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Download - juridikum, zeitschrift für kritik | recht | gesellschaft

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InhaltrEcht & <strong>gesellschaft</strong>Cornelia Klinger Gleichheit und Differenz· . . . . . . . . . • . . • . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 108Elisabeth Holzleithner Big Brother, Taxi Orange und die Menschenwürde ............. 112Helmut OrtnerBrigitte SchinkeleKlaus A. ZiegertMarkus GrasslChristian Bertel"Staats- und Gesellschaftsfeindlichkeit" undgesetzliche Anerkennung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 117Zur öffentlich-<strong>recht</strong>lichen Stellung vonReligionsgemeinschaften. . . . • . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 123Vietnamese Law Goes West -Australian Lawyers Go East (North) .........................•• 129Der Jurist als Komiker ...............•..............•.•....... 133Staatsanwalt, Ermittlungsrichter und Verteidiger imneuen Strafprozess. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . •.. . . . . . . .. 136th:ema:eingEbildEteiausbildung~iausgebildete.einbildungNikolaus Benke Können statt Wissen? .............•..................•...... 140Eva Blimlinger Sie und wir· . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . • . . • . . . . . . . . . . . . . . .. 142Susan FortneyIs It Educational Malpractice not to Teach ComparativeLegal Ethics? ...........•..................••............... 144F!"anz Stefan MeisselInterviewDie Freiheit der Universität und ihre Feindeoder: Drei Wünsche an den Geist· . . . • . . • . . . . . . . . . . . . . . . . . • . .. 148Weniger das Geschlecht als die soziale HerkunftIris Kugler im Gespräch mit Barbara Pusch,Gastlektorin an der Technischen Universität Istanbul •• • • • • • • • • • • • • • • • • •• 152rubriken,- -~ ,,, .. ":,".:" ,"i c· -vor.satzAlexander SomekApologie der Habilitation· . . . . • • . • . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 105merk.würdig Kurzmeldungen ............................................ 106Korrespondenz .•.••.•....••...•.•.•••••.....•.....•••••••....•.......••••. 155nach.satzIris Kugle!"Schwarz - Weiß· . . . • . . . . . . . . . . . . . • . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 156impressum ........••.......••••••••••••..•..•••••••.......•.••••••••.. 116..... .......... ........... ............. .. ~ .. . . . . . . . . . . . . . . . .verlaJ:>sterreich <strong>juridikum</strong> 3/01


Apologie der HabilitationAlexander SomekI.Am Ende einer langen Ausbildung zuruniversitären Denker- und Lehrerinsteht üblicherweise das Habilitationsverfahren.Ich habe bereits zwei Verfahrendieser Art hinter mich gebracht undkann sagen, ich habe beide wirklich genossen.Man darf ein dickes Buchschreiben, das andere lesen müssen.Von allerlei Seiten, handle es sich dabeium die Kollegen aus dem Mittelbauoder um Angehörige aus den höherenRängen, erhält man wohlwollenden Zuspruchund Ermunterungen zum Durchhalten.Es wird einem solcherart zu verstehengegeben, dass potentielle Kritikerohnedies nicht Ernst zu nehmensind ("was verstehen die schon ...").Das Selbstwertgefühl wächst, wennman sich in dem Glauben wiegen darf,dass sich die, bei denen man auf Ablehnungstoßen könnte, durch ihre Kritikals unter dem Niveau der eingereichtenArbeit stehend zu erkennen geben.11.Die Habilitation ist ein Initiationsritual.Sobald man durch sie hindurch gegangenist, gehört man an der Universitätzu den Erwachsenen. Wie jedes Ritualsolcher Art ist sie ein wenig schmerzhaftund hat, wie manche Rituale, denCharakter einer Mutprobe. Man kannscheitern. Dies ist zumindest dem Gesetzzu entnehmen, und man bildetsich natürlich fest ein, dass es auf desMessers Schneide stehen werde, bevorman sich dem Verfahren unterzieht.Auch besteht die Gefahr, dass man somanche Schramme abbekommt, etwadann, wenn ein Gutachten oder eineStellungnahme negativ ausfällt. Gleichwohlsind Kontroversen, in die mansich diesfalls stürzen darf, auch eineQuelle authentischer Lebensfreude.Wann sonst hat man Gelegenheit, einenKritiker in schriftlichen Stellungnahmenmit einer glühenden Anti<strong>kritik</strong>zu bedenken? Die Wissenschaft erweistsich hier als die Magd der Polemik.Was einst Viktor Klima so denkwürdigfür die Politik feststellte, giltauch für die Suche nach der Wahrheit.Wissenschaft muss Spaß machen. Dadarf man kein Glaskinn haben.111.Seltsamerweise hat das Habilitationsverfahren,das also für viele Beteiligteeine das Leben bereichernde Angelegenheitist, immer wieder Kritik aufsich gezogen. Manche meinen sogar,man solle es abschaffen. Das Erfordernis,ein dickes Buch zu schreiben, überforderemanche, die gleichwohl dazuin der Lage seien, gute kurze Beiträgezu verfassen. Außerdem werden Habilitationsschriftenunter der Bedingungder drohenden wissenschaftlichen Ächtungder Habilitationswerberin verfasst.Das Bemühen, diese wenig erfreulicheAussicht abzuwenden, fOrdertzwar den Fleiß der künftigen Kandidaten;für sich genommen ist dieseraber noch nicht die Wissenschaftselbst. Die Fußnotenapparate, auf denendie Texte wie auf einem breiten Sockelruhen, sind für die Leser unkonsumierbar.Auch merk~ man den Bücherndie Furcht vor potentiellen Gegnernan. Alles wird sehr ausgewogen undvorsichtig beurteilt, damit ja niemandAnlass hat, sich auf den Schlips getretenzu fühlen. Das macht die Bücheroft gähnend langweilig, und insofernsprechen sie dem oftmals noch <strong>recht</strong>jugendlichen Alter ihrer VerfasserHohn. Weil, wie überall, auch bei derHabilitation die Verinnerlichung einerasketischen Haltung zur Arbeit zu bekundenist, sind die Habilitationsschriftenextrem umfangreich. Ich selbst habeinsgesamt ca. 1300 Druckseiten aufdie meinen verwendet und damit allesandere als einen Beitrag gegen dasWaldsterben geleistet.Mit anderen Worten, Habilitationsschriftensind unglückliche Bücher. Siesind zu wissenschaftlich, um wirklichgut zu sein.IV.Habilitationsschriften tragen freilichnur insofern diese unglücklichen Züge,als sie den systemischen Kontext widerspiegeln,in dem sie verfasst werden.In diesem dominiert der Zwangzur Moderation, die Submission unterlokale disziplinäre Standards, die Sorgeum den Zorn von verärgerten Professoren(erster Klasse), die politische Rücksichtnahmeund - an juridischen Fakultäten- die Anpassung an die Konventioneneiner alles andere als charmantenbürokratischen Kaste.Wenn es allerdings gelänge, diesenKontext zu neutralisieren und wissenschaftlichesArbeiten mit globalenStandards zu verknüpfen (aber wie?),wäre es schlecht, auf die Habilitationzu verzichten. Denn sie ist eine guteSache. Sie ist meines Erachtens diebeste Qualitätskontrolle, die man sichdenken kann. Sie ist dies nicht nur deswegen,weil sie in dieser Eigenschaftdazu verhilft, die Universitäten weitüber private Bildungseinrichtungen(mit undurchsichtigen Rekrutierungspraktiken)zu erheben; ich meine auch,dass eine Wissenschafterin Bücheroder wenigstens mehrere ineinandergreifende Aufsätze schreiben könnenmuss. Ab und zu sollte man einen Gedankenfassen und diesen zu Ende denkenkönnen (so weit dies möglich ist).Vor allem sollte man originelle Gedankenfassen können.Aber selbst ohne Veränderung ihressystemischen Kontexts und also trotzaller gegenwärtiger Imponderabiliendarf man auf die Habilitation nicht verzichten.Sie ist (gemeinsam etwa mitder permanenten didaktischen Evaluation)einer der Garanten dafür, dassvon uns an der Universität ein wichtigesZiel weiterhin mit Ehrgeiz verfolgtwerden kann. Dieses Ziel ist zwar, wieschon Mike Hammer wusste, verdammthart zu erreichen; aber wirmüssen es gerade gegenüber kurzsichtigenPolitikerinnen und halbgebildetenJournalisten als unser Ziel behaupten:Wir müssen immer die Bestensein.<strong>juridikum</strong> 3/01verlagJjsterreichSeite 105


Inhalt<strong>recht</strong>&gssellschaftComelia KlingerElisabeth HolzleithnerHelmut OrtnerBrigitte SchinkeleKlaus A. ZiegertMarkus Grass!Christian BertelGleichheit und Differenz· . . . . . . . . . . . . . • . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 108Big Brother, Taxi Orange und die Menschenwürde .•........... 112"Staats- und Gesellschaftsfeindlichkeit" undgesetzliche Anerkennung. . . . . . . . . • . . . . . . . . . . . . . . . • . . . . . . . . .. 117Zur öffentlich-<strong>recht</strong>lichen Stellung vonReligionsgemeinschaften. . . . . . . • . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 123Vietnamese Law Goes West -Australian Lawyers Go East (North) ..........................• 129Der Jurist als Komiker· ..............•..............•.•....... 133Staatsanwalt, Ermittlungsrichter und Verteidiger imneuen Strafprozess. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . •.. . . . . . . .. 136thema:.eingebildetecausbildung .. ~ .. ausgebildete· einbildung ·0Nikolaus Benke Können statt Wissen? ..............................•........ 140Eva Blimlinger Sie und wir· . . . . . . . . . . . . . . . . • . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 142Sl.Isan FortneyIs It Educational Malpractice not to Teach ComparativeLegal Ethics? ............•................•................. 144Franz Stefan MeisselInterviewDie Freiheit der Universität und ihre Feindeoder: Drei Wünsche an den Geist· . . . . . . . • . . . . . . . . . . . . . . • . . . .. 148Weniger das Geschlecht als die soziale HerkunftIris Kugler im Gespräch mit Barbara Pusch.Gastlektorin an der Technischen Universität Istanbul • • • • • • • • • • • • • • • • • • •• 152rubrikenvor. satzAlexander SomekApologie der Habilitation· . . . . . . . . • . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 105merk.würdig Kurzmeldungen ......................•.....•............••. 106Korrespondenz .......•••...•...•....•••.•...........••••..••..•..•....•••. 155nach.satzIris KuglerSchwarz - Weiß· . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . • . . . . . .. 156impressum . . . . . . • . . . . . • . • . . . • . • • • • • • • • . • . . • . . . • . • • • . . . . . . . . . • . • . • • • . .• 116......... .......... ......... ........... .. ~ .. . . . . . . . . . . . . . . . .verlat.6sterreich <strong>juridikum</strong> 3/01


Apologie der HabilitationAlexander SomekI.Am Ende einer langen Ausbildung zuruniversitären Denker- und Lehrerinsteht üblicherweise das Habilitationsverfahren.Ich habe bereits zwei Verfahrendieser Art hinter mich gebracht undkann sagen, ich habe beide wirklich genossen.Man darf ein dickes Buchschreiben, das andere lesen müssen.Von allerlei Seiten, handle es sich dabeium die Kollegen aus dem Mittelbauoder um Angehörige aus den höherenRängen, erhält man wohlwollenden Zuspruchund Ermunterungen zum Durchhalten.Es wird einem solcherart zu verstehengegeben, dass potentielle Kritikerohnedies nicht Ernst zu nehmensind ("was verstehen die schon ...").Das Selbstwertgefühl wächst, wennman sich in dem Glauben wiegen darf,dass sich die, bei denen man auf Ablehnungstoßen könnte, durch ihre Kritikals unter dem Niveau der eingereichtenArbeit stehend zu erkennen geben.11.Die Habilitation ist ein Initiationsritual.Sobald man durch sie hindurch gegangenist, gehört man an der Universitätzu den Erwachsenen. Wie jedes Ritualsolcher Art ist sie ein wenig schmerzhaftund hat, wie manche Rituale, denCharakter einer Mutprobe. Man kannscheitern. Dies ist zumindest dem Gesetzzu entnehmen, und man bildetsich natürlich fest ein, dass es auf desMessers Schneide stehen werde, bevorman sich dem Verfahren unterzieht.Auch besteht die Gefahr, dass man somanche Schramme abbekommt, etwadann, wenn ein Gutachten oder eineStellungnahme negativ ausfällt. Gleichwohlsind Kontroversen, in die mansich diesfalls stürzen darf, auch eineQuelle authentischer Lebensfreude.Wann sonst hat man Gelegenheit, einenKritiker in schriftlichen Stellungnahmenmit einer glühenden Anti<strong>kritik</strong>zu bedenken? Die Wissenschaft erweistsich hier als die Magd der Polemik.Was einst Viktor Klima so denkwürdigfür die Politik feststellte, giltauch für die Suche nach der Wahrheit.Wissenschaft muss Spaß machen. Dadarf man kein Glaskinn haben.111.Seltsamerweise hat das Habilitationsverfahren,das also für viele Beteiligteeine das Leben bereichernde Angelegenheitist, immer wieder Kritik aufsich gezogen. Manche meinen sogar,man solle es abschaffen. Das Erfordernis,ein dickes Buch zu schreiben, überforderemanche, die gleichwohl dazuin der Lage seien, gute kurze Beiträgezu verfassen. Außerdem werden Habilitationsschriftenunter der Bedingungder drohenden wissenschaftlichen Ächtungder Habilitationswerberin verfasst.Das Bemühen, diese wenig erfreulicheAussicht abzuwenden, fördertzwar den Fleiß der künftigen Kandidaten;für sich genommen ist dieseraber noch nicht die Wissenschaftselbst. Die Fußnotenapparate, auf denendie Texte wie auf einem breiten Sockelruhen, sind für die Leser unkonsumierbar.Auch merkt man den Bücherndie Furcht vor potentiellen Gegnernan. Alles wird sehr ausgewogen undvorsichtig beurteilt, damit ja niemandAnlass hat, sich auf den Schlips getretenzu fühlen. Das macht die Bücheroft gähnend langweilig, und insofernsprechen sie dem oftmals noch <strong>recht</strong>jugendlichen Alter ihrer VerfasserHohn. Weil, wie überall, auch bei derHabilitation die Verinnerlichung einerasketischen Haltung zur Arbeit zu bekundenist, sind die Habilitationsschriftenextrem umfangreich. Ich selbst habeinsgesamt ca. 1300 Druckseiten aufdie meinen verwendet und damit allesandere als einen Beitrag gegen dasWaldsterben geleistet.Mit anderen Worten, Habilitationsschriftensind unglückliche Bücher. Siesind zu wissenschaftlich, um wirklichgut zu sein.IV.Habilitationsschriften tragen freilichnur insofern diese unglücklichen Züge,als sie den systemischen Kontext widerspiegeln,in dem sie verfasst werden.In diesem dominiert der Zwangzur Moderation, die Submission unterlokale disziplinäre Standards, die Sorgeum den Zorn von verärgerten Professoren(erster Klasse), die politische Rücksichtnahmeund - an juridischen Fakultäten- die Anpassung an die Konventioneneiner alles andere als charmantenbürokratischen Kaste.Wenn es allerdings gelänge, diesenKontext zu neutralisieren und wissenschaftlichesArbeiten mit globalenStandards zu verknüpfen (aber wie?),wäre es schlecht, auf die Habilitationzu verzichten. Denn sie ist eine guteSache. Sie ist meines Erachtens diebeste Qualitätskontrolle, die man sichdenken kann. Sie ist dies nicht nur deswegen,weil sie in dieser Eigenschaftdazu verhilft, die Universitäten weitüber private Bildungseinrichtungen(mit undurchsichtigen Rekrutierungspraktiken)zu erheben; ich meine auch,dass eine Wissenschafterin Bücheroder wenigstens mehrere ineinandergreifende Aufsätze schreiben könnenmuss. Ab und zu sollte man einen Gedankenfassen und diesen zu Ende denkenkönnen (so weit dies möglich ist).Vor allem sollte man originelle Gedankenfassen können.Aber selbst ohne Veränderung ihressystemischen Kontexts und also trotzaller gegenwärtiger Imponderabiliendarf man auf die Habilitation nicht verzichten.Sie ist (gemeinsam etwa mitder permanenten didaktischen Evaluation)einer der Garanten dafür, dassvon uns an der Universität ein wichtigesZiel weiterhin mit Ehrgeiz verfolgtwerden kann. Dieses Ziel ist zwar, wieschon Mike Hammer wusste, verdammthart zu erreichen; aber wirmüssen es gerade gegenüber kurzsichtigenPolitikerinnen und halbgebildetenJournalisten als unser Ziel behaupten:Wir müssen immer die Bestensein.<strong>juridikum</strong> 3/01verlag.6sterreichSeite 105


merk.würdigIGH-Urteil zur TodesstrafeDeutschland/USA. Der Fall LaG rand (Urteildes IGH vom 27. 6. 2001 im Fall La­Grand zwischen der BundesrepublikDeutschland und den Vereinigten Staatenvon Amerika) betrifft das amerikanischeTodesurteil gegen die beiden deutschenBrüder Walter und Karl LaGrandim jahr 1984 und deren Hinrichtungtrotz der Proteste der deutschen Regierungund einer einstweiligen Verfügungdes IGH imjahr 1999. Im Verfahren vordem IGH hatte Deutschland vor allemVerletzungen der Wiener Konventionüber konsularische Beziehungen durchdie USA gerügt. Das Urteil des IGH erfolgtemehr als zwei jahre nach der Aufsehenerregenden Exekution und gabder Klage Deutschlands in allen Punkten<strong>recht</strong>. Es enthält eine Reihe interessanterRechtsfragen, die im Folgenden jedochnur kursorisch wiedergegeben werden.Die Brüder LaGrand wurden 1962bzw 1963 in Deutschland geboren, übersiedelten1967 mit ihrer Mutter in dieUSA und behielten ihre deutsche Staatsbürgerschaftbei. Anfang 1982 wurdensie in Arizona wegen Mordverdachts imZusammenhang mit einem bewaffnetenBanküberfall festgenommen und 1984in erster Instanz wegen dieser Verbrechenzum Tod verurteilt. Alle Rechtsmittelgegen dieses Urteil blieben erfolglos.Obwohl Art 36 (1) (b) der WienerKonvention über konsularische Beziehungen1963 (im folgenden: Konvention)vorsieht, dass die Behörden desAufenthaltsstaates im Fall der Verhaftungvon Ausländern unverzüglich dasKonsulat des Heimatstaates bemiChrichtigenund die festgenommenenPersonen über ihr Recht auf Kommunikationmit ihrem Konsulat informierensollen, wurden weder die Brüder La­Grand noch das deutsche Konsulat inLos Angeles entsprechend informiert.Die US-Regierung räumte ein, dass dieseInformationspflicht verletzt wordenist und begründete dies damit, dass dieBehörden Arizonas ursprünglich nichtgewusst hätten, dass die Brüder La­Grand keine amerikanischen Staatsbürgerwaren. Das deutsche Konsulat wurdeerst im juni 1992 durch die BrüderLaGrand, die selbst erstl~urz davor aufdieses Recht von dritter Seite aufmerksamgemacht worden waren, über dieVerhaftung und Verurteilung benachrichtigt.Formell informierten dieUS-Behörden die Brüder LaGrand erstim Dezember 1998 von ihrem Recht aufZugang zu einem deutschen Konsulat.Mit Hilfe des deutschen Konsulatsversuchten die Anwälte der Brüder La­Grand zwischen 1992 und 1999 vergeblich,das Urteil bzw. zumindest die Todesstrafezu revidieren. Diese Rechtsmittelvor amerikanischen Bundesgerichtenscheiterten vor allem an der sogenannten"procedural default"-K1ausel,wonach Beschwerden gegen die Verletzungder Pflicht zur Information desKonsulats nur dann vor ein Bundesgerichtgebracht werden könnten, wennsie bereits vorher vor den StaatsgerichtenArizonas geltend gemacht wordenwaren. Nachdem der Oberste Gerichtshofvon Arizona im jänner 1999 das Datumder Hinrichtung mit 24.2. 1999 (fürKarl LaGrand) bzw 3. 3. 1999 (für WalterLaGrand) festgesetzt hatte, versuchteDeutschland durch Interventionen aufder höchsten Ebene (Außenminister,Bundeskanzler, Bundespräsident), dieExekution zu verhindern.Ungeachtet dieser Interventionenund sonstiger internationaler Kritikwurde Karl LaG rand am 24. 2. 1999hingerichtet. Am 2. 3. 1999, einen Tagvor der beabsichtigten Hinrichtung vonWalter LaGrand, machte Deutschlandden Fall vor dem IGH anhängig und ersuchtediesen um Erlassung einereinstweiligen Verfügung, um die Hinrichtungbis zum Zeitpunkt des IGH-Urteilsaufzuschieben. Am 3. 3. erließ derIGH die gewünschte Verfügung, wonachdie US-Regierung alle in ihrerMacht stehenden Maßnahmen ergreifensollte, die Exekution während desIGH-Verfahrens zu verhindern und dieseVerfügung dem Gouverneur von Arizonazu übermitteln. Am selben Tagbrachte Deutschland vor dem OberstenGerichtshof der USA eine Klage gegendie USA und den Gouverneur von Arizonaein, um die einstweilige Verfügungdes IGH durchzusetzen.Nachdem der Generalanwalt derUS-Bundesregierung die Rechtsmeinungvertreten hatte, dass einstweiligeVerfügungen des IGH <strong>recht</strong>lich unverbindlichwären, wies der Oberste Gerichtshofdie Klage Deutschlands zurück,und Walter LaGrand wurde nocham selben Tag (3. 3. 1999) hingerichtet.In seinem Urteil behandelt der IGHeine Reihe von Rechtsfragen hinsichtlichseiner eigenen Zuständigkeit und der Interpretationder Wiener Konvention, diehier nicht ausgeführt werden sollen. Erbejahte seine Zuständigkeit trotz verschiedenstel;zum Teil absurder, US-Einwändeund entschied wie folgt: a) Da dieUS-Behörden es verabsäumten, dasdeutsche Konsulat über die Verhaftung,das straf<strong>recht</strong>liche Verfahren und dieVerurteilung der LaGrand Brüder zu unterrichtenund diese über ihr Recht aufVerständigung des Konsulats zu informieren,haben die Vereinigten Staatennicht nur diese Informationspflicht verletzt,sondern auch das Recht Deutschlandsauf diplomatischen Schutz seinerStaatsangehörigen gemäß Art 5 und36 (1) der Konvention sowie das individuelleRecht der LaGrand Brüder auf diplomatischenSchutz und konsularischeHilfeleistung. Ob der diplomatischeSchutz Deutschlands zu einem anderenUrteil geführt hätte oder nicht, ist für dieFeststellung dieser Völker<strong>recht</strong>sverletzungunerheblich. b) Die Anwendungder "procedural default"-Doktrin hat imkonkreten Fall dazu geführt, dass dasStrafurteil auch nach dem Bekanntwerdender Verletzungen der Konventionvor nationalen Gerichten nicht entsprechendreleviertwerden konnte, wodurchdie USA auch die Rechtsschutzgarantiein Art 36 (2) der Konvention verletzt haben.c) Die Missachtung der <strong>recht</strong>lichverbindlichen einstweiligen Verfügungdes IGH gemäß Art 41 seines Statuts(durch die Rechtsauffassung des Generalanwalts,die Entscheidung des OberstenGerichtshofs und die Entscheidungdes Gouverneurs von Arizona) stellt eineweitere Völker<strong>recht</strong>sverletzung durchdie Vereinigten Staaten dar. d) Eine bloßeEntschuldigung der US-Regierungkann nicht als ausreichende Wiedergutmachungfür diese Völker<strong>recht</strong>sverletzungen,insbesondere im Fall einer Todesstrafe,angesehen werden. Die VereinigtenStaaten sind vielmehr zu Garantiender Nicht-Wiederholung gegenüberDeutschland verpflichtet, die durch verschiedeneMaßnahmen wie die Veröffentlichungeiner Broschüre über "ConsularNotification and Access" 1998und entsprechende Fortbildungsmaßnahmenfür Polizei und justiz als erfülltangesehen werden. Sollten die USA jedochin der Zukunft trotz dieser Maßnahmenihrer Informationspflicht nichtgenügen, so müssten diese Verletzungenvor US-Gerichten entsprechend releviertwerden können.Aus völker<strong>recht</strong>licher Sicht ist indiesem Urteil vor allem bemerkens-Seite 106verlaJ>sterreich <strong>juridikum</strong> 3/01


echt & <strong>gesellschaft</strong>Gleichheit und DifferenzVon alten Sackgassen und neuen Wegen1. Die AusgangslageIn der feministischen Auseinandersetzungder letzten etwa drei Jahrzehnteseit Beginn der so genannten zweitenFrauenbewegung lassen sich deutlichzwei ungefähr gleich lange Phasen unterscheiden:während zwischen demEnde der 60er und der Mitte der 80erJahre das Thema Gleichheit und/oderDifferenz zwischen den beiden Geschlechtern,also zwischen Frau und Mann alsdualen, einander diametral entgegengesetztenKollektiven im Vordergrundgestanden hat, ist in den letzten rund15 Jahren die Frage nach Gleichheitund/oder Differenz zwischen Frauen insBlickfeld gerückt. Auf diese Weise ergebensich also zwei mal zwei Positionen:(1.1) die Forderung nach Gleichheitzwischen Frauen und Männern;(1.2) das Postulat der Geschlechterdifferenz;(2.1) die Annahme einer Gleichheitzwischen Frauen im Sinne universalerSchwesterlichkeit ("global sisterhood")und schließlich (2.2) die Debatteum Differenzen zwischen Frauen,wobei - anders als bei den drei vorgenanntenPositionen - das Verhältniszwischen Frauen und Männern im Wesentlichenaußer Betracht bleibt.Zu dieser Verschiebung der Perspektivelässt sich sehr viel sagen undtatsächlich ist viel dazu gesagt worden.Ich will mich auf vier Anmerkungen beschränken:Der Übergang zur zweiten Phase isterfolgt, ohne dass die Probleme derersten Phase gelöst worden wären.Konkret heißt das: Eine umfassendeTransformation der Geschlechterordnungder Gesellschaft, eine tief greifendeRevolution aller Aspekte des Geschlechterverhältnisseshat nicht stattgefunden- eher eine Anpassung dertradierten hierarchischen und asymmetrischenMuster an sich wandelnde <strong>gesellschaft</strong>licheVerhältni~,se und Erfordernisse.Obwohl ich dieVerschiebungder Fragestellung von der Gleichheit/Differenzzwischen den Geschlechternzur Frage nach Gleichheit/Differenzunter Frauen als folge-richtig und legitim anerkenne, betrachteich die Tatsache, dass die erste Frageaufgegeben wurde, bevor sie beantwortetworden ist, als schwere Hypothek.Die Fragen nach Gleichheit/Differenzwurden und werden implizit oderexplizit als Fragen nach einem Seinoder Wesen der Subjekte gestellt,d. h., es wird danach gefragt, ob esGleichheit/Differenz(en) zwischen denGeschlechtern gibt oder ob Frauen untereinandergleich oder verschiedensind. Während in beiden Phasen derDiskussion am Anfang die Betonungauf Gleichheit lag - sei es als Forderungwie im Hinblick auf die Gleichheit zwischenden Geschlechtern, sei es alsselbstverständliche Annahme wie imHinblick auf Gleichheit unter Frauen -lässt sich innerhalb jeder der beidenPhasen jeweils eine Akzentverschiebungvom Pol der Gleichheit zum Polder Differenz beobachten. Damit verstärktsich die Tendenz, das Augenmerkauf das Sein und Wesen der Subjektezu richten noch weiter. Dennmehr noch als die Frage nach Gleichheitlenkt die Frage nach Differenz(en)die Aufmerksamkeit auf das Thema derIdentität und löst die Suche nach ontologischenGrundlagen bzw. naturund/oderkulturbedingten Unterschiedenaus. Das fUhrt zu einem Wechselder Perspektive von der Dimension derGesellschaft zur Dimension der Kultur,zu einem "cultural turn".Mit dieser Akzentverschiebunggeht ein Wandel des Politikverständnisseseinher. Die Wende zur Kulturimpliziert eine Verschiebung von Interessen-zu Identitätspolitik, von Fragender Ge<strong>recht</strong>igkeit zu Fragen der Anerkennung.Herkömmlicherweise stehtder politische Prozess unter der Leitvorstellungder Aushandlung undDurchsetzung von Interessen. Es gehtvorrangig um das gleiche Recht auf Präsenzoder Vertretung im politischenRaum, um die Teilhabe am <strong>gesellschaft</strong>lichenProzess und um die ge<strong>recht</strong>eVerteilung materieller, aberauch immaterieller oder nicht unmittelbarmaterieller Güter (wie z. B. Bildungschancen).Repräsentation, Partizipationund Distribution kreisen umdie Vorstellung eines Allgemeinen undGanzen von Gesellschaft, zu dem dieIndividuen oder Gruppen Zugang gewinnenund an dem sie auf ge<strong>recht</strong>eWeise teilhaben wollen. Dagegen rückenunter dem Vorzeichen einer Politikder Identität Fragen des Rechts aufAusdruck der jeweiligen kulturell erworbenen,aber auch der angeborenen,,natürlichen' Eigenschaften vonSubjekten und Gruppen in den Vordergrund.Hier geht es um Wahrung undEntfaltung von Eigenart und Eigenständigkeit,mit anderen Worten um das(allerdings ebenfalls gleiche) Recht aufDifferenz.Das Konkurrenzverhältnis zwischenverschiedenen Ansätzen zur Lösungdes Problems <strong>gesellschaft</strong>licher Ge<strong>recht</strong>igkeit,der gleichen Distributionvon Rechten, Chancen, Gütern, Anerkennungusw. kann als Indiz dafUr gelesenwerden, dass sie alle - wenngleichauf unterschiedliche Weise -nicht ausreichen, um die anstehendenProbleme umfassend zu lösen. Alle viereingangs erwähnten Positionen weisengravierende Schwächen auf:iI Gegen das Postulat von Gleichheitzwischen den beiden Geschlechtern(1.1) wird immer wieder und nicht ganzzu Un<strong>recht</strong> eingewandt, dass es einseitigauf eine Strategie der Angleichungder Frau an das Wesen und die Weltdes Mannes hinauslaufe, wohingegendie Eigenart und der Eigenwert derweiblichen Existenzweise übersehenoder negativ gesehen werde.~ Diesen Mangel behebt der Differenzansatz(1.2), der die Bedeutung allessymbolisch mit Weiblichkeit Assoziiertenund die realen Leistungen vonFrauen ins Licht rückt. Der Differenzansatzseinerseits muss sich den Vorwurfdes Essentialismus gefallen lassen,d. h. den Einwand, die überliefertenKlischees der Geschlechtscharaktereund die polarisierten Positionen vonWeiblichkeit und Männlichkeit festzuschreibenstatt aufzulösen.iI Dem Verdacht des Essentialismus istauch die Annahme einer grundsätzlichenGleichheit der Lebens- und Erfahrungsweltenaller Frauen (2.1) ausgesetzt.Das Programm selbstverständlicherSolidarität zwischen Frauen aufgrundihrer unter allen Umständen, alsoessentiell gleichen LeidenssituationSeite 108verla~sterreich <strong>juridikum</strong> 3/01


und Unterdrückungserfahrung erweistsich nicht nur als unrealistisch, sonderndarüber hinaus auch als selbst inhegemoniale Strukturen verwickelt, insofernals die Differenzen zwischenFrauen, insbesondere im Hinblick aufihre unterschiedliche Situierung entlangder Kategorien von Klasse, Ethnizitätund Kultur und die dadurch bedingtenÜber- und Unterordnungsverhältnisse,unberücksichtigt bleiben.t Diesem Problem wird schließlichdurch die letzte Position (2.2) Rechnunggetragen, welche auf die bedeutsamenDifferenzen zwischen Frauen inunterschiedlichen <strong>gesellschaft</strong>lichenund kulturellen Zusammenhängen hinweist,allerdings in der Regel ohne dieReichweite und Grenzen dieser Unterschiedeangeben zu können, sodass amEnde tendenziell uneinsehbar wird,worin überhaupt noch Gemeinsamkeitenin den Benachteilungserfahrungenzwischen Frauen bestehen. HattenFrauenbewegung und FeminismusSturm gesät, so ist an diesem Punktder Moment erreicht, an dem sie Windstilleernten. Die vierte Position führtin die Flaute.Zusammenfassend lässt sich feststellen:Gleichheits- und Differenzansatzin ihren verschiedenen Variantenverweisen auf die Unzulänglichkeit desjeweils entgegengesetzten Ansatzes;sie haben damit jeweils der Alternativegegenüber ebenso wohl Recht als siesich ihrerseits von ihr ins Un<strong>recht</strong> setzenlassen müssen. Mit anderen Worten:es besteht eine Art Patt zwischenGleichheit und Differenz.2. Die Frage nach der UngleichheitDiese Pattsituation sollte als Hinweisdarauf gelesen werden, dass die Artenund Weisen, in denen das ThemaGleichheit/Differenz in feministischenDiskussionszusammenhängen aufgefasstwurde, gleichermaßen erschöpftsind. Ich neige sogar noch weiter gehendzu der Auffassung, dass dieseThemen deswegen erschöpft sind, weilsie immer schon falsch formuliert waren.Sehr verkürzt gesagt, ist die Fragenach Gleichheit oder Differenz zwischenden Geschlechtern als WesensoderIdentitätsfrage grundsätzlichfalsch gestellt und daher unbeantwortbarund müßig. Dasselbe gilt für dieFrage nach Gleichheit oder Differenzunter Frauen.Um die festgefahrenen Positionenund die m. E. im Wesentlichen darausresultierende Flaute feministischerTheorie und Praxis zu überwinden,scheint es mir notwendig und aussichtsreich,das Thema Gleichheit/Differenzin Zukunft weniger unter demAspekt der Prinzipien von Egalität undIdentität der Subjekte und der Polarisierungder diesbezüglichen Strategienim Sinne eines Entweder/Oder zu betrachten,als vielmehr im Hinblick aufdas Problem der Ungleichheit. Es istm. E. sinnvoll, eine Unterscheidungeinzuführen zwischen dem ThemaGleichheitlDifferenz, wie es sich aufdie Ebene der Subjekte und ihrer - seies ontologisch, biologisch oder kulturellbegründeten - Seinsweisen beziehtund dem Thema der Ungleichheit,das die Strukturen und Funktionszusammenhänge,die Mechanik unddie Mechanismen der Gesellschaft betrifft.Den Ausgangspunkt der folgendenÜberlegungen bildet die Feststellung,dass die moderne Gesellschaft zuihrem Funktionieren der Ungleichheitbedarf; sie setzt Ungleichheit voraus,baut auf Ungleichheit auf und produziertUngleichheit.Diese These widerspricht der Ideeund dem Selbstverständnis der modernenGesellschaft, insofern diese auf diePrinzipien von Freiheit und Gleichheitgegründet ist. Tatsächlich ist offenkundig,dass sich die Gewichtung zwischensymbolischen und materiellen Ungleichheitenim Verlauf der abendländischenGeschichte verändert hat.Während in vor-modernen, traditionalenGesellschaften symbolische Differenzen(Status und Prestige) eine größereRolle gespielt haben, rückt in der modernenGesellschaft materielle Ungleichheitin den Vordergrund. Die moderneGleichheitsidee negiert die tradiertensymbolisch definierten Differenzen,sie findet jedoch an den materiellenUngleichheiten, welche die kapitalistischeGesellschaft stärker ausprägtals je eine Gesellschaftsformationvor ihr, ihre Grenze. Anders gesagt:reale, materielle Ungleichheitwächst, während ihre Idee, ihre ideologischenGrundlagen und damit dieMöglichkeit zu ihrer Rechtfertigungund Anerkennung schwindet.Die moderne Marktwirtschaft nutztund verschärft verschiedene Formenvon Ungleichheit, um ihr Gesetz derGewinnmaximierung zu erfüllen. Dasökonomische System umgeht das Prinzipvon Äquivalenz im Sinne des gleichenLohns für gleichwertige Arbeit, indemes auf zwar unterschiedlich situierte,aber immer durch vorgängige Ungleichheit(z. B. an Herkunft, [Aus-JBildung,Ressourcen, Chancen, Alternativenusw.) konstituierte Reservoire vonArbeitskräften zurückgreift, die ,billiger'sind als es den systeminternen Regelnentspricht. Es gibt eine Reihe vonWegen, um die systeminhärenten, anGleichheit orientierten Regeln durchExternalisierung außer Kraft zu setzenoder einzuschränken. Schematisch vereinfachendlassen sich drei Möglichkeitenerkennen:Die erste Strategie bedient sich derDifferenz zwischen innen und außen,Eigenem und Fremdem im kolonialenbzw. postkolonialen Zugriff auffremdeRessourcen, sei es im Sinne des Exportsvon Arbeit in sog. ,Billiglohnländer'oder des Imports billiger Arbeitskräfte,von ,Fremdarbeitern', deren als,Fremdheit' formulierte Ungleichheitauf<strong>recht</strong>erhalten wird, um ihre Leistungenzu schlechteren Konditionen aneignenzu können. Diese Option rekurriertauf die Macht/Ohnmacht-Relationen,also Ungleichheit zwischen Nationen,hauptsächlich im Kontext desNord-Süd-Gefälles. Dabei verbindetsich der Vorteil der Nutzung fremderRessourcen und Arbeitskraft mit demDruck, der daraus auf die Verhandlungsposition,heimischer' Arbeitskraftresultiert.Rückgriffe auf systemexterne Reservoireund Ressourcen erfolgen zweitensdurch Ausgrenzung von Gruppen, diedem eigenen geographischen und <strong>gesellschaft</strong>lich-kulturellenGebiet (in allerRegel heißt das, dem Nationalstaat)zwar angehören, aber auf grund bestimmterMerkmale als ungleich ausgegrenztsind und deren Leistungen daherzu schlechteren Konditionen genutztwerden können.Drittens schließlich rekurriert dasökonomische System auch in seinerderzeitigen Form noch immer darauf,dass für die Produktion und Re-Produktionvon Arbeitskraft ebenfalls externe,außermarktliche Regeln gelten: wie allgemeinbekannt ist die marktwirtschaftlichorganisierte Gesellschaft immerweniger und vielleicht sogar garnicht dazu in der Lage, die Kosten ihrereigenen Reproduktion zu tragen: denPreis für Kindheit, Krankheit und Alter,für die Naturgrundlagen des Menschseins,für Natalität, Morbidität undMortalität zu zahlen. Die Diskussionenum die so genannten Grenzen des So-<strong>juridikum</strong> 3/01verla~sterreichSeite 109


echt & <strong>gesellschaft</strong>zialstaates betreffen diese Problematik.Die Ungleichheit zwischen Menschen,in diesem Fall namentlich eineauf Ungleichheit gegründete geschlechtsspezifischeArbeitsteilungwurde und wird eingesetzt, um die damitverbundenen Probleme - wennnicht zu lösen, so doch wenigstens zumildern.3. Rasse, Klasse und GeschlechtWährend ich die Debatte um Gleichheitund Differenz im oben skizziertenSinne, d. h. auf der Ebene der Subjekteund ihrer Existenzweisen fLir erschöpftund unfruchtbar erachte, scheint mirdie Thematik unter dem Gesichtspunktvon Ungleichheit von geradezu brennendemInteresse zu sein. Unter demVorzeichen der derzeit in vollem Gangbefindlichen dritten industriellen Revolutionund unter der Vorherrschaftneo-liberaler und neo-konservativerPolitiken entstehen quantitativ, d. h. inUmfang und Ausmaß, ganz neue Dimensionenvon Ungleichheit, diegleichwohl in qualitativer Hinsicht analten Strukturen ansetzen. Die Problematikwird durch Prozesse der Globalisierungverschärft, aber zugleich auchverschoben und verändert. Angesichtsder dramatisch wachsenden Ungleichheitsproblematikgeraten die jahrzehntelangennationalstaatlichen Gleichheitspolitiken,Gleichstellungsreformenund -reförmchen hoffnungslos insHintertreffen.An dieser Stelle nehme ich einenwichtigen Beitrag der feministischenDiskussionen der letzten jahre auf.Wie bereits erwähnt, bildet die unterschiedlicheSituierung von Frauen inden Kontexten von Klasse und Ethnizitätden Ausgangspunkt der neulich mitvollem Recht ins Blickfeld getretenenKritik an einem universalen Begriff"Frau". Allerdings verkommt die wiederholtegemeinsame Benennung vonRasse, Klasse und Geschlecht allzuleicht zur gebetsmühlenartig beschworenenFloskel, zu welcher - in dem Bestreben,keiner differenten Identitätdurch Nicht-Beachtung Un<strong>recht</strong> zu tun- nicht selten noch weitere Arten vonDifferenzen addiert werden, umschließlich im vagen Und-so-weiter derAufzählung mehr odenveniger wichtigerund beliebig vermehrbarer Differenzlinienzu enden. Damit der richtigenIntuition der als postkolonial oderpoststrukturalistisch apostrophiertenKritik am so genannten "feministi-schen mainstream" tatsächlich Rechnunggetragen werden kann, empfiehltsich ihre Einbindung in den hier gefordertensocial turn.Es ist offensichtlich, dass die dreioben skizzierten Strategien der Externalisierung,d. h. zur Erzeugung einesUngleichheit begründenden Fremdheitseffektszum Zweck einer in ihremPreis ermäßigten Aneignung von Arbeit(vulgo: Ausbeutung) die drei KategorienRasse, Klasse und Geschlechtbetreffen. Zusammengenommen bildensie nicht bloß Linien von Differenzenzwischen Individuen und Gruppenverschiedener Art, sondern das Grundmustervon <strong>gesellschaft</strong>lich-politischrelevanter Ungleichheit. Nur vom Konvergenzpunktder Arbeit und ihrer Ausbeutungher lassen sich die an Rasse,Klasse und Geschlecht anknüpfendenHerrschaftsverhältnisse in ihren Konvergenzenund Divergenzen hinreichendbestimmen. Am BezugspunktArbeit scheidet sich das Thema Ungleichheitvom Thema Differenz.Während die Kategorie "Klasse" inerster Linie zur Externalisierung(De-Klassierung) heimischer Arbeitskraftaufgrund bestimmter Merkmale(meist unter dem Aspekt eines Mangels:Mangel an (Aus)bildung, an unternehmerischerEigeninitiative, an Arbeitsdisziplinusw., aber auch aufgrundbestimmter askriptiver Merkmale wieGeschlecht, jugend oder Alter) dient,lassen sich im Begriff "Rasse" die B'eziehungenzu einem im äußerlichenSinne Fremden zusammenfassen. Dabeigeht es um die Beziehung zu Individuenund Gruppen außerhalb der eigenenGesellschaft nicht schlechthin,sondern auch diese Beziehung stehtunter dem Vorzeichen der Ausbeutungvon Ressourcen und Arbeit entwederauf fremdem Gebiet (Kolonialisierung/Postkolonialisiel'llng)oder der Arbeitder "Fremdarbeiter" auf eigenemGebiet. Seit ihren Anfangen spielt dieAneignung und Ausbeutung der Arbeitvon "Fremden" in der abendländischenGeschichte unter dem Titel der "Sklaverei"eine bedeutende Rolle. Das KlassenverhältnisHerr/Knecht wandelt sichunter dem Aspekt "Rasse" zur RelationHerr/Sklave ab; in seine Definition istdie Fremdheit, d. h. die Nicht-Zugehörigkeitzur - wie auch immer bestimmten- eigenen Gemeinschaft eingeschrieben,zumal dann, wenn der Kriegals Ursache von Sklaverei bezeichnetwird: "... we call Slaves, who beingCaptives taken in a just War, are by theRight of Nature subjected to the AbsoluteDominion and Arbitrary Power oftheir Masters", heißt es in einer Inkunabeldes modernen politischen Denkens,in john Lockes "Zweiter Abhandlungüber die Regierung" (§ 85). Derantiken Rechtfertigung der Sklavereiist das überraschend ähnlich.Es liegt ebenfalls auf der Hand, dassdie Kategorie "Geschlecht" einen wesentlichen"Querschnittsaspekt" zuden Kategorien Klasse und Rasse darstellt,in dem Sinne, dass die RelationHerr zu Knecht und/oder Sklave implizit(in allen gängigen politischen Theorienallzu implizit) auch die von Herr zuMagd und/oder Sklavin mitbetrifft, wobeisich ohne weiteres die Behauptungwagen lässt, dass das Machtgefalle hiernoch größer ausfällt: die Variante Geschlechtverändert die Relation nichtunerheblich (nicht selten um den FaktorSexualität) und in aller Regel verschärftsie die Ungleichheit von Klasseund/oder Rasse. Ebenso implizit bleibtandererseits, dass Frauen auf beidenSeiten der Ungleichheitsrelation vonHerr zu Knecht und/oder Sklave auftretenkönnen, sodass sich also Herrinund Magd/oder Sklavin bzw. auch Herrinund Knecht und/oder Sklave gegenüberstehenkönnen. Das mildert dieProblematik des QuerschnittsaspektsGeschlecht aber keineswegs, sondernmacht sie nur noch komplexer undkomplizierter. Darüber hinaus kann eskeinem Zweifel unterliegen, dass diedritte oben angefLihrte Form von Externalisierung,nämlich die Ausgrenzungdes gesamten und in sich übrigenshöchst heterogenen Bereichs dessen,was eher homogenisierend unter demTitel der "reproduktiven Arbeit" subsumiertwird, zentral an der KategorieGeschlecht ansetzt, zu der sich Klasseund Rasse nun ihrerseits als Querschnittsaspekteverhalten.4. Subjektlose HerrschaftEs ist unumgänglich, alle drei Kategorienjeweils in ihrer Eigenart und Eigenständigkeitzu verstehen und sie darüberhinaus zugleich in ihrem Zusammenhangzu sehen. Ein Streit um VoroderNachrang zwischen ihnen, im Sinneder alten Diskussion um Haupt- undNebenwiderspruch ist nicht nur sinnlos,sondern ein Irrweg mit fatalenKonsequenzen für alle Seiten. In diesemKontext bedarf es einer eigenständigenund ausgebauten feministischenSeite 110ver1a~sterreich <strong>juridikum</strong> 3/01


