hohenzollerische heimat w 3828 fx - Hohenzollerischer ...
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HÖH ENZOLLER ISCHE<br />
HEIMAT<br />
W <strong>3828</strong> FX<br />
Herausgegeben vom<br />
Hohenzollerischen Geschichtsverein<br />
31. Jahrgang Nr. 1/März 1981<br />
Die Heuneburg von Südosten. Im Vordergrund die Furt durch die Donau, im Mittelgrund zwei der vier Fürstengrabhügel aus der Spätzeit des<br />
Fürstensitzes, im Hintergrund der bewaldete Südsaum der Schwäbischen Alb.<br />
EGON GERSBACH<br />
Die Heuneburg bei Hundersingen a. d. Donau, Kreis Sigmaringen<br />
Ein Streifzug durch die Geschichte dieses festen Platzes<br />
Am Nordrand Oberschwabens liegt knapp dreißig Kilometer<br />
donauabwärts von Sigmaringen die Heuneburg inmitten<br />
einer der Kornkammern dieses Landstrichs. Sie bekrönt<br />
einen aus dem westlichen Steilufer zur Donau vorspringenden<br />
Sporn über einer noch heute benutzbaren Furt durch den<br />
Fluß. Dergestalt beherrscht sie weithin die Flußniederung<br />
mit den Fernverkehrsadern, die schon immer durch dieses<br />
verkehrsoffene Tal gelaufen und von ihm in alle Richtungen<br />
abgezweigt sind.<br />
Schon früh ist die Heuneburg in das Blickfeld der Forschung<br />
getreten. Erstmals, als Eduard Paulus, Konservator an der<br />
>Königlichen Staatssammlung Vaterländischer Kunst- und<br />
Altertumsdenkmale* in Stuttgart, dem heutigen Württembergischen<br />
Landesmuseum, in den Jahren 1876/77 drei der<br />
vier mächtigen Grabhügel im nordwestlichen Vorfeld der<br />
Burg untersuchte. Zwar erwiesen sich die aus Eichenholz<br />
gezimmerten rechteckigen Grabkammern im Zentrum dieser<br />
monumentalen Tumuli als von zeitgenössischen Grabräubern<br />
augeplündert. In anderen noch unberührten Gräbern<br />
stieß Paulus jedoch auf goldene Halsreifen und kunstvoll<br />
gearbeitete und ziselierte Waffen, Würdezeichen der Mächtigen<br />
jener Zeit, auf kostbaren Goldschmuck und vielfältiges<br />
Bronzegeschirr sowie auf Teile von vierrädrigen Prunkwagen.<br />
Dieser Reichtum an wertvollen, auf eine gesteigerte<br />
Repräsentation hinweisende Grabbeigaben drängte Paulus zu<br />
der Vermutung, die Grablegen eines fürstlichen Geschlechts<br />
gefunden zu haben, als dessen Sitz der die nur wenige hundert<br />
Meter entfernte Heuneburg betrachtete.<br />
Wie recht Paulus mit seiner Vermutung hatte, sollte sich 1950<br />
erweisen, als Dr. Kurt Bittel, Professor für Vor- und Frühge-
Außenfront der Lehmziegelmauer nahe der Südostecke nach entferntem<br />
Verputz. Auf der Berme vor der Mauer Reste verkohlter Balken<br />
des Maueroberhaus.<br />
schichte in Tübingen, unterstützt von Hauptkonservator Dr.<br />
Adolf Rieth, Leiter des damaligen Staatlichen Amts für<br />
Denkmalpflege in Tübingen, mit ersten planmäßigen Sondierungen<br />
auf dem markanten Burgberg begann. Schon bald<br />
kamen Bruchstücke von griechischem Tafelgeschirr und<br />
großgriechischen Weinamphoren zum Vorschein; bald stieß<br />
man auch auf jene drei Meter breite nach mediterranem<br />
Vorbild aus luftgetrockneten Lehmziegeln auf einem Kalksteinsockel<br />
errichtete Burgmauer, die nördlich der Alpen<br />
noch immer einzigartig ist. Beides zeugte nicht nur von<br />
weitreichenden Kulturverbindungen, sondern hob die Heuneburg<br />
auch sichtbar aus der Masse der ältereisenzeitlichen<br />
Burgen (6. bis 5. Jh. v. Chr.) im nordwestlichen Alpenvorland<br />
heraus. Und doch fiel damit nur ein Streiflicht auf die<br />
äußerst wechselvolle Geschichte dieser Wehranlage über der<br />
noch jungen Donau. Das hat die systematische Erforschung<br />
der Burg deutlich gemacht, die seitdem fast ohne Unterbrechung<br />
bis heute fortgeführt wurde. Sie zeigte, daß die<br />
hervorragende vekehrsgeographische Lage des Platzes vermutlich<br />
seit dem ausgehenden 3. Jahrtausend bis in das<br />
beginnende Hochmittelalter (11. Jahrhundert) hinein immer<br />
wieder zum Burgenbau angereizt hat. Aus der jahrtausendelangen<br />
Geschichte der Heuneburg werden hier drei Schwerpunkte<br />
in ihren Grundzügen nachgezeichnet. In der zeitlichen<br />
Abfolge gesehen, sind dies die Mittelbronzezeit, nach<br />
der vorherrschenden Bestattungsform auch Hügelgräberbronzezeit<br />
genannt (16. bis 13. Jh. v. Chr.), danach die späte<br />
Hallstatt- und frühe Latenezeit (6. bis 5. Jh. v. Chr.) und<br />
schließlich das Mittelalter (6.17. bis 11. Jahrhundert).<br />
In der Mittelbronzezeit wurde die bis dahin nur mit vergleichsweise<br />
schwachen Erdwerken befestigte Heuneburg<br />
erstmals zu einer stark bewehrten, zweiteiligen Befestigung<br />
ausgebaut. Sie wurde von einer gemeinsamen Ringmauer<br />
umschlossen, die in der einheimischen Blockbauweise aus<br />
Holz errichtet und mit Erde verfüllt war. Die einzellige<br />
Kastenmauer folgte der vorgegebenen Geländekontur mit<br />
Ausnahme des Nordostsporns, dessen sich stärker senkende<br />
Spitze außerhalb der Umwehrung blieb. Im Westen, wo der<br />
Burgberg durch eine 110 m breite Landzunge mit dem<br />
flachwelligen Vorland verbunden war, wurde die Mauer<br />
nicht wie sonst üblich ebenerdig errichtet, sondern über einen<br />
künstlich aufgeschütteten, steilgeböschten Erddamm<br />
2<br />
geführt, um die Hauptangriffseite durch diese Überhöhung<br />
wirkungsvoller zu beherrschen. Die einer Bauklammer vergleichbare<br />
Führung dieses mächtigen Mauerdamms, dessen<br />
Basisbreite über 20 m betragen haben muß, wird von der<br />
heutigen Topographie noch immer deutlich nachgezeichnet;<br />
sie ist aus dem beigegebenen Grundrißplan des späthallstattzeitlichen<br />
Fürstensitzes ebenso klar ersichtlich. Dem Mauerdamm<br />
war sicherlich ein Graben vorgelagert; er muß die<br />
Landbrücke im Zuge des inneren der beiden gewaltigen<br />
mittelalterlichen Gräben, die heute diese Front der Heuneburg<br />
prägen, in gerader Flucht durchschnitten haben. Schon<br />
allein dieser Abschnitt der Gesamtanlage war ein ungemein<br />
arbeitsintensives Befestigungswerk; vor allem, wenn man<br />
sich vor Augen hält, daß die tausende Kubikmeter Erdmassen<br />
des nahezu vier Meter hohen Mauerdammes offensichtlich<br />
mit Körben aufgeschüttet worden sind. Die Arbeit an einem<br />
solchen Befestigungswerk konnte nur von einer gut organisierten<br />
und auch entsprechend zahlreichen Gemeinschaft<br />
bewältigt werden.<br />
Knapp 60 m burgeinwärts verlief parallel dazu eine zweite<br />
Befestigungslinie. Von ihr einzig der tiefe Sohlgraben erhalten<br />
geblieben. Er scheint auf beiden Seiten nicht in die<br />
Bergflanken eingemündet, sondern vorher aufgehört zu<br />
haben, so daß Erdbrücken stehenblieben. Durch sie war der<br />
kleinere westliche mit dem ungleich größeren östlichen Befestigungsteil<br />
verbunden. Mit einer gemeinsamen Ringmauer<br />
umgürtet, bildeten beide Teile fortifikatorisch eine Einheit.<br />
In beiden Befestigungshälften beschränkte sich die Bebauung<br />
mit vergleichsweise kleinen Pfosten- und Blockwerkhäusern<br />
auf einen schmalen Geländestreifen unmittelbar hinter der<br />
Umwehrung. Die beiden weitläufigen Innenräume sind allem<br />
Anschein nach von jeder Überbauung freigehalten worden;<br />
wie man annimmt zur Aufnahme zusätzlicher Bevölkerungsgruppen<br />
in Zeiten der Bedrängnis oder drohender Gefahr.<br />
Ob die Bebauungsstruktur in beiden Befestigungsteilen<br />
gleichgeartet war, läßt sich zur Zeit noch nicht sagen; auch<br />
nicht, wo die vorauszusetzende Oberschicht und wo das<br />
Bronzehandwerk angesiedelt war, das sich auf solche Plätze<br />
konzentrierte.<br />
Die Schriftleitung bedankt sich bei Herrn Dr.<br />
Gersbach für seinen Beitrag und die Abbildungen.<br />
Die Existenz so stattlicher Wehranlagen wie der Heuneburg<br />
paßte zunächst so gar nicht in das bisher entworfene Bild von<br />
der Sozial- und Wirtschaftsstruktur der Mittelbronzezeit.<br />
Inzwischen hat sich die Erkenntnis durchgesetzt, daß befestigte<br />
Plätze dieser Größenordnung (knapp 3 ha) nicht nur die<br />
politisch hervorragenden, sondern auch die wirtschaftlichen<br />
Zentren volkreicher Stämme gewesen sind. Wir dürfen als<br />
sicher annehmen, daß sich in ihnen das Wirken bedeutender<br />
Persönlichkeiten - Häuptlingen oder Stammeskönigen -<br />
widerspiegelt. Wie weit ihr Macht- oder Einflußbereich über<br />
die Grenzen der unmittelbaren Heimat hinausreichte, wissen<br />
wir nicht.<br />
In die späte Hallstatt- und frühe Latenezeit (6. bis 5. Jh. v.<br />
Chr.) fällt der glanzvolle Höhepunkt in der bewegten<br />
Geschichte der Heuneburg. Die Burg war in dieser Zeit Sitz<br />
fürstlicher Adelsgeschlechter, die gleich anderen im Räume<br />
der westlichen Hallstattkultur zwischen Inn und Bayrischem<br />
Wald im Osten, Burgund im Westen und dem Main im<br />
Norden aus im Lande be<strong>heimat</strong>eten Grundherrschaften hervorgegangen<br />
sind. Es waren frühkeltische Geschlechter, wie<br />
der bruchstückhaften schriftlichen Überlieferung der beiden<br />
griechischen Geschichtsschreiber Hekataios von Milet und<br />
Herodot zu entnehmen ist. Ersterer berichtet nämlich, daß<br />
im Hinterland der griechischen Kolonie Massalia, dem heutigen<br />
Marseille, die >Keltikä
Grundrißplan der Heuneburg mit Bebauung der Südostecke zur Zeit der Lehmziegelmauer, 2. Hälfte 6. Jh. v. Chr. Auf dem Gelände der<br />
offenen Burgsiedlung sind die vier Fürstengrabhügel aus der Spätzeit des Fürstensitzes (5.Jh.v. Chr.) eingezeichnet.<br />
welchem Herdodot die Donau entspringen läßt. In dem<br />
besagten Raum bestimmte eine, wie es scheint, feudale<br />
Adelsgesellschaft das politische Geschehen und prägte die<br />
kulturelle Entwicklung bis zum Beginn der keltischen Wanderungen<br />
in den Jahrzehnten nach 400 v. Chr. Man geht<br />
gewiß nicht fehl, der zu Zeiten der mediterranen Lehmziegelmauer<br />
in der westlichen Hallstattprovinz ganz einzigartigen<br />
Heuneburg eine entsprechende Anziehungs- und Ausstrahlungskraft<br />
zuzuschreiben.<br />
Kennzeichnend für diese aristokratische Oberschicht sind<br />
ihre in geschützter Höhenlage errichteten Burgen und die von<br />
den mächtigsten Familien stets in deren Blickfeld aufgeschütteten<br />
Grabhügel; riesige Tumuli, die Höhen bis zu 15 m und<br />
Durchmesser bis zu 100 m erreichen können. In ihrem<br />
Zentrum liegen zu ebener Erde oder in den Boden versenkt<br />
die großen aus Holz gezimmerten Grabkammern der Herrschenden.<br />
Sie wurden mit den Insignien ihres Standes und der<br />
Ausstattung der vornehmen Tafel, zumeist kostbaren<br />
Erzeugnissen des mediterranen Kunsthandwerks, neben<br />
einem vierrädrigen Prunkwagen zur letzten Ruhe gebettet,<br />
um solchermaßen ihre Identität auch im Jenseits zu wahren.<br />
Die Entstehung und Entfaltung dieser frühkeltischen Adelsgesellschaft<br />
entzieht sich noch weitgehend unserer Einsicht,<br />
doch ist sie fraglos vor dem Hintergrund verstärkter Kontakte<br />
mit dem griechisch-etruskischen Mittelmeerraum zu<br />
sehen. Großgriechen wie Etrusker waren bestrebt, ihren<br />
wirtschaftlichen Einfluß auf die Völker in ihrem nördlichen<br />
Hinterland auszudehnen und sich dort neue Absatzmärkte<br />
und Rohstoffquellen zu erschließen. Das hatte zur Folge, daß<br />
die schon zuvor zu wirtschaftlichem Wohlstand und damit<br />
politischer Macht gekommenen frühkeltischen Familien<br />
zunehmend in den Bann des Südens gerieten. Zu Anfang<br />
wohl insbesondere in die Einflußsphäre der um 600 v. Chr.<br />
von phokäischen Griechen im Lande der Ligurer gegründeten<br />
Kolonie Massalia und deren Tochterstädte, die bald<br />
danach entlang der Küste von der Riviera bis nach Nordostspanien<br />
entstanden sind. Die immer enger werdende Berührung<br />
mit dem weitgehend griechisch geprägten Süden, seit<br />
dem 5. Jh. v. Chr. auch über die Alpenpässe hinweg, hat sich<br />
indes nicht im Austausch materieller Güter erschöpft; sie<br />
führte im Westhallstattkreis zu einer Veränderung der bestehenden<br />
Herrschaftsstruktur und einer den neuen Verhältnissen<br />
angemessenen Lebenshaltung der Mächtigen. Archäologisch<br />
wird diese tiefgreifende Wandel der überkommenen<br />
Strukturen im Burgenbau und in der Grabausstattung deutlich.<br />
Vergleicht man letztere mit jener im Süden, so erkennt<br />
man, daß siei sich ganz im Rahmen der dort angetroffenen<br />
Vorstellungen bewegt. Es darf daher als ziemlich sicher<br />
gelten, daß die sich unter südlichen Impulsen formierende<br />
frühkeltische Feudalgesellschaft für die südländische Aristokratie<br />
weit mehr war als nur eine erstklassige Kundschaft für<br />
Luxuserzeugnisse und Konsumgüter des gehobenen Bedarfs,<br />
vor allem Wein. Mit Recht ist darauf hingewiesen worden,<br />
daß so manches Prunkstück südländischer Herkunft in den<br />
3
Grabkammern der frühkeltischen Fürsten und Vornehmen<br />
als Gastgeschenk an deren »Höfe« gekommen sein muß. Man<br />
hat das aus entsprechenden Schilderungen antiker Schriftsteller<br />
geschlossen. Diese Berichte führen uns beispielhaft vor<br />
Augen, daß schon damals durch prunkvolle, einer gesteigerten<br />
Repräsentation dienende »diplomatische« Geschenke<br />
Bindungen geknüpft, ja Verpflichtungen begründet wurden,<br />
die oft über >bloße Gastrechtsbande weit hinausgehen*.<br />
An guten Beziehungen zu den Völkern in ihrem nördlichen<br />
Hinterland mußte den Großgriechen aber umso mehr gelegen<br />
sein, als Karthager und Etrusker in der zweiten Hälfte des 6.<br />
Jh. v. Chr. ihre wirtschaftliche Vorrangstellung bedrohten;<br />
erst recht, als die Blockade der Meerenge von Gibraltar durch<br />
die Karthager die Griechenstädte zwang, ihren Seehandel<br />
ebenfalls auf die binnenländischen Fluß- und Landwege zu<br />
verlagern. Diese beherrschten die führenden frühkeltischen<br />
Geschlechter mit ihren Burgen, vor allem die Umschlagplätze<br />
vom Fluß - auf den Landtransport und die wichtigen Flußübergänge.<br />
Auch die Heuneburg muß ihren überregionalen<br />
Rang nicht zuletzt ihrer hervorragenden verkehrsgeographischen<br />
Lage verdankt haben. Insbesondere wohl der kontinentalen<br />
Fernhandelsroute auf und entlang der Donau, die<br />
durch das Schweizer Mittelland und das Rhonetal mit der<br />
griechischen Handelsmetropole Massalia verbunden war;<br />
aber sicherlich auch der aus Norden kommenden transalpinen<br />
Verbindung durch Oberschwaben und das Bodenseerheintal<br />
nach Oberitalien über die Pässe Graubündens, denen<br />
bis zur Eröffnung des Gotthardweges im Hochmittelalter<br />
eine wichtige Rolle im Nord-Süd-Verkehr zugekommen ist.<br />
Die Gründung des Fürstensitzes erfolgte sehr wahrscheinlich<br />
im ersten Viertel des 6. Jh. v. Chr. Mit der Burg zugleich<br />
entstand auf einem flachen Hügelrücken im nordwestlichen<br />
Vorland eine offene Ansiedlung. Sie hat an Flächenausdehnung<br />
die knapp 3 ha große Burg anscheinend um einiges<br />
übertroffen. Die Bebauung dieser Burgsiedlung ist zwar erst<br />
in Spuren erfaßt, doch ist schon jetzt erkennbar, daß hier<br />
außer dem Handwerk auch Schmelzen und Gießereien für<br />
Bronze angesiedelt waren.<br />
Nach althergebrachter Sitte wurde die Burg mit einer 4 m<br />
breiten Holz-Erde-Mauer in Blockbauweise befestigt. Die<br />
Ringmauer folgte der Kontur des Burgberges mit Ausnahme<br />
des Nordostsporns; dieser blieb auch jetzt außerhalb der<br />
Umwehrung. Gegenüber der offenen Burgsiedlung und auf<br />
der Donauseite über der Furt wurde die Mauer von Toren<br />
unterbrochen. Die Innenbebauung ist zumindest für den<br />
nahezu vollständig untersuchten Südteil in den Grundzügen<br />
erkennbar. Danach war dieser Teil in Hofstätten mit großen<br />
Bohlenständerbauten und Nebengebäuden, wohl Speichern,<br />
eingeteilt, die durch Palisadenzäune gegeneinander abgegrenzt<br />
waren. Das weitläufige Areal wurde durch ein System<br />
offener Gräben entwässert. Ein Wasserversorgungsproblem<br />
scheint es demnach nicht gegeben zu haben. Ein im Nordosten<br />
gelegener Tiefbrunnen hat offenbar genügt, um die<br />
Burgbewohner zu jeder Jahreszeit ausreichend mit Trinkwasser<br />
zu versorgen. Es ist möglich, ja sogar wahrscheinlich, daß<br />
in seiner Nähe die Bauten der herrschenden Familie und der<br />
Oberschicht, nicht aber jene der Handwerker gelegen haben.<br />
Wenn man davon ausgehen darf, daß eine Holz-Erde-Mauer<br />
eine Generation kaum überdauert hat und ein wirtschaftlicher<br />
Aufschwung sich in der Regel erst in einigen Jahren in<br />
baulichen Maßnahmen äußert, dann muß diese Burg mitteleuropäischer<br />
Prägung im zweiten Viertel des 6. Jh. v. Chr.<br />
von Grund auf umgestaltet worden sein. Man ersetzte die<br />
traditionelle Umwehrung durch eine Lehmziegelmauer, wie<br />
dies bei griechischen Stadtbefestigungen üblich war. Ein<br />
wasserabweisender Verputz auf den senkrechten Fronten<br />
und ein Fachwerkoberbau aus Holz schützten den fremdländischen<br />
Mauerbau zuverlässig gegen die feichte nordalpine<br />
4<br />
Witterung. Auf den von Natur hervorragend geschützten,<br />
nahezu unangreifbaren Seiten folgte die Mauer wie ihre<br />
südländischen Vorbilder in geradliniger Führung der vorgegebenen<br />
Geländekontur; der Nordostsporn blieb weiterhin<br />
außerhalb des Mauerringes. Auf dem gefährdeten, weil vergleichsweise<br />
flach abfallenden Streckenabschnitt zur Burgsiedlung<br />
hin war die Mauer mit Rechtecktürmen verstärkt,<br />
die zu ebener Erde eine bewohnte Turmkammer hatten.<br />
Auch die Hauptangriffseite im Westen gegenüber der Landbrücke<br />
dürfte mit Türmen besetzt gewesen sein. Auf der<br />
Donauseite durchbrach ein Tor den Mauerring. Dies muß<br />
auch im Nordwesten gegenüber der Burgsiedlung der Fall<br />
gewesen sein; wahrscheinlich dort, wo die dichte Reihung der<br />
Türme in eine winklige Mauerführung übergeht und die<br />
Mauer burgeinwärts abknickt. Dergestalt war die Heuneburg<br />
ein ziemlich getreues Spiegelbild der auf wirksamen Schutz<br />
und Repräsentation zugleich bedachten griechischen Befestigungsarchitektur.<br />
Der Innenraum der Burg war anscheinend in Quartiere mit<br />
spezifischer Funktion eingeteilt; das der Oberschicht vorbehaltene<br />
dürfte im Nordostteil im Umkreis des Tiefbrunnens<br />
gelegen haben. Von den bisher aufgedeckten Quartieren läßt<br />
sich einzig das im Mauerwinkel südlich des Donautores<br />
ziemlich regelmäßig angelegte schon jetzt funktional bestimmen:<br />
hier lagen Gelbgießereien, hier war das Bronzehandwerk<br />
angesiedelt. Schmelzen und Produktionsstätten, die<br />
übermäßig Qualm und Abgase erzeugten, sind an ihren<br />
besonderen Rauchabführungen in Form eines Vierpfostengerüstes<br />
kenntlich. Die Kapazität der metallurgischen Betriebe<br />
war so groß, daß sie über den Eigenbedarf hinaus die<br />
Nachfrage eines größeren Marktes befriedigen konnte. Die<br />
bisher festgestellte Bebauung weist deutliche Merkmale eines<br />
von vornherein festgelegten Planes auf. Sie läßt darüber<br />
hinaus vermuten, daß ein Großteil der Burgbewohner mit<br />
dem Handwerk beschäftigt war. Wer den Plan zu dieser<br />
städtische Züge aufweisenden Burg für den fürstlichen Herrn<br />
geschaffen hat, läßt sich nur so beantworten: Es kann ein aus<br />
dem großgriechischen Machtbereich stammender, aber<br />
ebensogut ein einheimischer Baumeister gewesen sein, der<br />
sich im griechisch bestimmten Süden einschlägige Kenntnisse<br />
erworben hatte. Nicht besser steht es um unser Wissen<br />
bezüglich der Ausdehnung des Territoriums der Heuneburg.<br />
Doch kann als sehr wahrscheinlich gelten, daß der Adel auf<br />
den im näheren und weiteren Umkreis gelegenen Burgen -<br />
Bussen, Heuneburg bei Upflamör, Alteburg bei Fridingen u.<br />
a. - in einer der Lehenshoheit des Mittelalters vergleichbaren<br />
Abhängigkeit zu den Heuneburgfürsten gestanden hat. Vermutlich<br />
bis zur Belagerung und Brandschatzung der Burg<br />
und der in ihrem Schutze liegenden Burgsiedlung um 500 v.<br />
Chr. Sucht man nach einer Erklärung für das, was sich damals<br />
zugetragen hat, dann bieten sich innenpolitische Spannungen<br />
an, wobei an ungehemmte Rivalitäten der führenden Familien<br />
untereinander, aber auch an die Erhebung eines Teiles des<br />
tributpflichtigen Adels gedacht werden darf.<br />
Mit dem Fall der stark südländisch geprägten, stadtähnlichen<br />
Burg scheint auch die Herrschaft der »Gründerdynastie«<br />
besiegelt. Dafür gibt uns die chronologische Abfolge<br />
bestimmter Tatbestände die Möglichkeit einer Erklärung in<br />
die Hand. Mit der Zerstörung der Burg und der Verwüstung<br />
der Burgsiedling bricht zugleich die Belegung des Hohmichele<br />
ab, dem größten der um die Burg gruppierten Fürstenhügel,<br />
in welchem mit Recht die Grabstätte des Ahnherrn der<br />
»Heuneburgdynastie« gesehen wird. Auch für die anderen<br />
monumentalen Fürstengrabhügel auf den Talrandhöhen diesund<br />
jenseits des Flusses läßt sich dasselbe Phänomen wahrscheinlich<br />
machen. Eine neue Nekropole entsteht auf dem<br />
einplanierten Gelände der verwüsteten Burgsiedlung buchstäblich<br />
im Angesicht der wiederaufgebauten Burg. Als diese
Versuch einer Rekonstruktion der Nord- und Westfront der Burg zur Zeit der Lehmziegelmauer.<br />
Versuch einer Rekonstruktion des Handwerkerviertels in der Südostecke der Burg zur Zeit der Lehmziegelmauer.
ihren endgültigen Untergang gefunden hatte, umfaßte diese<br />
jüngste Fürstennekropole vier mächtige Grabhügel, welche<br />
1876/77 bis auf einen untersucht worden sind.<br />
Auch beim Wiederaufbau der Burg wurde nicht an die<br />
Tradition angeknüpft. Man schleifte die ein halbes Jahrhundert<br />
bewährte Lehmziegelmauer, die den Feuersturm mit<br />
Ausnahme der Fachwerkkrone nahezu unversehrt überstanden<br />
hatte, um auf dem verbliebenen Stumpf eine Mauer<br />
einheimischer Bauart mit einem Pfostengerüst aus Holz zu<br />
errichten. Dieser erste Neubau und die in der Folge noch über<br />
ein halbes Dutzendmal von Grund auf erneuerten, in derselben<br />
Weise umwehrten Burgbauten erinnern in nichts mehr an<br />
die stadtähnliche Heuneburg zur Zeit der Lehmziegelmauer.<br />
Denn auch in der Innenbebauung deutet sich eine völlige<br />
Abkehr von der überlieferten Struktur an. Sie läßt eine<br />
vergleichsweise weiträumige Bebauung mit vielgestaltigen<br />
Hausformen erkennen, deren Abmessungen deutlich über<br />
jenen der eingeäscherten Anlage liegen. Südliche Einflüsse<br />
finden darin keinen sichtbaren Niederschlag, obschon die<br />
neuen Herren auf der Heuneburg Kontakt mit dem westmediterranen<br />
Süden gehabt haben; das machen etliche Fragmente<br />
von kostbarem griechischem Tafelgeschirr und die<br />
zahlreichen Reste von großgriechischen Weinamphoren<br />
deutlich, die in den jüngsten Schichten zum Vorschein<br />
kamen. Als weitere, technische Errungenschaft ist damals die<br />
schnell rotierende Töpferscheibe aus dem Süden auf die Burg<br />
gekommen, wo sie die Formgebung und Farbigkeit der<br />
feineren Tonware sofort nachhaltig beieinflußt hat. Und<br />
dennoch vermittelt der archäologische Befund den Eindruck,<br />
als hätten diese Burgenbauten der Spätzeit die einst innegehabte<br />
Machtstellung und Ausstrahlung niemals erreicht.<br />
Dafür werden wohl mehrere Faktoren in Rechnung zu stellen<br />
sein; nicht zuletzt eine verminderte Wirtschaftskraft, die sich<br />
aus dem Wegfall der Produktivität der aufgelassenen Burgsiedlung<br />
und der Verringerung der metallurgischen Betriebe<br />
auf der Burg ergab, in welchen man augenscheinlich etruskische<br />
Bronzekannen kopiert hat.<br />
In den Jahrzehnten nach 400 v. Chr. fand die früheisenzeitliche<br />
Heuneburg ein gewaltsames Ende. Sie teilte dieses<br />
Schicksal mit den anderen Adelssitzen in der Westhallstattprovinz.<br />
Durch diese letzte Brandkatastrophe wird ein Problem<br />
berührt, mit welchem sich die Forschung in letzter Zeit<br />
viel beschäftigt hat; nämlich der Frage, welche Ursachen der<br />
Zerstörung der Burgen im genannten Raum zugrunde liegen<br />
könnten. Konkrete Anhaltspunkte gibt es freilich nicht, doch<br />
spricht viel dafür, daß sie vor dem Hintergrund eine sozialen<br />
Umschichtung von einer Feudalgesellschaft zu einer demokratischen*<br />
Gesellschaftsordnung zu sehen ist. Der Untergang<br />
dieser Mittelpunkte lokaler unt territorialer Herrschaft<br />
bildet den Auftakt zu den keltischen Wanderungen nach<br />
Italien und die Donau abwärts. Spätestens seit Beginn des 7.<br />
Jh. n. Chr. muß die Heuneburg noch einmal für längere Zeit<br />
eine Rolle in der Geschichte der Landschaft an der oberen<br />
Donau gespielt haben. Die historischen Vorgänge, die zu<br />
ihrer Wiederbelebung in der Merowingerzeit geführt haben,<br />
sind wegen der dürftigen urkundlichen wie archäologischen<br />
Quellenlage bisher noch schwer durchschaubar. Sie schließen<br />
eine Deutung als Fluchtburg für den Eritgau, der sich im<br />
Altsiedelland zwischen Mengen und Ertingen erstreckte,<br />
oder für eine alemannische Adelsfamilie nebst Sippe nicht<br />
aus; doch sprechen nicht zuletzt Waffen und Teile der<br />
Reiterausrüstung eher zugunsten einer militärischen Funktion<br />
der Burg. Diese ließe sich am ehesten mit der Einrichtung<br />
des Huntarenverbandes an der oberen Donau durch die<br />
fränkische Reichsgewalt Ende des 6. oder zu Beginn des 7.<br />
Jahrhunderts in Verbindung bringen. Nach Auffassung des<br />
vor einigen Jahren verstorbenen Landesgeschichtlers Dr. H.<br />
Jänichen handelte es sich dabei um Reitereinheiten unter<br />
6<br />
Ausguß aus einer Tonform für den figürlich verzierten Henkelbeschlag<br />
einer kopierten Bronzekanne etruskischer Art. Spätzeit des<br />
Fürstensitzes, 1. Hälfte 5.Jh.v.Chr.<br />
Führung eines adeligen Huntari. Diese fränkische Besatzungseinheiten<br />
seien nach Eingliederung auch dieses Teiles<br />
Alemanniens in das fränkische Reich an strategisch wichtigen<br />
Punkten angesiedelt und u. a. mit der Sicherung der wichtigen<br />
Fernstraßen betraut worden. Der Ort Hundersingen,<br />
althochdeutsch Huntaris-singen, mit seiner dem fränkischen<br />
Nationalheiligen Martin geweihten Pfarrkirche spiegelt diesen<br />
Vorgang in seinem Namen wider. Was liegt daher näher,<br />
als in der knapp zweieinhalb Kilometer vom Ort entfernten<br />
Heuneburg den Stützpunkt jener Reiterschaft zu sehen, die<br />
militärisch für die Centene Eritgau zuständig war, welche seit<br />
dem 9. Jahrhundert nach einem Amtsgrafen auch Goldineshuntare<br />
genannt wurde.<br />
Der nächste Ausbau der Heuneburg wird die Anlage eines<br />
gewaltigen, auf dem Westabschnitt doppelt zangenförmig<br />
geführten Grabensystems gekennzeichnet; es hat den Fuß des<br />
zuvor künstlich versteilten Burgbergs von einem Steilufer der<br />
Donau zum andern umschlossen. Noch heute verdankt die<br />
Heuneburg dieser außerordentlich aufwendigen Befestigungsmaßnahme<br />
ihre markante Silhouette. Im Westen wurde<br />
zudem eine eher kleinräumige Vorburg angegliedert. Ihre<br />
Erdwerke, ein mächtiger Erdwall mit vorgelegtem Graben,<br />
sind Ende der dreißiger Jahre des 19. Jahrhunderts bis auf<br />
einen geringen Wallrest im Nordwesten eingeebnet worden,<br />
bei welcher Gelegenheit der damalige Pächter des Talhofs<br />
auch das Tor dieser Anlage »ausgegraben« hat. Die bauliche<br />
Erweiterung, vor allem aber die auffallende Tiefenstaffelung<br />
des gesamten Wehrsystems wie die Verteilung der Burgflanken<br />
sind zweifellos durch eine neue Kampfesweise und<br />
Waffentechnik bedingt. Sie kann nur mit der Abwehr der<br />
Ungarn im 10. Jahrhundert zusammenhängen; jenes mit<br />
weittragenden Bogen bewaffneten Reitervolkes, dessen Plünderungszüge<br />
auch diese Region bis zum Sieg König Ottos d.<br />
Gr. in der Schlacht auf dem Lechfeld im Jahre 955 in Angst<br />
und Schrecken versetzt hatte. Es ist daher zu vermuten, daß<br />
die Heuneburg in dieser langen Zeit äußerer Bedrohung der<br />
Bevölkerung des Eritgaues, der sich längs der alten Römerstraße<br />
erstreckte, als Fluchtburg diente; ausgebaut von dem<br />
für diese Grafschaft zuständigen Grafenhaus, weil nur dieses<br />
das königliche Befestigungsrecht ausüben und über das Burgwerk,<br />
die Zwangsdienste der Bevölkerung für Befestigungen,<br />
verfügen konnte.
