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Zwischennutzungen - ZwischenZeitZentrale Bremen

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VorwortMartin Günthner auf dem Kongress der ZZZ, rbDemografie und Migration, wirtschaftlicher und sozialer Strukturwandel,rückläufige Bevölkerungszahlen, weniger junge und mehr alte Menschen,sich ändernde Anforderungen an den Lebensraum Stadt, Vernetzungmit der Region sowie Klimawandel fordern eine Neuausrichtung der bremischenStadtentwicklungspolitik entsprechend dem vom Senat beschlossenenintegrierten Leitbild „<strong>Bremen</strong>! Lebenswert – urban – vernetzt“.Vor diesem Hintergrund ist ein wesentlicher Schwerpunkt der bremischenGewerbe- und Stadtentwicklungspolitik die Entwicklung voninnerstädtischen Flächenpotenzialen. Die vielgestaltigen Umstrukturierungsprozessein einer lebendigen Stadt haben zur Folge, dass immer wiederleerstehende Gebäude und brachgefallene Flächen entstehen, die aneinzelnen Standorten teilweise nur zögernd vermarktet werden können.Diese partiell über Jahre ungenutzten Räume wirken dabei als Störstelle imStadtgefüge. Sie produzieren auf der Quartiersebene ein negatives Image,das Attraktivitätsverluste der Standorte bewirkt und deren Vermarktungerschweren kann.<strong>Zwischennutzungen</strong> haben sich in der Praxis als geeignetes undkostengünstiges Instrument zur Profilierung und Inwertsetzung von leerstehendenGebäuden und Brachflächen bewährt. Darüber hinaus werdendurch <strong>Zwischennutzungen</strong> vielfach wesentliche positive Effekte zur Förderungder Kultur- und Kreativwirtschaft in <strong>Bremen</strong> erzeugt. Insbesonderefür Gründungswillige der Kultur- und Kreativwirtschaft können geeigneteRäumlichkeiten in einem inspirierenden Umfeld mit den erforderlichenniedrigen Mietkonditionen angeboten werden. Vor diesem Hintergrundwar die Errichtung und Etablierung der ZZZ – <strong>ZwischenZeitZentrale</strong> zurFörderung und Initiierung von <strong>Zwischennutzungen</strong> in <strong>Bremen</strong> im Rahmendes durch das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklunggeförderten Pilotprojektes der richtige Schritt, um die aufgezeigten Effektezu generieren.Die nunmehr dokumentierten Erfahrungen des Pilotprojektes habengezeigt, dass <strong>Zwischennutzungen</strong> ein geeignetes Mittel sind, den aufgrunddes fortschreitenden Strukturwandels sowie der Auswirkungen des demographischenWandels zu erwartenden Anstieg der zeitweise oder auf Dauerminder- und untergenutzten Gebäude im Bremer Stadtgebiet positiv entgegenzuwirken.Martin Günthner, Senator für Wirtschaft, Arbeit und Häfen (SWAH)Vorwort5


ZusammenfassungDie <strong>ZwischenZeitZentrale</strong> (ZZZ) weckt seit dem 12. März 2010 schlafendeHäuser in ganz <strong>Bremen</strong> auf. Zu dieser Aufgabe gehört es, Objekte undpassende Nutzer aufzuspüren, Eigentümer zu beraten, Menschen zu vernetzen,Konzepte mitzuentwickeln und Nutzungen zu initiieren. Die ZZZ istAnsprechpartnerin, Vermittlerin, Kümmerin und Initiatorin für temporäreNutzungen auf Brachflächen und in leerstehenden Gebäuden. Ihr Schwerpunktliegt auf innenstadtnahen Lagen mit Büroleerständen, verlassenenGewerbearealen in der Peripherie <strong>Bremen</strong>s und Stadterneuerungsgebietenin verschiedenen Bremer Stadtteilen.Als Pilotprojekt der Nationalen Stadtentwicklungspolitik des Bauministeriumsarbeitet die ZZZ in enger Kooperation mit drei Bremer Ressortssowie städtischen Eigenbetrieben. Sie funktioniert wie eine Kommunikationszentrale.Sie verbindet das Netzwerk aus Akteuren des Zwischennutzungsmilieusmit öffentlichen Akteuren auf Senats- und Quartiersebeneund mit privaten Eigentümern.In der dreijährigen Pilotphase hat die ZZZ dreißig Zwischennutzungsprojekteauf den Weg gebracht und dabei gleichzeitig die Möglichkeitenvon <strong>Zwischennutzungen</strong> als Instrument der Stadtentwicklung erprobtund übertragbare Erkenntnisse für den bundesweiten Einsatz gewonnen.Die Projektspanne ist breit. Sie reicht von temporären Ausstellungenin Ladenleerständen über die Bespielung großer Brachflächen mit lokalenAkteuren bis zur langfristigen Nutzung eines Gewerbeleerstands für kollaborativesArbeiten. Die Nachfrage nach günstigem Raum ist so groß, dasssie das verfügbare Angebot an Leerständen um ein Vielfaches übersteigt.Durch beispielhafte und öffentlichkeitswirksame Projekte in der Stadt fördertdie ZZZ die Verbreitung und Anerkennung von <strong>Zwischennutzungen</strong>und trägt dazu bei, sie als nachhaltiges und partizipatives Instrument fürdie Stadtentwicklung zu etablieren.Die Öffentlichkeit hat in den vergangenen drei Jahren einen umfangreichenEindruck von der ZZZ gewinnen können. Lokale und überregionaleMedien berichteten intensiv über viele der begleiteten Projekte. DieBekanntheit der ZZZ hatte zahlreiche Einladungen zu Konferenzen und Veranstaltungenim gesamten Bundesgebiet und im europäischen Ausland zurFolge. Und nicht zuletzt bewerten Politik und Verwaltung die Arbeit der ZZZals so erfolgreich, dass sie die Förderung in den kommenden vier Jahrenohne Co-Finanzierung des Bundes fortsetzen werden. Die ZZZ wird folglichauch weiterhin vakante Orte in <strong>Bremen</strong> aufspüren, Akteure beraten, Räumevermitteln und Projekte initiieren.Zusammenfassung7


1 Einleitung –zwischen Nutzungenin <strong>Bremen</strong>Drei Jahre <strong>ZwischenZeitZentrale</strong> <strong>Bremen</strong> führten zu einem reichenErfahrungsschatz. Diesen Erfahrungsschatz möchte die ZZZ auchfür weitere Akteure nutzbar machen und ihre Erfahrungen als Handlungsempfehlungenan andere Städte weitergeben. Gleichzeitig will sieEntscheidungsträger und Zwischennutzer zum Nachahmen und Selbermachenmotivieren. Das Ende der dreijährigen Pilotphase bietet einen gutenZeitpunkt, ein umfassendes Resümee zu ziehen.Die Dokumentation setzt sich aus insgesamt fünf Teilen zusammen.Im ersten, allgemeinen Teil stehen die Stadt <strong>Bremen</strong> und das ThemaZwischennutzung im Vordergrund. Der Aufbau der ZZZ, die institutionelleVerankerung, ihre Aufgaben und die einzelnen Akteure werden im zweitenTeil vorgestellt. Wie bei der Arbeit der ZZZ liegt auch der Schwerpunktder Dokumentation auf den Projekten. Der dritte Teil gibt einen Überblicküber die Breite der <strong>Zwischennutzungen</strong> und zeigt Gemeinsamkeiten undUnterschiede sowie Erfolgsfaktoren. Die Ergebnisse und Erkenntnisse ausder Arbeit der ZZZ sind im vierten Kapitel zusammengetragen. Teil 5 gibteinen Ausblick. Zum Schluss erläutert Tom Lecke-Lopatta vom Senator fürUmwelt, Bau und Verkehr (SUBV) im Interview aktuelle baurechtliche Fragenim Kontext von <strong>Zwischennutzungen</strong>.„<strong>Bremen</strong>mausert sichzu einerStadt, die ihreigenes,spannendesNiemandslanderkundet.“Weser Kurier, 31.12.2011Einleitung – zwischen Nutzungen in <strong>Bremen</strong>11


<strong>Bremen</strong> – eine offene StadtDie Freie Hansestadt <strong>Bremen</strong> istdurch ihre Lage an der Weser, die Nähezur Nordsee und ihre Rolle als bedeutendeSeehandelsstadt geprägt. Die langgestreckteForm des Bremer Stadtgebietsüber 38 Kilometer entlang der Weser istauf die häufige Verlagerung der Häfen aufgrundder Versandung des Flusses zurückzuführen.Die wirtschaftlichen Aktivitäten derStadt sind bis heute stark auf den Handelund die Schifffahrt ausgerichtet. <strong>Bremen</strong>ist ein wichtiger Standort der Automobil-,Schiffbau-, Stahl-, Elektronik- und Nahrungsmittelindustrie.Die großen Pleitenin der Schiffbauindustrie (A.G. Weser 1983,Bremer Vulkan 1997) und die Verlagerungder stadtnahen Häfen waren starke Einschnitte,die die Stadtentwicklung und dieWirtschaftsförderung noch immer vor Herausforderungenstellen. Die hohe Arbeitslosenquoteim Nachklang der Pleiten unddes Strukturwandels konnte im Verlauf dervergangenen Jahre gemildert werden. Sieliegt heute dennoch knapp über 10%.Als bedeutender Dienstleistungs-JahrArbeitslosenquoteArbeitslosenquote <strong>Bremen</strong> (Agentur für Arbeit)JahrEinwohnerzahlstandort befinden sich viele Arbeitsplätzein Bürogebäuden in der Bremer Innenstadt.Die Außenbereiche und große Teiledes Weserufers sind auch weiterhin vonindustriellen und gewerblichen Aktivitätengeprägt. <strong>Bremen</strong> hat sich in den vergangenenJahrzehnten zu einem bedeutendenHochschulstandort entwickelt, an deman zwei Universitäten (Universität <strong>Bremen</strong>und Jacobs University <strong>Bremen</strong>) und zweiHochschulen (Hochschule <strong>Bremen</strong> undHochschule für Künste) knapp 30.000 Studierendeeingeschrieben sind.Nach einer langjährigen negativenEinwohnerentwicklung durch Suburbanisierungund Fortzug sind die Bevölkerungszahlenin den vergangenen Jahrenleicht ansteigend bzw. stabil gewesen.Auch für die kommenden Jahre sagenPrognosen eine beständige Bevölkerungsentwicklungvoraus. Auf dem BremerWohnungsmarkt zeichnet sich schon eineVerknappung des Wohnungsangebotes ab.1980 1990 2000 2005 20125,3 % 13,1 % 13,5 % 16,6 % 10,2 %1975 1985 1995 2005 2015*572.969 526.377 549.357 546.852 551.430Einwohnerentwicklung <strong>Bremen</strong> (Statistisches Landesamt <strong>Bremen</strong>, Bertelsmann Stiftung), * PrognoseLeerstandLeerstehende Etage in der Überseestadt 2012, dsDie in <strong>Bremen</strong> vorhandenen Leerständesind relativ heterogen. Einenbedeutenden Teil stellen die brachgefallenenFlächen in den stadtnahen Hafenrevierendar. Nach der Verlagerung vonHafenaktivitäten nach Bremerhaven ist inder Überseestadt 1998 ein komplettessanierungsbedürftiges Hafenbecken verfülltworden. Der Umbau des Hafengebietszur Überseestadt <strong>Bremen</strong> führt zu einemNebeneinander von altem Hafengewerbe,neuen Bürostandorten und modernenWohnnutzungen. Diese Entwicklungenbringen zahlreiche Veränderungen unddamit einhergehend viele Zeitfenster fürtemporäre Nutzungen mit sich.Auch an anderen Standorten in<strong>Bremen</strong> stehen industrielle oder gewerblicheNutzungen leer. Das Gelände der ehemaligenBremer Wollkämmerei im OrtsteilBlumenthal ist ein Beispiel für einen Leerstandeines nahezu gesamten Fabrikare-als. In älteren Gewerbegebieten befindensich ebenfalls vakante Räume (z. B. entlangder Bahnstrecken in <strong>Bremen</strong>-Findorff und<strong>Bremen</strong>-Walle). Singuläre Gewerbeleerständeergeben sich meistens aus einemgestiegenen Platzbedarf der Nutzer, wassich beispielsweise im Leerstand kleiner,innerstädtischer Tankstellen und Autohäuserzeigt.Eine weitere Kategorie sind LadenundBüroleerstände. Die zunehmendeTendenz zu großen Einzelhandelsclusternführte in vielen Stadtteilen zu Ladenleerständen,insbesondere in Stadterneuerungsgebieten.Büroleerstände sindhauptsächlich in Bauten der 1950er- und1960er-Jahre zu finden, viele davon liegenin der Bahnhofsvorstadt. Insgesamt ist derBremer Büromarkt nach Erhebungen derWirtschaftsförderung aber durch geringeLeerstandsraten gekennzeichnet, was füreine relativ bedarfsnahe Schaffung neuerAngebote spricht.Ein wichtiges Thema stellen dieLeerstände von Infrastruktur- und Versor-Einleitung – zwischen Nutzungen in <strong>Bremen</strong>13