~~---~-----------~--~derne sich abzeichnende, aber in derGegenwart sich erst <strong>recht</strong> durchsetzendeAblösung personaler Beziehungenzugunsten anonymer Strukturen in derOrganisation der <strong>gesellschaft</strong>lichenFunktionszusammenhänge kann leichtdie Illusion entstehen, dass damit dietradierten Herrschaftsverhältnisse definitivobsolet würden. In der fortschreitendenVerschiebung von der SozialzurSystemintegration der Gesellschaftverringert sich der ideologische Aufwandzur Begründung und Rechtfertigungbestehender Verhältnisse, diesich zunehmend subjektlos aus reinenSachzwängen zu reproduzieren scheinen.Das reflektiert die These vom Endeder Ideologien. Da jedoch das Endeder Ideologien nicht gleich bedeutendist mit dem Ende von Herrschaftsverhältnissenund Ausbeutung, ist dieThese vom Ende der Ideologien selbstnoch eine und zwar besonders schwerdurchschaubare Ideologie.Die Fronten der <strong>gesellschaft</strong>lichenKonflikte sind heute weniger klar sichtbar;vor allem wird immer schwerer erkennbar,wer die Einrichtung der <strong>gesellschaft</strong>lichenVerhältnisse intendiertund veranlasst und wem sie dienenund nützen, sodass zugleich auch unklarwird, gegen wen sich Oppositionzu richten hätte. Die Figuren des Kapitalisten,des Sklavenhalters oder Patriarchensind von der Bildfläche verschwunden.Nur sind von den negativenFolgen noch immer Gruppen undIndividuen personal, kollektiv sowie individuell,betroffen und diese sehenden herkömmlich erweise von Ausbeutungund Unterdrückung betroffenenGruppen und Individuen immer nocherstaunlich ähnlich, ohne dass es sichum eine im essentiellen Sinne zu verstehendeIdentität oder Verwandtschafthandeln würde. Die Statistikensprechen diesbezüglich eine sehr klareSprache; aber es ist von entscheidenderBedeutung, dass nicht sie alleinsprechen, sondern dass die von Diskriminierungund Pauperisierung Betroffeneneine - subjektive - Sprache finden,die an der Subjektlosigkeit undAnonymität der sie betreffenden Strukturennicht scheitert.Privatdozentin Dr. phil. CorneliaKlinger arbeitet am Institut für dieWissenschaften von Menschen inWien.This book constitutes the firstextensive evaluation study onselected fields of the HumanDimension of the OSCE. It undertakesa meticulous attemptto put the Bvaluation of recommendationsmade bythe Implementation Meetings,Supplementary Meetings andSeminars of the OSCE into amethodological framework.• "Free and Fair" Elections• Roma and Sinti• Migration, Refugees andDisplaced Persons• Trafficking in Human BeingsThe book is not only for thosewho are expert in OSCE politics,but also for people whoare interested in the interplay offormal and informal processesin international politics. However,it is also addressed to allthose who are concerned withand about dernocratic development,fundamental freedomsand human rights.474 pages, paperback,ÖS 605,45/€ 44,-, 3-7046-1718-0"erla~sterreichvormals Verlag derk. u. k. Hof- und StaatsdruckereyVerlag Österreich GmbH, 1037 Wien,Rennweg 16Tel.: 01-610 77-315, Fax: 01-61077-589,e-mail: order@verlagoesterreich.at.www.verlagoesterreich.atTheorie; ihr obliegt die Bearbeitungder Kategorie Geschlecht; ihr Themabildet das geschlechtsbezogene Herrschaftsverhältnis,ihr Kernbereich liegtin der aus den <strong>gesellschaft</strong>lichen Funktionszusammenhängenexternalisiertenmenschlichen Reproduktion; zu allenanderen Gebieten steht sie in engerBeziehung. Eine Analyse und Kritik derGeschlechterordnung, des geschlechtsbezogenenHerrschaftsverhältnisses istnicht das Ganze, aber auch nicht wenigerals ein bedeutsamer und mit anderengleich gewichtiger Teil einer umfassendenGesellschaftsanalyse.Es fällt auf, dass die drei Herrschaftsverhältnissezwischen Herr undKnecht, Herr und Sklave, Herr undWeib von archaischen Gegebenheitenausgehen. Spätestens an der Schwellezum modernen Industriezeitalter hättensolche archaischen Formen <strong>gesellschaft</strong>licherOrganisation untergehenmüssen - wenn schon nicht aus ideologischenbzw. moralischen Gründen, sodoch umso sicherer aufgrund der enormenErweiterung und Ausdifferenzierungder <strong>gesellschaft</strong>lichen Funktionszusammenhänge,in deren Folge dieengen personalen Beziehungen durchanonyme Strukturen abgelöst wurden.Davon unbeschadet steht fest, dass diedrei Konzepte Rasse, Klasse und Geschlechtüberhaupt erst und bezeichnenderweisesowohl ungefähr gleichzeitigals auch mit auffallenden Übereinstimmungenin ihrer Formulierungan der Schwelle der Moderne in Erscheinungtreten. Sie setzen an vorgängigenHerrschaftsformen an, ohnesich unmittelbar aus ihnen herzuleiten.Es handelt sich um neuartige, spezifischmoderne Konfigurationen undKonstellationen, die gleichwohl auf altenFundamenten basieren. Und vor allemfällt auf, dass Rasse, Klasse und Geschlechteinschließlich der sie nun begleitendenaggressiven Ideologien ausgerechnetin dem historischen Momentin Erscheinung treten, in dem dieGründung der modernen Gesellschaftauf die Prinzipien von Freiheit, Gleichheitund Solidarität jeder Art von Ungleichheitund Unfreiheit den Bodenentziehen sollte.Die Einbeziehung des diachronenAspekts in die Analyse und Kritik vonHerrschaftsformen ist freilich keineswegsnur von historischem Interesse.Im Hinblick auf die seit Beginn der Mo<strong>juridikum</strong>3/01verla~sterreiChSeite 111


echt &geseHschaftBig Brother, Taxi Orangeund die MenschenwürdeDie Reality Soap hat sich binnen ki.irzesterZeit etabliert. Als Format war undist sie allerdings nicht unumstritten. Soging etwa der Einflihrung von Big Bmtherin Deutschland eine heftige juristischeDebatte voraus. Sie wurde unterdem Titel "Big Brother und die Menschenwi.irde'"geflihrt. Geradezu i.iberfallsartigund ohne größere öffentlicheDiskussion wurde ein solches Rea/ity-Formatdemgegeni.iber in Österreicheingeflihrt und ausgestrahlt.Der ORF argumentierte flir TaxiOrange als öffentlich-<strong>recht</strong>licher "Notwehrakt":Den jugendlichen und jungenKonsumentinnen und Konsumentenmüsse man etwas bieten, wolle mansie nicht ganz an die Privatsender verlieren.Gleichzeitig wurde postuliert,dass das Niveau von Taxi Orange aufgrundseiner Aufmachung höher seinmüsse als jenes von Big Brother. So wurdeTaxi Orange der Rubrik der "einwandfreienUnterhaltung" (§ 2 Abs 1 Z 4 RFG)einverleibt. Die Vereinbarkeit des Formatsmit den Vorgaben des österreichischenRundfunkgesetzes (RFG) ist nieernsthaft in Frage gestellt worden.1. Die deutsche Debatte um BigBrother und die MenschenwürdeAnders gingen die Uhren in Deutschland.Als RTL 2 verkündete, es würdedas Format Big Brother von der FirmaEndemol i.ibernehmen, brach ein Sturmder Entrüstung los. Kurt Beck, Vorsitzenderder Rundfunkkommission der Länder,forderte zumindest eine Überprü-.........................................1 Vgl. Hartwig, Henning: "Big Brother"und die Menschenwürde. Besprechungder hiezu veröffentlichtenRechtsgutachten. In: medien und<strong>recht</strong> 2000, 207-209.2 Pressemitteilung der BLM v.Elisabeth Holzleithnerfung der Frage, ob Big Brother mit derMenschenwi.irde nach Bonner Grundgesetzvereinbar ist. "Wie die Rattenim Käfig", so der Hauptvorwurf, würdemit den Menschen im Container verfahren;als medizinisch-soziales Experimentsei eine solche Anordnung undenkbar.Allgemein standen Ängste vorpornographischen Auswüchsen undgewalttätigen Exzessen im Raum.Im März 2000, Big Brother hatteschon zu laufen begonnen, tagte dieGemeinsame Stelle aller Landesmedienanstaltenjugendschutz und Programm.Schließlich wurde der für den Senderzuständigen Aufsichtsanstalt LPR Hessenempfohlen, nicht aufsichts<strong>recht</strong>lichtätig zu werden. Die Basis daflir warenzwei Zusagen von RTL 2: ,,1. Verschärfungendes Konzepts bzw. Änderungender ,Spielregeln' finden nicht statt und2. täglich wird flir eine Stunde in beidenSchlafräumen des Wohncontainersauf die Kameraaufzeichnung und damitAusstrahlung per TV und Internet verzichtet."2Die ContainerbewohnerInnenhatten daflir übrigens gar kein Verständnisund verzichteten auf diese unbeobachteteStunde. 3In etlichen juristischen Zeitschriftenerschienen Bedenken tragende Artikel.Umfassende Analysen finden sichin Rechtsgutachten, die vom SenderRTL 2 4 und der Hessischen Landesanstaltflir privaten Rundfunks in Auftraggegeben wurden. Die folgenden Ausflihrungenmachen sich zur Aufgabe,die Debatte entlang der herrschendenLehre/n darzustellen; fundamentaleKritik an den gebrauchten Konzeptenkann schon aus Platzgründen nicht angebrachtwerden.1.1 Menschenwürde I: Die "Objektjormel"in ihrer AnwendungDie Menschenwi.irde ist im BonnerGrundgesetz insofern besonders geschi.itzt,als ihr der Vorrang gegenüberallen anderen Grund<strong>recht</strong>en zukommt.Ihr Schutz kennt keine Schranken; ihreGewährleistung kennt keine Abwägunggegen andere Grund<strong>recht</strong>e und damitverbundene Ziele, Werte oder Interessen.6 Nach neuerer Rechtsprechung desBundesverfassungsgerichts ist mit derMenschenwürde "der soziale Wert- undAchtungsanspruch des Menschen verbunden,der es verbietet, den Menschenzum bloßen Objekt des Staateszu machen oder ihn einer Behandlungauszusetzen, die seine'Subjektsqualitätprinzipiell in Frage stellt." (BVerfGE 87,209 (228); 20. 10. 1992, Tanz der Teufel)Ein (umstrittenes) Beispiel aus derJudikatur deutscher Höchstgerichte istdas Peep-Show-I-Urteil des Bundesverwaltungsgerichtshofs(1981). Das Gerichtsah in der Aufmachung der PeepShow eine Verletzung der Menschenwi.irdeder Frau, weil sie eine entwürdigendeobjekthafte Rolle einnehme; siewerde "wie eine der sexuellen Stimulierungdienende Sache zur entgeltlichenBenutzung dargeboten".7 Als maßgebendwurde das Zusammenspiel mehrererUmstände erachtet, nämlich "diedurch die Art der Bezahlung vermittelteAtmosphäre eines mechanisierten undautomatisierten Geschäftsvorganges,bei dem der Anblick der nackten Frauwie eine Ware eines Automaten durchMünzeinwurf verkauft und gekauftwird; die durch den Fenstermechanismusund den einseitigen Sichtkontakthervorgehobene verdinglichende Isolierungder als Lustobjekt zur Schau ge-14. März 2000.3 Mikos, Lothar; Feise, Patricia; Herzog,Kat ja; Prommer, Elizabeth;Veihl, Verena: Im Auge der Kamera.Das Fernsehereignis Big Brother.(Vistas) Berlin 2000, 97-98.4 Dörr, Dieter: Big Brother und dieMenschenwürde. Die Menschenwürdeund die Programmfreiheit am Beispieleines neuen Sendeformats. (PeterLang) Frankfurt am Main 2000;Gersdorf, Hubertus: Medien<strong>recht</strong>lieheZu lässigkeit des TV-Formats "BigBrother". (c. F. Müller) Heidelberg2000.5 Frotscher, Werner: "Big Brother"und das deutsche Rundfunk<strong>recht</strong>.(KoPäd) München 2000. Ein weiteresGutachten, dessen Auftraggeber ichnicht klären konnte ist jenes von DiFabio, Udo: Der Schutz der Menschenwürdedurch Allgemeine Programmgrundsätze.(Reinhard Fischer)München, 2000. Zwei der genanntenAutoren haben in einer ArtFollow Up nach dem Anlaufen/Endevon Big Brother eine gekürzte Versionihrer Gutachten, ergänzt um dieErfahrungen mit Big Brother, veröffentlicht;siehe Dörr, Dieter; eole,Mark D.: "Big Brother" - oder: Menschenwürdeals Grenze der Programmfreiheit.In: Kommunikation& Recht (K & R) 2000, 369-378; Frotscher,Werner: Real Ufe Soaps unddie im Grundgesetz verbürgte Menschenwürde.In: Weber, Frank (Redaktion):Big Brother: Inszenierte Banalitätzur Prime Time. (Ut) Münster,2000,333-344·6 Dörr; eole, a. a. 0., 372.7 Hinrichs, Ulrike: "Big Brother" unddie Menschenwürde. In: NJW 2000,2173-2176, hier: 2174.Seite 112 verla~sterreich <strong>juridikum</strong> 3/01


e€ht.&.· .• ·g.esellscbaft··stellten Frau vor im Verborgenen bleibendenVoyeuren; der durch diesen Geschehensablaufbesonders krass hervortretendeEindruck einer entpersonifiziertenVermarktung der Frau; die Isolationauch des allein in der Kabine befindlichenZuschauers und das damitverbundene Fehlen einer sozialen Kontrolle;die durch das System der EinzeIkabinebewusst geschaffene Möglichkeitzur Selbstbefriedigung und derenkommerzieller Ausnutzung."8Das Peep-Show-I-Urteil ist umstritten.Es gibt divergierende Judikatur andererdeutscher Gerichte, die Entscheidungwurde bislang aber vom BVerwGnicht verworfen. 9 Hinrichs zieht es alsBeleg dafür heran, dass Big Brother derMenschenwürde widerspricht. Siespricht u. a. von einer .. menschenunwürdigenKommerzialisierung des Intimlebens"der Container-Insassinnen.Deren Situation erinnert sie an Tierversuche:.. Bereits die Dauerüberwachungals solche widerspricht dem Menschenbilddes Grundgesetzes. Den Kandidatenwird damit jegliche Intimsphäregenommen, die zum Menschsein unweigerlichdazu gehört. "10 Insgesamtentscheidend sei .. das Gesamtkonzept,das den einzelnen Kandidaten als bloßesMittel zum Zweck benutzt, als Marionetteeines Gewinnspiels."11Durch Formate wie Big Brother, sodie Argumentation, würden Menschenzu bloßen Objekten der Unterhaltunggemacht. Hier gerate die menschlicheAutonomie an eine Grenze. Auf dieSubjektsqualität der eigenen Existenzkönne die einzelne Person "nichtselbstbestimmend verzichten, da dieMenschenwürde eine objektive Wertentscheidungenthält. Von diesem objektivenWerteschutz kann der Staatnicht durch einen Verzicht des Betroffenenfreigestellt werden."12Voraussetzung für die Schlüssigkeitder Argumentation der Big Brother-Gegnerlnnenist es, die Wahrung der Intimsphäreals Basis der Freiheit zum Schlüsselfür die Beurteilung der Menschenwürdekompatibilitätvon Big Brother zu, . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .8 BVerwGE 64, 274 (278 f.), NJW1982, 664-665.9 Siehe dazu Discher, Thomas: DiePeep-Show-Urteile des BVerwG.ln:Juristische Schulung 1991,642-649.10 Hinrichs: a. a. 0., 2175.11 Hinrichs: a. a. 0., 2175.12 Hinrichs: a. a. 0., 2175; Verweisgetilgt.13 In diesem Sinne etwa Wunden:a. a. 0.,143-157, hier: 146.14 Dörr: a. a. 0., 32.15 Huster, Stefan: IndividuelleMenschenwürde oder öffentlicheOrdnung? Ein Diskussionsbeitraganlässlich "Big Brother". In: NJW2000,3477-3479, hier: 3477-16 Das sind die umfassendsten Ein-machen. 13 Das eigene Privatleben, aufdas jedelr ein absolut geschütztes Rechthabe, müsse auch Privatleben bleiben,so die (eigentümliche) Wendung der Argumentationder Schutzwürdigkeit derIntimsphäre, wie sie etwa im Tonband-Urteildes BVerfG zu finden ist: "Selbstüberwiegende Interessen der Allgemeinheitkönnen einen Eingriff in denabsolut geschützten Kernbereich privaterLebensgestaltung nicht <strong>recht</strong>fertigen".(BVerfGE 34, 238) Die Konstellationist zu jener bei Big Brother genau umgekehrt:Geht es im Tonband-Fall um Eingriffeder "Allgemeinheit" in die Privatsphäre,so geht es bei Big Brother um dieFrage, inwieweit "Privates" veröffentlichtwerden darf.Des Weiteren ist zu beachten, dassdie Menschenwürde selbst in untrennbarem"Zusammenhang mit der Fähigkeitzur freien Selbstbestimmung"14 steht.Huster stellt daher klar, dass es beidem Nachdenken über ein Verbot von -Big Brother prinzipiell um eine Rechtfertigungeines Akts des staatlichen Paternalismusgeht. 151.2. Kommerzialisierung undKontrollverlustIn welcher Hinsicht beschränkt nun jemand,der in einen Container geht, umsich dort 24 Stunden am Tag beobachtenzu lassen, die eigene Freiheit und inwieweitsteht das im Einzelnen in einemSpannungsverhältnis zur .. Menschenwürde"?Im Container wird zunächstverzichtet auf die Freiheit, nicht sichtbarzu sein. Des Weiteren verzichtet man aufdie Freiheit, sich außerhalb des Containerszu bewegen und mit Menschen außerhalbdes Containers zu kommunizieren.16 Schließlich haben die KandidatInnenkeine Kontrolle darüber, welche Bildervon ihnen in der 45-minütigen Tageszusammenfassunggesendet werden.Kann im Kontext des Kommerzfernsehens<strong>recht</strong>swirksam auf die angesprochenenFreiheiten und Kontrollmöglichkeitenverzichtet werden?Um diese Frage zu beantworten, istzunächst eine schärfere Fassung desschränkungen; die anderen wie fehlendeTelekommunikationsmedienund technische Geräte (im Sinne der"Back to Basics"-Philosophie) könnenwohl vernachlässigt werden.17 Dörr: a. a. 0., S. 53.18 Dörr: a. a. 0., S. 53.19 Dazu Zorn, Carsten: Und wirsind nur die Kandidaten - in den As-Kommerzialisierungsarguments notwendig.Wann kippt eine an sich zulässigeKommerzialisierung der eigenenPerson in eine für die Menschenwürdebedrohliche Situation? Zunächst setztdies voraus, dass die Person, die sichbzw. ihre Fähigkeiten verkaufen will,mit einer überlegenen Macht konfrontiertist. Problematisch wird es abererst, wenn der überlegene Akteur diebetroffenen Menschen aus Gründenwirtschaftlichen Erwerbsstrebens in einefür sie unentrinnbare Situationbringt, die sie weder vollständig durchschauennoch als freier Akteur beherrschenkönnen. Die Betroffenen müssender Situation also ausgeliefert sein. 17Darüber hinaus .. müssen die Gesamtumständeden oder die ausgeliefertenMenschen in ihrem sozialen Achtungsanspruchverletzen, weil sie zum Gegenstandder Anprangerung, derSchaustellung oder der Verächtlichmachungherabgewürdigt werden."18Damit eine Konstellation wie BigBrother <strong>recht</strong>lich unproblematisch ist,muss der Vertragsabschluss zwischenKandidat/in und Sender so erfolgen,dass von einem "informed consent" injene Regeln ausgegangen werdenkann, die erfahrungsgemäß vom Senderdiktiert werden. Es muss im Vorhineineiniger Maßen klar sein, was eineinin der Situation erwartet.Ein weiterer Aspekt betrifft die Freiheit,über den eigenen Abgang selbstzu verfugen. Prinzipiell muss ein Ausstiegjederzeit und ohne Nachteilemöglich sein. Ansonsten würde derKandidat/die Kandidatin in die obenbeschriebene, <strong>recht</strong>lich unzulässige Situationder Unentrinnbarkeit kommen.Gemäß den Spielregeln befindetüber den Verbleib der Kandidatinneneine Mischung aus Gruppenentscheidungund Publikumsvoting. Es handeltsich einerseits um Fragen der Gruppendynamik,andererseits findet gleichsamein in die Öffentlichkeit verlegtes Castingfür eine spätere "Prominenz"statt. 19 Auf der Ebene der Moral kanntrefflich darüber gestritten werden, in-sessment-Centern der Moderne. BIGBROTHER: Ein Exempel? In: Balke,Friedrich; Schwering, Georg; Stäheli,Urs (Hrsg.): Big Brother. Beobachtungen.(transcript Verlag) Bielefeld,2000,79-98, hier: 89.<strong>juridikum</strong> 3/01verla~sterreichSeite 113


echt & <strong>gesellschaft</strong>. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .35 RFK 06. 02. 1996, 542/6-RFK/96,RfR, 16, mVa die EBRV zur Rundfunkgesetznovelle1993, 1082 BlgStPNRXVIII. GP, 30. 07.1993, S. 6.es bei der Wahrung der Menschenwürdevor allem geht: nämlich nicht um"die Menschenwürde und die Grund<strong>recht</strong>evon Fernsehkonsumenten, sonderndie Intimsphäre des Einzelnen etwabei der Darstellung von Tod, Krankheit,Schmerz und Trauer sowie bei Interviewsund Talkshows die Würdeund Intimsphäre des Befragten oderGesprächspartners"35. Hier zeigt sichein deutlicher Unterschied zur deutschenInterpretation; in Österreichkommt man im Hinblick auf die Menschenwürdeohne RezipientInnenschutzund objektive Wertordnungaus. Rezipientinnenschutz und Jugendschutzwerden gesondert normiert (in§ 2a Abs. 2 und 3 RFG).Wenden wir nun diese Vorgabenauf Taxi Orange an, so kann ein gewissesSpannungsfeld zur Menschenwürdevorgabenicht geleugnet werden.Gerade das jeweilige Wochenfinalelebt vom Ausstellen der unterschiedlichenBetroffenheiten derjenigen, dieeine Etappe des Spiels gewonnen undderjenigen, die das Spiel verloren haben,weil sie vom Wochensieger/derWochensiegerin aus dem Kutscherhofgewählt werden. Diese Emotionenwerden durch die Spielregeln extra erzeugt;Großaufnahmen bestimmen dasBild.Einzelne Begebenheiten und derUmgang der Sendungsmacherinnendamit zeigen, dass dem ORF durchausbewusst ist, dass er auf dünnem Eisgeht. Ein Beispiel, das zeigt, wie eigentümlichdie Grenzen im Fall des Fallesgezogen werden, ist die Disqualifikationvon Vicky. Ihre unmittelbare Reaktion(der Schock der Disqualifikation)wurde nicht gezeigt, dagegen sehrwohl das blanke Entsetzen ihrer Mitbewohnerinnen.Erst nachdem sich dieKamera an der Betroffenheit ergötzthatte, wurden die Life Streams abgeschaltet,angeblich, um die Privatsphäreder Einzelnen zu schützen.Wenn der ORF an der einen oder anderenStelle die Life Streams abschaltet,kann er sich rühmen, ohnehin sensibelmit den Emotionen der Betroffen in Extremsituationenumzugehen, sodassdas sonstige Zeigen der Emotionen ineinem unproblematischen Licht erscheint.3. ErgebnisIn den vorangehenden Ausführungenging es mir darum, jenen Machtnexusdarzustellen, innerhalb dessen eineReality Soap sich bewegt: die vom Sendervorgegebenen Regeln, die Darstellungsmachtdes Senders, die Rezeptiondurch andere Medien, schließlich dieReaktion des Publikums auf die verschiedenenBilder und Botschaften, dieim Zuge dessen erzeugt werden. Dasssich in diesem Kontext die Frage nachder Menschenwürde stellt, liegt auf derHand. Sie ist freilich nicht von sonstigenMedienphänomenen isoliert zu betrachten.Da aber Menschen in RealitySoaps "als sie selbst" auftreten, betrifftsie eine negative Aufnahme ihres Auftrittsin der Öffentlichkeit in besondererWeise. Recht sollte Menschen nursehr bedingt vor sich selbst schützen;das allerdings enthebt Rundfunkanstaltennicht ihrer Verantwortung im Umgangmit den Bildern, die sie von denKandidatinnen erzeugen - jenen Kandidatlnnen,die angeblich so sind, wiesie gezeigt werden. Wer das glaubt, istzwar selber schuld, aber das ist eineandere Geschichte.Dr. Elisabeth Holzleithner istUniversitätsassistentin am Institutfür Rechtsphilosophie undRechtstheorie.Eine lange Version dieses Textes ist abgedrucktin Eva Flicker, Wissenschaft fährtTaxi Orange, Promedia Verlag.Impressum<strong>juridikum</strong>Zeitschrift im RechtsstaatA-1010 Wien, Kärntner Ring 6/MezzaninHerausgeberinnen: Univ.-Ass. Drin. BirgitFeldner, ao. Univ.-Prof. Dr. AlexanderSomek, RA Univ.-Doz. Dr. Richard Soyer,RAin Drin. Maria Windhagerfür Context - Verein für freie Studienund brauchbare Information,1010 Wien, Kärntner Ring 6/MezzaninMedieninhaber und Verleger:Verlag Österreich GmbH, Rennweg 16,Postfach 129, A-1037 Wien,Tel. 01/610 77, Abonnements: KI. 136, 315,Fax: 01/610 77/589,e-Mail: order@verlagoesterreich.at.http://www.verlagoesterreich.atPreis: Jahresabonnement ATS 360,-(Euro 26,16), StudentinnenabonnementATS 24°,- (Euro 17.44), FörderabonnementATS 600,- (Euro 43,60), exkl. ATS 100,­(Euro 7,27) Porto und VersandkostenErscheinungsweise: viert~ljährlichRedaktion: Univ.-Prof. Dr. Nikolaus Benke,Dr. Sepp Brugger, RAA Dr. Daniel Ennöckl,Univ.-Ass. Dr. Nikolaus Forg6, Drin. ElisabethHolzleithner, Mag'. Iris Kugler, LukasOberndorfer, V.-Ass. Dr. Florian Oppitz,Mag'. Martina Thomasberger, Ass.-Prof.Dr. Hannes Tretter, Univ.-Prof. Dr. EwaldWiederinAutorinnen dieser Ausgabe:Univ.-Prof. Dr. Nikolaus Benke;o. Univ.-Prof. Dr. Christian Bertel; Mag'. EvaBlimlinger; Prof. Susan Fortney; Dr. MarkusGrassi; Drin. Elisabeth Holzleithner;PD Drin. Cornelia Klinger; Mag'. Iris Kugler;ao. Univ.-Prof. Dr. Franz Stefan Meissel;Dr. Helmut Ortner; ao. Univ.-Prof. Dr.Manfred Nowak; Drin. Brigitte Schinkele;ao. Univ.-Prof. Dr. Alexander Somek;Dr. Gottfried Somek; Professor Dr. KlausA. Ziegert.OffenlegungDer Medieninhaber und Verleger ist zu100% Eigentümer des <strong>juridikum</strong>.Grundlegende Richtung des <strong>juridikum</strong>:ergibt sich aus den Context-Statuten undaus dem Inhalt der veröffentlichten Texte.Erscheinungsort: WienLayout und Satz: Laudenbach Satz & DTP,1070 WienDruck: Manz, 1050 WienContext ist Mitglied der VAZ (Vereinigungalternativer Zeitungen und Zeitschriften) .Seite 116verla~sterreich <strong>juridikum</strong> 3/01


"Staats- und Gesellschaftsfeindlichl


echt & <strong>gesellschaft</strong>eine Verhältnismäßigkeitsprüfung iSemateriellen Grund<strong>recht</strong>sverständnissesvorzunehmen. 14 So fLihrt auch dasBVerfG aus: "Daraus folgt zum einen,dass eine Religionsgemeinschaft, dieKörperschaft des öffentlichen Rechtswerden will, <strong>recht</strong>streu sein muss ....Allerdings stellt nicht jeder einzelneVerstoß gegen Rechtsnormen die Gewähr<strong>recht</strong>streuen Verhaltens in Frage.... Viele Religionen erheben im Einzelfalleinen Vorbehalt zugunsten ihrerGewissensentscheidung und bestehendarauf, im unausweichlichen Konfliktfallden Glaubensgeboten mehr zu gehorchenals den Geboten des Rechts.Aus Rücksicht auf die Religionsfreiheit,der der Status einer Körperschaft desöffentlichen Rechts letztlich dient, stehensolche Vorbehalte der Verleihungdieses Status jedenfalls solange nichtim Wege, als die Religionsgemeinschaftim Grundsatz bereit ist, Rechtund Gesetz zu achten und sich in dieverfassungsmäßige Ordnung einzufLigen."15Bei der Bestimmung des Bedeutungsinhaltesder Wendung "positiveGrundeinsteIlung gegenüber der Gesellschaft"gilt es, das Faktum der heutigensog "postmodernen Gesellschaft"zu berücksichtigen. Nicht mehr die Einheit,sondern im Gegenteil die Vielfalt,Differenz und Diversität, Heterogenitätund Divergenz stellen die unhintergehbareStruktur der Gesellschaft unddie Grundlage ihrer Operationsweisedar. 16 Vor diesem Hintergrund kann"positive GrundeinsteIlung" nichts anderesheißen, als Toleranz zu üben..........................................14 So schreiben auch Kalb/Potz/Schinkele, Religionsgemeinschaften<strong>recht</strong>117, dass bei einer Beurteilungnur "die Akzeptanz des pluralistischenRechtsstaates, die Bejahungder grundsätzlichen staatlichen Ordnung"relevant und außerdem allein"auf die Zielsetzung der Gemeinschaftals Ganzes" abzustellen seLlmFalle der punktuellen Ablehnung einzelnerstaatlicherVorschriftenausGewissensgründen seien im Sinneeines materialen Grund<strong>recht</strong>sverständnissesgenerell oder in einemkonkreten Einzelfall über die grund<strong>recht</strong>lichenSchrankenregelungenLösungen zu suchen.15 www.bverfg.de/cgi-bin/link.pl?presse.16 Vgl statt vieler Wilke, Supervisiondes Staates (1997) 94, Köck,Recht in der pluralistischen Gesellschaft(1998)17 Vgl die Literaturverweise undZusammenstellung von Weber,Dieser Befund liegt übrigens auchin einer verblüffenden Nähe zum Standder überwiegenden deutschen Doktrinzu dieser Thematik. l12.2 Subjektiv-historische Interpretation '8Grundsätzlich versucht die subjektiv-historischeInterpretation, denSinngehalt einer Norm aus deren Entstehungsgeschichtezu rekonstruieren.19 Die Gesetzesmaterialien 20 sprecheneine klare Sprache und bestätigenden Befund der Verbalinterpretation:"Unter ,positiver Grundeinsteilunggegenüber Gesellschaft undStaat' wird die Akzeptanz des pluralistischenRechtsstaates, die Bejahungder grundsätzlich staatlichen Ordnungverstanden, wobei auf die Zielsetzungder Gemeinschaft als Ganzes abzustellenist. Nicht ausreichend ist jedochdie punktuelle Ablehnung einzelnerstaatlicher Vorschriften aus Gewissensgründen."2.3 Objektiv-teleologische InterpretationJede Regelung erfLillt, unabhängig vonder konkreten Absicht des Normsetzers,im Kontext einer bestimmtenRechtsordnung einen objektiven Sinnund Zweck. Es geht also um ein Verständnis,das am Zweck der Regelungselbst, an den angestrebten Lösungenorientiert ist. 21 Sie blickt als solche"hinter" den Wortlaut des Gesetzes,liest "zwischen den Zeilen" und, wieÖhlinger es ausdrückt, "verobjektiviertden ,Sinn und Zweck' einer Norm" unddies auch trotz einer eventuell unzulänglichensprachlichen Fassung. 22Verfassungsbeschwerde vom13. August 1997, 33 ff, sowie Pagels,JuS (1996),790 (792 f), der ausdrücklichdarauf hinweist, dass die Anforderungenan die ungeschriebenenVerleihungsvoraussetzungen "nichtüberhöht" werden dürfen. Ähnlichschon Held, Die kleinen öffentlich-<strong>recht</strong>lichenReligionsgemeinschaftenim Staatskirchen<strong>recht</strong>der Bundesrepublik Deutschland(1974) 122.18 Wer die Praxis der letzten Jahrzehntein diesem Bereich verfolgthat, muss auch die Ergebnisse derhistorisch-teleologischen Interpretation(Vgl statt vieler Bydlinski, Methodenlehre451 ff) bedenken. Deraus der historischen Genese desBekGG hervorleuchtende faktischeTelos ist der eines "Anerkennungsverhinderungsgesetzes"(so Mayer,Rechtsgutachten zur Regierungsvorlageüber die Rechtspersönlichkeitvon religiösen Bekenntnisgemeinschaften[1998]2). was eine eher rigideInterpretation der neuen Anerkennungskriteriennahe legen würde.Dieses Ergebnis einer "historisch-teleologischenAuslegung ieS"wird jedoch bei einer lege artisdurchgeführten Interpretation vonder objektiv-teleologischen Auslegung(2.3.) verfassungskonform korrigiert(Dies wird auf Grund der Jugenddes Gesetzes zu einer völligenVerdrängung der Ersteren durch dieLetztere führen).19 Vgl ua Larenz, Methodenlehreder Rechtswissenschaft4 (1979) 315,Koller, Theorie des Rechts' (1997)213 f, 219, Bydlinski, Methodenlehre449 ff.20 EB zur RV 938 BlgNr 20, GP, 10.21 Vgl ua Koziol/Welser, BürgerlichesRecht, Bd I, 24, Bydlinski, Methodenlehren453 ff, Koller, Theorie desRechts 212 ff.22 Öhlinger, Verfassungs<strong>recht</strong> 4(1999) Rz 24·Da es sich beim BekGG um ein sehrjunges Gesetz handelt, kommt der objektiv-teleologischenInterpretationauch eine formal historische Komponentezu; ergibt sich der objektiv-teleologischeGehalt des § 11 doch unmittelbaraus dessen historischer Genese23 : Bis zum Jahre 1998 war dasAnerkG alleinige Grundlage fLir die gesetzlicheAnerkennung. In praxi fehltejedoch die <strong>recht</strong>liche Durchsetzbarkeit24 des Anerkennungsanspruchesund so stellte die Kultusbehörde zusätzliche,in § 1 AnerkG nicht normierte,Anforderungen. Als der VfGH25 1988einen durchsetzbaren Rechtsanspruchschließlich einmahnte, positivierte derGesetzgeber diese zusätzlichen Anerkennungsvoraussetzungenim § 11BekGG.26 Vor dem Hintergrund derOdyssee des jahrzehntelangen Kampfesvieler Religionsgemeinschaften umdie Durchsetzbarkeit' des Rechts aufAnerkennung 27 kann und darf der objektiveSinn und Zweck, die ratio legis,dieser Bestimmung einzig und alleindarin bestehen, eine in einem <strong>recht</strong>sstaatlichenSinne tatsächlich gegebeneMöglichkeit einer Anerkennung nunendlich zu schaffen und nicht die Anerkennungweiter zu verzögern, zu erschwerenoder gar zu verunmöglichen.Ihnen muss der Sinn vertretbarer, adäquater,nicht überzogener Anforderungenbeigemessen werden. Eine solche"von der konkreten Absicht desNormsetzers unabhängige"28 Auslegungist schon deshalb geboten, da -unabhängig von sophistischen historisch-interpretativenund hermeneuti-23 Vgl hierzu ausführlich Ortner,Religion und Staat, 192 ff, 234 ff,Kalb/Potz/Schinkele, Religionsgemeinschaften<strong>recht</strong>19 ff, 108 ff, Kohlhafer,Stellungnahme zum Entwurfeines Bundesgesetzes über dieRechtspersönlichkeit von religiösenBekenntnisgemeinschaften (1997)4 ff, Mayer, Rechtsgutachten zur Regierungsvorlagefür ein Bundesgesetzüber die Rechtspersönlichkeitvon religiösen Bekenntnisgemeinschaften(1998) 2.24 Vgl Hetzenauer, Die Säkularitätdes Staates - Unterscheidung in anerkannteund nicht anerkannte Religionsgemeinschaften(1997) 54 ff.25 VfSlg ".931/1988.26 EB zur RV 938 BlgNr 20, GP, 10.27 Vgl Ortner, Staat und Religion163, Hetzenauer, Säkularität desStaates 54 ff, Kalb/Potz/Schinkele,Religionsgemeinschaften<strong>recht</strong> 71 ff.28 Öhlinger, Verfassungs<strong>recht</strong> 4(1999) Rz 24.Seite 118verlaJ>sterreiCh <strong>juridikum</strong> 3/01