Talhaf<br />
Grundrißplan der mittelalterlichen Heuneburg im 10. und 11. Jahrhundert.<br />
Nachdem die Ungarnnot beseitigt war, ist die Wehranlage<br />
wohl um die Jahrtausendwende das letztemal ausgebaut<br />
worden. Durch halbbogenförmig von Burgflanke zu Burgflanke<br />
geführte Befestigungswerke in Form eines nur mäßig<br />
tiefen Sohlgrabens und einer zweipfostigen Holz-Erde-<br />
Mauer mit steinverblendeten Fronten wurde die Südostecke<br />
gegen das übrige Burgplateau abgeriegelt. Im Scheitel und im<br />
Nordosten durchbrachen Tore diese Abschnittsbefestigung.<br />
In ihrem Schutze standen zumeist kleinräumige, in die Erde<br />
eingetiefte Bauten aus Holz. Einzig ein Webhaus, im Südwe-<br />
* J * li'dw».<br />
rilMF ^<br />
. fitriWi-rt *<br />
Die<br />
HEUNEBURG<br />
im Mittelalter<br />
sten unmittelbar hinter der Mauer liegend, wies Abmessungen<br />
auf, wie sie sonst nur von entsprechenden Bauten in<br />
königlichen Pfalzen bekannt geworden sind.<br />
In der Verkleinerung des Burgareals auf eine Größe, die<br />
gerade für eine Familie mit Gefolge ausreichend war, zeichnet<br />
sich eine Entwicklung ab, die zur stark befestigten, ständig<br />
bewohnten Dynastenburg zumeist in Höhenlage führte, nach<br />
der sich der Adel fortan nannte. Dieses Stadium scheint auf<br />
der Heuneburg noch nicht erreicht, als der letzte archäolo-<br />
7
Bruchstücke griechischer (attischer) schwarzfiguriger Gefäße. Import vermutlich aus der griechischen Kolonie Massalia (Marseille).<br />
gisch faßbare Bauabschnitt irgendwann nach der Mitte des<br />
11. Jahrhunderts zu Ende ging. Danach wurde die Wehranlage<br />
endgültig aufgelassen. Hinter der Auflassung verbirgt<br />
sich vermutlich ein einschneidender historischer Prozeß: Die<br />
Feudalisierung des gräflichen und grafengleichen Hochadels.<br />
Der damit eingeleitete eigenmächtige Burgenbau der Grafen<br />
und grafengleichen Herren schuf einen neuen Burgentypus<br />
als ständig bewohnten Sitz. Dieser tritt uns in der benachbarten,<br />
aber dichter an die Hauptfurt durch die Donau herangerückten<br />
Baumburg entgegen, einer Turmhügelburg, die sonst<br />
CHRISTIAN SCHWARZ<br />
Die St. Ulrichskapelle in Neckarhausen<br />
»Der freundliche Weiler Neckarhausen liegt der Mündung<br />
des Glattbaches gegenüber auf einem erhöhten Vorsprung<br />
des rechten Neckarufers. In alter Zeit wohnten Edelleute hier<br />
in einem Schlosse, an dessen Stelle jetzt das Forsthaus steht.<br />
Neben ihm befindet sich die St. Ulrichskapelle mit dem<br />
steinernen Brotlaib«.<br />
Mit diesen Worten beginnt die alte Volkssage vom steinernen<br />
Brotlaib zu Neckarhausen, nach der ein Fräulein von Lichtenstein<br />
einem Bettler während einer Hungersnot ein Stückchen<br />
Brot verweigert haben soll, unter der Beteuerung, wenn<br />
sie noch einen Laib hätte, soll dieser zu Stein werden. Als der<br />
Bettler fortgegangen war, fand sie ihren letzten Laib Brot in<br />
Stein verwandelt. Daraufhin machte sie eine Stiftung, nach<br />
welcher jährlich am Ulrichstag den Armen zu Betra und<br />
Neckarhausen Brot ausgeteilt werden mußte. Der sagenhafte<br />
steinerne Brotlaib ist in der Rückwand der Ulrichskapelle<br />
8<br />
vor allem im Flachland verbreitet ist. Für diesen Dynastensitz<br />
vom Typus »Motte« ist in Dieterich von Buinburo seit 1090<br />
ein edelfreies Geschlecht urkundlich bezeugt. Wie der Burgenkundler<br />
Dr. H.-M. Maurer treffend formulierte, trugen<br />
diese Dynastenburgen als achtunggebietende Symbole der<br />
Herrschaft der Grafen und grafengleichen Herren, die zuvor<br />
>auf Herrenhöfen in und bei den Dörfern, fast mitten unter<br />
den Bauern, wohnten* entscheidend dazu bei, >ständische<br />
Unterschiede zu verhärten und die Verherrschaftlichung<br />
sichtbar zu machen*.<br />
eingemauert und es ist bekannt, daß noch bis in die vierziger<br />
Jahre des letzten Jahrhunderts am Ulrichstag Brot unter die<br />
Armen verteilt wurde.<br />
Der »freundliche Weiler« allerdings hat durch die Baumaßnahmen<br />
an der B 14 den Abbruch der ehemaligen Zehntscheuer<br />
und das Fällen der alten Bäume entlang der Bundesstraße<br />
stark gelitten. Zum Glück mußte die inzwischen unter<br />
Denkmalschutz gestellte Ulrichskapelle nicht auch der Straße<br />
und dem Verkehr zum Opfer fallen. Dieses schmucke Kirchlein,<br />
von einem Chronisten im vorigen Jahrhundert als »echte<br />
Perle kirchlicher Kunst und wahrer Schmuck des Neckartales«<br />
bezeichnet, ist auch heute noch einen Besuch wert.<br />
Die Kapelle wurde an Stelle ihrer Vorgängerin, die der<br />
Fürstabt von Muri links der Straße Neckarhausen-Betra hatte<br />
erbauen lassen, in den Jahren 1889-1891 rechts dieser Straße<br />
im frühgotischen Stil erstellt und am Kirchweihmittwoch des
Jahres 1891 durch den Kammerer Huthmacher von Gruol<br />
feierlich eingeweiht.<br />
Uber eine steinerne Treppenanlage, auf deren Podest eine<br />
steinerne Kanzel zum Predigen im Freien angebracht ist - vor<br />
90 Jahren war das noch möglich - steigt man zur Plattform<br />
vor der Kapelle hinauf. Vor dem eigentlichen Bau betreten<br />
wir auf der westlichen Giebelseite eine schöne Vorhalle von<br />
Konsolen und Rundsäulen mit zierlichen Kapitellen getragen.<br />
In dieser Vorhalle wurde aus der alten Kapelle herüber,<br />
das steinerne murische Wappen, sowie von einem Dreipaß<br />
umschlossen der sagenhaft steinerne Brotlaib angebracht.<br />
Über dem Portal begrüßen wir das Bild des Schutzpatrons der<br />
Kapelle, neben ihm Kreuz und Fisch, alles in rotem Sandstein<br />
gehauen als Hochrelief.<br />
Die Kapelle ist einschiffig ausgeführt mit einem in fünf Seiten<br />
des Achtecks geschlossenen Chor und einer kleinen Sakristei<br />
auf dessen Nordseite. Chor und Schiff sind gewölbt, letzteres<br />
mit einem Kreuzgewölbe in drei Traveen und mit drei<br />
Fenstern auf jeder Seite. Die Gewölberippen haben Rundstabprofil<br />
und laubwerkverzierte Schlußsteine. Die Säulenbündel<br />
des Chorgewölbes und des schön profilierten massiven<br />
Chorbogens gehen bis auf den Boden herab, während<br />
jene des Langhauses weiter oben auf Konsolen aufsitzen.<br />
Hinten hat die Kapelle eine Orgelempore, die auf starken<br />
steinernen Rundsäulen ruht. Der Boden ist mit Sinziger<br />
Plättchen belegt, im Chor mit einem Lilienmuster, im Schiff<br />
mit roten und gelben Würfeln.<br />
Aus dem Westgiebel des Langhauses erhebt sich ein reich<br />
gegliedertes, zierliches Türmchen mit zwei Glöckchen. Es ist<br />
in rotem Sandstein gearbeitet. Seine durchbrochene Pyramide,<br />
von fantastischem Getier als Wasserspeier umringt,<br />
strebt mit ihren Fialen, Krabben und Kreuzblumen leicht und<br />
luftig zum Himmel empor. Die Höhe vom Kirchenboden bis<br />
zur obersten Kreuzblume beträgt etwa 25 Meter. Nach unten<br />
ist das Türmchen durch ein am Giebel auf das Haupt-<br />
Quergesims herablaufendes Säulenbündel mit Portal und<br />
Vorhalle sinnvoll in Verbindung gesetzt. Damit hat der<br />
Baumeister die Fassade mit Einschluß des Aufganges als<br />
einheitliches Ganzes behandelt und es verstanden, ihr ein<br />
wirklich harmonisches Aussehen zu verleihen. Die Kapelle<br />
ist im Schiff acht und im Chor sechs Meter. Sie ist mit 120<br />
Sitzplätzen ausgestattet. Die Fenster stellen im Chor die<br />
Bilder von St. Ulrich, St. Konrad, St. Elisabeth und St.<br />
Barbara vor; die übrigen sind Teppich-Fenster.<br />
Die malerische Ausschmückung besorgte Maler Loosen aus<br />
Nürnberg, mit einfacher aber sehr sauberer, feiner und<br />
geschmackvoller Dekorationsmalerei. Um den Schlußstein<br />
im Chor gruppieren sich einige Engelsfiguren. Säulen, Kapitelle,<br />
Konsolen und Gewölberippen wurden in Naturfarben<br />
belassen, teilweise, wie die Schlußsteine und Chorbogen,<br />
durch zarte Fassung und Vergoldung herausgehoben. Der<br />
BERNHARD GONDORF<br />
Brautsuche für Prinz Ferdinand<br />
1866 hatte Rumänien den Prinzen Karl von Hohenzollern zu<br />
seinem Fürsten erwählt. Unter geradezu dramatischen<br />
Umständen gelangte Karl nach Bukarest 1. Am 15. November<br />
1869 heiratete er die Prinzessin Elisabeth zu Wied, die in der<br />
Literatur als Carmen Silva bekannt ist 2. Das einzige Kind des<br />
fürstlichen Paares war eine Tochter, die aber schon nach<br />
wenigen Jahren verstarb 3.<br />
Als 1881 Rumänien zum Königreich erhoben wurde, stand<br />
auch die Frage der Thronfolge an. Um die Krone dem Haus<br />
Hohenzollern zu erhalten, gab es zwei Möglichkeiten:<br />
gotische Flügelaltar wurde aus der alten Kapelle übernommen.<br />
Er wurde frisch gefaßt und teilweise vergoldet. Das<br />
Mauerwerk der Kapelle ist aus weißen Tuffsteinquadern<br />
hergestellt. Alle architektonischen Gliederungen, Gesimse,<br />
Gurten, Fenstereinfassungen, Maßwerk usw. sind aus rotem<br />
Buntsandstein des Glattales gehauen. Der Chronist aus dem<br />
Jahre 1891 würdigt die Kapelle und ihren Erbauer mit den<br />
Worten: »So steht das schöne schmucke Kirchlein droben in<br />
der Höhe am Waldessaum und grüßt freundlich alle, die<br />
unten mit dem Dampfroß hurtig vorübereilen und ladet<br />
fromm zum Beten ein, wer zu ihm heraufkommen will. Es ist<br />
ein rühmliches Zeugnis von der Tüchtigkeit und demfeinen<br />
Geschmack und Kunstsinn seines Baumeisters, des Herrn<br />
Architekten Laur in Sigmaringen: das Werk lobt seinen<br />
Meister!<br />
- König Karl konnte sich von seiner Frau trennen und eine<br />
andere heiraten, um so die Nachfolge zu sichern. Das wäre<br />
keineswegs ein Novum gewesen. Die Geschichte kennt<br />
genügend Beispiele. Unter den deutschen Regenten war es<br />
zuletzt Großherzog Ernst Ludwig von Hessen und bei<br />
Rhein, der aus dynastischen Rücksichten sich von seiner<br />
ersten Frau trennte 4. Für Carol von Rumänien verbot sich<br />
diese Frage von vornherein aufgrund seiner religiösen<br />
Uberzeugung. Er war strenggläubiger Katholik.<br />
- Der Monarch konnte einen Blutsverwandten zum Nach-<br />
9
folger bestimmen. Das ist die elegantere Lösung. Hier muß<br />
aber die Verfassung berücksichtigt werden. Unter<br />
Umständen ist eine Verfassungsänderung vorzunehmen.<br />
Während eine Scheidung eher dem privatrechtlichen Bereich<br />
des Souveräns zuzuweisen ist 5, betrifft die Designierung<br />
eines Nachfolgers den Staat an sich. Daher muß das Parlament<br />
bzw. der Senat zur Wahl eines Thronfolgers die Zustimmung<br />
geben.<br />
Bei der Erhebung Rumäniens zum Königreich wurde die<br />
bisher geltende Verfassung geändert. Es wurde der Passus<br />
aufgenommen, falls König Karl ohne legitime männliche<br />
Nachkommen bleiben sollte, könne sein Bruder Leopold<br />
bzw. dessen Nachkommen den Thron besteigen.<br />
Nun hatte Leopold von Hohenzollern schon 1866 auf die<br />
rumänische Krone verzichtet 6. Daher sah er es auch diesmal<br />
als unmöglich an, wenn er der Erbe seines Bruders werden<br />
sollte. Zudem ist es üblich, daß der älteste Sohn die Stammbesitzungen<br />
erbt. In fremden Ländern errichten Dynastien<br />
meist Sekundogenituren 7. Durch den Verzicht Leopolds<br />
wurde dessen ältester Sohn, der 1864 geborene Prinz Wilhelm,<br />
präsumptiver Nachfolger in Rumänien. Wohl aus<br />
Gründen der ebenerwähnten Erbfolge-Usancen unterzeichnete<br />
Erbprinz Wilhelm von Hohenzollern am 26. Dezember<br />
1886 in Baden-Baden eine Urkunde, in der er auf eine<br />
mögliche Thronbesteigung in Rumänien zugunsten seines um<br />
ein Jahr jüngeren Bruders Ferdinand verzichtete 8.<br />
Jetzt hatte das Königreich Rumänien einen Erben. Prinz<br />
Ferdinand trug aber noch weiterhin den Namen Hohenzollern<br />
und diente auch in der preußischen Armee.<br />
König Carol I. bereitete alles vor, daß sein Neffe vom Senat<br />
den Landes anerkannt wurde. Am 14./26. März 1889 erklärte<br />
der Senat den Prinzen Ferdinand von Hohenzollern zum<br />
voraussichtlichen Thronfolger. Daraufhin verlieh ihm der<br />
König am 18./30. März desselben Jahres den Titel »Prinz von<br />
Rumänien« mit dem Prädikat »Königliche Hoheit«. Am 9./<br />
21. Mai 1889 erfolgte die Aufnahme in den Senat 9.<br />
Es ist hinreichend bekannt, daß gerade in hochadeligen<br />
Familien nach einer »passenden Partie« Ausschau gehalten<br />
wird. Neben den persönlichen oder familiären Interessen<br />
spielt auch die Ebenbürtigkeit eine besondere Rolle. In<br />
Deutschland mehr als anderswo. Daher wird der Kreis der in<br />
Frage kommenden Ehepartner von vornherein stark eingeschränkt.<br />
Gerade die geringe »Auswahl« erfordert größere<br />
Aktivitäten seitens der interessierten Familienmitglieder (und<br />
fremder Personen).<br />
Davon war auch Fürst Leopold von Hohenzollern nicht frei.<br />
Sein Bruder, König Karl von Rumänien, und seine Schwägerin<br />
unterstützten ihn dabei. Der Monarch wollte noch vor<br />
dem ersten offiziellen Besuch Ferdinands in Rumänien »vorbereitende<br />
Schritte zu einer ehelichen Verbindung mit einer<br />
deutschen Prinzeß gethan wissen, durch welche verwandtschaftlichen<br />
Bande mit den großen Dynastien hergestellt, und<br />
der junge Mann vor den Gefahren der heißblütigen und<br />
verführungswütigen Frauen beschützt bleibe«.<br />
Anfangs hatte man an Prinzessin Alexandra von Griechenland<br />
gedacht, die am 18./30. August 1870 geborene Tochter<br />
Georgs I. König der Hellenen und der Königin Olga. Sie<br />
hatte sich aber gegen Ende des Jahres 1888 mit dem Vetter<br />
ihrer Mutter, mit Großfürst Paul Alexandrowitsch von Rußland<br />
(1860-1919) verlobt, wodurch eine Verbindung zwischen<br />
den Häusern Rumänien-Hohenzollern und Griechenland-Dänemark<br />
zu der Zeit noch vereitelt wurde. Alexandra<br />
heiratete am 5./17. 6. 1889 in St. Petersburg 10. Sie starb am<br />
12./24. September 1891 bei der verfrühten Geburt ihres<br />
zweiten Kindes 11, des Großfürsten Dimitri (1891-1942), der<br />
später maßgeblich an der Ermordung Rasputins beteiligt sein<br />
sollte 12.<br />
10<br />
Weil Alexandra in der eigenen Familie verblieb, wünschte<br />
Carol von Rumänien »eine Verbindung mit Prinzeß Alice<br />
von Hessen«. Fürst Leopold sollte in Darmstadt vorfühlen.<br />
Nun weilte er aber den Winter über in Cannes. Deshalb<br />
schrieb er am 18. Januar 1889 an seinen Hofchef Friedrich<br />
von Werner, er möchte in »ganz vertraulicher Weise sondieren«.<br />
Er selbst hatte sich mit der Familie herumzuschlagen.<br />
Fürstin Antonia, geborene Prinzessin von Braganza, Infantin<br />
von Portugal (1843-1913), war entschieden »gegen jede<br />
Verbindung mit einer protestantischen Prinzeß«. Königin<br />
Elisabeth von Rumänien gab zu verstehen, man habe in<br />
Rumänien »große Vorurteile gegen eine katholische Verbindung«.<br />
Leopold von Hohenzollern hat seinem Bruder die<br />
eigenen Bedenken nicht verschwiegen, ihm aber auch versprochen,<br />
in Darmstadt zu sondieren.<br />
Der Fürst schrieb, Prinzessin Alice von Hessen habe auf ihn<br />
einen sehr guten Eindruck gemacht. Sie erschien ihm »persönlich<br />
wie auch wegen ihrer Verwandtschaften am sympathischsten«.<br />
Die königliche (großherzogliche) Linie des Hauses<br />
Hessen war u. a. verwandt mit Rußland und mit England.<br />
Vor allem durch eine Verwandtschaft mit dem Haus Romanow<br />
versprach man sich in Rumänien Vorteile.<br />
Elisabeth von Hessen (1864-1918), die ältere Schwester der<br />
von König Karl ins Auge gefaßten Prinzessin Alice, war mit<br />
dem Großfürsten Sergius verheiratet, der 1905 auf schreckliche<br />
Weise ums Leben kam 13. Sein Bruder hatte Alexandra<br />
von Griechenland geheiratet. Beider Mutter, die Zarin Maria<br />
Alexandrowna (1824-1880), war eine geborene Prinzessin<br />
von Hessen.<br />
Schon zu Beginn des Jahres 1889 schrieben die Zeitungen,<br />
Prinzessin Alice sei für den russischen Thronfolger bestimmt.<br />
Weder der Hof von St. Petersburg noch der von Darmstadt<br />
haben damals diese Meldung bestätigt. Daher wußte auch<br />
Fürst Leopold nichts Genaues.<br />
Nun traf es sich, daß am großherzoglich-hessischen Hof eine<br />
Nichte Friedrich von Werners war: Wilhelmine Marie Freiin<br />
von Senarclens-Grancy (1837-1912), Exzellenz, Oberhofmeisterin<br />
der Großherzogin von Hessen 14. Und über diese<br />
hoffte Fürst Leopold von Hohenzollern die gewünschte<br />
Auskunft für seinen Bruder zu bekommen.<br />
Offenbar stimmte die Nachricht in den Zeitungen. Es war nie<br />
mehr die Rede von einer Verbindung zwischen Prinz Ferdinand<br />
von Rumänien und Prinzessin Alice von Hessen. Sie<br />
wurde 1894 die Frau von Zar Nikolaus II. von Rußland und<br />
kam 1918 mit ihm ums Leben. Ferdinand blieb auch noch<br />
einige Zeit unverheiratet. Nach einer Affaire, die operettenhafte<br />
Züge trägt 15, heiratete er am 10. Januar 1893 Prinzessin<br />
Maria von Sachsen-Coburg und Gotha, Prinzessin von<br />
Großbritannien (1875-1938). Ihre Mutter Maria Alexandrowna<br />
war die Schwester der Großfürsten Sergius und Paul,<br />
ihr Vater Alfred ein Sohn der Königin Viktoria von Großbritannien.<br />
Es ist müßig, zu fragen, wie es gekommen wäre, wenn Alice<br />
von Hessen und Ferdinand von Rumänien-Hohenzollern<br />
geheiratet hätten. Beide waren in ihren Ehen nicht sehr<br />
glücklich. Ob sie es aber gemeinsam geworden wären, wer<br />
weiß das?<br />
Abschrift des Briefes<br />
Cannes, 18. Jan. 1889<br />
Mein lieber Werner<br />
Mein Bruder Karl beschäftigt sich seit dem Herbst sehr<br />
eingehend mit Ferdinands Zukunft, welcher ja im Frühjahr<br />
einen längeren Aufenthalt in Rumänien nehmen soll, und<br />
möchte jetzt schon vorbereitende Schritte zu einer ehelichen<br />
Verbindung mit einer deutschen Prinzeß gethan wissen,<br />
durch welche verwandtschaftlichen Bande mit den großen
Dynastien hergestellt, und der junge Mann von den Gefahren<br />
der heißblütigen und verführungswütigen Frauen beschützt<br />
bleibe. Sein Wunsch die Hand der Tochter des Königs von<br />
Griechenland 16 seinem Neffen zu sichern ist durch deren<br />
Verlobung vereitelt worden. Jetzt wünscht er eine Verbindung<br />
mit Prz. Alice von Hessen und drängt mich, sobald wie<br />
möglich Fühlung mit Darmstadt zu nehmen, damit diese<br />
Prinzessß nicht auch entschlüpfe, wie es beinah den Anschein<br />
nach den letzten Zeitungsberichten hat. -<br />
Meine Frau 17 ist gegen jede Verbindung mit einer protest.<br />
Prinzeß und durch diese Angelegenheit sehr beunruhigt,<br />
weshalb ich vorläufig nicht weiter darüber spreche. Leider<br />
hat man in Rumänien, wie meine Schwägerin schreibt, große<br />
Vorurteile gegen eine kathol. Verbindung, vor allem, meiner<br />
Ansicht nach meine Geschwister selbst, obgleich man in<br />
Rum. manche Concession bezügl. der Kindererziehung<br />
erreichen könnte.<br />
Ich habe meinem Bruder diese Bedenken nicht verschwiegen,<br />
ihm aber versprochen, in Darmstadt zu sondieren, ob die<br />
junge Prinzeß noch frei ist, die ich im Dezember, vor<br />
Empfang der maßgebenden Leute sah, u. die einen sehr<br />
sympathischen Eindruck macht; - direkt möchte ich nicht<br />
anfragen, um uns nicht gleich zu binden. Da aber Ihre Nichte<br />
Grancy am Hof ist, könnten Sie in ganz vertraulicher Weise<br />
sondieren, ob dieselbe wirklich für den russ. Thronfolger-<br />
18bestimmt ist oder nicht. Wenn Sie, wie ich annehme, in<br />
Sigmaringen sind, so wäre ein kurzer Aufenthalt in Darmstadt<br />
auf Ihrer Durchreise möglich, andernfalls läßt sich die<br />
Angelegenheit auch brieflich behandeln. - Ferdinand selbst,<br />
der doch die maßgebliche Antwort zu geben hat, kennt die<br />
Wünsche seiner w. Verwandten und ist diesem Project<br />
durchaus nicht abgeneigt. Es waren noch andere Prinzessinnen<br />
vorgeschlagen, auch von mir, diese aber erscheint persönlich<br />
wie auch wegen ihrer Verwandtschaften am sympathischsten,<br />
und abgesehen von den oben berührten schwierigen<br />
Fragen wäre es auch für uns eine große Beruhigung, den<br />
Sohn in dem schwierigen Land recht bald glücklich verheiratet<br />
zu sehen;<br />
Für heute beschränke ich mich auf diese Notizen. Ich hoffe,<br />
Sie sind wieder ganz hergestellt. Man kann sich hier von der<br />
winterlichen Temperatur in der Heimath kaum eine Vorstellung<br />
machen. Seit 3 Tagen haben wir vollständiges Sommerwetter.<br />
Kein Kamin oder anderes Feuer, und man schützt<br />
sich vor der Sonne. Vorher allerdings regnete es 5 Tage<br />
hintereinander; Die Fürstin ist wegen des Infanten August 19,<br />
ihres Bruders, in großer Sorge - er hat eine furchtbare, vor<br />
JOHANN ADAM KRAUS<br />
Melchingen: Aus Gunkel wurde Gockel<br />
kaum gesehene Lungen und Herzkranz-Entzündung und<br />
sein Zustand ist recht bedenklich. Im übrigen geht es ihr recht<br />
leidlich; Sie trägt mir viele Grüße an Sie auf. -<br />
Wir hoffen, daß Mama 20 bald, schon ihrer Augen wegen, die<br />
in dem einsamen Leben zu sehr in Anspruch gebommen<br />
wurden, nach Brüssel 21 und von dort in ein milderes Klimas<br />
reisen wird.<br />
Gottbefohlen mein lieber Werner. Stets Ihr aufrichtig<br />
ergebener Leopold<br />
1 Hierüber vgl. u. a.: Albrecht Prinz von Hohenzollern, König<br />
Carol I. und seine Zeit (Hohenzollerische Jahreshefte, 20. Bd.,<br />
1960, S. 1-38).<br />
2 Uber sie u. a.: Eugen Wölbe, Carmen Silva (1933); - Elisabeth<br />
Heimpel: in Neue Deutsche Biographie, Bd. 3, Berlin 1957, S.<br />
149.<br />
3 Prinzessin Maria (8. 9. 1870 - 9. 4. 1874).<br />
4 Vgl. z. B.: Genealogisches Handbuch des Adels, Fürstliche<br />
Häuser I = Band 1 der Gesamtreihe. Glücksburg 1951, S. 41.<br />
5 Uber dieses Thema vgl. z. B.: Kurt Erhardt, Die privilegierte<br />
Stellung der Landesherren und hochadligen Familien im Deutschen<br />
Zivilprozeßrecht. München 1912. - Paul Oertmann, Die<br />
standesherrliche Autonomie im heutigen deutschen bürgerlichen<br />
Recht. Denkschrift, verfaßt im Auftrage des Vereins der deutschen<br />
Standesherren. Erlangen 1905.<br />
6 Wie Anm. 1.<br />
7 Vgl. z. B. die Häuser Bourbon, Braganza und Dänemark.<br />
8 Vgl. Hofkalender 1887ff. (Artikel Rumänien).<br />
9 Vgl. Hofkalender 1890 ff. (Dipl.-Stat. Handbuch, Art. Rumänien).<br />
10 Vgl. Hofkalender 1890 ff. (Artikel Griechenland und Rußland).<br />
11 Vgl. Jörg Stuker, Die Große Parade. Glanz und Untergang der<br />
Fürsten Europas. Ölten und Freiburg/Br. 1971, S. 143.<br />
12 Vgl. Stuker, S. 143f., 215 und 364f.<br />
13 Vgl. Stuker, S. 156.<br />
14 Vgl. Hofkalender (Dipl.-Stat. Handbuch) 1907, S. 530;-Memoiren<br />
der Fürstin Marie zu Erbach-Schönberg, Prinzessin von<br />
Battenberg. 1958, S. 48.<br />
15 Mit Helena Vacarescu. - Vgl. u. a. Stuker, S. 260.<br />
16 Georg I., König 1863-1913 (ermordet), geboren 1845 als Prinz<br />
Wilhelm von Dänemark.<br />
17 Antonia Prinzessin von Braganza, Infantin von Portugal<br />
(1843-1913).<br />
18 Nikolaus Alexandrowitsch, 1894-1918 Zar Nikolaus II.<br />
19 August Prinz von Braganza, Infant von Portugal (1847-1889).<br />
20 Josephine von Hohenzollern, Prinzessin von Baden (1813-1900).<br />
21 In Brüssel lebte ihre Tochter Marie, Gräfin von Flandern, Prinzessin<br />
von Belgien.<br />
Namensänderungen kommen nicht nur in unserer Zeit vor, in Jahreszahl 1590 und an anderer Stelle ziemlich ungelenk die<br />
der aus Schiklgruber ein Hitler und aus Broz ein Tito wurden. Angabe »Peter v. Gockel«. Das Gebäude habe früher Wirt-<br />
Schon im 16. Jh. mauserte sich die in Melchingen ansässige schaft zum Ochsen geheißen. Nicht bemerkt ist jedoch, daß<br />
Familie Gunkel zu Gockel: vermutlich einem Zug der Mode der vermutliche Vater dieses Peter Gockel im Nachtrag von<br />
vieler Studenten folgend, die gern ihre Namen latinisierten. 1570 im alten Fleckenbuch 4 nicht als Gockel, sondern als<br />
So nannte sich Martin Kraus, Professor in Tübingen latei- Wendel Gouckel bzw. Gauckel erscheint. Ja im Urtext des<br />
nisch Crusius (richtiger wäre Crispus gewesen, der Name des (im letzten Krieg verschwundenen) Schriftstücks, der um<br />
Kerkermeister des hl. Paulus! Theodor Schön hat im Jahre 1450 entstand, findet sich ein Cunlin Gunkel, zweifellos ein<br />
1899 die genannte aus Melchingen stammende und in Baden- Vorfahre des Geschlechts 4. Allerdings hat ein um 1500 dahier<br />
Württemberg verbreitete Gelehrtenfamilie 1 Gockel mit geborenes Sippenglied namens Johannes, der Theologie stulutherischen<br />
Pfarrern, Magistern, Doktoren u. Ärzten dierte und Pfarrer wurde, im Jahre 1532 bei Antritt seiner<br />
beschrieben, ohne freilich auf ihre Vorfahren einzugehen 2. Seelsorgestelle in Benzingen dem bischöflichen Notar in<br />
Auch die Hohenzollerische Zeitung hat 1971'' auf das sog. Konstanz eigenhändig mit »Johannes Gockel« unterschrie-<br />
Gockelhaus in Melchingen hingewiesen, das jetzt Franz ben 5. Er wurde jedoch bald Lutheranhänger, mußte Benzin-<br />
Schmid (Nr. 67) gegenüber von Pfarrhaus und Wirtschaft gen verlassen, heiratete eine Agnes Fauler und heißt auf<br />
zum Ochsen bewohnt. Der Bau trägt einen Stein mit der seinem Grabmal in der Tübinger Stiftskirche von ca 1576<br />
11
Cokelius. In Tübingen stiftete er ein bedeutendes Stipendium<br />
für zwei studierende Verwandte, in das der 1581 in Melchingen<br />
geborene Sohn Peters namens Balthasar Gockel als<br />
protestantischer Theologiestudent im J. 1598 aufgenommen<br />
wurde. (Geld und großes Vermögen scheinen der Treue zum<br />
religiösen Bekenntnis nicht förderlich zu sein!) Der Familienname<br />
Gunkel wurde vermutlich unter Einfluß der Universität<br />
bzw. der Mitstudenten in den moderner klingenden Gockel<br />
verändert. Denn im J. 1535 lebte noch in Melchingen ein<br />
Hans Kunkelin 53 und 1542 sowie 1570 ist ein Wendel Gunckel<br />
bzw. Gauckel aufgeführt 6. In der Heimat hat man also<br />
noch länger an der hergebrachten Namensform festgehalten.<br />
Gunkel ist schwäbische Form von Kunkel (= Spinnrocken,<br />
Wergträger) am Spinnrad, wovon die württembergischen<br />
Kinkelin-Familie noch kündet. Ein sprachlicher Übergang<br />
von Gunkel zu Gockel ist schwer vorstellbar. Handelte es<br />
sich um einen Studentenspleen beim genannten Johannes?<br />
Auch im benachbarten Stetten u. H. findet sich im J. 1528 ein<br />
Martin Gunkel 7.<br />
Die Aufschrift des erwähnten Gockelhauses mag aus einer<br />
Zeit stammen, in der sich auch die Melchinger Familienglieder<br />
der künstlichen Namensform anglichen, wobei übrigens<br />
das »von« bei Peter rätselhaft bleibt, denn von einer Versetzung<br />
in den Adelsstand scheint (vor 1600) nichts vorzuliegen.<br />
Die Ehefrau dieses Peter (wohl Sohn des Wendel Kunkel von<br />
1570) hieß Katharina Memlerin und stammte aus Pfullingen.<br />
Sie dürfte um 1590 als Witwe einen Metzger Michael von Ulm<br />
in die hiesige Wirtschaft zum Adler geheiratet haben, der aber<br />
samt seinen drei kleinen Kindern 1595/96 an Pocken bzw.<br />
Nervenfieber gestorben sei. Sie wird nämlich im Bericht 8 als<br />
Adlerwirtin bezeichnet. Tragischerweise verlor Katharina<br />
über diesen harten Schicksalsschlag völlig den Verstand. Sie<br />
erzählte allerlei Phantastereien und geriet bald in den Verdacht,<br />
eine Hexe zu sein. Um jene Zeit des grassierenden<br />
Hexenwahns war das eine höchst gefährliche Sache. Der<br />
KARL WERNER STEIM<br />
Haigerlocher Zeitungen 1880-1934 (IV)<br />
Wochenausgabe für Hohenzollern<br />
Nach der Vereinigung der Fürstentümer mit Preußen im<br />
Jahre 1850 ergaben sich Schwierigkeiten für den »Schwarzwälder<br />
Boten« im neuen preußischen Regierungsbezirk Sigmaringen.<br />
Das zur Niederhaltung der Presse bestimmte<br />
Stempelsteuergesetz wurde mit Wirkung vom 1. April 1853<br />
an auf Hohenzollern ausgedehnt. Brandecker fand einen<br />
Ausweg: er gab sofort eine besondere Wochenausgabe für<br />
Hohenzollern heraus, für die nur die Mindeststeuer zu<br />
entrichten war. Am 1. Juli 1874 wurde die Stempelsteuer und<br />
12<br />
Bericht schildert denn auch den Verlauf des gegen sie und<br />
andere durchgeführten Prozesses und über dessen trauriges<br />
Ende: Die beiden Melchingerinnen Agatha Huber u. Anna<br />
Burkhart, die Salmendinger Barbara Schmidin, Margarethe<br />
Kromerin, Barbara Emlerin (Emele) und Anna Felkin (Volk),<br />
sowie aus dem Amtsort Ringingen Anna Klinglerin und<br />
Barbara Schweizerin wurden in Trochtelfingen 1596 als<br />
angebliche Hexen hingerichtet und zum Schluß auch die<br />
Katharina Memlerin, dazu noch ein auswärtiger Schneidergeselle<br />
83.<br />
Th. Schön nennt als Söhne 1 des Peter Gockel und der<br />
Katharina M. den schon genannten protestantischen Balthasar<br />
Gockel (mit großer Nachkommenschaft auswärts), einen<br />
Andreas Gockel, der 1610 in Trochtelfingen ermordet<br />
