel zur Verbesserung von Mobilität (Rollator, Toilettensitzerhöhung, Haltegriffe.Eventuell möglich: Wohnungsbegehung)Inappetenz, Mangelernährung im AlterHäufig bei institutionalisierten Patienten!Nötige Energiezufuhr pro Tag:• 26-50 Jährige: 2000-2400 kcal• ab 65 Jahre: 1700-1900 kcal (wegen geringerer körperlicher Bewegung)• ACHTUNG: agitierte Patienten (BMW) und Parkinson-Patienten haben höheren kalorischenVerbrauch (Bewegung, Muskelaktivität)Optimaler BMI im Alter:Niedrigere Mortalität:• 40 – 50 Jahre: BMI 20,9 – 26,6• ab 65 Jahre: BMI 24-29,8 /unter BMI von 20-22: behandlungsbedürftige Mangelernährung, da Verdopplung derMorbidität und Mortalität<strong>Geriatrie</strong>typische Ursachen von Mangelernährung:1. Inappetenz wegen veränderter Geschmackswahrnehmung im Alter2. vermindertes Durst- und Hungergefühl im Alter3. Inappetenz/ Mangelernährung als Ursache und Folge von Infektionen (Erkältung, Pneumonieetc. bei reduziertem Immunstatus aufgrund von Nährstoffmangel = Teufelskreis)4. Demenz


<strong>Geriatrie</strong> <strong>Skript</strong> Modul V 9bei über 60 Jährigen doppelt so häufig wie bei unter 60-JährigenHäufigste Schmerzursachen und Komorbiditätsspektrum (!)1. Schmerzen des Bewegungsapparates,2. neuropathischer Schmerz3. Tumorschmerz4. Verletzungen (z.B. alte Frakturen)5. Neoplasie, paraneoplastische Syndrome, Metastasen6. Muskuloskelettal: Degeneration, Fehlhaltung, Fehlbelastung7. Osteoporose8. rheumatischer Formenkreis chronische Polyarthritis, Arteriitis temporalis etc.9. Polyneuropathie (Urs: Diabetes Mellitus, C2-Abusus, Mangelernährung, Medikamente z.B.Antibiotika)10. pAVK11. Herpes Zoster12. Schlaganfall vgl. Thalamus-Schmerz (neuropathisch, zentral)SchmerzanamneseFragen:• Wo?• Wann?• Wie?• Wie lange schon?• Wie stark?• Wodurch verstärkt/ gelindert?• Welche zusätzlichen Symptome(vegetativ) z.B. Schwitzen, Übelkeit etcSchmerzassessment• Beschreiben Sie, wie stark Ihre Schmerzen sind. Nutzen Sie dabei eine Skala von 1 bis 10, wobei dieZahl 10 den für Sie heftigsten Schmerz bedeutet.• Beschreiben Sie, wann genau Ihr Schmerz am stärksten ist, aber auch, wann er am schwächsten ist.• Beschreiben Sie Ihrem Arzt oder ggf. auch Pfleger, wo genau Ihre Schmerzen sind. Bleibt der Schmerzan einer Stelle, oder ist er mal an einer, mal an einer anderen Stelle? Sie können hierfür auch gerne eineZeichnung machen.• Beschreiben Sie genau, wodurch Ihr Schmerz besser wird und wodurch er schlechter wird. Sind esbestimmte Bewegungen oder sind es eher veränderte Stellungen?• Beschreiben Sie, wie sich Ihr Schmerz anfühlt. Ist er dumpf, stechend, brennend, tief, drückend? Siedürfen bei dieser Beschreibung auch erfindungsreich sein, der Arzt wird Sie schon genauer fragen, fallser Ihre Beschreibung nicht versteht.• Womit haben Sie Ihre Schmerzen bislang behandelt? Was war dabei erfolgreich? Was hat dieSchmerzen eher noch verschlechtert? Bringen sie die Medikamente mit.