gungseinrichtungen im Besitz der öffentlichenHand dar. Diese sind über dasgesamte Stadtgebiet verteilt. Sie konzentrierensich allerdings in Gebieten, in denenGrundstücke für öffentliche Baumaßnahmenbereits erworben wurden, der Abrissaber noch nicht erfolgt ist. Bei diesenLeerständen handelt es sich vor allem umehemalige Schulen, ehemalige Behördengebäudeund Sonderbauten wie z. B. einehemaliges Gefängnis. Für diese Gebäudesieht die Stadt in der Regel einen Verkaufbzw. Abriss vor. Die zeitliche Lücke bis zurVeräußerung oder zum Rückbau der Immobilienbietet Potentiale.Der Leerstand von Wohnimmobilienstellt nach den Abrissen ganzerWohnblöcke in den Bremer StadtteilenOsterholz-Tenever und Lüssum nur einenNischenbereich dar. Heute ist der Wohnungsmarktvielmehr durch einen Mangelgekennzeichnet, so dass es mit Ausnahmevereinzelter Stadtumbaugebiete und sogenannter„Schrottimmobilien“ nur wenigeWohnungsleerstände gibt.Ehemalige Gastwirtschaft in Huchting 2012, ds<strong>Zwischennutzungen</strong> in <strong>Bremen</strong>zer ihr Interesse an alten Hafengebäudenin ihrem Ist-Zustand. Künstler und andereZwischennutzungspioniere siedelten sichnach und nach in den alten Speichern an.2006 erwogen der Senator für Wirtschaft,Arbeit und Häfen und die Wirtschaftsförderung<strong>Bremen</strong>, <strong>Zwischennutzungen</strong> in derÜberseestadt durch eine professionelleUnterstützung zu fördern. Ein erstes Gutachtendes Büros BPW baumgart+partnerwurde in Auftrag gegeben. Dieses warschließlich der Auslöser für die Ausschreibungeiner Zwischennutzungsagentur, diezwischen 2007 und 2009 unter dem Titel„Landlotsen“ umgesetzt wurde.Die Landlotsen waren für Zwischennutzereine Anlaufstelle bei der Suchenach geeigneten Flächen oder Gebäudenin der Überseestadt. Auf diese Weisekonnten verschiedene Projekte unterstütztoder begleitet werden. Mit der Erstellungvon entsprechenden Verträgen und derErarbeitung von Studien und Gutachtenwurden schließlich die Grundlagen füreine stadtweite Zwischennutzungsagenturgelegt.Aufbauend auf diesen Erfahrungenerfolgte die Bewerbung <strong>Bremen</strong>s fürein Pilotprojekt der Nationalen Stadtentwicklungspolitikdes Bundesministeriumsfür Verkehr, Bau und Stadtentwicklung unddes Bundesinstituts für Bau-, Stadt- undRaumforschung. Unter der Trägerschaftdes Senators für Wirtschaft, Arbeit undHäfen zusammen mit dem Senator fürUmwelt, Bau und Verkehr und der Senatorinfür Finanzen sowie den stadteigenenBetrieben Immobilien <strong>Bremen</strong> A.ö.R. undWFB Wirtschaftsförderung <strong>Bremen</strong> GmbHkonnte die ZZZ am 1. September 2009 starten,um am 12. März 2010 schließlich operativihre Arbeit aufzunehmen.Unterstützt wurde die Einrichtungder Zwischennutzungsagentur auch vonden politischen Gremien der Stadt. Sohaben die oben skizzierten <strong>Zwischennutzungen</strong>ein politisches Wohlwollengefördert. Als Basis hierfür wurden <strong>Zwischennutzungen</strong>auch in der Richtlinie „ZurVermietung, Verpachtung und Zwischennutzungvon Immobilien des Landes undder Stadtgemeinde <strong>Bremen</strong> an Dritte“ vom7. November 2008 durch die Senatorin fürFinanzen festgelegt.<strong>Zwischennutzungen</strong> haben in<strong>Bremen</strong> eine lange Tradition. Schon dieBremer Stadtmusikanten waren im übertragenenSinne Zwischennutzer, sie schützteneine Immobilie vor Räubern und erfülltensich dort ein neues Leben. Ende des 20.Jahrhunderts gab es sowohl zahlreicheKonversionsflächen in unterschiedlichenStadtteilen als auch eine Nachfrage nachungewöhnlichen Räumen zu vergünstigtenKonditionen. Im ehemaligen Güterbahnhofhaben seit 1996 Künstler und Musikerihre Ateliers und Proberäume eingerichtetsowie Galerien und Veranstaltungsräumeein Zuhause gefunden. Temporäre Projektein Leerständen und auf Brachen wie„Sproutbau – Sommer im Beton“ 2007 inOsterholz-Tenever oder „AUFAUF – Aufeinandertreffenauf der Brache“ 2009 aufder Brachfläche hinter dem Güterbahnhofzeigten den Gestaltungswillen und Tatendrangvon Zwischennutzern auf. Viele Bremersind in hohem Maße interessiert, sichin die Diskussion um den Umgang mitStadtraum einzubringen.Obwohl die Stadt als Hochschulstandortviele Menschen ausbildet undüber hervorragende weiche Standortfaktorenverfügt, verlassen viele Absolventenauf der Suche nach einem Job die Hansestadt,anstatt sich in <strong>Bremen</strong> auszuprobieren,an innovativen Ideen weiterzuarbeitenoder Unternehmen zu gründen.Dem Verlust an Bewohnern, Wissenund wirtschaftlichem Potential entgegenzuwirken,ist erklärtes Ziel der Bremer Wirtschaftspolitik.Die Neugestaltung der altenHafenreviere zur Bremer Überseestadt lieferthierfür ein anschauliches Beispiel. ImRahmen des auf einen langen Zeithorizontangelegten Umbaus zeigte sich, dass eszum einen für viele Gebäude und FlächenPhasen des Übergangs ohne öffentlichePlanung und Vermarktung geben würde.Zum anderen bekundeten potentielle Nutb.a.l.d.2008 mit Marnic Circus Leuchtturm in der Überseestadt, ds<strong>Zwischennutzungen</strong>– Spezialistinnen für ÜbergängeIn vielen Städten werden <strong>Zwischennutzungen</strong>verstärkt als Potential für dieStadtentwicklung verstanden. In der Praxissind sie zunächst nicht auf Dauer angelegteAktivitäten in vakanten Räumen meistmit improvisiertem und experimentellemCharakter. Diese von Stadtbewohnern initiiertenProjekte auf Flächen mit geringemNachfragedruck oder mit zeitlichem Leerlauferfolgen üblicherweise zu vergünstigtenKonditionen. Die Nutzer nehmen dafüreine befristete Nutzungsdauer oder kurzeKündigungsfristen in Kauf.Typische Orte für <strong>Zwischennutzungen</strong>sind solche, für die es noch keinKonzept oder für die es zu herkömmlichenKonditionen keine Nachfrage gibt.Einleitung – zwischen Nutzungen in <strong>Bremen</strong>15


Temporäre Nutzungen können sich inunterschiedlichsten Räumen und Flächenbefinden: auf Baulücken, ehemaligenIndustriestandorten, aufgegebenen Infrastruktureinrichtungen,in leerstehendenLadenlokalen, Gewerbe- und Büroflächen,im Wohnungsleerstand oder Ähnlichem.„Diese Orte sind leer und neue Investitionendrängen nicht hinein. Sie sind deshalbphysisch und ökonomisch zugänglich fürNutzer, die anderswo in der Stadt keineRäume finden, weil man sie dort nichthaben will oder sie es nicht bezahlen können.“(Siebel 2008: 9)Die geringfügigen baulichen Veränderungen,die starke Einbeziehung dervorgefundenen Infrastruktur, die Benutzungvon gebrauchten Gegenständen, einprovisorischer Charakter sowie eine engeVerbindung zum jeweiligen Ort sind typischeMerkmale für <strong>Zwischennutzungen</strong>(vgl. SenStadt 2004: 17). Insbesonderesozialen Initiativen, Sport- und Freizeitgruppen,Künstlern und Existenzgründernbieten <strong>Zwischennutzungen</strong> Räume undPlattformen, um neue Ideen auszuprobierenund Stadt mitzugestalten. Sie zeichnensich durch eine offene und prozesshafteGestaltung aus, in der Provisorien undExperimentierfreude eine besondere Rollespielen und in der auch das Scheitern vonIdeen erlaubt ist.Die Formen von <strong>Zwischennutzungen</strong>sind sehr vielfältig. Die meistenProjekte lassen sich in die BereicheGastronomie und Gewerbe, Sport undFreizeit, Kultur, alternative Wohnformen,Gärten und Grünflächen einordnen (vgl.SenStadt 2007: 48). Durch den einschränkendenFaktor Zeit handelt es sich meistum Nutzungen, die mit wenig finanziellemKapitaleinsatz, häufig jedoch in hoherEigenleistung, zu verwirklichen sind.Die Akteure von <strong>Zwischennutzungen</strong>zeichnen sich durch eine hohe Experimentierfreudeaus. Sie haben sich oftnoch nicht beruflich etabliert und verfügenüber stärkere Zeit- als Geldressourcen. Ihre„<strong>Zwischennutzungen</strong>bieten dieChance,Neues auszuprobieren,sich auszutauschenundkönnen neueImpulse fürdie Stadtteilebedeuten.“Weser Report, 25.7.2010fi nanziellen Mittel reichen meistens nichtzur Verwirklichung ihrer Ideen zu marktüblichenKonditionen aus.Temporäre Nutzungen sind dasGegenteil des „Masterplans“. „Bottom-up“statt „Top-down“ steht bei <strong>Zwischennutzungen</strong>als alternative soziale Konstellationdes Planungsprozesses im Vordergrund(vgl. Haydn/Temel, 2004: 6).<strong>Zwischennutzungen</strong> sind Merkmaleeines alternativen Stadtplanungsverständnisses.„Ihre Integration in Planungsprozessesteht für Partizipation. Voraussetzungfür derartige Planungsabläufe ist allerdingseine do-it-yourself-Mentalität der Akteure,es geht nicht darum, auf Vorgaben derVerwaltung und Politik zu warten und zureagieren, sondern selber zu agieren.“(ebd.) Aus diesem Grund sind <strong>Zwischennutzungen</strong>sehr nah an den sich veränderndenBedürfnissen und neuen Trends derStadtbewohner dran. Der sparsame undschnelle Einsatz von Ressourcen ermöglichteine spontane Reaktion auf ökono-mische und kulturelle Veränderungen. „Ineiner Art urbaner Guerillataktik nutzen siesich auftuende Möglichkeiten und passensich veränderten Bedingungen an.“ (Oswalt2000: 66)Potentiale und Schwächenvon <strong>Zwischennutzungen</strong>Die Stärke von <strong>Zwischennutzungen</strong>liegt in ihrem wechselseitigen Nutzen fürEigentümer, Stadtentwicklung, Betreiberund Besucher. <strong>Zwischennutzungen</strong> sindfür ihre Initiatoren eine Taktik zur Verwirklichungihrer beruflichen oder privatenIdeen sowie zur Schaffung von Rückzugsorten.Für die Eigentümer sind sie eine Strategiezur Aktivierung von Leerräumen, zurDeckung der Betriebskosten, zur Gewinnungvon Zeit und ein Schutz der Immobilievor Vandalismus. Hoffnungen auf einenImagegewinn und eine höhere Chanceauf einen solventen Nutzer spielen für sieebenfalls eine Rolle.Zwischennutzung als eineinformelle Taktik kann insgesamt zuunterschiedlichen Impulsen für die Stadtentwicklungbeitragen: Sie kann zur Schließungvon Lücken in der Stadt, zur Öffnungungenutzter Räume für die Allgemeinheitund zur Entwicklung einer vielfältigenurbanen Kultur etwas beisteuern. Sie kannzu Standortaufwertungen einen Beitragleisten, einen neuen Umgang mit Unsicherheitermöglichen, zur Aktivierung lokalerPotentiale beitragen und Raum für Experimentebieten (vgl. Verein k.e.i.m. 2012).Vor diesem Hintergrund sind <strong>Zwischennutzungen</strong>in den vergangenen Jahren zueinem wichtigen Bestandteil von Stadtplanung,Kulturpolitik und Immobilienwirtschaftgeworden. Temporäre Nutzungenzeichnen sich letztlich darin aus, dass sieals Planungsinstrument Versuch und Irrtumerlauben. „Die Attraktivität ungenutzterRäume liegt zum einen in ihrer ökonomischenEntwertung, was sie somit auchinteressant für wirtschaftlich schwache Nutzungenoder Existenzgründer macht. Zumanderen bieten sie Platz für die Möglichkeitdes Unklaren: man kann scheitern, mankann naiv sein, man kann ausprobieren.“(Gallenmüller 2004: 39)Setzen Stadtverwaltungen undEigentümer <strong>Zwischennutzungen</strong> jedochrein strategisch ein und räumen den Nutzernzu kurze Zeiträume ein, können viele<strong>Zwischennutzungen</strong> ihre Potentiale für dieStandentwicklung nicht entfalten. Die Instrumentalisierungund Vereinnahmungvon Muskelkraft, Subkultur und sozialenNetzwerken für Aufwertungsmaßnahmenund Adressbildung schafft Unmutund Unzufriedenheit. <strong>Zwischennutzungen</strong>müssen daher sensibel eingesetzt undihre Nutzer nicht unnötig in Ungewissheitgelassen werden.Sproutbau 2007 in Osterholz-Tenever, dsEinleitung – zwischen Nutzungen in <strong>Bremen</strong>17