wurde 9, einen Jakob G. in Ulm und den jüngeren Wirt Peter<br />
Gockel (oder Goggel) in Melchingen. Letzterer war laut<br />
Ehebuchs mit Ursula Beck verehelicht und starb (als letzter<br />
am Ort?) am 19. April 1636. Den am Eck des sog. Krebens<br />
stehenden »Adler« hatte 1727 ein Michael Vogel inne, doch<br />
ging die Wirtschaft Nr. 99 um 1900 ab. Nur das Wirtsschild<br />
blieb erhalten 10.<br />
1 Mitt. Hohz. 1899, 26-31.<br />
2 Melchinger Heimatbuch 1972, 79f. Siehe auch Hohz. JHefte 9<br />
(1941-49) 80-100.<br />
3 Hohenzoll. Zeitung, Hechingen, vom 3. Novb. 1971.<br />
4 Note 2, Seite 112 ff.<br />
5 Zeitschr. f. hohz. Geschichte 1966, 169.<br />
51 Hohz. Heimat 1964,50.<br />
6 Zoller<strong>heimat</strong> 1938, 91 (Türkensteuerliste des Amts Trochtelfingen<br />
von 1542) und Note 2.<br />
7 HJheft 1955, 110.<br />
8 Melchinger Heimatbuch 1972, 84-89.<br />
8a Zoller<strong>heimat</strong> 1937,21 f.<br />
9 Note 8, Seite 130.<br />
10 Ebenda S. 131.<br />
Cbertiboif «. äJioutmi, 13. ¡jnnnat 1919, jrjjl) 6 Uhr.<br />
Der »Schwarzwälder Bote«ist seit<br />
seiner Gründung im Jahre 1835 im<br />
Raum Haigerloch stark verbreitet.<br />
Diesen Zeitungskopf führte er im<br />
Jahre 1919.<br />
damit auch die Wochenausgabe aufgehoben 154.<br />
Dies waren aber nicht die einzigen Schwierigkeiten, mit<br />
denen der »Sahwarzwälder Bote« in preußischer Zeit in<br />
Hohenzollern zu kämpfen hatte. Im Jahre 1854 unternahm<br />
der Regierungspräsident in Sigmaringen auf Geheiß aus<br />
Berlin enorme Anstrengungen, die Zahl der Abonnenten des<br />
regierungstreuen und mit beträchtlichen Subventionen geförderten<br />
»Hohenz. Wochenblattes« zu vermehren 155. Gleichzeitig<br />
war es das Ziel, die Abonnentenzahl des »Schwarzwälder<br />
Boten« in Hohenzollern zu verringern. Dies betraf vor
allem den Raum Haigerloch, wo der »Schwarzwälder Bote«<br />
damals die stärkste Zeitung war. Ende 1856 wurde der<br />
Haigerlocher Oberamtmann aufgefordert, innerhalb von vier<br />
Wochen vertraulich mitzuteilen, wie er die Verbreitung des<br />
»Hohenz. Wochenblattes« im Oberamt gefördert habe 156.<br />
Auf Anmahnung ging dann die Antwort im Februar 1857 ein.<br />
Der Oberamtmann hatte die Bürgermeister informiert und<br />
empfohlen, dafür zu sorgen, daß die Zahl der Abonnenten in<br />
den einzelnen Orten vermehrt wird. Nicht unbedeutende<br />
Schwierigkeiten ergäben sich aber, da der »sehr populäre<br />
Schwarzwälder Bote« im hiesigen Bezirk verbreitet sei. In<br />
Gaststätten, wo überall das Wochenblatt aufliege, legten die<br />
Leute es wieder aus der Hand, »um den Schwarzwälder<br />
Boten zur Hand zu nehmen und denselben artig zu lesen« 157.<br />
Verbreitung rückläufig<br />
Dennoch war in den 50er Jahren des letzten Jahrhunderts die<br />
Verbreitung des »Schwarzwälder Boten« in Hohenzollern<br />
rückläufig. Während die Auflage dort am 1. Dezember 1865<br />
noch 803 betrug (Aufteilung auf die Oberämter: Haigerloch<br />
261, Sigmaringen 308, Hechingen 118, Gammertingen 116),<br />
lag sie im dritten Vierteljahr 1867 bei nur noch 488 Stück,<br />
(Haigerloch 243, Sigmaringen 97, Hechingen 81, Gammertingen<br />
51). An der Tatsache, daß der »Schwarzwälder Bote«<br />
»wohl das verbreitetste Blatt in den Hohenzollernschen<br />
Landen« war, änderte sich jedoch nichts 158.<br />
Interessant wäre es sicher, auf die Bismarck-feindliche Haltung<br />
des »Schwarzwälder Boten« einzugehen, doch bleibt<br />
hier nicht genug Platz dafür. 1865 wurden sogar mehrere<br />
Ausgaben der Zeitung vom Kreisgericht Sigmaringen<br />
beschlagnahmt und vernichtet wegen verschiedener Angriffe<br />
auf Bismarck. Brandecker fürchtete gar ein Verbot seines<br />
Blattes in Hohenzollern und entschuldigte sich beim preußischen<br />
Ministerium des Innern wegen einiger Artikel 159.<br />
Der »Schwarzwälder Bote«, der - im Gegensatz zu den<br />
<strong>hohenzollerische</strong>n Blättern - täglich erschien mit wöchentlich<br />
zweimalig beiliegendem »Unterhaltungsblatt« und der<br />
Monatsbeillage »Gemeinnützige Blätter«, hatte schließlich<br />
Ende 1872 in Hohenzollern wieder eine Auflage von 930<br />
Exemplaren 16°.<br />
Wirtschaftsfaktor für Hohenzollern<br />
Der »Schwarzwälder Bote« stellte für Hohenzollern einen<br />
bedeutenden Wirtschaftsfaktor dar. So äußerte sogar Staatsanwalt<br />
Evelt 1866, das Blatt werde »auch von den Gewerbetreibenden<br />
Hohenzollerns vielfach zu Inseraten benutzt und<br />
würde insofern (bei einem Verbot) vielleicht schmerzlich<br />
vermißt werden.« Am 10. November 1867 stellte er fest: Die<br />
Zeitung »ist in Hohenzollern gerade deshalb in den Händen<br />
fast aller Gewerbe- und Handelstreibenden, weil sie in Folge<br />
ihrer großen Verbreitung in Hohenzollern, Württemberg<br />
und Baden eine außerordentlich große Anzahl von Inseraten<br />
bringt. Es ist deshalb den Gewerbetreibenden Bedürfniß<br />
geworden« 161.<br />
Als sich mit dem Erscheinen der Hechinger Zentrums-<br />
Zeitung »Der Zoller« am Jahreswechsel 1872/73 die Leser in<br />
Hohenzollern und somit auch in Haigerloch zwischen den<br />
Parteiblättern der Liberalen, »Hohenz. Blätter«, und dem<br />
Zentrum, »Der Zoller«, entscheiden konnten, mag mancher<br />
Leser, der den politischen Hader verabscheute, den diese<br />
beiden Zeitungen ausgiebig ausbreiteten, beim »neutralen«<br />
»Schwarzwälder Boten« seine Zuflucht genommen haben.<br />
Diese Zeitung, so »Der Zoller« im Jahre 1902, »wird immer<br />
noch von vielen als unparteiisch angesehen. Diesen Anschein<br />
sucht er zu wahren, indem er seine Ansicht über Jesuiten,<br />
geistliche Schulaufsicht, Zentrum möglichst hinter die Worte<br />
anderer Zeitungen verbirgt« 162. »Der Zoller« stellte wieder-<br />
holt die Frage: »Gehört der Schwarzwälder Bote in ein<br />
katholisches Haus«? 163 Anlaß war die Berichterstattung dieser<br />
Zeitung über kirchenfeindliche Protestversammlungen in<br />
Baden. Dies, so der »Zoller«, »legt den Verdacht nahe, als ob<br />
der Schwarzwälder Bote eben auch kein Freund der katholischen<br />
Orden wäre« 164.<br />
1906 brachte die Oberndorfer Zeitung den Bericht eines<br />
<strong>hohenzollerische</strong>n Geistlichen, der »in schärfster Weise<br />
gegen die unglaubliche Bevormundung des <strong>hohenzollerische</strong>n<br />
Volkes durch die <strong>hohenzollerische</strong> Zentrumspartei und<br />
gegen ihren Kandidaten Amtsgerichtsrat Dr. Beizer in Sigmaringen«<br />
protestierte 165.<br />
Über die weitere Zeit sind bedeutende Einzelheiten über die<br />
Verbreitung des »Schwarzwälder Boten« im Raum Haigerloch<br />
nicht bekannt.<br />
»Hohenzollerische Blätter«•<br />
Als älteste <strong>hohenzollerische</strong> Zeitung sind die »Hohenz.<br />
Blätter« 166 anzusehen, die seit dem Jahre 1829 unter wechselnden<br />
Titeln in Hechingen erschienen 167. Ihre Geschichte<br />
wurde bereits verschiedentlich ausführlich dargestellt 168, so<br />
daß an dieser Stelle nicht näher darauf eingegangen zu werden<br />
braucht. Erlaubt seien einige - wenn auch spärliche - Hinweise<br />
über die Verbreitung usw. dieser Zeitung in Haigerloch,<br />
sowie sonstige interessante Nachrichten. Angebracht<br />
ist hier die Anmerkung, daß das »Wochenblatt für das<br />
Fürstenthum Hohenzollern-Sigmaringen« zwar schon seit<br />
dem Jahre 1809 erschien, daß es aber praktisch über den<br />
reinen Amtsblatt-Charakter kaum hinauskam 169.<br />
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Eetlrtfl bei JJofbu
Übergang der <strong>hohenzollerische</strong>n Fürstentümer an Preußen<br />
(1850) ist von einer Verbreitung der Zeitung im Oberamtsbezirk<br />
Haigerloch selbst nichts überliefert. Die preußische<br />
Regierung in Sigmaringen benutzte dann ab dem Jahre 1854<br />
die »Hohenz. Blätter« - durch grpßzügige Subventionen 170<br />
noch regierungsfreundlicher gestaltet - als »Hofzeitung«, die<br />
willfährig den jungen Preußen in Hohenzollern beizubringen<br />
versuchte, was sie zu wissen und zu glauben hatten. Andere<br />
Zeitungen, beispielsweise der »Schwarzwälder Bote«, wurden<br />
so gut es ging unterdrückt und behindert 171. Der Regierungspräsident<br />
in Sigmaringen unternahm massive Anstrengungen,<br />
den »Hohenz. Blättern« auch im Bezirk Haigerloch<br />
zu einer größeren Verbreitung zu verhelfen 172.<br />
»Hohenz. Blätter« in Haigerloch<br />
Im Jahre 1854, dem Beginn der Pressesubvention, war Kaufmann<br />
Th. Pfeiffer in Haigerloch Agent der Zeitung. Er nahm<br />
Bestellungen, Anzeigen usw. entgegen 173. Ende 1856 stellte<br />
die Regierung in Sigmaringen fest, daß das Blatt »außerhalb<br />
des Hechinger Oberamtes nur eine geringe Zahl von Abonnenten«<br />
174 habe. Der Oberamtmann in Haigerloch wurde<br />
nachdrücklich aufgefordert, mitzuteilen, »ob, was und mit<br />
welchem Erfolg er für die Förderung der Sache erreicht hat.«<br />
Dieser wies die Bürgermeister an, dafür zu sorgen, daß die<br />
Zahl der Abonnenten in den einzelnen Orten vermehrt werde<br />
und in den »Hohenz. Blättern« notwendige Insertionen<br />
vorzunehmen seien 175. Ein durchschlagender Erfolg scheint<br />
aber im Raum Haigerloch nicht eingetreten zu sein.<br />
Im August 1856 begann ein Fortsetzungsroman »Burg Haigerloch«<br />
176, der wohl das Interesse neuer Leser im Bezirk<br />
Haigerloch wecken sollte. Wie aus einer Honorarrechnung<br />
des Jahres 1858 hervorgeht, waren die redaktionellen Mitarbeiter-<br />
auch im Bezirk Haigerloch fast ausschließlich Lehrer.<br />
Der Regierungspräsident in Sigmaringen wollte schließlich<br />
1858 die Subvention des Blattes einstellen, da er keine Mittel<br />
habe und die wirtschaftliche Lage der Zeitung dies nicht mehr<br />
erforderte . Außerdem schrieb er dem Hechinger Oberamtmann:<br />
Zu den im größeren Publikum sehr gefühlten Mängeln<br />
des Blattes gehört es bis jetzt, daß es Neues fast niemals neu<br />
gibt, sondern sehr häufig Altes als neu bringt« 177.<br />
Weitere Subventionen<br />
Die »Hohenz. Blätter« erhielten von der preußischen Regierung<br />
weitere Subventionen 178. Im Jahre 1886 erklärte die<br />
Zeitung gegenüber dem Oberamt, es könne künftig die<br />
amtlichen Bekanntmachungen nicht mehr unentgeltlich aufnehmen.<br />
Der Regierungspräsident in Sigmaringen unterstützte<br />
dieses Gesuch in Berlin »auch aus politischen Gründen«.<br />
Es wurde dann eine jährliche Subvention von 250 Mark<br />
gewährt 179. Die Zeitung erklärte sich bereit, dafür auch<br />
Beiträge des Regierungspräsidenten, der Regierung, des<br />
Oberamts und anderer Personen und Behörden, die ihr zur<br />
Veröffentlichung zugehen, »an der von denselben zu<br />
(ii-fif)ciut in bft ÜBodjc<br />
Üi'oi iOint: am Siciiftng, 'iouucvftag<br />
mib Snmftag, iiiib toftet 21 tu.<br />
per Quartal eiufcfjficftlid) ber<br />
Stempelfteucr. £cr<br />
bezeichnenden Stelle aufzunehmen« 18c. Diese Zuschüsse<br />
wurden bis 1889 gewährt 181. Einen letzten (?) Zuschuß<br />
erhielten die »Hohenz. Blätter« im Jahre 1902 zur Anschaffung<br />
einer neuen Druckerei-Einrichtung in Höhe von 3000<br />
Mark 182. Diese ganzen Subventionen wurden natürlich teils<br />
bekannt und vom »Zoller« immer wieder aufgegriffen, von<br />
den »Hohenz. Blättern« und der Regierung in Sigmaringen<br />
jedoch stets ebenso einmütig dementiert 183.<br />
Organ der NSDAP<br />
Auch in diesem Jahrhundert nahm die Zeitung einen weiteren<br />
Aufschwung. Vom 1. Juli 1933 an wurde sie »Nationalsozialistische<br />
Landeszeitung«, alleiniges Organ der NSDAP und<br />
Amtsblatt für Hohenzollern. Vom gleichen Zeitpunkt an<br />
wurden die Bezieher der Zeitung »Wille« (Balingen) von den<br />
»Hohenz. Blättern« beliefert. Auch das Hakenkreuz prangte<br />
auf dem Blatt. Als Hauptschriftleiter zeichnete nun Rolf<br />
Johannsen, ein Sohn des Kreisleiters der NSDAP, verantwortlich.<br />
Der seitherige Schriftleiter Walter Sauter war nur<br />
noch für den Lokalteil und die Anzeigen verantwortlich 184.<br />
Weiteren beträchtlichen Zuwachs erhielt die Zeitung schließlich<br />
von März 1934 an mit der Übernahme der Abonnenten<br />
des »Haigerlocher Boten« 185. Als im Jahre 1936 der alten<br />
Zentrumszeitung »Der Zoller« in Hechingen dasselbe<br />
Schicksal blühte, wurden auch deren Bezieher von den<br />
»Hohenz. Blättern« beliefert 186.<br />
Trotz des großen Aufschwunges der Zeitung war sie in<br />
Zahlungsschwierigkeiten und schließlich 1930/31 in Konkurs<br />
geraten. Am 1. Februar 1931 übernahm Fritz Holzinger aus<br />
Stuttgart Druckerei und Verlag der »Hohenz. Blätter« 187.<br />
"Der Zoller«<br />
Mitten im <strong>hohenzollerische</strong>n Kulturkampf 188 - Ende 1872 -<br />
kam in Hechingen eine katholische Zeitung heraus. »Die<br />
Zeitung hat sich eine konsequente und entschiedene Verteidigung<br />
der katholisch-politischen Interessen zur Aufgabe<br />
gemacht und wird bei einer sorgfältig ausgewählten Unterhaltungslektüre<br />
- namentlich spannenden vaterländischen<br />
Novellen - alles bieten, was man von einer guten Lokalzeitung<br />
fordern kann 189. So wurde das Erscheinen angekündigt.<br />
Die Geschichte dieser Zeitung soll später einmal ausführlich<br />
dargestellt werden. Hier geht es wieder im wesentlichen um<br />
ihre Verbreitung im Raum Haigerloch.<br />
Michael Lehmann, Chorregent, besorgte die Redaktion,<br />
Romuald Sulger den Druck. Mit dem Erscheinen des »Zoller«<br />
begann ein Pressehader mit den liberalen »Hohenz.<br />
Blättern«, der nicht nur im Kulturkampf seltene Blüten<br />
hervorbrachte. Häufig wurden die Gerichte bemüht, es gab<br />
viele »Preßprozesse« 190. Schon nach einer Woche des<br />
Erscheinens brachte es der »Zoller« auf fast 1000 Abonnenten.<br />
Im Oktober 1873 gingen nach Haigerloch bereits 84<br />
Zeitungen 191. Die weitere Verbreitung ist nicht genau<br />
bekannt, doch war sie wohl stark. Auf das Verhältnis zur<br />
Haigerlocher Zentrumszeitung »Haigerlocher Bote« wurde<br />
bereits eingegangen 192.<br />
Rottet- 3«fcvatc<br />
werben aufgenommen<br />
linb bic Sfpaltige Olavmtmbicilo j»<br />
2 tv. bcvci)uct;<br />
Iiei 3Biebcvi)oIungcit mit cutfpi'cdjcubcm<br />
Sfabatt.<br />
Nr. 1. jp cd; in gen, ®onncr|tag', oen 2. Januar 1873.<br />
Am 2. Januar 1873 erschien in Hechingen die katholische Zeitung »Der Zoller« (Abb.). Bereits am 12. Dezember 1872 war ein Probeblatt<br />
herausgegeben worden.<br />
14
154 Feederle, a. a. O., S. 62<br />
155 Staatsarchiv Sigmaringen, Ho 13, Preuß. Regierung, Nr. 207 u.<br />
a. sowie Staatsarchiv Merseburg, Rep. 77, Tit. 935, Nr. 1<br />
156 Staatsarchiv Sigmaringen, Ho 202, Preuß. Oberamt Haigerloch,<br />
Nr. 245<br />
157 Siehe Anmerkung 156<br />
158 Staatsarchiv Sigmaringen, Ho 235 P, VIII, D, Nr. 59<br />
15' Feederle, a. a. O., S . 67<br />
160 »Hohenz. Blätter« Nr. 192 v. 19. 12. 1872<br />
161 Feederle, a. a. O., S.<br />
162 »Der Zoller« Nr. 21 v. 9. 2. 1902<br />
163 »Der Zoller« Nr. 194 v. 18. 12. 1902<br />
164 Siehe Anmerkung 163<br />
165 »Hohenz. Blätter« Nr. 20 v. 25. 1. 1906<br />
166 Hohenzollern erhielt somit im Vergleich zu den Nachbarländern<br />
relativ spät eine eigene Zeitung<br />
167 Zunächst erschienen unter dem Titel »Wochenblatt für das<br />
Fürstenthum Hohenzollern-Hechingen«<br />
168 Umfangreichste Darstellung: 100 Jahre Hohenzollerische Blätter<br />
1829 - 1929 (Jubiläumsausgabe). Siehe auch: Karl Werner Steim,<br />
Vor 150 Jahren erschien die erste Hechinger Zeitung. In: »Hohenz.<br />
Heimat«, 3/1979, S. 38 - 40<br />
Als erste echte Sigmaringer Zeitung ist »Der Donaubote« zu<br />
bezeichnen, der im Jahre 1867 erstmals erschienen ist.<br />
170 Siehe Anmerkung 155<br />
171 Siehe Anmerkung 155<br />
172 Siehe Anmerkung 155; Staatsarchiv Sigmaringen, Ho 202,<br />
Preuß. Oberamt Haigerloch, Nr. 245<br />
Buchbesprechungen<br />
Handbuch der historischen Stätten Baden-Württembergs<br />
2. Aufl. 1029 Seiten, Verlag Alfred Kröner-Stuttgart, 1980,<br />
mit 58 Mitarbeitern. Die um 173 Seiten erweiterte Ausgabe<br />
(43 DM) enthält einen geschichtlichen Uberblick über das<br />
Gebiet von Gerhard Taddey, dann alle geschichtlich wichtigen<br />
Stätten in alphabetischer Ordnung, neu aufgestellt nach<br />
der kürzlichen Gemeindezusammenlegung. Es folgen<br />
Stammtafeln der wichtigsten Herrschaftshäuser, grundlegende<br />
Literatur, Erläuterung geschichtlicher Fachausdrücke,<br />
ein ausführliches Orts- und Personenregister, samt Karten<br />
der behandelten elf Bezirke. Das Werk ist im Wesentlichen<br />
aufgebaut auf der von Max Miller 1965 begonnenen ersten<br />
Auflage. Doch ist vor allem die neue Gemeindezugehörigkeit<br />
wichtig, auch einzelne Ortsbeschreibungen erweitert und<br />
geändert, leider nicht alle. Dies fällt besonders bei den<br />
<strong>hohenzollerische</strong>n Orten auf. Es fehlt z. B. ein Hinweis auf<br />
die 12seitige Zusammenstellung im Anhang der »Hohenzollerischen<br />
Heimat« 1969 (mit Ergänzungen 1977, 45-46).<br />
Auch vermißt man den Aufsatz über Affelstetten (HH 1977,<br />
61), das unter Veringendorf erscheint mit dem verballhornten<br />
Verfassernamen des dortigen Heimatbuches F. Genitz, statt<br />
F. Gluitz. Bei der Burladinger Höhenburg ist kein Turmstumpf,<br />
sondern nur ein Steinhaufen übrig. Die Gammertinger<br />
Burgen Baldenstein, Hustneck, Reutenhaldenu. Wendelstein<br />
sucht man umsonst. Statt des Gauselfinger Hasenfratz<br />
hätte man lieber auf den dort zu suchenden Schirmberg<br />
hinweisen sollen. Unter Hechingen ist die Rede von einer St.<br />
Galler Missionskirche St. Luzen, von der die Geschichte<br />
nichts weiß, sondern Hinweise nach Chur: HH 1976,52. Daß<br />
die Melchinger Burg auf dem Pfaffenberg stehe dürfte ungenau<br />
sein, denn so weit reicht der letztere m. W. gar nicht. Der<br />
dortige Adel und wohl auch die Burg taucht in der Zwiefalter<br />
Chronik schon um 1090 auf, zusammen mit dem verwandten<br />
von Holnstein, beide Mitbesitzer der Pfarrkirche in M. Daß<br />
Neufra an der Fehla aus zwei geschichtlichen Teilen bestehe<br />
ist unbewiesen. Das dortige späte Schlößlein im Dorf befindet<br />
sich seit 1974 in Privathand. Die bekannte Doppelburg,<br />
heute Ruinen, ist Stammsitz derer von Lichtenstein. Der erste<br />
Vertreter war um 1182 Gebhard v. L. als Vasall des Grafen<br />
Heinrich von Ronsberg, Schwiegersohn des letzten Gam-<br />
173 »Hohenz. Wochenblatt für das Fürstenthum Hohenzollern-<br />
Hechingen« Nr. 24 v. 22. 9. 1854<br />
174 Staatsarchiv Sigmaringen, Ho 202, Preuß. Oberamt Haigerloch,<br />
Nr. 245<br />
175 Siehe Anmerkung 155 und 174<br />
176 »Hohenz. Wochenblatt« Nr. 92 v. 13. 8. 1856 ff.<br />
177 Staatsarchiv Sigmaringen, Ho 13, Nr. 207<br />
178 Uber die Subventionierung ist eine eigene Arbeit geplant<br />
17' Staatsarchiv Sigmaringen, Ho 235 P, VIII, D, Nr. 62 u. a.<br />
180 Staatsarchiv Sigmaringen, Ho 13, Nr. 207<br />
181 Staatsarchiv Sigmaringen, Ho 235 P, VIII, D, Nr. 62<br />
182 Siehe Anmerkungen 155 und 181<br />
183 Z. B. »Der Zoller« Nr. 120 v. 16. 10. 1873, Nr. 20 v. 16. 2. 1875,<br />
Nr. 25v. 27. 2.1875, Nr. 26v. 1. 2. 1908; »Hohenz. Blätter«Nr.<br />
42 v. 22. 2. 1870, Nr. 27v. 18. 2. 1875, Nr. 15 v. 20. 1. 1908 u. a.<br />
184 »Der Zoller« Nr. 149 v. 3. 7. 1933<br />
185 Siehe Anmerkung 130<br />
186 Siehe Abschnitte »Der Zoller«<br />
187 »Der Zoller Nr. 27 v. 3. 2. 1931; »Der Zoller« Nr. 24 v. 30. 1.<br />
1931<br />
188 Literaturauswahl: Adolf Rösch, Der Kulturkampf in Hohenzollern.<br />
Freiburger Diözesanarchiv 43 (1915) 1 - 128; Johann<br />
Nepomuk Wetzel, Geschichte der Kath. Kirche in Schwaben-<br />
Hohenzollern. Teil 2. Bühl, Buchdruckerei Unitas 1931<br />
18' »Hohenz. Blätter« Nr. 185v. 7. 12. 1872; Probeblatt vom 12. 12.<br />
1872<br />
1.0 Dieses Thema soll Gegenstand eines eigenen Beitrags werden.<br />
1.1 »Der Zoller« Nr. 120 v. 16. 10. 1873<br />
1.2 Siehe Abschnitte »Haigerlocher Bote«<br />
(Fortsetzung folgt)<br />
mertinger Grafen, die 1150/60 ausstarben. Von Neufra aus<br />
entstanden die »3 Filialen« ob Hönau, Neckarhausen und L.<br />
in Neidlingen (HH 1973,36). Das gleiche Wappen der Lichtensteiner<br />
mit den Melchingern und Hölnsteinern dürfte auf<br />
die gleiche Familie deuten, während um 1120 noch ein<br />
Landold von Nufiron (Neufra) mit Besitz im nahen Gauselfingen<br />
genannt ist, der u. U. zum gleichen Stamm gehörte.<br />
Somit dürfte der Lichtenstein zwischen 1120 und 1182 entstanden,<br />
der Ursitz aber Melchingen gewesen sein? Als<br />
Gründer des Lichtensteins ob Hönau darf wohl Ludwig v. L.<br />
um 1250 gelten. Über die Vorgänger in Neckarhausen ist in<br />
HH 1973,12 berichtet.<br />
Von den im 15. Jh. in Ringingen-Hölnstein-Straßberg ansässigen<br />
Schwelher sind nur ältere Vertreter in Tachenhausen<br />
und Wielandstein erwähnt. Die Salmendinger Kornbühlkapelle<br />
sei 1507 von Veronika von Neuneck gestiftet, doch<br />
wollte sie damals in die bereits bestehende Kapelle eine<br />
Stiftung machen? (Schon irrig in der 1. Auflage.) Warum läßt<br />
man »der Haid» bei Trochtelfingen nicht ihren altmundartlichen<br />
Namen (ohne Schluß-E)? Unter Boll ist auf die ehemalige<br />
Burg Stauffenberg mit Bezug auf G. Wunders Stauffenbergbuch<br />
von 1972 (irrig 1977) hingewiesen, jetzt unter<br />
Hechingen aufgeführt. G. Wunder behandelt die spätere<br />
Stauffenberg-Burg bei Rangendingen, zitiert aber die grundlegende<br />
kl. Stettener Urkunde Nr. 132 vom J. 1343 nur<br />
unvollständig. Er vergißt den Brühl der zu Stauffenberg unter<br />
dem Hörnlin liegt. Er kennt also weder die Ausführungen in<br />
HH 1964,46, noch nach Erscheinen seines großen Stauffenberg-Werkes<br />
die in der Hohenzollerischen Zeitung (16. 1. 73)<br />
und im Schwarzwälder Boten (14. 2. 73) lautgewordenen<br />
Stimmen. Diese weisen auf den 1435 erwähnten Burgstall auf<br />
dem Wessinger Hörnle (später Hornrain) und den naheliegenden<br />
Brielhof, also alten Brühl, (HohzJHeft 1954,161).<br />
Der Brühl, nicht die Burg, lag unter dem Hörnlin! Der Name<br />
Stauffenberg wanderte mit der Familie von der Nähe des<br />
Zollers (wie auch Wunder annimmt) in die Nähe von Rangendingen:<br />
Stauffenburger Hof, mit schwachen Resten einer<br />
Burg darüber.<br />
Vom Kloster Stetten sind nicht einmal die Urkundenregesten<br />
15
Verlag: <strong>Hohenzollerischer</strong> Geschichtsverein<br />
Karlstraße 3, 7480 Sigmaringen<br />
W <strong>3828</strong> FX<br />
Postvertriebsstück. Gebühr bezahlt.<br />
erwähnt, die im Hohz.JHeft 1955-57 erschienen. Was nicht<strong>hohenzollerische</strong><br />
Ortlichkeiten angeht, so ist bei Erpfingen<br />
der sechseckige Turmrest der Burg (Schnatren!) angemerkt,<br />
der ehemalige Sitz der Herren von Salmendingen. Ein ärgerlicher<br />
Druckfehler blieb aus der 1. Auflage bei Schenkenzell<br />
stehen: »Ein Hofpincerna de Celle«, statt »H(ermannus)pincerna<br />
(Schenk)«: Hz.Jheft 1954,161.<br />
Endlich sei noch das Ergebnis heraldischer Forschung<br />
betreffs Burg und Dorf Hausen im (Donau-)7a/ aus HH<br />
1973,3 wiederholt: Die Burg war als Lehen an Vasallen<br />
ausgegebenes Eigentum des Grafen Rudolf von Pfullendorf-<br />
Ramsberg, kam um 1180 an Friedrich Barbarossa durch<br />
Vermächtnis, vererbte sich an Friedrich II, der »das Dorf<br />
samt darüberstehender Burg Hausen« an die Gebrüder von<br />
Ramsberg ums Jahr 1215 verkaufte. Diese und ihre Nachkommen<br />
änderten die Farbe ihres angestammten Wappens (in<br />
gelbem Feld ein schwarzer Ram oder Widder auf Dreiberg)<br />
um in einen »roten Widder ohne Dreiberg«, und nannten sich<br />
bis zu ihrem Aussterben 1648 (in Preußen 1818)»von Hausen«.<br />
Das Handbuch weiß davon nichts. J. A. Kraus<br />
Aus der Geschichte des Haidenhofes<br />
Der Haidenhof, zur Gemeinde Dießen gehörend, war bisher<br />
in der <strong>hohenzollerische</strong>n Literatur fast unbekannt. Nur bei<br />
Hodler, Geschichte des Oberamtes Haigerloch (Bild) und im<br />
Heimatbuch von Dr. Bruno Stehle wird der Haidenhof kurz<br />
erwähnt. Ministerialrat a. D. Eugen Kreidler stammt vom<br />
Haidenhof. Er hat sich die Mühe gemacht, alle Urkunden<br />
HE RUN/FTAU/^t? •'VüUU:' i N 1? ClCi^OiS<br />
1213<br />
7E KCl^H^.INZ<br />
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KARLS"! iASSE. 18<br />
7 4 8 0 SIGMAR IN GEN 1<br />
und sonstigen Unterlagen zur Geschichte des kleinen Weilers<br />
aufzuspüren.<br />
Der Hof wird erstmals 1529 urkundlich erwähnt; er war<br />
damals in Besitz der Herren von Ehingen. Über die Herren<br />
von Wernau in die Schenken von Stauffenberg kam der Hof<br />
mit dem Ort Dießen 1708 an das Kloster Muri. 1803 wurde<br />
der Haidenhof Domäne der Fürsten von Hohenzollern-<br />
Sigmaringen. Diese verkauften die Domäne 1842 an einige<br />
Bürger von Dießen. Die Käufer bauten im Bereich der<br />
ehemaligen Domäne einige Häuser, so daß aus dem Hof ein<br />
kleiner Weiler wurde. Da einige Käufer zahlungsunfähig<br />
wurden, erwarb die fürstliche Hofkammer einen Teil der<br />
Domäne zurück (1852). Der Besitz wurde 1861 gegen den<br />
Noll'schen Hof in Hedingen bei Sigmaringen vertauscht.<br />
1889 kaufte Martin Kreidler, der Großvater des Verfassers<br />
den Haidenhof, welcher bis heute in Besitz der Familie<br />
Kreidler geblieben ist. In zwei Bänden bringt der Verfasser<br />
alle Regesten, Urkunden und Akten, welche sich auf den<br />
Haidenhof beziehen. Schwierigkeiten und Streitigkeiten gab<br />
es vor allem mit der Wasserversorgung. Der Verfasser geht<br />
auch auf die landwirtschaftlichen Verhältnisse in alter Zeit<br />
und deren Wandlungen in der Neuzeit ein. Seit dem 1.1. 1973<br />
ist der Haidenhof zusammen mit Dießen in die Stadt Horb<br />
eingemeindet.<br />
Exemplare dieser Arbeit können in beschränkter Anzahl<br />
beim Verfasser zum Preis von 25.- DM bezogen werden.<br />
Anschrift: Dipl.-Ing. Eugen Kreidler, Ministerialrat a. D.<br />
Eduard-Pfeiffer-Straße 19, 7000 Stuttgart 1.<br />
Register 1980 Seite Seite<br />
Bantle, Hermann Anton, Kunstmaler 13 Hechingen: Synagoge (Bild) 17<br />
Bande, Hermann Anton, Kunstmaler, Nachtrag 32 Hettingen: Köhlerhütte (Bild) 1<br />
Christianisierung der Vornamen in der Grafschaft Zollern 34 Hinterglasgemälde 56<br />
Ettisweiler, Hundert Jahre St. Georgskapelle 39 Hirschacker 58<br />
Familiennamen: Ebinger Hospach 10 Rangendingen: Aus der Vielfalt heimischer Mundart 12<br />
Pflumm 11 Reisebeschreibung nach Nordamerika 1853 40<br />
Schuler in der Grafschaft Zollern 6 Ringingen: Ein altes Haus verschwand 12<br />
Flurnamen: Falltor und Kreben 5 Sigmaringen, Baugeschichte des Prinzenbaus 54<br />
Haigerlocher Zeitungen 1880 - 19341 26 Sigmaringen: Prinzenbau (Bild) 33<br />
Haigerlocher Zeitungen 1880 -1934 II 46 Sigmaringen, 125 Jahre Studienheim St. Fidelis 58<br />
Haigerlocher Zeitungen 1880 - 1934 III 59 Sigmaringen und die Sigmaringer, Erinnerungen 2<br />
Hechingen, Geschichte der israelischen Volksschule I 21 Stein: Ausgrabungen in der römischen Gutsanlage 49<br />
Hechingen, Geschichte der israelischen Volksschule II 44 Trochtelfinger Amtle, Franzosensamstag 56<br />
Hechingen: Israeliten in Hechingen 18 Unkrautpflege 58<br />
Hechingen, 50 Jahre Schloßbergschule 3 Zollernburg-Pfarrei: eine Fehlplanung 31<br />
HOHENZOLLERISCHE HEIMAT<br />
hrsggbn. vom Hohenz. Geschichtsverein.<br />
Die Zeitschrift »Hohenzollerische Heimat«<br />
ist eine <strong>heimat</strong>kundliche Zeitschrift. Sie will<br />
besonders die Bevölkerung in Hohenzollern<br />
und der angrenzenden Landesteile mit der<br />
Geschichte ihrer Heimat vertraut machen. Sie<br />
bringt neben fachhistorischen auch populär<br />
gehaltene Beiträge.<br />
Bezugspreis: 6,00 DM jährlich.<br />
Konten der »Hohenzollerischen Heimat«:<br />
802507 Hohenz. Landesbank Sigmaringen<br />
12363-707 Postscheckamt Stuttgart<br />
Druck: M. Liehners Hofbuchdruckerei KG,<br />
7480 Sigmaringen, Karlstraße 10.<br />
16<br />
Die Autoren dieser Nummer sind:<br />
Dr. Egon Gersbach<br />
Institut für Vor- und Frühgeschichte<br />
Schloß, 7400 Tübingen<br />
Bernhard Gondorf<br />
Martinsufer 1-3 W 152, 5500 Trier<br />
Pfr. Johann Adam Kraus<br />
Badstraße 8, 7800 Freiburg<br />
Christian Schwarz<br />
Realschulrektor<br />
Lerchenstraße 62, 7240 Horb<br />
Karl Werner Steim<br />
Tiefental 17, 7453 Burladingen 1<br />
Schriftleitung:<br />
Dr. med. Herbert Burkarth,<br />
7487 Gammertingen (Telefon 07574/2329)<br />
Die mit Namen versehenen Artikel geben die<br />
persönliche Meinung der Verfasser wieder;<br />
diese zeichnen für den Inhalt der Beiträge<br />
verantwortlich. Mitteilungen der Schriftleitung<br />
sind als solche gekennzeichnet.<br />
Manuskripte und Besprechungsexemplare<br />
werden an die Adresse des Schriftleiters erbeten.<br />
Wir bitten unsere Leser, die »Hohenzollerische<br />
Heimat« weiter zu empfehlen.