• Wieweit beeinträchtigt Ihr Schmerz Ihren Alltag? Können Sie schlecht schlafen? Haben SieKonzentrationsprobleme? Können Sie weiterhin an sozialen Ereignissen teilnehmen? Wie wirkt sich derSchmerz auf Ihre Stimmung aus?Besonderheit bei geriatrischen Patienten• Underreporting: Bagatellisieren:Nicht über die Schmerzen zu sprechen (Underreporting of pain) beruht primär wohl auf der beiälteren Menschen verbreiteten Meinung, dass Schmerzen eben zum Alter gehörten undfolglich ertragen werden müssten. Deshalb reden sie über ihre Schmerzen zwar mit ihrenNachbarn, nicht aber mit ihrem Arzt. Folge: viele schmerztherapeutisch unterversorgtePatienten.Aus Angst vor z.B. MRT Untersuchung oder vor gefürchteter OP wird die Stärke derSchmerzen bzw. die schmerzbedingte Funktionseinschränkung bagatellisiert.Ein Verlust der Kognitiven Fähigkeiten (Demenz) kann zur Unfähigkeit führen, Schmerzenauszudrücken und/oder zu beschreiben (Worte dafür fehlen)• Aggravierung:Schmerzen werden als schlimmer beschrieben. Ursache: z.B. Depressionen, Einsamkeit etc• Symptomwandel:


<strong>Geriatrie</strong> <strong>Skript</strong> Modul V 11• Mirtazapin (weniger anticholinerge NW)• Antikonvulsiva: gut bei neuropathischen Schmerzattacken Carbamazepin• Bisphosphonate: bei Osteoporose, osteolytische KnochenmetastasenCAVE: aufrechte Körperhaltung nach Einnahme sonst Magenulcus!• Kortikosteroide: Rheumatische Erkr., Tumorschmerz, Nervenkompression• Spasmolytika: N-Butylscopolamin (Buscopan®)• Muskelrelaxantien: Benzodiazepin (Tetrazepam) keine Dauertherapie!Besonderheiten in der Anwendung bei geriatrischen PatientenAndere Pharmakokinetik (Polymedikation, Proteinbindung, Verteilungs-Volumen, Nierenfunktion) undPharmakodynamik im Alter.VORSICHT:• NSAR: Nierenfunktionsstörungen, kardiale Dekompensation bei Niereninsuffizienz, Ödeme…• Metamizol (Novalgin®): plötzl. Blutdruckabfall (dabeibleiben nach Applikation!)Blutbildveränderungen ( Agranulozytose, Leukopenie, Thrombopenie..) Kontrolle!• Paracetamol: Leber! Gamma- GT Anstieg• Transdermles System: „Schmerzpflaster“ mit Opioid z.B. Durogesic®Problem bei Altershaut, Fieber: diskontinuierliche bzw. unkontrolliert erhöhteWirkstoffresorbtion! Vorsicht auch bei Demenz: keine Selbstapplikation!• Keine Mischung verschieden starker Opioide!• Niedrigere Nierenfunktion berücksichtigen.• Clearance! DANI (Dosisanpassung bei Niereninsuffizienz) z.B. Cockroft-Gault-Formel (s.u.)• Regel: „START LOW, GO SLOW“ z.B. bei Opioiden. Therapiebeginn bei 30-50%niedrigeren Dosierung, langsame Steigerung.• Complianceverbesserung: Reduktion der Polymedikation, eindeutige Anweisungen,Medikamentenpläne, realistische BehandlungszieleMultimodales SchmerztherapiekonzeptWichtig: Zielvereinbarung mit dem Patienten. Was ist Realistisch?• Medikamentöse Schmerztherapie• Interventionelle Verfahren (periphere Nervenblockade)• TENS (Transkutane elektrische Nervenstimulation)• Akupunktur• Psychologische Verfahren• (Psychoedukation, Hypnose, Entspannungsverfahren, Biofeedback, Schmerzbewältigung,Stressbewältigung, Psychotherapie evtl. in Gruppen)• Physikalische Medizin (Massage, Thermo-, Hydro-, Elektrotherapie• Physiotherapie (KG, Manuelle Therapie)• Ergotherapie (Hilfsmittel, Funktionalität!)Pharmakotherapie im AlterMedikamentenanamnese:Am besten: alle Medikamente mitbringen lassen:• Vom Arzt / verschiedenen Ärzten verordnete• Frei verkäufliche (OTC)• Sonstige selbst verwendete Medikamente (von Ehepartner, Freunden, Bekanntenweitergegeben)• Welche sind wirklich eigene Medikamente?• Weshalb (Indikation) und wie (Dosierung…) werden sie eingenommen?