schen Überlegungen - ein nüchternerBlick auf die realen Gegebenheiten offenbart,dass nämlich die eigentlicheIntention, die hinter dem BekGGsteckt, nicht die ist, den nun schon seitjahrzehnten hingehaltenen Religionsgemeinschafteneine faire Chance aufAnerkennung zuzuerkennen, sondernjene, ein - wie es Mayer 29 formuliert -"Anerkennungsverhinderungsgesetz"zu schaffen.2.4 Systematische InterpretationFür die bei der systematisch-logischenInterpretation 30 gebotene Durchleuchtungund Fruchtbarmachung des Kontextessowohl im engeren 31 wie auchim weiteren Sinne ist es von Bedeutung,·dass es sich bei § 11 BekGG umeine lex fugitiva zum § 1 des AnerkGhandelt. In der gesetzlichen Anerkennungwird heute nämlich eine Stärkungihrer Unabhängigkeit dem Staat gegenübergesehen. Klecatsky32 formuliert:"Der öffentlich-<strong>recht</strong>liche Status gliedertdie Kirchen keineswegs in denStaat ein .... Der Status einer Körperschaftdes öffentlichen Rechts soll dieEigenständigkeit und Unabhängigkeit derKirche vom Staat ... bekräftigen" (Kursivschriftvom Autor). Wenn aber erhöhte"Eigenständigkeit und Unabhängigkeitder Kirche von Staat" die Folgeder gesetzlichen Anerkennung seinsoll, kann den Normen, die zu ebendiesem Status fUhren, kein Sinn beigemessenwerden, der eine enge Bindungan den Staat - über die bereits referiertenweit gesteckten Grenzen hinaus -impliziert.Bekanntlich findet die - von Engischso genannte - "Sinnbezüglichkeit jedesRechtssatzes auf die Gesamt<strong>recht</strong>sordnung"gleichfalls im systematisch-logischenInterpretationsschrittihre Berücksichtigung. Va ist - im Rahmeneiner <strong>recht</strong>sordnungs- (insb verfassungs-)konformenInterpretation -jene Deutung vorzuziehen, welche derVerfassung und ihren Prinzipien entspricht.Eine verfassungskonforme Interpretationmuss aber das mE aus derösterreichischen Verfassung abzuleitendeBaugesetz der Säkularität berücksichtigen.33 Der in Art 15 StGG dengesetzlich Anerkannten garantierte Autonomiebereichist dann in einer baugesetzkonformenAuslegung auch denBekenntnisgemeinschaften zuzugestehenund folglich dem staatlichen Einflussund seiner Beurteilung ganz undgar entzogen. Diese - vom Staat ausgesehene - "Exterritorialität" des Wesenskernesder kirchlichen Betätigung,welcher auf jeden Fall Verfassung, Organisation,religiöse Satzung, Regelungder Mitgliedschaft und das theologischeSelbstverständnis einer Religionsgemeinschaftumfasst,34 verbietetkategorisch jede Beurteilung oder Bewertungder Glaubens- und Sittenlehreals "richtig oder falsch" bzw "gut oderböse"35. Nicht erlaubt wäre - und kanndaher bei einer verfassungskonformenInterpretation nicht von § 11 Z 4BekGG intendiert sein - eine Überprüfungresp Beurteilung und Bewertungder theologischen "Wahrheiten" undÜberzeugungen, also der GlaubensundSittenlehre, einer Religionsgemeinschaft.36 Kurz gesagt: "Abzustellenist primär auf allfällige Handlungsanweisungen".37Einzig und allein dieHandlungsanweisungen, welche denGläubigen ein Verhalten gebieten, weIchesin der "profanen Welt" entsprechendeWirkungen zeitigt, kann AnknüpfungspunktfUr eine staatliche Beurteilungsein; diese Handlungen reicheninsoweit aus dem dem Staatgänzlich entzogenen Autonomiebereichin die staatliche Ebene hinein.Vergleiche auch hierzu die AusfUhrungendes BVerfG: "Andererseits dürfendie <strong>recht</strong>lichen Anforderungen an eineReligionsgemeinschaft, die Körperschaftdes öffentlichen Rechts werdenwill, nicht ihrerseits in Widerspruch zuden prinzipiellen Wertungen des verfassungs<strong>recht</strong>lichenReligions- undStaatskirchen<strong>recht</strong>s geraten. Wegendes Grundsatzes der religiös-weltanschaulichenNeutralität darf der Staateine antragstellende Religionsgemeinschaftnicht nach ihrem Glauben, sondernnur nach ihrem Verhalten beurteilen."383. Die staatlich eingetrageneBekenntnisgemeinschaft der ZeugenJehovasNach einem Dezennium der völligenUntätigkeit wurde am 21. Juli 1997 derAntrag der Religionsgemeinschaft derZeugen jehovas auf gesetzliche Anerkennunggemäß dem AnerkG vomBMUK abgewiesen. Dieser Bescheidwurde in der Folge vom VfGH39 aufgehoben,da die Verfahrensmängel derartgravierend waren, dass sie in die Verfassungssphäre.hineinreichten. DerRechtsakt ist jedoch unter der hier behandeltenPerspektive interessant, dadie Argumentation der Kultusbehördeeinen Einblick gewährt, worauf diesebei der Beurteilung des nunmehr in§ 11 Abs 1 Z 4 BekGG positivierten Kriteriumsder "positiven GrundeinsteIlunggegenüber Gesellschaft undStaat" abzustellen gedenkt. So werdenetwa Zitate aus den religiösen Schriftender Zeugen jehovas 40 "hinsichtlichder staatlichen Einrichtungen"41 angefUhrt,welche als "staatsfeindlich" qualifiziertund mit Blick auf ihr Verständnisder Heiligen Schrift folgendermaßenkommentiert werden: "Die diesbezüglicheInterpretation fUhrt zu wörtlichenAuslegungen, wie sie regelmäßig[nicht] ... in der Religionswissenschaft... vertreten werden."42 Weiters wird29 Mayer, Rechtsgutachten 2, Vglauch Kohlhofer, Stellungnahme 4,Ortner, Staat und Religion 192 f, 19630 Vgl ua Bydlinski, Methodenlehre442 ff, Koller, Theorie des Rechts 214,Koziol, Bürgerliches Recht 122 f.31 Zum Kontext im engeren Sinnesoll nur darauf hingewiesen werden,dass gerade dieser zur unter2.3. referierten Diagnose "Anerkennungsverhinderungsgesetz"führt:Schon die ersten beiden Ziffern,welche auch für etablierte, seit Jahrzehntenwohl bekannte Religionsgemeinschaftenein 10-jähriges"Kaltstellen" normiert und zu einerfaktischen Sistierung des AnerkGführt bzw die willkürliche, exorbitanteund rein formale Festlegungeiner Mindestmitgliederzahl von ca.16.000, wobei von den insges 8 aufGrund des AnerkG in Österreich jemalsanerkannten Kirchen und Religions<strong>gesellschaft</strong>enhöchstens eine,nämlich die Altkatholische Kirche,diese Hürde überspringen könnte,sprechen eine unzweifelhafte Sprache.(Vgl hiezu Kalb/Potz/Schinkele,Religionsgemeinschaften<strong>recht</strong> 114).32 Klecatsky, Körperschaften 516.33 Ortner, Religion und Staat 94 ff.34 Siehe im Einzelnen die Judikaturzu den inneren Angelegenheiten inGampl/Potz/Schinkele, Staats kirchen<strong>recht</strong>134 ff, Pree, Österreich i­sches Staatskirchen<strong>recht</strong> (1984)63ff.35 Kohlhofer, Stellungnahme 10.36 Zu diesem prinzipiellen Befundgelangen auch Kalb/Potz/Schinkele,Religionsgemeinschaften<strong>recht</strong> 87(allerdings im Zuge einer Besprechungvon § 1 AnerkG), die davonsprechen, dass bei einem diesbezüglichenAnsinnen des Gesetzgebers"die Grenzen säkularer, religiös-und weltanschauungsneutralerStaatlichkeit erreicht" seien undeine "Prüfung von Religion (Religionslehreetc) ... nicht bzw nur innerhalbsehr enger Grenzen mög-lich" sei, da "eine Bewertung sakralerSchriften und Lehren weitgehendausscheidet".37 Kalb/Potz/Schinkele, Religionsgemeinschaften<strong>recht</strong>87.38 Pressemitteilung des BVerfGvom 19. Dezember 2000(www.bverfg.de/cgi-bin/link.pl?presse).39 VfSlg 15.12411998.40 Nahezu alle Zitate stammen ausSchriften älteren Datums.41 GZ 12.101/2-9C/97, BegründungPu n kt 5, Seite 4.42 Begründung Punkt 5, Seite 3.<strong>juridikum</strong> 3/01verla~sterreichSeite 119


echt & <strong>gesellschaft</strong>behauptet, dass sich "diese Tendenzen... nicht nur gegen die Staaten und dieStaatengemeinschaft, sondern auchgegen andere Religionen"43 richten;wobei auch hier die Begründung dieselbeist: "Insbesondere ist im Hinblickauf die Auslegung der Geheimen Offenbarungvon johannes das Toleranzgebotin jeglicher Hinsicht gegenüber anderenReligions<strong>gesellschaft</strong>en und gegenüberdem Staat zu vermissen".44Vorwürfe bezüglich der Einstellung zupolitischen Wahlen und zur Frage desFahnengrußes und des Singens der Nationalhymne"runden das Bild ab".Bei einer Beurteilung der erstenbei den Vorwürfe, fallt sofort auf, dassihnen ein - iSd Ausführungen unter2.4. - verfassungswidriges Verständnisder Qualifizierung einer Religionsgemeinschaftzugrunde liegt. 45 Bei einerderartigen Bewertung der theologischenLehren einer Religionsgemeinschaftsind die Grenzen säkularer, religiös-neutralerStaatlichkeit überschritten.Denn nicht diese dürfen vom Staatbeurteilt werden, sondern einzig undallein "Handlungsanweisungen", weIcheaus deren religiösen Anschauungenerfließen bzw den Gläubigen vonihrer Glaubensgemeinschaft erteiltwerden. Liest man aber, im Falle derBekenntnisgemeinschaft der Zeugenjehovas, deren religiöses Schrifttumunter diesem Blickwinkel, entsteht -wie im Folgenden zu zeigen sein wird- im Hinblick auf ihre "Einstellung zuStaat und Gesellschaft" ein den obigenBehauptungen völlig konträres Bild..........................................43 Begründung Punkt 5, Seite 5.44 Begründung Punkt 5, Seite 4.45 Es soll daher im Folgenden auchgar nicht weiter der theologischeAspekt der obigen Vorwürfe besprochenwerden. Ganz generell jedochgilt, dass dem Staat die Beurteilungder Exegese von Passagen aus derHeiligen Schrift verboten ist; genausowenig darfer die Religionen in ihrerHeilslehre auf ein Verständnis der Bibelverpflichten, wie es "regelmäßig... in der Religionswissenschaft ...vertreten" wird (Begründung Punkt 5,Seite 3). Es sei daher nur in aller Kürzeein Zitat angeführt, um zumindest eineder in diesem Zusammenhangweit verbreiteten und hartnäckigenFehlinformationen über die Glaubenslehrender Zeugen Jehovas zuwiderlegen: "Unzutreffend wäre allerdingsdie Schlussfolgerung, allePersonen mit Regierungsgewalt seienHandlanger Satans" (Der Wachtturm,1.11.1997, 16).46 All den nachfolgenden Zitatenmuss natürlich der für die meistenchristlichen Religionsgemeinschaften(Ein markantes Beispiel hierfürist die christliche Natur<strong>recht</strong>slehre(Vgl Strömholm, Kurze Geschichteder abendländischen Rechtsphilosophie(1991) 70 ff). Als das Hauptwerkdes gegenwärtigen katholischen Natur<strong>recht</strong>sgilt noch immer das 1950erstmals erschienene Werk vonMessner, Das Natur<strong>recht</strong> 7 (1984)-so auch im Falle der Bekenntnisgemeinschaftder Zeugen Jehovasbindende"Grundsatz der relativenUnterordnung" vorausgeschickt werden,welcher in der Selbstdarstellungder Zeugen Jehovas in Deutschland,in Religionsgemeinschaft der ZeugenJehovas in Deutschland (Hg), Kurzdarstellungihrer inneren Ordnungund ihrer Wirkungsweise (1994) 49,wie folgt dargestellt wird: "JehovasZeugen gehen davon aus, dass Gott. .. die Autorität von ,obrigkeitlichenGewalten' zugelassen hat, die nachseinem Willen von seinen Anbetern3.1. jehovas Zeugen und der Staat4 6Repräsentativ für Handlungsanweisungenin der Literatur der Zeugen jehovasbetreffend deren Verhältnis zumStaat und ihrer Rechtstreue sind etwadie folgenden Zitate: "jehovas Zeugen[anerkennen] die Notwendigkeit, demGesetz zu gehorchen .... Sie [beteiligen]sich nicht an Protestaktionen, Demonstrationen,politischen Verschwörungenund an Aufständen ... ".47 "GottesGrundsatz für den Umgang mit denRegierungen oder Gewalten auf der Erdeist eindeutig definiert .... [Es] heißtin der Bibel: ,Wer sich daher der Gewaltwidersetzt, hat sich der AnordnungGottes entgegengestellt .. .' ...Stellt sich jemand denn nicht gegenGott, wenn er Bestrebungen indirektoder sogar direkt unterstützt, die diebestehende Regierungsgewalt unmittelbarin Frage stellen?"48 ,,[Man] kannjedes verfügbare <strong>recht</strong>liche und friedlicheMittel nutzen, um sein Recht zubefestigen und zu verteidigen und Befreiungvon Unterdrückung zu suchen.Wenn dies nichts fruchtet, wäre esfalsch, zu zivilem Ungehorsam Zufluchtzu nehmen."49 "Auch Zeugen jehovasleisten häufig einen solchen zivilenDienst, der dem Allgemeinwohl dient... es bringt manchmal diejenigen zumSchweigen, die jehovas Zeugen zu Un<strong>recht</strong>der Ablehnung des Staates beschuldigen."5o"Der gute Bürger erkenntan, dass das Recht einen wichtigenBeitrag zum Wohl des Volkes leistet.Nach besten Kräften unterstützt erPolizisten, Richter und andere gewis-senhafte Beamte bei ihren Bemühungen,für Recht und Ordnung zu sorgen."51,,[Zeugen jehovas] bemühensich, den Gesetzen der irdischen obrigkeitlichenGewalten mustergültig zugehorchen".52 "jehovas Zeugen sinddem Staat gegenüber nicht feindlichgesinnt. Viele von ihnen stehen/standenin seinen Diensten (als Richter,Staatsanwalt, Beamter, Angestellter, Arbeiter),ohne allerdings politische Ämterinnezuhaben. jehovas Zeugen werdenzur Zusammenarbeit mit demStaat und dazu angehalten, dem Gemeinwohlzu dienen."53 "jehovas Zeugengehen davon aus, dass Gott ... dieAutorität von ,obrigkeitlichen Gewalten'zugelassen hat, die nach seinemWillen von seinen Anbetern anzuerkennenund zu respektieren sind. Essind dies die in den Nationen der Erdevon Menschen eingesetzten Regierungenund die anderen' staatlichen Einrichtungen."543.2.jehovas Zeugen, Toleranz undGesellschaftBeispiele für Handlungsanweisungen 55in diesem Bereich: "Welch eine hervorragendeEigenschaft Toleranz doch ist!Bestimmt fühlen wir uns in der Gesellschaftvon Personen wohl, die unsereAnschauungen und Glaubensansichtenrespektieren, selbst wenn diese von ihreneigenen abweichen .... Wo der IntoleranzRaum gegeben wird, kannEngstirnigkeit in Vorurteile ausarten;Vorurteile zu haben bedeutet, eineAversion gegen eine bestimmte Grup-vas in Deutschland, in Religionsgemeinschaftder Zeugen Jehovas inDeutschland (Hg), Kurzdarstellungihrer inneren Ordnung und ihrer Wirkungsweise(1994) 44 ff, welcher vollund ganz auch auf die Situation inÖsterreich Anwendung findet.54 Jehovas Zeugen, Kurzdarstellung41 f. Natürlich wird auch hier im Weiterenauf den "Grundsatz der relativenUnterordnung" Bezug genommen:55 Auch hier gilt natürlich, dasstheologische Lehrsätze nicht beurteiltwerden dürfen; die "Wahrheit"gefunden zu haben, kann außerdemwohl als fundamentales Postulat desReligiösen an sich begriffen werden.Dies als "intolerant" zu kritisieren,würde die grund <strong>recht</strong>liche Garantierungder Religionsfreiheit ad absurdumführen.Seite 120anzuerkennen und zu respektierensind. Es sind dies die in den Nationender Erde von Menschen eingesetztenRegierungen und die anderen staatlichenEinrichtungen. Das ändert jedochnichts am Grundsatz der Bibel,dass Gott für Christen die höchsteAutorität ist." Man kann darin durchauseine dem Wesen des Religiöseninnewohnende natur<strong>recht</strong>liche Tendenzsehen (Vgl Koller, Theorie desRechts (1997) 31 f), welche (wie bereitsausführlich dargelegt wurde)durchaus im Rahmenbau der österreichischenRechtsordnung - auchund insbesondere im Rahmen derhier besprochenen Norm des § 11BekGG - ihren von der Verfassungabgesicherten Platz findet.47 Der Wachtturm, 15. 9.197°, 557 f.48 Erwachet, 8. 9. 1987, 22.49 Erwachet, 8. 9. 1987, 23.50 Der Wachtturm, 1. 5. 1996, 19 f.51 Erwachet, 8. 6. 1979, 10.52 Der Wachtturm, 1. 5.1992,10.53 Dies ist ein Auszug aus derSelbstdarstellung der Zeugen Jehoverla~sterreich<strong>juridikum</strong> 3/01


ec::ht&.ges.eUschaft3.3. Fahnengruß, Nationalhymne undWahlenDie Einstellung der Zeugenjehovas gegenüberdem Fahnengruß bzw des Singensder Nationalhymne kann keinenGrund fUr die Versagung der Anerkennungdarstellen, da ihre Handlungsweisezu keiner Verletzung einer RechtspflichtfUhrt und überdies Obiges bezüglichder theologischen Begründungderselben gilt. Es wird aus einer reinreligiösen Überlegung heraus - welchezu beurteilen der Staat nicht befugt ist- eine Handlung gesetzt, die nicht als"Missachtung" des Staates oder einemangelnde "Ehrerbietung" ihm gegenübermissverstanden werden darf:"Wir grüßen zwar die Fahne keiner Nation,doch das ist kein Zeichen von Respektlosigkeit.Tatsächlich respektierenwir die Fahne des jeweiligen Landes,in dem wir leben, und wir zeigendiesen Respekt dadurch, dass wir denGesetzen des Landes gehorchen. Wirbeteiligen uns niemals an irgendwelchenstaatsfeindlichen Umtrieben ....Wir werden zwar andere nicht davonabhalten, die Fahne zu grüßen, aberwir selbst können aus Gewissensgründenetwas, was wir als Anbetung betrachten,niemand anders darbringenals unserem Gott, jehova. . . . Wirmöchten betonen, dass wir mit unsererWeigerung, die Fahne zu grüßen, nichtbeabsichtigen, eine Missachtung desStaates oder der Regierung zum Ausdruckzu bringen."65Die Haltung der Bekenntnisgemeinschaftzur Teilnahme an staatlichenWahlen beruht auf dem in ihrer religiösenÜberzeugung begründeten Veri,. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .56 Erwachet, 22. 1. 1997, 3 ff.57 Watch Tower Bible and TractSociety, Die Suche der Menschheitnach Gott (1990) 8.58 Watch Tower Bible and TractSociety, Jehovas Zeugen - Menschenaus der Nachbarschaft (1995) 14.59 Erwachet, 22. 2. 1999, 4.60 Der Wachtturm, 15. 2.1988, 7.61 Der Wachtturm, 15. 11.1996, 32.62 Watch Tower Bible and TractSociety, Jehovas Zeugen und dieSchulbildung (1995) 24·63 Alb<strong>recht</strong>, Kirche und Recht 1(1995) 25 (27).64 Weber, Verfassungsbeschwerde29·65 Watch Tower Bible and TractSociety, Jehovas Zeugen und dieSchule (1983) 13 f.66 Nach der Selbstdarstellung derZeugen Jehovas geht es kurz umFolgendes: "Jehovas Zeugen sind -wie die Bibel es gebietet - ,kein Teilder Welt'. Deshalb mischen sie sichnicht in die Politik ein ... Sie bleibenin Bezug auf politische und militärischeHandlungen der vielen Staaten,in denen sie leben christlichneutral ... Dadurch ahmen sie JesusChristus und die ersten Christennach." (Selbstdarstellung 44 ff).67 Wurde doch den Zeugen Jehovasvom Bundesverwaltungsgerichtpe, Rasse oder Religion zu hegen. Dienächste Stufe ist fanatische Borniertheit,die sich durch tödlichen Hassdeutlich zeigt .... Damit wir tolerantsein können, müssen wir ausgeglichensein ..."56. "Wissen fUhrt zum Verständnisund Verständnis zur Toleranzgegenüber Menschen, die anderer Ansichtsind."57 "jehovas Zeugen [überlassenes] jedem Einzelnen zu entscheiden,was er glauben und wie er handelnmöchte."58 "Der Begründer desChristentums, jesus Christus, fördertedurch Wort und Tat die Liebe zu Gottund zum Nächsten, nicht Intoleranzund Fanatismus."59 "Fairness und Aufrichtigkeitsowie treues Verhalten anderengegenüber fOrdern die Ehrlichkeit.Es entsteht ein Klima des gegenseitigenVertrauens, was zu einer vernünftigenEinstellung und zu guten Beziehungenftihrt."60 "Zum Beispiel ratenjehovas Zeugen Eltern, ein häuslichesUmfeld zu schaffen, das dem Lernenförderlich ist. Sie mahnen zur Ehrlichkeitund Gesetzestreue und ermunterndazu, sich Fähigkeiten anzueignenund Eigenschaften zu entwickeln, dievon Arbeitgebern geschätzt werden."61"Uehovas Zeugen] klären ihre Kinderüber die Gefahren des Drogen- und Alkoholmissbrauchsauf sowie über diedes Rauchens .... Sie halten Ehrlichkeitund Fleiß fUr wichtig .... jehovas Zeugenachten darauf, dass ihre Kinder keineschmutzige Sprache sprechen. . . .Außerdem lernen die Kinder, an den biblischenGrundsätzen über die Geschlechtsmoralfestzuhalten, Autoritätspersonenzu respektieren sowie ihrenNächsten und sein Eigentum zuachten."62Weber resümiert unter Bezugnahmeauf Alb<strong>recht</strong>;63 mit Blick auf die - völligparallele - Situation in Deutschland:"Die Zeugen jehovas erkennen dieWerte ,Toleranz, Säkularität, Neutralität,Parität, .. .' und den ,Charakter derBundesrepublik als ZweckgemeinschaftfUr das Zusammenleben unterschiedlichsterGruppierungen auf derBasis gegenseitiger Akzeptanz an."64"in concreto ... die Staatsloyalität... allein wegen ihrer prinzipiellenAblehnung der Teilnahme an staatlichenWahlen verneint." (Weber,Verfassungsbeschwerde 39).68 Bei richtiger Betrachtung istdurch diese natürlich nicht lediglichdas Vorhandensein einer bestimmtenreligiösen, weltanschaulichenoder Gewissensüberzeugung geschützt- diese werden ja von derRechtsordnung vorausgesetzt-,sondern die Umsetzung der Gewissensüberzeugungin die Tat. (Siehein diesem Zusammenhang Brünner,Gewissensfreiheit und Militärdienstaus verfassungs<strong>recht</strong>licher Sicht, inständnis von "christlicher Neutralität"gegenüber dem Staat. 66 Zur Beurteilungdieses in Deutschland wie hier brisanten67 Aspektes sei an den unter 2.4.referierten Telos der gesetzlichen Anerkennungerinnert: Das Paradox einer"größeren Freiheit durch engere Bindung"wäre außerdem vor dem Hintergrunddes oben erwähnten "Grundsatzesder relativen Unterordnung" verfassungs<strong>recht</strong>lichunhaltbar. Selbstwenn man davon ausgeht, dass es sichum die Ablehnung einer Wahl"pflicht"im eigentlichen Sinne aus religiösenMotiven handelt, müsste eine AbwägungiSd Verhältnismäßigkeitsprüfungerfolgen, wobei besonders auf der Prüfungsstufeder Adäquanz ein sehrstrenger Prüfungsmaßstab anzulegenwäre, da die Bedeutung und das Gewichtder Religionsfreiheit 68 auf derWaagschale der VerhältnismäßigkeitieS entsprechend berücksichtigt werdenmüssten. Eine Verpflichtung zurTeilnahme an politischen Wahlen unter"Vergewaltigung" des religiös geschultenGewissens eines Gläubigenschiene jedenfalls äußerst bedenklich.Tatsächlich sind solche Überlegungenaber gar nicht notwendig. Vongrundlegender Bedeutung in diesemKonnex ist nämlich der Weg, den bereits1972 die EMRK einschlug 69 : Einereligiös motivierte Weigerung der Teilnahmean staatlichen Wahlen sei beieiner verfassungskonformen Interpretationder Wahlpflicht völlig problemlos.70Die MRK und ihre ZP haben inÖsterreich den Rang eines Bundesverfassungsgesetzesund sind in ihrengrund<strong>recht</strong>lichen Bestimmungen unmittelbaranwendbar;71 dennoch ist dieMRK als völker<strong>recht</strong>licher Vertrag nachden völker<strong>recht</strong>lichen Auslegungsregeln- und nicht nach nationalen Interpretationsmaximen- zu interpretieren;dabei ist auch die Auslegungspra-Kohlhofer (Hg), Gewissensfreiheitund Militärdienst (2000) 41 (46 ff);VfGH 17. 12. 1998, B 3028/97; Orlner,Staat und Religion 133).69 Siehe Entscheidung der EuropäischenKommission für Menschen<strong>recht</strong>evom 22. März 1972.70 Vgl die Zitate aus der oben erwähntenEntscheidung von Jahoda,Wahlpflicht 337.71 Siehe BVG vom 4. 3. 1964, BGBINr 59, mit dem dies authentischklargestellt wurde.<strong>juridikum</strong> 3/01verla~sterreiChSeite 121


echt & <strong>gesellschaft</strong>xis der Konventionsorgane heranzuziehen.72 Diese leiten nun aber aus denGarantien der Art 9 MRK und Art 3 1.ZP zur MRK folgende Schlussfolgerungenab: Die grund<strong>recht</strong>lichen Verbürgungender EMRK erlauben eine "Wahlpflicht"im äußersten Fall in dem Sinneeiner bloßen Verpflichtung, am Wahltagdie Wahlzelle zu beschreitenP Einedarüber hinausgehende Pflicht,dann auch tatsächlich eine der zur Auswahlangebotenen Parteien bzw Personenzu wählen, ist jedoch ausgeschlossen.Das faktische Wahlverhalten einesIndividuums in der Wahlzelle ist jeglicherKenntnisnahme und natürlich Beurteilungdurch den Staat entzogen;dies gilt auch und insbesondere flir Fälle,in welchen dieses Verhalten einerreligiös motivierten Gewissensentscheidungentspringt. Die religiös motivierteHaltung der Zeugen Jehovasgegenüber staatlichen Wahlen ist vordiesem Hintergrund <strong>recht</strong>lich völlig unproblematischund stellt auf keinenFall eine Grundlage dar, eine "positiveGrundeinsteIlung" gegenüber demStaat zu verneinen..........................................72 Neuhold/Hummer/Schreuer,Österreichisches Handbuch des Völker<strong>recht</strong>sRz 1394, 1437 ff.73 Eine lege artis vorgenommeneInterpretation der Wahlpflicht inÖsterreich iSd 9 MRK zwinge zu folgendemErgebnis: "Toutefois, laCommission fait observer queI'obligation dont se plaint le requerantne vi se que le vote, c'est-a-direle fait de se presenter aux urnes,mais contrairement ace que pretendle requerant, I'electeur n'est pas ,obligede faire taire la voix de sa conscienceet de choisir I'un des deux can-didats indiques sur le bulletin devote officiel'. En effet, I'electeurpeut, apres s'etre presente, soit deposerun bulletin blanc, soit rendreson bulletin non valable." Zum selbenErgebnis führe eine Auslegungim Lichte des Art 31. ZP: "Toutefois,a supposer meme que cette dispositionsoit d'application en I'espece,les motifs indiques ci-dessus demontrentque le requerant n'a pasete contraint de choisir entre I'unou I'autre candidat figurant sur lebulletin."SchlussfolgerungenDem vom BVerfG postulierten Verbotüberzogener Anforderungen flir die Erlangungdes öffentlich-<strong>recht</strong>lichen Statusvon Religionsgemeinschaften istauch mit Blick auf die österreichischeSituation beizupflichten. Die zusätzlichenVoraussetzungen flir die gesetzlicheAnerkennung in § 11 BekGG dürfennicht zu einer unge<strong>recht</strong>fertigten Prolongationder jahrzehntelangen Odysseevieler Glaubensgemeinschaften inihrem "Kampf ums Recht" Ohering) flihren.Bei einem verfassungskonformenVerständnis der von Abs 1 Z 4 geforderten"positiven GrundeinsteIlung gegenüberStaat und Gesellschaft" dürftedieses Postulat in den allermeisten Fällen- so auch bei der Bekenntnisgemeinschaftder Zeugen Jehovas - zumindestnicht an diesem Kriteriumscheitern.Mag. Helmut Ortner absolviertmomentan seinen Zivildienst.1. Allgemeines zu Staat undReligion2. Grund<strong>recht</strong>sgarantien3. Das Bundesgesetz über dieRechtspersönlichkeit religiöserBekenntnisgemeinschaften4. Bekenntnisgemeinschaften imstaatskirchen<strong>recht</strong>lichenSystem der Bundesverfassung5. Rechtsstellung von Religionsgemeinschaftenin Deutschland6. Jehovas Zeugen in Österreich7. Vom Anerkennungsantrag zurEintragung - und wieder zurück8. Religionsinterne Auswirkungender Eintragung9. Jehovas Zeugen und dieMedizin10. Religion im Familien<strong>recht</strong>11. Jehovas Zeugen und der Staat12. Im Anhang: Selbstdarstellungund Statuten der ZeugenJehovas290 Seiten, br., ÖS 399,05/€ 29,3-7046-1733-4Verla~sterreichvormals Verlag derk. u. k. Hof- und StaatsdruckereyVerlag Österreich GmbH, 1037 Wien,Rennweg 16Tel.: 01-610 77-315, Fax: 01-610 77-589,e-mail: order@verlagoesterreich.al.www.verlagoesterreich.atSeite 122verlaJ>sterreich <strong>juridikum</strong> 3/01


Zur öffentlich-<strong>recht</strong>lichenStellung von ReligionsgemeinschaftenBrigitteSchinkele1. EinleitungEine wesentliche Rechtsfolge der gesetzlichenAnerkennung als Kircheoder Religions<strong>gesellschaft</strong> (KoR) bestehtin der Erlangung der öffentlich-<strong>recht</strong>lichenStellung. Diese ist imBegriff der gesetzlichen Anerkennunggemäß Art 15 StGG impliziert, wonachjede gesetzlich anerkannte Kirche undReligions<strong>gesellschaft</strong> das Recht der gemeinsamenöffentlichen Religionsausübunghat, ihre inneren Angelegenheitenselbständig ordnet und verwaltet,... aber, wie jede Gesellschaft, den allgemeinenStaatsgesetzen unterworfenist. In Art 11 Konkordat 1933/34 und in§ 1 Abs 2 I ProtestantenG 1961 ist dieöffentlich-<strong>recht</strong>liche Stellung auf einfachgesetzlicherEbene ausdrücklichpositiviert.Die anerkannten Religionsgemeinschaftenweisen jedoch jene Merkmalenicht auf, die typischerweise Körperschaftenöffentlichen Rechts im verwaltungs<strong>recht</strong>s-technischenSinn charakterisieren,1 sodass sie als Körperschaftenöffentlichen Rechts sui generis bezeichnetwerden.Vor diesem Hintergrund drängt sichdie Frage auf, was Wesen und Inhaltder öffentlich-<strong>recht</strong>lichen Stellung vonReligionsgemeinschaften heute ausmacht.Dabei ist stets mitzudenken,dass es sich beim Staatskirchen- bzwReligions<strong>recht</strong> einerseits in besonderemMaße um historisch gewachseneStrukturen handelt, das Verhältnis desStaates zu den Religionsgemeinschaftenandererseits aber vielfältigenWandlungen unterworfen ist.2. Grundsätzliche ProblemstellungSeit dem StGG 1867 haben sich aufmehreren Ebenen grundsätzliche Veränderungenvollzogen, die ihrerseitsRückwirkungen auf den Gehalt der öffentlich-<strong>recht</strong>lichenStellung von Religionsgemeinschaftenmit sich gebrachthaben. Der die öffentlich-<strong>recht</strong>licheStellung der KuR implizierendeArt 15 StGG entstammt einer vergangenenVerfassungswirklichkeit, die ihrerseitsnur aus dem historischen Kontextverständlich wird. Die im StGGenthaltenen religions<strong>recht</strong>lichen Gewährleistungenhaben nicht nur durchden StVStGermain und die EMRK wesentlicheErgänzungen bzw Konkretisierungenerfahren, auch Grund<strong>recht</strong>sverständnisund grund<strong>recht</strong>sdogmatischerZugang haben sich gewandelt.Insgesamt betrachtet ist dieser Prozesskeinesfalls als abgeschlossen zubezeichnen, er hat vielmehr durch diejüngsten Entwicklungen neue Impulseerfahren, welche die Notwendigkeiteiner aktuellen Neubestimmung unterstreichen.Unter historischem Blickwinkel istvor allem zu betonen, dass die Zeit derEntstehung des StGG durch ein staatskirchenhoheitlichesSystem gekennzeichnetwar, das in den folgenden Jahrennoch eine Verstärkung erfuhr,nachdem die Liberalen ihr ursprünglichvertretenes moderates Trennungskonzeptaufgegeben hatten. Dementsprechendwurde der Bereich der "innerenAngelegenheiten" ausgehend von einerKompetenz-Kompetenz des Staatesim Sinn einer staatskirchenhoheitliehenAufsicht über die Kirche als dervom souveränen Staat freigegebeneBereich autonomen Handeins verstanden.2 Konsequenter Weise wurde dieöffentlich-<strong>recht</strong>liche Stellung als dasprobateste Mittel angesehen, staatlicheAufsicht und Kontrolle über die Religionsgemeinschaftenauszuüben, diegerade nicht in die "Privatheit" entlassenwerden sollten, die mit einer Konstituierungnach dem VereinsG verbundengewesen wäre. 3Es darf nicht übersehen werden,dass diese Einordnung in der 2. Hälftedes 19. Jh bereits das Ergebnis einesersten Transformationsprozesses war.Corpora pub/ica waren Ausformungender staatlichen Gewalt, sie entstandennach dem Vorbild des protestantischenLandeskirchenturns und waren dadurchgekennzeichnet, dass sie durchdie höchste Gewalt im Staat konstituiertwurden. Die Kirchen wurden sozum Prototyp der Körperschaft des öffentlichenRechts, was schon früh dieAmbivalenz des neuzeitlichen "Staatskirchen<strong>recht</strong>s"a.ufbrechen ließ. In dermit dieser Einordnung verbundenenBesonderung der Kirchen war einerseitsdie zunehmende Einsicht in dieInkommensurabilität des Religiösenmit den Staatszwecken des einem Säkularisierungsprozessunterliegendenneuzeitlichen Staates verbunden. Andererseitsjedoch begann dieser Staatzunehmend alle Lebensbereiche zu erfassen,sodass die dabei entstehendestaatliche Aufgabenftille laufend neueZuordnungs- und Abgrenzungsproblemezu den Religionsgemeinschaften inihren vielfältigen <strong>gesellschaft</strong>lichenFunktionen schuf. Auf diese Weise verursachtendie neuzeitlichen Modernisierungsprozesseein immer komplexerwerdendes Geflecht von Distanzund Nähe im Verhältnis von Staat undReligionsgemeinschaften, über das inÖsterreich - wie etwa auch in Deutschlandund den meisten Schweizer Kantonen- die juristische Konstruktionder öffentlich-<strong>recht</strong>lichen juristischenPerson gestülpt worden ist.1 So werden sie insbesondere nichtvom Staat errichtet, sondern stellen"präpositive" Einrichtungen dar; siehaben "wesensmäßig" keinen Anteilan der staatlichen öffentlichen Verwaltung,und im HinblickaufdasAustritts<strong>recht</strong> kann auch nurvon einer,komplementär zum Ausschließlichkeits<strong>recht</strong>derKuR bestehendenrelativen gesetzlichen Zwangsmitgliedschaftgesprochen werden. Eskommt ihnen keine Dienstherrnfähigkeit(Befugnis, Dienstverhältnisseöffentlich-<strong>recht</strong>licher Natur zu begründen)zu wie in Deutschland, undauch die Kirchenbeitragsregelungnach dem KirchenbeitragsG 1939 istnicht typisch für Beitragsleistungenan öffentlich-<strong>recht</strong>liche Körperschaften,da Kirchenbeiträge wieVereinsbeiträge im Zivil <strong>recht</strong>sweggeltend zu machen sind.2 Demgegenüber wird heute dasWesen der KuR nach deren Selbstverständnisbestimmt. Vgl insbesVfSlg 3657/1959, 11.57511987,11.931/1988.3 Vgl den Motiven bericht zum Katholikengesetz1874, in Die konfessionellenGesetze vom 7. und 20.Mai 1874 mit Materialien und Anmerkungen,hrsg von Gautsch vonFrankenthurn, Wien 1874.<strong>juridikum</strong> 3/01verlaJ:>sterreichSeite 123