HOHENZOLLERISCHE<br />
HEIMAT<br />
Herausgegeben vom<br />
W <strong>3828</strong> FX<br />
Hohenzollerischen Geschichtsverein<br />
31. Jahrgang Nr. 2/Juni 1981<br />
w<br />
Repro: H. Burkarth<br />
Burgruine Veringen mit der St. Nikolauskapelle und dem Haus der Burghut<br />
Ausschnitt aus dem Handwerksbrief der Stadt Veringen,<br />
welcher in den ersten Jahren des 19. Jahrhunderts in<br />
Gebrauch war. Der Stich geht ohne Zweifel auf eine Vorlage<br />
aus dem 18. Jahrhundert zurück (ca. 1780). Links das obere<br />
Tor, das Hagentor. Es gehörte ursprünglich zur Burg, wurde<br />
aber nach deren Zerfall (etwa seit der Mitte des 14. Jahrhunderts)<br />
in die Stadtbefestigung einbezogen. Der Bergfried war<br />
im 18. Jahrhundert noch besser erhalten, wenn nicht der<br />
Zeichner von sich aus ein wenig restauriert hat. Davor das<br />
Peterskirchle, welches schon im Habsburger Urbar erwähnt<br />
wird, einziger, bis heute intakter Teil der mittelalterlichen<br />
Burg Veringen.<br />
Im Mittelpunkt des Bildes die Nikolauskapelle, deren Turm<br />
teilweise 1862 in der neuen Stadtkirche verbaut wurde. Der<br />
auf dem Bild sichtbare Bau wurde 1316 eingeweiht. Um die<br />
Kirche ein Friedhof. Ein größerer Friedhof befand sich aber<br />
damals schon bei der Deutstetter Kirche, welche 1751 neu<br />
gebaut wurde. Rechts neben dem Friedhof, das Haus der<br />
Burghut, auch Hairahof genannt. 1313 wird ein »Burckhuota<br />
Otto de Reynghartzwille in Castro Veringen« genannt, der<br />
sicher seinen Sitz noch in der Burg hatte. 1349 kaufte Ulrich<br />
von Regnoszwiller ein Haus bei der St. Nikolauskapelle.<br />
1422 bis 1429 verkauften die Herren von Regnoszwiller ihren<br />
Besitz in Veringen, teils an die Grafen von Werdenberg, teils<br />
an Ritter Hans von Rechberg, dem damals auch Gammertingen-Hettingen<br />
gehörte. 1560 erwarb der kaiserliche Rat Dr.<br />
Reichlin von Meldeck, Hohenz. Obervogt von Sigmaringen<br />
und Veringen, das völlig verwahrloste Haus. Mit großen<br />
Kosten baute er ein größeres und schöneres Haus, das 1564<br />
als Adelshaus anerkannt wurde. Im gleichen Jahr zog Dr.<br />
Reichlin nach Überlingen und verkaufte den neuen »Hairahof«<br />
an die Stadt Veringen. Von der Stadt erwarb Georg von<br />
Rechberg das Haus. 1590 ging es in den Besitz des Grafen<br />
Karl von Hohenzollern-Sigmaringen über.<br />
Dieses »Schloß« zu Veringen und nicht die alte Burg wurde<br />
1633 von den Schweden verdorben (nicht zerstört). 1717<br />
verkaufte die fürstliche Verwaltung den ganzen »Hairahof«<br />
an den Hirschwirt von Veringen. Am Ende des 1 8. Jahrhunderts<br />
stand, wie wir auf dem Bild sehen, das Haus noch.<br />
Wann das Gebäude abgebrochen wurde, ist nicht bekannt.<br />
Auf dem Gelände wurde später das Schulhaus gebaut. B.
WILHELM BURTH<br />
Noch einmal: Zur Christianisierung der Vornamen in der Grafschaft Zollern<br />
Eine Entgegnung<br />
1. Einleitung<br />
In der Nr. 3, Jahrgang 30 (September 1980), dieser Zeitschrift<br />
hat sich Casimir Bumiller eingehend mit dem obengenannten<br />
Thema befaßt. Dieses Bemühen ist zweifellos dankenswert,<br />
einmal schon wegen des geleisteten Aufwands an Zeit und<br />
Mühe bei der Erhebung und Auswertung des umfangreichen<br />
und detaillierten Rohmaterials, zum andern wegen der daraus<br />
zu erwartenden gesellschafts- und religionsgeschichtlichen<br />
Erkenntnisse. Um so bedauerlicher ist es, daß nicht nur einige<br />
Randbemerkungen des Autors einer sachlichen Richtigstellung<br />
bedürfen, sondern daß sich auch die angewandten<br />
Methoden, die Interpretationen und Schlußfolgerungen bei<br />
etwas kritischer Betrachtung in wesentlichen Punkten als<br />
unhaltbar erweisen. Eine Entgegnung ist deshalb geboten.<br />
Dabei kann es nicht darum gehen, - das sei einleitend<br />
betont -, die katholische Heiligen-(und Reliquien-)Verehrung<br />
dogmatisch zu rechtfertigen, obwohl Bumiller auch<br />
Begriffe wie »unheilig« und »heidnisch« verwendet. Der<br />
verfügbare Raum gestattet auch nicht, dem enggeführten<br />
Verständnis Bumillers für diese Kultformen eine etwas<br />
umfassendere und historisch fundierte Darstellung ihrer<br />
Wurzeln und Entwicklungen gegenüberzustellen, obwohl<br />
Bumiller darüber weitgehende Wert- bzw. Unwerturteile<br />
formuliert. Es geht hier einzig darum, mit einwandfreien<br />
Methoden der Geschichtsforschung festzustellen, was<br />
damals und dort tatsächlich gewesen ist. Zuvor wären aber<br />
einige Begriffe zu klären und die Aussagekraft der benützten<br />
Quellen, für deren Aufzählung ich auf Bumillers Arbeit<br />
verweisen darf, zu prüfen.<br />
2. Was sind »christliche« Vornamen?<br />
Die Gegenüberstellung der Begriffe »germanisch« und<br />
»christlich« scheint zwar auf den ersten Blick plausibel und<br />
problemlos. Genau besehen stellen sie aber keine Alternative<br />
dar; sie gehören verschiedenen Kategorien an und schließen<br />
sich deswegen nicht aus. »Germanisch« ist ein sprachgeschichtlicher,<br />
»christlich« ein geistesgeschichtlicher Begriff.<br />
Das zeigt schon die Feststellung, daß z. B. ein griechischer<br />
Nikolaus oder ein lateinischer Martinus erst nachträglich sich<br />
mit christlichen Bedeutungsgehalten aufgeladen haben, eben<br />
zu Heiligennamen geworden sind. Nun ist aber Bumillers<br />
Beweisanliegen ganz überwiegend religionsgeschichtlich ausgerichtet.<br />
Dann dürften aber die »getauften« Vornamen<br />
germanischer Abstammung nicht von vornherein beiseite<br />
gelassen werden, sie müßten als »christliche Vornamen« in<br />
Rechnung gestellt werden.<br />
Daß eine Bereitschaft zu christlicher Namengebung schon<br />
vor 1200 vorhanden gewesen sein muß, beweist der »Tabellenplatz«<br />
der Vornamen Johannes (mit all seinen Kurz- und<br />
Nebenformen) und Anna. Dabei ersetzt zweifellos der<br />
erstere den verständlicherweise unantastbaren Namen Jesus,<br />
der letztere vertritt den Namen seiner Mutter Maria, der noch<br />
lange aus Ehrfurcht ausgespart wurde.<br />
Ein starker Verdacht auf Bedeutungswandel besteht in all den<br />
Fällen, in denen Träger und Trägerinnen germanischer<br />
Namen schon geraume Zeit eine allgemein verbreitete Verehrung<br />
gefunden hatten oder gar feierlich heiliggesprochen<br />
worden waren. Dies trifft nun aber gerade auf die Namen zu,<br />
die an Beliebtheit unmittelbar auf die Spitzenreiter Hans und<br />
Anna folgen. Hier zeichnen sich deutlich aus einerseits<br />
Heinrich und Konrad (Hinz und Kunz), andererseits Adelheid,<br />
Mechtild und Luitgard. Um sie wenigsten zeitlich<br />
18<br />
einzuordnen, seien hier nur die Hauptdaten genannt, über<br />
Ausmaß und Ursache ihrer Verehrung gibt jedes theologische<br />
Lexikon genügende Auskunft. Kaiser Heinrich II. (f 1024,<br />
heiliggespr. 1146); Konrad, Bischof von Konstanz und<br />
Patron dieser alemannisch-schwäbischen Großdiözese (f<br />
975, heiliggespr. 1123); die hl. Kaiserin Adelheid (f 999); die<br />
Mystikerinnen Mechtild v. Magdeburg (f 1283) und Mechtild<br />
v. Hackeborn (f 1299) und endlich Luitgard v. Tongern<br />
(| 1246). Ihr Leben, ihre Verehrung und, soweit erfolgt, ihre<br />
Kanonisation liegen nahe genug, um werbekräftig zu sein und<br />
weit genug, um sich in der Namensgebung auszuwirken.<br />
Dabei wäre zu bedenken, daß Namenspatenschaften auch<br />
schon zu Lebzeiten einer bedeutenden Persönlichkeit möglich<br />
sind, wie die neuere Geschichte zur Genüge beweist;<br />
Beispiele zu nennen erübrigt sich wohl.<br />
Der Namensforscher E. Schwarz 1 will zwar Heinrich und<br />
Konrad nicht als Heiligennamen gelten lassen und wendet<br />
dagegen ein, daß sie eben von einer Reihe deutscher Kaiser<br />
und Könige geführt wurden und dadurch populär geworden<br />
seien. Dann erhebt sich die Gegenfrage, warum der Name<br />
Friedrich der großen Stauferkaiser sich nicht einer gleichen<br />
Beliebtheit erfreute. Seine Rolle als Leitname bei den Zollern-<br />
Grafen wird auf die Staufer zurückzuführen sein, aber beim<br />
»gemeinen Mann« tritt er nur sporadisch auf, in Bumillers<br />
Tabellen der beliebtesten Namen erscheint er überhaupt<br />
nicht, und dies im Herzland Schwabens!<br />
So gut wie sicher ist der christliche Bedeutungsgehalt des<br />
schon 1292 in den Stettener Klosterurkunden 2 genannten<br />
Namens Tilia. Dahinter steht die hl. Odilia (f 720), deren<br />
Lebensbeschreibung aus dem 10. Jahrhundert stammt und<br />
deren Verehrung schon früh in ganz Süddeutschland verbreitet<br />
war. Ganz eindeutig als Heiligenname gemeint und<br />
deswegen als christlicher Name zu werten ist der Name<br />
Walburga, der in der Tabelle 5 bei Bumiller in allen vier dort<br />
erwähnten Orten mehrfach auftritt. Er wurde zum Taufnamen<br />
durch die beliebte Wallfahrt zum Grab der Heiligen in<br />
Eichstätt und durch das noch bis in die neueste Zeit<br />
geschätzte Walburgisöl. Den ersten Namen nennt Bumiller<br />
überhaupt nicht, weil er ihn, philologisch richtig, aber<br />
semantisch unzutreffend, als germanisch behandelt hat, den<br />
zweiten bezeichnet er durch die Drucktype als germanisch.<br />
Beide Fälle zeigen in aller Deutlichkeit die Problematik einer<br />
Vermischung von philologischen und religionsgeschichtlichen<br />
Kriterien. Jeder religionsgeschichtlichen Wertung<br />
müßte die Frage vorangehen: »Wie war ein bestimmter Name<br />
von den Gebern gemeint?« Im Einzelfall ist dies natürlich<br />
überhaupt nicht zu eruieren, aufs ganze gesehen bringt die<br />
Frage naturgemäß eine tiefgreifende Unsicherheit in die<br />
Statistik, die auf die Interpretation durchschlagen muß. Das<br />
entbindet aber keineswegs davon, sie zu sehen, sondern<br />
nötigt zu um so behutsamerer Schlußfolgerung. Womit wir<br />
schon mitten in der' zweiten Vorfrage stehen.<br />
3. Was können die benützten Quellen überhaupt aussagen?<br />
Lagerbücher (Beraine, Urbare), Zinsrodel usw. sagen von<br />
sich aus in unserem Zusammenhang lediglich, wer zu einem<br />
bestimmten Zeitpunkt wo wie geheißen hat, über das Warum<br />
geben sie keinerlei Auskunft. Um ihnen nicht eine vorgefertigte<br />
Antwort in den Mund zu legen, müssen sachverwandte<br />
anderweitige Quellen zu Hilfe gerufen werden, sofern man<br />
sich nicht auf numerische Kenntnisnahme beschränken will.<br />
Packt man den Prozeß aber von der geistesgeschichtlichen<br />
Seite her an, muß man sich auch auf diesem Gebiet nach
Dolmetschern umsehen. Bumiller macht dazu wenigstens<br />
einen Ansatz, wenn er einige Gruppen von urtümlichen<br />
Namen zitiert, die im Lauf des Hochmittelalters spurlos<br />
verschwinden 3. Ebenso ist ihm aufgefallen, daß die »germanische<br />
Namensvielfalt des frühen Mittelalters verschwunden<br />
ist«. Und dies, obwohl es kein kirchliches Verbot germanischer<br />
Namen gab. Dazu paßt vollkommen, was E. Schwarz<br />
von den heimischen Vornamen sagt: »Diese bröckeln schon<br />
vorher (vor dem Auftreten der Heiligennamen - d. Verf.) ab.<br />
Schon seit 800 erlischt ihre Produktionskraft, im 12. Jahrhundert<br />
wird der Schrumpfungsprozeß deutlich 4«. Läge es da<br />
nicht nahe, sich daran zu erinnern, daß um das genannte Jahr<br />
die Missionierung der zum Frankenreich gehörenden<br />
Stämme abgeschlossen war. Mit der fortschreitenden inneren<br />
Christianiserung mußten doch die den germanischen Namen<br />
ursprünglich eigenen Leitwerte an werbender und schöpferischer<br />
Kraft verlieren, wodurch automatisch ein Vakuum<br />
entstand, das nach Auffüllung durch neue, stärkere Wertvorstellungen<br />
rief. Dieser Prozeß setzte zweifellos lange vordem<br />
13. Jahrhundert ein, wenn er auch noch Jahrhunderte<br />
brauchte bis zur »Durchsäuerung«. Auf die Hilfestellung<br />
durch die Pest war er nicht angewiesen. Unglücklicherweise<br />
ist die Quellenlage des 11.-13. Jahrhunderts nicht rosig, aber<br />
das 14. hätte doch noch einiges geboten, wie z.B. die<br />
Patrozinienforschung, die Liturgiegeschichte, die Kunstgeschichte,<br />
vor allem aber die zeitgenössische Predigt- und<br />
Erbauungsliteratur. Man hätte sich auch an die Auswirkungen<br />
der Kreuzzüge und der Wallfahrten zu den Gräbern der<br />
frühchristlichen Märtyrer erinnern können. Vermutlich hätte<br />
sich bei all dem dann auch die Erkenntnis ergeben, daß die<br />
Welt der Heiligen für den mittelalterlichen Menschen doch<br />
etwas mehr war als nur eine Generalversicherung gegen<br />
Personen- und Sachschäden aller Art; sie bot auch Vorbilder<br />
für die christliche Lebensgestaltung, und für den ständisch<br />
denkenden Menschen dieser Zeit stellte sie eine überirdische<br />
Repräsentanz der irdischen Ordnungen dar (daher die<br />
Reichs-, Stadt-, Kirchen-, Zunft- und sonstigen Patronate).<br />
Die genannten Quellen insgesamt hätten ergeben, daß die<br />
sog. »triumphierende Kirche« dem damaligen Gläubigen<br />
wesentlich näher lag als uns heutigen. Sie blieb ihm gegenwärtig,<br />
ja buchstäblich greifbar in den Spuren ihres irdischen<br />
Lebens, den Reliquien, die Bumiller so leichthin als Fetische<br />
brandmarkt. Es ist die erste Aufgabe des Historikers, jede<br />
Zeit aus ihren Bedingungen zu verstehen und zu erklären,<br />
zugleich auch die an- und aufregendste.<br />
Danach ist es aber auch nicht mehr angängig, christliche<br />
Vornamen als »fremde Namen« zu bezeichnen. Fremd<br />
geworden dem Sinngehalt nach waren dem 14. Jahrhundert<br />
schon längst die germanischen Namen, wenn sie sich nicht an<br />
hervorragende Gestalten des staatlichen oder kirchlichen<br />
Lebens knüpften. In den Liturgielesungen und Predigten, bei<br />
der Erklärung der künstlerischen Ausstattung der Gotteshäuser,<br />
dieser »Armenbibel«, bei der Ankündigung der Feiertage<br />
klangen sie immer wieder auf. In voller Breite entfaltete sich<br />
das Spektrum in der sog. Allerheiligenlitanei, die in ihren<br />
Ursprüngen in die christliche Frühzeit zurückgeht und bis ins<br />
späte Mittelalter für die analphabetische Bevölkerung fast die<br />
einzige Möglichkeit einer aktiven und collektiven Beteiligung<br />
am Gottesdienst darstellte. Bumiller spricht von einer »freiwilligen«<br />
Öffnung für christliche Vornamen und setzt dabei<br />
das Wort »freiwillig« in Anführungszeichen. Dies kann nur<br />
den Sinn haben, einen gewissen Verdacht »in den Raum zu<br />
stellen«, ohne ihn zu präzisieren oder sogar zu begründen.<br />
Dies ist unfair und unwissenschaftlich.<br />
4. Speziell die Stettener Klosterurkunden (StKU)<br />
Die Urkunden aus dem Umfeld des Klosters Stetten 5 tragen<br />
das Hauptgewicht der Untersuchung Bumillers: Er gewinnt<br />
aus ihnen nicht nur eine Reihe soziologischer Beobachtungen,<br />
sondern macht von ihnen auch die ganze zweite, größere<br />
Hälfte seiner Arbeit abhängig. An die Problematik der<br />
strittigen Namen sei nur noch einmal erinnert. Dieser<br />
Abschnitt befaßt sich mit den Beobachtungen. Der die<br />
Zeittafel anführende Johannes von Schlatt 1296 ist weder ein<br />
möglicher noch mutmaßlicher Geistlicher, wie Bumiller<br />
andeuten will. Der Urkundentext enthält keinerlei Hinweis<br />
darauf, obwohl zwei mit ihm als Zeugen auftretende Männer<br />
ausdrücklich als Geistliche gekennzeichnet werden.<br />
Es trifft nicht zu, daß bei Geistlichen und Klosterfrauen eine<br />
unverhältnismäßige Häufigkeit christlicher Vornamen zu<br />
beobachten ist. Die 3-4 Kleriker namens Johannes nehmen<br />
sich ausgesprochen verloren aus unter ihren germanisch<br />
getauften Standesgenossen. Auch bei den Klosterfrauen sind<br />
christlich Getaufte gegenüber den Trägerinnen germanischer<br />
Vornamen deutlich in der Minderheit. (Dies würde sich<br />
allerdings ziemlich stark verschieben, wenn man Adelheid,<br />
Mechtild und Luitgard auf die »christliche« Seite überführt.)<br />
Es treten auch mehrfach leibliche Schwestern im Kloster auf,<br />
von denen die eine einen christlichen, die andere einen<br />
germanischen Namen trägt. Wie will man dann aus den StKU<br />
eine Art »Praedestinationspraxis« ableiten in dem Sinn, daß<br />
nachgeborene Kinder schon bei der Taufe durch einen christlichen<br />
Taufnamen für das Birett oder den Schleier abgestempelt<br />
wurden? Die Neigung und Praxis, solche Nachkommen<br />
mit Pfründen oder Klosterzellen zu versorgen, zu verrenten,<br />
ist bekannt. Eine schon am Taufstein wirksame Norm geben<br />
die StKU aber keinesfalls her.<br />
Weitere Beobachtungen Bumillers sind nur dadurch zu erklären,<br />
daß er eine charakteristische Eigenart der Klosterurkunden<br />
übersieht. Sie betreffen fast ausschließlich Stiftungen und<br />
Schenkungen zugunsten des Klosters oder einzelner Insassen.<br />
Solche Akte setzen voraus, daß die Aussteller das nötige<br />
Vermögen hatten und auch willens waren, davon etwas für<br />
diesen Zweck abzuzweigen. Darüber hinaus besagt es gar<br />
nichts, wenn die frühesten Belege für christliche Vornamen<br />
... »Angehörige des niederen Adels und der Ministerialität<br />
oder des städtischen Patriziats« betreffen. Diese Kreise<br />
hatten eben etwas zu stiften und einige daraus wollten dies<br />
auch; wie es bezüglich der Vornamen bei denen aussah, die<br />
entweder nichts zu stiften hatten oder nichts stiften wollten,<br />
obwohl sie etwas dazu gehabt hätten, läßt sich aus den StKU<br />
nicht ablesen. Die »Beobachtung« Bumillers fällt in sich<br />
zusammen.<br />
5. War es wirklich ein »Christianisierungsschub« ?<br />
An dieser Frage hängen zwar nicht »das Gesetz und die<br />
Propheten«, aber direkt oder indirekt die ganzen darauf<br />
folgenden Ausführungen Bumillers.<br />
Schon die Fixierung der Schub-Ursache auf 3-4 Jahre wirkt<br />
gewagt, da es sowohl vorher wie nachher Pest- (und andere)<br />
Katastrophen gegeben hat. Die Datierung verliert ihre scharfen<br />
Konturen. Doch ist das nicht das Entscheidende. Zwischen<br />
den Anfängen und dem Endstand der Christianisierung<br />
muß ja eine Entwicklung gelegen haben. Die Frage ist, ob sich<br />
von dieser kontinuierlichen Entwicklung eine plötzliche<br />
Beschleunigung so eklatant und dramatisch abhebt, ob sich<br />
die Wachstumskurve so drastisch anhebt, daß man von einem<br />
Schub sprechen kann und muß, der nur von einem außergewöhlichen<br />
Anstoß herrühren könnte. Davon ist aber in der<br />
Zeittafel zu den StKU beim besten Willen nichts zu sehen. Sie<br />
eignet sich auch gar nicht dazu, denn sie bietet einen von<br />
vielen Zufälligkeiten abhängigen Längsschnitt, der zudem<br />
von der schon erwähnten Charakteristik der zugrundeliegenden<br />
Quelle relativiert wird. So kann z.B. eine anderweitig<br />
bedingte enge Abfolge der Stiftungsurkunden eine Beschleunigung<br />
in der Namensgebung vortäuschen.<br />
19
Es ist auch ohne die moderne Mengenlehre einsichtig, daß ein<br />
echter Schub nur mittels wenigstens dreier einigermaßen<br />
repräsentativer Querschnitte durch die Gesamtbevölkerung<br />
nachzuweisen ist. Bumiller selbst fordert in einer anderen<br />
Arbeit solche synchrone Querschnitte 6, hier bietet er aber als<br />
einzigen nur den vom Jahr 1435 an. Man kann sich beim<br />
Weiterlesen des Eindrucks einfach nicht erwehren, daß hier<br />
mit einiger Gewalt Christianisierung und Schwarzer Tod auf<br />
den gemeinsamen Nenner »Angst« gebracht werden sollten.<br />
6. Die angeblichen und die wirklichen Ursachen<br />
der Christianisierung<br />
Man muß hier wenigstens zwei Kernsätze wörtlich zitieren:<br />
»Welches geschichtliche Ereignis könnte aber einen solchen<br />
>Christianisierungsschub< ausgelöst haben? Nichts anderes<br />
als der Schwarze Tod der Jahre 1348-1351 kommt hierfür in<br />
Frage«. Ob es christlich ist oder nicht, in solchen Situationen<br />
intensiver sich an Gott zu wenden, ist natürlich eine Glaubensfrage.<br />
Historisch gesehen, müßte aber dann doch wohl<br />
irgendwo der Name des klassischen Pestheiligen Sabastian<br />
auftauchen.<br />
Von ihm ist aber bei Bumiller weit und breit nichts zu sehen<br />
außer der Hechinger Sebastiansbruderschaft von 1513. Die<br />
schlichte Wahrheit ist doch, daß Bumiller keine andere<br />
Ursache kennt, weil er sich vermutlich gar nicht dafür<br />
interessiert hat. Andernfalls hätte ihm der Aufschwung echtreligiösen<br />
Lebens gerade im 14. Jahrhundert auffallen müssen,<br />
der von den neuen Bettelorden der Dominikaner und<br />
Franziskaner getragen war. Hier wirkten die berühmten<br />
Mystiker Meister Eckhart (ca. 1260-1324), Johannes Tauler<br />
(ca. 1300-1361) und Heinrich Seuse («"Konstanz 1295, fUlm<br />
1366). Ihre deutsch geschriebenen Bücher waren auch dem<br />
Nicht-Lateiner zugänglich und ihre Namen haben in der<br />
deutschen Geistesgeschichte heute noch einen guten Klang.<br />
Nun gehören diese drei alle demselben Orden an wie ausgerechnet<br />
das Kloster Stetten. Speziell der sei. Seuse bereiste ab<br />
1340 ganz Süddeutschland und predigte vor überfüllten<br />
Kirchen, wobei er als Stützpunkt vornehmlich Niederlassungen<br />
seines Ordens wählte. Dabei fand er sicher auch Stetten<br />
und die Stiftskanzel in Hechingen. Sein Thema war aber nicht<br />
die Angst, sondern die »Gottesminne«.<br />
Ausgesprochene Volksseelsorger waren die Franziskaner.<br />
Als solche waren sie gezwungen, sich der Fassungskraft der<br />
breiten Massen anzupassen und die abstrakten Forderungen<br />
christlicher Lebensgestaltung anschaulich zu machen, wozu<br />
sich nichts besser eignete als das Leben der Heiligen. Diese<br />
Seite ihres Wirkens ist in der Kirchengeschichte allgemein<br />
bekannt. Vom intensiven Wirken und Einfluß dieser beiden<br />
Orden gibt Arno Borst in seinem erst 1978 erschienenen<br />
Buch, Mönche am Bodensee, ein anschauliches und eindringliches<br />
Bild 7. Zwar erfaßt es nur den Bodenseeraum; aber die<br />
Grafschaft Zollern war ja kein Randgebiet des deutschen<br />
Südens, erst recht keine Einöde. Vor diesem Hintergrund<br />
nimmt sich das apodiktische »Nichts anderes« Bumillers<br />
einfach absurd aus.<br />
7. Zu Bumillers Polemik<br />
Damit könnte man eingentlich die Diskussion über das<br />
angezeigte Thema beenden. Leider holt nun aber Bumiller<br />
unter sachlicher und räumlicher Grenzüberschreitung seines<br />
Themas zu einem völlig unnötigen Rundschlag aus, der sich<br />
durch die durchweg negative Tendenz und den unsachlichen<br />
Stil als pure Polemik ausweist. Nach der bekannten Erfahrungsregel<br />
»Wer den Mund hält, ist offenbar einverstanden«<br />
besteht die Gefahr, daß ein stillschweigendes Ubergehen als<br />
Zustimmung verstanden würde. Man muß deshalb wohl oder<br />
übel darauf eingehen.<br />
20<br />
Es ist dort zunächst die Rede von einem »ungeheuren Wetteifer<br />
(mit wem eigentlich?) um die Gnade Gottes, die mitunter<br />
groteske und zweifelhafte Formen« annahm. Nun ist das<br />
Bemühen um die göttliche Gnade tatsächlich ein, wenn nicht<br />
das dem Christentum vom Stifter mitgegebene Ziel und der<br />
Sinn einer echten Christianisierung. Der Apostel Paulus ist<br />
sogar der Meinung, daß »das Heil unter Furcht und Zittern<br />
gewirkt« werden müsse (Phi 2, 12), und er dürfte von<br />
Christentum doch etwas verstanden haben. Wo die Grenzen<br />
zum Grotesken und Ungeheuerlichen verlaufen, hängt vermutlich<br />
nicht wenig vom individuellen religiösen Standpunkt<br />
ab. Da aber Bumiller keine konkreten Details nennt, ist keine<br />
Diskussion möglich. Die Prädikate verschieben sich vom<br />
Historischen aufs Weltanschauliche. Letzteres gilt auch weitgehend<br />
von den anschließenden Pauschalurteilen über die<br />
»heidnischen Elemente, Gebräuche und Vorstellungen«, mit<br />
denen man bei den Denkmustern bäuerlicher Frömmigkeit«<br />
rechnen müsse. Auch hier ist nicht zu ersehen, ob Bumiller<br />
dabei an untergründig verschleppte und wieder virulent<br />
gewordene vorchristliche Vorstellungen oder an Entartungsformen<br />
und Wucherungen un- oder mißverstandener christlicher<br />
Glaubensinhalte denkt, ob es sich also um Heidentum<br />
oder Aberglauben handelt. Daß es solche Erscheinungen<br />