Umgenutztes Freibad der Tentstation 2009 in Berlin, soEine Retrospektive auf<strong>Zwischennutzungen</strong>Leerräume im Stadtgefüge sindkeine neuen Phänomene, sie begleitenStädte kontinuierlich, da diese schonimmer ökonomischen, gesellschaftlichenund politischen Veränderungenunterliegen. Wegen ihrer vermeintlichenökonomischen Schwäche waren <strong>Zwischennutzungen</strong>aus der Sicht der Stadtplanungals eigenständige Nutzungsform langeZeit nicht anerkannt und blieben daherunbenannt. Die zum Spielplatz umfunktionierteBaulücke hieß Bolzplatz, das nachund nach zum Kulturzentrum verwandelteSchlachthofgelände wurde einfachSchlachthof genannt.Die vormals negative Konnotationvon <strong>Zwischennutzungen</strong> ist daraus abzuleiten,dass temporäre Nutzungen meistensaus einer Mangelsituation entstanden undunmittelbar mit negativ wahrgenommenenVeränderungen oder mit Stagnation ver-bunden wurden. Die Nutzungen waren oftnur geduldet, sie sollten möglichst schnellwieder einer ökonomischen Verwertungunterzogen werden (vgl. Kohoutek/Kamleithner2004: 12).Die Termini, Zwischennutzung undtemporäre Nutzung, werden meist synonymgebraucht. Erst seit den 2000er-Jahren sind die beiden Begriffe imöffentlichen Diskurs auf die allgemeinetemporäre Nutzung von leerstehendenRäumen oder Flächen erweitert worden.Zwischennutzung bezeichnete bis in die1990er-Jahre ausschließlich eine temporärelandwirtschaftliche Nutzung einernicht für die Agrarwirtschaft vorgesehenenFläche, wie einen Park. Die Terminologie„temporäre Nutzung“ geht dagegen auf die„Situationistische Internationale“ zurück,einer Ende der 1950er-Jahre in Norditaliengegründeten kulturrevolutionären Avantgardebewegung.Da der zeitliche Aspektbei beiden Begriffen im Vordergrund steht,hat das Team der ZZZ die Bezeichnungsecond hand spaces eingeführt.„Second hand spaces schöpfenan vakanten Orten aus derAtmosphäre, den Spuren, denÜberbleibseln und der Geschichteder vorherigenNutzung. Ihre Akteure entwickelnaus dem Ort herauseine eigene Ästhetik, die durchEinfachheit und Improvisationengekennzeichnet ist. NeueIdeen werden ausprobiertund Überraschungsmomentein der Stadt geschaffen. Secondhand spaces entwickeln sichvor dem Hintergrund veränderterAnsprüche an Stadträumeund bieten bei geringer MietePlatz für Interaktion, Partizipationund Start-ups. Sie eröffnender Stadtplanung neue Handlungsansätzeund leisten gleichzeitigeinen nachhaltigenBeitrag zum städtischenWandel.“(Ziehl/Oßwald/Hasemann/Schnier 2012: 12)Einleitung – zwischen Nutzungen in <strong>Bremen</strong>19


die gesteckten Ziele erprobte. Die ZZZwar dem Handlungsfeld 5 „Städte bessergestalten – Baukultur“ zugeordnet. DieserHandlungsbereich zielt auf eine Stadt, diesich an den Bedürfnissen ihrer Bewohnerorientiert und die eine positive, aktivierendeIdentifizierung erlaubt. Die Umsetzungvon <strong>Zwischennutzungen</strong> als Methodeder Stadtentwicklung, die den Verfall vonGebäuden stoppt, die verlassene Ortebelebt und die Bewohner in der Gestaltungbeteiligt, bildet hierfür einen Baustein.Der regelmäßige Austausch mitVertretern des Bundesministeriums, desBundesinstituts sowie der weiteren fastSenator fürWirtschaft, Arbeitund Häfen80 Pilotprojekte zeigte unterschiedlicheLösungsansätze für vergleichbare Problemeauf. Organisatorisch wurde die ZZZdurch das „Urbanizers Büro für städtischeKonzepte“ im Auftrag des BBSR in ihrerArbeit unterstützt. In halbjährlichen Berichtenreflektierte die ZZZ.Nationale StadtentwicklungspolitikPilotprojekt der Stadtentwicklungspolitik desBMVBS / BBSR BerlinZieleAls Arbeitsgrundlage der ZZZ legtedie Stadt <strong>Bremen</strong> im Rahmen der Ausschreibungvier feste Ziele gegenüber derNationalen Stadtentwicklungspolitik fest.Die ZZZ soll organisatorische, räumliche,kooperative und ökonomische Neuerungendurch <strong>Zwischennutzungen</strong> anschieben.1 OrganisatorischVerbesserung von AbstimmungsundEntscheidungsprozessen zwischenden einzelnen Ressorts der Stadt <strong>Bremen</strong>und Implementierung dieser neuenAnsätze in die Verwaltungsroutinen.„<strong>Zwischennutzungen</strong>bieten dieChance,Neues auszuprobieren,sich auszutauschenundkönnen neueImpulse fürdie Stadtteilebedeuten“Weser Report, 25.7.2010Senator für Umwelt,Bau und VerkehrSenatorin für FinanzenImmobilien <strong>Bremen</strong>Wirtschaftsförderung<strong>Bremen</strong>LenkungsgruppeS.Gessner (SWAH)A.Jüngst (SUBV)T.Lecke-Lopatta (SUBV)A.Marti (SUBV)J.Abel (WFB)H.-G. Bruckhaus (IB)Organisationsstruktur der ZZZAbstimmungUrbanizers Bürofür städtische KonzepteBetreuungBeratungGesellschaft fürStadtentwicklung <strong>Bremen</strong>Haus und Grund<strong>Bremen</strong>BremerZentrum für BaukulturArchitektenkammer<strong>Bremen</strong>BeiratP.Kurzhöfer (GfS)B.Richter (Haus und Grund)E.Mattfeld (Architektenkammer)E.Syring (b.zb)2 RäumlichStädtebauliche Aufwertung undReaktivierung vakanter Räume durch <strong>Zwischennutzungen</strong>als strategischer Planungsansatzder Stadtentwicklung undWirtschaftsförderung.3 KooperativErprobung neuer Formen koordinierterZusammenarbeit privatwirtschaftlicherund öffentlicher Akteure im Bereichtemporärer Nutzungen.Bei der Umsetzung der Projektestehen für die ZZZ folgende Punkte im Vordergrund:– Menschen vernetzen und beteiligen– einen öffentlichen Raum schaffen– Qualitäten und Möglichkeiten imStadtteil aufzeigen– Identifikation stiften und Perspektivenschaffen– Akteure aus dem Quartier begeistern– möglichst längerfristige Aktivitätenanstoßen4 ÖkonomischReduzierung der laufendenBetriebs- und Instandhaltungskosten städtischerImmobilien durch Zwischennutzung.Haustüren und Zeitfenster öffnen – die ZZZ27


TeamHinter der ZZZ steht das AutonomeArchitektur Atelier (AAA) aus <strong>Bremen</strong> inKooperation mit Michael Ziehl (Hamburg)und Sarah Oßwald (Berlin). Zum AAAgehören Daniel Schnier (Dipl.-Ing. derFachrichtung Architektur) und Oliver Hasemann(Dipl.-Ing. Fachrichtung Raumplanung).Seit 2006 bieten die beiden UrbaneSpaziergänge an. Schon vor der ZZZ hattedas AAA temporäre Projekte in <strong>Bremen</strong>initiiert und begleitet (Sproutbau – einSommer im Beton 2007, B.a.l.d. – Bracheals lebendiges Dorf 2008, AUFAUF – Aufeinandertreffenauf der Brache 2009).Sarah Oßwald (Dipl.-Geographin) war Initiatorinund Mitbetreiberin des Berliner ZeltplatzesTentstation (2006-2011), MichaelZiehl (Dipl.-Ing. Fachrichtung Architekturund Master in Stadtplanung) ist Mitbe–gründer der Initiative „Komm in die Gänge“in Hamburg und Mitinitiator von Leerstandsmelder.de.Als aktive Zwischennutzer bringendie vier Praxiswissen und Netzwerke mit.Ihre Erfahrungen erleichtern ihnen dasInitiieren von Zwischennutzungsprojektenund das Begleiten von angehenden, nochunerfahrenen Zwischennutzern. Dabei istauch das Büro der ZZZ hilfreich. Es ist Teildes gewerblich zwischengenutzten ehemaligenZollamtes Hansator in der BremerÜberseestadt. Es bietet als Anlauf- undTreffpunkt einen inspirierenden Ort für Zwischennutzerin spe.Das ZZZ-Team 2009, © Cathrin Eisenstein


3Informativ, sozial,kulturell, ökonomisch,funktional – dieProjekte der ZZZDie Arbeit der ZZZ zeigt sich in insgesamt dreißig Projekten. Inrund dreißig Monaten hat sie unterschiedlichste <strong>Zwischennutzungen</strong>vermittelt, unterstützt und initiiert. Die Projekte lassen sich nach ihrerHauptausrichtung fünf Kategorien zuordnen: informativ, sozial, kulturell,ökonomisch und funktional. Vierzehn der Projekte werden hier in acht Portraitsexemplarisch vorgestellt.„Den Dingeneinen Raumgeben, die inder Stadtkeinen Platzfinden – dieserGedankeverbindet.“Weser Kurier, 18.8.2011Das Büro der ZZZ in der ehemaligen Zollabfertigung Hansator 2012, dsInformativ, sozial, kulturell, ökonomisch, funktional – die Projekte der ZZZ31


Gemeinsamdiskutieren– die Vortragsreihenund die Konferenzen35


Gemeinsam diskutieren – die Vortragsreihensprawling {adj} [of a city],Zwischenstationen für die Bahnhofsvorstadtund ProduktpaletteSüden vor, während Kil den Wachstumsgedankengenerell hinterfragte und Beispieledes „Liegenlassens“ und des Nichtplanensaufzeigte.Die drei vierteiligen Vortrags- undDiskussionsreihen sprawling {adj} [of acity], Zwischenstationen für die Bahnhofsvorstadtund Produktpalette warenjeweils in eine Zwischennutzung eingebundenund unterstützten die Projektemit theoretischem Input. Wie die Projektestanden auch die Veranstaltungsreihen inenger Verbindung mit dem Ort und seinemgesellschaftlichen und räumlichenKontext. Ziel der Veranstaltungen war es,die Projekte inhaltlich mit Expertenwissenzu unterfüttern, Besucher anzuziehen undeine breitere Diskussion anzustoßen. Diedrei Reihen wurden von der ZZZ organisiertund initiiert und durch die Rosa-Luxemburg-Stiftung<strong>Bremen</strong> finanziell unterstützt.sprawling {adj} [of a city]sprawling {adj} [of a city] war 2010die erste Reihe und gehörte zum ProjektRaumkante. In einem stark durch Verkehrbelasteten Wohnhaus in der Einflugschneisedes Bremer Flughafens nahmensich die drei Bremer Künstlerinnen KorneliaHoffmann, Patricia Lambertus und MarionLehmann dem Thema Verkehr und Leerstandan. Das gründerzeitliche Wohnhaushatte die Stadt für den Autobahnausbauerworben, aufgrund von Protesten musstedie Planung im Dezember 2010 allerdingsneu aufgerollt werden. sprawling {adj} [ofVeranstaltungsraum vor der Produktpalette 2012, soa city] nahm die Situation des Gebäudesund die Arbeiten der Künstlerinnen auf.Aus unterschiedlichen Perspektiven wurdendie Themen Verkehr und Wachstumbeleuchtet. Während die Bremer VerkehrsplanerinAnne Mechels die beleg- undmessbaren Auswirkungen von Straßenverkehrdarstellte, zeigte Stefan Bendiksaus Rotterdam die Visionen auf, die überdie Planungen hinausgehen und die eineAutobahn eher mit einer Emotion als miteinem Bauwerk gleichsetzen.Der Wechsel zwischen abstrakterund messbarer Wahrnehmung spiegeltesich in den Installationen im und denDemonstrationen vor dem Haus wider undwurde auch in den Vorträgen von BiancaUrban und Wolfgang Kil aufgegriffen.Die Abteilungsleiterin beim SUBV stelltedie laufenden Planungen für den BremerZwischenstationen für dieBahnhofsvorstadtDie Reihe Zwischenstationen fürdie Bahnhofsvorstadt fand in der Glasboxin der Bremer Bahnhofsvorstadt statt. Alsexterne Anlaufstelle der ZZZ und Verkaufsraumfür selbstgemachte Produkte botsie den idealen Ort, um die Bahnhofsvorstadtzu thematisieren. Wie die meistenBahnhofsviertel ist auch die Bremer Bahnhofsvorstadtein Ort der Gegensätze mitsozialen und ökonomischen Problemen.In ihrem Kernbereich ist sie von massivenLeerständen von Ladenlokalen und Büroflächengeprägt. Für diesen Raum eröffnensich aber auch neue Perspektiven:Büronutzungen und <strong>Zwischennutzungen</strong>könnten die Leerstände auffüllen und denTransitraum neu beleben.Die Veranstaltungsreihe zeigteErfahrungsberichte und Perspektiven fürdas Quartier. Am ersten Abend gab dieZZZ nach einer Keynote von Eva Herr vomSUBV eine Übersicht über <strong>Zwischennutzungen</strong>in <strong>Bremen</strong>. Zwei Tage später hieltCarsten Venus von Blauraum ArchitektenHamburg einen Vortrag über das Redevelopmentvon Bürohäusern der 1950erund60er-Jahre. Felix Nowak von bb22brachte Erfahrungen aus dem FrankfurterBahnhofsviertel mit. Am letzten Abendberichteten die Betreiberinnen des Souvenir-LadensJudith Hartnack und GiniSchultheis von SOUVENIR FRANKFURT ATJUJUGI von ihren Erfahrungen als Zwischennutzerinnenin der Frankfurter Bahnhofsvorstadt.Hinweisschild Produktpalette 2012, dsProduktpaletteDie Reihe Produktpalette war inden Palast der Produktion eingebettet undthematisierte den Wandel der Arbeitswelt.Passend zum Inhalt begann sie am Tag derArbeit 2012 und bildete zusammen mitdem Urbanen Spaziergang das Pre-Openingdes Palasts der Produktion. In denHüllen des Industriezeitalters reflektiertedie Reihe die tiefgreifenden Veränderungender Arbeitswelt und ihre gesellschaftlichenund individuellen Auswirkungen.Am ersten Abend „Vorwärts immer,rückwärts nimmer?“ veranschaulichte derHamburger Historiker Peter Birke die verändertenArbeits- und Lebenswelten. Währenddie „Industriegesellschaft" durch eineEntfremdung und Zergliederung der alltäglichenArbeit gekennzeichnet gewesensei, zeichne sich die „Wissensgesellschaft"durch mehr Autonomie und Freiheit aus.Im Vordergrund standen die Fragen: Washat sich verändert? Welche neuen Belastungenprägen heute den Arbeitsprozess?Und in welchen Formen rebellieren heutedie Arbeitenden gegen die Zumutungendes Arbeitsprozesses?Informativ, sozial, kulturell, ökonomisch, funktional – die Projekte der ZZZ 39