echt & <strong>gesellschaft</strong>In der nach dem zweiten Weltkriegaufbrechenden Diskussion über dieGrenzen staatlicher Allmacht stand dieFrage nach einem "Öffentlichkeitsauftrag"der Religionsgemeinschaften mitim Zentrum. 4 Die von RudolfSmend seit1951 angeregte Diskussion um den Begriffder "Öffentlichkeit" war zunächstnoch von einem etatistischen Verständnisgeprägt, da dieser "zur Bezeichnungdes eigentlichsten aufgegebenenWesens moderner Staatlichkeitdiene"5.In den Sechzigerjahren zeichnetesich eine Wendung von einem staats<strong>recht</strong>lichenzu einem politologisch-sozialempirischenBegriff von Öffentlichkeitab. Eine Konsequenz dieses"Strukturwandels der Öffentlichkeit"6war mittelfristig die Entfaltung der Zivil<strong>gesellschaft</strong>.Folgerichtig wird dievon der Zivil<strong>gesellschaft</strong> konstituierteÖffentlichkeit immer mehr zu einemGegenstand des <strong>recht</strong>swissenschaftlichenDiskurses. Vor diesem Hintergrundhat nun eine Neubestimmungder öffentlich-<strong>recht</strong>lichen Stellung vonReligionsgemeinschaften zu erfolgen,wobei als weitere Komponente die inder zweiten Hälfte des 20. jh europaweitmit dem Entstehen "Neuer religiöserBewegungen" eingetretene Veränderungder religiösen Landschaft hinzukommt.Dieser Prozess einer Transformationdes Religiösen verbunden mit einerzunehmenden Pluralisierung und Fragmentierunghat zur Folge, dass bewährtestaatskirchen<strong>recht</strong>liche Institutemit neuen Inhalten erftillt werden.Dadurch wird das staatliche Religions<strong>recht</strong>,hervorgegangen aus einem vonjüdisch-christlicher Tradition geprägtenReligionsverständnis, vor neueHerausforderungen gestellt. Nicht zuletztdadurch ist gerade in den letztenjahren der Bereich des Anerkennungs<strong>recht</strong>sdurch eine beachtliche Dynamikgekennzeichnet; dies sowohl was dieRechtsprechung 7 betrifft, als auch imBereich der Gesetzgebung. Damit ist inerster Linie das als lex fugitiva zumAnerkennungsG 1874 ergangene Gesetzüber die Rechtspersönlichkeit vonreligiösen Bekenntnisgemeinschaften(BekGG) angesprochen. Durch dieseZäsur im österreichischen Religions<strong>recht</strong>hat die grundsätzlich notwendigeNeubestimmung der öffentlich<strong>recht</strong>lichenStellung von Religionsgemeinschaftenan Aktualität und Brisanzgewonnen. 83. Neubestimmung deröffentlich-<strong>recht</strong>lichen StellungDas Verhältnis zwischen Staat und Religionsgemeinschaftenist heute ausgehendvon einer institutionellen Trennungvom Grundsatz der Koordinationgeprägt. Dieser findet in einem Systemseinen Niederschlag, bei welchem dasHerstellen eines möglichst weit gehendenEinverständnisses unter den Betroffenenbei grundsätzlicher Berücksichtigungihres jeweiligen Selbstverständnissesim Mittelpunkt steht. 9 Indiesem Sinn erscheint die Kultuspolitikdes 19. jh mit dem gegenwärtigen religions<strong>recht</strong>lichenSystem und den heutigenGegebenheiten völlig inkompatibel.Ein statisches Normenverständnisscheidet daher strukturell aus, um dasgegenwärtige religions<strong>recht</strong>liche Systemadäquat zu erfassen.Die notwendige Neubestimmungdes Verhältnisses zwischen Staat undReligionsgemeinschaften hat daherausgehend vom umfassenden Grund<strong>recht</strong>der Religions- und Weltanschauungsfreiheitaus der Gesamtordnungdes pluralistisch-demokratischen Gemeinwesenszu erfolgen. Dies schließteine grundsätzliche Hinterfragung sowieeine aktuelle Legitimierung des öffentlich-<strong>recht</strong>lichenStatus von KuR mitein. Im Rahmen dieses Beitrages kanndas keinesfalls in umfassender Weisegeschehen, es können nur einige wichtige Gesichtspunkte kurz angerissenwerden. Dabei werden im Hinblick aufdie aktuelle Diskussion im Zusammenhangmit jehovas Zeugen einzelne Bezügezu dieser Glaubensgemeinschafthergestellt.3.1. Religiöse Neutralität, Parität undToleranz als VerfassungsprinzipienReligiöse Neutralität ist das unbestrittenezentrale religions<strong>recht</strong>liche Verfassungsprinzip.Entscheidend ist dabeijedoch, dass aus dem Grundsatzder religiösen Neutralität des Staatesnicht eine Ausgrenzung von Religionund Weltanschauung im Sinne des ldassischenTrennungsgedankens - wie eretwa der französischen Gesetzgebungvon 1905 ursprünglich zugrunde lag -abzuleiten ist. Es ist vielmehr ein entsprechender<strong>recht</strong>licher Rahmen ftirdie pluralistische Hereinnahme von Religionin den - nicht mit staatlichen Institutionenidentifizierten - öffentlichenRaum bereitzustellen.Der Staat, der neue Beziehungenmitbestimmungsorientierter Planung,Regulierung und Förderung mit denverschiedenen Kräften der Zivil<strong>gesellschaft</strong>eingeht, kann die Religionsgemeinschaftendavon nicht ausschließen.Er kann - im Sinn eines pluralistisch-freiheitlichenSelbstverständnisses- unter Berufung auf Säkularität 10das <strong>gesellschaft</strong>liche Wirken der Kirchennicht zurückweisen. Eine Zurückdrängungvon Religion im Hinblick aufdie Aufgabenftille des modernen Staatesund die damit verbundene staatlicheMitorganisation umfassender <strong>gesellschaft</strong>licherInteressen brächte einemassive Benachteiligung religiöser Interessenund damit letztlich eine Verkürzungder Freiheit des Bürgers im religiös-weltanschaulichenBereich mitsich. Andererseits ist aber auch jedeSonderstellung der KuR unter dem Gesichtspunkteiner allfälligen Privilegierungzu hinterfragen, anhand der4 Zum Öffentlichkeitsauftrag vglunten 111.4 mit FN 13 sowie Potz,Öffentlichkeits<strong>recht</strong> - Verbandstätigkeit- Öffentlichkeitsauftrag,Convivium utriusque iuris, FS Dordett,hrsg von Scheuermann/Wei­/er/Wink/er, Wien 1976, 353 ff.5 Smend, Staat und Kirche nachdem Bonner Grundgesetz, ZevKR1951,4 f.6 Habermas, Strukturwandel der Öffentlichkeit,Frankfurt/Main 1962,Neuauflage 1990.7 Es sei nur auf die viele Jahre herrschendewidersprüchliche Judikaturder Gerichtshöfe öffentlichen Rechtssowie auf die im Jahre 1997 erfolgtegrundlegende Änderung der Rechtsauffassungdes VwGH verwiesen.Näheres dazu bei Ka/b/Potz/Schinke­Je, Religionsgemeinschaften<strong>recht</strong>.Eintragung und Anerkennung, Wien1998,69 ff.8 Näheres zum BekGG (BGBII1998/19) ebda 19 ff, 40 ff, 108 ff.9 Camp/, Österreichisches Staatskirchen<strong>recht</strong>,Wien - New York 1972,53 ff spricht von einem "Konkordanzsystem."10 Camp/ (FN 9) 13 ffversteht dasPrinzip der Säkularität des Staatesals Staats- oder Verfassungsfundamentalnorm,deren Abänderung einerTotaländerung der Verfassunggleichkäme, mit den in Art 44 Abs 2B-VG normierten Konsequenzen.Eine solche Überhöhung dieses Prinzipsbirgt jedoch die Gefahr in sich,religiös-weltanschauliche Argumenteaus dem öffentlichen Diskurs zuverdrängen. Demgegenüber ist derStaat jedoch aufgrund der freiheitlich-pluralistischenGesellschaftsordnungverpflichtet, derartigen Argumentenentsprechend Raum zugeben.Seite 124 verla~sterreich <strong>juridikum</strong> 3/01


grund<strong>recht</strong>lichen Gewährleistungen,insbesondere auch des Gleichheitssatzes,zu überprüfen.Gemäß diesem Verständnis darf derStaat die Besonderheiten der Religionsbezügeweder ignorieren nochsich damit identifizieren. Die Verpflichtungdes Staates zu religiös-weltanschaulicherNeutralität darf also nichtim Sinne eines Indifferentismus missverstandenwerden. Obwohl eine institutionelleLösung von Staat und Kirchestattgefunden hat, wurde religiöseNeutralität nicht durch Privatisierungreligiöser Aktivität verwirklicht, sondernin hereinnehmender Weise durchdie Zuerkennung einer der religiös-weltanschaulichenSphäre adäquatenRechtsposition für die Religionsgemeinschaften.In ihrer distanzierendenForm als Ausgrenzung von Religionverwirklicht sich die konfessionelleNeutralität in jenen Bereichen, in denender Staat in ursprünglicher, nichtauswechselbarer Hoheitsfunktion tätigwird und der Bürger ohne Ansehungder Religion oder Weltanschauung erfasstwird.". . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .11 Vgl Kalb/Potz/Schinkele, DasKreuz in Klassenzimmer und Gerichtssaal,Freistadt '996,50 ff.12 Vgl Patz, Religionsfreiheit an derWende zum Dritten Jahrtausend, in:Pax et Justitia, FS-Kostelecky, hrsg3.2. Umfassendes Menschen<strong>recht</strong> aufReligionsfreiheitIm mitteleuropäischen Staatskirchen<strong>recht</strong>dominierten bis ins 20. Jh dieden Kirchen korporativ gewährtenGrund<strong>recht</strong>e, die allerdings - wie bereitserwähnt - mit staatlichen Aufsichts<strong>recht</strong>enim Rahmen des Systemsder Staatskirchenhoheit verbundenwaren. Nach dem 2. Weltkrieg trat mitder Entwicklung der Menschen<strong>recht</strong>sideedie Religionsfreiheit als individuellesGrund<strong>recht</strong> in den Mittelpunkt.Das Verhältnis von Staat und Kirchewird damit nicht mehr von staatlicherToleranz, politischem Ausgleich zwischeninstitutionellen Größen oderüberkommener Privilegierung, sonderndurch die Garantie eines zentralenumfassenden Menschen<strong>recht</strong>s geprägt.12 Es gilt nun, eine Zusammenschauder gewachsenen institutionellenGarantien für Religionsgemeinschaftenmit den Menschen<strong>recht</strong>sgarantienvorzunehmen und die öffentlich-<strong>recht</strong>licheStellung von Religionsgemeinschaftendaher auf ihre Kongruenzmit der unterschiedslosen Gewährleistungvon Religionsfreiheit alsIndividual<strong>recht</strong> zu überprüfen. Dassdiese Vereinbarkeit prinzipiell alsmöglich angesehen werden kann, wirdauch unter Einbeziehung einer europäischenPerspektive bestätigt. Sämtlichein Europa verwirklichten religions<strong>recht</strong>lichenSysteme - von den staatskirehlichenSystemen bis hin zu einerstrikten Trennung im Sinn einer Laizität- werden mit dem in Art 9 EMRKverbürgten umfassenden Grund<strong>recht</strong>auf Religionsfreiheit als grundsätzlichvereinbar angesehen. Angesichts deszentralen Stellenwerts der Religionsfreiheitverliert das jeweilige religions<strong>recht</strong>licheSystem an Bedeutung.Gleichzeitig ist in zunehmendem Maßeine Konvergenz zwischen den verschiedenenSystemen festzustellen miteiner Tendenz zur Entstaatlichung vonStaatskirchen einerseits und einer Entwicklungin Richtung Kooperation inden Staaten mit strikter Trennung andererseits.3.3. Wesensgehalt deröffentlich-<strong>recht</strong>lichen StellungWährend die öffentlich-<strong>recht</strong>liche SteIlungder KuR im Jahre 1867 als Mittelangesehen wurde, staatlichen Einflussauszuüben, liegt ihre Bedeutung heutevor allem in der darin zum Ausdruckkommenden staatlichen Anerkennungihres öffentlichen Wirkens sowie inder KlarsteIlung, den religiös-weltanschaulichenBereich nicht in das Privateabdrängen zu wollen, und nicht primärin der positiv-<strong>recht</strong>lichen Zuerkennungbestimmter Befugnisse. Mitder öffentlich-<strong>recht</strong>lichen Stellung istnach dem kirchlichen Selbstverständnisauch ein Auftrag zu öffentlichem<strong>gesellschaft</strong>lichem Wirken verbunden,wobei heute auch eine breite politischeAkzeptanz besteht, dass KuR einewichtige <strong>gesellschaft</strong>liche Funktionausüben,uEs werden allerdings nach wie vorin vielen Rechtsbereichen - entsprechenddem lange Zeit herrschenden AIles-oder-Nichts-Prinzipim österreichischenStaatskirchen<strong>recht</strong>'4 - an das An-<strong>recht</strong>lich-demokratische Ordnungzugebilligt.14 Näheres siehe Kalb/Potz/Schinkele, (FN 7) '9 ff.15 Vgl aus jüngster Zeit Robbers,Sinn und Zweck des Körperschafts-erkanntsein Rechtsfolgen geknüpft,die sich teilweise als Ausfluss dergrund<strong>recht</strong>lichen Gewährleistungendarstellen. Darin liegt ein grundsätzlichesProblem des österreichischen Religions<strong>recht</strong>s,das durch das BekGGnicht ausgeräumt wurde. Dieses stelltlediglich eine systemimmanente Korrekturdar, welche die notwendigeNeukonzeption nur in Ansätzen enthältund dadurch viele Probleme weiterbestehen lässt bzw neue schafft.Mit Blick auf den Wesensgehalt deröffentlich-<strong>recht</strong>lichen Stellung ist dasbesondere Augenmerk auf die in § 11Abs 1 Z 4 BekGG als zusätzliche Anerkennungsvoraussetzunggenannte "positiveGrundeinsteIlung gegenüber Gesellschaftund Staat" zu legen. Mit demin den Erläuterungen erfolgenden Hinweisauf die prinzipielle Konformitätmit dem <strong>gesellschaft</strong>lichen Grundkonsensund den Menschen<strong>recht</strong>en werdenzwei große Themen der gegenwärtigenStaats- und Rechtsphilosophieangerissen. Da das kirchliche Selbstbestimmungs<strong>recht</strong>oftmals eine Herausforderungrur den <strong>gesellschaft</strong>lichenGrundkonsens darstellt und in seinerspezifischen Eigenart als Lebensformgarantieauch in Widerspruch zu anderenGrund<strong>recht</strong>en geraten kann, handeltes sich hier um einen sehr komplexenProblembereich.Mit der in Z 4 enthaltenen Wortfolgesind im Wesentlichen jene Kriterienangesprochen, die unter den Begriffen"Rechtstreue" und "Staatsloyalität" als"ungeschriebene" Anerkennungsvoraussetzungenin Deutschland in Bezugauf die Bestimmung in Art 140 GG iVmArt 137 Abs 5 WRV diskutiert werden.'5Diesen Kriterien wird daher imGegensatz zur schematisch überprüfbarenBestandsdauer und Mitgliederzahp6als Maßstab für die Verleihungdes Körperschaftsstatus in Hinkunftbesondere Bedeutung zukommen. Andem damit angesprochenen "qualitativenGesamtzustand" wird der spezifischeWesensgehalt der öffentlich-<strong>recht</strong>lichenStellung von KuR inerster Linie zu messen sein. Hier liegtder Anknüpfungspunkt für den Staat,sein Selbstverständnis einzubringenstatus im Staatskirchen<strong>recht</strong>, FSHeckel (70), hrsg von Kästner/Nörr/Schlaich, Tübingen '999, insbes4'9 ff.16 Vgl § " Abs, Z, und 2 BekGG.von Kaluza/Klecatsky/Köck/Paarhammer,Wien '99°, 255 ff.13 Anders als in der deutschenStaats<strong>recht</strong>slehre nach dem ZweitenWeltkrieg wurde ihnen jedochkein "Wächteramt" über die grund<strong>juridikum</strong>3/01verla~sterreichSeite 125


echt & <strong>gesellschaft</strong>und im Sinne des "Konkordanzsystems"mit dem Selbstverständnis derjeweiligen Religionsgemeinschaft zueinem Ausgleich zu bringen. Obwohlnunmehr ausdrücklich positiviert, wareine "positive GrundeinsteIlung gegenüberStaat und Gesellschaft" allerdingsbereits im AnerkennungsG 1874 implizitenthalten, wenn es dort heißt, dassGlaubenslehre, Verfassung und Gottesdienstnichts Gesetzwidriges oder sittlichAnstößiges enthalten dürfen.Vorweg ist jedoch zu betonen, dassdie in § 11 Abs 1 Z 2 BekGG geforderteMitgliederzahl von 2 vT der Wohnbevölkerungnahezu auf eine De{acto-Abschaffungdieses Rechtsinstituts pro futurohinausläuft. 17 Bei Jehovas Zeugenhandelt es sich um die einzige Religionsgemeinschaft,die von ihrer Mitgliederzahlher ftir eine Anerkennung inBetracht gezogen werden kann. 1uIm freiheitlich-pluralistischen Staatist das Religions<strong>recht</strong> zu einem "säkularenRahmen<strong>recht</strong>" (Martin Hecke/) geworden.Mit dem Rechtsinstitut dergesetzlichen Anerkennung tritt derStaat einem Säkularisierungsprozessentgegen; er zieht damit eine sinnvolle,aber nicht notwendige Konsequenzaus der öffentlichen Bedeutung vonReligionsgemeinschaften. Dabei erfasstder Staat die Religionsgemeinschaftenin einem Status der Zuordnungund der Distanz, was eine gewisseAmbivalenz impliziert. Wenn dasBVerfG1g ausftihrt, dass der "Status einerKörperschaft des öffentlichenRechts ... die Eigenständigkeit undUnabhängigkeit der Kirche vom Staat... bekräftigen" soll, so ist damit einesehr wichtige Dimension dieserRechtsstellung angesprochen. Darinerschöpft sie sich jedoch nicht, es istauch die Dimension eines gewissenNäherrückens mitumfasst. Beim Körperschaftsstatusgeht es um die "Distanzund Nähe einschließende <strong>recht</strong>eVerhältnisbestimmung zwischen Staatund Religionsgemeinschaften."2o Magdie Beschreibung von Kirchhof, der von"einem <strong>recht</strong>lichen Band zwischenStaat und Kirche" spricht,21 auch aufösterreich ische Gegebenheiten nichtuneingeschränkt übertragbar sein, sowird durch die öffentlich-<strong>recht</strong>licheStellung doch ein Aufeinanderbezogenseinvon Staat und Religionsgemeinschaftenunterstrichen.Mit der gesetzlichen Anerkennungergeht an die Religionsgemeinschaftenein Angebot zu Kooperation, zu partnerschaftlicherKoordination, von demdie Religionsgemeinschaften entsprechendihrem Selbstverständnis Gebrauchmachen. Wenn dieses Selbstverständnisallerdings so geartet ist,dass dieses Angebot entweder überhauptnicht oder nur ganz vereinzeltaufgegriffen wird, dann kommt es zueiner Aushöhlung der öffentlich-<strong>recht</strong>lichenStellung. Damit würde diesesRechtsinstitut sinnentleert und entbehrtejeder Legitimierung. Ein Festhaltendaran setzt vielmehr voraus,dass die Religionsgemeinschaften bereitsind, die im Rechtsakt der Anerkennungimplizit enthaltenen "institutionalisiertenVerfassungserwartungen"22des Staates, die in seiner Gemeinwohlverantwortunggründen, inirgendeiner Form zu erftillen. Um seinemKultur- und Sozialauftrag nachkommenzu können, geht der Staatvielfaltige Verbindungen mit den verschiedenen<strong>gesellschaft</strong>lich relevantenKräften ein, wozu eben auch die Religionsgemeinschaftengehören.Unter Zugrundelegung eines solchenVerständnisses bedeutet die öffentlich-<strong>recht</strong>licheStellung von Religionsgemeinschaftendann in ihremKerngehalt nicht so sehr eine Hervorhebungder religiösen Dimension, sonderndie Anerkennung ihrer Bereitschaftzur Kooperation und damitauch zur Mitgestaltung am staatlichenKultur- und Sozialauftrag, unter strikterBeachtung institutioneller Trennung.Dabei geht es dann aus staatlicherSicht nicht um "kirchliche Aufgaben",sondern um die Erftillung von "öffentlichenAufgaben", mögen diese nachdem Selbstverständnis der jeweiligenReligionsgemeinschaft auch zu derenureigenstem Proprium gehören undsomit eine wichtige Lebens- und Wesensäußerungdieser Religionsgemeinschaftdarstellen. Öffentlich-<strong>recht</strong>licheStellung kann sich dann aber nicht ineiner Akzeptanz des pluralistischenSystems und in geübter Toleranz erschöpfen,das Religiöse muss vielmehrirgendwelche Ausstrahlungswirkungenin den weltlichen Bereich hinein nachsich ziehen. Dies reicht von einemethischen Mandat, über den BildungsundErziehungsbereich sowie vielfaltigekaritative Aufgaben bis hin zurDenkmalpflege.Voraussetzung ftir ein solches Verständnisder öffentlich-<strong>recht</strong>lichenStellung sui generis von Religionsgemeinschaftenist allerdings, dass alldas, was unmittelbar aus den grund<strong>recht</strong>lichenGewährleistungen folgt,auch den eingetragenen Bekenntnisgemeinschaftenzu garantieren ist undnicht exklusiv KuR vorbehalten werdendarf. Öffentlich-<strong>recht</strong>liche Stellung bedeutetdann eine "Hervorhebung ausdem verfassungs<strong>recht</strong>lichen Grundstatus"(Hollerbach).Gemäß § 5 Abs 1 Z 1 BekGG hat alsVoraussetzung ftir die Eintragung einebesondere Prüfung der Bekenntnisgemeinschaftim Hinblick auf ihre Lehreund deren Anwendung zu erfolgen unterausdrücklichem Hinweis auf die inArt 9 Abs 2 EMRK enthaltene Schrankenregelung.Ergeben sich unter Beachtung desdamit vorgegebenen Maßstabes keineGefahrdungen, wird man wohl in allerRegel auch davon ausgehen können,dass eine weitgehend positive Grundeinstellunggegenüber Gesellschaftund Staat vorliegt. Wenn aber eine solcheGrundeinsteIlung in § 11 Abs 1 Z 4leg cit expressis verbis als Anerkennungsvoraussetzungnormiert wird,dann muss damit etwas angesprochensein, das über den auch in Bezug aufBekenntnisgemeinschaften gefordertenStandard hinausgeht. Der Befund,dass eine Religionsgemeinschaft wederstaats- noch <strong>gesellschaft</strong>sfeindlichausgerichtet ist, erscheint unter diesemBlickwinkel nicht ausreichend. Diegeforderte positive GrundeinsteIlungmuss dann vielmehr in einer Bereitschaftzum aktiven Dialog, zur Unterstützungdes Staates bei Erftillung öffentlicherAufgaben seinen Nieder-17 Vgl dazu sowie insgesamt zum§ 11 RRBG Kalb/Potz/Schinkele (FN 7)108ff.18 Darüber hinaus kann keine Religionsgemeinschaftauch auf langeSicht gesehen und im Fall eineräußerst erfolgreichen Missionstätigkeitdie geforderte Mitgliederzahlvon knapp 16.000 auch nur annähernderreichen.19 Vgl BVerfGE 18, 42; 19, 15; 30, 27.20 Robbers (FN 15) 419.21 Kirchhof, Die Kirchen und Religionsgemeinschaftenals Körperschaftendes öffentlichen Rechts, Handbuchdes Staatskirchen<strong>recht</strong>s derBundesrepublik Deutschland, hrsgvon Listl/Pirson, Berlin 21991, 651 ff.22 Ebda 667 unter Berufung aufMeyer-Teschendorj, Der Körperschaftsstatusder Kirchen. Zur Systemadäquanzdes Art 137 V WRV impluralistischen Gemeinwesen desGrundgesetzes, AöR 1978, 318 ff.Seite 126 verla~sterreich <strong>juridikum</strong> 3/01


schlag finden. 23 So darf etwa - um einBeispiel herauszugreifen - angesichtsder Herausforderungen, welche diemodernen Technologien mit sich bringen,von den Religionsgemeinschaftenein Beitrag zur diskursiven Bewältigungder in unserer Gesellschaft aufbrechendenethischen Probleme erwartetwerden.Insoweit steht dem Staat daherauch eine gewisse Prüfungs kompetenzzu, die in einem Anerkennungsverfahrenüber den in Bezug auf Bekenntnisgemeinschaftengegebenen Rahmenwohl hinausgeht, der aber immer nochenge Grenzen gezogen sind. Eine Bewertungsakraler Schriften und Lehrenscheidet weitgehend aus, im Vordergrundstehen ohne Zweifel die Handlungsanweisungen,auf die primär,aber nicht ausschließlich abzustellenist. Diese dürfen einerseits von der Religionslehrenicht völlig abgelöst beurteiltwerden, und andererseits ist derZeitpunkt ihrer Formulierung mit inBetracht zu ziehen.Besonders zu betonen ist, dassstets auf die Zielsetzung der Religionsgemeinschaftals Ganzes abzustellenist. Das für Religionsgemeinschaftenvielfach charakteristische <strong>gesellschaft</strong>skritischeEngagement kannwohl gerade nicht als Infragestellungder pluralistischen Gesellschaftsordnunggedeutet werden, sondern stelltvielmehr einen wertvollen Beitrag derReligionsgemeinschaften für das Funktionierendieser Gesellschaftsordnungdar. So ist im Fall einer punktuellenAblehnung einzelner staatlicher Vorschriftenaus Gewissensgründen inAuseinandersetzung mit jeder einzelnenReligionsgemeinschaft im Sinn einesmaterialen Grund<strong>recht</strong>sverständnissesgenerell oder einzelfallbezogenüber die grund<strong>recht</strong>lichen Schrankenregelungeneine Lösung zu finden. Essei in diesem Zusammenhang etwa an•. .......................................23 An dieser Stelle sei auch an die inDeutschland geführte Diskussionum die Korporationsfähigkeitdes Islambzw seine "Verkirchlichung" erinnert.lnBezug auf Österreich, woder Islamischen Glaubensgemeinschaftöffentlich-<strong>recht</strong>liche Stellungzukommt, ist auf entsprechendeEntwicklungen zu verweisen, dieungeachtetder mangelnden Verfasstheitdes Islam mit seinen unterschiedlichenRechtsschulen undRichtungen -auch im Hinblick aufdas Selbstverständis der muslimischenBürgereine akzeptable Einbindungin die pluralistisch-demokratischeGesellschaftsordnung durchausmöglich erscheinen lassen.24 Katechismus der katholischenKirche, 1993, 2242.25 VfErk 14. 3. 2001, B 98/99 iVmVfErk 3.3.2001, B 1713/98, B 66/99.Eine eingehende Besprechung dieserErkenntnisse wird in öarr 2/2001erfolgen. Es sei hier nur darauf hingewiesen,dass sie eine Auseinandersetzungmit dem ProblembereichRückwirkung und Übergangsbestimmungenin Bezug auf die"AltantragsteIler" vermissen lassen.die Handlungsanweisungen im Katechismusder katholischen Kirche zumzivilen Ungehorsam erinnert. Danachhat der Bürger die Pflicht, den staatlichenAutoritäten den Gehorsam zuverweigern, wenn deren Forderungendem <strong>recht</strong>en Gewissen widersprechen.24In diesem Sinne ist es dem religiös-neutralenStaat untersagt, Diff·erenzierungennach religiösen Kriterienvorzunehmen, geboten jedoch sindDifferenzierungen nach säkularen Kriterien,nach den unterschiedlichen Lebensverhältnissender jeweiligen Religionsgemeinschaft.Dafür können derenVerbreitung, ihre <strong>gesellschaft</strong>licheBedeutung, ihre soziale Betätigungudgl als Orientierungspunkte dienen.Nur innerhalb dieser eng gestecktenGrenzen besteht für den konfessionellneutralen Staat die Möglichkeit, unterAusschöpfung des dem Gesetzgebereingeräumten <strong>recht</strong>spolitischen GestaltungsspielraumsBeurteilungen imZusammenhang mit Religionsgemeinschaftenvornehmen.4. Zur Frage einer gesetzlichenAnerkennung von Jehovas ZeugenDie Glaubensgemeinschaft jehovasZeugen nimmt in unserem Kontext inverschiedener Hinsicht eine Sonderstellungein. Zunächst ist zu betonen,dass es jehovas Zeugen waren, die dasösterreichische Staatskirchen- bzw Religions<strong>recht</strong>gehörig in Bewegung gebrachtund damit auch wesentlich vorangetriebenhaben. Im Rahmen ihreslangjährigen Bemühens um eine gesetzlicheAnerkennung haben sie - wieandere Glaubensgemeinschaften auch- gravierende <strong>recht</strong>sstaatliche Defizitezu spüren bekommen, die bedauerlicherWeise durch diejüngst dazu ergangenenErkenntnisse des VfGH nicht korrigiertworden sind. 25 Ferner handelt essich angesichts der derzeitigen, durch26 Diese Ambivalenz spiegelt sichsowohl in der deutschen Judikaturals auch im Schrifttum wider, wosich gewichtige Stellungnahmen füreine Verleihung der öffentlich-<strong>recht</strong>lichenStellung an JehovasZeugen, aber auch dagegen finden(vgl Link, Zeugen Jehovas und Körperschaftsstatus,ZevKR 1998, 1 ffund Weber, Körperschaftsstatus fürdie Religionsgemeinschaft der ZeugenJehovas, ZevKR 1996, 172 ff). Eineumfassende Beurteilung wird dahernicht nur eingehender Recherchen,sondern auch einer äußerstdiese Entscheidungen des Höchstgerichteseinzementierten Rechtslage umdie einzige Religionsgemeinschaft, dienach Ablauf ihres zehnjährigen Bestandesals eingetragene Bekenntnisgemeinschaftvon ihrer Mitgliederzahl hergesehen für eine Anerkennung in Betrachtkommt.Was die Frage einer gesetzlichenAnerkennung betrifft, so ist diese Religionsgemeinschaftzweifelsohne insoweitals "Grenzfall" zu bezeichnen, alsmanche Argumente für eine Anerkennungsprechen, gleichzeitig aber auchEinwände dagegen vorgebracht werden.26 Vor diesem Hintergrund drängtsich die Frage auf - durchaus zu verstehenals Anfrage an die Glaubensgemeinschaft-, inwieweit deren Selbstverständnismit dem Wesensgehalt deröffentlich-<strong>recht</strong>lichen Stellung in Einklangzu bringen ist. Manche ausstaatlicher Sicht relevanten Charakteristikaihrer Lehre 27 können als solchewohl nicht als staats- oder <strong>gesellschaft</strong>sfeindlicheingestuft werden, siestellen aber doch deutliche Indizienfür eine distanzierte, nicht auf Kooperationmit dem pluralistischen staatlichenGemeinwesen ausgerichteteGrundhaltung dar. Die von dieser Religionsgemeinschaftintendierte Lebensformweist zweifellos Merkmaleauf, die zu der mit der öffentlich-<strong>recht</strong>lichenStellung auch verbundenenZuordnung zu einem - auch ohneÜberhöhung lediglich als ClearingsteIleder Zivil<strong>gesellschaft</strong> verstandenen- Staat in ein beachtliches Spannungsverhältnisgeraten. Im Hinblickdarauf stellt sich die Frage, ob dieStellung als Körperschaft öffentlichenRechts, gemessen am Selbstverständnisvon jehovas Zeugen, für diese Religionsgemeinschaftwirklich adäquaterscheint. Wie immer sie selbst dasauch sehen mag, es gilt jedenfalls sicherzustellen,dass eine Religionsge-diffizilen Rechtsgüterabwägung bedürfen.27 So etwa Verbot der Ausübungdes aktiven und passiven Wahl<strong>recht</strong>s;Verbot der Zivildienstleistung,das nunmehr allerdings modifiziertworden ist, indem diese Frageder Gewissensentscheidung des Einzelnenüberlassen wird; Einstellunggegenüber Nationalfeiertag, Fahnengruß,Nationalhymne u dgl.<strong>juridikum</strong> 3/01 verlat.6sterreich Seite 127


@<strong>recht</strong> & <strong>gesellschaft</strong>meinschaft nicht gegen ihr Selbstverständnisgezwungen wird, sich um diegesetzliche Anerkennung zu bemühenund so gewissermaßen in die öffentlich-<strong>recht</strong>licheStellung hineingedrängtwürde, weil außerhalb dieser RechtssteIlungVerkürzungen im Bereich dergrund<strong>recht</strong>lichen Garantien gegebensind. Mit anderen Worten: um einediesbezüglich freie Entscheidung zuermöglichen, müsste sichergestelltsein, dass die korporative Religionsfreiheitin allen ihren Ausprägungenauch den eingetragenen Bekenntnisgemeinschaftengewährleistet undnicht gesetzlich anerkannten KuR vorbehaltenwäre. Dies ist de lege latanicht der Fall,28 und eine durch dasBekGG initiierte Entwicklung in dieseRichtung hat durch die erwähnten Erkenntnissedes VfGH einen bedauerlichenRückschlag erlitten.5. AusblickFragen der sachge<strong>recht</strong>en Zuordnungreligiös-weltanschaulicher Lebensverbände. zum staatlichen Rechtsbereichstellen die zentrale HerausforderungfLir den religiös-weltanschaulich neutralenStaat dar. Angesichts der jüngstenEntwicklungen in Gesetzgebungund Rechtsprechung ist das österreichischeReligions<strong>recht</strong> im Allgemeinenund das Anerkennungs<strong>recht</strong> im Besonderendurch eine Dynamik gekennzeichnet,die eine Neuinterpretationder einschlägigen grund<strong>recht</strong>lichenGewährleistungen fLir Religionsgemeinschaftenwie auch eine Neubestimmungdes Wesensgehalts der öffentlich-<strong>recht</strong>lichenStellung notwendigmachen. Dabei ist zu beachten,dass der mit dieser Stellung charakteristischerweiseverbundene Zugangzur Öffentlichkeit keineswegs als Reliktalter staatskirchlicher Verknüpfungenabgetan werden darf. Er entsprichtdurchaus einer an grund<strong>recht</strong>lichenVerbürgungen orientierten partizipatorischenAusgestaltung desRechts, auch fLir Religionsgemeinschaften,in einer sich ausbreitendenZivil<strong>gesellschaft</strong>. 29 Dies umso mehr,wenn man mit Samuel Huntington das21. Jh als das Jahrhundert der Religionenprognostizieren will.Dr. Brigitte Schinkele arbeitet amInstitut für Recht und Religion derUniversität WienErscheint alle 2 MonateEinzelheft: öS 247,68/€ 18,­Iahresabo 2002 (6 Hefte):öS 1.238,43/ € 90,-im gut sortierten BuchhandelRecht und Praxisder öffentlichenAuftragsvergabe2/2001 Kurzn.u:hrlchtcnAufsätzeChecklistRechtspnM:hung• die Informations- undDiskussionsplattform füröffentliche Auftragsvergabe• Beiträge, Checklisten,Entscheidungskommentarevon führenden Experten• Die Antwort auf viele nochunbeantwortete Fragen imVergabe<strong>recht</strong>• die optimale Unterstützungfür das korrekte Verfassenund Beurteilen von Ausschreibungenund Angeboten.........................................28 in diesem Sinn müsste, über dieNeuinterpretation des Art '5 StGGhinausgehend, die gesamte Rechtsordnungdahingehend untersuchtwerden, inwieweit Rechtsfolgen,welche an den Umstand des Anerkanntseinsanknüpfen - so etwa imAbgaben<strong>recht</strong>, Personenstands<strong>recht</strong>,Schulbereich (Erteilung von Religionsunterricht,Anspruch auf Subventionierungvon Privatschulen),Befreiungstatbestände im WehrundZivildienst<strong>recht</strong> ua -, weiterhinzu legitimieren sind oder unsachli-che Differenzierungen gegenüberanderen Religionsgemeinschaften,in erster Linie gegenüber den eingetragenenreligiösen Bekenntnisgemeinschaften,darstellen.29 in der Einleitung zur Neuauflagedes "Strukturwandels der Öffentlichkeit"(FN 6) 46, betont Habermasdie Bedeutung der Kirchen als wichtigefreiwillige Assoziationen, die -neben anderen - als nicht-staatlicheund nicht-ökonomische Zusammenschlüsseden Kern einer sich ausbreitendenZivil<strong>gesellschaft</strong> bilden.Sichern Sie sich IhrenInformationsvorsprungund bestellen Sie bis30. Oktober dasProbeabo 2001 (4 Hefte)zum Preis von öS 619,21/€ 45,­per Fax: 01-61077-589 odervia e-mail:order@verlagoesterreich.at"erla~sterreichvormals Verlag derk. u. k. Hof- und StaatsdruckereySeite 128VerlaJ,sterreich <strong>juridikum</strong> 3/01


Vietnamese Law GoesWest - AustralianLawyers Go East (North)Beobachtungen angelegentlich einer Studienreisenach Vietnam1. Die Winter SchoolAm 4. Februar 2001 versammelte sicheine Gruppe von über zwanzig australischenjurastudenten im Gästehaus derPolytechnischen Universität Hanoi. Eswaren dies Teilnehmer der ersten "HanoiWinter School", die vom Centre forAsian and Pacific Law der UniversitätSydney (CAPLUS) in Zusammenarbeitmit dem vietnamesischen Zentrum fürRechtsdienste und Rechtsforschung(LERES) über die Dauer von drei Wochenveranstaltet wurde und eine ständigeEinrichtung werden soll. Vorausgegangenwaren lange jahre der Suchenach einem geeigneten institutionellenPartner in Vietnam für eine solche Unternehmungund die Planung eines intensivenAusbildungsprogramms zurEinführung in alle wesentlichen Gebietedes gegenwärtigen Rechts von Vietnam,das den Standards einer australischen"law school" entsprechen sollteund von daher Studenten als eine anerkannteKomponente zur Erfüllung derAnforderungen des juristischen Grundstudiums(LLB [Bachelor of Laws]) oderdes Postgraduiertenstudiums (LLM) angebotenwerden konnte. Damit folgtediese Konzeption der Form der von CA­PLUS in Shanghai veranstalteten"Shanghai Winter School", die bereitsseit 1995 erfolgreich ist und mittlerweilejährlich über 50 Studenten ausaller Welt zum <strong>recht</strong>svergleichendenStudium in Shanghai zusammenbringt.Auch hier gilt, dass einheimischeRechtslehrer eine intensive ÜbersichtKlaus A, Ziegertder wesentlichen Bereiche "ihres"Rechts vermitteln - vorwiegend aufEnglisch und gelegentlich etwas mühsamerMithilfe von Übersetzern, wennkein englischsprachiger Experte im betreffendenRechtsgebiet gefunden werdenkonnte - und dies in einer Weisetun, wie sie als Teil des jurastudiumszum LLB, aber auch LLM, etwa eineraustralischen <strong>recht</strong>swissenschaftlichenFakultät angerechnet werden kann.'Dabei drückt schon der Kurztitel "WinterSchool" die kulturelle und geographischeSpannweite des Programmsaus, denn er bezieht sich auf die, vorallem in den USA, gebräuchliche Formder "Summer School". Gemeint ist einefakultative (Zusatz-)Ausbildung währendder vorlesungsfreien Zeit zwischendem ersten und zweiten Semesterdes akademischen jahres, also imSommer. Dies trifft auch auf Australienzu, denn die Zeit der "großen Sommerferien"ist hier Dezember bis Februar,in denen zusätzliche, aber freiwilligeKurse helfen können, die Studiendauerwirksam zu verkürzen bzw. Versäumnisseaufzuholen. Auf dem Weg zumRecht in Asien ereilt die jungen juristendann aber der Winter der nördlichenHalbkugel, und so eine "WinterSchool" in ihren Sommerferien.2. Eine ideale LernsituationDiese anschwellende Wanderungsbewegungaustralischer und allgemein"westlicher" juristen nach Osten (Norden)ist aber nur eine untergeordneteEntwicklung und Folge einer weitausgrößeren Wanderungsbewegung, diedas eigentliche Thema dieses Reiseberichtsausmacht. Gemeint ist die ungleichgewaltigere Bewegung desRechts in Asien nach Westen. Zugleich,und hier durchaus gewollt, führt daszur Assoziation mit der Diskussiongleichartiger Wanderungsbewegungenin Europa - der juristen und ihrer Doktrinennach Osten, des Rechts nachWesten - die der aufmerksame Leserdieser Zeitschrift sicher schon beim Lesender Überschrift dieses Beitrags gemachthat. 2 Die "Hanoi Winter School"liegt allerdings, genau besehen - undauch dies ist gewollt - etwas quer zumTrend, indem sie ja gerade nicht westlichesRecht nach Osten "exportieren"oder gar "transplantieren" will, sondernzunächst einmal versucht, einefür Rechtsvergleicher nahezu idealeLernsituation herzustellen, nämlich diefremde Rechtsordnung nicht in der allzuvertrauten Umgebung von Rechtstextenzu lernen, sondern sozusagen"von unten" und im <strong>gesellschaft</strong>lichenKontext zu erfassen, nämlich dort wodas (fremde) Recht "lebt" und die Einheimischenihr Recht selbst vermitteln3 • In dieser eher harmlosen Beobachtersituationergibt sich dann dieMöglichkeit, die ungleich gewaltigere,möglicherweise sogar gewalttätigeRechtsveränderung im Osten durch"Einmischung" westlicher juristen undihrer Doktrinen, also in Asien und Osteuropagleichermaßen, wenngleich natürlichnicht umfassend und systematischzu analysieren, aber doch immerhinanzudenken und zu reflektieren.Dabei kann es dann selbstverständlichnicht beim geographischen Euphemismusvon "Ost" und "West" bleiben,noch der Wahrnehmung unterschiedlicherpolit-ökonomischer Systeme, diedieser Euphemismus allzu grobschlächtigverschleiert, sondern müssendie diversen Wanderungsbewegungensicher in ein- und denselbenZusammenhang gestellt werden, denwir hier zunächst einmal vorsichtig alsDifferenzierung eines komplexen globalenRechts bezeichnen wollen, dasimmer existiert hat. Was lässt sich1 Die Verzahnung erfolgt durch diePlanung des Kurses in Sydney zuden Kriterien eines Kurses im LLBoderLLM-Programm der Faculty ofLaw, mit Beteiligung von qualifiziertenRechtslehrerinnen aus Sydney,die in Shanghai (oder Hanoi) anwesendsind und abschließende Prüfungenvornehmen.2 Vgl.<strong>juridikum</strong> 4, 2000, S. 216-235.3 Ohne uns hier schon auf eine bestimmteRechtstheorie einzulassen,ruft der Versuch, eine wie auch immerdefinierte "Rechtswirklichkeit"zu erfassen, die wegweisenden Arbeitendes österreichischen RomanistenEugen Ehrlich (1862-1922) inErinnerung und seine schwer zu widerlegendeErkenntnis eines "lebendenRechts" neben und außerhalbdes Rechts, das sich die Juristenselbst machen (1913).<strong>juridikum</strong> 3/01 verla~sterreiCh Seite 129