gegeben hat, ist unbestreitbar 8. Die Kirche hat sich auf einem<br />
allgemeinen Konzil eingehend damit beschäftigt, schon vor<br />
mehr als 400 Jahren und mit einigem Erfolg, weil es ihr ja<br />
»nicht immer geheuer war« und »es ihr schadete«. Ausschließlich<br />
von der Pathologie her bekommt man aber einen<br />
Organismus als Ganzes nie in den Griff. Ganzheitlich gesehen<br />
kann man sogar den »magischen Fetischismus« des<br />
Reliquienkultes auch als Pietät auffassen, was allerdings dem<br />
symbolscheuen modernen Menschen schwerfallen mag.<br />
Prozessionen brauchte die Kirche nicht zu »erfinden«, sie<br />
konnte sie aus dem jüdischen Kult übernehmen. Zudem<br />
scheinen Auf- und Umzüge allgemeinmenschliche Verhaltensweisen<br />
von Kollektiven zu sein. Bumiller hat hier offenbar<br />
ausschließlich die Markus-Flurprozession im Auge, die<br />
tatsächlich auf die heidnisch-römischen Flurumgänge zu<br />
Ehren des Gottes Robigus zurückgeht. Die Entscheidung, ob<br />
die äußere, übernommene Form oder der neue innere Sinn<br />
das Wesen einer Sache ausmachen oder umgekehrt, ist nicht<br />
schwer zu treffen. Der christliche Sinn aller Prozessionen<br />
wird durch das vorangetragene Kreuz eindeutig deklariert.<br />
Die Vaterunserbitte um das tägliche Brot, die bekanntlich auf<br />
Christus selbst zurückgeht, wird bestimmt nicht dadurch<br />
heidnisch, daß man sie in Gemeinschaft und im Angesicht der<br />
vielfach bedrohten Getreidefelder Gott vorträgt. Mit einem<br />
schwindelerregenden Gedankensprung führt Bumiller dann<br />
»ganze Armeen von Heiligen« ins Feld. Als erste schweben<br />
ihm dabei die 1100 Jungfrauen der hl. Ursula vor. Der<br />
historische Kern dieser Legende wird nicht mehr bezweifelt,<br />
die inflationäre Zahl geht auf eine falsch entzifferte Inschrift<br />
und auf ein falsch verstandenens altrömisches Gräberfeld in<br />
der Nähe der Kölner Ursulakirche zurück; das ist wissenschaftlich<br />
ebenfalls nicht mehr kontrovers 9. Nicht nur »überschaubarer«<br />
sondern etwas schmalbrüstig marschiert Bumillers<br />
2. Armee der 14 Nothelfer auf. Weil es aber mit der<br />
Heerschau damit schon zu Ende ist, sei noch auf die Schar der<br />
12 Apostel aufmerksam gemacht. Wie einfach ist das doch<br />
alles!<br />
Noch einfacher zeigt sich das beim hl. Blasius, den Bumiller<br />
einfach zum »Schutzpatron gegen Blasenleiden« umfunktioniert.<br />
Wer nur einmal die jährliche Erteilung des Blasiussegens,<br />
wenn auch nur vom Weihwasserkesselchen aus, beobachtet<br />
hat, muß gemerkt haben, daß es hier um den Hals geht:<br />
Ein kleiner anatomischer Unterschied! 10.<br />
Die verbotenen heidnischen Schutzgeister seien jetzt durch<br />
die erlaubten Schutzheiligen ersetzt (also lediglich eine
Umfirmierung). Eine flüchtige Betrachtung der schon<br />
erwähnten Allerheiligenlitanei entlarvt diese Deutung als<br />
kurzschlüssige Simplifikation. Die verbale »Prozession« der<br />
Heiligen wird hier immer eröffnet durch die Anrufung der<br />
drei göttlichen Personen und abgeschlossen durch die dreifache<br />
Anrufung des Gotteslammes und ein paar Gebetsrufen zu<br />
Christus. Die Antworten der Gemeinde lauten bei Gott stets<br />
»erhöre uns«, »erbarme dich unser«, während es bei den<br />
Heiligen ausnahmslos heißt »bitte für uns«. Die Heiligen sind<br />
lediglich Fürbitter, Anwälte; der Erhörende ist Gott. Hier<br />
waltet nicht »das reine Heidentum«, sondern mangelnde<br />
Kenntnis und Differenzierung beim Beurteiler.<br />
Um das negative Bild abzurunden, bringt Bumiller dann auch<br />
noch den Ablaßhandel mit den vollen Säckeln der Kirche ins<br />
Blickfeld. Bei beiden Punkten ist ein Sachzusammenhang mit<br />
der »Christianisierung der Vornamen in der Grafschaft Zollern«<br />
schlechterdings nicht zu entdecken. Es ist reine Polemik.<br />
Dem weniger informierten Leser sei aber verraten, daß<br />
es ein Hexendogma nie gegeben hat und bis heute nicht gibt.<br />
Die unglückselige Bulle Innozenz' VIII. war keine unfehlbare<br />
Entscheidung. Daß sie sich auf »Nachrichten aus<br />
Deutschland« beruft, weist zwar auf Zusammenhänge hin,<br />
macht aber leider das angerichtete Unheil nicht ungeschehen.<br />
Der informatorische Gehalt und der wissenschaftliche Wert<br />
des 1. Teils wäre besser zur Geltung gekommen, wenn<br />
Bumiller auf diese Polemik ganz verzichtet hätte. Die dafür<br />
gewählte Diktion klingt an sich schon ziemlich antiquiert.<br />
8. Zusammenfassung<br />
Geht man von den beiden allein voll beweiskräftigen Querschnitten<br />
der beiden Lagerbücher aus und zieht unterstützend<br />
die partiellen Quellen (StKU, Rodel, Rechnungen)<br />
heran, läßt sich als gesichertes Ergebnis etwa folgendes<br />
feststellen. Zwischen dem noch etwas sporadischen Auftreten<br />
christlicher Vornamen (Zeittafel) und Hagens Lagerbuch<br />
von 1544 spielt sich eine kraftvoller Zunahmeprozeß bis zur<br />
völligen Durchsetzung ab. Dabei kündigt sich unter den<br />
Männernamen schon die spätere Übermacht des Namens<br />
Johannes-Hans von Anfang an deutlich an, während bei den<br />
Frauennamen der Name Anna ebenfalls von Anfang an<br />
auftritt, 1435 noch dem Namen Adelheid den Vortritt überlassen<br />
muß, 1544 aber endgültig an der Spitze steht.<br />
Akzeptiert man Heinrich und Konrad und die entsprechende<br />
Gruppe Adelheid, Mechtild und Luitgard als Heiligennamen,<br />
wofür vieles spricht, wäre schon um 1350 eine beachtliche<br />
Offenheit für christliche Taufnamen wirksam. Da Walpurga<br />
sicher als Heiligenname zu klassifizieren ist, haben wir<br />
es 1544 nur noch mit christlichen Frauennamen zu tun.<br />
Unter der genannten Voraussetzung stünden wir vor der<br />
interessanten Tatsache, daß diese einheimischen Heiligen<br />
noch vor den biblischen und frühchristlichen als Namenspatrone<br />
angenommen wurden.<br />
GERHARD DEUTSCHMANN<br />
Straßberg und der Truppenübungsplatz Heuberg<br />
Eine geschichtliche Betrachtung aus der Sicht des Anliegers<br />
Im Zusammenhang mit den wilhelminischen Rüstungsbemühungen<br />
vor dem 1. Weltkrieg wurde im Jahre 1910 der<br />
Truppenübungsplatz Heuberg angelegt. Die karge Alblandschaft<br />
in der ehemaligen Dreiländerecke Baden - Hohenzollern<br />
- Württemberg wurde als ideales Übungsgelände angesehen.<br />
So mußten damals auch die beiden Gemeinden Straßberg und<br />
Kaiseringen nahezu ein Viertel ihrer Gemarkungsfläche an<br />
den Reichsmilitärfiskus abtreten. Die Verkaufsverhandlungen<br />
verliefen nach anfänglichen Schwierigkeiten nahezu<br />
Das Angebot an neuen Namen geht auf der Männerseite von<br />
den Aposteln (in Auswahl) und den biblischen Weisen mit<br />
ihren legendären Namen aus, wozu noch die Standespatrone<br />
Michael, Georg und Nikolaus und der Frankenheilige Martin<br />
kommen; auf der Frauenseite gliedern sich die in der Heiligenlitanei<br />
zitierten Märtyrinnen der römischen Verfolgungen<br />
ein. Soviel zum Namensbestand und seiner Entfaltung.<br />
Zur Deutung wäre zu sagen: Soziologische Unterschiede in<br />
der Aufnahmebereitschaft sind nicht aufweisbar, da die<br />
Informationen der StKU bereits durch den Zweck in dieser<br />
Richtung vorgefiltert sind.<br />
Die Gesamtentwicklung ist eine natürliche Begleiterscheinung<br />
des allgemein bekannten Aufschwungs und der Vertiefung<br />
der christlichen Frömmigkeit im 14. und 15. Jahrhundert.<br />
Diese wieder erklärt sich organisch-zwanglos und ausreichend<br />
aus der ebenfalls bekannten intensiven Tätigkeit der<br />
neuen Seelsorgeorden der Dominikaner und Franziskaner in<br />
der fraglichen Zeit. Man kommt bedauerlicherweise um die<br />
Feststellung nicht herum: Was Bumiller aus den Quellen<br />
herausliest, ist in den wesentlichen Punkten historisch<br />
unhaltbar. Sein vernichtendes Schlußurteil aber ist absolut<br />
unberechtigt und menschlich-moralisch ungerecht. Auch die<br />
Menschen des 14. Jahrhunderts haben einen Anspruch darauf,<br />
in ihrer geistig-religiösen Haltung nicht pauschal herabgesetzt<br />
oder gar diffamiert zu werden. Davor müßten sie<br />
schon durch ihre künstlerischen, kulturellen und sozialen<br />
Leistungen (Spitäler) geschützt sein.<br />
Anmerkungen<br />
1 Schwarz, Ernst, Deutsche Namensforschung, Göttingen 1949, Bd.<br />
I, S. 37<br />
2 Urkunden des Dominikanerinnenklosters Stetten i. Gnadental bei<br />
Hechingen, Herausgeber: Dr. Franz Haug und Johann Adam<br />
Kraus in: Beilage zum Hohenzollerischen Jahresheft 1955 ff., S. 12,<br />
Nr. 14<br />
3 Der Name Sigmar ist nach Ausweis der Taufbücher nicht »heute<br />
noch«, sondern heute wieder gebräuchlich.<br />
4 Wie Anm. 1, S. 46<br />
5 Vgl. Anm. 2<br />
6 Bumiller sagt dort selbst, daß »die korrekte Ermittlung einer<br />
Sozialstruktur synchron, d. h. in einem bestimmten Stichjahr<br />
erfolgen muß«. - Zeitschrift für Hohenzollerische Geschichte<br />
1979, S. 123. Dies gilt sicher auch für Namensbestände.<br />
7 Borst, Arno, Mönche am Bodensee, Sigmaringen 1978, S. 246 ff.<br />
8 Heute dürfte diese Gefahr nicht mehr akut sein, denn mit einem<br />
Organismus gehen auch seine etwaigen Auswüchse zugrunde.<br />
9 Lexikon für Theologie und Kirche, Freiburg (Herder), Bd. X<br />
(1938), Sp. 453.<br />
10 Als medizinisch vollwertigen Ersatz für diesen Ausfall kann der<br />
Verfasser den hl. Vitus mit seinem »Nachttöpfchen« nebst dem<br />
zugehörigen Sprüchlein anbieten.<br />
reibungslos, nur um den Standort des Lagers entbrannte ein<br />
Streit, versprach man sich doch sichere Arbeitsplätze und<br />
geschäftliche Vorteile. So kann man in der Straßberger<br />
Ortschronik lesen: »Die lang gehegten Hoffnungen, daß das<br />
Lager auf die Gemarkung Straßberg gelegt werde, verwirklichten<br />
sich nicht, was hauptsächlich die Geschäftsleute verbitterte.<br />
Auch die angestrengten Bemühungen der Stadt<br />
Ebingen waren erfolglos, das Lager kam auf badisches<br />
Gebiet« 1. Auch die Gemeinde Kaiseringen wetteiferte um<br />
den Standort des Lagers. In diesem Zusammenhang soll vom<br />
21
Drahtseilbahn am Haltepunkt Kaiseringen an der Zollernbahn mit<br />
Blick auf die Rampe an der Siechenhalde, 1915.<br />
damaligen Bürgermeister der Spruch gefallen sein: »Kaiseringen<br />
ist der Mittelpunkt der Erde!« 2.<br />
Kaiseringen ging dann doch nicht ganz leer aus: Vom Haltepunkt<br />
der Zollerbahn wurde im Jahre 1912 eine doppelgleisige<br />
Standseilbahn als Munitions- und Materialbahn auf die<br />
Höhen des Heubergs hinauf gebaut. Etwa 300 Arbeiter der<br />
Fa. Baresel, Stuttgart, waren ca. drei Monate in Tag- und<br />
Nachtarbeit mit dem Bau dieser Förderbahn beschäftigt. Das<br />
8 km lange Drahtseil für die etwa 4 km lange Strecke wog<br />
allein 320 Zentner 3. Am 1. Mai 1912 war die feierliche<br />
Eröffnung der Bahn. Sie führte über eine 27 Grad steile<br />
Rampe hinauf über die Siechenhalde bis an den Rand des<br />
Übungsplatzes in Höhe des eh. Waldhofes (siehe unten) und<br />
dann im rechten Winkel bis an den nördlichen Rand des<br />
Lagers in Stetten akM. Die Förderwagen wurden, am Drahtseil<br />
verkeilt, in gemächlichen eineinhalb Stunden von einer<br />
Dampfmaschine, die am Ende der Bahn in einem Wirtschaftsschuppen<br />
untergebracht war, mittels Seilzug >hochgehievt
edeuten Truppenbelästigung, Manöverschäden, Panzergeratter,<br />
Nachtschießen, Kanonendonner, Düsenjägerlärm...<br />
Allerdings kann man heute sicher sagen: Aus dem nüchternen<br />
Nebeneinander ist ein zweckdienliches Miteinander geworden.<br />
Daß aus diesem Miteinander ein verantwortliches Füreinander<br />
werde, dieser Aufgabe stellt sich die Gemeinde<br />
Straßberg, ihre Verwaltung, ihre Bürger.<br />
1 Vgl. handschriftliche Ortschronik der Gemeinde Straßberg, GdeA<br />
Straßberg<br />
2 Laut frdl. Mitteilung von Herrn Siegfried Riegger, Kaiseringen<br />
3 Vgl. handschriftliche Ortschronik der Gemeinde Kaiseringen,<br />
GdeA Straßberg<br />
4 Laut frdl. Mitteilung von Herrn Josef Oswald, Kaiseringen, einem<br />
JOHANN ADAM KRAUS<br />
Melchingen: Das Rätsel der Burghalde<br />
Hier ist nicht die Rede von der östlich des Dorfes aufsteigenden<br />
Anhöhe mit der bekannten Burgruine von Melchingen,<br />
sondern von dem südlich in Richtung Ringingen liegenden<br />
Berg, über den ein uralter Weg »Pfatten« 1 führt, der die<br />
Talwiesen überquerend sich teilte. Der eine Zweig zieht<br />
gegen Ringingen, der andere zog vom Talwieser Kreuz als<br />
Fußweg durch den »Grund« zur ehemaligen (1835 abgegangenen)<br />
Weiler- oder Bernhardskapelle und weiter nach Burladingen.<br />
Sowohl diese, wie auch das Melchinger Bernhardskäppele<br />
- heute beide nur noch durch ein Bildstöcklein<br />
markiert 2 - dürften ehemals mit dem Zisterzienserkloster<br />
Bebenhausen bei Tübingen zusammengehangen haben,<br />
woran noch der Waldname »Bebenloch« erinnert. Es hatte<br />
Rechte und Beziehungen auf der Alb, u. a. stand ihm die<br />
Frühmesse von Stetten und Holnstein zu. Der östliche Teil<br />
des genannten Berges, von Melchingen aus also links vom<br />
Pfattenweg aus, heißt auf der Karte Burghalde, die am<br />
östlichen Abhang, Eschenrain genannt, eine Quelle aufweist.<br />
Nach Professor Hertlein soll der römische Alblimes ca.<br />
85-110 n. Chr. über diesen Pfattenweg von der Ringinger<br />
Marienkapelle bzw. dem Römerkastell Burladingen-Hausen<br />
her nach Osten geführt haben 3. Nach dem fürstlich <strong>hohenzollerische</strong>n<br />
Archivar Karl Th. Zingeler 4 und dem früheren<br />
Pfullinger Stadtpfarrer Maier bestand auf der Burghalde<br />
ehemals eine Volks- oder Fliehburg um 500-900 n. Chr.<br />
Offenbar ist das ein Schluß aus dem Namen, wenigstens ist<br />
von Nachforschungen nichts bekannt. Möglich wäre jedoch<br />
auch eine ehemalige (vielleicht nur angefangene) Schwesterburg<br />
zu der noch in Ruinen erhaltenen schon erwähnten, wie<br />
z. B. Neufra im Vorder- und Hinterlichtenstein eine Parallele<br />
besitzt. Wer nun die mit Wald bestandene Bergfläche durchstreift,<br />
stößt auf Schritt und Tritt auf Unebenheiten, Gräben<br />
und Löcher, aber keine Mauerreste, und zwar war dies vor<br />
einigen Jahrzehnten schon der Fall. Wenn je solche vorhanden<br />
waren, sind die Steine längst von den Leuten weggeholt<br />
und wiederverwendet worden. Vor allem bleibt zu bedenken,<br />
daß bis vor etwa 160 Jahren hier und auf den umliegenden<br />
Bergen eifrig nach Bohnerz geschürft und gegraben wurde, so<br />
JOHANN ADAM KRAUS<br />
Forstknecht Balthas Scheuch 1605<br />
Stammvater eines Burladinger Geschlechts<br />
Am 8. Juni 1607 erhielt ein Balthas Scheuch (Scheu) von<br />
Altheim (Ulmer Gebiets) vom Zollergrafen Johann Georg<br />
seine Bestallunsurkunde als »Jäger und Forstknecht« zu<br />
Burladingen zugestellt, nachdem er schon am 18. Oktober<br />
1605 zu Harthausen auf der Scher probeweise im zollerischen<br />
Forst (westlich von Fehla und Lauchert) angenommen wor-<br />
Mitarbeiter beim damaligen Bahnbau<br />
5 Vgl. /. A. Kraus, Die Herrschaft Straßberg an der Schmeie, HJh<br />
1959, Gammertingen 1959, S. 53<br />
6 Vgl. Anm. 1.<br />
7 Laut frdl. Mitteilung von Herrn Friedrich Hahn, Kaiseringen<br />
8 Vgl. ausführliche Beschreibung in: Klaus Härter/Manfred Hensel,<br />
Chronik des Truppenübungsplatzes und der Garnison Heuberg<br />
bei Stetten akM., Inzigkofen 1980, S. 168-177<br />
9 Vgl. Markenbeschrieb um die ganze Herrschaft Straßberg, 240 S.,<br />
geb., StAS, Abt. Herrschaft Straßberg 1 10 706, S. 110, bzw. S. 30:<br />
Am 3. Juni 1715 »die Steine besichtigt und befunden, daß der Nr.<br />
19, so ein eckmark und drei bahnen scheidet um seis gar schlechten<br />
Zustand willen... cassieren und ohne umstand statt dessen ein<br />
großer newer stein gemacht und eingesetzt werden solle.« So<br />
geschehen am 23. Okt. 1715<br />
daß praktisch alles durchwühlt ist. Es wird somit auch selbst<br />
bei sorgfältigen wissenschaftlichen Grabungen - von andern<br />
ist dringend abzuraten - sehr schwierig sein, das Geheimnis<br />
der Burghalde zu lüften!<br />
Merkwürdigerweise hatte Ringingen im Fleckenbüchlein von<br />
1530 5 die Bestimmung: »Burckhalden hat das Dorf mit Trieb<br />
und Tratt (als Weide) zu nutzen«. Wenn dies für diesen Platz<br />
zutraf, und eine andere Burghalde kennt man in der ganzen<br />
Umgebung nicht, so dürfte wohl der 1455 genannte Burgherr<br />
von Ringingen, Friedrich von Ow, zollerischer Vogt und<br />
Schwiegersohn des Kleinhans Schwelher 6, der 1482 auch das<br />
»Schloß Melchingen« samt anderen Besitzungen innehatte,<br />
hier zugunsten der Ringinger eine Verfügung getroffen<br />
haben, die natürlich im Lauf der Zeit wieder abging. Im<br />
gleichen Fleckenbüchle 7 ist auch vermerkt: der Ringinger<br />
Feldschütz beziehe jährlich aus der Melchinger Hagenwies<br />
und den Salmendinger Talwiesen einen Zins, was eine Weideberechtigung<br />
auf der Burghalde nicht für ganz abwegig<br />
erscheinen läßt. Die Zeiten haben sich eben geändert. So hatte<br />
Ringingen beispielsweise im J. 1530 laut des genannten<br />
Fleckenbuchs außer dem gemeinsamen großen Weidegebiet<br />
Heufeld mit Salmendingen, Jungingen und Thalheim auch je<br />
ein Stück gemeinschaftliche Weide mit Salmendingen auf dem<br />
Gallenbühl, mit Burladingen im Stellflecken und mit Killer in<br />
Seeheim unter der finsteren Teile. »Und wer mit dem Vieh<br />
zuerst dort ankam, hatte das Vorrecht: der andere Partner<br />
durfte ihn nicht vertreiben«.<br />
1 Pfatten, von Pfad abzuleiten.<br />
2 HH 1952, 31.<br />
3 Albv. Blatt. 1925, 218 f.<br />
4 Archäolog. Karte zum Kunstdenkmälerwerk 1896.<br />
5 Mitt. Hohz. 1924, 219 f.<br />
6 HJHeft 1938, 129 f.<br />
7 Note 5, S. 216, 220.<br />
den ist. Damals war sein Herkunftsort Steinach im Ulmer<br />
Gebiet angegeben. In der erwähnten Urkunde wird von ihm<br />
verlangt, seinen Dienst treu und fleißig zu tun, besonders<br />
dem Grafen, sowie seinem Jägermeister, gehorsam zu sein,<br />
zu Nutz und Frommen des Forstherrn zu arbeiten. Er wird<br />
verpflichtet, allen Schaden abzuwenden, für Einhaltung der<br />
23
Forstordnung zu sorgen und die herrschaftlichen Rechte im<br />
Gebiet um Burladingen in »Forst und Wildbann« zur Geltung<br />
zu bringen. Letzterer darf in keiner Weise geschädigt<br />
oder verkleinert werden. Scheu hat die Aufträge des Grafen<br />
bzw. seines Jägermeisters genau durchzuführen, darf niemand<br />
gegünstigen, auch die Geheimaufträge niemand eröffnen.<br />
Besonders hat er auf die Güter und Wälder im Forst<br />
Obacht zu geben, damit kein Abgang oder Schaden entsteht.<br />
Er hat täglich in den Forst zu reiten, die Forstschädiger<br />
(Wilderer) möglichst »zu Hand zu bringen«, sie alsbald dem<br />
Jägermeister anzeigen und nichts verschweigen. Wenn der<br />
Graf jagen will, muß er ihm stets zur Hand sein, dem Herrn<br />
allezeit besonders bei der »Schweinhatz und Hirschjagt« und<br />
sonst zu Hilfe stehen, und alle Vorbereitungen treffen, muß<br />
das Wildpret und die erlegten Sauen und anderes unverzüglich<br />
versorgen, aber nichts verschenken auch nichts für sich<br />
behalten. Kurz: er muß in allem den Nutzen seines Herrn im<br />
Auge behalten. Falls ihm Dinge zu Ohren kommen, die der<br />
Herrschaft zum Schaden gereichen, hat er unverzüglich<br />
Meldung zu machen und sich in allem als treuer Diener<br />
bewähren.<br />
Als Besoldung erhält er (man staune!) pro Jahr dreißig Gulden<br />
an Geld, sechs Malter Kernen (enthülsten Dinkel), einen<br />
Anzug (»Kleid«), ein Paar Stiefel, zwei Wägen voll Heu, eine<br />
Behausung mit nötigem Brennholz wie alle anderen gräflichen<br />
Diener. Doch muß er die Heizung auf eigene Kosten<br />
hauen, heimführen und spalten. Falls er den Dienst aufgeben<br />
will und wir ihn entlassen, ist Kündigung von drei Monaten<br />
festgesetzt, andernfalls läuft der Vertrag von Jahr zu Jahr<br />
weiter.<br />
Balthas Scheuch gelobte feierlich unter Eid, dem allem nachzukommen.<br />
Der Vertrag ist besiegelt und unterschrieben<br />
durch den Grafen Johann Georg von Hohenzollern-Hechingen<br />
(Fürstl. Dom. Arch. Sigm. R50E, No. 6: wörtlich in Lauchertzeigung<br />
Gammertingen Nr. 116 des Jahres 1939).<br />
Der Wortlaut macht klar, daß es sich eigentlich nicht um<br />
einen Jäger im heutigen Sinn handelt, sondern um einen<br />
Förster oder Forstknecht, denn die Jagd, das Hauptvergnü-<br />
DIEGO HÄUSSEL<br />
Das Schulwesen in Hochberg (I)<br />
Am 1. Januar 1975 verlor die bis dahin selbständige<br />
Gemeinde Hochberg Kreis Sigmaringen durch die Gemeindereform<br />
ihre Selbständigkeit und wurde zum Ortsteil der<br />
Gemeinde Bingen. Dies bedeutete das Ende einer politischen<br />
Einheit, die fast 200 Jahre bestanden hatte. Damit wurde<br />
gleichzeitig eine neue Entwicklung eingeleitet, von der heute<br />
noch nicht mit letzter Gewißheit gesagt werden kann, ob sie<br />
wirklich alle Hoffnungen erfüllt, die anfänglich in sie gesetzt<br />
worden war.<br />
Gewissermaßen als Vorläufer dieser Reform dürfte eine<br />
weitere Veränderung gewertet werden, von der hauptsächlich<br />
die kleinen Gemeinden betroffen wurden und die zur damaligen<br />
Zeit viel Staub aufwirbelte: Die Schulreform. Im Jahre<br />
1966 wurde verwirklicht, was schon lange im Gespräch war<br />
und von den Bildungspolitikern mit immer größerem Nachdruck<br />
gefordert wurde: Der Schulentwicklungsplan I der<br />
Landesregierung von Baden-Württemberg trat in Kraft. Er<br />
sah die Bildung von Jahrgangsklassen für die Schüler der<br />
Jahrgänge 5-8 sowie die gleichzeitige Einführung des 9.<br />
Schuljahres vor. Damit war das Urteil über die meisten einund<br />
zweiklassigen Landschulen gesprochen und in den nächsten<br />
Jahren haben viele der kleinen Landgemeinden ihre<br />
24<br />
gen des damaligen Landesherrn, das bekanntlich einen langdauernden<br />
Untertanenstreit erzeugte, war eben Sache des<br />
Herrn.<br />
Anhang: Es handelte sich um den Ahnherrn der heute in<br />
Burladingen sehr zahlreich vertretenen Familie Scheu, freilich<br />
auch Scheich, Scheuch, Scheih, Schoi, Schey oder anders<br />
geschrieben. Das Einkommen des Balthas klingt uns Heutigen<br />
überaus bescheiden, daß man sich sein Fortkommen nur<br />
schwer vorstellen kann. Er benötigte doch auch ein Roß, ein<br />
Feuerrohr oder Büchse, einen Hirschfänger, eine Jagdtasche,<br />
ein Horn und mehr als nur einen Anzug. Von einem Gärtchen<br />
beim Haus ist keine Rede. Und wenn er dann eine<br />
Familie gründete, dann wollten Weib und Kinder auch<br />
verhalten sein! Aber der tüchtige Balthas scheute offenbar<br />
weder Arbeit noch Strapazen. Im Jahre 1636 sind bereits zwei<br />
Balthas Schoi, Vater und Sohn, überliefert, letzterer um 1644<br />
»B. Schey der junge« geheißen. Beim Jahrgericht am 27.<br />
Februar 1645 meldete er seine Kinder an: Hans Ulrich,<br />
Johannes, Hans Jakob, Christian und Anna Maria, damit sie<br />
ins Leibeigenschaftsbuch eingetragen werden konnten.<br />
Johannes und Hans Jakob wurden 1657 als Vierzehnjährige<br />
vereidigt und schon 1653 meldete der junge Balthas wieder<br />
einen gleichnamigen Sohn (III.) an, dann 1658 einen Hans<br />
Kaspar. Der Vater Balthas Sch. II. war 1645 als Neubürger zu<br />
Burladingen vereidigt worden. In die Schlaghändel mit einigen<br />
Lothringischen Soldaten des Jahres 1676 waren u. a. zu<br />
Burladingen auch Jakob, Johannes, jung Balthas und Kaspar<br />
Scheuch verwickelt, kamen aber ohne Strafen davon. Jakob<br />
war 1684 Vogt (Ortsvorsteher!). Als verheiratete Wehrfähige<br />
sind 1676 Christian, Johannes und Konrad Schey, und als<br />
lediger Wehrfähiger obiger Balthas III. Schoy überliefert.<br />
Aus den 1685 beginnenden Kirchenbüchern könnten weitere<br />
Ankömmlinge ersehen werden.<br />
Nebenbei sei angeführt: In Hechingen wird in Forstakten des<br />
F. Archivs zum Jahr 1615 ein Albrecht Schoi genannt, der<br />
wohl zur gleichen Familie gehören dürfte, vielleicht als<br />
Bruder des ersten Balthas Scheuch von 1605. Albrecht kann<br />
wohl als Stammvater der Bisinger Schoy in Frage kommen.<br />
Schule verloren. Die Gemeinde Hochberg wurde zunächst<br />