Mittagspause auf dem Kongress 2012, rbAnna Bernegg, studio uc, Berlin, 5.5.2010Wissenschaftlern und Behördenmitarbeiternzusammen. Zu beiden Veranstaltungenkamen über hundert Teilnehmer ausdem lokalen, überregionalen und internationalenKontext. Zwei ausführliche Dokumentationenfassen die Inhalte thematischzusammen.Aus den Ideen und den Kontaktender Konferenz 2010 entstand das Buch„second hand spaces – über das Recycelnvon Orten im städtischen Wandel“. Eswurde von Michael Ziehl, Sarah Oßwald,Oliver Hasemann und Daniel Schnier herausgegebenund pünktlich zum Kongressim Juni 2012 im JOVIS-Verlag veröffentlicht.„Ich finde die Konferenz sehrgut organisiert. Inhaltlichgefällt mir, dass auf einemneuen Level eingestiegen wird.Nicht das Phänomen wirdbesprochen, das mittlerweilebekannt ist, sondern dassunmittelbar in die praxisorientierteUmsetzung gegangenwird. Und dass es als Handlungsfeldfür die Planung begriffenwird. Gut, dass es hiereine Verkopplung mit derVerwaltung gibt.“ProjektOrganisationNutzungOrtZeitDokumentationProjektOrganisationNutzungOrtZeitDokumentation2 nd hand spaces – Nachhaltige Gestaltung desstädtischen Wandels durch ZwischennutzungZZZKonferenzBundeswehrhochhaus, Falkenstraße 45, <strong>Bremen</strong>-Mitteund Plantage 9, <strong>Bremen</strong>-Findorff5. und 6. Mai 2010www.zzz-bremen.de/assets/Uploads/Dokumentation2ndHandSpaces.pdf2 nd hand spaces – Die Nutzung vakanter Orte alspartizipative PraktikZZZKongressPalast der Produktion, Landrat-Christians-Straße 95,<strong>Bremen</strong>-Blumenthal28. und 29. Juni 2012www.zzz-bremen.de/assets/Uploads/DokumentationKongress2ndHandSpaces.pdfHausspaziergang mit den Kongressteilnehmern 2012, rbInformativ, sozial, kulturell, ökonomisch, funktional – die Projekte der ZZZ43


Partizipativund bunt– die Projekte aller.ort undCircleLine Huchting45


Akteure von aller.ort in Hemelingen 2011, ds 47


aller.ort in Hemelingen 2011, mzPartizipativ und bunt – die Projekte„aller.ort“ und „CircleLine Huchting“„Eingehüllte Bäume, bestrickteSchilder und ein langer roterFaden – allerlei seltsame Dingesind in den vergangenenWochen in Huchting geschehen.“Weser Report, 11.7.2012Große, aktuell ungenutzte undweitgehend unbekannte Flächenressourcenim Zentrum des Stadtteils wurden mitder Brache am Willakedamm in Huchtingund der Brache an der Godehardstraßein Hemelingen in den Blick genommenund in eine Zwischennutzung verwandelt.Beide Flächen liegen innerhalb vonStadterneuerungsgebieten und sind durchsoziale, wirtschaftliche und städtebaulicheBenachteiligungen geprägt. Die Brachenbefinden sich in kommunalem Besitz undsind im Rahmen von Abrissmaßnahmenentstanden – in Hemelingen wegen desBaus eines Straßentunnels, in Huchtingnach dem Abriss einer Schule. Für ihre weitereNutzung gibt es zwar Konzepte undEntwürfe, die vor allem Wohnen vorsehen,jedoch fehlt derzeit noch eine konkreteNachfrage.Die Projekte aller.ort (2011) undCircleLine Huchting (2012) hatten zum Ziel,diese Flächen wieder stärker in die Wahrnehmungdes Stadtteils zu rücken undpartizipative Impulse zu setzen. Hauptzielgruppewaren die Bewohner der Stadtteile,aber auch Menschen aus dem weiterenStadtgebiet sollten angesprochen undangezogen werden. Die Bewohner warennicht nur Besucher, sondern auch Gestalterder Projekte. Durch integrierte Teilprojekte,in Workshops und auf der Bühnegab es zahlreiche Möglichkeiten, die Orteaktiv mitzugestalten. Beide Projekte folgtendamit dem zentralen Ziel, in StadterneuerungsgebietenMenschen vermehrtin die Quartiersentwicklung einzubinden,soziale und kulturelle Teilhabe anzuregenund Kooperationsstrukturen unter lokalenAkteuren zu stärken.Angeschoben wurden die Projektedurch die ZZZ und ein Organisationsteamaus lokalen Partnern im Stadtteil.In Hemelingen war der Verein Schule 21,in Huchting das QuartiersbildungszentrumRobinsbalje und der Kulturladen Huchtinginvolviert. Durch die lokalen Akteure war„Diese Flächeist sehr wichtigfür Huchtingund brauchtmehr Aufmerksamkeit.“Ortsamtsleiter Uwe Martin,Weser Report, 28.3.2012von Anfang an eine Verankerung der Projekteim Stadtteil gesichert. Die Vorlaufzeitfür beide Projekte betrug jeweils fast einganzes Jahr. In diesem Zeitraum wurdenneben der Konzepterstellung die Inhalteund Schwerpunkte mit den Ortsamtsleiternund den lokalen Stadtteilbeiräten(den politischen Gremien auf Stadtteilebene)und den Quartiersmanagern abge-Urban Wrapping bei CircleLine Huchting 2012, abInformativ, sozial, kulturell, ökonomisch, funktional – die Projekte der ZZZ 49


stimmt. Genutzt wurden die Flächen überZwischennutzungsverträge der Immobilien<strong>Bremen</strong>.Zu den Aufgaben der ZZZ gehörteauch die Akquise von Drittmitteln. Sogelang es, jeweils Gelder von der Arbeitnehmerkammer<strong>Bremen</strong>, von Beiräten unddem Programm „WIN – Wohnen in Nachbarschaften“zu erhalten. Dass aus demProjektetat der ZZZ bereits eigene Gelderzur Verfügung standen, war bei der Einwerbungder Mittel von großem Vorteil.Ein wichtiger Erfolgsfaktor der Projektewar die frühzeitige Einbeziehung derSchulen, Kindergärten und weiterer Institutionenim Stadtteil. Gerade im ProjektCircleLine Huchting konnten insgesamtdreizehn Akteure, darunter Schulen, sozialeTräger und Vereine, als Kooperationspartnergewonnen werden.In der Umsetzung der Projekte gabes große Unterschiede. Das Projekt aller.ort fand über die Projektlaufzeit von einemMonat ausschließlich auf der Brachflächestatt. Bei CircleLine Huchting hingegenwurde auf die Erfahrungen von aller.ortaufbauend das Programm auf ein Wochenendekonzentriert und auf verschiedeneOrte im Stadtteil verteilt. Zuvor wurde esüber einen Zeitraum von drei Monatenin Workshops erarbeitet und vorbereitet.Beide Vorgehensweisen haben Vor- undNachteile. Im ersten Fall gelang es überdie Präsenz auf der Fläche diese im Stadtteilund in anderen Quartieren bekannt zumachen. Im zweiten Fall konnten die vorhandenenRessourcen, insbesondere derehrenamtlichen Unterstützer, konzentriertereingesetzt werden. Nachteilig war diehohe Wetterabhängigkeit bei der Umsetzungeines solchen Projektes an einem einzigenWochenende. Trotz des Regens wardas Projekt CircleLine dennoch zahlreichbesucht.Die Angebote in den Workshopswurden im Schnitt sehr gut angenommen.Gerade das Programm für Kinder und dieLehmbau-, Theater- oder Parkour-Work-„ ‚Dassjemand ineinem derSzene abgewandtenOrtsteil etwasmacht‘, seieinmal notwendiggewesen.“BürgerschaftspräsidentChristian Weber,Weser Report, 19.6.2011shops wurde stark genutzt. Jugendlichefühlten sich insbesondere durch die geboteneFreiheit, sich auf einer Brache auszutoben,und von Landschaftskunstkursenangesprochen.Brachenfest von CircleLine Huchting 2012, dsDen Erfolg der Projekte begünstigtentemporäre Cafés, mit denen kontinuierlicheAnlaufstellen auf den Flächengeschaffen wurden. Die Veranstaltungenauf den Brachen lockten auch ein Publikumnach Huchting und Hemelingen, dasbislang die beiden Stadtteile kaum kannte.Die Atmosphäre der Brachflächen unddie Veranstaltungen schufen einen ganzbesonderen Ort.Als kleines, aber bemerkenswertesHighlight entwickelte sich die Pflanzenpflegestationauf aller.ort. Besucher gaben hierihre Balkonpflanzen oder ererbten Kakteensammlungenin Pflege oder ließen sieauf Nimmerwiedersehen versteigern.ProjektOrganisationNutzungOrtZeitWebProjektOrganisationNutzungOrtZeitWeballer.ortCircleLine HuchtingPflanzenpflegestation auf aller.ort 2011, ds„Vom Kaktusbis zur Orchideekamauf derBrache allesin Pflege.“Weser Kurier, 21.7.2011Schule 21 e.V., Alsomirschmeckts!-Theater e.V., ZZZWorkshops, Kunstinstallationen, Veranstaltungen, Offene BühneBrache an der Godehardstraße 25, <strong>Bremen</strong>-Hemelingen15. Juni bis 15. Juli 2011www.aller-ort.de, www.aller-ort.blogspot.comQuartiersbildungszentrum Robinsbalje, Kulturladen Huchting, ZZZWorkshops, Kunstinstallationen,Veranstaltungen, Offene Bühne, GeschichtenerzählerBrache am Willakedamm 8, verschiedene Leerstände im Stadtteil,<strong>Bremen</strong>-HuchtingMitte März bis 8. Juli 2012www.circleline.blogger.deInformativ, sozial, kulturell, ökonomisch, funktional – die Projekte der ZZZ 51


KulturelleVielfalt– die Projekte Palast der Produktion,Freizeitkünstler Huchting,NEULAND und Sportamt53


Leerstehendes Gebäude auf ehemaligem BWK-Gelände 2012, ds 55


Die Mischung macht´sDie thematische Klammer für denPalast der Produktion war das ThemaArbeit. Das Projekt verfolgte insgesamtsehr unterschiedliche Ziele:– Ort: neue städtebauliche und partizipativeImpulse in Blumenthal setzen+ Gelände öffnen + <strong>Zwischennutzungen</strong>antesten + Visionen schaffen– Menschen: physischen Raumgeben + Präsentationsort schaffen+ nachhaltige Netzwerke bilden– Veranstaltungen: Wandel der Arbeitswelt+ informelle Praktiken in derStadtentwicklung thematisieren– Akzeptanz gewinnen: Aufmerksamkeit+ Neugierde + Interesse weckenZwar war die Zwischennutzung aufvier Wochen beschränkt, doch so konzipiert,dass sie nachhaltig auf den Ort wirkenkann. Die Blumenthaler konnten nachüber 100 Jahren das Gelände währendder einmonatigen Projektdauer zum erstenMal tagsüber frei betreten. Das rege Interesseder Presse am Projekt (rund dreißigBerichterstattungen), die gut besuchtenAusstellungen zur Historie Blumenthalsund verschiedene Veranstaltungsformatemachten das Projekt zu einem Besuchermagnetenfür Blumenthaler und Interessierteaus dem gesamten Stadtgebiet.Insgesamt besuchten etwas 2.000 Menschenden Palast der Produktion.Die Produktschau rundete am Endedas gesamte Projekt ab. Sie bot den Teilnehmendeneine Präsentationsplattformund den Besuchern die Möglichkeit, überden Wandel der Arbeit zu reflektieren.Der Förderverein Kämmereimuseumkann bis auf weiteres Räume imGebäude nutzen. Eine Gruppe aus zehnProjektteilnehmern hat sich gebildet, diean der weiteren Zwischennutzung interessiertist und zusammen einen Verein gründenwill.Mobile Kunstgalerie black egg vor dem PdP 2012, dsWie gemalt – der VereinFreizeitkünstler Huchting„Der ‚Palast‘ist Geschichte,aber seineIdee könnteFrüchte tragen.“DIE NORDDEUTSCHE, 16.7.2012ProjektOrganisationNutzungOrtZeitWeb„Der ‚Palast der Produktion‘ hatden Blumenthaler StadtteilRichtung Stadtmitte geöffnet.“Martin Günthner, DIE NORDDEUTSCHE, 29.6.2012Palast der ProduktionZZZArbeitsort, Museum, Veranstaltungen, Ausstellungehemalige Sortierung der BWK, Landrat-Christians-Straße 95,<strong>Bremen</strong>-Blumenthal15. Juni-15. Juli 2012www.palast-der-produktion.de/wp/<strong>Zwischennutzungen</strong> sprechen nichtnur junge Menschen an – das zeigt der VereinFreizeitkünstler Huchting. Viele seinerMitglieder sind bereits im Seniorenalter. Zuden Tätigkeitsbereichen des Vereins gehörenkulturelle Weiterbildungen und kreativesSchaffen mit dem Schwerpunkt Malerei.Der seit 1975 existierende, im Stadtteil festverankerte Verein wurde im Zuge des ProjektsCircleLine Huchting auf das Thema<strong>Zwischennutzungen</strong> aufmerksam. Es warenvor allem zwei Aspekte, die die FreizeitkünstlerHuchting ansprachen: Zum einenwaren sie auf der Suche nach einem Ort,an dem sie aktiv die eigene Arbeit und dieWerke der Mitglieder ausstellen könnten.Zum anderen war den Mitgliedern, wievielen Huchtingern, daran gelegen, etwasgegen den negativen Eindruck zu unternehmen,der durch vermehrte Ladenleer-Atelier Kunst-Treff der Freizeitkünstler Huchting 2012, dsInformativ, sozial, kulturell, ökonomisch, funktional – die Projekte der ZZZ 59