echt & <strong>gesellschaft</strong>dann sagen, wenn man diesem Zusammenhangals fremder Rechtsbeobachterin Vietnam gegenübersteht?3. Zur GeschichteBeginnen wir zunächst einmal mit den"facts": Vietnam befindet sich in Aufbruchsstimmung.Der 1986, nach langenJahren der Kriegs- und Zwangswirtschaft,von der Nationalversammlungbeschlossene wirtschaftlicheStrukturwandel zur sozialistischenMarktwirtschaft ("doi moi") hat sich bisin die feinsten Verästelungen des Wirtschaftssystemsin Form der Familienbetriebeund Straßenhändler durchgesetztund vermittelt das Bild eines pulsierendenwirtschaftlichen und <strong>gesellschaft</strong>lichenLebens. Millionenstädtewie Hanoi und Saigon (Hochiminville)ersticken im motorisierten Verkehrnoch der Mopeds und Kleinmotorräder,aber zunehmend auch der privatenKraftfahrzeuge. Damit scheint sich Vietnamendlich wieder in eine der gelegentlichenPerioden des "Sonnenscheins"vorzuarbeiten, die nach einemalten vietnamesischen Sprichwortim Wechsel mit "Regen perioden" dasniemals endgUltig gelöste geschichtlicheSchicksal Vietnams sind und nie alssicher oder von Dauer betrachtet werdendürfen.Ein Blick auf die Weltkarte zeigt dieProblemlage . Das 331.114 m 2 großeLand (knapp so viel Fläche wieDeutschland) mit zZt ca. 77 Mio. Einwohnern(davon ca. 90% Vietnamesenund der Rest Chinesen und Minderheiten)erstreckt sich in einem schmalenKüstenstreifen von den Fruchtbarkeitszentrendes Tonkingbeckens im Nordenund des Mekongdeltas im Süden,die durch einen lang gestreckten undteilweise bis 2500 m hohen Bergrückenvoneinander getrennt sind. DasTonkingbecken war mit dem Gebietum den Roten Fluss, an dem auch Hanoiliegt, das historische Siedlungsgebietder ersten Einwanderer und Siedlerca. im achten Jahrhundert aus einerseitsSüdchina und andererseits Burma,die seitdem zusammen die spezifischeethnische Kultur Vietnams ausmachen.Mit den langen offenen Grenzen,der ungünstigen demographischenVerteilung und den idealen Reisanbaugebietenim Norden und Süden mussteVietnam ein Opfer der Begehrlichkeitunmittelbarer und ferner Nachbarnwerden und wurde es auch. Lange Periodender überschau baren Geschichteim letzten Jahrtausend sind gekennzeichnetvon Besetzungen und Kolonisierungen,aber auch entschlossenenFreiheitskämpfen und einem unbezwingbarenWillen zur eigenen kulturellenIdentität. Vietnam erinnert indieser Lage, aber auch den durch sieerzwungenen <strong>gesellschaft</strong>lichen Strukturenetwa an Polen im europäischenVergleich, das nicht nur frühe republikanischeStrukturen im Gegensatz zuzutiefst konservativen politischenStrukturen jenseits der Landesgrenzenausbildete, sondern das auch, genausowie Vietnam, eine nationale politischeIdentität sogar bei völligem Verlust eineseigenen Staatsgebiets bewahrenund weitergeben konnte. Zentral wardabei - und auch hier hält der Vergleichmit Polen - die Errungenschafteiner lebendigen Sprachkultur bis hinzur Ausbildung einer spezifischenSchriftsprache und besonderen Schrift- hier der lateinischen Schrift gegenüberder kyrillischen im slawischen Fallder Polen und gegenüber der chinesischenZeichenschrift im vietnamesischenFa1l 4 , und ganz ungewöhnlich fUreine Gesellschaft in Ostasien. Fraglosermöglicht eine solche Sonderentwicklungeine spezielle Intensität und Qualitätder Kommunikation, sowie eineAbkoppelung von einer rein den Elitenvorbehaltenen Hochkultur und damiteinem vordemokratischen nationalenSelbstverständnis, besonders in denständigen Auseinandersetzungen mitdem übermächtigen Nachbarn im Norden.Auch heute ist Vietnam mit einerAnalphabetenrate von nur knapp 3,5%(Männer) bzw. 8,8% (Frauen)5 beispielhaftund einzigartig im regionalen Vergleichder Gesellschaften in Südostasien.Wie bekannt erreichte der Kampfum die nationale Unabhängigkeit seinenHöhepunkt von 1945 an, als die revisionistischeWiederaufnahme des Kolonialregimesdurch Frankreich entgegender während des Weltkriegs getroffenenAbmachungen 6 , Vietnam indie Arme der Sowjetunion trieb unddiese exklusive Unterstützung im Freiheitskampfmit der Übernahme der politischenStrukturen der Sowjetunionteuer bezahlen ließ. Der Import des sowjetischen,eigentlich russischen, Demokratieverständnisseslieferte, wiespäter nach China und Korea auch, einKonzept der "Volks"-Demokratie, diefUr Recht keinen Platz hat, sondern esgetreu dem Urmodell Lenins als nachträglichenAperc;:u einer "neuen ökonomischenPolitik" einfUhrt. Es liefert damitaber auch, gewollt oder ungewollt,ein modernes, revolutionäres GesichtfUr das klassische (Un-)Verständnis fUrRecht in den vom Buddhismus bzw.Konfuzianismus konservierten Machtverhältnissender ost- und südostasiatischenGesellschaften, in denen Rechtals imperialer Befehl an bürokratischeEliten gilt und von der gemeinen Bevölkerungnach Kräften zu vermeiden ist.Ein solches Erscheinungsbild desRechts als demonstrativer ideologischerVorbau, hinter dem die Machtelitennach wie vor ungestört inoffiziell -und so außer<strong>recht</strong>lich - kommunizieren,ist regional und unabhängig vonden formalen politischen Strukturen,seien sie volksdemokratisch oder konstitutionelldemokratisch. Dieses Erscheinungsbilddürfte auch zu großenTeilen die Schwierigkeiten dieser Gesellschaften(und auch hier Japan wiederinbegriffen) bei der Reform oderauch nur Umstrukturierung von Wirtschaftund Gesellschaft, ganz zuschweigen von Rechtsreformen, erklären.4. Sozialistische GesetzlichkeitDieses Problem kann am Beispiel desRechts in Vietnam genauer verfolgtwerden. Formal wurde das Recht in verhältnismäßigschneller Folge durchVerfassungs- und Rechtsreformen seit1992 auf die neue Politik der Öffnungzur "sozialistischen" Marktwirtschaftund "sozialistischen Gesetzlichkeit"eingestellt und mit einer anhaltendenFlut von "normativen Rechtsdokumenten"auf den verschiedenen hierarchischenEbenen (höchstes Dokument:Verfassung; <strong>recht</strong>liche Dokumente: Gesetzbücher,Gesetze, Ordinanzen; unter-<strong>recht</strong>licheDokumente: Resolutionen,Anweisungen, Dekrete, Direkti-4 Die lateinische Schrift wurde Endedes 18. Jahrhundert von portugiesischenMissionaren eingeführt.5 Vgl. Spiegel Almanach 2000,S.540.6 Vgl. die Verfassung von 1945 alseine moderne "westliche" Verfassung,die in wesentlichen Teilen demfranzösischen Modell und damitdem Demokratieverständnis von HoChi Minh entspricht.Seite 130 <strong>juridikum</strong> 3/01


ven, Entscheidungen, Zirkulare/gemeinsameZirkulare) überschwemmt,die der bürokratisch-hierarchischenStruktur der veranlassenden Organeentsprechen (Nationalversammlung;Ständiges Komitee der Nationalversammlung;Staatspräsident; ObersterGerichtshof; Oberste Prokuratura; Regierung;Ministerpräsident; Minister;örtliche Volksräte; örtliche Volkskomitees;ausführende Organe und Unterstützungsorgane)und dabei nurschwer zu koordinieren und zu vereinheitlichen,geschweige denn allgemeinbekannt sind. Bezeichnend ist dann,dass weder die (einzige) kommunistischePartei, noch die Gerichte als eigenständigeOrganisationen in dieserformalen Struktur ausgewiesen sind,sondern praktisch an entgegengesetztenPolen politischer Wirksamkeit operieren:die Partei als inoffiziell kommunizierende,über die Hierarchie derallentscheidenden Namensliste (Nomenklatura)eigentliche Macht ausübendeElite, die Gerichte als "unterstützendeOrgane" in der weiten Peripherieder Befehlsempfänger unter vielenanderen.Damit wird deutlich, dass die KompromissformeInder "sozialen Marktwirtschaft"bzw. "der sozialen Gesetzlichkeit"den Blick auf die entscheidendeFrage verstellen, nämlich die Frage,wie alles Handeln, vorrangig die Amtshandlungender öffentlichen Organeund der Partei, <strong>recht</strong>licher Prüfung unterstelltwerden können, also die Fragenach der "rule of law". Wir erinnernuns, dass genau diese Frage bzw. derVersuch ihrer realistischen Beantwortung,zur Implosion der Sowjetunionführte, weil die Vision des Juristen Gorbachevsvon einem "sowjetischenRechtsstaat" zur schroffen Auflösungdes Paradoxons nötigte, wie die "ruleoflaw" und die "rule of men", dh. dieParteinomenklatura, nebeneinanderbestehen und doch als Rechtsstaatfunktionieren könnten. Die Tragik desZerfalls sowjetischer Staatlichkeit wirddann auch zunächst als ein Problem <strong>gesellschaft</strong>licherFunktionen von Staatund Recht relevant und weniger als einProblem politischer Legitimation. Formal-normativist letztere immer leichtherzustellen und ist bzw. war in Vietnamwie in der Sowjetunion in der Fülle"normativer Rechtsdokumente" immergegeben. Funktional dagegen zerstörteine Selbstschließung des Rechts,also technisch die Ausdifferenzierungeines positiven Rechts, die einzig wirklichfunktionierende politische Kommunikationder Gesellschaft, nämlichdie inoffizielle Kommunikation der Parteinomenklatura,ohne eine tatsächlichfunktionierende <strong>recht</strong>liche Kommunikation,dh. die "Realordnung" desRechts 7 , daneben setzen zu können. EineAtropie des politischen Systems istdamit garantiert.5. Integration durch KorruptionOberflächlich zeigt sich dieses Problemim viel zitierten Phänomen der "Korruption"und erlaubt der Hinweis auf"Korruption", ebenso oberflächlich,normativ "mit der ganzen Härte desGesetzes" gegen "moralisch korrumpierte"Individuen vorzugehen und sodie Wirksamkeit des Rechts punitiv demonstrierenzu können, ohne strukturelleSchwierigkeiten offen legen zumüssen. In der <strong>gesellschaft</strong>lichen, undeben nicht moralischen, Tiefenstrukturist aber Korruption ein fester funktionalerBestandteil zur politischen (Stabilisierungs-)Effektivitätvon bürokratischenMachteliten, auch dies ist letztlichein historisches Erbe der russisch-sowjetischkonzipierten Verfassungsmäßigkeitvon Rechtlosigkeit.Funktional gesehen besagt Korruptionnur, dass die inoffizielle, aber unter gegebenenUmständen einzig effektiveKommunikation der Elitebürokratenquer zu den Strukturen formaler Organisationverläuft und die funktionalenÄquivalenzen, die von diesen Organisationenje fur sich und auf sich selbstbezogen hergestellt werden (zB Macht,Geld, Recht) außerhalb dieser Organisationenbündelt - Macht gegen Geld,Geld gegen <strong>recht</strong>liche und/oder administrativeEntscheidungen, <strong>recht</strong>liche/administrativeEntscheidungen gegenMacht, etc. Zwar ist mit einer Herstellungvon Wirksamkeit dieser Artein erheblicher Zeit- und Kommunikationsaufwandverbunden, denn siestellt eben auf soziale Stabilität der(persönlichen) Beziehungen ab, dielangfristig gepflegt werden müssen,ganz im Gegensatz zu einer <strong>recht</strong>lichenWirksamkeit, in der die Stabilisierungauf die Zeitdimension und eben "unangesehender Person" nicht auf die sozialenBeziehungen abgestellt wird. Somuss immer neu, und die Tragfähigkeitsozialer Beziehungen aktuell abtastendverhandelt werden und kannnicht auf verbindliche (Rechts-)Regelnzurückgegriffen werden. Aber nähmeman einen solchen lateralen Verbundleckgeschlagener formaler Organisationendurch die koppelnde Wirksamkeitvon Korruption nicht in Anspruch,ließe sich <strong>gesellschaft</strong>lich nur wenigoder alles nur noch viel langsamer bewegen.Und: auch diese Ordnung derDinge ist selbst-generierende (soziale)Ordnung, nicht nur "Fluch der bösenTat".6. Ist die Ausdifferenzierungmöglich?In Vietnam hat man dieses Problemdurchaus erkannt, und man hofft ihm -unter anderem mithilfe ausländischerExperten und der damit verbundeneneigenen Problematik von <strong>recht</strong>licherEntwicklungshilfe 8 - mit Rechtserziehung,erhöhter Transparenz und Konsistenzder Verbreitung normativerRechtsdokumente, und einer weiterenSteigerung und elektronisch gerüsteten,effektiveren Dokumentierung vonNormativakten begegnen zu können.Aber all das aggregiert sich natürlichnicht zu einem Strukturwandel, son"dern nur zu einem "more ofthe same".Unter diesen Umständen wird sichnicht nur das so massiv mit Sonder<strong>recht</strong>enund Sonderverfahren umworbeneinternationale Investitionskapitalweiter von Vietnam fern halten, sondernwird, viel gravierender, sich dieStabilisierung normativer Erwartungenin Vietnam nicht von den Strukturenpersonaler Beziehungen - also sozialerKontrolle - auf <strong>recht</strong>liche Entscheidungen- also gegen soziale Kontrolle immunisierte"Sicherheit" - umstellenlassen.Die Frage ist dann freilich, ob angesichtsder Entwicklung der historischenBedingungen des Typs der "familialen"Stabilisierung der normativenErwartungen in den GesellschaftenOst- und Südostasiens in dessen Folgej••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••7 Vgl. unten Fußnote 8. 8 Vgl. die kritische Untersuchungvon Caral V. Rose, The "New" landand Development Movement in thePost-Cold War Era: A Vietnam CaseStudy, in: law & Society Review32- 1,93-140.<strong>juridikum</strong> 3/01 VerlaJ)sterreich Seite 131


echt & <strong>gesellschaft</strong>sich die Einrichtung der "rule of law",vor allem vor dem Hintergrund derjüngsten Erfahrungen der Sowjetunion,wie eine Quadratur des Kreisesausnimmt, modernes Recht eigentlicherstrebenswert ist oder als europäischerSonderweg ftir die Entwicklungin Vietnam verworfen werden sollte.7. Thin ClientsNatürlich kann diese Frage hier nichtbeantwortet werden. Aber man kann,wenn man den historischen und vergleichendenRahmen erweitert und dazunach Europa zurückkehrt, grob abschätzen,wie eine Antwort aussehenkönnte. Dazu soll wieder die Funktiondes Rechts, eben die Stabilisierungnormativer Erwartungen, oder "dieRealordnung", wie noch die klassischeRechtssoziologie formulierte 9 , im Zentrumder Überlegungen stehen undnicht die Rechtsnormen. Wie bekannt,ist diese (einzige) Funktion desRechts'O bereits dann erfiillt, wenn einedritte, "<strong>recht</strong>sprechende" Partei imStreit von zwei oder mehreren Parteien,Entscheidungen mit dem Hinweisauf Recht, und nicht zB. Gottes Willen,begründet. In der Form der Organisationdes "case law" der englischen Gerichteund (privaten) Berufsjuristenwird diese Figur bereits lange vor derAusdifferenzierung des Staats zum positivenRecht geschlossen - Recht istnur, was schon früher als Recht entschiedenwurde und außer diesem, sofestgestellten Recht gibt es kein Recht.Zur Herstellung positiven Rechts bedarfes also weder eines Staates nocheines staatlich gesicherten Gewalt- undDurchsetzungsmonopols.Vor diesem Hintergrund erscheintdie Rechtsordnung als der "thin dient"eines Kommunikationsnetzwerks"(das Rechtssystem), der lediglich mitGerichtsorganisation und juristischerBerufsorganisation bestückt ist. ImVergleich dazu nehmen sich die kontinentaleuropäischenRechtsordnungenals "fat dients" aus, die mit ihrem kodifiziertenGesetzes- und Staats<strong>recht</strong>und angeschlossenen Agenturen undDogmatikmaschinen einen massivenApparat bemühen, um den gleichen Effektzu erzielen. Im Grunde funktionierenbeide Konzeptionen einer Rechtsordnunggleich. Immer stehen das(weisungsunabhängige) Gericht unddie Rechtsprechung im Zentrum derRechtsordnung und unterscheiden sichdie Konzeptionen nur in der Mächtigkeitder angelagerten Peripherie. Immergeht es darum, Rechtsentscheidungenftir die Realordnung zu liefern.Deswegen mag sich angesichts desmassiven Transfers der europäischenRechtsnormen und Standards nach Ostenzumindest empfehlen, die zentraleWichtigkeit unabhängiger Gerichteund gut ausgebildeter, praktizierenderJuristen (Anwälte!) bzw. unabhängigerRechtshilfeorganisationen nicht ausden Augen zu verlieren. Schließlichbietet dieses Paradigma auch einemögliche Lösung ftir die "Quadraturdes Kreises" der paralysierten Rechtsordnungenin Ostasien an: eine entschlossenereFörderung der freienRechtsberufe, eine graduelle Ablösungder Gerichtsorganisation von der zentralstaatlichenWeisungsgebundenheitund die Auflösung bzw. Rückstufungder Prokuratura als "über<strong>recht</strong>licher"Kontrollbehörde könnten die unabhängigeund qualifizierte Rechtsprechungals Zentrum einer autonomen Rechtsordnungkonfigurieren, die sich dannselbst ausdifferenzieren wird. Mit einersolchen Konfiguration könnten dieseRechtsordnungen dann nicht nurden Abschwung von einer Stabilität derpersonal-informellen Ordnungen <strong>gesellschaft</strong>lich(zeitlich!) absichern unddemokratisch auf eine breitere Basisstellen, sondern, und erst dann, sichauch endlich in das Kommunikationsnetzwerkdes (globalen) Rechtssystemseinklinken und daran lokal maßgeschneiderteRechtsentscheidungenausrichten. Aufgrund der umrissenenbesonderen historischen Erfahrungenund besonderen <strong>gesellschaft</strong>lichen unddemographischen Bedingungen in Vietnamkann erwartet werden, dass einsolcher Entwicklungsprozess der "Professionalisierung"des Rechts dortmöglicherweise schneller als in Chinaund überzeugender als in Japan ablaufenkönnte. Aber selbst darin wäre keineÜbernahme fremden Rechts zu sehen,sondern nur die praktische Herstellungjenes spezifischen aber unteilbaren"Raumes der Freiheit, der Sicherheitund des Rechts" in Vietnam, wieihn die Gesellschaft in Europa alsSelbstverständlichkeit und die Gesellschaftin Osteuropa zurzeit mit Rechtauch ftir sich fordert.Dann also doch eine Sicherung ewigenSonnenscheins ftir Vietnam? Er wärediesem Volk nach so viel Leid vonHerzen zu wünschen.Klaus A. Ziegert ist Professor ander Faculty of Law der UniversityofSydney.t••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••9 Vgl. Theodor Geiger, Vorstudienzu einer Soziologie des Rechts, Aarhus'947, Neuwied '964.10 Vgl. Niklas Luhmann, Das Rechtder Gesellschaft, Frankfurt '993.11 Dieser Begriff ist der Informationstechnologieentlehnt, die damitdie jeweiligen Kapazitäten der Netzwerkrechner(Computer) identifiziert,aber der kommunikativenStruktur des Rechtssystems, wie wires hier beschreiben, durchaus angemessenist.Seite 132Verla~sterreich <strong>juridikum</strong> 3/01


Der Jurist als KomikerRechtzeitig vor Weihnachten vorigenjahres hat der Orac-Verlag ein weiteresProdukt jener Publikationsserie herausgebracht,die - in Abwandlung einesvielen zumindest aus ihrer Kindheitvertrauten Reihentitels - als "RudolfWelsers lustige Taschenbücher"bezeichnet werden könnte. 1Das ,Strickmuster' braucht nur kurzin Erinnerung gerufen zu werden: DerAutor (belassen wir es fürs Erste beidieser hier nicht wirklich zutreffendenBezeichnung) versammelt Rechtsquellenim weitesten Sinn, von denen - jedenfallsseiner Einschätzung nach - einekomische Wirkung ausgeht. Aus gutem,noch zu erörterndem Grund handeltes sich überwiegend um Entscheidungenvon Gerichten und Verwaltungsbehörden(S. 9-153). Sie werden(worauf ebenfalls zurückzukommensein wird) dem Metier gemäß dargeboten,das heißt: zunächst wird (in Fettdruck)eine leitsatzartige Auflistungder wichtigsten Stichworte gegeben,dann ein Quellenverweis angebrachtund schließlich der Inhalt näher ausgeführt.Ein kürzerer zweiter Teil(S. 157-201) besteht aus dem wörtlichenAbdruck von Auszügen aus Verordnungenund einem Gesetz (das -nicht minder bezeichnend - dem Gebietdes besonderen Verwaltungs<strong>recht</strong>szugehört), weiterhin aus "amtlichenSchreiben, Mitteilungen und Stellungnahmen"und schließlich aus verfahrensbezogenenTextsorten wieRechtsmitteln, Schriftsätzen und Sachverständigen-Gutachten.Abgerundetwird das Ganze durch Zeichnungen,die ihr Sujet aus jeweils einem der präsentiertenTexte beziehen. Ihr Urheber,der Karikaturist Ironimus, spieltals Gustav Peichl bekanntlich eine gewisseRolle in der österreichischen Gegenwartsarchitektur- und damit ist andem Unternehmen immerhin auch jemandbeteiligt, der einen durchausMarkus Grasslprominenten Platz in der österreichischenKultur- und Geistesgeschichtedes 20. jahrhunderts beanspruchendarf.Unbestreitbar dürfte der kommerzielleErfolg der Welser'schen Kompilatesein, auf den hinzuweisen sich der keineswegsbescheiden-zurückhaltendeKlappentext denn auch nicht entgehenlässt. Immerhin ist das vorliegendeBuch schon das sechste seiner Art, unddemjenigen, der da noch immer zweifelt,ist die konkrete Anschauung dergelegentlich einer juristischen Sponsionoder Promotion überreichten Geschenkartikelzu empfehlen. GewisseBedenken sind allerdings gegenübereiner im Klappentext aufgestellten Behauptungzu hegen, der zufolge WelsersBände auch "weit über juristenkreisehinaus gerne und immer wiedergelesen (werden)". StichprobenartigeVersuche im nicht-juristischen Bekanntenkreiszeigen, dass die Vorlage desBuches dort, wenn überhaupt, dann zueiner Belustigung führt, die von der Intentiondes Kompilators nicht umschlossensein dürfte. Fürs Erste bleibtalso davon auszugehen, dass der Rezipientenkreiswenn auch nicht ausschließlich,so doch sehr weitgehendauf juristen, und dabei wohl primär aufRechtspraktiker beschränkt ist.Eine nahe liegende, wenngleich etwasbillige Erklärung für die Resonanz,der sich Welsers Veröffentlichungenerfreuen, könnte auf eine Art symbolischeFunktion gehen. Dass Objekteauch der materiellen Kultur, zumalwenn sie als Gaben oder Geschenke daherkommen,die Aufgabe erfüllen, diewechselseitige Wahrnehmung und Einschätzungder sozialen Subjekte zusteuern, ist ja seit langem bekannt.2 Indiesem Sinn dürften sich die BücherWelsers - und vor allem ihr Geschenk-Gebrauch- aus dem Motiv herausverstehen, anzeigen zu wollen,dass das juristische Geschäft zu Un<strong>recht</strong>im Verdacht äußerster Nüchternheitund Prosaik steht; mehr noch: dassdie juristen entgegen ihrem Ruf, verknöcherteZeitgenossen zu sein, dieIdee des Menschlichen in einem seinerbesten Sinne verkörpern, insofern siedurchaus mit Humor begabte Wesenwären (dieser Anspruch wird für denKompilator im Klappentext ausdrücklicherhoben).Die Überlegung, ob das Buch diesenAnspruch auch wirklich einzulösen vermag,hat von einer seiner bemerkenswertestenEigenschaften auszugehen:der völligen Abwesenheit von Originalität.Selbst die minimalste Manifestationdes Komischen, die im Umlauf ist,nämlich der Witz, setzt die Fähigkeitvoraus, mit Sprache kreativ umzugehen3 bzw. eine (fiktionale) Situationsich ausdenken zu können. Sogar derVerfasser der als "Heiteres Bezirksgericht"bekannten Histörchen - um einBeispiel von auf Rechtliches gerichteterKomik zu geben - muss immerhin,wenngleich in €inem ganz beschränktenMaße, einen Plot entwickeln, mussein Personal erfinden, dieses in einenHandlungszusammenhang stellen usw.Nichts von alldem bei Weiser, dessenEigenleistung sich darauf beschränkt,im Fall von Einzelentscheidungen diesein eigenen Worten wiederzugeben,und der im Falle von generellen Normenoder von Schriftsätzen diese überhauptnur abzutippen braucht. SeineBücher unterhalten damit zum so genanntenRechtsleben bzw. den darinproduzierten Texten eine Beziehung,die als vollständig parasitär bezeichnetwerden kann. Außerdem tut Weiser in"Quatsch kann nicht protokolliert werden"und den Vorgängerpublikationenin gewisser Weise nichts wesentlichAnderes, als er sonst als jurist auch tut.So muss er in der einen wie der anderenRolle viele Rechtstexte sammeln,Urteile, Verordnungen und Gesetzestudieren.In der Tat spricht einiges für dieVermutung, dass beide Merkmale, dasParasitäre und das pseudo-professionelleVorgehen, typisch sind für dieVersuche von juristen, als Autoren imilI••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••1 RudolfWelser, "Quatsch wirdnicht protokolliert". Erlesenes ausder Welt der Federfuchser und Paragraphenreiter,Wien - München­Zürich 2000.2 Noch immer grundlegend: MarcelMauss, Essai sur le don, Paris 1950;deutsch: Die Gabe, Frankfurt a. M.1990.3 Vgl. die eindrucksvolle Analyseder Technik des Witzes bei SigmundFreud, Der Witz und seine Beziehungzum Unbewussten (1905), in:Studienausgabe, Bd. 4, Frankfurta.M.1975·<strong>juridikum</strong> 3/01verla~sterreichSeite 133


echt&gesellscbaftBereich des Humoristischen hervorzutreten.Ich erinnere an Publikationenwie jene, die Wagners "Ring des Nibelungen""im Lichte des deutschenStraf<strong>recht</strong>s" betrachtet", also eine vorgefundeneGeschichte Straftatbeständensubsumiert (und zur wahrlichebenso erhellenden wie erheiterndenEinsicht gelangt, dass das Personal dernordischen Mythologie bzw. des Nibelungenstoffsgrößtenteils aus SchwerkriminelIenbesteht).sMan sollte es sich nicht zu einfachmachen und dieses Vorgehen nichtkurzerhand lediglich mit Phantasielosigkeiterklären. Vielmehr kann sichWeIser eine bemerkenswerte Konvergenzzwischen dem Komischen undden Hervorbringungen der Rechtspraxisund -dogmatik zunutze machen. Inder europäischen Tradition beruht seitAristoteles die Komik bekanntlich darauf,den Menschen in seiner Endlichkeit,d. h. seiner Schwäche, Gebrechlichkeitund Defizienz zu zeigen. DasKomische - so könnte man auch sagen- ist etwas zutiefst Prosaisches. Von allendurch akademische Disziplinen behandeltenGegenständen ist es nunaber einmal das Recht, das - man verzeiheden Gemeinplatz - seine Raisond'etre in der Mangelhaftigkeit desMenschen hat. Und je mehr das Tunder Juristen sich auf das Endliche, daskonkrete menschliche Treiben in seinerAlltäglichkeit bezieht, desto mehrhat es mit (potentiell) Komischem zutun. Hierin liegt also der tiefere Grund,weshalb sich bei WeIser in erster LinieEinzelfallentscheidungen und unterden generellen Normen Verordnungenund ein Gesetz aus dem besonderenVerwaltungs<strong>recht</strong> finden (und nicht etwasso reichlich Abstraktes wie z. B.ein Grund<strong>recht</strong>skatalog).Man kann aber noch einen Schrittweiter gehen: Einer näheren Bestimmungzufolge resultiert das Komischeaus dem Zusammentreffen von Inkongruentem,in seiner klassischen Ausprägung:des Endlichen, Unvollkommenenmit etwas Vollkommenerem, oderanders gewendet: des Banalen, Niedrigenmit etwas höchst Bedeutsamenoder Würdevollen. Man denke, umzwei beliebige Beispiele zu nennen, anden in jeder Hinsicht ungebildeten undbeschränkten Monsieur Jourdain, derohne die geringste Aussicht auf Erfolgdie Lebensweise des Adels imitierenwill und sich in Musik, Tanz und "Philosophie"unterweisen lässt; oder an dieLieder der mittelalterlichen Vaganten,die Wein, Weib und Würfelspiel in derGelehrten- und Kirchensprache Lateinund gelegentlich in Anspielung auf liturgischeTexte besingen.Offenkundig beruht das von WeIserPräsentierte auf genau diesem Muster.Allzu Menschliches trifft auf die Kategoriendes modernen, den Anspruchauf Wissenschaft erhebenden Rechtsmit seiner abstrakten Begriffiichkeitund seiner hoch spezialisierten Terminologie.Das Gequatsche eines redseligenZeugen unterliegt nicht der Protokollierunggem. ZPO (S. 38), ein liebeshungrigesPärchen hat wegen getrennterBetten in einem Doppelzimmer keinenGewährleistungsanspruch gegenüberdem Reiseveranstalter (S. 51 f.),das erwähnte Nickerchen des Anwaltsbegründet keine Einsetzung in den vorigenStand etc.All dies bedeutet freilich nicht weniger,als dass der so genannten juristischenArbeit zumindest strukturell einStück weit etwas Komisches anhaftet.Das, was gemeinhin als ihr Kernstückangesehen wird, nämlich die so genannteSubsumtion, erweist sich beiLichte besehen als eine ideale Komikerzeugungsmaschine,denn ihr Wesenliegt bekanntlich darin, das Niedrigeder Sachverhalte mit dem ,hohen' abstraktenKategoriensystem des Rechtsin Beziehung zu bringen.Nun ist aber etwas Weiteres zu bedenken:Das Vorhandensein der geschildertenStruktur des Komischen isteine notwendige, offenbar jedoch keineswegseine hinreichende Bedingungdaflir, dass auch eine komische Wirkungeintritt, d. h. Leute zum Lachengebracht werden. Gerade Welsers Bücherkönnen daflir als Beleg dienen.Wie gesagt: So sehr sie anscheinend ingewissen Verkehrskreisen erfolgreichsind, so sehr erzielen sie bei vielen anderendiesen Effekt überhaupt nicht(woflir der Rezensent nicht nur in eigenerPerson jederzeit den empirischenNachweis beizubringen vermöchte).Wiewohl sie die strukturellen Erfordernissedes Komischen erflillen, werdendie Leistungen der praktisch tätigenJuristenvon der überwiegenden Mehrheitder Bevölkerung im Regelfall nichtals komisch und schon gar nicht als lustigempfunden. Oedenfalls ist mir nichtbekannt, dass die in einem GerichtssaalVersammelten regelmäßig nachder Urteilsverkündung in Gelächterausbrechen würden.) Der Grund liegtauf der Hand: Vom Tun der Richter, Anwälte,Verwaltungsbeamten hängtwirklich etwas ab, im Extremfall Existenzen.Damit wird auch eine ganzzwanglose Antwort auf die Frage möglich,weshalb Welsers Kompilate vorwiegendunter Rechtspraktikern Erfolghaben. Diese identifizieren sich, wennes um Urteile, Bescheide, Schriftsätzeu. ä. m. geht, naturgemäß mit derenUrhebern, d. h., sie nehmen sich nichtin erster Linie als jemand wahr, derzum Kreis der Betroffenen gehört, diemit den Konsequenzen zu leben haben.Mindestens eben so wichtig scheintaber zu sein, dass das Grundschemades Komischen, das Zusammentreffenvon Unvollkommenem und Vollkommenemoder zumindest Vollkommenerem,im Fall <strong>recht</strong>spraktischer Produktionaus der Perspektive der meistenNicht-Juristen einfach nicht gegebenist. Es hapert gleichsam am zweiten Poldieser zweistelligen Beziehung, vielleichtnicht wirklich, aber jedenfalls inder Anschauung des Publikums. Umdas Ansehen des modernen Rechts istes bekanntlich nicht auf das Beste bestellt.Immer wieder ist zu hören, dasses schon längst nichts mehr mit Ge<strong>recht</strong>igkeitzu tun hätte, das Gerichtswesenwird permanent kritisiert (weilz. B. ewig lange auf die Urteile gewartetwerden muss), Richter und Anwälterangieren nicht gerade auf den oberstenPositionen der Sozialprestige-Skala,vor allem aber gilt die Abstraktheitund Komplexität des Rechts nicht alsVorzug, sondern wird ihm im Gegenteilals Unverständlichkeit bzw. fehlende"Bürgernähe" vorgehalten, die angeblicheHaarspalterei der Juristen istsprichwörtlich, usw. Und schließlich:,I••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••4 Ernst v. Pidde, Richard WagnersRing des Nibelungen im Lichte desdeutschen Straf<strong>recht</strong>s, Hamburg7· Aufl. 1995·5 Auch Weiser hat sich in diesemGenre versucht, indem er Operninhaltezivilistischer ,Analyse' unterzog.Eine Probe davon, "ÜberOpernnotare", die zuvor in seinemBuch "Über Juristen, Kandidatenund Notare", Wien 1999, erschienenwar, wird in der vorliegeri'denPublikation, S. 205 ff., wiederabgedruckt.Seite 134 verlaJ:>sterreich <strong>juridikum</strong> 3/01


was ist denn wirklich an Rechtsinstitutenwie Gewährleistungsanspruch oderEinsetzung in den vorigen Stand schonso besonders Erhabenes? Es hat alsoden Anschein, als würde sich in derRechtspraxis jedenfalls flir die meistenZeitgenossen, um im Bild zu bleiben,Endliches bloß mit Endlichem vermählen.Es ist so, als hätte Moliere seinenBürger nicht der Kultur des Adels, sondernden (Un)sitten der Bauern nacheifernlassen - kein Mensch im Theaterdes Palais-Royal hätte auch nur eineMiene verzogen.Ganz anders stellt sich hingegen dieSituation bei der Produktion der universitärinstitutionalisierten Jurisprudenzdar. Sofern sie fest im Endlicheneinherschreitet und dieses, wie es ihremWesen entspricht, <strong>recht</strong>sgelehrterErwägung unterzieht, erflillt sie zunächsteinmal strukturell auf dasSchönste die Grundbedingung des Komischen.6 Die konkrete Probe aufs Exempelerbringt allein schon der Titelmancher <strong>recht</strong>swissenschaftlicher Abhandlung:"Zur Rechtsnatur des Flaschenpfandes"7,"Abschuss wildernderHunde und umherstreunender Katzen"8,"Aktuelle Rechtsfragen der Abluftbekämpfung"9"Vom Wegeschrankenzur Eisenbahnkreuzungspolizei"10- die Liste ließe sich beliebig verlängern.Zugleich ist es um die Chanceneiner tatsächlichen komischen Wirkungwesentlich günstiger bestellt. Einerseitstritt das Problem der unmittelbaren(existentiellen) Betroffenheit derRezipienten nicht in solcher Schärfeauf. "Theoretische" Aufsätze in Fachorganen,monographische Abhandlungen,Gesetzeskommentare usw. wirkenauf die behördliche bzw. gerichtlichePraxis allenfalls indirekt ein. Zumanderen schlägt das beschädigte öffentlicheAnsehen des Rechts nicht,oder zumindest nicht so stark, durch.Denn es wird nunmehr von etwas überlagert,das in den Augen gerade desNormalbürgers der Sphäre des Hohen,Bedeutungsvollen, Respektgebietendenetc. zuzuordnen ist: der Wissenschaft,die zu sein von der Jurisprudenzja beansprucht wird. Und damit kommenzugleich alle daran zu Recht oderzu Un<strong>recht</strong> geknüpften Vorstellungenins Spiel, als da etwa wären: die großeErnsthaftigkeit, die Würde der Professoren,das selbstlose Bemühen umWahrheit, eine nicht allen zugängliche,also dem Alltag entrückte Experten-Sprache(die man bei der Wissenschaft,nicht aber bei Gericht schoneher zu akzeptieren geneigt ist) usf.Welch erstaunliches Komik-Potentialist nicht darin gelegen, dass man sichunter solchen Auspizien an den Universitätenmit Fragen beschäftigt, die vonBierkisten, Abdämpfen oder Eisenbahnschrankenaufgeworfen werden?Rudolf Weiser wäre also flir dennächsten Band, mit dem wir wohl rechnenmüssen, die Nutzung jenes brachliegenden Feldes, d. h. die Erweiterungauf Elaborate der eigenen, akademischenZunft, dringend zu empfehlen.Ob sein Humor dazu hinreicht?Dr. phil. Mag. iur. Markus Grassl istProfessor für Musikgeschichte ander Universität für Musik und darstellendeKunst in Wien.~erla~sterreichkademie_1(.. zentrum für e-commerce~ und internet<strong>recht</strong>Montag, 19. November 200115.00-20.00 UhrWienBundesministerium für JustizEinleitung:Dr. Dieter BöhmdorferBundesminister für JustizModeration:Mag. Benedikt KommendaDie Presse, RechtspanoramaReferenten:Josef BroukalChefredakteur ORFDr. Georg KathreinLeitender Staatsanwalt,Bundesministerium für JustizDr. Erich Kodek,Senatspräsident des OGHDr. Georg KresbachRechtsanwalt, Wolf Theiss & PartnerDr. Klaus WoschnakPräsident der Notariatskammer fürWien, Niederösterreich, BurgenlandDr. Wolfgang Zanklao. Univ.-Prof. Universität Wien, Graz(Gesamtleitung)Statements:Allianz, Arthur Andersen,Brain Force, max.mobil.j • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • •6 Auf die Verbindung zwischen<strong>recht</strong>swissenschaftlichen und komischenTexten weist im Übrigen auchhin, wenn sich Weiser in der vorliegendenSchrift wie gezeigt bloß dereingeübten Modi <strong>recht</strong>swissenschaftlicherBetätigung zu bedienenbraucht. Etwas Derartiges dürftenVerlag und/oder Kompilator selbstgeahnt haben: "Quatsch kann nichtprotokolliert werden" und die einschlägigenVorgängerpublikationensind laut Klappentext zu den wissenschaftlichenVeröffentlichungenWelsers zu zählen.7 Zankl, in: Juristische Blätter 1986,493 ff.8 Döltl, in: Gendarmerie-Rundschau1977, H. 11, S. 6 ff.9 B. Davy, in: Österreichische Gemeindezeitung1984, S. 282 ff.10 Nester, in: Zeitschrift für Verkehrs<strong>recht</strong>1963, S. 113 ff.Information und Anmeldung:Verlag Österreich AkademieTelefon:01-61077-510Fax:01-610 77-602e-mail:akademie@verlagoesterreich.at<strong>juridikum</strong> 3/01verla~sterreichSeite 135


echt .. &< <strong>gesellschaft</strong>Staatsanwalt,Ermittlungsrichter undVerteidiger im neuen5 trafp rozess Christian Bertel1. Die polizeilichen ErmittlungenDass die Polizei Straffälle aufklärt, istallgemein üblich. Aber in allen Rechtsstaatenwird die Polizei von der Justizkontrolliert. So auch in Österreich. DerStaatsanwalt lässt durch die SicherheitsbehördenVorerhebungen flihren(§ 88 Abs 1 StPO). Er kann der Polizeiallgemeine Direktiven erteilen, zB ihnbei Verdacht bestimmter Delikte sofortzu verständigen oder zu prüfen, obstatt des X nicht vielleicht auch Y alsTäter in Frage komme; und er kann vonder Polizei bestimmte Beweisaufnahmenverlangen, zB einem Zeugen bestimmteFragen zu stellen (§ 88 Abs 3StPO). Eine bestimmte Form ist flir Aufträgedes Staatsanwalts nicht vorgesehen,so kann er der Polizei auch telefonischAufträge erteilen. Dass die PolizeiAufträge des Staatsanwalts, wenner darauf besteht, sofort zu erledigenhat, ist meines Wissens noch nie bezweifeltworden. Dem Staatsanwaltstehen alle polizeilichen Unterlagenzur Verfligung, er kann jederzeit alles,was ihn interessiert, einsehen odersich in Kopie vorlegen lassen. Richtigist freilich, dass die Staatsanwälte vondiesen Rechten nicht viel Gebrauch machen:Häufig verlassen sich die Staatsanwälteganz auf die Polizei, es seidenn, dass sie ihr die eine oder andereergänzende Beweisaufnahme auftragen.Immerhin sind Kontrollmöglichkeiten,auch wenn sie wenig genütztwerden, nicht ganz ohne Wert. MancheFehlurteile sindua darauf zurückzuflihren,dass die Justiz sich all zu sehr aufdie Arbeit der Polizei verlässt. Undmanchmal wünschen sich selbst Kriminalbeamte,dass Staatsanwälte sichmehr engagieren.Nach dem Entwurf des StrafprozessreformGwird manches anders. DiePolizei kann mit ihren Ermittlungenvon Amts wegen beginnen (§ 103 Abs 1E); das tut sie schon heute, dagegen istnichts einzuwenden. Der Staatsanwaltleitet auch weiter das Ermittlungsverfahren(§ 105 Abs 1 E), er macht seineLeitungsbefugnis durch "Anordnungen"geltend (§ 106 Abs 2 E). Ob sieauch allgemeine Direktiven enthaltenkönnen, lässt der Text des Entwurfs offen.Die Erläuterungen sprechen von"konkreten Ersuchen" (S 165) und"konkreten Ermittlungsaufträgen"(S 167), an allgemeine Direktiven denkensie offensichtlich nicht. So kannder Staatsanwalt wohl nur "konkrete"Beweisaufnahmen anordnen. Daflir istjetzt eine bestimmte Form vorgesehen:Der Staatsanwalt muss Beweisaufnahmenschriftlich anordnen (§ 106Abs 2 E). Er kann die Anordnung derPolizei elektronisch übermitteln (§ 106Abs 2 E), aber ein Telefonanruf wirdnicht mehr genügen. Der Staatsanwaltmuss die Anordnung begründen (§ 106Abs 2 E, Erl 169), also erklären, warumer sie flir notwendig hält und warum erglaubt, dass sie den Aufwand lohne(§ 106 Abs 3 Z 3 E). Anordnungen werdenzu einer Zeit raubenden Angelegenheit,und vielleicht wird es demStaatsanwalt passieren, dass ihm diePolizei erklärt, die Anordnung sei nichtausreichend begründet, keine Anordnungim Sinn des Gesetzes und könnedarum nicht ausgeflihrt werden. Dannwird der Staatsanwalt wohl eine neueAnordnung schreiben müssen. Wenner schließlich eine Anordnung verfassthat, die der Polizei annehmbar erscheint,bedeutet das noch lange nicht,dass sie gleich ausgeflihrt wird. DenZeitpunkt der Ausflihrung bestimmtdie Polizei (§ 107 Abs 1 E), dass derStaatsanwalt auf der sofortigen Ausflihrungbesteht, ist nicht vorgesehen(Erl 170).In vielen Fällen wird der Staatsanwaltvon seiner Leitungsbefugnis keinenGebrauch machen können, weil ervon der Sache erst im Nachhinein erfährt.Das ist bei kleinen Sachen keinNachteil. Und bei "Verdacht einesschwer wiegenden Verbrechens odereiner strafbaren Handlung von besonderemöffentlichen Interesse" muss diePolizei den Staatsanwalt gleich informieren(§ 104 Abs 2 Z 1 E). Aber was"schwer wiegende Verbrechen" uswsind, beurteilt die Polizei. Der Staatsanwaltkann davon andere Vorstellungenoder er mag den Wunsch haben,von bestimmten heiklen Sachen auchdann gleich informiert zu werden,wenn sie nicht von "besonderem öffentlichenInteresse" sind. Der Staatsanwaltkann einen Bericht verlangen(§ 104 Abs 2 Z 2 E), aber ob er Berichteüber alle Delikte bestimmter Art oderob er Berichte nur in bestimmten Sachenverlangen kann, mit denen ihndie Polizei schon befasst hat, lässt derEntwurf offen.Wenn die Polizei dem Staatsanwaltberichtet, schließt sie dem Bericht dieflir die Beurteilung der Sach- undRechtslage erforderlichen Unterlagenan (§ 104 Abs 4 E). Welche Unterlagenerheblich sind, beurteilt wiederum diePolizei. Nun wird es Staatsanwälte geben,die sich weitere Informationen zBüber den Ablauf einer Beweisaufnahmewünschen, die Polizei könnte das flirdurchaus unnötig halten. Ob und wiesich der Staatsanwalt in einem solchenFall durchsetzen kann, geht aus demEntwurf nicht hervor.Wenn die Polizei den Fall flir soweit geklärt hält, dass der Staatsanwaltsich flir oder gegen eine Anklageentscheiden kann, erstattet sie den"Abschlussbericht" (§ 104 Abs 2 Z 4 E).Er ist flir den Staatsanwalt besonderswichtig: Wenn der Abschlussberichtden ermittelten Sachverhalt übersichtlichdarstellt, kann der Staatsanwaltden Akt verhältnismäßig leicht übersehen;wenn der Abschlussbericht auffrühere Berichte verweist oder nursummarische Angaben enthält, kostetdie Bearbeitung des Aktes den Staatsanwaltsehr viel Zeit. Daraus ergibtsich schon heute eine gewisse Abhängigkeitdes Staatsanwalts von der Polizei,die Staatsanwälte veranlasst, mit"ihren" Kriminalbeamten sehr sorgsamumzugehen. Dass der Staatsanwalt diePolizei anweisen kann, wie sie denAbschlussbericht zu verfassen hat,Seite 136Verlag0,6sterreich <strong>juridikum</strong> 3/01