<strong>Geriatrie</strong> <strong>Skript</strong> Modul V 12UAW (Unerwünschte Arzneimittel Wirkungen)Hohes Risiko Wegen Multimorbidität,bei 75% handelt es sich um dosisabhängige UAW (verstärkte pharmakologische Wirkung)deshalb: am besten: “Start low, go slow”häufige UAW:• Bradykardie,• orthostatische Dysregulation,• Verwirrtheit,• Stürze,• NierenfunktionseinschränkungUrsache von Problemen:1. unzureichende Berücksichtigung von: Nierenfunktion, Körpergewicht / Verteilungsvolumen,Kontraindikationen (Begleitmedikation, Erkrankungen)2. unzureichende Verlaufsbeobachtung (Überprüfen der Indikation und Dosis im Verlauf)3. fehlendes Erkennen, bzw. Fehlinterpretation auftretender Nebenwirkungen (z.B. Verwirrtheit)Abschätzung der Nierenfunktion:Clearance-Formel (Cockcroft-Gault-Formel) (!)Kreatinin-Clearance (ml/min):(140 – Alter) x Körpergewicht (kg)= --------------------------------------------72 x Serum-Kreatinin (mg/dl)Wegen der meist unterschiedlichen Muskelmasse bei Frauen und Männern wird bei weiblichenPersonen der errechnete Wert mit 0,85 multipliziert.Diese Formel sollte nicht benutzt werden: bei Patienten mit akutem Nierenversagen und/oder einerinstabilen Nierenfunktion, sehr adipösen Patienten oder bei Vorliegen von starken Ödemen.Compliance im Alter:Compliance als solche ist altersunabhängig aber abhängig von der Anzahl der Medikamente:Bei mehr als 4 Medikamenten: Verdopplung der Non-Compliance.Folge: Non-Compliance verursacht 27% der medikamentenverursachtenKrankenhausaufenthalte (=5% aller Krankenhausaufenthalte)Gründe für Non-Compliance:• kognitives Defizit / unangepasste Beratung• Sehstörungen (z.B. Weiße Tabletten, weiße Tablettendosen; Vierteln von Tabletten)• Motorische Störungen (z.B. Tremor)• Sens. Störungen (Polyneuropathie)• Schluckstörungen / trockene Schleimhäute (besonders bei großen Tabletten)• Subjektiv unzureichend Information über: *• Nebenwirkungen*• Therapieerfolgslatenz*• Erkrankung für den Patienten nicht wahrnehmbar (z.B. Hypertonie)*• Unübersichtlicher, ausgebesserter MedikamentenplanCompliance Förderung: gut lesbarer, großer Medikamentenplan:1. Name und Geburtsdatum des Patienten2. Ausstellungsdatum und Arzt-Stempel3. Medikament (Darreichungsform, Dosis)4. Dosierung (Morgens, Mittags, Abends, Nachts)5. Zweck (Indikation)6. Bemerkungen (z.B. Einnahme und Mahlzeiten)<strong>Geriatrie</strong> <strong>Skript</strong> von: Luise Goodwin. Quellen: v.a. <strong>Geriatrie</strong> Kursus im Krankenhaus Neuperlach 11.06

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