davon verschont, es gab aber nur deshalb eine Verzögerung<br />
von V2 Jahr, weil die Beförderungsprobleme, die diese<br />
Reform mit sich brachte, nicht auf Anhieb gelöst werden<br />
konnten.<br />
Heute hat Hochberg keine Schule mehr. Nach wechselvollen<br />
Jahren, in denen die Hochberger Kinder verschiedene Schulen<br />
der Umgebung besuchen mußten, scheinen sich nun die<br />
Verhältnisse zu festigen und die Wellen der Erregung zu<br />
beruhigen und in einigen Jahren werden vielleicht das ehemalige<br />
Schulhaus und die Erinnerung der Schüler, die diese<br />
Schule noch besuchten, die einzigen Spuren einer langen<br />
Schulgeschichte dieser Gemeinde sein.<br />
Diese Geschichte soll nochmals in Erinnerung gerufen werden,<br />
es soll jedoch kein wehmütiges Nachtrauern sein,<br />
sondern ein sachliches Resümee dessen, was gewesen ist. Es<br />
wäre nicht gut, das Rad der Geschichte zurückdrehen und<br />
durchgemachte Entwicklungen bremsen zu wollen, es soll<br />
aber auch nicht alles, was war, in Vergessenheit geraten.<br />
Die Gemeinde Hochberg gehörte bis 1806 zur Obervogtei<br />
Jungnau und damit in den Herrschaftsbereich des Fürstentums<br />
Fürstenberg. In diesem Jahr fiel die Herrschaft Jungnau
an Hohenzollern-Sigmaringen, das 1840 die Obervogtei<br />
Jungnau auflöste und Hochberg dem Oberamt Gammertingen<br />
zuteilte.<br />
So ist auch die Geschichte der Schule in Hochberg nicht zu<br />
trennen von der Entwicklung des Schulwesens in diesen<br />
einzelnen Herrschaften. Es war wie überall: Die Schulen<br />
wurden von den Gemeinden nicht besonders gefördert, es<br />
gab keine Schulpflicht, keine Schulhäuser, keine ständigen<br />
Schulmeister, sondern Wanderlehrer, die mal da mal dort<br />
unterrichteten. So ist es nicht verwunderlich, wenn bis zur<br />
Mitte des 17. Jahrhunderts das gesamte Schulwesen sehr im<br />
Argen lag und die einzelnen Regierungen mit strengen Maßnahmen<br />
für eine Besserung sorgen mußten.<br />
Zum ersten Mal wird in den Aufzeichnungen über Hochberg<br />
das Problem Schule im Jahre 1751 erwähnt (Jungnauer Prot.<br />
Nr. 7). Am 2. April dieses Jahres erhält die Gemeinde einen<br />
Strafbescheid und wird zur Zahlung von 3 Gulden verurteilt,<br />
weil »trotz herrschender Verordnung in Hochberg mehrere<br />
Wochen keine Schule mehr gehalten wurde. »Es ist also<br />
anzunehmen, daß auch in Hochberg schon damals in den<br />
Wintermonaten »Schule« gehalten wurde, wenn gerade wieder<br />
jemand für diesen Posten zur Verfügung stand. Aufzeichnungen<br />
darüber habe ich keine gefunden.<br />
Im angesprochenen Falle verteidigte sich die Gemeinde mit<br />
dem Argument, es sei kein Brennholz vorhanden und sie<br />
verlangte von der Herrschaft, sie solle der Schule Holz zur<br />
Verfügung stellen. Der Gemeinde aber wurde aufgetragen,<br />
jeden Schüler zu verpflichten, jedesmal ein Scheit Holz<br />
mitzubringen. Dabei handelt es sich um eine vermutlich<br />
bereits ergangene Anordnung oder zumindest um eine in<br />
anderen Gemeinden geübte Gepflogenheit, die aber von den<br />
Hochberger Bürgern nicht befolgt worden war.<br />
Man scheint aber an höherer Stelle keine Ruhe gegeben zu<br />
haben, denn im Jahre 1759 mußte sich der Gemeinderat<br />
wieder mit dem Problem Schule befassen. Er faßte, vermutlich<br />
gedrängt durch die Obrigkeit, folgenden Beschluß:<br />
- die gesamte Gemeinde erklärte sich »einhellig und verbündlich«<br />
bereit, in Zukunft eine Schule zu unterhalten<br />
und einen tüchtigen Schulmeister anzustellen. Der Unkosten<br />
halber solle es auf folgende Weise gehalten werden:<br />
- Da ein Schulmeister teuer sei, sollen allfordist die ganze<br />
Bauern jed Zweytag, so dann jed Bürger Eintag, und<br />
endlich ein jed so Kinder zur schuhl schickhet, so viel tag<br />
alß Erschuhl Kind hat, demselben die Kost geben und auf<br />
dieße arth solle es bei jedem Umbgang gehalten werden<br />
- Für jedes zur Schule gehende Kind mußten wöchentlich 2<br />
Kreuzer bezahlt werden, die übrigen Kosten für den<br />
Schulmeiter wurden auf die ganze Bürgerschaft umgelegt.<br />
Aus diesem Beschluß ist ersichtlich, daß ein großer Teil der<br />
Kosten für die Schule direkt von den Bürgern getragen<br />
werden mußten, und es ist verständlich, daß es immer wieder<br />
zu Schwierigkeiten kam. Der Lehrer geriet durch diesen<br />
»umbgang« in eine Abhängigkeit, die sich sicherlich auf seine<br />
Arbeit und damit auf das ganze Schulwesen negativ ausgewirkt<br />
hat.<br />
Auf den Bürger kam noch eine andere Belastung zu. Es fehlte<br />
ein Schulhaus und so wurde abwechselnd in den Stuben der<br />
Bauern unterrichtet. Dies hat natürlich auch nicht gerade<br />
dazu beigetragen, die Beliebtheit der Schule zu fördern.<br />
In einer Erhebung des Fürstentums Fürstenberg über die<br />
Schulen in seinem Herrschaftsbereich im Jahre 1775 wird<br />
Hochberg überhaupt nicht erwähnt. Den Grund konnte ich<br />
nicht ermitteln, vielleicht war garade mal wieder kein Lehrer<br />
da. Daß die Schule ganz aufgehoben war, ist unwahrscheinlich,<br />
denn im Jahre 1772 und 1774 stiftete ein Simon Unger<br />
aus Gutenstein je 40 Gulden für »arme Schuhlehr-Kinder«.<br />
Genaueren Aufschluß über die Hochberger Schulverhältnisse<br />
gibt eine Beschreibung der Schulen im Fürstenbergischen aus<br />
dem Jahre 1782.<br />
1. (Frage) Ob ein Schullehrer zu Hochberg sei<br />
(Antwort) Nein, einmal der, einmal der , gegenwärtig<br />
Joseph Glanz<br />
2. (Frage) Wie oft Schule gehalten werde<br />
(Antwort) Nur im Winter 20 Wochen<br />
3. (Frage) Was der Schullehrer für ein Einkommen habe<br />
(Antwort) Wöchentlich 18 Kreuzer, in 20 Wochen 6<br />
Gulden<br />
Aus der Stiftung 2 Gulden<br />
Umbessen 12 Kreuzer<br />
4. (Frage) Wieviel Schulerkinder vorhanden seien<br />
(Antwort) 15 Schulerkinder<br />
5. (Frage) Ob ein Schulhaus vorhanden sei<br />
(Antwort) Kein Schulhaus<br />
6. (Frage) Ob Schulmeister und Meßneramt vereinigt seien<br />
(Antwort) Nicht vereinigt<br />
7. (Frage) Ob eine Vereinigung möglich sei<br />
(Antwort) Wenn ein Bürger zu Hochberg zum Schulhalten<br />
fähig wäre, wie nicht, so würde der Copulation weiter<br />
nichts im Wege stehen<br />
Die schlechten Verhältnisse in Hochberg waren sicher kein<br />
Einzelfall, denn schon kurz nach dieser Erhebung, im Jahre<br />
1784, erließ die Regierung eine Verordnung über das Schulwesen,<br />
um »wegen des schlechten Standes der Schulen«<br />
Verbesserungen zu erreichen. Auf Grund dieser Verordnung<br />
wurden die Lehrer zu einer 4-wöchigen Lehre nach Donaueschingen,<br />
die Hauptstadt des Fürstentums Fürstenberg,<br />
eingeladen »zum Erlernen der Normal-Lehrart.« Diese 4<br />
Wochen gingen auf Kosten der Landeskasse. Wer es in dieser<br />
Zeit nicht schaffte und länger brauchte, mußte die restliche<br />
Zeit auf eigene Kosten leben. Über die Schulzeit wurde in<br />
dieser Verordnung bestimmt, daß in Zukunft das ganze Jahr<br />
Schule gehalten werden soll, wenigstens ab 1. Wintermonat<br />
bis 1. Mai. Im Sommer mußten an allen Sonn- und Feiertagen<br />
nachmittags 2 Stunden gehalten werden.<br />
Am Grundsatz, daß im Winter mehr Schule gehalten wird als<br />
im Sommer, wurde fast ein ganzes Jahrhundert in unserer<br />
Schulgesetzgebung festgehalten. Hier wurden die wirtschaftlichen<br />
Verhältnisse der Bevölkerung berücksichtigt, die ihre<br />
Kinder im Sommer dringend für verschiedene landwirtschaftliche<br />
Arbeiten brauchten, entweder in der eigenen<br />
Landwirtschaft oder aber als Tagelöhner bei den Bauern.<br />
Zwar wurde ab 1804 auch im Sommer 2-3 mal Schule<br />
gehalten, damit das bisher Gelernte während des Sommers<br />
nicht in Vergessenheit gerate, die Schulentlassenen wurden<br />
bis zum 20. Lebensjahr verpflichtet, die Sonntagsschule und<br />
die Christenlehre zu besuchen, immer wieder aber muß die<br />
Regierung die Bevölkerung ermahnen, die Schulordnung<br />
auch einzuhalten. Denn wer den ordentlichen Besuch der<br />
Elementar- oder Werktagsschule, der Sonntagsschule und<br />
der Christenlehre nicht nachweisen konnte, dem wurde die<br />
Bewilligung zur Übernahme eines bürgerlichen Gewerbes<br />
sowie die Heiratserlaubnis nicht erteilt.<br />
Aus der Erhebung über das Schulwesen aus dem Jahre 1782<br />
ist ersichtlich, daß man um diese Zeit schon erwogen hat, den<br />
Schulmeisterdienst mit dem Meßnerdienst zu vereinigen. In<br />
Hochberg hatte 1782 dieses Amt ein Hochberger Bürger<br />
namens Konrad Blum inne. Er erhielt dafür Vi Gulden aus<br />
der »Fabrik« (Heiligenpflege) und von jedem Bürger »ein<br />
Metter Garb zu 20 Garben« im Wert von je 15 Kreuzer.<br />
Vermutlich im Jahre 1791, als der Wanderlehrer Joseph<br />
Glanz entlassen und das Amt des Schulmeisters von einem<br />
Hochberger Bürger übernommen wurde, verknüpfte man<br />
das Schulmeister- und Meßneramt. Nach einer Abrechnung<br />
aus dem Jahre 1799 erhielt der Lehrer für Meßnerdienste 7<br />
Pferchnächte, bei jeder Beerdigung stand ihm für das Läuten<br />
25
der Kirchenglocke 1 Laib Brot zu. Bei den mehr als kargen<br />
Besoldungen der Lehrer war dieses Meßneramt sicherlich ein<br />
willkommener Nebenverdienst. Dies wird später, als das<br />
»Umessen« abgeschafft wurde und der Lehrer nebst freier<br />
Wohnung, Heizmaterial und Gartennutzung ein Gehalt<br />
erhält, ein fester Bestandteil der Besoldung. Die Trennung<br />
des Meßnerdienstes von der Lehrerstelle erfolgte in Hochberg<br />
am 1. 7. 1905, gekoppelt aber blieben Lehrer- und<br />
Organistendienst.<br />
Lehrer in Höchberg<br />
Bis zum Jahre 1776 unterrichteten in Hochberg namentlich<br />
nicht bekannte Wanderlehrer. Vermutlich war dies sehr<br />
unregelmäßig, auch konnte diesen täglich durch den Bürgermeister<br />
aufgekündigt werden, sie selbst konnten auch gehen,<br />
wenn sie genug hatten. Daß hier natürlich keine ersprießlichen<br />
Schulverhältnisse entstehen konnten, ist verständlich.<br />
Vermutlich 1776 übernahm das Amt des Schulmeisters ein<br />
gebürtiger Sigmaringer namens Joseph Glanz. Er scheint sich<br />
mit den Hochbergern gut verstanden zu haben, denn er<br />
wurde erst im Jahre 1791 entlassen.<br />
Ihm folgte ein Bürger aus Hochberg, Anton Blum. Er war<br />
Tagelöhner und betrieb eine kleine Landwirtschaft. Er hatte<br />
sich um das Amt des Schulmeisters und Meßners beworben.<br />
Zur Vorbereitung auf dieses Amt war er den ganzen Sommer<br />
über beim Schulmeister in Inneringen »in der Lehre« und<br />
wurde nach einer Prüfung, die er vor Lehrern der Nachbargemeinden<br />
ablegen mußte, eingestellt. Er war bis 1816 Lehrer<br />
und übergab dann an seinen Sohn Johann Blum, der diese<br />
Tätigkeit bis 1864 ausübte. Während seiner Zeit stabilisierte<br />
sich das Schulwesen in Hochberg, er hat seine Wohnstube<br />
zum Schulhalten zur Verfügung gestellt (die Gemeinde<br />
mußte Miete zahlen), auch fällt in seine Amtszeit der Schulhausneubau<br />
im Jahre 1840. Er war der letzte Lehrer aus der<br />
Bürgerschaft von Hochberg, der noch »in die Lehre« gegangen<br />
war. Nach ihm kamen die nach den neuen Richtlinien<br />
ausgebildeten Lehrer, die aber in der Regel nur sehr kurz in<br />
Hochberg blieben.<br />
Es unterrichteten:<br />
von 1864—1866 Provisor Gustav Ruff<br />
von 1866-1868 Provisor Sauter<br />
von 1868-1869 Provisor Häberle<br />
von 1869-1872 Provisor Ott<br />
von 1872-1874 Provisor Schuler<br />
von 1874-1876 Provisor Vogt<br />
von 1876-1878 Provisor Steinhart<br />
J. WANNENMACHER<br />
von 1878-1881 Lehrer Rapp<br />
von 1881-1882 Provisor Klaiber<br />
1. 9. 1882 - 15. 10. 1890 Lehrer Gustav Bulach<br />
15. 10. 1890 - 1. 5. 1891 Provisor Aber<br />
1. 5. 1891 - 30. 9. 1898 Lehrer Karl Dehner<br />
1. 10. 1898 - 31. 12. 1898 Lehrer Grathwohl<br />
1. 1. 1899 - 31. 10. 1904 Lehrer Ludwig Schmid<br />
1. 11. 1904 - 31. 8. 1905 Lehrer Stehle<br />
1. 9. 1905 - 16. 4. 1909 Lehrer Albin Kramer<br />
20. 4. 1909 - 30. 7. 1910 Lehrer Fritz<br />
(Vertretg. v. Jungnau)<br />
1. 8. 1910 - 31. 3. 1913 Lehrer Hans Hinger<br />
1. 4. 1913 - 1. 8. 1914 Lehrer<br />
Otto Fridolin Amann<br />
2. 8. 1914 - 30. 11. 1914 Lehrer Kleinmann<br />
(Vertr. v. Jungnau)<br />
1. 12. 1914 - 30. 4. 1915 Schulamtsbewerber Koch<br />
1. 5. 1915 - 15. 5. 1915 Lehrer Kleinmann (Vertr.)<br />
28. 5. 1915 - 30. 8. 1915 Lehrer Bernhard Stauß<br />
(Vertr. v. Ver-dorf)<br />
1. 9. 1915 - 30. 10. 1918 Lehrer Apolinar Singele<br />
1. 11. 1918 - 30. 3. 1922 Lehrer Oskar Sauter<br />
1. 4. 1922 - 31. 7. 1922 Lehrer<br />
Johann Wannenma^her<br />
1. 8. 1922 - 31. 3. 1929 Lehrer Franz Arendt<br />
24. 4. 1929 - 8. 5. 1930 Lehrer Josef Hebeisen<br />
8. 5. 1930 - 1. 4. 1935 Lehrer Albert Huber<br />
1. 4. 1935 - 1. 5. 1940 Lehrer Franz Stimmler<br />
1940-1943 Lehrer Michael Stöhr<br />
1943-1945 Lehrer Fritz<br />
(Vertr. v. Jungnau)<br />
Von 1945-1951 war die Schule in Hochberg wegen zu<br />
geringer Schülerzahl aufgehoben, die Kinder besuchten die<br />
Schule in Jungnau.<br />
1. 1. 1951 - 1. 10. 1951 Lehrer Georg Wurzer<br />
1. 10. 1951 - 30. 11. 1954 Lehrerin Ernestine Gödel<br />
1. 12. 1954 - 31. 8. 1955 Lehrer Siegfried Miller<br />
1. 9. 1955 - 19. 11. 1966 Lehrer Diego Häußel<br />
21. 11. 1966 - 31. 7. 1967 Lehrer Bruno Wolfsturm<br />
Danach wurde die Schule in Hochberg aufgelöst. Die Kinder<br />
mußten bis zum Jahre 1968 nach Egelfingen, wo sie an der<br />
dortigen Einklassenschule gemeinsam mit den Kindern aus<br />
Egelfingen unterrichtet wurden. Als dann auch diese Schule<br />
aufgelöst wurde (1968) kamen die Schüler des Jahrgangs 1-4<br />
nach Inneringen, die größeren mußten nach Veringenstadt.<br />
(Fortsetzung folgt)<br />
Aus dem Reichtum und der Vielfalt unserer heimischen Mundart<br />
Das technische Zeitalter hat uns bei der Arbeit und täglichen<br />
Lebensführung manche Erleichterung gebracht. Es hat uns<br />
aber auf der anderen Seite auch viel von Herz und Gemüt<br />
genommen. Vor allem in den zwischenmenschlichen Beziehungen<br />
ist es vielfach frostig und kühl geworden. Stille,<br />
Ruhe, Herzenswärme sind in weitem Umfange geschwunden.<br />
- Der heutige Mensch spürt allmählich diesen großen<br />
seelischen Verlust. Man sucht auf allen Gebieten wieder nach<br />
dem althergebrachten Guten, das neben Geist und Verstand<br />
auch Herz und Gemüter erwärmt und erfreut. Insbesondere<br />
wendet sich der Blick der Menschen wieder den Werten der<br />
Heimat zu. Die Mundart steht hierbei mit an erster Stelle. In<br />
ihr liegt auch die ganze Seele der Heimat. Was den Menschen<br />
innerlich jederzeit bewegte, versuchte er in seiner Sprache<br />
geist- und gemütvoll zum Ausdruck zu bringen.<br />
26<br />
Nachstehend einige Proben aus Rangendingen:<br />
Die Ostereier legten die Kinder ehemals in den »Klemmer -<br />
haufa«. Klemmer hießen die Waldameisen. Die Kinder freuten<br />
sich dann sehr, wenn die Klemmer in großer Zahl über die<br />
Eier krabbelten und die herb duftende Ameisensäure darüber<br />
spritzten. Die Eierschalen, so meinte man, ließen sich darauf<br />
besser lösen. Wenn es lange nicht regnet, wird auch im<br />
Hausgarten alles trocken. Dann muß die Pflanzen<br />
»schbreeza«, d. h. mit Wasser übergießen. Das Kraut (Kohl)<br />
auf dem Krautland aber tut man »b schütta«, = Wasser an die<br />
Wurzeln gießen. Das war einst eine fröhliche Abendbeschäf- •<br />
tigung, die in der Hauptsache den Jugendlichen zufiel.<br />
In der Zeit, als man noch keine Kunstdüngemittel<br />
gebrauchte, nahmen die Insekten oft sehr überhand, und die<br />
Pflanzen litten mitunter nicht wenig Schaden. Der Bauers-
mann bezeichnete die Vielzahl der für ihn schädlichen Insekten<br />
als »Auziefer«. Der Ausdruck wird im übertragenen Sinn<br />
auch für Menschen gebraucht, die nicht viel taugen und<br />
jedermann zur Last fallen. Wenn das Wetter unbeständig ist<br />
und die Sonne sich immer wieder hinter einer Wolke verbirgt,<br />
dann tut d' Sonn »kulaußa«. Man hört dann von Bauersleuten<br />
nicht selten den Ausspruch: »D' Sonn' kulaußet; 's geit<br />
anders Wetter!« Kleine Kinder tragen um den Hals gerne ein<br />
Kettchen mit einer Medaille. Letztere nennt man im Volksmund<br />
a »Deele«. Die gefürchteten Masern heißen in der<br />
Mundart »de raot Sucht«. - Schmerzt ein Finger infolge einer<br />
Verletzung sehr, dann »glotzget« = klopft er. Ein durchtriebener<br />
Kerl, der alle Schliche kennt und auch den Leuten gerne<br />
heimlich einen »Bossa« = Streich spielt, ischt a groaßer<br />
»Schienkel«! - oder a elender »Sieach«. - Hoscht wieder an<br />
»Duck« dao?, fragt der Vater den Sohn, wenn er etwas<br />
Ungeschicktes angestellt hat.<br />
Eine Arbeit, die man nicht so gerne tut und immer wieder<br />
unerledigt vor sich hinschiebt, wird »nausdrichlet«. Auch<br />
wegen Mangel an Geld wird manche Arbeit oder Anschaffung<br />
im Haushalt hinausgeschoben, »nausdrichlet«. Wenn<br />
jemand gestorben ist, so fragt man: »Wenn ischt d' »Leicht«<br />
= Beerdigung? Man geht den Verstorbenen zur »Leicht«.<br />
Eine alte Truhe, die mit der Zeit morsch und brüchig<br />
geworden ist, nennt man eine alte »Trucha«. Dieses Wort<br />
KARL WERNER STEIM<br />
Haigerlocher Zeitungen 1880-1934 (Schluß)<br />
Größeres Format<br />
Mitte September 1919 ging »Der Zoller« als erste <strong>hohenzollerische</strong><br />
Zeitung vom dreispaltigen Umbruch auf den vierspaltigen,<br />
und damit auch auf ein größeres Format, über 193.<br />
Außerdem wurde in Haigerloch eine Agentur eingerichtet,<br />
die Schuhmachermeister Josef Remp übernahm. Austrägerin<br />
der Zeitung in Haigerloch war Maria Kaiser, die die Zeitungen<br />
jeweils am Erscheinungstag um 15 Uhr austrug, während<br />
die durch die Post bezogenen Exemplare in Haigerloch<br />
gewöhnlich erst am folgenden Tag zugestellt wurden. Die<br />
Agentur nahm auch Inserate und Druckaufträge entgegen 194.<br />
Ende August 1926 gab es im Bezirk Haigerloch folgende<br />
Agenturen des »Zoller«: Bietenhausen, Dettlingen, Empfingen,<br />
Gruol, Haigerloch, Hart, Heiligenzimmern, Höfendorf,<br />
Owingen 195. Im Januar 1927 wurden folgende Agenturen<br />
zusätzlich genannt: Betra, Dettingen, Dettensee, Dießen,<br />
Fischingen, Glatt, Imnau und Weildorf 196.<br />
Vom 10. September 1927 an gab »Der Zoller« eine Nebenausgabe<br />
»<strong>Hohenzollerischer</strong> Neckarbote« heraus, die hauptsächlich<br />
im Raum Empfingen verbreitet war (Erstausgabe in<br />
der Hohenz. Heimatbücherei Hechingen).<br />
Im »Dritten Reich«<br />
Schon im Februar 1932 erschien im »Zoller« ein Leitartikel<br />
»Kann ein Christ Nationalsozialist sein?« von Pfarrer H.<br />
Herz 197. Nach der Machtübernahme durch Hitler nahm<br />
»Der Zoller« anstelle des bisherigen Untertitels »Tagblatt für<br />
die Hohenzollerischen Lande und deren Umgebung« vom 3.<br />
Juli 1933 folgenden Titel an: »Katholisches Tagblatt für die<br />
Hohenzollerischen Lande« 198. Schon vom 29. August an<br />
erschien dann wieder der alte Untertitel. Verlag und Redaktion<br />
schrieben dazu: »Unter Bezugnahme auf einen Ministerialerlaß<br />
vom 20. Juli 1933 teilen wir mit, daß wir mit dem<br />
heutigen Tage am Kopfe unserer Zeitung den Untertitel<br />
»Katholisches Tagblatt« fortgelassen haben« 199.<br />
wird im übertragenen Sinn auch für Menschen gebraucht.<br />
Wird im Kaufladen eine Ware etwas zu knapp bemessen, daß<br />
sie gerade noch so hinreicht, dann ist sie »bschnotta« gmessa.<br />
Auch Kleider oder Schuhe, die etwas zu kurz oder zu eng<br />
sind, passet grad no so »bschnotta«. - Ein Mann, der sich<br />
beim Geben immer sehr sparsam zeigt, dees ischt a »bhäber«<br />
Denger. Das Gleiche gilt auch für Frauen. Wenn Kinder beim<br />
Gehen nicht aufpassen und deswegen bald da oder dort<br />
anstoßen, ruft die Mutter mahnend: »Paß auf, was >schieakescht<<br />
denn ällaweil umanander?«<br />
Damit ein junges Bäumchen vom Winde nicht gebrochen<br />
wird, bindet man es an einen »Schtotza« = Pfahl, den man in<br />
die Erde schlägt. Auch zu den Grenzsteinen an den Ackern<br />
und Wiesen schlägt man einen kurzen »Schtoza«, damit man<br />
die »Mark« (Grenzstein) stets gut sehen und leicht finden<br />
kann.<br />
Zum Abschluß noch eine kleine Anekdote aus einer schwäbischen<br />
Dorfschule: Der Herr Vikar gibt Religionsunterricht in<br />
einer Grundschule. Auf einmal sagt er: »Kinder, ich muß<br />
jetzt aufhören, gleich kommt der Pilgerzug zum Papst nach<br />
Rom, und ich will mitfahren.« »Jo«, sagt darauf der kleine<br />
Georg, »no saget Se au an Gruaß vo mir an Babscht und er soll<br />
au a mol zo eis komma.« »Und au an Gruaß vo mir«, rufts<br />
Metzgers Franzel, »er soll au a mol zu eis komma, no metzget<br />
miar a Sau!«<br />
In derselben Nummer wehrte sich »Der Zoller« gegen die in<br />
Umlauf gesetzen Gerüchte, er und die anderen Zentrumszeitungen<br />
Hohenzollerns würden ihr Erscheinen einstellen:<br />
»Nach den Erklärungen, die der Reichskanzler vor dem<br />
Verein deutscher Zeitungsverleger, dem auch die vorgenannten<br />
Zeitungen angehören, angegeben hat, ist das Weitererscheinen<br />
der Zeitungen, die nicht NSDAP-Blätter sind, nicht<br />
in Frage gestellt. Die Erklärung des Reichskanzlers ist maßgebend«<br />
200.<br />
Frei von .parteipolitischer Bindung<br />
Am 6. Juli 1933 veröffentlichte »Der Zoller« folgende Erklärung:<br />
»Die politische Entwicklung in Deutschland hat traditionelle<br />
Verbindungen mit parteipolitischen Anschauungen<br />
aufgehoben. Vorstand und Aufsichtsrat des Hohenz.<br />
Preßvereins haben in Würdigung dieser Tatsache schon unter<br />
dem Datum des 2. Mai ds. Js. eine mit der Zentrumspartei vor<br />
Jahren getroffene Vereinbarung widerrufen und aufgehoben,<br />
durch die der Zoller verpflichtet war, die Politik des Zentrums<br />
zu vertreten. Die am 3. Juli ds. Js. stattgefundene<br />
Hauptversammlung hat die erwähnteEntscheidung des Vorstandes<br />
und Aufichtsrates einmütig gutgeheißen. Frei von<br />
parteipolitischer Bindung wird der Zoller als katholische<br />
Tageszeitung herausgegeben... bereitwillig mitzuarbeiten an<br />
der Neugestaltung unseres deutschen Volkstums und unserer<br />
staatlichen Ordnung...« 201 Die »Hohenz. Blätter« gaben<br />
hierzu einen giftigen Kommentar ab unter der Überschrift:<br />
»Der >Zoller< in der Tarnkappe« 202. Auch sonst versuchte der<br />
»Zoller« eine »geschicktere« Bericherstattung, stets verfolgt<br />
von den denkbar gehässigsten Kommentaren der »Hohenz.<br />
Blätter« wie »Der Idealismus des Zollers« 203 oder »Eine<br />
>Zoller
In der Folge gab es viele weitere Schwierigkeiten, die sogar<br />
den Abonnenten des »Zoller« gemacht wurden 207. Schließlich<br />
fiel »Der Zoller« der »Gleichschaltung der deutschen<br />
Presse« zum Opfer und mußte zum 1. April 1936 sein<br />
Erscheinen einstellen 208.<br />
»Hohenzollerische Landeszeitung«<br />
In Hohenzollern - vor allem im Raum Haigerloch und im<br />
sogenannten »hinteren Bezirk«-war zwischen 1921 und dem<br />
Ende dieser Untersuchung eine Zeitung mit dem Titel<br />
»Hohenzollerische Landeszeitung« vertreten, die freilich in<br />
Horb hergestellt wurde. Es handelte sich um eine Kopfzeitung<br />
der »Horber Chronik« (später »Schwarzwälder Volksblatt«)<br />
aus dem Verlag von Paul Christian in Horb 209.<br />
Die mit Jahresbeginn 1921 herausgekommene Zeitung trug<br />
als Erscheinungsort Sigmaringen. Die »Hohenz. Volkszeitung«<br />
in Sigmaringen kommentierte die Neuerscheinung:<br />
»Da uns bis zur Stunde von einer Neugründung am Ort<br />
nichts bekannt geworden war, so ergab sich bei näherem<br />
Zusehen, daß es sich um einen Ableger der im Unterland mit<br />
einigen Dutzend Exemplaren vertretenen >Horber Chronik«<br />
handelt, die durch den kostenlosen Abdruck der Bekanntmachungen<br />
für die Oberämter Hechingen und Haigerloch ihre<br />
Daseinsberechtigung als ><strong>hohenzollerische</strong>s Organ für Landwirtschaft<br />
und Mittelstand« zu beweisen sucht. Ihre Nachrichten<br />
aus Hohenzollern hat die Horber Chronik bisher<br />
zum größten Teil aus <strong>hohenzollerische</strong>n Blättern bezogen. Es<br />