scheint § 104 Abs 3 E nicht vorzusehen.Über ein neues Recht freilich kannsich der Staatsanwalt freuen: Er darfkünftig selbst ermitteln (§ 107 Abs 2 E).Aber auch dabei muss er, "so weit wiemöglich", das Einvernehmen mit derPolizei herstellen, also sie jedenfalls imVoraus informieren. Die eigenen Ermittlungender Staatsanwälte werdennie eine bedeutsame Rolle spielen: OhneHilfspersonal, auf sich allein gestellt,kann der Staatsanwalt nicht einmalmittel schwierige Fälle aufklären.Dass der Entwurf die Leitungsbefugnisdes Staatsanwalts gegenüberder Polizei beschränkt, formalisiertund damit aushöhlt, ist nicht akzeptabel.Wenn der Entwurf, so wie er vorliegt,Gesetz wird, wird man von einerKontrolle der Polizei kaum mehr sprechenkönnen. Die Kriminalpolizei istim Begriffe, die ohnehin lose Kontrolledurch die Justiz vollends abzuschütteln'.Was der Entwurf einleitet, ist iminternationalen Vergleich ohne Beispiel.In Deutschland ist dem Staatsanwaltein Teil der Kriminalpolizei, in Italiendie gesamte Gerichtspolizei unmittelbarunterstellt: Dort leitet und kontrolliertder Staatsanwalt die Polizeiwirklich; in Österreich muss er um einenleicht überschaubaren Abschlussberichtbitten.Der Entwurf gehört dringend überarbeitetDer Staatsanwalt muss der Polizei überihre gesamte Tätigkeit im Dienst derStrafjustiz allgemeine und besondereWeisungen erteilen können, schriftlichoder telefonisch; den Inhalt solcher Weisungenmuss der Staatsanwalt aktenkundigmachen. Weisungen zu begründen,ist sinnvoll, aber nicht notwendig.Denn zu befolgen hat die Polizei Weisungendes Staatsanwalts auch dann, wennsie seine Gründe für nicht ausreichendhält. Und natürlich hat die Polizei Weisungendes Staatsanwalts, wenn er daraufbesteht, sofort zu befolgen.2. Die Abschaffung derVoruntersuchungNach geltendem Recht kann auf Antragdes Staatsanwalts auch der Untersuchungsrichterermitteln. Leider überlassendie Untersuchungsrichter in derVoruntersuchung die Ermittlungen sogut wie ganz der Polizei. Darum willder E die gerichtlichen Vorerhebungenund die Voruntersuchung abschaffen.Nun gibt es immerhin Fälle, in denender Untersuchungsrichter noch immerermittelt, insbesondere wenn Angehörigeder Polizei in den Verdacht geraten,Beschuldigte misshandelt zu haben.Das BMJ hat in zwei Erlässen von1989 UABI 57) und 1995 UMZ430.001/30-11 3/1995) die Staatsanwälteangewiesen, solche Vorwürfe durchden Untersuchungsrichter untersuchenzu lassen. Das war ohne Zweifel einFortschritt. Die Aufklärung durch einenAußenstehenden dürfte schon an undfür sich eine gewisse erziehende Wirkunghaben. Mit der Beseitigung dergerichtlichen Vorerhebungen und derVoruntersuchung wird auch in solchenFällen wieder die Polizei ermitteln. Dasist ein bedauerlicher, nicht zu <strong>recht</strong>fertigenderRückschritt. Ich will nicht sagen,dass man die Voruntersuchungund die gerichtlichen Vorerhebungenbeibehalten muss. Aber wenn man siebeseitigt, muss man für die Funktionen,die sie noch immer erfüllen, einenangemessenen Ersatz schaffen. Das isthier nicht geschehen.Der Entwurf gehört dringend überarbeitetWenn Polizeibeamte in den Verdachtgerichtlich strafbarer Handlungen geraten,sollte ein Angehöriger derJustiz ermitteln,wenn es ein Richter nicht seinsoll, dann wenigstens der Staatsanwalteines anderen Gerichtssprengels.3. Die Rechtsschutzfunktion derVoruntersuchungIm Übrigen hat die Voruntersuchungeine nicht zu unterschätzende "Rechtsschutzjimktion".Über Anträge des Beschuldigtenoder des Verteidigers entscheidetunverzüglich der Untersuchungsrichter.Der Verteidiger mussnur einmal zu Gericht gehen und mitdem Untersuchungsrichter sprechen,zB über die Einsicht auch in dieseoder jene Aktenstücke oder überdie Durchführung einer bestimmtenBeweisaufnahme. Je nach dem Ausgangdes Gesprächs sind förmliche An-träge häufig nicht notwendig oderaussichtslos.In Zukunft wird das anders sein. Akteneinsichtkann der Verteidiger auchbei der Staatsanwaltschaft beantragen(§ 55 Abs 1 E), aber dort gibt es Aktennur, wenn die Polizei dem Staatsanwaltschon berichtet hat, und dort gibt esnur die Aktenstücke, welche die Polizeiihren Berichten beigelegt hat. So wirdder Verteidiger also doch zum Sachbearbeiterder Polizei gehen müssen.Wahrscheinlich wird die Polizei demVerteidiger die Akteneinsicht beschränken(§ 53 Abs 2 E). Dafür soll sienach den Erläuterungen Gründe nennen(S 88), im Text des Entwurfs ist davonnicht die Rede. Auch Beweisanträgemuss der Verteidiger zunächst andie Polizei richten (§ 57 Abs 4 E). Undauch hier macht es der Entwurf der Polizeileicht: Wenn sie dem Antrag nichtentsprechen will, legt sie ihn mit einemAnlassbericht dem Staatsanwalt vor(§ 57 Abs 4 E), der sich dann überlegenkann, ob er die verlangte Beweisaufnahmeder Polizei mit begründeter Anordnungaufträgt (§ 106 E) oder denVerteidiger mit einer Begründung verständigt,warum die Beweisaufnahmeunterbleibt (§ 57 Abs 4 E). Der Sachenach entscheidet der Staatsanwaltüber Beweisanträge. Die Polizei hat eswährend des Ermittlungsverfahrensnicht nötig, sich mit Anträgen oderVorbringen des Verteidigers auseinanderzu setzen.Wenn die Polizei oder wenn derStaatsanwalt einem Verlangen des Verteidigersnicht nachkommt, kann derVerteidiger beim Staatsanwalt Einsprucherheben (§ 110 Abs 1, 2 E). DerEinspruch muss unter anderem eineBegründung und einen Antrag enthalten(§ 110 Abs 2 E). Dass der Staatsanwaltdem Einspruch gleich entsprechenkann, würde ich gern glauben, aber leiderist davon nur in den Erläuterungendie Rede (S 83), nach dem Text des Entwurfsholt der Staatsanwalt zunächsteinmal eine Stellungnahme der Polizeiein (§ 110 Abs 2 E), dann erst prüft erden Einspruch (§ 110 Abs 3 E). Wenndie Prüfung negativ ausfällt, legt derStaatsanwalt den Einspruch dem Gerichtvor (§ 110 Abs 4 E). Das Gericht* • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • •1 Für eine "effektive" Leitungsbefugnisdes Staatsanwalts: 8ertel,Kriminalpolizei und Strafprozessreform,JRP 1996, 19; Moos, Grundsatzfragen,ÖJZ 1996, 896;Soyer, Vorüberlegungen zu einerReform des strafprozessualenVorverfahrens, Anw811995, 872;Weiss, Verhältnis von Sicherheitspolizeiund Strafprozessreform,FS-Moos, 221; Vgl Schmoller,Grundstrukturen eines künftigenVorverfahrens, ÖJK 1999,73 ff, 88.<strong>juridikum</strong> 3/01 verla~steITeich Seite 137


echt & <strong>gesellschaft</strong>holt eine Stellungnahme nun des Verteidigersein (§ 110 Abs 4 E), dann endlichkommt es zur Entscheidung. Wasder Verteidiger in der Voruntersuchungdurch eine einzige Vorsprachebeim Untersuchungsrichter erreichenkann, macht nach dem Entwurf eineganze Reihe von Aktionen notwendig,der Beschuldigte wird daflir sehr vielmehr Geld auslegen müssen, und biszur richterlichen Entscheidung wird essehr viel länger dauern, häufig wird siezu spät kommen. Praktisch ist der Ermittlungsrichterflir den Beschuldigtenso gut wie nicht erreichbar.Das gilt auch in Haftsachen, die jaden Großteil der Voruntersuchungenausmachen. Der Staatsanwalt beantragtdie Verhängung der Untersuchungshaftaufgrund der Berichte undUnterlagen, die ihm die Polizei vorlegt(vgl § 104 Abs 2 Z 2 E) und der Richterentscheidet auf dieser Grundlage undder Ergebnisse der Beschuldigtenvernehmungüber die Verhängung derHaft (§ 177 Abs 1 E). Der Richter hatnach dem Text des Entwurfs keineMöglichkeit, vor oder nach Verhängungder Untersuchungshaft ergänzendeBeweisaufnahmen, zB die Vernehmungeines Entlastungszeugen, anzuordnen.Der Entwurf übernimmt § 179Abs 2 Satz 2 StPO nicht, absichtlichoder aus Versehen, ist den Erläuterungennicht zu entnehmen. So müssteder Verteidiger auch des verhaftetenBeschuldigten bei der Polizei Beweisanträgestellen, das eben geschilderteEinspruchsverfahren durchlaufen, damitdas Gericht der Polizei endlich dieeine oder andere Beweisaufnahme auftragenkann. Das ist geradezu absurd,jedenfalls eine bedeutende Verschlechterungder <strong>recht</strong>lichen Situation desBeschuldigten. Auch hier ist es demEntwurf nicht gelungen, flir die Voruntersuchungeinen brauchbaren Ersatzzu finden.Der Entwurf gehört dringend überarbeitetDer Verteidiger sollte über alle Anträgesofort eine justizielle Entscheidung erhalten.Wenn es nach Abschaffung derVoruntersuchung eine richterliche Entscheidungnicht mehr sein kann, mussder Staatsanwalt diese Aufgabe übernehmen2 • Der Verteidiger sollte alleAnträge beim Staatsanwalt stellen können.Der Staatsanwalt sollte, wenn erden Antrag flir be<strong>recht</strong>igt hält, sofortdas Nötige veranlassen. Das setzt voraus,dass er sich der Polizei gegenüberdurchsetzen kann (Punkt 1). Der Staatsanwaltsollte zB nach einem Anruf beider Polizei ihr telefonisch auftragenkönnen, den vom Verteidiger benanntenZeugen zu vernehmen, dem VerteidigerEinsicht in gewisse Aktenstückezu gewähren oder sie ihm, dem Staatsanwaltvorzulegen. Und wenn derStaatsanwalt den Antrag des Verteidigersflir nicht be<strong>recht</strong>igt hält, sollte er- allgemein und nicht nur in den Fällendes § 57 Abs 4 E - den Verteidiger verständigen,aus welchen Gründen er seinemAntrag nicht nachkommen kann.Wenn der Verteidiger darauf besteht,sollten ihm diese Gründe schriftlichmitgeteilt werden.Eine Frage bleibt freilich offen:Werden die Staatsanwälte überhauptbereit sein, sich bei der Polizei flir dieWahrung der Rechte auch des Beschuldigteneinzusetzen - auf die Gefahrhin, dass sie "ihre" Kriminalbeamtenverärgern? Nur wenn man die Fragebejaht, kann man die Voruntersuchungabschaffen.4. Die VerteidigungEine Strafprozessreform sollte sichauch mit der Lage der Verteidigung befassen.Der ärgerlichste Missstand istohne Zweifel die Behandlung des festgenommenenBeschuldigten.Wenn die Polizei den Beschuldigtenim Sprengel des zuständigen Gerichtsfestnimmt, muss sie ihn "unverzüglich",bzw "ohne unnötigen Aufschub",längstens binnen 48 Stunden in die Justizanstalteinliefern (§ 176 Abs 2, § 177Abs 2 StPO). Die Höchstfrist von 48Stunden wurde 1862 eingeführt, in einerZeit, da das Automobil noch nichterfunden war. Damals mochte es 48Stunden dauern, den Festgenommenenin einem Pferdegespann in das Gefangenenhauszu transportieren. Heutekönnte die Polizei den Transport ineinem Funkstreifenwagen binnen wenigerStunden ausflihren, mehr als 24Stunden dürften auch unter ungünstigenVerhältnissen nicht notwendigsein. Die Höchstfrist von 48 Stundenist eine Einladung an die Polizei, sichmit der Ablieferung gegebenenfallsZeit zu lassen.Daflir kann es gute Gründe geben.Während der Zeit, die der Beschuldigteim Polizeigewahrsam verbringt, alsobis zu 48 Stunden, wird ihm ein Gesprächmit dem Verteidiger grundsätzlichverweigert. Gesetzliche Grundlagegibt es daflir nicht, weder in der StPO,noch im VStG (vgl Art V EGVG). Es handeltsich um reine Polizeiwillkür. DenBeschuldigten möglichst lange in Haftund ohne den "störenden" Einfluss desVerteidigers zu einem Geständnisdrängen zu können, gilt als kriminalistischerVorteil. So wird das willkürlicheGesprächsverbot geduldet und die 48Stundenfrist aus dem Jahr 1862 beibehalten3 •Der Entwurf behält die 48-Stunden-Höchstfristbei (§ 175 Abs 1 E) undübt sich in <strong>recht</strong>sstaatlichen Bekenntnissen."Der Beschuldigte hat dasRecht, in jeder Lage des Verfahrensden Beistand eines Verteidigers in Anspruchzu nehmen", sagt § 7 E, undnach § 62 Abs 1 E kann sich der festgenommeneBeschuldigte mit seinemVerteidiger verständigen, ohne dabeiüberwacht zu werden.Aber es kommt gleich anders.Wenn der Beschuldigte wegen Verabredungs-oder Verdunkelungsgefahrfestgenommen ist, kann die Polizei"den Kontakt mit dem Verteidiger"überwachen (§ 62 Abs 2 Satz 2 E). Nachgeltendem Recht ermöglicht dieserHaftgrund die Überwachung der Verteidigergesprächeauch noch währendder Untersuchungshaft, und wird darumin vielen Beschlüssen auf Verhängungder Untersuchungshaft zumindest"hilfsweise" angenommen. Daskann auch in Haftbefehlen geschehen.Ja nach dem Entwurf ist eine Überwachungganz allgemein, ohne Rücksichtauf den angenommenen Haftgrund,"vor Erteilung der Vollmacht" zulässig(§ 62 Abs 2 Satz 2 E). Was das bedeutensoll, ist auf den ersten Blick nicht klar.Der Beschuldigte könnte ja den anwesendenVerteidiger durch mündlicheErklärung auf der Stelle bevollmächtigen.Die Erläuterungen (S 101) werdendeutlicher: Der erste Kontakt des festgenommenenBeschuldigten mit dem2 Moos, Grundsatzfragen, ÖJZ 1996,895; Vgl auch Pilgermair, Das Vorverfahrenaus der Sicht des Staatsanwaltes,in Entwicklungslinien im StrafundStrafprozess<strong>recht</strong>, Schriftenreihedes BMJ Bd 82,150.3 BertellVenier, Strafprozess<strong>recht</strong> 6Rz 433; Vgl auch Dearing, Zur Frageder Abschaffung der Voruntersuchungaus <strong>recht</strong>svergleichenderSicht; ÖJK 1985,39.Seite 138 verla~sterreiCh <strong>juridikum</strong> 3/01


Verteidiger soll immer überwacht werdenkönnen.Aber das ist noch nicht alles. In "besondersbegründeten Fällen" kann derKontakt mit dem Verteidiger auf "dasfUr die ErteiIung der Vollmacht und eineallgemeine Rechtsbelehrung erforderlicheAusmaß" beschränkt werden(§ 62 Abs 2 Satz 3 E). So darf der Verteidigerdem Beschuldigten einen allgemeinenRechtsvortrag halten, wenndas Gespräch konkret wird, kann es diePolizei beenden. Einen Rechtsvortragaber kann man wirklich nicht als "Beistandeines Verteidigers" ausgeben(vgl § 7 E). Besonders begründete Fälle,meinen die Erläuterungen (S 99), sind"insbesondere" Fälle schwerster undorganisierter Kriminalität mit besondersdringender Verdunkelungs- undVerabredungsgefahr. Aber die besondersbegründeten Fälle sind offensichtlichauf diese sagenhaften Fälleschwerster und organisierter Kriminalitätnicht beschränkt. So wird sich, wiebisher, der festgenommene Beschuldigtevor seiner Vernehmung mit einemVerteidiger gerade nicht undschon gar nicht ohne Aufsicht besprechenkönnen. Es wird sich also garnichts ändern.Natürlich kann der Beschuldigte,wenn er seinen Fall nicht fUr "besondersbegründet" und die Verweigerungeines wirklichen Verteidigergesprächsrur <strong>recht</strong>swidrig hält, Einspruch erheben(§ 110 Abs 2 E): Darüber entscheidetdann in dem schon beschriebenenVerfahren nach vielleicht 1-2 Wochender Ermittlungsrichter. Gerade wennder Beschuldigte Rechtsschutz amdringendsten braucht, kommt er zuspät.Aber vielleicht wird der Staatsanwaltals Leiter des ErmittlungsverfahrensMissstände bei der Polizei abstellen?Ich möchte gern daran glauben,ich kann aber nicht vergessen, dass dieStaatsanwälte gegen das bisher ungesetzlichgeübte Gesprächsverbot garnichts unternommen haben. Freilichhaben sie davon "offiziell" kaum je erfahren.Auch bei den Staatsanwältenmüsste ein Umdenken einsetzen.Der Entwwf sol/te gründlich überarbeitetwerden.Auch der festgenommene Beschuldigtesollte sich ohne Überwachung mitseinem Verteidiger besprechen können.Dem Beschuldigten ein (wirkliches)Gespräch mit dem Verteidiger zuverwehren, ist in Kulturstaaten nichtmehr üblich. Und der festgenommeneBeschuldigte "gehört" nicht der Polizei,sondern er gehört in die Justizanstalt.Dort werden die Verteidigergesprächevon ahnungslosen Rechtspraktikantenüberwacht, die es gar nichtbemerken würden, wenn sich der Verteidigerin einen Verdunkelungsversucheinließe 4 • In der Justizanstalt istdiese Überwachung nutzlos, und diePolizei sollte keinen Grund haben, dieAblieferung des Festgenommenen indie Justizanstalt hinauszuschieben.Um beim Haft<strong>recht</strong> zu bleiben: Ärgerlichist die Ausdehnung des - vielmissbrauchten - Haftgrundes der Tatbegehungs-und AusfUhrungsgefahrauf alle Delikte, die mit Freiheitsstrafevon mehr als sechs Monaten bedrohtsind (§ 173 Abs 1 Z 4 E; vgl dagegen§ 452 Z 3 und § 9 Z 1 StPO); die Erläuterungenverlieren darüber kein Wort(S 270 f). Ärgerlich ist das Hinausschiebender Haftverhandlung, die nunnicht mehr innerhalb von 14 Tagen abFestnahme (§ 181 Abs 1,2 Z 1 StPO),sondern innerhalb von 14 Tagen abVerhängung der Untersuchungshaftstattfinden soll (§ 178 Abs 2 Z 1 E).Nicht verständlich ist, warum künftigauch die Kriminalpolizei an Haftverhandlungenteilnehmen kann (§ 179Abs 1 E); will die Polizei den Leiter desErmittlungsverfahrens in der Haftverhandlungüberwachen? Positiv zu erwähnenist immerhin, dass die Überwachungder Verteidigergespräche14 Tage nach Einlieferung des Beschuldigtenin die Justizanstalt beendetwerden muss (§ 62 Abs 3 E); nach geltendemRecht kann sie bis zu zweiMonate fortgesetzt werden (§ 45Abs 3 Z 2, § 194 Abs 1 StPO). Aber dafUrhat der Entwurf die Regel gestrichen,dass der Beamte (jetzt Untersuchungsrichter),der die Überwachunganordnet, sie auch selbst durchfUhrenmuss (§ 45 Abs 3 StPO); aber die Untersuchungsrichterhaben sich überdiese Regel des § 45 Abs 3 StPO längsthinweggesetzt und schicken ihreRechtspraktikanten zur Überwachungder Verteidigergespräche.ZusammenfassungUm das Recht der Polizei auf amtswegigeErmittlungen anzuerkennen,brauchte man keine Totalerneuerung,sondern die Änderung bloß einigerParagrafen der, StPO. Der Entwurfschafft die Voruntersuchung ab, aberes gelingt ihm nicht, einen angemessenenErsatz zu finden. Er verbindetdie Abschaffung der Voruntersuchungmit einer Entmachtung des Staatsanwaltsund "befreit" dadurch die Polizeivon justizieller Kontrolle. Die Lage desBeschuldigten wird kaum verbessert,in mancher Hinsicht deutlich schlechter:Er steht einer selbständiger gewordenenPolizei mit Rechten gegenüber,die er in einem unpraktikablenEinspruchsverfahren geltend machenmuss. Ein machtloser Staatsanwaltkann ihm nicht helfen, selbst wenn erdas wollte.o. Univ.Prof. Dr. Christian Bertellehrt am Institut für Straf<strong>recht</strong> undsonstige Kriminalwissenschaftender Universität Innsbruck.j , •••••••••••••••••••••••••••••••••••••••4 Venier, Der Beschuldigte und seinVerteidiger im Vorverfahren - zumDiskussionsentwurf des BMJ mitBlick auf die Rechtslage in Italien,AnwB11998, 730 ff; Scheil, Die Überwachungder Verteidigergesprächenach dem Entwurf eines Straf<strong>recht</strong>sänderungsgesetzes1986,AnwBI1987,571.<strong>juridikum</strong> 3/01verla~sterreichSeite 139


Fragen der juristinnenausbildung sind fiir Menschen, die anRecht und an Politik Interesse haben, zu beliebten Diskussionsthemengeworden. Die folgenden vier Artikel haben mehroder weniger direkt mit diesen Fragen zu tun: Dass die spezifischeRolle der juristinnen und juristen schon in der Studienphasean einer Reihe von Stileigenheiten bei Kleidung undAuftreten festgemacht wird, beschreibt Eva Blimlinger. Wiesich manches in den Bereichen der universitären Ausbildungund der Rechtskultur international darstellt, behandeln derBeitrag der amerikanischen Rechtsprofessorin Susan Fortney,die als Fulbrightfellow einige Zeit an der juridischen Fakultät inLjubljana, Slowenien, verbracht und dort u. a. legal ethics gelehrthat, und das Interview mit Barbara Pusch, die über ihreErfahrungen und Eindrücke als österreichische, an der TechnischenUniversität Istanbul tätige Sozialwissenschaftlerinspricht.Derzeit steht die juristInnenausbildungnachhaltig unter einem Legitimationsdruckmit dem Label "Nützlichkeit".Ich sehe seit geraumer Zeit, dass dies eineHerausforderung ist, die durchaus sehrbelebende, positive Auswirkungen hat.Mühsam wird die Sache freilich, wenn dieKritikerInnen den Expertinnen des Lehrensund Lernens grundsätzlich deren Ex-pertise in Sachen Lehren und Lernen absprechen. In seinemArtikel geht Franz-Stefan Meissel auch auf diesen Zustand näherein und fordert, die aktuelle Debatte allseits unter demAnspruch der Redlichkeit zu fiihren.Wie einseitig und unbefriedigend die Diskussion derzeit oftläuft, kann auch am Beispiel der gegenwärtigen LL.M-Kultur gezeigtwerden. Postgraduale Studien an renommierten amerikanischenLaw Schools stehen bei ambitionierten jus-Absolventlnnenund bei Anwaltskanzleien, die sich mit Offenheit fiir Internationalitätprofilieren wollen, hoch im Kurs. Wenn ich hierim Zusammenhang mit dem LL.M.-Trend skeptische Bemerkungenmache, so geschieht dies ganz und gar nicht aus Skepsis gegenüberden postgradualen Qualifikationen - im Gegenteil, ichhabe über die jahre hin sehr viele Studentinnen zu solchenLL.M-Courses motiviert, sie in der Vorbereitungsphase konkretberaten, eine Legion von Empfehlungsschreiben verfasst, Stipendienauswahlverfahrenmitgemacht etc. Es ist meine Absicht,dies weiter zu tun, weil ich vom Wert solcher akademischerProgramme fest überzeugt bin.Zurück zum Nützlichkeitsparadigma, wie es heute häufigfiir die juristinnenausbildung propagiert bzw eingefordertwird: Das Paradigma sieht eine Gestaltung des Lehrens undLernens dahingehend vor, dass jede Investition prompt unddirekt - ohne weitere Lehr- und Lerninvestition - auf derEbene konkreter Erledigungen, also in der "Arbeitspraxis",umgesetzt werden kann. Dieses Ausbildungskonzept manifestierteine radikale Fokussierung auf das Können, also aufdie Beherrschung von Anwendungstechniken, während dasWissen - die Kapazität, das Können zu reflektieren - (bestenfalls)auf eine Sekundärposition reduziert ist.Gemessen an solch einem Utilitätsparadigma sindLL.M.-Ausbildungen schlicht nicht nützlich. Zwei Hauptgründelassen sich dafiir finden.Der erste Grund hat mit der Didaktik solcher LL.M.-Programmezu tun, die auf die Vermittlung von Uuristischen)Analysetechniken angelegt ist, auf den Erwerb der Fähigkeit,in komplexen Texten und Normszenarien Strukturen zu er-I


änden und in den Vorstandsetagen eine lebhafte Nachfragenach juristInnen mit LL.M.-Abschlüssen besteht.Haben wir es bei der LL.M.-Qualifikation also mit einemMythos zu tun, weil sie (vielfach) hoch geschätzt wird, obwohlsie (vielfach) nicht nützlich ist?LL.M.-Abschlüsse sind aus guten Gründen attraktiv. DieseAttraktivität besteht v. a. aus einem Kapital, dessen Rentabilitätsich häufig in indirekter Weise und zeitversetzt, übermittel- und langfristige Perspektiven verwirklicht. Knappcharakterisiert steht der LL.M.-Abschluss flir Folgendes: Sichein neues Umfeld zugetraut und sich in dem neuen Umfeldbewährt zu haben, und zwar in mehrfacher Weise - kulturell,sprachlich, akademisch, nicht zuletzt juristisch; die juristischeKapazität durch ein Training erweitert zu haben, das andereHerausforderungen kennt als die der standardisiertenösterreich ischen juristInnenausbildung, und v. a. die höchstwertvolle Erfahrung gemacht zu haben, dass einerseits juristischeMethodik allerorten <strong>recht</strong> ähnliche Regeln kennt, inhaltlichaber vieles nicht so durch "die Natur der Sache" odergar "Denknotwendigkeit" festgelegt ist, wie es im heimischenDiplomstudium suggeriert wurde.Ein Fazit zu diesen knappen Betrachtungen: Abgesehenvon der persönlichen Profilierung, die aus einem akademischenAuslandsaufenthalt zu gewinnen ist, liegt der professionelleGewinn einer LL.M.-Qualifikation in einem Gewinnvon "Wissen" - Wissen als Reflexionskapazität, vor allem alsjuristisch-methodische Intelligenz. Darin liegt die hoch geschätzte"Nützlichkeit" jener Qualifikation.In Anbetracht dessen erscheint es jedenfalls sehr verständlich,wenn ExpertInnen des Lehrens und Lernens, diesich engagiert mit den Anliegen der juristInnenausbildungauseinander setzen, abgeneigt sind, dem auf die Vermittlungvon "Können" und die Geringschätzung von "Wissen" ausgerichtetenUtilitätsparadigma zu folgen.An der Wiener Rechtswissenschaftlichen Fakultät lassensich (teils) günstige Bedingungen flir eine im besten Sinn "wissenorientierte",wertvolle und daher geschätzte Lehre finden:Es mag auf den ersten Blick etwas paradox klingen, aber neueMöglichkeiten der Öffnung ergeben sich - in thematischer wiein methodischer Hinsicht - auf einer Ebene von "Spezialisierungsprogrammen". Mit diesen "Spezialisierungsprogrammen"sind die sog. "Wahlfachkörbe" gemeint, in denen der Anspruchgestellt werden kann, verstärkt inter- und transdisziplinärzu arbeiten, und die auch Raum bieten, zu den grundlegendenKomponenten <strong>recht</strong>licher Phänomene vorzudringen.Noch zwei Fragen am Ende: Die Universitäten sollen effizienterwerden - fein, ich bin gern effizient, lieber bin ichnoch effizienter, am liebsten effizient in einem effizientenUmfeld. Freilich werden wir alle, die den Effizienzdiskurs betreiben(bzw mitmachen müssen), in Wahrheit eine Frage,die meist geflissentlich ausgespart wird, nicht los: quem adfinem - aufwelches Ziel hin sind wir effizient oder sollen wires sein? Und zweitens, wenn das gelingt, wozu man uns ohneviel Zimperlichkeiten vergattert, nämlich unseren Wohlstandzu erhalten (was ich grundsätzlich begrüße), ja zu steigern- nochmals: quem ad finem, oder: Wozu sind wir reich?Univ.-Prof. Dr. Nikolaus Benke, LL. M.,gehört dem Institut für Römisches Rechtder Universität Wien an.ÖsterreichischerA mtskalen deronline~;."l ~_I""n_ha_lt __.JjJ ~l: Bund. , • J t BU~desländerlOrtsve~,eichnis I ~Übersichten .1 ,;;...,....;,....__....JIDas online-Lexikon der Behörden und Institutionen ÖsterreichsInformieren Sie sich online über die Bundes-, Landes- und Gemeindebehörden und diezuständigen Beamten und Vertragsbediensteten:• Bundesregierung, 9 Landesregierungen, 2.359 Gemeinden• 25.000 öffentlichen Stellen und Institutionen• 150.000 Personen• Adressen, Telefon, Fax, E-Mail und InternetDie online-Version des Österreich ischen Amtskalenders besticht durch hohen Bedienungskomfort,zahlreiche Suchfunktionen und durch ein beeindruckendes Preis-/Leistungsverhältnis. Überzeugen Sie sich selbst:www.amtskalender.comZahlreiche Funktionen, wie Volltextrecherche, Namenssuche Wort-/lndexlisten undübersichtliche Menüs unterstützen die Suche. Im Ortsteil kann zusätzlich nachGemeindenamen, Postleitzahl und Gemeindekennziffer gesucht werden.Österreichische Amtskalender - als Buch, auf CD-ROM oder jetzt neu: online<strong>juridikum</strong> 3/01 verlaJ>sterreich Seite 141


themaWir, die wir Ende der 70er jahre in Wien zu studieren begannen,erkannten sie, diejus-Studentinnen und -studentenschon auf dem Weg zur Universität. In kleinen Gruppenstanden sie hinten auf der Plattform im Ak oder der Linie38. Die Frauen in Schotten- oder Faltenrock, rosa oder hellblaueBlusen, Oxford-Muster, die Beine in Burlington Kniestrümpfenund Mokassins mit Schnalle, Perlenstecker undkurze Perlenkette, Samthaarreifen bei entsprechender Haarlänge,jagdtasche selbstverständlich mit Steg, jägerleinenmanchmal, die Bücher und Skripten in der Hand mit Gummigürtelzu einem Paket verschnallt, Diorissima. Die Männer LaCoste oder Fred Perry, dunkelgrün oder dunkelblau, eng anliegendund in die Hose gesteckt, Lambswool-Pullover über dieSchultern und die Ärmeln vorne zugebun-den oder vor dem Bauch, die Ärmeln hintenzugebunden, jeans, selbstverständlich gebügelt,Wrangler oder Levis, mit Gürtel ochsenblutfarben,Etienne Aigner Schnalle, jägerleinenmanchmal, College-Schuhe, originalversteht sich, mit Schilling in der Lasche,Schultasche Schnürlsamt von Annabelleoder Lederaktentasche, klassische Ray-Banin Tropfenform, Eau Sauvage, beide Burberry oder Lodenmantelje nach jahreszeit, Schottenschal. Leupold, Landtmann,Haag, Billroth, Wandl, Heinz, Antiquitätenkeller, Batzenhäusl,Ruckenbauer, Monte, Krawa.Wir, die Geschichtestudenten und -studentinnen hatteneinen anderen Dresseode: kaum Röcke und wenn, sicher keineFalten, Hosen aller Art und aller Materialien, bevorzugt indisch,keine Blusen, Hemden der Väter, knielang, Leiberlnbunt, schlabberige kratzige Alpaca-Pullover in Weiss-, BeigeundBrauntönen, Kamele stilisiert, jeans- oder Lederjacke,Silberringe und lange, dünne, bunte Glasperlenketten, Politstickers,griechische Webtaschen, Collegeblöcke, Skriptenund Bücher in Leinentaschen oder Plastiksackerln, Patchoulli.Die Männer selten Hemden, wenn dann indisch ungebügelt,Leiberln aller Art, Pullover, Material und Design beliebig,jeans und andere Beinkleider, nur ja keine Marke, Nickelbrillea la john Lennon, beide Clarks, Cloggs oder Herrgottsschlapfen,Körpergeruch, beide Felljacke oder Friesenpelz jenach jahreszeit, indischer Schal. NIG-Mensa, Bücke Dich, Hellas,Stehbeisl, Baron Travnicek, Z-c;lub, Augustin, GärtnerinseI,Exil, Dechantlacke.Wir sind nicht nur wir und sie sind nicht nur sie, da gab esviele verschiedene Wir und Sie, bei denen, die Ende der 70erjahrezu studieren begannen.Nach der Ankunft am Schottentor trennten sich die Wegein der Universität. Sie gingen nach links über diejuristenstiege,wir gingen nach <strong>recht</strong>s über die Philosophenstiege. Gesehenhaben wir sie dann nur in der Universitätsbibliothek. Siesaßen im vorderen Teil des großen Lesesaals. Zu erkennenwaren sie, weil eine Fülle von Stabilo-Boss-Leuchtstiften -gelb-grün-blau-orange -, Bleistiften, verschiedenfarbigen Kugelschreibern,ein kleines Geodreieck und Bücher imManz'schen Rot, manchmal im Springer'schen Dunkelblau,auf ihren Plätzen lagen. Über die Bücher gebeugt, strichensie wie wild immer wie


ei Prüfungen mit Anzug und Krawatte, mit Rock und Bluseanzutreten hatten.Sie mussten auch Geschichte im Studium lernen; deutscheund österreichische Rechtsgeschichte, antike Rechtsgeschichtebeim Römischen Recht. Mit der Geschichte sei es in den 30-er Jahren vorbei, nein Nationalsozialismus, aber auch 2. Republikkommt nicht vor, feministische Frauengeschichte - wassoll das sein, mündliche Geschichte kann es doch nicht geben,Geschichte soll objektiv sein und die historische Wahrheitdarstellen, außerdem brauchen sie es später ohnehin nicht.Sie wussten, was sie werden wollten: Anwälte und Anwältinnen,Richter und Richterinnen, Universitätsprofessorenund -professorinnen, Staatsbedienstete. Arbeitsplätze gab esgenug und niemand warnte vor Arbeitslosigkeit, soziale Anerkennungund Verdienstmöglichkeiten waren gesichert.Wir wussten nur selten, was wir werden wollten, wir studierteneinmal: Lehrerinnen und Lehrer, Wissenschafter undWissenschafterinnen, Journalisten und Journalistinnenund ... 7 Arbeitsplätze gab es kaum und schon bei der Studienberatunghieß es, da gibt's keine Chance, das ist der Wegin die Arbeitslosigkeit, soziale Anerkennung und Verdienstmöglichkeitenwaren kein Ziel.Sie, die Männer wurden Universitätsprofessoren, Anwälte,Richter, Staatsbedienstete, die Frauen wurden selten Universitätslehrerinnen,sie wurden Richterinnen, seltener Anwältinnen,Staatsbedienstete. Wir, die Männer wurden nurselten Universitätsprofessoren, die Frauen noch seltener, esgab keine Planstellen, wir, die Frauen wurden nur selten Lehrerinnen,es gab keine Planstellen, die Männer noch seltener,wir, die Männer und Frauen wurden freiberufliche Wissenschafterund Wissenschafterinnen, externe Lektoren undLektorinnen, Journalisten und Journalistinnen, wir - undnicht nur sie - durften Staatsbedienstete werden.Wir begegnen einander nur selten in gemeinsamen Arbeitsweltenund wenn, dann oft misstrauisch und abwartend.Noch immer erkennen wir einander oft an der Kleidung, wieimmer ist ihre - wiewohl den Moden unterworfen - anlassadäquat.Wir streichen mittlerweile manchmal Texte mitLeuchtfarben an - unwillig, sie lesen mittlerweile alte Zeitungenund müssen manchmal in alten Akten recherchieren -unwillig. Sie brauchen doch immer wieder das Wissen überdie Geschichte, wir brauchen doch immer wieder das Wissenüber das Recht. Sie und wir haben verstanden, dass es unterschiedlicheInterpretationen von historischen Ereignissenund <strong>recht</strong>lichen Normen gibt - und doch, oft verstehen wirsie nicht und sie uns nicht. Wir können die Sicht der Geschichteimmer wieder revidieren, es gibt keine Instanzender endgültigen Urteile, sie können die Urteile und Erkenntnissenicht revidieren, es gibt die Instanzen, die endgültigeEntscheidungen treffen, sie können sie dann nur mehr interpretierenoder Gesetze neu schreiben.PS: Sie postulierten, sie seien nicht politisch, sie studierenja Jus, sie wählten mehrheitlichJES oder ÖSU. Wir postuliertenwir seien politisch, wir studierten ja Geschichte, wir wähltenmehrheitlich die Basisgruppen Gschichterl, Histl oder KSV.Eva Blimlinger ist Historikerin, externe Lektorin, Vertragsbedienstetedes Bundes und derzeit Forschungskoordinatorinder Historikerkommission der Republik Österreich. Siebegann 1979 an der Universität Wien zu studieren. Sie hates in den letzten zehn Jahren - in den meisten Fällen -schätzen gelernt, mitjuristinnen zusamm~nzuarbeiten.Die erste Adresse für online-Bestellungen! - Hier finden Sie über 2.500 Titel nationalerund internationaler Verlage zu allen Rechtsbereichen und noch viel mehr:Allgemeines RechtÖffentliches RechtStraf<strong>recht</strong>Zivil<strong>recht</strong>Handels- und Wirtschafts<strong>recht</strong>Steuer- und Abgaben<strong>recht</strong>Arbeits- und Sozial<strong>recht</strong>Internationales und EuropSichern Sie sich Ihren Informationsvorsprung mit der Express Zustellung der online­Buchhandlung mit dem umfangreichsten juristischen Lager:Wien: 3 Stunden, andere Bundesländer: 1-2 TageSuche im Online-Katalog - www.jurbooks.at!<strong>juridikum</strong> 3/01 verlaJ>sterreich Seite 143