„Die aktiven Mitglieder unseresVereins würden sehr gerneüber die Zeit der Zwischenutzunghinaus weiter mit ehrenamtlichemEngagement dieses Atelier,diesen Kunst-Treff, aufrechterhalten.“Helga Gerdes, Vorsitzende des Vereins,Weser Kurier, 16.08.2012stände im Stadtteil entstanden ist. DerVerein nahm selbst Kontakt zum Immobilieneigentümereines leerstehenden Schuhladensauf. Dieser war mit seinen nochvor Ort wohnenden Eltern schnell von derZwischennutzungsidee zu überzeugen,schließlich verbindet die ehemalige Betreiberfamilieviel mit ihrem Laden. Der Vorschlag,zunächst nur über einen Zeitraumvon drei Monaten den Laden zu öffnen undfür eine Ausstellung zu nutzen, war auch imInteresse des Eigentümers. Im Verlauf derersten Wochen kam das Projekt im Stadtteilund bei den Vereinsmitgliedern so gut an,dass die Akteure an einer Verstetigung desKunst-Treffs arbeiten konnten.ProjektOrganisationNutzungOrtZeitAtelier Kunst-TreffDie ZZZ unterstützte das Projekt imHintergrund. Sie stellte Zwischennutzungsverträgezur Verfügung, beriet den Vereinin Bezug auf Versicherungsfragen undgab allgemeine Tipps und Ratschläge ausihrem Zwischennutzungserfahrungsschatz.Dem Verein konnte auch eine Unterstützungfür die erste Herrichtung und die Ausstellungseröffnungaus den Projektmittelnder ZZZ eingeräumt werden. Im Zuge derVerstetigung des Projekts führte die ZZZGespräche mit Vertretern der Verwaltungund lotete Möglichkeiten für eine Unterstützungdes Projekts aus anderen Fördertöpfenaus.Freizeitkünstler Huchting e.V.Ausstellungsraum, AtelierKirchhuchtinger Landstraße 47, <strong>Bremen</strong>-Huchtingseit 15. Juli 2012Sommer, Subkultur, Politik und Musik –die Projekte NEULAND und SportamtEinen Ort gestalten, Leute treffen,Musik hören, zusammen arbeiten und dieSonne genießen – zwei Sommer-<strong>Zwischennutzungen</strong>zeigten der Öffentlichkeit, denBehörden und sich selbst, wie so etwasaussehen kann. Für zwei Monate verwandelteeine Gruppe aus dem Dunstkreis desZucker Clubs eine ehemalige Suchtklinikin der Neustadt in das „NEULAND – urbanesLabor des guten Lebens”. Eine andereGruppe gründete den „Klapstul e.V. – Istdas Kunst oder kann das weg?“ und gestaltetedas ehemalige Sportamt <strong>Bremen</strong> ineinen soziokulturellen Ort für die Sommermonateum.Beide Orte gaben sowohl für gruppeninterneund individuelle Aktivitätenals auch für externe Besucher Raum. DasNEULAND avancierte zu einer subkulturellenPlattform und Spielstätte. Die fünfGebäude und das Außengelände botenviel Platz für Musikveranstaltungen, Lesungen,Theateraufführungen, Filmscreeningssowie Diskussionsrunden. Das Sportamtbot als Kunstlabor Menschen aus verschiedenstenZusammenhängen Raum, umunkommerziell an künstlerischen, sozialenund politischen Projekten zu arbeiten odereinfach nur im Café zu sitzen.Charakteristisch für die zwei Projektewar eine Reflektion der Akteure überihre eigene Rolle als Zwischennutzer inStadtentwicklungsprozessen. In verschiedenenVeranstaltungen diskutierte dieGruppe im NEULAND die Funktion einessolchen Ortes als „weichen Standortfaktor“und über (Sub-)Kulturproduzenten als„urbane Pioniere“.Der Verein Klapstul hinterfragteseine Rolle im Spannungsfeld zwischeneiner möglichen Vereinnahmung durch die„Mit SportgeistKunstschaffen“Weser Report, 19.6.2011Öffnung des Sportamts 2011, © Walter GerbrachtStadtentwicklungspolitik und dem Wunschnach einem autonomen Ort.Das Sportamt stand zuvor seit derUmsiedlung der Behörde im Zuge einerVerwaltungsreform für mehrere Jahre leer.Die verschärften Sicherheitsbestimmungendes Brand- und Hochwasserschutzes unddie daraus folgende Demontage der Öl-Heizungsanlage machte sowohl eine dauerhafteals auch eine Winter-Nutzung desGebäudes nicht mehr genehmigungsfähig.Beide Gruppen gestalteten ihreOrte kollektiv um und ergänzten fehlendeInfrastrukturen nach ihren Bedürfnissenund Vorstellungen. Die ZZZ hatte bei bei-Informativ, sozial, kulturell, ökonomisch, funktional – die Projekte der ZZZ 61


„Ich spreche mich für einenOrt aus, an dem sich Menschenausprobieren können unddabei lernen, miteinander umzugehenund sich selbstständigetwas aufzubauen.“Finanzsenatorin Linnert, Bremer Anzeiger, 25.07.2010Sogar die Bürgermeisterin undFinanzsenatorin, Karoline Linnert, wurdeneugierig und kam auf einen Besuch vorbei.Verstärkt wurde die positive Ausstrahlungauf beide Projekte durch eine großemediale Aufmerksamkeit. Insgesamt gabes elf Berichterstattungen über das NEU-LAND und sechs über das Sportamt.Zwar war das NEULAND auf lediglichzwei Monate begrenzt, doch gab dieserOrt der Gruppe Impulse für weitereZwischennutzungsprojekte, die auf denErfahrungen des ersten Projekts aufbautenund sich namentlich und konzeptionell andieses anlehnten. Auch aus dem Sportamterwuchsen ein starkes Netzwerk und zahlreicheErfahrungen. Beide Zwischennutzungskonstellationenkonnten an ihremjeweiligen Ort ihre Nutzungskonzepteohne allzu großen ökonomischen Druckausprobieren. Darüber hinaus gründetenbeide Gruppen Vereine, um sich zu institutionalisierenund weitere Projekte auf dieBeine zu stellen.Sowohl der Klapstul e.V. als auchder Zucker Club selbst suchen derzeiteinen neuen – langfristigeren – Ort, umihren Ideen weiterhin einen Raum zugeben.Außenbereich NEULAND 2010, mzProjektSportamt„NEULAND – urbanes Labor des guten Lebens“ 2010, mzden Projekten eine unterstützende Funktion.Sie wählte und beriet die Trägerschaft,wirkte bei der Konzeptentwicklung mit undhalf intensiv beim Einholen behördlicherGenehmigungen. Auch kommunizierte dieZZZ zwischen den Projekten und der Immobilien<strong>Bremen</strong> als Vertragspartnerin – trafenjeweils doch sehr verschiedene Weltenaufeinander, die sich erstmal kennenlernenmussten.Letztendlich konnten sich die subkulturellenAkteure und die städtischenEntscheidungsträger annähern, obwohlnicht immer alles glatt lief. Während derLaufzeit konnten Vorbehalte auf Seiten derVerwaltung abgebaut und Verständnis fürdie Situation der unter prekären Verhältnissenarbeitenden Gruppenmitgliedergeschaffen werden – gerade weil sie ihreRolle in Stadtentwicklungsprozessen thematisiertund nach außen kommunizierthaben.OrganisationNutzungOrtZeitWebProjektOrganisationNutzungOrtZeitWebKlapstul e.V. – Ist das Kunst oder kann das weg?Kunstlabor, Café, Ateliers, Workshopsehemaliges Sportamt, Auf dem Peterswerder 44,östliche Vorstadt <strong>Bremen</strong>in den Sommermonaten seit Juni 2011www.klapstul.blogsport.deNEULAND – urbanes Labor des guten LebensZucker ClubMusikveranstaltungen, Lesungen, Theateraufführungen,Filmscreenings, Diskussionsrundenehemalige Suchtklinik, Neuenlander Straße 105-107,<strong>Bremen</strong>-NeustadtMitte Juni bis Mitte August 2010www.zucker-club.deInformativ, sozial, kulturell, ökonomisch, funktional – die Projekte der ZZZ 63


Orte für selbständigeArbeit– die Projekte Plantage 9und Glasbox65


Die Ladenplattform Glasbox 2011, ds 67


Kollaborieren und vernetzen –das Projekt Plantage 9Seit Juli 2010 beherbergt die Plantage9 Ateliers für Künstler, Fotografen undAbsolventen der Hochschule für Künstesowie Büroräume für Designer, Graphiker,Studierende und Lehrer. Mit einer Nutzflächevon knapp 1.600m² und seinen heterogenenRäumlichkeiten wie Büroräume,Lagerräume, Werkstätten und Sozial- bzw.Kantinenräume verfügt die Immobilie überviel Platz für unterschiedlichste Nutzungen.Hier gelang es, eine große Anzahlvon Nachfragen unter einem Dach zu vereinen.Zwischen den Nutzern gibt es vieleAnknüpfungspunkte und Möglichkeitendes Austauschs und des Lernens. VielEigenverantwortung wurde allen abverlangt,was die Gruppendynamik stärkte,einige Interessierte aber auch abschreckte.Die heterogene Zusammensetzungder Nutzergruppe stellte für das Projektan sich einen großen Gewinn, für dieOrganisation des Projekts allerdings eineHerausforderung dar. Die Wirtschaftsför-Arbeitsraum in der Plantage 9 2010, mz„Eine Künstlerinbetont,dass aufgrundder heterogenenGruppeein ‚Kreativpool‘auf derPlantage entstandenist.“bremen.de, 16.5.2011derung <strong>Bremen</strong> als Eigentümervertreterist aufgrund der personellen Kapazitätengezwungen, den Verwaltungsaufwandgering zu halten. Es war ihr ein Anliegen,nur einen Vertrag statt zwanzig einzelneVereinbarungen abzuschließen. Um schnellhandlungsfähig zu sein, sprang die AAA –Autonomes Architektur Atelier GbR als Vertragspartnerinein und übernahm nebender Haftung und der Kommunikation mitder Gruppe auch die gesamten Verwaltungs-und Organisationsaufgaben.Nachdem sich die Nutzer einigeMonate beschnuppert hatten und unterModeration der ZZZ den Plantage 9 e.V.gründeten, konnte im April 2012 einreguläres Mietverhältnis zwischen ihnenund der Wirtschaftsförderung <strong>Bremen</strong>geschlossen werden.Das Gebäude war in den 1950er-Jahren als Textilfabrik errichtet wordenund wurde in den vergangenen Jahrzehn-ten von einer Brandschutzfirma genutzt.Anfang 2009 erwarb die Stadt <strong>Bremen</strong> dasObjekt, da der Bebauungsplan an dieserStelle die Errichtung einer Straße vorsieht.Der geplante Abriss steht mittlerweile inden Sternen, da der Bau dieser Straße nunzweifelhaft erscheint. Das Gebäude ist ineinem guten baulichen Zustand. Zu Beginnder <strong>Zwischennutzungen</strong> wurden lediglichkleine bauliche Veränderungen durchgeführt.So wurden beispielsweise ein neuesSchließsystem und neue Türen eingesetzt,um den unabhängigen Zugang zu Räumenzu schaffen.Die veränderte und längere Nutzungerfordert nun allerdings eine Anpassungder Immobilie an die aktuellenVorschriften des Brandschutzes. Im intensivenDialog zwischen dem Bauressort, denEigentümervertretern und der ZZZ sowiemit starker Unterstützung durch die Lenkungsgruppekonnte eine Lösung gefundenwerden, die eine Nutzungsänderungtrotz des Bebauungsplans, der noch immereine Straße vorsieht, erlaubt. Auf Basisdes dreijährigen Mietvertrages und durchEigenmittel wird die Plantage 9 für eineProjektOrganisationNutzungOrtZeitWebTag der offenen Tür in der Plantage 9 2010, dsfortdauernde Nutzung in den kommendenJahren umgebaut und eine Refinanzierungder Umbauten für die Stadt gesichert.Das Projekt hat eine sehr positiveAußenwirkung. Die Presseberichterstattungen,der Tag der Offenen Tür und dieeigene Broschüre verstärkten die Bekanntheitder Plantage 9 im Stadtteil und in derVerwaltung.„Wir wollen in <strong>Bremen</strong> Raumfür kreative Menschen – egal obdaraus ein Geschäft entsteht.“Reinhard Loske, Senator für Umwelt, Bau, Verkehr undEuropa (2007–2011) DIE ZEIT, 30.12.2010Plantage 9ZZZ, mittlerweile Plantage 9 e.V.Büro, Atelier, Werkstatt, Lager, VeganimbissPlantage 9, <strong>Bremen</strong>-Findorffseit 1. Juli 2010www.plantage9.deInformativ, sozial, kulturell, ökonomisch, funktional – die Projekte der ZZZ 69