muß daher abgewartet werden, in wieweit diese Gepflogenheit<br />
von dem Ableger übernommen werden muß. Ohne dem<br />
Kopfblatt der Horber mehr Beachtung schenken zu wollen,<br />
als ihm bei seiner Unbedeutenheit zukommt, muß es doch als<br />
absurd bezeichnet werden, daß sich das württembergische<br />
Blatt als Vertreterin der Interessen der Hohenzollerischen<br />
Landwirtschaft und des Mittelstandes aufzuspielen versucht.<br />
Die <strong>hohenzollerische</strong> Bevölkerung hat es wahrlich nicht<br />
nötig, ihre Interessenvertretung jenseits der Landesgrenze zu<br />
suchen. Nicht recht ersichtlich ist auch, weshalb die neue<br />
Horberin Sigmaringen als Erscheinungsort vortäuscht, da sie<br />
doch von vornherein dazu verurteilt sein wird, ihr kümmerliches<br />
Dasein in einigen Grenzorten des Unterlandes zu beschließen<br />
210.<br />
»Revolverjournalisten«<br />
Auch »Der Zoller« in Hechingen ging kritisch auf die Berichterstattung<br />
der »Hohenz. Landeszeitung« ein und schrieb:<br />
»Die sogenannte >Hohenzollerische LandeszeitungHohenz. Landeszeitung< erscheint, hat sich bisher redlich<br />
bemüht, nach allen Regeln der Kunst zu stänkern und dem<br />
hohenz. Zentrum bei jedem Anlaß in den Rücken zu fallen.<br />
Wir haben dem pseudo-<strong>hohenzollerische</strong>n Blättchen seine<br />
Jugend bisher zu gute gehalten und konnten es begreifen, daß<br />
auch eine Zeitung so etwas wie >Sturm- und Drangperiode«<br />
durchzumachen haben kann. Aber Tollheiten können sich zu<br />
konstanten Gewohnheiten verdichten und gemeingefährlichen<br />
Charakter annehmen - und dann hört schließlich auch<br />
28<br />
die schwäbische Gemütlichkeit auf. Jedenfalls ist das Gebahren<br />
der Zeitung seit ihrem kurzfristigen <strong>hohenzollerische</strong>n<br />
Dasein äußerst merkwürdig und es wird es von Tag zu Tag<br />
mehr. Nachdem in der neuesten Nummer 78 gar die Behauptung<br />
aufgestellt wird, die >Hohenz. Landeszeitung< sei politisch<br />
ein Zentrumsblatts wollen wir doch einmal das Angesicht<br />
dieser holden Sphinx einmal gründlicher lüften. 1. Die<br />
»Hohenzollerische Landeszeitung< ist durchaus kein Zentrumsblatt!<br />
Es ist öde Bauernfängerei und politischer<br />
Geschäftskniff, wenn man sich aus naheliegenden Gründen<br />
in Hohenzollern ein katholische Mäntelchen umhängt. Nie,<br />
aber auch gar nie, hat sich der Verlag Paul Christian in Horb<br />
an die Zentrumsleitung gewandt, um als Zentrumsblatt anerkannt<br />
zu werden... 2. Die 'Hohenzollerische Landeszeitung<<br />
steht dem Zentrum nicht einmal nahe. Im Gegenteil sie<br />
bekämpft es mit Heftigkeit... 3. Was ist denn nun die<br />
'Hohenzollerische Landeszeitung
^ fiobcnjollctifdiß ^<br />
tmtiicsjcitiiiiii<br />
Unabhängiges Tagblatt für deutsches Land und Volk ^ ^<br />
Brsugl^riil: gret £>aul bui$ ïr&aer mena 11:4 JRSJt. 1.50. loin® le Çoiï monatluft W9JÏ 1.90. 3m Oath bflberer Semait bffttbt [etn Vn[pru
Kreisausschußmitglied Wallishauser fort. Die beiden Blätter,<br />
die sich auch in dieser Sache wie in Anderem nobel zu<br />
verbrüdern beginnen, wollen meine Angelegenheit nicht zur<br />
Ruhe kommen lassen.. .« 226 Wallishauser nahm seine Tätigkeit<br />
als Miglied des Kreisausschusses, Kommunallandtags<br />
und Landesausschusses wieder auf. »Der Zoller« schrieb<br />
hierzu: »Friedrich Wallishauser hat seit August letzten Jahres<br />
wegen bestimmter Vorkommnisse seine Mandate nicht mehr,<br />
ausgeübt. Wie uns mitgeteilt worden ist, will man sich<br />
innerhalb der >Freien Wählervereinigung« nicht damit zufrieden<br />
geben, daß Friedrich Wallishauser nur auf sein Kreistagsmandat<br />
verzichtet« 227.<br />
Der Streit wurde auch im Jahre 1932 fortgesetzt. Im April<br />
1932 legte Wallishauser seine Mandate zum Kommunallandtag,<br />
Landesausschuß und Kreisausschuß nieder. Uber das<br />
Mandat zur Hechinger Stadtvertretung sagte er nichts aus.<br />
Als Begründung gab er an, nach den Preußenwahlen entspräche<br />
die Zusammensetzung dieser Körperschaften nicht mehr<br />
dem Volkswillen und aus Achtung vor diesem Willen lege er<br />
die Mandate nieder. Die »Hohenz. Blätter« hierzu: »Nun<br />
muß ja sicherlich jedes Ding seinen Namen haben, aber über<br />
diese Begründung kann sich nur >ein allgemeines Schütteln<br />
des Kopfes« erheben.. ,« 228.<br />
Nationalsozialistische Tageszeitung<br />
Seit 1931 hatte die Landeszeitung einen neuen Zeitungskopf,<br />
links neben der Schrift prangte das Hohenzollernwappen.<br />
Der Untertitel lautete: »Unabhängiges Tagblatt für deutsches<br />
Land und Volk« 229. Im folgenden Jahr wurde wieder eine<br />
neue Schrift für den Kopf gewählt, das Wappen war jetzt<br />
rechts 230. Eindeutig stellte sich die Zeitung - spätestens ab<br />
1933 - auf die Seite des Dritten Reiches. 1933 stand zu lesen:<br />
»Die Hohenz. Landeszeitung wird auch künftighin das Sprachrohr<br />
besonders der Hohenz. Bauernschaft sein und bleiben.<br />
Die Behauptungen, die Hohenzollerische Landeszeitung<br />
erscheine nicht mehr, sind unwahr« 231. Von Juli 1933 an<br />
führte die Landeszeitung den Untertitel »Nationalsozialistische<br />
Tageszeitung für Hohenzollern« 232. Täglich wurden im<br />
»Schwarzen Brett« Termine und Bekanntmachungen der<br />
NSDAP veröffentlicht.<br />
»Der Zoller« teilte seinen Lesern mit, die »Hohenz. Landeszeitung«<br />
habe im Zeitungskopf angekündigt, daß sie »NationalsozialistischeTageszeitung<br />
für Hohenzollern, Parteiamt I i -<br />
ches Organ und Amtsblatt sämtlicher Behörden« sei. Es<br />
heiße ferner, die Landeszeitung sei »Mitteilungs- und Veröl -<br />
fentlichungsblatt der Reichs-, Staats- und Gemeindebehörden<br />
in Stadt und Kreis Haigerloch.« Die Geschäftsstelle in<br />
Hechingen sei aufgehoben, dem Redakteur Friedrich Wallishauser<br />
sei gekündigt und Weisung gegeben worden, seine<br />
Tätigkeit für die Landeszeitung einzustellen 233. In der Tat<br />
erschien im Impressum Wallishauser nicht mehr. Es fand sich<br />
nur noch der Eintrag »Hauptgeschäftsstelle NS-Zeituni;<br />
GmbH Horb, Verantwortlich: Fr. Schäfer, Haigerloch« 2,4.<br />
Das Impressum wurde wenige Tage später geändert: »Verantwortlicher<br />
Hauptschriftleiter Ludwig Eduard Fleischmann.<br />
Für Haigerloch: Fr. Schäfer, Haigerloch« 235. Eine<br />
weitere Umgestaltung erfuhr der Zeitungskopf im Juli<br />
19 3 3 236.<br />
»Stunde der Abrechnung gekommen«<br />
In zahlreichen Aufrufen hetzte die »Hohenz. Landeszeitung»<br />
gegen alle Nichtnationalsozialisten, vor allem auch<br />
gegen solche Zeitungen. Im Juli 1933 fand sich folgender<br />
Text: »SA-Mann von Hohenzollern, hinaus mit der schwarzen<br />
und liberalen Presse aus Deinem Haus! Sorge dafür, daß<br />
30<br />
man auch in Hohenzollern merken kann, daß die Stunde der<br />
Abrechnung gekommen ist« 237.<br />
Auch aus ihrer Haltung zum neuen Regime machte die<br />
»Hohenz. Landeszeitung« beispeilsweise mit nachstehender<br />
Eigenanzeige keinen Hehl: »Die Hohenz. Landeszeitung, die<br />
als erste Zeitung Hohenzollerns den nationalen Gedanken in<br />
unermüdlichem, oft schwerem Kampfe in die vielfach anderen<br />
Einflüssen unterlegene Bevölkerung hineingetragen und<br />
damit als erste Zeitung Hohenzollerns dem neuen Deutschland<br />
in unserer <strong>hohenzollerische</strong>n Heimat freie Bahn geschaffen<br />
hat, erscheint als parteiamtlich anerkannte nationalsozialistische<br />
Tageszeitung und wird in ganz Hohenzollern gelesen.<br />
.. Kampforgan für unseren Führer Hitler, als Bauernblatt<br />
zur besonderen Vertretung der bäuerlichen Belange, als<br />
Heimatzeitung für Hohenzollern« 238.<br />
Im gleichen Monat erschienen folgende beiden Anzeigen:<br />
»SA-Männer des Unterlandes! Sorgt dafür, daß in keinem<br />
Hause Eurer Gemeinde mehr eine schwarze oder judenfreundliche<br />
Zeitung gehalten wird! Werbt für Eure NS-<br />
Presse: die Hohenzollerische Landeszeitung« 239. Ferner:<br />
»Die einzige parteiamtlich anerkannte Zeitung im Bezirk<br />
Haigerloch ist die 'Hohenzollerische Landeszeitung«! Alle<br />
amtlichen Anzeigen und Bekanntmachungen für den Bezirk<br />
erscheinen in Zukunft nur noch in der >Hohenzollerischen<br />
Landeszeitung« 240.<br />
Rascher Fall<br />
Trotz ihrer eindeutigen Haltung erlebte die »Hohenz. Landeszeitung«<br />
als NS-Zeitung ein rasches Ende. Warum, war<br />
nicht zu erfahren. Es erscheint denkbar, daß die »Hohenz.<br />
Blätter« - ebenfalls NS-Zeitung - dahinter steckten. Im<br />
Januar 1934 ist im »Zoller« zu lesen: »Die Hohenzollerische<br />
Landeszeitung ist aus dem NS-Presseverband Württemberg-<br />
Hohenzollern ausgeschieden. Sie ist nicht mehr parteiamtliches<br />
Organ der NSDAP. Das Amtsblatt des Bürgermeisteramts<br />
Haigerloch ist jetzt wieder der >Haigerlocher Bote«« 241.<br />
Der »Haigerlocher Bote« mußte freilich wenig später - wie<br />
oben dargestellt - sein Erscheinen einstellen. Einzige NS-<br />
Zeitung im Raum Haigerloch waren dann die »Hohenz.<br />
Blätter«. (Ende)<br />
" »Der Zoller« Nr. 211 v. 15. 9. 1919<br />
1.4 »Der Zoller« Nr. 212 v. 16. 9. 1919<br />
1.5 »Der Zoller« Nr. 199 v. 30. 8. 1926<br />
1.6 »Der Zoller« Nr. 7 v. 11. 1. 1927<br />
1.7 »Der Zoller« Nr. 29 v. 5. 2. 1932 ff.<br />
1.8 »Der Zoller« Nr. 149 v. 3. 7. 1933<br />
1.9 »Der Zoller« Nr. 196 v. 29. 8. 1933<br />
200 Siehe Anmerkung 198<br />
201 »Der Zoller« Nr. 152 v. 6. 7. 1933<br />
202 »Hohenz. Blätter« Nr. 153 v. 7. 7. 1933<br />
203 »Hohenz. Blätter« Nr. 161 v. 17. 7. 1933<br />
204 »Hohenz. Blätter« Nr. 163 v. 19. 7. 1933<br />
205 »Der Zoller« v. 2. 9. 1933<br />
206 »Der Zoller« Nr. 213 v. 20. 9. 1933<br />
207 »Siehe Anmerkungen 237 - 240<br />
208 Dieser Vorgang soll später einmal dargestellt werden.<br />
209 Jahrgänge 1926 - 1933 (mit großen Lücken) in der Hohenz.<br />
Landesbücherei Sigmaringen. Jahrgänge 1931, 1932 in der Hohenz.<br />
Heimatbücherei Hechingen.<br />
210 »Hohenz. Volkszeitung« Nr. 3 v. 5. 1. 1921<br />
211 »Der Zoller« Nr. 13 v. 18. 1. 1921<br />
212 »Der Zoller Nr. 73 v. 31. 3. 1921<br />
213 »Hohenz. Volkszeitung« Nr. 81 v. 9. 4. 1921<br />
214 »Der Zoller« Nr. 88 v. 17./18. 4. 1921<br />
215 Staatsarchiv Sigmaringen Ho 235 P, VIII, D, Nr. 59<br />
216 »Hohenz. Landeszeitung« Nr. 96 v. 27. 4. 1925<br />
217 »Der Zoller« Nr. 235 v. 11. 10. 1926<br />
218 »Hohenz. Volkszeitung« Nr. 8 v. 12. 1. 1927; Staatsarchiv<br />
Sigmaringen Ho 235 P, VIII, D, Nr. 60<br />
219 »Hohenz. Volkszeitung« Nr. 8 v. 12. 1. 1927<br />
220 »Hohenz. Volkszeitung« Nr. 48 v. 28. 2. 1927
221 »Der Zoller« Nr. 229 v. 6. 10. 1927<br />
222 »Der Zoller« Nr. 49 v. 28. 2. 1928<br />
223 »Hohenz. Landeszeitung« Nr. 26 v. 2. 2. 1931<br />
224 »Der Zoller« Nr. 24 v. 30. 1. 1931<br />
225 Siehe Anmerkung 224<br />
226 »Hohenz. Landeszeitung« Nr. 140 v. 22. 6. 1931<br />
227 »Der Zoller« Nr. 82 v. 10. 4. 1931<br />
228 »Hohenz. Blätter« Nr. 101 v. 2. 5. 1932<br />
229 »Hohenz. Landeszeitung« Nr. 173 V. 31. 7. 1931<br />
230 »Hohenz. Landeszeitung« Nr. 15 v. 20. 1. 1932<br />
231 »Hohenz. Landeszeitung« Nr. 137 v. 18. 6. 1933<br />
Buchbesprechungen<br />
»Die Kelten in Baden-Württemberg«<br />
Herausgegeben von Kurt Bittel, Wolfgang Kimmig und<br />
Siegwalt Schiek.<br />
Als drittes landeskundliches Standardwerk nach »Die Römer<br />
in Baden-Württemberg« und »Die Alemannen« ist jetzt »Die<br />
Kelten in Baden-Württemberg« erschienen.<br />
Auf der Grundlage des neuesten Forschungsstandes soll dem<br />
interessierten Laien im allgemeinen Teil eine fundierte Übersicht<br />
vermittelt werden. Das Kapitel, Die Kelten und wir,<br />
bringt u. a. eine interessante Forschungsgeschichte, welche es<br />
in dieser Form noch nie gegeben hat. Weiter wird berichtet<br />
über Geschichte, Staat, Siedlung, Religion, Kulte, Bestattungsbräuche,<br />
Tracht, Bewaffnung, Kunst, Handwerk,<br />
Münzen und schließlich über die Beziehungen der Kelten<br />
zum Mittelmeer, dessen Kulturen uns viel vertrauter sind, als<br />
das, was um die gleiche Zeit bei uns vorhanden war. Dankbar<br />
ist man für die vielen Abbildungen und Rekonstruktionszeichnungen.<br />
Im topographischen Teil des Buches werden von Aalen bis<br />
Zwiefalten alle keltischen Bodendenkmäler, Grabungen und<br />
Funde behandelt. Ausschnitte aus den topographischen Karten<br />
1 :25 000 erleichtern das Auffinden von Bodendenkmälern<br />
im Gelände. 536 Seiten mit 438 Abbildungen, davon 30<br />
in Farbe, Zeittafel, Literaturverzeichnis, ausführliche Orts-,<br />
Namen- und Sachregister. Preis DM 68.- Konrad Theiss<br />
Verlag, Stuttgart. B.<br />
»Barock in Baden-Württemberg« von Volker Himmelein,<br />
Klaus Merten, Wilfried Setzier, Peter Anstett.<br />
Die Barockkunst in einem historisch so heterogenen Gebiet<br />
wie Baden-Württemberg unter einen Hut zu bringen, ist<br />
sicher nicht einfach. Vor allem in Oberschwaben, wo die<br />
Barockzeit mancherorts bis heute andauert, ist man gegenüber<br />
dem »Barockjahr« eher skeptisch. Daß die Gesamtschau<br />
in diesem Buch gelang, ist der Sachkenntnis der Verfasser zu<br />
danken.<br />
Die Einleitung über das Zeitalter des Barock in Baden-<br />
Württemberg zeigt, unter welchen Einflüssen die<br />
Barockkunst in Südwestdeutschland entstand und gibt einen<br />
Überblick über Baumeister und Künstler, welche hier tätig<br />
waren.<br />
Der beschreibende Teil ist gegliedert in »Die Residenzen«,<br />
»Die Klöster« und »Barock in Stadt und Land«. Dieser<br />
Hauptteil des Buches besteht aus Bildern und zugehörigen<br />
Beschreibungen. Dabei ist zu vermerken, daß sowohl Bilder,<br />
wie Text von bester Qualität sind. Ein Lob dem Hubschrauber,<br />
der Fotos ermöglicht, welche auch die Barockbaumeister<br />
entzücken würden. Bilder von Kirchen und Prunkräumen, in<br />
die man glaubt hineingehen zu können, wechseln ab mit<br />
köstlichen Einzelheiten. Bei aller Barockbegeisterung sollte<br />
man die Restauratoren nicht vergessen, denn ohne sie könnte<br />
man vieles überhaupt nicht und anderes nur mit wesentlich<br />
weniger Glanz bewundern.<br />
232 »Hohenz. Landeszeitung« Nr. 2 v. 3. 7. 1933 (Nr. 1 nicht<br />
vorhanden)<br />
233 »Der Zoller« Nr. 149 v. 3. 7. 1973<br />
234 Siehe Anmerkung 232<br />
235 »Hohenz. Landeszeitung« Nr. 5 v. 6. 7. 1933<br />
236 »Hohenz. Landeszeitung« Nr. 9 v. 11. 7. 1933<br />
237 »Hohenz. Landeszeitung« Nr. 10 v. 12. 7. 1933<br />
238 »Hohenz. Landeszeitung« Nr. 13 v. 15. 7. 1933<br />
239 »Hohenz. Landeszeitung« Nr. 14 v. 17. 7. 1933<br />
2,0 »Hohenz. Landeszeitung« Nr. 19 v. 22. 7. 1933<br />
241 »Der Zoller« Nr. 22 v. 27. 1. 1934<br />
Barock in Baden-Württemberg, Konrad Theiss Verlag, Stuttgart.<br />
256 Seiten mit 168 Tafeln, davon 78 in Farbe. Großbildband<br />
im Schuber DM 89.-. B.<br />
Chronik des Truppenübungsplatzes u. der Garnison Heuberg<br />
bei Stetten akM. Hrsg. v. Alfred Wolf, Eigenverlag; Inzigkofen<br />
1980. Klaus Hörter/Manfred Hensel<br />
Mit diesem Buch möchten die Verfasser anläßlich des 70jährigen<br />
Bestehens des Truppenübungsplatzes Heuberg »einen<br />
Beitrag zur örtlichen Geschichte in ihrer Beziehung zur<br />
deutschen Geschichte leisten« (Vorwort, S. 8). Ein<br />
anspruchsvolles Unterfangen, nicht ein »Heimatbuch im<br />
klassischen Sinn« sollte entstehen, denn »mit der Existenz des<br />
Truppenübungsplatzes Heuberg tritt die örtliche Geschichte<br />
in deutsche, selbst europäische Zusammenhänge ein und<br />
spiegelt in lokaler und sehr verdichteter Ausprägung die<br />
tragische Entwicklung der deutschen Geschichte dieses Jahrhunderts«<br />
(Vorwort, S. 7).<br />
Man hätte dem Buch mit Verlaub eine bessere Gliederung<br />
gewünscht, um dieses anspruchsvolle Unterfangen der Autoren<br />
besser zu verdeutlichen. Dennoch läßt sich die Abhandlung<br />
in 2 Hauptteile gliedern; so finden wir in einem 1. Teil<br />
Beiträge zur Ortsgeschichte und Landeskunde rund um den<br />
Heuberg, in einem 2. Teil die eigentliche Chronik entsprechend<br />
dem gewählten Buchtitel.<br />
Volksglaube, Legende, Sage, Mythos werden untersucht in<br />
den Beiträgen zur Dreitrittenkapelle und zur eh. Sebastianskapelle.<br />
Versorgungswirtschaftliche Probleme werden angesprochen<br />
in dem Artikel über die Wasserversorgung auf dem<br />
Heuberg, einem typischen Mangelgebiet im schwäb. Karst.<br />
Volkskunde, Sitte und Brauchtum, besonders die Stettener<br />
Fastnacht in ihrer alemannischen Verwurzelung, werden als<br />
typisch bodenständig herausgearbeitet und dargestellt.<br />
In einem weiteren Exkurs werden die Gemeinden und<br />
Gemeindeteile rund um den Truppenübungsplatz in ihrer<br />
Geschichte und ihrer Beziehung zu diesem Gelände vorgestellt.<br />
Diese Beiträge, die von Mitarbeitern zugeliefert wurden,<br />
sind in ihrer Intention jeweils unterschiedlich angelegt;<br />
die jeweilige Ortsgeschichte muß fragmentarisch bleiben.<br />
Dennoch wird so etwas wie »Schicksalsgemeinschaft um den<br />
großen Heuberg« lebendig.<br />
In einem weiteren Kapitel dieses Teils folgen »Skizzen zur<br />
Geschichte der Heuberglandschaft und des Marktortes Stetten<br />
akM.« und schließlich eine »Kurzchronik« des Marktortes<br />
Stetten akM. mit historischen, kommunalpolitischen und<br />
kirchengeschichtlichen Entwicklungslinien, die doch etwas<br />
mehr als nur eine Kurzchronik abgeben.<br />
Diese <strong>heimat</strong>geschichtliche Abhandlung im 1. Teil macht das<br />
Buch dennoch zu einem »Heimatbuch im klassischen Stil«, in<br />
dem im populärwissenschaftlichen Stil Landeskunde im<br />
31
Verlag: <strong>Hohenzollerischer</strong> Geschichtsverein<br />
Karlstraße 3, 7480 Sigmaringen<br />
W <strong>3828</strong> FX<br />
Postvertriebsstück. Gebühr bezahlt.<br />
Lokalcolorit vermittelt wird. Auf einige Unkorrektheiten<br />
muß allerdings noch hingewiesen werden:<br />
a) S. 19/20 Die Dreibannmarken bildeten die sog. Dreiländergrenze<br />
zwischen Baden, Württ. u. Hohenzollern erst<br />
seit 1810, bzw. richtiger noch seit 1836, als Stetten akM.<br />
unter badische und Frohnstetten unter hohenz. Landeshoheit<br />
kamen.<br />
In der Tat handelt es sich um einen markanten und sehr<br />
alten Grenzpunkt, der 3 Herrschaftsgebiete geschieden<br />
hat, nämlich Württemberg, deshalb die Hirschstangen,<br />
die Herrschaft Straßberg unter Eitelfriedrich von Westerstetten,<br />
deshalb das westerstettische, nicht hohenz. Wappen,<br />
und die Herrschaft Stetten-Hausen, deshalb das H.<br />
Die Buchstaben AP wurden von den Militärs erst später<br />
hinzugefügt. Damit erweist sich die Buchstabenkombination<br />
HAP als Irrläufer. Im übrigen dürfte der Siedlungsname<br />
von Stetten akM. auf diese Bannmarke zurückgehen:<br />
Stetten »an/auf der kahlen/kalten Mark«, woraus<br />
dann später die Geschichte von der erfrorenen Ziege auf<br />
dem kalten Markt wurde.<br />
b) S. 14 Der Bildhauer Schilling aus Straßberg, nicht Straßburg,<br />
schuf die Skulptur des Hl. Sebastian. Die eh.<br />
Sebastianskapelle ist laut Eisele, Patrozinien in Hohenz.,<br />
schon 1619 genannt.<br />
c) S. 61 Um Mißverständissen vorzubeugen muß bei Glashütte<br />
das eh. herrschaftliche Glashütterhofgut gemeint<br />
sein und nicht die Orte Ober- u. Unterglashütte.<br />
d) S. 200 Das alte Kriegerdenkmal wurde abgerissen, die hier<br />
falsche Bildunterschrift gehört zum Bild S. 203.<br />
Ab der Seite 83 wird der eigentliche Hauptteil des Buches<br />
abgehandelt. Die Chronik des Übungsplatzes und der Garnison<br />
wird sehr ausführlich, mit großer Liebe zum Detail und<br />
mit vielen wertvollen, weil dokumentarischen Illustrationen<br />
entfaltet und in den Kontext zur dt. Geschichte des 20.<br />
Jahrhunderts gestellt. Hier wird in der Tat die Lokalgeschichte<br />
zur leidvoll erfahrenen Geschichte der Deutschen,<br />
das Einzelschicksal Symbol für das Gesamtschicksal des<br />
deutschen u. anderer europäischer Völker durch zwei Weltkriege<br />
mit all ihren Begleitumständen u. bitteren Folgen. Der<br />
friedenssichernde Auftrag der Bundeswehr als Rechtsnachfolger<br />
auf dem Heuberg bekommt hier seinen historischen<br />
Auftrag, seine verteidigungspolitische Begründung.<br />
Im einzelnen gliedert sich dieser Teil in folgende Unterthemen:<br />
- Vorgeschichte u. Entstehung eines Übungsplatzes auf dem<br />
Heuberg<br />
HOHENZOLLERISCHE HEIMAT<br />
hrsggbn. vom Hohenz. Geschichtsverein.<br />
Die Zeitschrift »Hohenzollerische Heimat«<br />
ist eine <strong>heimat</strong>kundliche Zeitschrift. Sie will<br />
besonders die Bevölkerung in Hohenzollern<br />
und der angrenzenden Landesteile mit der<br />
Geschichte ihrer Heimat vertraut machen. Sie<br />
bringt neben fachhistorischen auch populär<br />
gehaltene Beiträge.<br />
Bezugspreis: 6,00 DM jährlich.<br />
Konten der »Hohenzollerischen Heimat«:<br />
802507 Hohenz. Landesbank Sigmaringen<br />
12363-707 Postscheckamt Stuttgart<br />
Druck: M. Liehners Hofbuchdruckerei KG,<br />
7480 Sigmaringen, Karlstraße 10.<br />
32<br />
Die Autoren dieser Nummer:<br />
Geistl. Rat Wilhelm Burth<br />
Herrenstraße, 7800 Freiburg<br />
Gerhard Deutschmann<br />
Jägerweg 5, 7471 Straßberg<br />
]oh. Adam Kraus<br />
Erzb. Archivar i. R.<br />
Badstraße 8, 7800 Freiburg<br />
Diego Häußel<br />
Rektor<br />
7487 Gammertingen<br />
Johann Wannenmacher<br />
Schulrat i. R.<br />
7487 Gammertingen<br />
Karl Werner Steim<br />
Tiefental 17, 7453 Burladingen<br />
- Interessenkonflikt um den Lagerstandort<br />
- Errichtung u. Ausbau des Platzes u. des Lagers<br />
- Verhältnis von Gemeinde Stetten u. Lager während des 1.<br />
Weltkrieges<br />
- Ersatzverwendung in der Zeit der Weimarer Republik:<br />
Kindererholungsheim auf dem Heuberg<br />
Mit Beginn des Dritten Reiches folgen dunkle Kapitel:<br />
- Der Heuberg wird Schutzhaftlager<br />
- Die dt. Wehrmacht auf dem Heuberg<br />
- Bewährungseinheit 999<br />
- Die Wlassow-Armee auf dem Heuberg<br />
- Das Rakatenprojekt Natter, der 1. bemannte Rakatenversuch<br />
der Geschichte<br />
- Kriegsende und Nachkriegszeit<br />
Es ist gut so, daß hier der unbeschönigte Versuch gemacht<br />
wurde, ein Stück deutscher Vergangenheit aufzuarbeiten und<br />
zu bewältigen. Hier ist jeder Leser angesprochen, in seiner<br />
Humanität gefordert. Diese Kapitel möchte man jedem Bundeswehrsoldaten,<br />
jedem jungen Menschen zum Lesen empfehlen.<br />
Aus der Nachkriegsgeschichte arbeiten die Autoren 2<br />
Schwerpunkte heraus:<br />
- Die franz. Einheiten auf dem Heuberg<br />
- Die Bundeswehr auf dem Heuberg, 20 Jahre Truppenübungsplatzkommandantur.<br />
Das partnerschaftliche Verhältnis zwischen den verschiedenen<br />
übenden Truppen einerseits u. den Bürgern in Uniform<br />
u. der Garnisonsgemeinde Stetten akM. andererseits wird<br />
heute gepflegt in nationalen und internationalen Veranstaltungen<br />
u. schließlich in der Jumelage zwischen Stetten akM.<br />
und der franz. Gemeinde Montlhery; damit schließt die<br />
Chronik.<br />
Hier wurde der nicht leichte Versuch gemacht, Heimatgeschichte,<br />
Militärgeschichte und deutsche Geschichte in der<br />
Chronik eines Übungsplatzes zu verdichten. Dieses Unterfangen<br />
erscheint trotz der vorgegebenen Schwierigkeiten<br />
gelungen. Daß manche Passagen gedoppelt sind, liegt vermutlich<br />
in der größeren Zahl der Mitarbeiter und der vermutlich<br />
etwas übereilten Schlußredaktion.<br />
Man möchte diesem Buch, zumal es im Eigenverlag eines<br />
Einzelherausgebers erscheint, nicht nur einen großen Leserkreis<br />
unter den <strong>heimat</strong>geschichtlich Interessierten, sondern<br />
vornehmlich in der heranwachsenden Generation wünschen.<br />
Straßberg Gerhard Deutschmann<br />
Schriftleitung:<br />
Dr. med. Herbert Burkarth,<br />
7487 Gammertingen (Telefon 07574/2329)<br />
Die mit Namen versehenen Artikel geben die<br />
persönliche Meinung der Verfasser wieder;<br />
diese zeichnen für den Inhalt der Beiträge<br />
verantwortlich. Mitteilungen der Schriftleitung<br />
sind als solche gekennzeichnet.<br />
Manuskripte und Besprechungsexemplare<br />
werden an die Adresse des Schriftleiters erbeten.<br />
Wir bitten unsere Leser, die »Hohenzollerische<br />
Heimat« weiter zu empfehlen.