eingebildete ausbildung - ausgebildete einbildungAs United States President George W. Bush was departingSiovenia after his June 2001 meeting with RussianPresident Vladimir Putin, I was packing for my own departurefrom Siovenia, the country where I spent five monthsteaching legal ethics. In reflecting on President Bush's visit inSiovenia and my own stay, I am struck by the value of bothvisits in forging relationships and fostering understanding.Now, I appreciate the opportunity to comment on my ownexperience, answering a number of questions related toteaching legal ethics. After reading this essay, readers canconsider their own answer to the question as to whether it is"educational malpractice" not to teach a comparative legalethics dass.'ing as a skill that can be developed. "We need to help studentsdevelop a vocabulary that will help them analyze thedifficult moral choices they will face in practice, and to developthe interpersonal and organizational skills to deal withdifficult situations in the workplace."4 By tackling difficultethical dilemmas during law school, graduates hopefully willenter law practice with the ability to identifY the ethical issues,to know what questions to ask, and possibly where togo for guidance.Second, ethics instruction recognizes that law graduatesmay receive limited formal guidance on ethics issues duringtheir practical training period. When training on ethics mattersdoes occur in legal practice, it tends to be random andWh at Brought a Texas law Professorto SioveniaThe logical starting point is to explain mypresence at the Law Faculty at the Universityof Ljubljana in Slovenia. My journey toSiovenia started two years aga when I exploredthe Fulbright Program, an exchangeprogram sponsored by the U. S. governmentand supported by participating countries. The Fulbright Program aims "to fostermutual understanding among nationsthrough educational and cultural exchanges."2Annually, the program publishes a listingof teaching and research positionsaround the world. In reading the descriptions,I was thrilled to learn that the preferredspecializations in Siovenia indudedlegal ethics, a course I love to teach.Is It EducationalMalpractice not toTeach ComparativeLegal Ethics?Why Teach legal EthicsFor decades the commonly held belief was that legal ethicstraining in law schools was unnecessary. This view appearedto be based on various assumptions. üne assumption was thatlegal ethics effectively amounts to making morally right orwrong choices. Essentially, the beliefis that students' moral fiberis established before they begin their legal education. Assarcastically stated by one critic oflegal ethics training, "Whatdo you do ... teach them not to steal."3 As suggested by thiscomment, the criticism is that legal ethics cannot be "taught"in law faculties. A different assumption is that law graduateswilliearn ethics and applicable codes of conduct once they entertheir period of practical training. Basically, the expectationis that in practice senior attorneys will impart to their subordinatesethical principles and standards. I believe that both ofthese assumptions do not fully appreciate the current realitiesoflaw practice and ethical decision-making.First, the formal study of ethics gives students an opportunityto be intentional in approaching ethical decision-maknon-systematic.Generally, attorneys tend to handle onlythose problems that arise in the course ofrepresenting specificdients. Moreover, supervising attorneys may not have thetime nor opportunity to effectively mentor legal trainees asproteges. In the U. S., increased pressure on supervising attorneysto generate revenue has led to a serious dedine in mentoringofjunior attorneys. Reports from practitioners in Europeancountries suggest a similar dedine in mentoring. Withthe dedine of mentoring in practice settings, a legal ethicsdass may be the only opportunity for law graduates to obtainstructured and comprehensive legal ethics training. Given thecomplexities of modern day law practice, such training providesthe necessary background for law graduates to handlethe array of ethical dilemmas that attorneys now encounter.A final reason for providing legal ethics training in lawfaculties is that it sends a powerful message. Requiring theformal study oflegal ethics communicates to students, practitioners,and the community that ethical decision-making isat the heart of practicing law as a public profession.üver twenty-five years ago, the American Bar Association(ABA) attempted to communicate this message when it man-1 See Mary C. Daly, The Ethicallmplications oftheGlobalization ofthe Legal Profession: AChallengeto the Teaching of Professional Responsibility inthe Twenty-First Century, 21 FORDHMJI INTERNA­TIONAL LAW JOURNAL 1239,1251 (1998) (boldlyasserting that it is "educational malpractice toignore the present and ever growing impact ofglobalization on the delivery of legal services").2 Fulbright Grant Program Fact Sheet, UnitedStates Department of State,http://www.unf.edu/dept;/scholar-programs/fulbright.html.3 Roland D. Rotunda, Teaching Legal Ethics aQuarter of a CentUlY After Watergate, 51 HASTINGSLAW JOURNAL 661,663 (2000) (citing a law schoolcolleague who ridiculed formal ethics instructionin law school).4 Kathleen Cla rk, Legacy of Watergate for LegalEthics/nstruction, 51 HASTINGS LAW JOURNAL 673,676 (2000). To illustrate her point that legal ethicstraining enables students to develop skills forpractice, Professor Clark argues that such trainingmay have assisted junior lawyers involved in Watergateby helping them develop professionalskills to deal with difficult situations where clientsand supervisors want assistance in illegal matters./d. at 674.Seite 144verlag,6sterreich <strong>juridikum</strong> 3/01


eingebildeteausoildung .... 'ausgebildeteEinbildung· ..dated ethics instruction in the professional responsibiIity ofattorneys. Largely, in response to the nu mb er of attorn eys involvedin the Watergate scandal,s the ABA in 1974 adopted anaccreditation standard for law schools. 6 Under this standard, alaw school can only earn accreditation ifthe school "requiresof all students ... instruction in the history, goals, structure,duties, values and responsibilities ofthe legal profession andits members, including instruction in the Model Rules ofProfessionalConduct ofthe American Bar Association."7How Legal Ethics Training Occurs in U. S. law SchoolsTo satisfy the accreditation requirement, schools generally providelegal ethics training in one oftwo ways. Ideally, the mosteffective method is to use a pervasive method ofteaching ethics,integrating legal ethics throughout the curriculum. Thec1ear advantage of this approach is that it addresses legal ethicsproblems in the context in wh ich problems occur. Unfortunate­Iy, the difficultlywith the pervasive method is that many professorsmay not be interested or prepared to weave ethics intotheir courses. Because ofthe difficulty and resistance to includingethics throughout the curriculum most U. S. law schools optto provide the ethics training in separate courses, typically calledprofessional responsibility or legal ethics.When such courses are taught the professor must decideon the subject matter and approach. U. S. law professorstend to use two pedagogical approaches to teaching legalethics. 8 One approach considers the subject matter from theperspective of moral philosophers, exploring issues relatedto the role and moral responsibility of attorneys.Although most ethics professors I know love to discusssuch issues, they tend to use a more practical approach toteaching their students. Largely due to the Iimited time andthe concern that students need exposure to ethics codes andproblems that they will face in practice, many ethics professorsrely on a regulatory approach. This approach focuses onapplicable ethics rules and other applicable law.Persons within the academy and the practicing bar havecriticized such emphasis on rules, believing that it has contributedto the legal profession losing its moral compass andaspirational goals. 9 They believe that the rule-based approachhas resulted in many U. S. attorneys equating ethicalconduct with compliance with the minimum rules necessaryto avoid disciplinary action. lU Therefore, the critics urge legalethics professors to explore with students the precepts oflaw as a public profession ll and issues related to moral responsibilityof attorneys.12Regardless of the pedagogical approach, one popularteaching tool is to rely on problems. Typically, such problemsrequire that students answer questions by applying ethicscodes and other law governing the conduct of attorneys.Personally, I modifY the problem-solving approach so thatstudents do not answer questions in abstract terms. Rather Iask the students to actually stand in the shoes of the attorneysin the problems by conducting role-plays based on thehypothetical situations posed. These kind of role-plays forcestudents to appreciate the fact that many dilemmas that attorneysmust deal with may not be resolved simply by referringto applicable rules or statutes, but that they requirecounseling skiIIs and various judgment calls. In order tomake those judgment calls, aspiring attorneys need to examinetheir own moral compass. Thus, role-plays can be effectivetools for discussing questions related to professionalismand moral responsibility of attorneys.Why Teach Comparative legal EthicsLegal ethics professors have begun to incorporate the studyof comparative legal ethics, considering transnational lawpractice issues. By exposing students t'Ü ethics issues relatedto cross-border law practice, ethics professors fulfill theirown professional responsibility in helping train global lawyersfor the twenty-first century. As stated by legal ethics expert,Professor Mary C. Daly, "Iaw schools owe an ethical obligationto their present students, the first generation ofglobal lawyers, to educate them to meet professional responsibilitychallenges they are likely to encounter in providingcross-border legal services."13With globalization of capital and financial markets Iinkingeven the remotest parts ofthe worId, cross-border practice isno longer Iimited to attorneys who handle private and pubIicinternational law matters. 14 Rather, attorneys on Main Streetin countries around the worId, as weIl as attorneys on WallStreet in New York City and in financial centres throughout, i • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • •S According to John W. Dean, 111, the formerWhite House counsel who blew the whistle inWatergate, "not less than 21 lawyers found themselveson the wrong side ofthe law." John W.Dean, 111, Watergate: What Was It? 51 HASTINGSLAW JOURNAL 609, 612 (2000). Mr. Dean offers"three underlying rationales that help explain themalfeasance by attorneys: an arrogant beliefthatthe law did not apply to them or that they couldcheat and get away with it; incompetence; andloyalty." Id. at 613.6 Mary C. Daly, The Dichotomy Between Standardsand Rules: A New Way of Understanding the Differencesin Perceptions of Lawyer Codes of Conduct byU. S. and Foreign Lawyers, 32 VANDERBILT JOUR­NAL OF TRANSNATIONAL LAW 1117, 1139 (1999).7 ABA Standards for the Approval of LawSchools, Standard 302(b), (2001)www.abanet.org/legaled/standards/html.8 See Daly, supra note 2, at 1257-58 (describingthe two goals of professional responsibility teachersas folIows: "to familiarize the students withthe specifie codes that govern the conduct of lawyers... and to explore a broad range of professlonalismissues, often against the backdrop ofphilosophie reasoning (e. g. the role of lawyers insociety, the nature ofthe search fortruth in an adversarialsystem of justice, the delivery of legalserviees, etc.)."9 See, e. g., Heidi Li Feldman, Codes and Virtues:Can Good Lawyers Be Good Ethieal Deliberators?69 SOUTHERN CALIFORNIA LAW REVIEW. 885,886-87 (1996) (comparing "technocratic lawyering"with genuine deliberations).10 At the ABA's 23'd National Conference on ProfessionalResponsibility held in 1997, the moderatorofthe panel discussion on The Model Rules ofProfessional Conduct: Have We Lost Our ProfessionalValues ca lied for "broader devotion to ethicsthan is stirred bythe Model Rules." ABA SpeakersDebate Proposals for Reshaping Ethics Rules, 13LAWVERS' MANUAL ON PROFESSIONAL CONDUCT(ABA/BNA) 158 (June 11, 1997).11 For example, Anthony Kronman, Dean ofValeLaw School, has ca lied for the rekindling oftheconcept of lawyer as statesman. ANTHONV KRON­MAN, THE LOST LAWVER 14-15 (1993).12 As stated by the authors ofthe text I used forthe Ljubljana ethics class, "If rules of lawyer discipline and malpractice are the only limit on whatlawyers and clients do (and we fear that this is increasinglythecase) -then we are in trouble."THOMAS L. SHAFFER & ROBERT F. COCHRAN, JR.LAWVERS, CLiENTS, AND MORAL RESPONSIBILlTV,Preface (1994). According to Professors Shaffer andCochran, their purpose in the book was "to seekout and examine the moral standards clients andtheir lawyers bring to the law office, to hold thosestandards up as better than the minimum lawyerstandards, and to identify a way that lawyers andclients can talk about and apply their standards inthe law office on ordinary Wednesday afternoons."Id.13 Daly, supra note 2, at 1249.14 Mary C. Daly, Thinking Globally: Will NationalBorders Matter to Lawyers a Century from Now? 1JOURNAL OF THE INSTITUTE FOR THE STUDV OFLEGAL ETHICS 297 (1996) (noting that telecommunieationsand technology advances that have Intlmatelylinked the remotest parts ofthe world are"here and improving every day."<strong>juridikum</strong> 3/01verla~sterreichSeite 145


themathe world, find' it necessary to consider cross-border and ethicsissues in representing clients. 15 Increasingly, lawyers representdiverse populations, including immigrants who maintainconnections to their homelands. 16 For example, a family lawyerin Vienna may need to understand the property and domesticrelations issues ofthe client-immigrant's homeland.Even if clients are not mobile, the Internet has connectedpeople around the world, resulting in legal entanglements. Thisis illustrated by the custody dispute over the twins adopted bythe couples in Great Britain and the U. S.Although the onlyconnectionthe couples shared was an Internet "adoption broker,"the couples became embroiled in a cross-border custody dispute.17 As a result, the attorneys for the couples, like the securitieslawyers handling international business transactions, mustund erstand the role and ethics of attorneys in other legal cultures,as weil as applicable substantive and procedurallaw. Thissuggests that the primary motivation for studying comparativeethics is client service and competence. 18At the same time, the study of comparative ethics helpsbridge cultural gaps.19 A study of the European Institute inFlorence on the state oflegal ethics in five European countrieshas recognized the importance of legal ethics in providing aparticular view oflaw and lawyers, as weil as the legal servicesmarket and the culture of the law. 20 Comparative study enableslawyers and law students to consider the extent towh ich they agree on core values and to appreciate that differencesoften turn on cultural differences. This is illustrated bydifferent perspectives on professional independence. Whilethe ABA Model Rules of Professional Conduct (ABA ModelRules) and various European ethics codes recognize the professionalindependence of attorneys as a core value, the conceptualizationofindependence varies. Under the ABA ModelRules the term "independence" is generally used to refer tothe attorney's duty to exercise independent professionaljudgment on behalf of clients, free from the control of thestate or third parties. On the other hand, under French professionalstandards, for example, "independence" includes independencefrom clients. 21 By examining such differences attorneysand law students around the world can learn from oneanotherwhile exploringthe adoption ofan international codeof ethics for cross-border practice around the world.2 2The adoption of the Code of Conduct for Lawyers in theEuropean Economic Community (CCBE Code) clearly demonstratesthat lawyers from different civil and common law legalsystems and backgrounds can reach some agreement on ethicalprinciples applicable to lawyers. 23 In European Unionmember states and various associate states the professionalauthorities responsible for lawyer regulation have adoptedthe CCBE CODE, specifying that it will apply to cross-borderpractice. This move is in stark contrast to the territorial trendin lawyer regulation in the U. S. As Europe moves toward transcendingnational borders, states within the U. S. continue tobe exclusionary, largely prohibiting lawyers licensed in onestate from practicing in another state where they are not licensedto practice. Now regulators in the U. S. are watchingthe European experience with an eye toward eliminating interstatebarriers to law practice within the U. S.24 Because itnow affects their pocket books, practitionerS' in the U. S. arejoining academics who are interested in easing restrictions oncross-border practice and studying comparative legal ethics.How Did I Structure the Comparative Ethics ClassOnce the practicing attorneys and academics recognize thevalue of studying comparative legal ethics, the next questionis how do you undertake the study. In organizing the ComparativeEthics course that I taught at the Ljubljana Law Faculty,I articulated a number of course objectives designed toexpose students to moral responsibility questions, as weil asregulatory issues. 25 With different regulatory topics, such asconfidentiality, we used a comparative approach, examining15 For a discussion of how globalization has"trickled down from 'Wall Street to Main Street'"see id. at 309. For examples of how solo practitionersand small firm attorneys provide cross-borderservices, see Mary C. Daly, Practicing Across Borders:Ethical Reflections for Small Firm and SoloPractitioners, 1995 THE PROFESSIONAL LAWYER 123.16 "Immigrants, even those who eventually becomecitizens, are retaining financial, cultural andpersonal ties to their countries of origin." Daly,supra note 2, at 1250-51.17 Sarah Lyall, Battle by 2 Couples to Adopt u. S.Twins Moves to Britain, New York Times, January18,2001, http://www.nytimes.com/2001/01/18/world/18ADOP.html (noting that the couples paidthe same adoption broker, resulting in an "extraordinaryinternational tug of war" revealing thevast difference between adoption laws.)18 As stated by Professor Daly, "Iawyers who engagein cross-border practice cannot competentlyrepresenttheir clients ifthey are unawarethattheforeign lawyers who are also providing legal servicesin the sametransaction, arbitration, or litigationare subjectto different or even conflicting ethicalnorms." MARY C. DAL Y, TRANSNATIONAL LEGALPRACTICE (forthcoming book) Chapter 5, at1.19 See Roger J. Goebel, Lawyers in the EuropeanCommunity: Progress Towards Community WideRights of Practice, 15 FORDHAM INTERNATIONALLAW JOURNAL 556,646 (1991-92) (urging thatcross-border legal practice be fostered because it"benefits clients, fa ci I itates U. S. - E. C. trade, andhel ps to bridge the cultural gap between diverselegal traditions.")20 DALY, supra note 19, Chapter 5, at 1-3 (quotingthe justifications for studying legal ethics advancedin the European Institute study set forth inAvrom Sherr, Dinners, library seats, wigs and relatives,41NTERNATIONALJOURNAL LEGAL PROFES­SION 5 (1997).21 John Leubsdorf, The Independence ofthe Bar inFrance: Learningfrom Comparative Legal Ethics, inLAWYERS' PRACTICE & IDEALS: A COMPARATIVEVIEW, John J. Barcelo 111 & Roger C. Cramton, editors,at 275, 280 (1999) [hereinafter A COMPARA­TIVE VIEWj. Similarly underthe Code ofConductforLawyers in the European Economic Community(CCBE Code), the attorney's identity is not collapsedintothe client's. Laurel S. Terry, An Introduction tothe European Community's Legal Ethics Code Part I:An Analysis ofthe CCBE Code ofConduct, 7 GEORGE­TOWN JOURNAL OF LEGAL ETHICS 1, 48 (1993). Rather,an attorney underthe CCBE Code maintains anindependent identity, having certain rights that donot necessarily derivefrom clients.ld. at 52'22 An English Barristerwho served as the First VicePresident ofthe Council ofthe Bars and Law Societiesofthe European Community asserts that ifthewill exists that a common international code canbe agreed upon based on theABAModel Rules, theJapanese Code, and the CCBE Code).John Toulmin,Ethical Rules and Professional Ideologies, in A COM­PARATIVE VIEW, supra note 22, at 377. 378-79.23 On October 28, 1988 the twelve member statesofthe European Economic Community adoptedthe CCBE Code. John Toulmin, A Worldwide CommonCode of Professional Ethics? 15 FORDHAM IN­TERNATIONAL LAW JOURNAL 673 (1991-92). Eventhe "title CCBE represents a compromise" becausethe initials "CCBE" were kept even after the nameofthe organization was later changed to Councilofthe Bars and Law Council ofthe Bars and LawSocieties ofthe European Community.ld. at note 1.24 As stated by John B. Harris, Chairman oftheAssociation ofthe Bar ofthe City of New YorkCommittee on Professional Responsibility, "Youlook at the experience in Europe and say, 'Whycan't that happen in the U. S.?'" Debra Baker, NewPush for Going Mobile, European-style cross-borderpractices may be the next big wave here, A. B. A.JOURNAL, July 1999, at 18.25 The following are the course objectives I communicatedto the students: (1) to examine the ethicalconcerns raised by the attorney-client relationshipand attorneys' role in society, (2) to provideeach student with an opportunity to studyand analyze scholarship, commentary and inter-disciplinaryliterature related to legal ethics,(3) to analyze ethical decision-making theories andapproaches; (4) to provide students an opportunityto examine his or her own beliefs and perspectivesand those held by other class members, asweil as those held by law students and attorneysin the U. 5., and (5) to give students the basicframework so that they know what questions toask in approaching ethical dilemmas.Seite 146verlaJ>sterreich <strong>juridikum</strong> 3/01


different provisions in the Code of Professional Conduct ofthe Law Society of Siovenia, the CCBE Code, and the ABAModel Rules. I was impressed on how the students appreciatedthat different approaches reflect economics, as weil as thecultural and political context in which professionals practicelaw and make decisions.I was also pleased to see how engaged the students werein the second portion ofthe dass devoted to exploring moralresponsibility of attorneys. On a weekly basis the law studentsat the Ljubljana Law Faculty and my horne law school inTexas completed readings relating to the role ofattorneys andmoral discourse with dients. 26 Then they would exchangeviews, addressing specific questions that I posed via e-mail. Inthe weekly dass meetings the students would explore whatthey learned from the exchanges. During the dass meetingsthe students also participated in exercises and role-plays.I also required that they interview a practitioner. The studentsshared their interview reports with their e-mail partners.This enabled the students to get perspectives of an attorneyin their own country as weil the views of an attorneyfrom another country. The students indicated that theyfound the interviews to be productive and insightful. A fewcommented that the interview exercise gave them a reasonto interview an attorney.The attorney interviews complemented the students'on-line chat with a "holistic" attorney. After they had read anartide on the attorney which induded his views on "therapeuticjurisprudence" they posed questions to hirn on thedass website. A number of students recognized the value ofthe exchange in giving them a perspective on how a goodperson can be a good lawyer.Wh at We Learned from the ExperienceThe comparative legal ethics dass proved to be a very meaningfulexperience for me as the course leader and hopefullyfor the students as participants. The students on both sidesof the Atlantic commented on how much they valued the opportunityto learn from law students and attorneys in a differentculture and legal system, as weil as those in their owncountry. The Siovenian law students realized that Americantelevision programs and movies do not provide a representativeportrayal of law practice in the U. S. The U. S. law studentswho te nd to know little about other legal systemslearned a great deal from personal communications with fu-ture attorneys in former socialist country with a civillaw system.In their final essays, many students noted on the extentto which their e-mail partners shared similar values andviews.The students also appreciated the reflection exercisesand questions. Many explained that they had gone throughtheir legal education spending little or no time seriouslythinking about their role and moral responsibility as attorneys.Given that students in civil law countries tend to pursuea legal education following secondary school, they canonly benefit from experiences that challenge them to considerattorneys' position as public servants. At the same time,the U. S. law students who had previously only taken regulatoryethics dasses blossomed in the exchanges. Some commentedthat they openly expressed themselves in e-mailcommunications, although they seldom spoke in their otherlaw dasses. Based on my experience in teaching the comparativelegal ethics dass I am resolved to create more opportunitiesfor students to reflect on moral responsibility and discoursewith dients.AChalienge for the FutureFor professors who are interested in offering a comparativelegal ethics dass, ample course material is now available. 27Regardless of the emphasis of the course, the Internet willcontinue to be a multi-faceted tool for exploring comparativeethics. By using the Internet and ot.her resources we cantrain our students as internationallawyers who are groundedin their own legal system and "particularly attuned to issuesthat may arise in other jurisdictions."28I hope that my reflections on teaching a comparative legalethics dass provide an impetus for law faculties who are consideringhow to train future attorneys for the challenges theywill face in the twenty-first century. As legal educators it isour responsibility to continuously re-examine our curriculumgenerally and the content of our courses specifically. By criticallyevaluating our students' needs and our teaching objectiveswe recognize our own professional responsibility asgatekeepers ofthe legal profession.Professor Susan Fortney teaches at TexasTech University School of Law; in 2001 shestayed as a Fulbright Scholar at the Universityof Ljubljana Law Faculty.. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .26 The readings principally came from LAWYERS,CliENTS, AND MORAL RESPONSIBILITY byThomasL. Shaffer and Robert F. Cochran, Jr. (1994).27 The following materials provide good suggestionsfor structuring a comparative legal ethicscourse: (1) the conference materials from theAmerican Association of law School and AmericanSociety of International Law Workshop on ShiftingBoundaries: Globalization and its Discontents, January4,2000; and (2) a Mary C. Daly article entitled,The Ethicallmplications ofthe Globalizationofthe Legal Profession: AChallenge to the Teachingof Professional Responsibility in the Twenty-FirstCentury, 21 FORDHAM INTERNATIONAL LAW JOUR-NAL 1239,1251 (1998).1 am happyto provide copiesofthese items as weil as my course syllabus.28 Emmanuel Gaillard, A Comparative Look at theRoles, Fundions, and Adivities of U. s. Lawyers andThose in Major European Countries, in A COMPAR­ATIVE VIEW, supra note 22, 221, 224.<strong>juridikum</strong> 3/01 verla~sterreich Seite 147


themaKürzlich hatte ich einen Traum. Er handelte von der Universität.Nun, das ist an sich nichts Neues - ich träumehäufig von meiner Arbeit. Von Prüfungen, Vorträgen, Tagungen,der Arbeit an Manuskripten ... Aber dieser Traumwar anders. Ich befand mich in südlichen Gefilden, da erschienmir ein Geist, der mir anbot, drei Wünsche zu erfüllen.Während ich noch dabei war, über meine Wünsche nachzudenken,ging mein Radiowecker an. Da erinnerte ich mich:ich hatte zugesagt, etwas zu schreiben über die Herausforderungender Bildung, das jusstudium heute und morgen, dieReform der Universitäten. Na ja, dachte ich mir, versuchenwir es einmal mit drei bescheidenen Wünschen.Zur "Krise" der UniversitätenZu den Paradoxa (dh den Erstaunlichkeiten)der letzten jahre gehört der Verlaufder Diskussionen über Bildung/Ausbildungim Universitätsbereich. Aufder einen Seite erfreut sich das Themazunehmender Aufmerksamkeit der Medien(der letzte OECD-Bericht schafftees sogar auf die Headline der Kronen­Zeitung), zugleich lassen die Stellungnahmeneinen eher diffusen Eindruckzurück, dessen kleinster gemeinsamerNenner in der Konstatierung eines "Reformbedarfes"besteht. Der Status quowird als unbefriedigend angesehen,über Ursachen des Übels und möglicheKuren besteht aber weit gehende Uneinigkeit.Ein seriöser Versuch einer Analyse unterbleibthäufig: Die Lage ist hoffnungslos, aber nicht ernst.Was als "Krise" der Universitäten beschrieben wird, dasumfasst ganz unterschiedliche Aspekte und unterschiedlicheEbenen. Zahlreich sind dabei die Widersprüche: Die einenbeklagen die statistisch festgestellte zu geringe Zahl vonAkademikerinnen, die anderen die schlechten Berufsaussichtenvon Absolventinnen von Massenstudien. Während aufder einen Seite die zulange Studiendauer kritisiert wird, findenviele Arbeitgeber, dass den Magistri und Doctores, dieihr Studium im Eilzugstempo hinter sich gebracht haben,häufig das nötige Gespür für "das Leben" und "die Praxis" abgehe.Über organisatorische Unzulänglichkeiten mag mansich einig sein, wer daran die Schuld trägt, darüber herrschtDissens: ist es für die einen die Unfähigkeit der Hohen Schulenzur Selbstverwaltung, geben die anderen dem Gesetzgeberund dem Ministerium die Schuld. Aus der Warte der Universitätslehrerlnnenklagt man über die mangelnde Autonomieder Universitäten, umgekehrt sehen andere gerade inder angeblich zu weit gehenden Freiheit der Universitätslehrerdas Grundübel. Während man im Zuge der "Studienverkürzung"im jus-Studium die nicht juristischen Fächer (Ökonomieund andere Sozialwissenschaften) eliminiert, beklagtman die mangelnde Wirtschaftskompetenz der juristinnenund fördert postgraduale Masters of Business Administration.Die Liste ließe sich noch bedeutend erweitern - entscheidendist, dass aufgrund divergenter Gruppeninteressen unddisparater Wertvorstellungen ganz Unterschiedliches unterdem Schlagwort "Krise" subsumiert wird: individuelles Versagen,strukturelle Gegebenheiten, außeruniversitäre Entwicklungen,Veränderungen im Bildungsideal. Der Versuch,diese verschiedenen Probleme jeweils im spezifischen enge-ren Kontext zu diskutieren und in der Diskussion herauszuarbeiten,inwieweit zB eine Organisationsreform der Universitätdaran überhaupt etwas ändern kann, wird jedoch tunlichstvermieden.Dieser Mangel an redlicher Problemanalyse beruht freilichnicht (oder nicht allein) auf mangelnder intellektuellerKompetenz der Akteure, sondern erfüllt für diese wichtigeFunktionen. Für die Medien etwa ist es leichter, einen Missstand(und damit einen medialen "Dauerbrenner") zu beschreiben,indem verschiedene, jeweils eingängliche Bildersuggestiv zusammengestellt werden: Negativdaten werdenso kumuliert, gleichsam Äpfel und Birnen addiert. Für Bildungspolitikermit Reformagenda, aber auch für "Sanie-Die Freiheit derUniversität undihre Fe i nd e oder: Drei Wünschean den Geistf'ranz Stefan Meisselrungsmanager" aus dem Lager der Universitätsverwalterstellt es wiederum eine Legitimation der eigenen Tätigkeitdar, das Objekt der Begierde als hilflos und reformbedürftigdarzustellen. (Erst wenn die Res publica in höchster Not ist,kommt es zum Senatus Consultum ultimum - nur bei Krankheit,braucht man einen Arzt usw.)Bescheiden, aber unrealistisch daher mein erster Wunsch:Redliche Problemanalyse im Detail statt pauschaler Diffamierung.Seite 148Von der Isierung des Rechts und des RechtsunterrichtsAls ich begann jus zu studieren, war alles noch ganz einfach.Man studierte Rechtswissenschaften, freute sich über die Tatsache,dass letztere im Plural gesetzt waren und damit vielfältigerund perspektivenreicher, als zunächst befürchtet.Man beklagte sich über dies und das, aber schaute getrostund zuversichtlich dem Tage der Sponsion entgegen. (Selbstverständlichbemühte man sich auch, da und dort über denZaun zu blicken oder gar eine Zeit lang ins Ausland zu gehen.)Fünfzehn jahre später scheint das schwieriger zu sein.Das Recht und die Rechtswissenschaft, sowie ihre Tochter,der Rechtsunterricht, haben einiges abbekommen. In rasantemTempo erlebten sie die "Europäisierung", die "Globalisierung",die "Privatisierung und Kommerzialisierung", die"Marketingisierung", sowie last not least die "Virtualisierung"als Herausforderungen. Alle diese Phänomene wurdenbereits vielfach beschrieben, sie können hier nur kurz angerissenwerden.Der EU-Beitritt Österreichs erforderte nicht nur eineVolksabstimmung und eine Verfassungsänderung, er verändertetatsächlich das tägliche Leben der juristinnen in diesemLand grundlegend. Zwar war auch schon davor ein relaverla~sterreich<strong>juridikum</strong> 3/01


-----------~~~eingEbiIQeteca.llsbildllng,~ausgebildete.·einbildtingtiv großes Interesse an Europa<strong>recht</strong> vorhanden, nun aberkonnte es sich kein Anwalt oder Richter mehr leisten, dieseszu ignorieren. Politische Schwergewichte (Stichwort: AusschreibungSt. Pölten) mussten ihre Lektion ebenso lernen,wie auch Erstsemestrige dem Begriff "Verordnung" eine weitereDimension abzugewinnen hatten. Langsam, aber dochtrat auch eine etwas größere Neugierde an Rechtsentwicklungenin anderen Ländern zutage. Der OGH öffnete sich zunehmenddem <strong>recht</strong>svergleichenden Argument (wobei diesmittlerweile bereits bedeutet, gelegentlich noch andereRechtsordnungen als bloß die deutsche mitzuberücksichtigen)und Anwaltskanzleien fanden Gefallen daran, in ihrenStellenangeboten ausdrücklich Juristinnen mit einem LL. M.zu suchen.Letzteres fUhrt uns schon zum nahe verwandten StichwortGlobalisierung. Die Übernahme zahlreicher österreichischerGesellschaften durch ausländisches Kapital einerseits,die Expansion in den "Neuen Osten" andererseits bliebennicht ohne Auswirkung auf die Praxis der <strong>recht</strong>sberatendenBerufe. Mergers and Acquisitions wurden zum Kernbereichvieler Wirtschaftsanwaltsfirmen. Der Ausdruck Law Firms istnatürlich mit Bedacht gewählt. In diesem Sektor des LawBusiness verschwand der Einzelne immer mehr hinter immergrößeren Organisationseinheiten, Einzelkämpfer wurdenrar: Teams von Spezialisten innerhalb immer größerer Partnerschaftenwurden da tätig, wobei die Größten ihrerseitsmit noch viel Größeren - Global Players - fusionierten. Mitder Sprache kam das Recht: sowohl was das Formelle (zB dieOrganisation der juristischen Arbeit) anbelangt, als auch wasdas Inhaltliche betrifft (zB die Rechtswahl) erwies sich dieGlobalisierung häufig als Amerikanisierung. Dementsprechendsuchte und holte man sich die juristischen Mitarbeiterinnennun am liebsten direkt vom Campus einer (natürlichmöglichst renommierten) Law School, admitted to the Bar inNew York (was bekanntlich nichts mit dem Drinking Age zutun hat).Money makes the World go around. Maastricht-Kriterienund der Siegeszug des Neo-Liberalismus fUhrten ebenfalls zugravierenden Veränderungen des juristischen Umfelds. Dieöffentliche Hand und die staatstragenden Verbände undKammern als wichtiger traditioneller Arbeitsmarkt derJus-Absolventlnnen fielen infolge von Aufnahmestopp undEinsparungsdruck zunehmend aus. Das Resultat davon war,dass in den "freien" Juristenberufen der Markt durch ein(zeitweiliges) Überangebot von Jung-Juristlnnen gekennzeichnetwar. Dies wiederum fUhrte zu schlechteren Berufsaussichten,schlechteren Gehältern und einem niedrigerenSelbstbewusstsein der Berufsanfängerinnen. Innerhalb kurzerZeit sprach sich das unter den Studierenden herum: Umeinen Job zu bekommen, genügt nicht nur das Diplom, manmuss vielmehr schnell studieren (wenn möglich ein Doppelstudiumin der Mindeststudienzeit), ohne LL. M. geht überhauptnichts usw. Dies wiederum übte Druck auf die Fakultätenaus: das Studium sollte kürzer dauern, der Stoff reduziertwerden, die Studierenden nur das lernen, was in ihrer BerufstätigkeitzB als Wirtschafts<strong>recht</strong>Ier unmittelbar verwertbarist usw. Der Zusammenhang von Recht und Ökonomie warnicht neu, der Alleingeltungsanspruch des Ökonomischenhingegen schon.Die Kommerzialisierung ("es muss sich alles rechnen","Profit ist das Wichtigste") ging in der Lebenspraxis auch derTheoretiker (zB hochkarätiger Rechtswissenschafter) mit derVerleugnung der Theorie (und somit einer Selbstverleugnungals Theoretiker) einher. Im mühsam erklommenenOlymp der Wissenschaft (" 10% Inspiration, 90% Transpiration",wie das einmal jemand ausgedrückt hat) reagierte manauf all das eher reflexhaft: man versicherte sich und einander,dass man grosso modo mehr Praktiker als Theoretikersei, fand in denen, die sich renitent zeigten, die willkommenenSündenböcke (die bekanntlich geopfert werden müssen)und bestätigte mit dem emphatischen Bekenntnis zur "Praxis"als neuem Paradigma, dass die eigene Tätigkeit als Theoretikereigentlich obsolet sei. (Die durchaus konsequenteFortschreibung dieses Gedankens besteht in der Tendenzdes neuen Dienst<strong>recht</strong>s an die Stelle des beamteten Universitätsprofessorsden Vertragsprofessor zu setzen: We hirethem, we fire them - wer zahlt, schafft an.)Zur Universität als Dienstleistungsbetrieb gehört eineweitere Anforderung an moderne Wissenschaft, die ich mitdem unschönen Ausdruck "Marketingisierung" bezeichnenmöchte. Um die eigene Forschungs- und Unterrichtsleistungam jeweiligen Markt (zB der Drittmittelforschung, der Forschungsförderung,sowie verschiedener Extrabenefizien desWissenschafterinnenlebens) entsprechend zu platzieren, genügtes längst nicht mehr, innerhalb der Scientific Communityzu überzeugen. Es erfordert - wie auch sonst am freienMarkt - Werbetechniken einzusetzen, die natürlich auf dasjeweilige Umfeld gemünzt sein müssen. "Heiße-Luft-Strategien"nennt man das etwa im Bereich .der Akquisition vonDrittmitteln. Waren früher Juristinnen mit der Dichotomievon Sein und Sollen beschäftigt, so geht es heute mehr umSein und Schein ersetzt. Marketing ist freilich nichts Böses:die Qualität eines Produktes soll entsprechend bekannt gemachtwerden und ohne Werbung verkaufen sich auch diebesten Sachen nicht. Dennoch ergibt sich die Gefahr, dass eszu erheblichen Fehlallokationen wissenschaftlicher Ressourcenkommt, zB wenn die ausgeklügelte Präsentation des Forschungsvorhabensmehr Raum einnimmt, als die dann erzieltenErgebnisse. Oder wenn die Selbstdarstellungsgabe imHörsaal zum alleinbestimmenden Kriterium der Beurteilungwird.Revolutionäres - man kann es ruhig so nennen - tat sichzur sei ben Zeit im Zuge der VirtualisierunglDigitalisierung/Computerisierungdes Arbeitsumfeldes (auch von Juristinnen).Das Informations<strong>recht</strong> entstand dabei als Querschnittsmaterieund lukratives zukunftsträchtiges Betätigungsfeld.Die Auswirkungen auf die juristische Rechercheund den Unterricht sind ebenfalls nicht zu unterschätzen.Kommunikation via Email, Informationsverbreitung überHomepages, studentische Diskussionsforen im Internet - alldas ist schon alltäglich geworden und bietet tatsächlich vielerleiinteressante Möglichkeiten. Trotzdem: Auch dieschnelle VerfUgbarkeit einer Entscheidung aus der Rechtsdatenbankersetzt nicht die kompetente juristische Analyse,die Email ersetzt nicht den persönlichen Kontakt in derSprechstunde, und das ZurverfUgungstellen von Arbeitsull"terlagen im Netz ersetzt nicht den Diskurs in der Übung oderim Seminar.Durchaus beachtlich sind all diese <strong>gesellschaft</strong>lichen Um·wälzungen des letzten Jahrzehntes und die daraus resultll'·renden Anforderungen an das Recht, die Rechtswissenschullund den Rechtsunterricht. Sie stellen Herausforderull!J,t'l1dar, bieten jedoch auch vielfältige Chancen. Als Rechtswls"sensehafterinnen sollten wir diese Herausforderul1!,(l'l1 1111'<strong>juridikum</strong> 3/01verla~sterreich