Kreativ, innovativ, interdisziplinär –das Projekt Glasbox„Selbstgemacht– egal was“Prinz, 1.8.2011Das kleine, wie ein Glaskastenaussehende ehemalige Lokal war einesvon vielen Leerständen in der BremerBahnhofsvorstadt. Hier richtete die ZZZfür einige Monate jeden Mittwoch eineSprechstunde ein, um private Eigentümervon leerstehenden Immobilien in derBahnhofsvorstadt auf ihre Arbeit aufmerksamzu machen. Da die Sprechstunde derZZZ nur einmal wöchentlich stattfindensollte, bot sich zur ganztägigen Belebungeine doppelte Nutzung des Glaskastensan. Die Kulturwissenschaftlerin KathrinVorsmann hatte nun die Möglichkeit, ihreGeschäftsidee, den Betrieb eines Ladensfür selbstgemachte Unikate, für neunMonate auszutesten.Die Ladenplattform Glasbox fürselbstgenähte und selbstgemachte Kleidung,Utensilien und Artikel von über 50Bremer Designern, Künstlern und Handwerkernwar geboren. Zum Sortimentgehören Beutel, Taschen, Bilder, T-Shirts,Kinderspielsachen und Dekorationsartikel,Anstecker, Kissen, Vinyl vom Zucker-Labelund die textilen Unikate der Marke derExistenzgründerin „Leonessa“.Neben der Auftaktveranstaltung„AprilAprilApril“ am 1. April 2011 fandenmit mehr als 80 Besuchern bei Live-Musikund Rhabarberschorle auch Vorträge wie„Zwischenstationen in der Bahnhofsvorstadt“und Ausstellungen im Glaskastenstatt.Die privaten Eigentümer liefender ZZZ in der Sprechstunde leider nichtdie Türen ein, einige zeigten jedoch einvorsichtiges Interesse. Kathrin Vorsmannwar dagegen so erfolgreich, dass sie mitihrer Geschäftsidee auch 2012 nach Ablaufder Zwischennutzungszeit in einen neuenLaden umziehen wollte. Durch die Presseder ZZZ aufmerksam geworden, vermietetihr nun ein privater Eigentümer eineehemals leerstehende Räumlichkeit in derOstertorswallstraße 66 zu etwas vergünstigtenKonditionen.„Toll, dass esProjekte wiedie Glasboxgibt, die nichtnur optischetwas hermachen,sondernauch fürLeben in dentristen Gebäudensorgen.“Maja, KundinBREMER, 1.8.2011Platten hören in der Glasbox 2012, mzProjektOrganisationNutzungOrtZeitWebGlasboxGlasbox: Kathrin Vorsmann, Glaskasten: ZZZLaden für selbstgemachte Unikate, Sprechstunde der ZZZ1. April 2011 bis 31. Dezember 2011: ehemalige Gaststättein der Contrescape 73, Bahnhofsvorstadt <strong>Bremen</strong>,seit 1. Januar 2012: Ostertorswallstraße 66, <strong>Bremen</strong>-Mitteseit 1. April 2011www.glasbox-bremen.tumblr.comVerkaufsfläche der Glasbox 2011, dsInformativ, sozial, kulturell, ökonomisch, funktional – die Projekte der ZZZ 71


Evaluation der ProjekteDie Projekte der ZZZ sind sehr unterschiedlich hinsichtlich ihrerDauer, Akteurskonstellation, ihrer Ausrichtung und Lage. Mehr als ein Drittelder dreißig Projekte hatte eine kulturelle Ausrichtung (37%). 27% der<strong>Zwischennutzungen</strong> waren informativ, 16% ökonomisch, 13% sozial undschließlich 7% funktional. 1Arbeitsaufwand: Kategorisiert nachder Organisationsintensität ergeben sichdie Sparten vermittelt, unterstützt und initiiert.Mehr als die Hälfte (53%) der Projektewurde durch die ZZZ initiiert. 27% der Aktivitätenunterstützte sie, 20% vermittelte sie.Während informative Projekte zu 100% vonder ZZZ ins Leben gerufen wurden, war siebei 73% der kulturellen Nutzungen nur beider Raumvermittlung involviert.1 Auftakt ZZZ2 Glaskasten3 Konferenz4 Kongress5 Neuland Detroit6 Produktpalette7 Sprawling of a city8 Zwischenstationen9 aller.ort10 CircleLine Huchting11 Grüner Zweig12 Waller Mitte e.V.Projekte geordnet nach ihrem Hauptmerkmal13 Atelier Bunte Wege14 Ausstellung Yuji Takeoka15 Freizeitkünstler Huchting16 Klondike River17 Kreide18 Neuland19 PdP20 PG Slis21 Raumkante22 Sportamt23 Umgedrehte Kommode24 Abfertigung25 Glasbox26 MS Stubnitz27 Plantage28 Radieschen29 Schlafhaus PdP30 Schlafhaus SchwankhalleFrequentierung: Mit insgesamtetwa 33.000 Besuchern und durchschnittlich1.100 Menschen pro Projekt warendie <strong>Zwischennutzungen</strong> sehr gut besucht.Kulturelle und ökonomische Nutzungenzogen von allen Projekten die meistenBesucher an, dicht gefolgt von sozialenProjekten mit durchschnittlich jeweils 950Menschen. Dabei ist zu beachten, dass dieAngaben auf Schätzungen basieren unddie Frequentierung der einzelnen Projektesehr unterschiedlich war. 80% der Projektehatten einen öffentlichen Charakter. Informativeund soziale Projekte richteten sichzu 100% an Besucher, funktionale dagegengar nicht. Auch die meisten ökonomischenProjekte hatten vor allem den kleinen Kreisihrer Mieter als Zielgruppe.Anzahl der BerichterstattungenProjektCharakter: Der Projektcharaktersetzt sich aus sechs Kategorien zusammen:Aufmerksamkeit, Frequentierung, Szenefaktor,Wirtschaftlichkeit, Partizipation undImmobiliensicherung.Informative und soziale Projekteerhielten die höchste Aufmerksamkeit undwaren stärker frequentiert als die meistenanderen. Alle informativen und 80%der ökonomischen Projekte hatten einengewissen „Szenefaktor“, sie waren sogar„szenenäher“ als die kulturellen Nutzungen(67%). Insgesamt hatten 30% der Projekteeinen explizit partizipativen Charakter.Soziale Projekte waren immer partizipativ,aber auch 27% der kulturellen und 20%der ökonomischen Projekte luden zum Mitgestaltenein. 37% der Projekte hatten denpositiven Effekt der Immobiliensicherung.Hier waren es vor allem die längerfristigenökonomisch ausgerichteten Projekte (80%),die sich positiv auf die Immobilensicherungauswirkten.Berichterstattung: Die Presseresonanzauf die <strong>Zwischennutzungen</strong> und aufdie ZZZ war enorm. 113 Berichte wurdenin drei Jahren allein über die Projekte veröffentlicht.Hinzu kamen 38 Berichte überdie ZZZ. Die größte Presseresonanz riefensoziale Nutzungen mit durchschnittlichacht Artikeln pro Projekt hervor. Auchüber kulturelle und ökonomische Projekteschrieben die Medien mit durchschnittlichfünf Artikeln pro Nutzung häufig.RaumLage: Fast die Hälfte der Projektelag im Zentrum <strong>Bremen</strong>s, nur 13%am Stadtrand. Zwei Drittel der kulturellenNutzungen waren nicht auf eine Innenstadtlageangewiesen. Ökonomisch ausgerichteteNutzungen lagen dagegen zu80% mitten in der Stadt. In Stadtrandlagesiedelten sich ausschließlich von der ZZZinitiierte Projekte an.1 Aufgrund der für eine statistische Erhebung relativ geringen Gesamtmenge von dreißig Projekten infünf Kategorien zeigen die prozentualen Angaben lediglich eine Tendenz auf. Allgemeine Aussagensollten auf Grundlage der Statistiken in diesem Bericht nur mit Vorsicht getroffen werden.Art: 33% der Projekte fanden inehemaligen öffentlichen Gebäuden statt,30% in Gewerberäumen, 13% in Wohnhäusern,jeweils drei Projekte (10%) aufInformativ, sozial, kulturell, ökonomisch, funktional – die Projekte der ZZZ 73


Brachen oder in Industriegebäuden undschließlich eins (3%) in einem Büro. Aufgrundder Offenheit und des Platzangebotsfanden drei der vier sozialen Projekteauf Freiflächen statt. Ökonomische Nutzungenzog es in Gewerberäume oderan öffentliche Orte. Kulturelle Nutzungenwaren flexibler: 45% befanden sich in ehemalsöffentlichen Gebäuden, 27% in industriellenGebäuden, 18% im Gewerbe und9% in Wohnhäusern.Eigentümerstruktur: 30% der Projektewaren in privatem Besitz verortet. Eswird deutlich, dass private Eigentümer vorallem bei kulturellen und ökonomischenProjekten Interesse haben, ihre Immobiliean Zwischennutzer zu vermieten. Beikurzfristigen informativen und funktionalenProjekten ist es der ZZZ nicht gelungenEigentümer für <strong>Zwischennutzungen</strong>zu gewinnen (0%). Über den dreijährigenAuftragszeitraum betrachtet, zeigt sich einepositive Entwicklung für <strong>Zwischennutzungen</strong>in privaten Räumen – die Tendenz iststeigend: 2010 war nur eine von zehn Nutzungen(10%) in privatem Eigentum angesiedelt,2011 bereits drei von acht (38%)und 2012 schließlich fünf von elf Nutzungen(46%).Start: Die meisten der dreißig Projektebrachte die ZZZ 2012 an den Start(37%). Dabei wird deutlich, dass sich dieZZZ im Laufe der Zeit etablieren konnteund nun Projekte schneller realisiert. Imersten Projektjahr 2010 fanden aus strategischenGründen überdurchschnittlichviele Informationsveranstaltungen statt – sowurden <strong>Zwischennutzungen</strong> im Allgemeinenund die ZZZ im Speziellen bekanntergemacht.AuftaktKonferenzNeuland DetroitKommodeNeulandAbfertigungPlantage 92010 20112012SprawlingKlondike RiverRaumkanteSchlafhaus SchwankhalleGlaskastenKongressZwischenstationenProduktpalettealler.ortCircleLineWaller Mitte e.V.Grüner ZweigPalast der ProduktionPG Sils KreideYuji TakeokaAtelier Bunte WegeFreizeitkünstler HuchtingSportamtGlasbox IRadieschenGlasbox IIMS StubnitzSchlafhaus PdPZeitDauer: Fast die Hälfte (47%) derdreißig <strong>Zwischennutzungen</strong> hatte eineDauer von unter einem Monat. Knapp einViertel (23%) der Projekte hatte eine Laufzeitüber zwölf Monate hinaus. Diese warenvor allem ökonomisch orientiert. Funktionaleund informative Projekte waren dagegenvon vornherein auf eine kurze Dauerangelegt.Dauer der Projekte


4ErfahrungsschätZZZeDie ZZZ unterscheidet sich von anderen Zwischennutzungsagenturendurch ihre gesamtstädtische Ausrichtung, die übergreifendeZusammenarbeit mit drei Ressorts und eine doppelte Arbeitsweise – alsVermittlerin und Initiatorin eigener Projekte. Das sind drei Besonderheiten– und drei von zwanzig Erfahrungsschätzen der ZZZ.1 <strong>Zwischennutzungen</strong> profitierenvon einer engen Zusammenarbeitmit der Verwaltung.Die ZZZ ist ein Gemeinschaftsprojektvon drei verschiedenen Ressorts.Durch die regelmäßigen Lenkungsgruppentreffenmit Vertretern der Behördenhat die ZZZ eine direkte Verbindung in dieVerwaltung. Diese Vernetzung ist für denErfolg der ZZZ sehr wichtig. Die interdisziplinäreLenkungsgruppe hilft, dass die Beteiligtentrotz unterschiedlicher Positionen aneinem Strang ziehen. Als Sprachrohr für dieNutzer bringt die ZZZ deren Wünsche undIdeen ein. Gleichzeitig wird sie über möglicheHürden (z. B. Sicherungspflichten,Brandschutz etc.) seitens der Ressortvertreterinformiert. Durch die Vermittlungsarbeitzwischen den beiden Gruppen – Verwal-tung und Nutzer – können Probleme gelöstwerden, bevor sie überhaupt entstehen.Für die ZZZ bedeutet die Lenkungsgruppeauch einen direkten Drahtzu den städtischen Immobilien- und Flächeneigentümernund somit zu städtischenLeerständen und Brachflächen. Mitder Nähe zum Bau- und Wirtschaftsressortbesteht ein enger Kontakt zur Handlungsebeneder Stadtentwicklungspolitik, sodass in vielen Fällen notwendige Genehmigungenvergleichsweise schnell undunkompliziert eingeholt werden können.Und nicht zuletzt fördert die Lenkungsgruppeauch die mittel- und langfristigeImplementierung von <strong>Zwischennutzungen</strong>in das Verwaltungshandeln als Methodeder Stadt- und Immobilienentwicklung.ErfahrungsschätZZZe77


2 Eine gesamtstädtische Ausrichtungvergrößert dieSpannweite und Bandbreitevon <strong>Zwischennutzungen</strong>.Der Aktionsraum der ZZZ umfasstdas gesamte Bremer Stadtgebiet. Damitfokussiert die ZZZ nicht nur Gebietemit definiertem Handlungsbedarf wieStadtumbaugebiete, sondern auchnachgefragte Quartiere wie z. B. die Bahnhofsvorstadt,die durch strukturelle Veränderungenund überhöhte Mieterwartungenvon Eigentümern geprägt ist. Durch diesegesamtstädtische Strategie werden <strong>Zwischennutzungen</strong>nicht mehr automatischmit problembehafteten Gebietenin Zusammenhang gebracht. So erfährtdas Thema eine höhere Akzeptanz undBekanntheit in der Öffentlichkeit. Außerdemkann die ZZZ nun flexibler auf dieNachfrage der Zwischennutzer reagieren,denn auch diese Gruppe bevorzugt meistzentrale Lagen.3 Selbst initiierte Zwischennutzungsprojektegebenneue Impulse und vernetzenunterschiedliche Akteure.Von Zwischennutzungsagentureninitiierte Projekte erweiterten die Vielfaltvon <strong>Zwischennutzungen</strong>. Mit diesen Projektenkonnte die ZZZ eigene Impulse setzenund Anknüpfungspunkte für weitereNutzungen schaffen. Selbst initiierte Projekteliegen oft in weniger nachgefragtenQuartieren, haben häufig eine informativeoder soziale Ausrichtung und vernetzeneine große Anzahl an Akteuren. Als „Vorbildprojekte“mit sehr partizipativem undöffentlichkeitswirksamem Charakter habensie einen positiven Effekt auf den Zusammenhaltim Quartier und motivieren Nutzerund Eigentümer zu eigenen Aktivitäten.Selbst initiierte Projekte sind keine Selbstläuferund häufig gespickt mit Herausforderungenwie einer fehlenden Infrastruktur.Um diese zu bewältigen, sind Zwischennutzungserfahrungennötig. Des Weiterensind sie besonders arbeitsaufwendig, weildie ZZZ sich zunächst in die Netzwerke vorOrt „einarbeiten“ und lokale Akteure erreichenmuss.4 Die Zusammenarbeit mit lokalenNetzwerken vergrößert denAkteurskreis und die Wirkung.Je stärker eine Zwischennutzungim Quartier eingebunden ist, desto wirksamerist sie. Um nah am Bedarf zu seinund schnell agieren zu können, ist dieZusammenarbeit der ZZZ mit bestehendenInitiativen sehr hilfreich. Vor allem inbenachteiligten Stadtteilen wie Hemelingen,Huchting und Blumenthal stellte sichdie Kooperation mit vorhandenen, in derQuartiersarbeit erfahrenen Institutionen(Quartiersmanagement, Kulturzentren, Vereineetc.) als sehr positiv heraus. So konntedie ZZZ sofort Akteure und Multiplikatorengewinnen und Aufgaben verteilen.5 Private Eigentümer braucheneine besondere Anspracheund Best-Practice-Beispiele.Der Erfolg von <strong>Zwischennutzungen</strong>steht und fällt mit der Bereitschaftprivater Eigentümer, da diese über diemeisten Raumpotentiale verfügen. Trotzdirekter Vorteile wie geringere Fixkosten,die bauliche Aufwertung, die Aufmerksamkeitund der Schutz vor Verfall undVandalismus, bleiben Zwischennutzern dieTüren privater Immobilien noch viel zu oftDas Team einer Zwischennutzungsagenturkommuniziert mit unterschiedlichstenAkteuren. Es muss über Übersetzungstalenteverfügen, um zwischenVerwaltung, Zwischennutzern und Eigenverschlossen.Viele Eigentümer haben dieErwartung, dass ihre Leerstände in naherZukunft wieder zu marktüblichen Konditionenvermietet werden könnten, auch wennsie schon jahrelang leerstehen. Häufighaben sie ebenfalls falsche Vorstellungenvon Zwischennutzern. Positive Beispiele inöffentlichen Gebäuden, eine persönlicheAnsprache und der Kontakt zu Eigentümervereinenwie Haus und Grund e.V. helfen,Vorbehalte abzubauen. Mit zunehmenderBekanntheit der ZZZ und erfolgreichen Beispielprojektenzeigten private Eigentümerein gestiegenes Interesse für das ModellZwischennutzung. 2012 fanden bereits fünf<strong>Zwischennutzungen</strong> in privaten RäumenPlatz, während es 2010 nur eine war.6 Eine intensive Öffentlichkeitsarbeitschafft Interesseund Frequentierung.Öffentlichkeits- und Pressearbeitunterstützen die Arbeit der ZZZ entscheidend.Dank 150 Berichterstattungen undüber 1000 Followern auf dem sozialenNetzwerk Facebook haben die ZZZ undihre Projekte eine große Reichweite. Sokonnten Nutzer, private Eigentümer undschließlich auch Besucher für das Themabegeistert werden. Der einfach vermittelbareHintergrund (Nutzung statt Leerstand)und die häufig sehr kreativen und ungewöhnlichenProjekte sind für Pressevertreterbeliebte Themen. Die Berichterstattungführt nicht nur zu einer erhöhten Nachfragevon Nutzern und Eigentümern, siebereichert auch die öffentliche Diskussionund gibt den Trägern der Projekte und denAkteuren der ZZZ eine positive Resonanz.7 Die theoretische Auseinandersetzungmit dem ThemaZwischennutzung stärkt diePraxis.Die theoretische Auseinandersetzungmit dem vielfältigen Thema aufKonferenzen und in kritischen Diskussionsreihengeben wichtige Erkenntnisse für diePraxis und befördert die Weiterentwicklungund Einbindung von <strong>Zwischennutzungen</strong> indie Stadtplanungspraxis.8 Der Erfahrungsaustauschmit anderen Städten inspiriertneue Projekte.Der stete Austausch über die Thematikregt die eigene Arbeit an und in-spiriertAkteure in anderen Städten. Die ZZZwar auf zahlreichen Exkursionen an verschiedenenOrten unterwegs und wurde ininsgesamt 26 Städte (regional und international)eingeladen, um über ihre Erfahrungenzu berichten. Der intensive Austauschauf den Veranstaltungen zeigt, wie virulentdas Thema Zwischennutzung ist. Ein großesInteresse gab es insbesondere an derOrganisation der ZZZ, den Motiven ihrerFinanzierung, der Unterstützung unternehmerischerAktivitäten und der Förderungpartizipativer Projekte.9 Nur ein Zwischennutzungsbüromit hoher Akzeptanz aufallen Seiten ist wirkungsvoll.ErfahrungsschätZZZe79


16 <strong>Zwischennutzungen</strong>brauchen Zeit.Die meisten Zwischennutzer möchtenlängerfristig am Ort arbeiten, sobaldsich herausstellt, dass ihre Idee wirksamist. Um Ideen umzusetzen und Räumeumzugestalten, brauchen sie eine großeGestaltungsfreiheit und einen verlässlichen– möglichst langen – Nutzungszeitraum.Eigentümer und die Verwaltung sollten vonden oft unerfahrenen Nutzern nicht allzuschnell messbare Ergebnisse oder ökonomischeGewinne erwarten.17 <strong>Zwischennutzungen</strong> solltenals Instrument sensibel eingesetztwerden.Die Bandbreite von <strong>Zwischennutzungen</strong>ist sehr groß. In einigen Städtenwerden <strong>Zwischennutzungen</strong> strategisch zurAdressenbildung eingesetzt. Daher habenvor allem subkulturelle Akteure, Künstlerund kreativwirtschaftlich ausgerichteteNutzer Befürchtungen, dass ihre Arbeit fürAufwertungsmaßnahmen oder Eigentümerinteresseninstrumentalisiert werdenkönnten. Wichtig für die Akzeptanz einerZwischennutzungsagentur ist es daher,dass <strong>Zwischennutzungen</strong> von Seiten derStadt nicht als Mittel zur Aufwertung vonStandorten eingesetzt werden, sondern zurErfüllung von Raumbedarfen der Akteure.18 Die Nachfrage übersteigtdas Angebot.<strong>Bremen</strong> verfügt über ein breitesPotential an möglichen Zwischennutzern. Inder Pilotphase gingen über 400 Anfragenalleine über die Kontaktadresse im Internetein. Durch den gestiegenen Bekanntheitsgradder ZZZ hat die Nachfrage zugenommen.Leider ist das Angebot an offenenRäumen für die Deckung der bestehendenNachfragesituation konstant zu gering. DerEngpass würde sich auflösen, wenn nur einBruchteil der 400 auf dem Bremer Leerstandsmelderregistrieren Potentiale aktiviertwerden könnte.19 Die Arbeit eines Zwischennutzungsbürosist sehr vielfältig.Das Aufspüren von Räumen, dieVernetzung zu Nutzern und Eigentümern,viel Öffentlichkeitsarbeit, Gespräche mitder Verwaltung, die Beratung der Nutzer,das Evaluieren der Ergebnisse und vielesmehr leistet ein Büro für <strong>Zwischennutzungen</strong>.Zum Arbeitsalltag gehört vor allemKommunikation. Eine gute Vernetzung inunterschiedliche Gruppen, ein transparenterUmgang mit Informationen und hervorragendeOrtskenntnisse sind unabdingbar.20 Jede Zwischennutzungist anders.Eine wichtige Erkenntnis aus derArbeit der ZZZ ist, dass jede Zwischennutzunganders ist und individuelleRahmenbedingungen erfordert. Aus unterschiedlichenVoraussetzungen ergebensich verschiedene Bedarfe der Zwischennutzer.Manche brauchen eine stärkereBegleitung und Beratung, andere beginnenohne Startprobleme. Je nach Stadt,Quartier und Ausgangslage muss sich eineZwischennutzungsagentur auf die sozialenund räumlichen Kontexte einstellen undindividuelle Wege finden.


5AusblickAuch in Zukunft wird die ZZZ schlafende Häuser in ganz <strong>Bremen</strong>wecken – sie ist mit ihrem vierköpfigen Team bis bis 2016 verlängert worden.Der bisher eingeschlagene Weg wird in den kommenden Jahrenweitergegangen, allerdings ohne Förderung durch das Bundesministerium,alleine durch die Stadt <strong>Bremen</strong>. Zu den bestehenden Zielen der ZZZist die Förderung der Kunst- und Kreativwirtschaft hinzugekommen undfolgerichtig ein weiteres Ressort in der Lenkungsgruppe vertreten – derSenator für Kultur. Die etablierte Struktur des Projekts <strong>ZwischenZeitZentrale</strong><strong>Bremen</strong> mit Lenkungsgruppe und Beirat wird beibehalten und umweitere Vertreter wie dem Klub Dialog im Beirat ergänzt.Die Pilotphase ist beendet. Damit verändern sich auch die Bedingungen,die Erwartungen und die Möglichkeiten der ZZZ. Dienten dievergangenen drei Jahre vor allem der Etablierung des Themas Zwischennutzung,so stellt sich nun auch die Frage nach einer Verstetigung der ZZZ.Wie kann sich eine Zwischennutzungsagentur mitfinanzieren, und welcherTeil ihrer Arbeit wird immer öffentliche bzw. private Zuschüsse benötigen?Auch thematisch verändern sich die Anforderungen. Im Zuge steigenderImmobilien- und Mietpreise könnte das Thema Wohnen in <strong>Zwischennutzungen</strong>zum Gegenstand der ZZZ werden.Stärker als bisher müssen private Eigentümer mit ins Boot geholtwerden, damit noch mehr Menschen schlafende Häuser wachküssen undgute Ideen verwirklichen können.„Die Skepsisin der ImmobilienverwaltungderStadt denZwischennutzerngegenüberistzurückgegangen.Jetzt gibtes einenVertrauensvorschuss.“Oliver Hasemann,DIE ZEIT, 9.11.2012Ausblick85


Braucht die „kreative Stadt“ neue rechtliche Regeln?Interview mit Tom Lecke-Lopatta (SUBV)Text aus: BMVBS/BBSR (Hrsg.) (2012): Offene Räume in der Stadtentwicklung:Leerstand - Zwischennutzung – Umnutzung. stadt:pilot spezial 02, S. 40–41.Permanenter Wandel ist Grundvoraussetzung für das Fortbestehender Städte. Der bestehende planungs- und baurechtliche Rahmen bietetentsprechend auch heute schon vielfältige Möglichkeiten, Wandel einzuleiten,zu gestalten und zu steuern. Allerdings sind die meisten der geltendenPlanungs- und Baurechtsbestimmungen für wachsende Städte entwickeltworden, weniger jedoch, um komplexe ergebnisoffene Prozesse, wie sie beispielsweisebei Zwischen- und Umnutzungen üblich sind, zu ermöglichen.Eine Reihe vor allem junger Akteure der Stadtentwicklung sind zunehmendder Meinung, dass der so entstandene Baurechtsrahmen nicht genügendSpielräume für den anstehenden Wandel eröffnet. Sicherlich bietet dasAnfang der 1970er-Jahre entwickelte Besondere Städtebaurecht Möglichkeiten,Bestandsgebiete zu sanieren und weiterzuentwickeln. Doch wirdbezweifelt, dass diese ausreichen. stadt:pilot spezial hat einem erfahrenenPraktiker Fragen zum Nachdenken gesandt. Thomas Lecke-Lopatta arbeitetseit vielen Jahren beim Senator für Umwelt, Bau und Verkehr der FreienHansestadt <strong>Bremen</strong> im Bereich Flächenpolitik, Wiedernutzung von Brachen.Hier sind seine Antworten.Welche Möglichkeiten liefert der bestehende Rechtsrahmen,<strong>Zwischennutzungen</strong> zu gestalten?Meiner Beobachtung nach werden zurzeit viele <strong>Zwischennutzungen</strong>,von denen sich mittlerweile viele kommunale Politiker und Planergeradezu Heilwirkungen versprechen, nur „unter Weggucken“ oder „mitBauchschmerzen“ geduldet. Dies macht natürlich nachdenklich, da gemeinhinein passender Regelungsrahmen innovative ökonomische Prozesseund andere Formen urbanen Lebens fördern kann, ohne gleichzeitig neuesoziale Konflikte auszulösen. Um zu verdeutlichen, worum es in Bezug aufden baurechtlichen Rahmen gehen kann, stelle ich aus Sicht meiner aktuellenPraxis einige Planspiele und Auswertungen vor. Schon auf Ebene derFlächennutzungsplanung sollte die Diskussion um neue Begrifflichkeitengeführt werden. In vielen Städten müssen bzw. können alte gewerblicheBereiche neuen Nutzungen zugeführt werden. Die langfristigen Zielefür diese Entwicklung sind jedoch nicht schnell festzulegen. Oft liegenTeilbereiche in der Nähe von Bahnlinien oder grenzen an noch gewerblichgenutzte Bereiche, sodass auch in diesen Teilbereichen ein Festhaltenan der Darstellung „gewerbliche Nutzung“ sinnvoll erscheint. Gleichzei-Braucht die „kreative Stadt“ neue rechtliche Regeln?89