themanehmen, ohne aber unsere angestammten juristischen Kernkompetenzen,die in der Beherrschung anspruchsvoller juristischerMethodik, Systematisierung des Stoffes und theoretischerReflexion bestehen, zu vernachlässigen, oder gar überBord zu werfen.Ein sinnvoller Dialog erfordert, dass alle Teilnehmerinnenihren eigenen Standpunkt kennen und reflektieren. Auch fürdie jurisprudenz als Teil des <strong>gesellschaft</strong>lichen Diskurses hatdies zu gelten. Gefordert ist dabei die Gabe der Unterscheidung(zwischen längerfristigen Trends und kurzlebigen Moden)und die Gabe der Gelassenheit (um notwendige Veränderungenvorzunehmen, ohne aber Substantielles preiszugeben).Dabei muss aber die Freiheit der Wissenschaft alsgrundlegende Voraussetzung von Innovation und kritischerAnalyse gewahrt und geschützt bleiben.Mein zweiter Wunsch daher: Das sozio-ökonomische Umfeldder juristerei sorgfciltig zu beobachten, dabei aber dieAutonomie der jurisprudenz als Wissenschaft auf<strong>recht</strong>zuerhaltenund juristisches Selbstbewusstsein (wieder) zu entwickeln.Von der dignitas docendi et discendi (der Würde desLehrens und des Lernens)Mein dritter Wunsch ist vielleicht der unbescheidenste, er offenbartmich als Träumer und Utopisten: es ist der Wunsch,sich auch im Rechtsunterricht um die Würde des Lehrens undLernens zu bemühen.Die Geschichte des (Rechts-)Unterrichts ist eine lange undwechselvolle. Immer wieder gab es Zeiten und Kulturen, indenen Bildung und Wissenschaft kein hohes <strong>gesellschaft</strong>lichesAnsehen genossen. Umgekehrt war häufig Wissen undFachkenntnis ein Schlüssel für <strong>gesellschaft</strong>lichen Aufstiegund Macht. Auch für die nahe Zukunft sagen Expertinnenvoraus, dass Bildung und Forschung (auch im Bereich derRechtswissenschaften!) ein "Wachstumsfeld" und ein wichtigerParameter im Wettbewerb der Gesellschaften sein wird.Aber nicht um diese soziologische Perspektive geht es mirhier, oder zumindest nicht ausschließlich: der Status der Bildungin einer Gesellschaft wirkt sich natürlich auch im Statusder Lehrenden und Lernenden aus.Was ich mit der dignitas docendi et discendi ansprechenmöchte, betrifft mehr psychologisch~ Aspekte (den Umgangvon Lehrenden und Lernenden) sowie philosophische (dieNeugierde als Wesensmerkmal des Humanen).Im Nachrichtengeschäft der Medien wurde vor einigenjahren das Schlagwort "Infotainment" als Kreuzung von Informationsvermittlungund Unterhaltung geboren. Die Notwendigkeit,im Rahmen einer von permanenten optischenund akustischen Reizen geprägten Medien<strong>gesellschaft</strong> Informationenkürzelhaft einprägsam und dabei "unterhaltsam"zu transportieren, ist aber nicht nur im Fernsehstudio zu beobachtenoder bei zeitgeistigen Hochglanzmagazinen, sondernsie beeinflusst mittlerweile den Kommunikationsstil inallen Bereichen.Während viele ProfessorInnen noch davon ausgehen,dass die Studentinnen für ihre Motivation schon selbst aufkommenmüssten, sehen das die ZuhörerInnen im Hörsaalanders: Sie sind in einer Medien<strong>gesellschaft</strong> aufgewachsen,die durch Bilder, Videos, Computersimulationen usw geprägtist, in der die Aufmerksamkeitsschwelle auf dreißigsekündigeWerbespots ausgerichtet ist und in denen auch in Nachrichtensendungenkeine Angelegenheit (es sei denn Krönun-gen und Staatsbegräbnisse) länger als eine Dreiviertelstundeabgehandelt wird. Gemessen an der Harald-Schmidt-Showmuss sich ein Uni-Vortragender da ganz schön ins Zeug legen,um pointenmäßig nicht völlig abzustürzen. Der Auftrittvor dem akademischen Nachwuchs hat nicht nur sachkundig-informativund strukturiert zu sein, man hat vielmehr dasPublikum zu begeistern. Mit dem einen oder anderen Scherzzur Auflockerung ist es dabei nicht getan. Die Hörerschaft istanspruchsvoll: entweder eine High CI ass Performance oderzumindest der Prüfungsstoff in drei Stunden kompakt, ansonstenstraft einen das Auditorium mit Unaufmerksamkeitoder Abstinenz. Neben der Effizienz ("Wie viel von dem, waserörtert wird, kommt genauso auch zur Prüfung?") spielt alsoder Fun Factor ebenfalls eine nicht zu unterschätzendeRolle.Man mag all das normal finden ("Früher nannte man daseben Charisma.") oder es beklagen ("Es regiert die Oberflächlichkeitnun auch auf der Universität."), jedenfalls aber ist eswert, sich damit auseinander setzen. Dabei will ich keineswegsnur schwarzmalen. Was mich seit einigen jahren in diesemZusammenhang beschäftigt, ist die Positionierung derUni-Lehrer in diesen Gegebenheiten.Als Lehrender ist man zunächst einmal bemüht, all diesenAnforderungen gewachsen zu sein. Man versucht also, seineZuhörerinnen zu gewinnen und zu begeistern. Wer möchtenicht als glänzender Vortragender gelten, als animierenderDidaktiker? Dabei erweist es sich aber, dass Unterrichten einäußerst anspruchsvolles und anstrengendes Metier ist -kaum jemand wird bestreiten, dass man nach zwei Stundenim Hörsaal "geschafft" ist. Insbesondere diskursiv aufgebauteLehrveranstaltungen erfordern eine permanente Aufmerksamkeitund Konzentration: wie gelingt die Balance zwischenWissensvermittlung einerseits und der Anregung zukritischem Nachdenken, ja auch Infragestellen des Vorgetragenenandererseits. Wie schaffe ich es, den schwächeren Studierendeneine Orientierung zu geben und gleichzeitig diegut vorbereiteten und hochmotivierten StudentInnen nichtzu unterfordern. Wie gelingt es, innerhalb einer oft sehr heterogenenGruppe von Zuhörerinnen Spielregeln des gemeinsamenArbeitens zu entwickeln und durchzusetzen?All das ist schwierig. Aber es ist Teil, genuiner Teil derAufgaben von Professorinnen. Diesen Aufgaben nachzukommenerfordert allerdings - und das wurde in den letztenjahrenvielleicht zunehmend weniger ernst genommen - entsprechendeArbeitsbedingungen. Was meine ich damit? Nun,nicht bloß die Zurverfügungstellung entsprechender Sachmittel,von Dienstzimmern über die Bibliothek bis hin zurComputerinfrastruktur, sondern auch ein Klima der Kommunikationzwischen Studierenden, Lehrenden und den verschiedenenin der Bildungspolitik engagierten <strong>gesellschaft</strong>lichenKräften, das auf wechselseitigem Respekt aufgebaut istund dem wechselseitiges Vertrauen zugrunde liegt.Im Gegensatz dazu wurde in den letzten jahren aber bewussteine Antagonisierung der am Unterrichtsprozess Beteiligtenbetrieben: "Prüft die Prüfer, Schluss mit lustig, Wegmit der Pragmatisierung". Angebliche Privilegien der ProfessorInnenwurden an den Pranger gestellt, ohne dabei zu berücksichtigen,dass ebendiese zum Teil ihre guten Gründehaben: ob das die Abgeltung besonders hoher Prüfungsleistungenin Massenstudien sind oder die vorlesungsfreien Monate,die keineswegs einfach Urlaub darstellen, sondern fürPublikationstätigkeit, wissenschaftliche Veranstaltungen undSeite 150verla~steITeich <strong>juridikum</strong> 3/01


eingebildete.alJsbildlJng"":o;aus.gebildete.einbildung;;···· ..heit ftir das Neue (wobei das "Neue" auch in einer profunderenKenntnis der Vergangenheit liegen kann, wie ich alsRechtshistoriker hinzuftigen möchte). Dieses Interesse, derWunsch den Dingen auf den Grund zu gehen (zumindest eszu versuchen), das Bemühen um Erkenntnis (und zwar auchals Selbstzweck) - all das gehört aber zu Bildung.Erfreulicherweise sieht der neue Wiener Studienplan inKonkretisierung der neuen gesetzlichen Vorgaben ftir dasStudium der Rechtswissenschaften die Absolvierung vonWahlfächern vor. Im Rahmen der angebotenen juristischenWahlfächer besteht nun die Möglichkeit, sich im Hinblick aufeine spätere Berufspraxis spezialisiert vorzubereiten. DenStudierenden ist darüber hinaus aber auch die Freiheit gegeben,aus einem breiten und interessanten Angebot von interdisziplinärenVertiefungs- und Ergänzungsveranstaltungenzu wählen. Darin manifestiert sich ein Freiraum, der erfreulicherweiseauch von vielen Studierenden angenommen undgenutzt wird: Anstelle des Hetzens von Prüfung zu Prüfungergeben sich hier Gelegenheiten, in kleineren Gruppen entsprechendinteressierter Studentinnen jene Soft Skills (dieFähigkeit, sich mündlich und schriftlich prägnant auszudrücken,die Kunst der Argumentation, rhetorische Kenntnisse,aber auch einfach "soziale Intelligenz") zu schulen, die imspäteren Berufsleben oft wichtiger sind, als spezifische Detailkenntnisse.So können sich auch "Orchideenzüchtereien"als letztlich sehr sinnvolle Investitionen erweisen - ganz abgesehenvon der Schönheit dieser Blumen. Deshalb bin ichauch weniger pessimistisch als andere. Ich glaube nach wievor an den wichtigen Stellenwert universitärer Bildung.Mein Vater hatte ein ungewöhnliches "Hobby": Er studierte.Er studierte nicht nur, um seinen Berufzu erlernen (erwar Arzt), er studierte auch später noch, weil er es als Glückempfand studieren zu dürfen - an einer freien Universitätstudieren zu dürfen. Dass diese Freiheit des Studierensnichts Selbstverständliches ist, war meinem Vater, der 1939in einem totalitären Regime maturiert hatte und anstelle desStudiums zunächst in die Wirren des Zweiten Weltkriegs gezogenworden war, immer bewusst. ("Aude sapere", "Wagezu wissen" schrieb er in viele seiner Bücher - darin klingtauch die Bedrohtheit und Bedrohlichkeit von Wissen an.)Wahrscheinlich habe ich von ihm meine - vielleicht naive -Hochachtung ftir die Universität als Bildungseinrichtung geerbtund die Überzeugung, dass ein Studium auch als SelbstzweckBe<strong>recht</strong>igung haben muss.Die Würde des Forschens und Unterrichtens hängt auchdavon ab, dass ein gewisses Maß an Muße vorhanden ist,welche Reflexion und in der Folge die spezifische Qualität(des Denkens, Schreibens, Vermitteins) ermöglicht. Manmuss sozusagen (vgl Newton) auch träumen können an derUniversität."Macht Ihnen das Unterrichten Freude?" Diese Fragestellte mir ein Student bei meinem Habilitationskolloquium.Ich träume davon, sie auch in Zukunft bejahen zu können.Dr. Franz Stefan Meissel ist ao. Professoram Institut für Römisches Recht undAntike Rechtsgeschichte.fachliche Fortbildung dringend benötigt werden. Das Gegeneinanderausspielenvon Professorinnen, Assistentinnen undStudentinnen erftillte dabei vielfältige politische Zwecke.Im Zuge der Reformdebatten ging es im Übrigen selten umdie Qualität des Unterrichts, viel häufiger um quantifizierbarestatistische Größen. Das Bemühen vieler Uni-Lehrerinnen, diean sie gestellten Aufgaben in Forschung und Lehre zu meistern,wurde dabei im besten Falle als gegeben vorausgesetzt,häufig dagegen ignoriert und verschwiegen. Für zukünftige"Leistungsvereinbarungen" zwischen Universität und Staatwird es auf Zahlen ankommen - der Input an Ressourcen wirdin Verhältnis gebracht zum Output an Absolventinnen. Dabeiwerden sowohl die Studierenden als auch die Lehrenden zuquantitativen Größen reduziert; das Individuelle verschwindetim Zahlenwerk des Wissenschafts-Controlling.Sowohl Studierende als auch Lehrende sollten die Gefahrendieser Dynamik erkennen: Die Verobjektivierung im Wegeder Statistik impliziert eine gewisse Degradierung zu Objektenvon Bildungsstrategien. Der Tendenz zur Rationalisierung(im Sinne von ratio = Rechnung) müsste mit einer Renaissanceder Universitätsidee unter Einforderung desRechts auf Individualismus und Pluralität entgegengetretenwerden. Ansonsten droht ein bildungsmäßiger Supermarktgenormter Einheitsgrößen: kommerziell vermarktete Bildungs-Software,die vorgibt, den persönlichen Kontakt undden persönlichen Austausch substituieren zu können Oedenfallsaber einen höheren Per-capita-Ertrag zu garantieren).Ein positives, anregendes Bildungs- und Forschungsklimabedeutet also mehr als das bloße Einräumen ausreichenderFinanzmittel. Es würde voraussetzen, dass Wissenschaft undBildung <strong>gesellschaft</strong>lich wahrgenommen und gewürdigt werden.Es würde aber insbesondere auch voraussetzen, dassdie in Forschung und Lehre Involvierten Bildung schätzen (dhin ihr einen "Schatz" sehen) - oder anders ausgedrückt: Bildungeinen Eigenwert zuerkennen, welcher unabhängig istvon sofortiger unmittelbarer "Verwertbarkeit". Die Würdeder Bildung ist ein Teil der Würde des Menschen.Die Veränderungen in unseren östlichen Nachbarländernhat in diesen ua auch eine samtene Revolution der Juristenausbildungennach sich gebracht. Kontakte mit FachkollegInnenaus diesen Ländern, va aber auch Vortragseinladungenan die Universitäten Brünn und Laibach haben es mir ermöglicht,diese Entwicklungen ein wenig zu beobachten. Bei meinenBesuchen an juristischen Fakultäten in Tschechien undin Slowenien hatte ich das Geftihl einer echten Aufbruchsstimmung.Das Interesse an einer juristischen Ausbildung istin diesen Ländern offenbar sehr groß, nur ein Bruchteil derInteressentinnen können zum Studium aufgenommen werden,die Aufgenommenen erscheinen aber in hohem Maßetalentiert und motiviert zu sein. Das Interesse an internationalenEntwicklungen ist groß, die Bereitschaft, Fremdsprachenzu lernen weit verbreitet und der Umgang von Professorinnenund Studentinnen ein höflicher und amikaler. Natürlichhoffen die Studierenden auch auf gut bezahlte Jobs -ich hatte aber den Eindruck, dass sie sich darüber hinaus etwaserhalten haben, was mir in Österreich etwas verloren gegangenscheint: eine wache Neugierde, eine Aufgeschlossen<strong>juridikum</strong>3/01verla~sterreichSeite 151


themasammen. Mit der Gründung der türkischen Republik entwickeltesich einerseits eine westlich orientierte Elite. Diesestand den breiten konservativen Massen gegenüber. Wenngleichsich die Zweispaltung im Laufe der jahrzehnte etwasauflockerte, so blieb sie vor allem bis in die Achtzigerjahrebestehen. Ausschlaggebend flir die Teilhabe an Bildung warbis dato weniger das Geschlecht als die soziale Herkunft. Mitder allgemeinen Anhebung des Bildungsniveaus, dem Ausbaureligiöser Schulen, der Bildung von konservativen Gegenelitenetc. kam es diesbezüglich zu einem Wandel. Heuteist die Türkei von einem gegenläufigen Trend gekennzeichnet:Mit dem Wandel der türkischen Universitäten von ElitezuMassenausbildungsplätzen, der Gründung vieler Provinzuniversitätenetc. nimmt die Genderbenachteiligung an türkischenUniversitäten zu.Wie ist das speziell in Ihrem Aufgabenbereich, der technischen Uni?Allgemein stehen staatliche Universitäten, dazu zählt auchdie TU Istanbul, heute unter einem enormen Druck. Die staatteiligen.Aus diesem Grund wurde die Bildungder Frau seit der Gründung der Türkischen Republikgroß geschrieben. Nur ein Beispiel: Bereits1932 war der Frauenanteil unter Studierendenan türkischen Hochschulen in LiteraturundHumanwissenschaften rund 60%, in Naturwissenschaftenrund 20%, in Rechtswissenschaftenca. 10% und in Landwirtschaft ca. 9%.Aber nicht nur der Anteil der Studentinnenist/war in der Türkei hoch, sondern auch die Rateder Akademikerinnen liegt über dem europäischenDurchschnitt. 1986 gab es zum Beispielan türkischen Universitäten rund 20% ordentlicheProfessorinnen, 22% assoziierte Professorinnenund 27% Assistenzprofessorinnen.Wenngleich die Zahl in den letzten jahren leichtabnahm - die Gründung von Provinzuniversitäten, die im Allgemeinenein viel konservativeres Weltbild vertreten und Frauenvergleichsweise weniger Chancen einräumen - ist diese Zahl eineabsolute Traumzahl flir europäische Verhältnisse. Sie ist dieeine Seite der Medaille der geschlechtsspezifischen Unterschiedezwischen Türkei und Mitteleuropa, aber es gibt nochweitere: Türkeiweit sind 28% der weiblichen Bevölkerung über6 jahren Analphabetinnen. Und das Ausbildungsniveau der alphabetisiertenweiblichen Bevölkerung in der Türkei liegt bei21,6% ohne Abschluss, 60% Volksschulabschluss, 7,6% Hauptschulabschluss,8,2% Gymnasiumsabschluss und 2,6% Universitätsabschluss.Die berufliche Situation der türkischen Frau -wen wundert es - sieht dementsprechend trist aus: 39,3% derweiblichen Bevölkerung zwischen 12 und 65 jahren sind berufstätig,aber nur 25,5% davon werden flir ihre Arbeit bezahlt.Denn die Mehrheit der Frauen ist in Familienbetrieben tätig, indenen sie entsprechend der Tradition nicht entlohnt wird.Spricht man also vom Bildungsniveau der türkischen Frau, somuss man sich bewusst sein, es hier mit einer gigantischenSchere zu tun zu haben: Auf der einen Seite kann man von vielbesseren Chancen sprechen - die wenigen Frauen, die am Bildungssystempartizipieren können, werden weniger benachteiligt- aber auf der anderen Seite steht die breite Masse, derdie Ausbildung aus vorwiegend traditionellen Gründen verschlossenbleibt.Können Sie die Gründe dieser Schere kurz erklären?Die Ursachen flir diese enormen Unterschiede hängen mitden inner<strong>gesellschaft</strong>lichen Entwicklungen in der Türkei zu-Frau Dr. Pusch, wie ist die Universität in Istanbul eigentlich organisiert?Es mag ein Klischee sein, aber hier existiert die Vorstellung,dass dort nahezu nur Männer studieren und lehren?Das Klischee, dass in einem muslimischen Land wie der Türkeifast ausschließlich Männer studieren, ist alt und sehr verbreitet.Dennoch ist es falsch. Vor allem in der Türkei wurde dieBildung der Frau seit der Kulturrevolution von Atatürk, demGründer der türkischen Republik, immer sehr groß geschrieben.Die neue türkische Frau sollte dieser Vorstellung nach modernsein. Die Modernität bezog sich einerseits auf ihr Äußeres- Schleier, Kopf tuch, Pluderhosen und andere typisch traditionelleAccessoires der muslimischen Frau sollten durch Lippenstift,Stöckelschuhe und westliche Mode ersetzt werden. Geradein dieser Zeit wurden aber nicht nur Äußerlichkeiten reformiert,sondern den Frauen wurden auch neue Rollen zugeschrieben.Neben ihrer klassischen Rolle als flirsorgende Mutterund verständnisvolle Ehefrau sollte die moderne Türkin der30er jahre sich auch am Aufbau des neuen Nationalstaates be­Weniger dasGeschlecht als diesoziale Herl


eil'lgebildete.ausbildung.··· .... ·· ausgebildete einbildungDiese Studienplanveränderung beruht auf der Annahme, dassTechnik nur dann innovativ, d. h. auch erfolgreich sein kann,wenn man als sozialer Mensch an dieser Welt partizipiert. Vondieser Annahme scheinen weite Kreise an der TU lstanbul sehrüberzeugt zu sein, denn vor ca. 2 jahren wurde aus diesemGrund eine interdisziplinäre Abteilung für Human- und Gesellschaftswissenschaftengegründet. Die Abteilung ist noch imAufbau und besteht zurzeit aus einer juristin, einer Philosophin,einem Historiker und mir, einer Soziologin. jeder vonuns gibt sozialwissenschaftliche Kurse gemäß seiner Qualifikation.Darüber hinaus gibt es noch eine Reihe Lehrveranstaltungsleiter,die "von außen" verschiedenste Kurse anbieten.Für die nächste Zukunft ist eine inhaltliche und lehrauftragsmäßigeBeteiligung dieser interdisziplinären Abteilung bei einemDiplomstudiengang "Science-Technology-Society" geplantund in ein paar jahren sollen auch eigene Graduiertenkurseangeboten werden. Ziel dieser Diplomlehrgänge undGraduiertenkurse wird die Förderung der interdisziplinärenZusammenarbeit zwischen Technikerinnen und Sozialwissenschaftlerinnenauf akademischer Ebene sein. Wenngleich dieseKonzeption nicht von der Rektorin erfunden wurde, sondernin Ansätzen aus der USA übernommen wurde, erscheinenmir diese inhaltlichen Impulse sehr viel versprechend.Was unterrichten Sie dort? Wie wird es aufgenommen?Ich unterrichte an der besagten Abteilung Umwelt- undGeschlechtersoziologie. Und diese bei den Themen haben vonAnfang an ein bisschen für Aufsehen gesorgt. Denn von Geschlechtersoziologiehatten viele bis zu meiner Bewerbungnoch nichts gehört. Man verstand unter Geschlechtersoziologieetwas Anrüchiges und/oder total Sinnloses bzw. für dieUni Unpassendes. Allerdings stieß ich auch mit meinem zweitenSpezialgebiet, der Umweltsoziologie, nicht sofort auf Gegenliebe.Wir haben einen eigenen Studiengang für Umwelttechnikerinnen- so wurde argumentiert - wozu brauchen wirdenn eine Soziologin, die sich mit Ökologie nicht auskennt.Erst eine Kommission hatte dann meine Fachgebiete erklärt.Und so wie ich die Türkei kenne, hat dann erst das Argument,dass diese Fächer auch in der USA gelehrt werden, überzeugt... Wie auch immer, gerade ich mit meinen Themen bin nichtohne mit der Wimper zu zucken aufgenommen worden, sonderndies gelang erst nach einer guten Überzeugungsarbeitder Kommission ... Auf jeden Fall hatte das zur Folge, dassmich schon die halbe Uni kannte, bevor ich noch zu arbeitenbegann ... Obwohl man meinen Fächern gegenüber mehr alsvoreingenommen war, kann ich heute nicht von einer Benachteiligungsprechen. Im Gegenteil: Bis jetzt liefen mir ausschließlichinteressierte (oder oft auch: neugierige) Leuteüber den Weg. Für die meisten ist Geschlechtersoziologiewohl exotisch. Summa summarum herrscht jedoch eine positiveStimmung - und das ist eigentlich das Wichtigste. Ichglaube, wir sind als Exotinnen akzeptiert ...Welche Rolle spielt die Rektorin?All die Veränderungen an der TU-Istanbul mit dem Geschlechtder Rektorin zu erklären, erscheint mir persönlichnicht sehr sinnvoll. Ich denke, dass ihre Reformen vielmehr einAusdruck einer gewissen Geisteshaltung hier in diesem Landsind. Diese Geisteshaltung würde ich nicht unbedingt geschlechtsspezifischinterpretieren. Es geht dabei vielmehr umdie Vision im Zeitalter der wirtschaftlichen Liberalisierung,nicht alles Staatliche den Bach runter rinnen zu lassen, sonderndarum, konkret und aktiv am Aufbau einer modernen, säkularen,fortschrittlichen und westlichen Türkei mitzuwirken. Auchan der Geschlechtersoziologie an sich - so nehme ich an -hängt ihr Herz nicht ganz ausdrücklich. Ihr geht es - und auchdas ist natürlich nur mein persönlicher Eindruck - um mehrSchwung an der Uni, um eine Uni, an der geforscht und gearbeitetwird, die inhaltlich und methodisch westlichen Unis nichtnachsteht ... Ich glaube, dass sie meinen Fächern in diesem ZusammenhangBedeutung beimisst - frauenspezifische Aspektestehen in diesem Kontext vermutlich an zweiter Stelle.Spielen die Genderthemen in anderen Fachbereichen auch nocheine Rolle? Gibt es einen zu beobachtenden Trend hin zu mehr Genderdemokratie?Oder handelt es sich bei diesem Lehrstuhl um einmaligeExotik?Ich glaube nicht, dass Genderthemen sonst noch großartigan der TU Istanbul behandelt werden. Wenngleich es inder Türkei an verschiedenen Universitäten Frauenforschungsinstitutegibt, so gibt es die an der TU Istanbul nicht.Ich denke, man sollte in diesem Zusammenhang aber nichtunfair sein - an welcher TU in Mitteleuropa gibt es Geschlechtersoziologieüberhaupt? Welche TU widmet sichganz allgemeinen sozialen Fragen? Aus diesem Grund bin ichauch der Ansicht, dass man meine Lehrveranstaltung nichtabwertend als "einmalige Exotik" abstempeln sollte. MeinKurs bietet immerhin vielen die Möglichkeit, in diesem Bereichüberhaupt etwas zu machen.Wird die Art, wie Technik unterrichtet wird, von den Frauen alsAufforderung verstanden, sich dieses Studium mehr zuzutrauen?Ich denke, dass diese Frage zu sehr aus der österreichischenSituation heraus gedacht wird. Es gibt viele Frauen,die an der TU Istanbul studieren, und viele Frauen, die in denunterschiedlichsten Sparten auch "etwas werden". So istnicht nur eine Frau Rektorin, sondern auch andere SchlüsselsteIlensind von Frauen besetzt. Zum Beispiel ist eine FrauDekanin der Flugzeug- und Weltraumfakultät und eine andereFrau Direktorin des Sozialwissenschaftlichen Instituts etc.Um ehrlich zu sein, ich denke, dass diese Vorbilder wichtigersind als mein Unterricht. Dennoch glaube ich, dass mein Kursden Studentinnen die Möglichkeit bietet, über ihre Rolle alsFrau in der Gesellschaft nachzudenken - und die ist, wie gesagt,nicht in allen Bereichen rosig ...Wie stehen die Chancen in der türkischen Arbeitswelt, für Technikstudentinnenbzw. speziell für Frauen?Ganz allgemein glaube ich, dass Frauen hier ganz guteChancen haben, v. a. an der Uni haben sie mehr Möglichkeitenals in Mitteleuropa. Dies hat allerdings auch damit zu tun,dass die Uni auf grund der schlechten Bezahlung für viel Männernicht so attraktiv ist wie in Mitteleuropa. Ich denke, dassdas ein wichtiger Punkt ist, weshalb auch heute noch vieleFrauen den Weg zu einer Unikarriere vergleichsweise leichterschaffen. Aber andererseits sind Technikerinnen auch im privatenArbeitsmarkt integriert. Das heißt nicht, dass es keineUngleichheiten gibt. Gleiches Gehalt für gleiche Arbeit istauch ein Motto der türkischen Frauenbewegung. Und ich persönlichsehe natürlich auch so manche Unge<strong>recht</strong>igkeit.Was zum Beispiel?Zum Beispiel die fehlende Infrastruktur für Frauen mitKind ganz allgemein, vor allem aber auch kurz nach der Geburt.Karenz gibt es hier nämlich nicht, und der Mutterschaftsurlaubist genau 2 oder 3 Monate - also nicht einmalso lange, dass man eine relativ normale Zeit stillen kann, vonTeilzeitarbeit bis zu einem bestimmten Alter des Kindes etc.ganz zu schweigen. Das Resultat dieser fehlenden Bestimmungenist, dass viele Frauen nach der Geburt ihres Kindes<strong>juridikum</strong> 3/01verla~sterreiChSeite 153


themazu arbeiten aufhören ... Und dann beginnt bekanntlich eineganz Latte von Problemen.Hat das Programm Signalwirkung? Wird es evaluiert?Signalwirkung haben weder das gesamte Programm nochmeine Lehrveranstaltungen. Das hängt, glaube ich, aber damitzusammen, dass diese Art der Lehrveranstaltungen nochsehr neu sind, dass das Departement noch in seiner Gründungsphasesteckt etc. Das gilt auch flir die Evaluierung - zumindestoffiziell. Informell evaluieren wir unseren Unterrichtnämlich im Departement mittels zwei anonymen Umfragenzu Beginn und am Ende des Semesters. Letztes Semester istmein Kurs sehr gut angekommen. Ich hatte eine kleine Gruppevon höchst motivierten Studentinnen und Studenten. DiesesSemester habe ich viel mehr Studentinnen - das mag einErfolg sein, weil sich speziell der Kurs "Geschlechtersoziologie"herumgesprochen hat. Aber ich persönlich bin gar nichtso glücklich darüber, weil das Niveau sehr gesunken ist. Viele,die im Kurs sitzen, können mit der ganzen Thematik eigentlichnichts anfangen bzw. hatten ganz andere Vorstellungenund Erwartungen. Und da wird es dann oft mühsam.Schlägt Ihnen so etwas wie Ausländerhass entgegen?Nein, mit Ausländerhass habe ich hier nicht zu kämpfen.Es gibt zwar eine Menge an <strong>recht</strong>lichen Schwierigkeiten -z. B. gibt es flir Ausländerinnen keine unbefristeten Aufenthaltsgenehmigungen,zum Unterrichten brauche ich einespezielle Genehmigung etc. - aber das ist keine Ausländerfeindlichkeitin dem Sinn, dass man von Menschen als Ausländerinangemacht wird. Im Allgemeinen kämpfen Ausländerinnenhier mit <strong>recht</strong>lichen Problemen. Das ist schlimm genug.Besonders traurig finde ich in diesem Zusammenhang, dassflir die <strong>recht</strong>lichen Schwierigkeiten, die Ausländerinnen inder Türkei haben, hier überhaupt kein Bewusstsein herrscht.Viele sind über unsere mangelnden Rechte erstaunt, andereversuchen Erklärungen daflir zu finden und wieder anderefinden unsere Schwierigkeiten ge<strong>recht</strong>fertigt, weil Türkinnenin Mitteleuropa noch größere Probleme haben ... Allgemeinmuss man zum Thema Ausländerhass aber auch sagen, dassich als Österreicherin zu den "guten" Ausländerinnen in derTürkei zähle. Der Westen ist hier positiv besetzt und somitstößt man eher auf Interesse und Neugier und weniger aufnegative Geflihle. Angehörige anderer Nationen würden IhreFrage mit Sicherheit anders beantworten.Wie ist es mit Ihrer Bewegungsfreiheit an der Uni?Bewegungsfreiheit habe ich hier und nehme ich mir. Ichglaube, dass sich meine Lebensweise im Großen und Ganzennicht großartig von meinem Leben in Wien unterscheidet. Ichsage im Großen und Ganzen, weil ich mich a) konservativerkleide und b) so manche Kleinigkeit schon oft nervig genug ist... Aber um ehrlich zu sein, nervt mich auch diese Frage einbisschen: es klingt dann immer so, als wäre "bei uns zu Hause"(in Mitteleuropa) alles in Ordnung ... Natürlich ist hier vielesanders, aber dieses anders sein, bedeutet manchmal auchmehr Freiheiten, mehr Bewegungsfreiheiten. ()enn wenn manzur türkischen Gesellschaft nicht ganz dazugehört (sondernnur halb), dann kann man sich auch leichter über die eine oderandere Regel hinweg setzen, dann wird es leichter akzeptiert,dass man eben das tut, was man gerade flir richtig findet. Dashandhabe ich an der Uni genauso wie anderswo.Wir danken fiir das Gespräch!1010 Wien,Wollzeiie 16zwischen Rechtsanwaltskammerund HandelsgerichtDas Angebot der erstenAdresse für alle Juristen:- Recht & Steuernnationale & internationale Fachliteratur-Internet-Corneralle juristischen Internetangebote imVergleich- Juristische Kanzlei-Softwareunterschiedliche Software-Paketezum Testen- AnwaltsrobenVerkauf - Verleih - Maßanfertigung- ExklusivesGeschenke für JuristenLesebereich mit Clubatmosphäreund internationalen juristischenMagazinen.Montag bis Freitag 9-18 UhrSamstag 9-14 UhrBesteRIservice:Mail: order@jurbooks.atWeb: www.jurbooks.atTel.: 01-5124885Fax: 01-5120663Expreß-ZustellungWien: 3 Stunden,andere Bundesländer:1 bis 2 Ta,geSeite 154verla~sterreich j uri d ikum 3/01


korrespondenzKorrespondenzZu <strong>juridikum</strong> 2.2001,95-100,Loredana Cappelletti, ,Auf den Spurendes etruskischen Rechts';sehen" Könige mit der Vertreibung derPeisistratiden in Athen chronologischgleichzusetzen (-510/-509). Damitrückten die römische Ereignisgeschichteund - von ihr abgeleitet - auch dieRechtsgeschichte chronologisch viel zuhoch hinauf. In das dadurch entstandeneVakuum wurden von ihm aber auchvon späteren Autoren Dubletten, zumeistaber Dreifachüberlieferungenspäterer Ereignisse, Verhältnisse undPersönlichkeiten interpoliert. Die Ergebnisseder Forschung seit BartholdGeorg Niebuhr unterstützen eine Auffassung,wonach die etruskischen Könige,die über Rom geherrscht haben,zwischen den Jahren -470 und -450vertrieben worden sind. Im Rahmendieser Auffassung steht außer Zweifel,dass einer der ältesten Rechtssätze ausdem italischen Bereich auf einen etruskischenKönig zurückgeht. Es handeltsich um die Foruminschrift unter demlapis niger aus dem 6. oder beginnenden5. Jahrhundert (-) (CIL 12,1 = CILVI,36840 = ILS (Dessau) 4913), dessenerste drei Zeilen sich in dem Rechtssatzwiederfinden, der durch Warnfried(vulgo Paulus Diaconus, Festus,Pauli excerpta, p. 221 (Lindsay)) in modifizierterForm noch bewahrt ist. Die Inschriftist nicht etruskisch geschrieben,sondern in der Sprache, die damals inRom gesprochen worden ist. Bemerkenswertist auch Zeile fünf, wo von einemrex die Rede ist, der keinesfallsden rex sacrificulus oder rex sacrorumdarstellen kann, sondern sich auf dentatsächlichen etruskischen König bezieht.Auf diese "spur im <strong>recht</strong>", langevor der Fiktion der leges XII tabularum,die uns nur in der Version der tripertitaum das Jahr -194 bekannt sind, soll daherverwiesen werden.Dies meine Ergänzung; und fallsSie, sehr geehrte Damen und Herren,die Gefahr nicht scheuen, ein Diskussionsforumfür Althistoriker zu werden,würde es mich freuen, ähnlicheArbeiten bald wieder in Ihrer Zeitschriftzu finden.Mit freundlichen GrüßenDr. Gottfried SomekDank der Autorin, Frau Loredana Cappelletti,Dank der Redaktion der Zeitschriftfür diese "spuren im <strong>recht</strong>", zudenen eine kurze Ergänzung nötigscheint, welche die Bedeutung desThemas noch unterstreichen soll.Dabei ist von anderen chronologischenAnsätzen auszugehen, nicht vondenen, die der Vater der Annalistik, Q.Fabius Pictor, vorgegeben hat und dieerstmals von Barthold Georg Niebuhrum die Mitte des 19. Jahrhunderts inFrage gestellt worden sind. Q. FabiusPictor, -216 römischer Gesandter inDelphi, hatte, um eine zweite Front unterPhilipp V. von Makedonien gegenRom im Zuge des 2. Punischen Kriegeszu verhindern, unter anderem versucht,nicht nur die permanente defensiveRolle Roms hervorzukehren, sondernauch die Vertreibung der "römi<strong>juridikum</strong>3/01verJa~sterreichUrteilsdatenbank aller HöchstgerichteBundes<strong>recht</strong>Literatu rverzeich n is•Doku menten lieferd ienstÖsterreichischer Amtskalender•Sachverständ igenverzeich n ison I i ne-Meldeanfrage• Firmenbuch• GrundbuchVertragsmuster.jusline-pro.atSeite 155


nach. satzSchwarz - WeißDie Art des Denkens äußert sich in kleinenDingen. So ist es hierzulande üblich,dass ftir Plastiksackerl2-3 Schillingverlangt werden oder nicht seltenKetchup zum Toast extra verrechnetwird. Noch nicht lange ist es her, dassper Verordnung verboten wurde, ftir einenKlobesuch in einem LokalS Schillingzu verlangen, zumindest in derBundeshauptstadt. Auch die nackte Panikvor dem Davontragen der Einkaufswagerlnund deren gnadenlose Verkettungineinander ist nicht bloßer Zufall.Natürlich sind all diese Eigenheiten erklärbar,vermutlich ist der Firma Billaeinmal ein Wagerl gestohlen worden,oder ein Ketchup-junkie hat sich mitdem Zeug eingeseift, dennoch symbolisierendiese Kleinigkeiten etwas. Sie begleitenunseren Alltag und prägen unbemerktdas Denken und Bewusstseinwie ein Schrebergarten samt Gartenzwergdie Schreberln. Und sogar dieseUnterstellung kann schon Ausdruck einesDenkens sein, das vielen Menschendas Dasein in diesem Land bis zur Unerträglichkeiterschwert. Hier in der überwiegendenMehrheit jedoch vermutlichnicht den Schreberlnnen.Ein Beispiel ftir die visuelle Ausformungund Darstellung dieser Enge imKopf ist die aktuelle Spendenkampagneder Caritas. Für einen SpendenaufrufftirAfrika schauen sich zwei Frauenprofile,die eine europäischer, die andereafrikanischer Abstammung, an.Die Assoziationskette bleibt der Betrachterlnüberlassen, ist aber Indizoder besser erzeugt oben beschriebenesDenken. Freilich ist die Caritasüber den Zweifel der bösen Absicht erhaben,die erforderliche Sensibilität,die ja Türen im Kopf auch öffnen könnte,ist aber hier zu vermissen.Wohin zerebrale Trampelpfade ftihren,wissen jene TaxifahrerInnen inGraz, die das Pech haben, entwedernicht in Österreich geboren worden zusein oder (und) jene Hautfarbe zu besitzen,die einen Teil der ÖsterreicherInnenmental zu überfordern scheint.So wirbt dort ein Taxiunternehmen damit,dass es nur "inländische" FahrerInnenbeschäftigt.In diesem Sinne ist das Ergebnis jenerStudie erklärbar, die im vom VereinZARA (Beratungsstelle ftir Zeugen undOpfer von Rassismus) herausgegebenenRassismus-Bericht 2000 zitiertwird.Erwin Ebermann (Institut ftir Afrikanistik)hat 702 Wienerinnen und Wienernach ihrer Bereitschaft gefragt,hoch qualifizierte Arbeitsplätze an AfrikanerInnenund 6 weitere Zuwanderergruppenzu vergeben: ,,16,2% würdenAfrikaner dezidiert nicht ftir Topjobsberücksichtigen. Verglichen mit japanernwürde fast ein Viertel eher japanernals Afrikanern einen Topjob geben,obwohl beide Kulturen relativ unbekanntsein dürften. Eng mit der Abweisungdürften folgende weitere Vorurteilezusammenhängen (Korrelationen):A. Afrikaner gelten als wenig vertrauenswürdig.B. nur 26,1% haltenAfrikaner ftir fleißig. C. 21,2% würdenjapaner ftir intelligenter als Afrikanerhalten." In der Studie wurde auch praktischgetestet, ob die in den Umfragengeäußerten Vorurteile gegenüber AfrikanerInnensich bei der Stellenvergabezeigen würden: "Wir bewarben uns daherftir insgesamt 36 in Zeitungen ausgeschriebeneoffene Stellen mit gleichwertigenBewerbungen, einmal unterafrikanischen Namen, einmal unter einemösterreichischen Namen. Afrikanerwurden 13 x zum Vorstellungsgesprächeingeladen. Österreicher 23 x.Ähnlich beim Briefrücklauf: In 15 Fällenerhielten Afrikaner überhaupt keineAntwort, Österreicher wurden nur in6 Fällen ignoriert." Das bedeutet, dassbei AfrikanerInnen z. B. die Einstellungenbzw. Vorurteile von ArbeitgeberInnen(siehe Punkt A-C) schwerer ins Gewichtfielen als die bessere Qualifikation.Dass dies nicht alleine mit mangelnderBildung, Niveaulosigkeit, Primitivität,Dummheit, Ignoranz und Intoleranzzu begründen ist, beweist folgenderVorfall der im erwähnten jahresberichtbeschrieben wurde:Dr. L. versuchte, in Wien eine Ordinationzu eröffnen. Innerhalb von einigenMonaten wurden jene Schilder, dieauf seine Ordination verwiesen, mit antisemitischenParolen beschmiert undzerkratzt. Die beiden Täter, die erstnach Intervention des Forums gegenAntisemitismus von der Polizei festgenommenwurden, waren mittleren Alters,gut gebildet und mit hohem Einkommen.Dies zeigt, dass Rassismusund Antisemitismus nicht nur am Randeder Gesellschaft zu finden sind. Indiese Richtung weist auch folgenderVorfall: Eine 50-jährige Frau aus Nigeriamit guten Deutschkenntnissen hateinen Vorstellungstermin in der Feinkostabteilungeiner großen Supermarktkette.Als die Leiterin der Abteilungdie Frau sieht, meint sie: "Wennmir das gesagt worden 'wäre, dass sieaus Afrika sind, hätten Sie sich denWeg sparen können." Ihre Begründung:Sie hatten einmal eine schwarzeKollegin in der Feinkostabteilung, dieHietzinger Kundinnen hätten nicht beiihr gekauft und sich stattdessen ineiner Schlange bei der Inländerin angestellt.Frau K. rief nach diesem Berichtim Supermarkt an, die Begründungwurde bestätigt, die Feinkostleiterinentschuldigte sich und meinte, soseien die Hietzinger eben ...Richtungweisend gefordert wärehier eine Politik, die Integration, Aufklärung,Schulung und Bewusstseinsbildungals oberste Priorität sieht. Wasgeschieht, wenn in ausschließlichmarktwirtschaftlichen Kategorien gedachtwird, ließ und lässt sich in Englandbeobachten. Dort wurde und wirddie Rechnung ftir politische Versäumnissein Sachen Integrationspolitik gelegt.Wo der Level diesbezüglich hierzulandeliegt, bringt folgender Vorfallbeim Fußballspiel FC Blau-Weiß Linzgegen Lendorf (Kärnten) auf den Punkt.Nachdem es zu rassistischen Übergriffendes Kärntner Publikums gegen einenafrikanischen BW-Linz Spieler gekommenwar, <strong>recht</strong>fertigte sich einerder Täter damit, dass "sein Landeshauptmanndiesbezüglich hinter ihmstehen würde."Seite 156verla~sterreich <strong>juridikum</strong> 3/01


•J• •I I<strong>zeitschrift</strong> im <strong>recht</strong>sstaat ••••••••••••••••••••Erscheinungsweise: vierteljährlichThemen im Jahr 2001:Nummer 4/2001: Das Ende der KommunikationHerausgeberinnen:Univ.-Ass. Drin. Birgit Feldner, ao. Univ.-Prof. Dr. Alexander Somek, RA Univ.-Doz. Dr. Richard Soyer,RAin Drin. Maria Windhager rür Context - Verein fLir freie Studien und brauchbare Information,A-1 01 0 Wien, Kärntner Ring 6/MezzaninDas Redaktionsteam:Univ.-Prof. Dr. Nikolaus Benke, Dl: Sepp Brugger, RAA Dr. Daniel Ennäckl, Univ.-Ass. Dr. NikolausForg6, Univ.-Ass. Drill. Elisabeth Holzleithner, Mag'. Iris Kugler, Lukas Oberndorfer, Y.-Ass. Dr. FlorianOppitz, Mag". Martina Thomasberger, Ass.-Prof. Dr. Hannes Tretter, Univ.-Prof. Dr. Ewald Wiederinju~line.alDirekt zu Ihrem Rechtver1a~sterreichvormals Verlag derk. u. k. Hof- und Staatsdruckerey J .u~bQQ1's1010 Wien, Wollzeile 16•••••••••••••••••••••••••••••• 8& ••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••Ich bestelle das <strong>juridikum</strong>: (Seite einfach kopieren, ausfüllen und absenden!)Jahresabonnement zum Preis von a ÖS 360,- (Euro 26,16)Studentlnnenabonnement*) zum Preis von a öS 24°,- (Euro 17,44)Förderabonnement zum Preis von a ÖS 600,- (Euro 43,60)Es gelten die AGB des Verlag Österreich, Preisangaben ink!. MwSt, exk!. ATS 100,- (Euro 7,27) Porto und Versandkosten.*) Nur gültig bei Übersendung einer Inskriptionsbestätigung.AbsenderName/KanzleiTelefax: (01) 61077-589Verlag Österreich GmbH - VertriebRennweg 16A-1030 WienKontaktpersonStraßePLZ/ürtTelefonDatum/Unterschrift ................................................ .


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