tig ist häufig nicht klar, in welchem Umfang neue, gemischte Nutzungenüberhaupt realisierbar sind. Stellt die Gemeinde nun gerade einen neuenFlächennutzungsplan auf, hätte sie nach der letzten Baurechtsnovelle theoretischdie Möglichkeit, die Fläche „weiß“ zu lassen, also die Entscheidungzu vertagen. Dies kann aber nicht befriedigen, wenn schon klar ist, dass imErgebnis das Gebiet z. B. die Elemente Gewerbe- und Kreativzentrum sowie„normale“ gemischte Nutzungen umfassen soll. Letztlich soll also das Problemauf die verbindliche Bauleitplanung verlagert werden, die im Detail denUmgang mit Lärmproblemen, Investitionsansprüchen, Schutzbedürfnissenvon Betrieben, aber auch den Wohnanteil etc. klären muss. Man könnte dieSituation auch anders beschreiben: Es handelt sich hier um ein „Gebiet imUmbruch“ oder einen „städtischen Innovationsbereich“. Ich behaupte, derVerzicht auf einen frühzeitig festgelegten Rahmen, der Investitionssicherheitgewährleisten würde, ist in bestimmten Situationen vertretbar, da sogewünschte „urbane“ Entwicklungen befördert werden.Auf Nachbarschaftsschutz oder Umweltstandards kann auchbei <strong>Zwischennutzungen</strong> nicht verzichtet werden. Was aber dann?Warum nicht einfach das alte Baurecht aufheben und mit§ 34 BauGB weiteragieren?Dies würde ja, wie die Erfahrung zeigt, nicht nur den vorhandenenZustand festschreiben, sondern immerhin doch behutsame Entwicklungenermöglichen. So ist es nicht ausgeschlossen, dass sich auch etwas neues„Abweichendes“ entsprechend § 34 Abs. 3 a einfügt. Letztlich bleibt der § 34jedoch ein „zwischennutzungsfeindlicher“ Paragraf, um mit Schmidt-Eichstaedt2 zu sprechen. Ein weiterer Einwand, den ich habe, betrifft den weitgehendenbehördlichen Beurteilungsrahmen des Paragrafen. Wäre nichtfolgende Formulierung denkbar: Ein Konsens der betreffenden Bewohnerbeziehungsweise Gewerbetreibenden bildet eine wesentliche Voraussetzungfür eine dynamischere Entwicklung auch hinsichtlich der Nutzungsarten.Die Aufnahme einer derartigen erweiterten Nachbarschaftsklausel in den §34 müsste meines Erachtens jedoch zur Präzisierung und Begrenzung derEntwicklung auf den Rahmen der gesamtstädtischen Steuerung durch eineweitere Klausel bez. der Rahmensetzung durch die Darstellungen der Flächennutzungsplanungergänzt werden.Es gibt in Baltimore/USA mit den „Entertainment Districts“ 1 städtischeZonen, in denen man für einen begrenzten Zeitraum Steuererleichterungenund eine Aussetzung des geltenden Bau- bzw. Planungsrechtsvorsieht und für einen bestimmten Zeitraum – z. B. zehn Jahre – <strong>Zwischennutzungen</strong>zulässt. Auf deutsche Städte übertragen kann dies natürlichnicht heißen, dass in abgrenzbaren Räumen (z. B. über Satzungen) gänzlichauf Nachbarschaftsschutz, Umweltschutzstandards und Ähnliches verzichtetwird. An dieser Stelle sei mir ein kleines Wortspiel gestattet: Es fälltauf, dass es die Begriffe „Veränderungssperre“ und „Erhaltungssatzung“gibt, jedoch nichts Vergleichbares in Richtung „Dynamik-“, „Kreativ-“ oder„Experimentierzone“. Leider scheint das unlängst dem Instrumentenkastenzugefügte „Baurecht auf Zeit“ in der derzeitigen Ausformulierung mit demErfordernis einer eindeutigen, wenn auch zeitlich begrenzten Zielformulierungkaum in diese Richtung nutzbar zu sein.Sind die vorhandenen Begrifflichkeiten der Baunutzungsverordnungnoch ausreichend?Natürlich kann hier nicht quasi im Nebensatz auch noch die Baunutzungsverordnungqualifiziert diskutiert werden. Seit Jahren wird ja diskutiert,ob der Begriff „Mischgebiet“ (MI) der BauNVO noch hinreichend dasbeschreibt, was heutzutage unter „urbaner Nutzung“ verstanden wird. Ähnlichesgilt für das veranstaltungsfreundlichere, aber wohnnutzungsfeindliche„Kerngebiet“ (MK). Vielleicht bedarf es hier nur der Neufassung vonBegrifflichkeiten. Es könnte aber auch sein, dass es grundlegender systematischerEinfügungen in die Baunutzungsverordnung und die Landesbauordnungenbedarf, um neben der Zonierung der Stadt nach Art und Maß derNutzungen auch für unterschiedliche dynamische Zonen, das heißt Zonenunterschiedlicher Zeitrhythmen und Nutzungszyklen, hinreichend treffendeRechtsrahmen zur Verfügung zu haben. 3Braucht die „kreative Stadt“ neue rechtliche Regeln?91


Welche Ansatzpunkte liefert das Besondere Städtebaurecht?Schon jetzt ist es im Rahmen des Besonderen Städtebaurechts ohneWeiteres möglich, die städtischen Umbruchzonen als Sanierungsgebieteauszuweisen und damit sowohl weitgehend örtliche Mitbestimmungsrechtezu sichern sowie entsprechende dialogische Verfahren zwischen den alteingesessenen(Rest-)Nutzern und jungen Zwischennutzern, die sich inbestimmten Gebieten neue Rechte erobern wollen, einzuleiten. Vielleichtliegt es auch hier nur an Begrifflichkeiten wie „Sanierungsgebiet“. Klingtnicht z. B. „Innovationsgebiet“ für alle Beteiligten motivierender? Vielleichtlässt sich ein derartiger Begriff ins Baugesetzbuch einführen und mitden o. g. Gedankengängen zu planungs- und bauordnungsrechtlichen Fragenverknüpfen, die im Kern alle auf Zeitgewinn abzielen. Das BesondereStädtebaurecht ist ja auch darauf angelegt, dass durch die entsprechendenBestimmungen zeitlich begrenztes Sonderrecht und danach wieder unbefristetesRecht gilt. Die Krux ist hier nur, dass es derzeit eines hohen zeitlichenVorlaufs für dieses „besondere Recht“ bedarf. Nicht zuletzt sei aberdaran erinnert, dass das Besondere Städtebaurecht auch darauf abzielt, diesozialen Entwicklungen nicht regellos in einem derartigen Gebiet laufen zulassen.Tom Lecke-Lopatta auf dem Kongress 2012, rb1 Kirchberg, Volker: The Interface of Culture and City Development; Baltimore 2009, S. 9 f.2 Schmidt-Eichstaedt, Gerd: Die Genehmigungsfähigkeit von <strong>Zwischennutzungen</strong> nach Bauplanungsrechtund nach Bauordnungsrecht, Berlin 2008.3 Übrigens muss dringend auch auf Ebene der Landesbauordnungen eine Klarstellung erfolgen,unter welchen Voraussetzungen zeitlich befristete Abweichungen ohne Nutzungsänderungsverfahren– und die daraus regelmäßig resultierenden Umbaukosten z. B. für Barrierefreiheit –genehmigungs- bzw. duldungsfähig sind.Braucht die „kreative Stadt“ neue rechtliche Regeln?93


QuellenStatistisches Landesamt <strong>Bremen</strong>:www.statistik.bremen.de, 15.11.2012ImpressumDie <strong>ZwischenZeitZentrale</strong> <strong>Bremen</strong> ist ein Pilotprojektim Rahmen der Nationalen Stadtentwicklungspolitikdes Bundesministeriums für Verkehr, BauBertelsmann Stiftung:Vogelsang, Christina (2009):Herausgeberund Stadtentwicklung (BMVBS) und des Bundes-www.wegweiser-kommune.de/datenprognosen/Sproutbau: ein Sommer im Beton. <strong>Bremen</strong>.Senator für Wirtschaft, Arbeit und Häfen (SWAH)institut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR).prognose/Prognose.action, 15.10.2012Ziehl, Michael/Oßwald, Sarah/AutorinDie Bremer Projektträger sind der Senator fürBMVBS/BBSR (Hrsg.) (2012):Hasemann, Oliver/Schnier, DanielZZZ – <strong>ZwischenZeitZentrale</strong> <strong>Bremen</strong>Wirtschaft, Arbeit und Häfen in Kooperation mitOffene Räume in der Stadtentwicklung:(Hrsg.) (2012):Hansator 1 (Abfertigung),dem Senator für Umwelt, Bau und Verkehr undLeerstand - Zwischennutzung – Umnutzung.second hand spaces – über das Recyceln von28217 <strong>Bremen</strong>, www.zzz-bremen.deder Senatorin für Finanzen sowie die stadteigenenstadt:pilot spezial 02, Bonn.Orten im städtischen Wandel, Berlin.Gesellschaften Immobilien <strong>Bremen</strong> (IB) und Wirt-Text und Konzeptionschaftsförderung <strong>Bremen</strong> (WFB). Die ZZZ wird vomEisinger, Angelus/Seifert, Jörg (Hrsg.) (2012):Oliver Hasemann und Sarah Oßwald,Autonomen Architektur Atelier (AAA) in Koopera-urbanRESET, Basel.www.zzz-bremen.detion mit Sarah Oßwald und Michael Ziehl umge-Gallenmüller, Tanja (2004):Mind the Gap. Mammendorf.Weiterführende LinksKorrektoratAnika Grabenhorst,setzt.www.mondgesicht-korrektorat.deHinweisHaydn, Florian/Temel, Robert (2004):KonferenzdokumentationAus Gründen der besseren Lesbarkeit wurde intempo..rar – Zur Erforschung der Möglichkeitenwww.zzz-bremen.de/assets/Uploads/Gestaltung Dokumentationder Publikation die maskuline Schreibform ver-beim temporären Besetzen von Orten.Dokumentation2ndHandSpaces.pdfSilke Nachtigahl, www.nachtigahl.dewendet. Darin werden jedoch ausdrücklich alleIn: Derive 14: 5-11.Geschlechter eingeschlossen.KongressdokumentationGestaltung LogoKohoutek, Rudolf/Kamleithner, Christa (2004):www.zzz-bremen.de/assets/Uploads/Marius Bruns, www.robinson-cursor.deTemporäre Nutzungen, Deregulierung undDokumentationKongress2ndHandSpaces.pdfUrbanität. In: Derive 14: 12-15.FotosAusgewählte AkteureRaphael Brix (rb), Anne Bock (ab),Oswalt, Philipp/Overmeyer, Klaus/Misselwitz,AAA – Autonomes Architektur Atelier:Cathrin Eisenstein (ce), Walter Gerbracht (wg),Philipp (2011): Urban Catalyst:www.aaa-bremen.deSarah Oßwald (so), Daniel Schnier (ds),Strategien für zeitlichen Gebrauch, Barcelona.die Urbanisten e.V.: www.dieurbanisten.deMichael Ziehl (mz)Disurban: www.disurbanism.wordpress.comOswalt, Philipp (2000):Fruchtgenuss: www.fruchtgenuss.wordpress.comRecyclingpapierBerlin_Stadt ohne Form. Strategien einer anderenGängeviertel e.V.: www.das-gaengeviertel.infoCircleoffset White, 100 g/qm, Umschlag 300g/qmArchitektur. München, London, New York.Leerstandsmelder: www.leerstandsmelder.deopen Berlin e.V.: www.openberlin.orgSchriftenSenatsverwaltung für Stadtentwicklungraumlaborberlin: www.raumlabor.netGeorgia, Avenir Next LT Pro(SenStadt) (Hrsg.) (2004):second hand spaces GbR:Raumpioniere. Berlin.www.secondhandspaces.deDruckSocial Entrepreneurship: www.arrebita.orgStürken Albrecht GmbH & Co. KGSenatsverwaltung für StadtentwicklungStiftung Urban Resort: www.urbanresort.nl(SenStadt) (Hrsg.) (2007):temp.architectureurbanism:Erste AuflageUrban Pioneers. Berlin.www.temparchitecture.com500 StückUrban Catalyst studio:Siebel, Walter (2009):www.urbancatalyst-studio.deErscheinungsdatumLasst die Brachen blühen – Kulturprojekte alsVerein k.e.i.m.: www.zwischennutzung.net15. Dezember 2012Impulsgeber für die Stadtentwicklung.In: Vogelsang, Christina (2009): Sproutbau:ein Sommer im Beton, <strong>Bremen</strong>.Impressum95


ZZZzzzZZZzzz – so schlummern vielerortsleerstehende Gebäude und Brachfl ächen vorsich hin. Die <strong>ZwischenZeitZentrale</strong> <strong>Bremen</strong>(ZZZ) weckt sie mit <strong>Zwischennutzungen</strong> wiederauf!Die <strong>ZwischenZeitZentrale</strong> ist einPilotprojekt im Rahmen der NationalenStadtentwicklungspolitik und wird vomBundesministerium für Verkehr, Bau undStadtentwicklung (BMVBS) gefördert.Die Bremer Projektträger sind derSenator für Wirtschaft, Arbeit und Häfen inKooperation mit dem Senator für Umwelt,Bau und Verkehr und der Senatorin fürFinanzen sowie die stadteigenen GesellschaftenImmobilien <strong>Bremen</strong> (IB) und Wirtschaftsförderung<strong>Bremen</strong> (WFB). Die ZZZwird vom Autonomen Architektur Atelier(AAA) in Kooperation mit Michael Ziehlund Sarah Oßwald umgesetzt.

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