HOHENZOLLERISCHE<br />
HEIMAT<br />
Herausgegeben vom<br />
W <strong>3828</strong> FX<br />
Hohenzollerischen Geschichtsverein<br />
31.Jahrgang Nr. 3 / September 1981<br />
Der 1868 erbaute Kursaal in Bad Imnau. Rechts der Fürstenbau, welcher 1872 um zwei Geschosse aufgestockt wurde. Holzstich um 1870,<br />
Druck von Emil Ebner.<br />
ECKART HANNMANN<br />
Der Kursaal von Bad Imnau Ein Werk des Architekten Wilhelm Baeumer<br />
Während gegenwärtig in Deutschland die Kurbäder des 19.<br />
Jahrhunderts, z.T. unterstützt von der Fritz-Thyssen-Stiftung,<br />
mit großem Aufwand wissenschaftlich aufgearbeitet<br />
werden, diskutiert man in Bad Imnau den Abbruch des<br />
einzigen Kursaalgebäudes dieser Zeit im Regierungsbezirk<br />
Tübingen. Ein Abbruchantrag ist gestellt. Wie die Entscheidung<br />
ausgeht, ist gegenwärtig noch nicht zu beurteilen. Das<br />
Landesdenkmalamt versucht mit allen ihm zur Verfügung<br />
stehenden Mitteln, den drohenden Abbruch des als »Kulturdenkmal<br />
von besonderer Bedeutung« eingestuften Gebäudes<br />
abzuwehren. Die Chancen für eine Erhaltung sind ungewiß.<br />
Der Kursaal steht seit Jahren leer, wird hin und wieder als<br />
Lagerraum genutzt und befindet sich, da er überwiegend aus<br />
Holz in Leichtbauweise konstruiert wurde, in einem relativ<br />
schlechten baulichen Zustand, nicht zuletzt auch deshalb,<br />
weil seit Jahren keine normale Bauunterhaltung mehr stattgefunden<br />
hat.<br />
Geschichte des Kurbades<br />
Bad Imnau, heute zur Stadt Haigerloch im Zollernalbkreis<br />
gehörend, liegt malerisch im unteren Teil des Eyachtales.<br />
Schon seit dem 16. Jahrhundert sind die Imnauer Heilquellen<br />
bekannt. Einer der ersten bedeutenden »Kurgäste« soll der<br />
1590 gestorbene Markgraf Jakob III. von Baden-Hochberg<br />
gewesen sein. Anfang des 18. Jahrhunderts erfahren wir<br />
genaueres über den Kurort. Der in Sulz lebende Arzt Dr.<br />
Samuel Caspar, der 1733 auch eine Schrift über den Imnauer<br />
Sauerbrunnen verfaßte, hatte von Fürst Joseph Friedrich von<br />
Hohenzollern-Sigmaringen den Auftrag erhalten, zusammen<br />
mit dem Tübinger Apotheker Gmelin das Heilwasser zu<br />
untersuchen. Diese Untersuchung fiel positiv aus; das Wasser<br />
sei »von angenehmen Geschmacke und recht geistreich«.<br />
Daraufhin ließ der Fürst 1733 den heute noch stehenden, in<br />
späteren Zeiten mehrfach veränderten Fürstenbau errichten.<br />
Das Gebäude war ursprünglich ein langgestreckter zweigeschossiger<br />
Putzbau mit Sandsteingliederungen und Mansarddach.<br />
1872 wurde dieser Bau um zwei zurückgesetzte<br />
Geschosse aufgestockt, so daß über dem ehemaligen Hauptgesims<br />
ein umlaufender Balkon mit einem schmiedeeisernen<br />
Geländer entstand. Die Mitte des elfachsigen, von gequaderten<br />
Lisenen rhythmisierten Baues akzentuiert das reich ausgebildete<br />
Sandsteinportal mit seinem gesprengten Giebel und<br />
dem fürstlichen Alliancewappen. Darunter steht die Inschrift<br />
BENEDICTE FONTES ET OMNIA, QUAE MOV-<br />
ENTUR IN AQUIS DOMINO (Preist den Herrn, ihr<br />
Quellen und alles, was sich im Wasser bewegt). Im Erdgeschoß<br />
weisen die Räume meist Tonnen- oder Kreuzgewölbe<br />
auf. Im Obergeschoß befanden sich neun Zimmer, die dem<br />
Fürsten und seiner Familie vorbehalten waren.<br />
Unter dem Nachfolger des Fürsten Joseph nahmen »Schwelgerei<br />
und Hasardspiel« zu; der Kurbetrieb ging zurück. Erst<br />
Fürst Anton Alois von Hohenzollern kurbelte das Badeleben<br />
Ende des 18. Jahrhunderts wieder an. Er ließ die Quelle<br />
fassen, neue Gebäude, vor allem ein Badehaus, errichten und
Terrassen, Gärten, Wege, Alleen und einen Kurpark anlegen.<br />
Außerdem wurde eine fürstliche Badeverwaltung geschaffen.<br />
Ein 1795 datierter Kupferstich gibt einen relativ genauen<br />
Uberblick. In der Mitte steht beherrschend der Fürstenbau,<br />
seitlich gerahmt von terrassierten Gärten und zu den Bergen<br />
hin abgeschlossen durch eine turmbesetzte Mauer. Davor<br />
entfaltet sich der im Stile eines englischen Landschaftsgartens<br />
angelegte Kurpark, den im Vordergrund zwei Pavillons<br />
flankieren. Ein Ende des 18. Jahrhunderts entstandener<br />
Alternativentwurf, signiert von W. Strack, mit einer auf den<br />
Fürstenbau zuführenden Mittelallee, die zu einem Landschaftspark<br />
führt, wurde wohl wegen seiner heterogenen<br />
Gestaltungsweise nicht realisiert.<br />
1826 ging das Kurbad in Privatbesitz über. Der neue Besitzer,<br />
Franz Hillenbrand aus Augsburg, erweiterte die bauliche<br />
Anlage und erschloß neue Quellen. Trotz Modernisierungen<br />
sank die Zahl der Kurgäste aber von 230 im Jahre 1844 auf 49<br />
im Jahre 1861. Mit Max Frey, der 1862 das Bad für 42650<br />
Gulden kaufte, begann ein neuer Aufschwung. Schon 1862<br />
kamen wieder 107 Gäste, 1872 waren es bereits 1100, darunter<br />
zahlreiche Schweizer, Österreicher, Engländer, Amerikaner<br />
und Russen. In dieser Blütezeit des Bades wurde neben<br />
anderen Gebäuden, etwa einer Kegelbahn, einem Vergnügungshaus<br />
(Tivoli) etc., 1868 auch der Kursaal errichtet. 1888<br />
mußte Frey das Bad wieder verkaufen. Uber eine Reihe von<br />
Zwischenstationen ging das Bad 1917 in den Besitz der<br />
Barmherzigen Schwestern vom Heiligen Kreuz in Hegne<br />
über, die auch heute noch Eigentümer des Stahlbades Imnau<br />
sind.<br />
Der Kursaal<br />
In einer zeitgenössischen Beschreibung zum Kursaal heißt es:<br />
»Im Jahre 1868 wurde der Bau des Kursaales erstellt. Dieses<br />
monumentale Gebäude, eine Hauptzierde von Imnau, welches<br />
den verbindenden Mittelpunkt zwischen Fürstenbau<br />
und Badehaus bildet, erhebt sein beflaggtes Haupt stolz in die<br />
luftige Höhe und bietet schon von ferne den ankommenden<br />
Gästen seinen freundlichen Willkommgruss entgegen. Dieser<br />
Bau wurde nach einem von Prof. Bäumer in Stuttgart, im<br />
italienischen Renaissancestil entworfenen Plane, aufgeführt,<br />
geziert mit passenden allegorischen Ornamenten, und ruht<br />
im Hintergrunde einer Estrade, deren Zutritt durch aufsteigende<br />
Staffeln vermittelt wird, während die Rückfront an die<br />
südlich-westliche Abdachung des Berges sich anlehnt. Im<br />
allgemeinen Ganzen macht der Bau den Eindruck eines<br />
architektonisch abgerundeten in sich harmonisch geflossenen<br />
Werkes, welches in seinem Innern einen Saal von 180'<br />
(Fuß, Anm. d. Red.) Länge, 40' Breite und 28' Höhe birgt,<br />
bestimmt für die gemeinschaftliche Tafel der Kurgäste und<br />
für Tanz. An der Vorderfront des Kursaales befindet sich ein<br />
freier Vorplatz (Vestibulum), von dem gleichen Rauminhalt,<br />
der den Kurgästen theils zum Ergehen im Freien, theils zum<br />
Zechen unter schützendem Gitterdach dient. Am 15. Juni<br />
1868 wurde dieser Kursaal mit einer besonderen Feierlichkeit<br />
eröffnet.« Bis auf die fehlende Ausstattung und die nicht<br />
mehr ursprüngliche Ausmalung ist der Kursaal fast unverändert<br />
erhalten. Den 52 m langen und lim tiefen eingeschossigen<br />
Baukörper deckt ein flachgeneigtes Satteldach. Die<br />
gesamte Konstruktion besteht weitgehend aus Holz und<br />
ausgeriegeltem Fachwerk. Auch das Dach weist eine einfache<br />
Bretterschalung auf, abgedichtet mit Bitumenbahnen. Zum<br />
Kurpark hin öffnet sich der Bau in großen aneinandergereihten<br />
und leicht gestelzten Rundbogenfenstern mit reicher<br />
Sprossengliederung. Lediglich die Kopfenden mit Eingängen<br />
in die Nebenräume sind geschlossen. Die ursprünglich vorgesehenen<br />
hier anstoßenden niedrigeren Flügelbauten wurden<br />
offenbar niemals ausgeführt.<br />
Besonders aufwendig ist der triumphbogenartig konzipierte<br />
34<br />
Haupteingang in der Mitte gestaltet. Er tritt leicht aus der<br />
Gebäudeflucht vor. Hermen flankieren die von einem Akroteriengiebel<br />
überdachte relativ kleine Tür. Die beiden Bogenzwickel<br />
schmücken Rosetten und Stabwerk, Motive, die sich<br />
in ähnlicher, nur vereinfachter Form in den Zwickeln der<br />
Rundbogenfenster wiederholen.<br />
Die Rundbogenfenster korrespondieren im Innern mit entsprechend<br />
gestalteten, allerdings geschlossenen Rundbogenarkaden<br />
an der Rückwand, deren Pfeiler auf einer<br />
kassettierten Täfelung aufsitzen und korinthische Kapitelle<br />
aufweisen. Den großen Saal unterteilt in Höhe des Mitteleinganges<br />
quer eine doppelte Bogenstellung. Die Nebenräume<br />
an den Kopfenden sind eingeschossig. Darüber befinden sich<br />
Emporen. Der Dachstuhl ist offen. Eisenbänder, die aus<br />
laubsägeartig durchbrochenen, reichverzierten Konsolen<br />
heraustreten und an einer aus dem First kommenden Stange<br />
mittig aufgehängt sind, unterstützen die Queraussteifung.<br />
Den First selber akzentuieren ähnlich wie die Konsolen<br />
gestaltete durchbrochen gearbeitete hölzerne Zierformen.<br />
Der Kursaal von Bad Imnau orientiert sich hinsichtlich seiner<br />
stilistischen Haltung, wie schon der zitierte Zeitgenosse<br />
feststellte, am »italienischen Renaissancestil«. Er ist eines der<br />
wenigen und für unser Gebiet frühesten Zeugnisse der Neurenaissance,<br />
die sich im Tübinger Bereich erst kurz vor der<br />
Jahrhundertwende durchsetzte (vgl. z. B. die 1891 errichtete<br />
Unversitätsnervenklinik in Tübingen; Denkmalpflege in<br />
Baden-Württemberg, 8. Jahrgang 1979, Heft 1, S. 1-7), den<br />
sich hier hartnäckig haltenden Nachklassizismus also erst<br />
verhältnismäßig spät überwand. Darüber hinaus ist der<br />
Imnauer Bau eines der wenigen Kurgebäude des 19. Jahrhunderts,<br />
die diese Neurenaissancerichtung der Architektur verkörpern.<br />
Die meisten vergleichbaren Gebäude, etwa Weinbrenners<br />
1821/22 gebautes Kurhaus in Baden-Baden, Thourets<br />
Kursaal in Bad Cannstatt von 1825 bis 1827 oder der nach<br />
einem Entwurf Schinkels 1822 bis 1827 von Cremer gebaute<br />
Elisenbrunnen in Aachen zeigen dagegen rein klassizistische<br />
Formen. Andere später errichtete Bauwerke, die mit dem<br />
Kurbetrieb zusammenhängen, wie die Neue Trinkhalle von<br />
Heinrich Hübsch in Baden-Baden, 1839 bis 1842 errichtet,<br />
Thourets 1836 bis 1847 in Wildbad gebautes Graf-Eberhards-<br />
Bad oder das dortige König-Karls-Bad von 1895 sind mit dem<br />
Imnauer Kursaal nicht ganz vergleichbar, weil Bauaufgabe<br />
und Zweckbestimmung unterschiedlich sind.<br />
Aber noch in weiteren Punkten unterscheidet sich der<br />
Imnauer Kursaal von anderen. Einmal erinnert er aufgrund<br />
der Reihung großer Rundbogenfenster - die meisten anderen<br />
Kursäle weisen als Front offene Säulenstellungen auf- eher an<br />
ein Orangeriegebäude. Der in Form eines Triumphbogens<br />
gestaltete Mittelrisalit läßt zum andern Anklänge an die<br />
Bahnhofsarchitektur des 19. Jahrhunderts, bei der der<br />
Triumphbogen als Eingangszone ein beliebtes Motiv darstellt,<br />
erkennen. Dieser Eindruck verstärkt sich noch im<br />
Innern, insbesondere was die Konstruktion des offenen<br />
Dachstuhles betrifft, die beinahe wörtlich von gleichzeitigen<br />
Bahnsteigüberdachungen übernommen zu sein scheint. Es<br />
wäre zweifellos vermessen, das kleine und bescheidene Dorf<br />
Bad Imnau mit den großen und weithin berühmten Bäderstädten<br />
zu vergleichen. Hinsichtlich der künstlerischen Qualität<br />
der Architektur braucht der Imnauer Kursaal jedoch<br />
kaum Vergleiche zu scheuen. Die Unterschiede liegen nicht<br />
so sehr im qualitativen Maßstab, sondern mehr in der Art und<br />
Weise der Bauausführung, d. h. der Materialwahl begründet.<br />
Während die Kurgebäude der großen Bäder massiv gebaut<br />
wurden, mußte man in Bad Imnau auf die billigere Ausführung<br />
in Holz zurückgreifen. Und dieser billigeren Bauweise<br />
ist es jetzt vor allem zuzuschreiben, daß große Erhaltungsprobleme<br />
bestehen.<br />
Eine weitere Gefahr droht dem Kursaal durch geplante
Erweiterungsbauten. Versuche, den Kursaal in diese Bauten<br />
zu integrieren, sind bislang fehlgeschlagen. Auch eine Versetzung<br />
in den Kurpark wurde bereits erwogen, aus finanziellen<br />
Gründen jedoch wieder verworfen. Angesichts des baulichen<br />
Zustandes würde eine eventuelle Versetzung wohl einem<br />
Neubau gleichkommen. Außerdem bereitet die heute geforderte<br />
ganzjährige Nutzung dieses ursprünglich nur für den<br />
Sommerbetrieb konzipierten Gebäudes fast unlösbare Probleme<br />
was Heizung, Wärmedämmung etc. betrifft.<br />
Der Architekt<br />
Abschließend noch ein Wort über den Architekten des<br />
Kursaales, Wilhelm Baeumer, der, wie viele andere Architekten<br />
des 19. Jahrhunderts, heute zu Unrecht in Vergessenheit<br />
geraten ist. Baeumer wurde 1829 in Ravensburg geboren und<br />
starb in Straßburg 1895. Ausgebildet wurde er am Polytechnikum<br />
in Stuttgart und an der Ecole des Beaux-Arts in Paris,<br />
»wo er mehrere Medaillen und Preise erhielt«. Als knapp<br />
Dreißigjähriger folgte er einem Ruf an das Stuttgarter Polytechnikum.<br />
Besonders verdient machte er sich hier um die<br />
Förderung des Kunstgewerbes und die 1869 unter seiner<br />
Leitung entstandene Kunstgewerbeschule. Bei einem Architekturwettbewerb<br />
für den Nordwestbahnhof in Wien wurde<br />
ihm der erste Preis zuerkannt. Daraufhin siedelte er 1870<br />
nach Wien über, stellte 1873 den Bahnhof fertig und kam im<br />
darauffolgenden Jahr wieder nach Stuttgart zurück. Die<br />
Anklänge an Motive der Bahnhofsarchitektur, die beim<br />
Kursaal zu beobachten sind, rühren zweifellos aus Baeumers<br />
gleichzeitiger Beschäftigung mit dem Wiener Bahnhofsbau<br />
her.<br />
Später ging Baeumer als Vorstand an die Baugewerbeschule<br />
nach Karlsruhe. Aus gesundheitlichen Gründen mußte er<br />
diese Tätigkeit nach fünf Jahren wieder aufgeben. Er gründete<br />
dann eine Kunstgewerbeschule in Bad Freiersbach. 1884<br />
siedelte er nach Straßburg über, wo er als Architekt und<br />
Privatdozent an der dortigen Universität bis zu seinem Tode<br />
wirkte. Baeumer fand neben seiner Lehrtätigkeit und praktischen<br />
Arbeit als Architekt auch immer wieder Zeit zu<br />
Veröffentlichungen. Außerdem war er Mitherausgeber der<br />
international verbreiteten kunstgewerblichen Zeitschrift<br />
»Gewerbehalle«. Leider gibt es bislang über diesen sicherlich<br />
nicht unbedeutenden Architekten des späten 19. Jahrhunderts<br />
keine zusammenfassende Darstellung seiner offenbar<br />
sehr vielseitigen Tätigkeit. In einer allgemeinen Charakteristik<br />
heißt es lediglich: »In der Mehrzahl der ersten Stuttgarter<br />
Bauten zeigte sich Baeumer sehr entschieden von den Eindrücken<br />
seines Pariser Aufenthaltes bestimmt; seine spätere<br />
Richtung geht mehr auf italienische Renaissance mit gräzisierenden<br />
Details, übrigens immer noch hier und da mit Anklängen<br />
an die alt- und neufranzösische Schule.« Baeumers<br />
besondere Vorliebe für die Renaissance zeigt auch seine 1869<br />
erschienene Veröffentlichung über »Das ehemalige Lusthaus<br />
in Stuttgart als Monument des früheren Renaissancestils« und<br />
natürlich nicht zuletzt der Kursaal von Bad Imnau.<br />
Aus »Denkmalpflege in Baden-Württemberg«, Nachrichtenblatt des Landesdenkmalamtes, Nr. 3, 1981. Die Schriftleitung bedankt sich bei<br />
Herrn Dr. Hannmann für die Genehmigung zum Nachdruck.<br />
WOLFGANG IRTENKAUF<br />
Meinrad von Au und der »Meister von Meßkirch«<br />
Zur Geschichte des Umbaus der Martinskirche Meßkirch um 1770<br />
Die umfangreichen Fakten bezüglich des Umbaus der St.<br />
Martinskirche zu Meßkirch in den 70er Jahren des 18.<br />
Jahrhunderts sind klar. Bauherr war der seit 1762 regierende<br />
Fürst Joseph Wenzel zu Fürstenberg (f 1783), dem eine<br />
besondere Vorliebe für die Künste, vor allem die Musik - er<br />
selbst war ein vortrefflicher Klavier- und Cellospieler -<br />
nachgerühmt wird. Auch seine Gemahlin stammte aus einem<br />
damals künstlerisch äußerst aktiven Geschlecht, den Grafen<br />
von Waldburg (es war Josepha Gräfin und Reichserbtruchsessin<br />
von Waldburg-Scheer-Trauchburg, t 1782).<br />
Wie bei allen Bauwerken ließ man sich auch hier von verschiedenen<br />
Seiten Kostenvoranschläge machen. Dabei zeigt es<br />
sich, daß sich die Berechnungen des Gesamtumbaus auf rund<br />
11000 Gulden einpendelten. Dies war der Stand im Frühjahr<br />
1771. Bis zum Frühjahr des kommenden Jahres sollten die<br />
Pläne so weit verfestigt sein, daß man mit den Umbauarbeiten<br />
beginnen konnte.<br />
Das Überraschende, wenn nicht sogar Verwunderliche, liegt<br />
in der Bestellung des Sigmaringer (Hof-)Malers Meinrad von<br />
Au (Aw, Ow) als »sachlicher« Leiter des Umbaus (der<br />
»geistliche« war der damalige Dekan und Stadtpfarrer Johann<br />
Georg Keller), denn mit von Au erkor man einen Maler und<br />
keinen Architekten (eine Parallele findet sich in der<br />
Barockisierung der Benediktinerabtei Wiblingen bei Ulm, die<br />
Januarius Zick anvertraut wurde). Als er mit diesem<br />
anspruchsvollen, seine Fähigkeiten (scheinbar) überschreitenden<br />
Auftrag bedacht wurde, war er genau 60 Jahre alt. Von<br />
Au hat in seinem ganzen Leben nie nach Aufträgen gieren<br />
müssen, sie fielen ihm als einem der vielbeschäftigsten Maler<br />
Süddeutschlands gleichsam in den Schoß. Da er zudem noch<br />
viele Jahre als Stadtschultheiß von Sigmaringen sich der<br />
Allgemeinheit und ihren Problemen widmete, mochte die<br />
Arbeitslast ihn oft gedrückt haben. Zwei Jahre nach seiner<br />
Meßkircher Bestallung sollte er darüber hinaus noch eine<br />
Gastwirtschaft (den »Ochsen« in Sigmaringen) übernehmen.<br />
Noch zwei Jahrzehnte waren ihm in seinem reichen Leben<br />
vergönnt (Meinrad von Au starb am 3. Januar 1792).<br />
Der Meßkircher Auftrag vom Frühjahr 1771 kam nicht von<br />
heute auf morgen. Schon 1769, also zwei Jahre zuvor, findet<br />
sich von Au zu einer Besichtigung der aus den Jahren nach<br />
1526 stammenden Martinskirche mit dem Fürstlich Fürstenbergischen<br />
Baudirektor Franz Josef Salzmann aus Donaueschingen<br />
ein. Keller hatte beim Fürsten einen Umbau angeregt;<br />
die Kirche entsprach schon lange nicht mehr dem Geist<br />
der Barock- oder gar Rokokozeit. Salzmann war selbst ein<br />
Kind der Stadt Meßkirch, denn hier war er am 3. März 1724<br />
als Sohn des 1756 verstorbenen Maurermeisters Jakob Salzmann<br />
und seiner Gemahlin Agnes Baurin im sogenannten<br />
Salzmannhaus hinter dem »Löwen« geboren worden. Im<br />
Gegensatz zum Vater, der als »guter, eherlicher Mann«<br />
eingestuft wird, allerdings mit der wesentlichen Einschränkung:<br />
»in seiner Arbeit sehr schlecht«, erklimmt der junge<br />
Salzmann nach drei Gesellenjahren beim Vater und vier<br />
Wanderjahren, die ihn in »Reißen und Zeichnen ... perfec-<br />
35
tioniert« machten, rasch die Stufen einer steilen Karriere, die<br />
ihn zum Baudirektor am Hofe in Donaueschingen führte.<br />
Man kann nun fragen, warum Salzmann als Kind dieser Stadt<br />
nicht selbst am Umbau der Martinskirche interessiert war.<br />
Ein Blick in Salzmanns berufliche Verpflichtungen macht<br />
jedoch deutlich, daß er wegen seiner ständigen Amtsüberlastung<br />
dies nicht zu leisten imstande war. Er beschäftigte stets<br />
»Hilfsarbeiter«, die er sich in der Fürstenbergischen Herrschaft<br />
zusammensuchte. Woher er Meinrad von Au (so gut)<br />
kannte, weiß man nicht. Auf alle Fälle war von Au weit über<br />
den engeren zollerischen Bereich, aus dem er stammt, hinaus<br />
bekannt.<br />
Von Au lieferte Salzmann einen Riß in der Hoffnung, die<br />
Pfarrkirche möchte man ihm zur Barockisierung überlassen.<br />
Die Kosten - und das war für Salzmanns Entschluß entscheidend-<br />
setzte er im Voranschlag auf 9000 Gulden an. Das war<br />
Salzmann zu viel (nicht gesagt ist dabei, ob er vielleicht von<br />
Au »drücken« wollte oder ob er tatsächlich an überhöhte<br />
Forderungen bzw. Voranschläge dachte). Doch von Au ließ<br />
nicht davon ab, sondern erklärte, er müsse auf seiner Forderung<br />
beharren, denn so viel und eben nicht weniger koste der<br />
geplante Umbau (das »Kirchgebäu, das geführt werden<br />
soll«).<br />
Der entscheidende Vertrag zwischen von Au und der Regierung<br />
in Donaueschingen kam am 26. Juli 1770 zustande. Die<br />
Fürstenbergische Regierung band sich an von Au, der »Mahlerey<br />
künstler« und des »Bauwesens wohl Verständiger« (?),<br />
der die Kirche »auf zierlichste Art und Stil«, also im Stile des<br />
Rokoko und seiner Verfeinerung, herrichten soll. Wichtig für<br />
unsere Fragestellung ist, daß von Au auch alle inwendige<br />
Arbeit aufgebürdet wird.<br />
Unter welch leichtsinnigen Voraussetzungen der Vertrag<br />
geschlossen worden war, beleuchtet die Tatsache, daß man<br />
bei der Schadensfeststellung, die eigentlich hätte vorausgehen<br />
müssen, feststellen mußte, die Kirche sei wegen ihrer großen<br />
Schäden neu aufzuführen. Hier mußte von Au passen. Zwar<br />
waren im Äußeren »nur« der alte Dachstuhl abzutragen und<br />
neu zu bedecken, aber das kostete mit den inneren Veränderungen<br />
doch erheblich viel mehr Geld als gedacht. Jetzt<br />
handelte man offensichtlich an von Au vorbei, denn die<br />
Donaueschinger Regierung bat den in Altshausen ansässigen<br />
Baumeister und -direktor Franz Anton Bagnato (1731-1810),<br />
sich mit den neu aufgetretenen Problemen als eine Art<br />
»Gegengutachter« auseinanderzusetzen. Bagnato war »fortschrittlicher«<br />
als von Au, denn dessen geplante Stukkaturen<br />
lehnte er nicht nur wegen der Kosten ab. Er sprach sich für<br />
eine maßvollere, »billigere« Stukkatur aus.<br />
Von Au wähnte in Bagnato, dem Berufsarchitekten, mit<br />
Recht einen Widersacher. Auf eine von der Regierung angeregte<br />
Besprechung der Kontrahenten Mitte Juli 1771 reagierte<br />
er nicht. Man wäre dabei zu diesem Zeitpunkt gerne mit<br />
Bagnato in Kontakt und Kontrakt gekommen, denn er stellte<br />
das Verdienst der Maurer- und Zimmererarbeit als fromme<br />
Gabe der Meßkircher Pfarrkirche in Aussicht. Warum er<br />
trotz der verständlichen Protektion von Dekan Keller nicht<br />
zum Zuge kam, ist unklar. Ende Februar 1772 wurde er<br />
formell wieder ausgeladen. Der Fürst schaltete sich persönlich<br />
ein, um Bagnatos inzwischen laut gewordenen Vorwürfen<br />
zu begegnen: er könne und wolle sein Wort nicht<br />
brechen, das er längere Zeit zuvor (ohne dies allerdings<br />
Bagnato kundgetan zu haben!) dem Hüfinger Maurermeister<br />
Franz Xaver Fritschi (Fritsche) gegeben habe. Dieser wiederum<br />
war von Au als »rechte Hand« vorgeschlagen worden<br />
(was ein späteres leichtes Zerwürfnis jedoch nicht ausschloß).<br />
Von Au mußte finanziell etwas zurückstecken, denn man<br />
handelte ihm 200 Gulden an seinem Verding ab.<br />
In der Zwischenzeit hatte sich von Au mit der Innenausstattung<br />
der Kirche beschäftigt, die ihm niemand strittig gemacht<br />
36<br />
hatte. Jetzt war sein Partner nicht mehr nur der Dekan,<br />
sondern das Bezirksamt Meßkirch. So wird der folgende<br />
Schriftverkehr hauptsächlich von dieser Außenstelle der Fürstenbergischen<br />
Regierung geführt.<br />
Meinrad von Au tat während dieser Zeit das, was Hermann<br />
Ginter (in der »Badischen Heimat« 21, 1934, Seite 130ff.) so<br />
formuliert hat: Er habe es vor allem verstanden, »die Ausstattung<br />
eines ganzen Kirchenraums auf einen voll- und wohlklingenden,<br />
harmonischen Gesamteindruck umzustimmen.<br />
.. Denn nicht nur die eigentlichen Decken- und Altargemälde<br />
pflegten damals auf die Kirchenmaler zurückzugehen,<br />
sondern die farbige Haltung und Stimmung des ganzen<br />
Kirchenraums mit seiner Stimmung überhaupt«.<br />
Mit diesen Ereignissen war das Jahr 1772 angebrochen. Der<br />
Hüfinger Maurermeister Fritschi hatte nach Bagnatos Zwischenspiel<br />
seine Entwürfe für die Stukkaturen angefertigt, die<br />
aber von Au als unschicklich und grob ablehnte. So suchte er<br />
nach einem anderen Mitarbeiter, den er in dem aus dem<br />
vorarlbergischen Schnifis stammenden Johann Jakob<br />
Schwarzmann (1729-1784) fand. Von Au mochte sich bei<br />
dieser Wahl an seine einstige Zusammenarbeit mit Schwarzmann<br />
in Pfullendorf, Wald und Sigmaringen erinnert haben.<br />
Es galt also lediglich, die alte Berufsfreundschaft wieder zum<br />
Leben zu erwecken.<br />
In diesen Tagen und Wochen eines Neuanfangs, der sich<br />
hauptsächlich um die Innenausstattung drehte, war die Frage<br />
unausweichlich geworden, was mit der bisherigen »alten«<br />
Ausrüstung der Kirche zu geschehen habe. Für die Lösung<br />
dieser Frage bezog von Au später von der Fachwelt posthume<br />
Prügel, da, wie wir ja seit langem wissen, die meisten Altäre<br />
der Martinskirche von dem immer noch namenlosen »Meister<br />
von Meßkirch« um 1538 geschaffen worden waren. Von Au<br />
wurde aufgefordert, Bericht zu erstatten, was damit zu<br />
geschehen habe. Dazu nun die eine Stelle aus einem Aufsatz<br />
von Joseph L. Wohleb, einem der besten Kunstkenner<br />
Fürstenbergischer Geschichte: Meinrad von Au habe die<br />
Lebensarbeit dieses Meisters »durcheinanderwirbeln« können.<br />
So und ähnlich, z. T. mit stärkeren Worten, lautet<br />
vielfach die Kritik am Vorhaben des Meinrad von Au.<br />
Um den Hintergrund der Frage verstehen zu können muß<br />
man aus der Zeit um 1770 heraus urteilen. Für die Künstler<br />
von damals waren frühere Zeiten alles andere als unantastbar.<br />
In einem Schriftsatz, der auf diese Frage Bezug hat, wird<br />
knapp und bündig geurteilt (20. Juli 1773): die Gotik sei eine<br />
»barbarische Zeit« gewesen. Um 1770 war man stolz auf die<br />
»Aufklärung« und die (vermeintliche) Befreiung des Menschen<br />
von seiner »selbstverschuldeten Unmündigkeit«<br />
(Kant). Wie wollte man da das Kulturerbe verflossener<br />
Zeiten, gar jenen, die mit der Barbarei gleichzusetzen waren,<br />
bewahren oder erhalten?<br />
So taugten, im Jargon dieser Zeit, Altäre höchstens dazu,<br />
nämlichen Dorfkirchen oder Kapellen eine Aufpolierung zu<br />
geben, dort erfüllten sie, wenn überhaupt, noch einen gewissen<br />
Zweck. In einem ähnlich gelagerten Fall, dem Neubau der<br />
Benediktiner-Klosterkirche Neresheim, konnte ich einmal<br />
fast das gesamte Mobiliar der alten Kirche im Umfeld von<br />
Neresheim ermitteln. Was beim besten Willen auch »auf dem<br />
Lande« nicht mehr für tauglich befunden wurde, wanderte in<br />
den Kunsthandel über alte Kirchenböden oder Pfarrhäuser.<br />
Oft fanden diese Absteiger später den Weg in die Museen aller<br />
Erdteile. Gerade unser »Meister von Meßkirch« bietet ein<br />
Paradebeispiel für diese Art der Zerstreuung. Was allenfalls<br />
noch zählte, war die artistische Feinheit dieser Meister, so,<br />
wenn es 1765 in einem Verzeichnis der Malereien im Meßkircher<br />
Schloß von einem alten Kästchen heißt: »innerhalb sehr<br />
fein gemalt«.<br />
Im Grunde waren 1772 alle beteiligten Umbau-Künstler von<br />
Meßkirch auf die gleiche künstlerische Grundhaltung einge-
schworen, die das Alte nicht mehr gelten ließ. Von Au mußte<br />
sich als erster der Mitarbeiter auf diese Frage einlassen, denn<br />
wohin mit den alten Altären? Wahrscheinlich zu Anfang des<br />
Jahres 1772 ging deshalb eine Anfrage des Bezirksamts<br />
Meßkirch an die Regierung nach Donaueschingen.<br />
An der Spitze des Bezirksamts stand Josef Anton Roman<br />
Gebele, ein gebürtiger Wolfacher. Er war ein Generationsgenosse<br />
von Aus (1716-1793). Gebele hatte nach dem Studium<br />
in Freiburg sich in Fürstenbergische Dienste auf Schloß<br />
Heiligenberg begeben. 1754 wurde er Hofrat in Meßkirch. Er<br />
titulierte sich »Herr zu St. Martin«, d. h. er übte die Rechte<br />
des Patronatsherren über die Kirche im Auftrag seines Fürsten<br />
aus.<br />
Die Regierung in Donaueschingen bezog sich in ihrer Antwort<br />
auf die Meßkircher Anfrage am 20. Februar 1772 auf den<br />
Vertrag mit von Au, worin ja alles geregelt sei. Der Hochaltar<br />
solle von ihm in Fresko gemacht werden, das neue Altarblatt<br />
»auf Leinwand mit Ohlfarben« gemalt. Nun folgt der entscheidende<br />
Satz: »Wohin nun aber das dermahlige seiner<br />
Mahlerey halber berühmte und kostbare Altar-Blatt verwendet<br />
und warumen dieses nicht auf dem Hochaltar belassen<br />
werden solle? darüber habt Ihr demnächst den gehorsamsten<br />
Bericht zu erstatten.«<br />
In diesem Satz sind zwei Dinge angesprochen, die beachtlich<br />
sind:<br />
1. eine künstlerische Wertung des Altars: Er ist berühmt,<br />
d. h. er mußte damals im Bewußtsein einer künstlerischen<br />
Öffentlichkeit lebendig sein, und kostbar, d. h. er stellt<br />
einen nicht abzuschätzenden Wert dar, und<br />
2. warum kann man dieses Altarblatt nicht wie bisher auf<br />
dem Hochaltar belassen - offenbar hatte man einen Vorschlag<br />
des Meßkircher Bezirksamts zur Hand, der auf<br />
Versetzen oder gar auf totale Entfernung lautete.<br />
In der geschickt eingefädelten Fragestellung des Amts kann<br />
man vielleicht sogar eine indirekte Stellungnahme für den<br />
Verbleib des Altarblattes an seinem bisherigen, so markanten<br />
Standort herauslesen.<br />
Offenbar ließ sich von Au zwei Monate Zeit, bis er sich<br />
hierzu äußerte. Der Fürstenbergische Oberamtsrat Rappenegger<br />
in Meßkirch berichtet von einem Gespräch mit dem<br />
Maler am 23. April 1772, wonach von Au erklärte, das alte<br />
Hochaltarblatt könne nach dem Umbau nicht mehr dort<br />
eingebaut werden, wo es bisher war. Er, von Au, schätze<br />
zwar den »innern Werth« des Gemäldes, aber das Blatt sei für<br />
den neuen (man darf hinzufügen: viel bombastischeren)<br />
Hochaltar um zehn bis zwölf Schuh zu kurz. Das Altarblatt<br />
erfordere nämlich eine Größe von 18 bis 20 Schuh. Wenn<br />
seine, von Aus Meinung, nicht respektiert werde, dann wolle<br />
er mit dem Hochaltar überhaupt nichts mehr zu tun haben.<br />
Dies war eine auftrumpfende und daher recht deutliche<br />
Sprache!<br />
Um die in Donaueschingen gestellte Frage zu beantworten,<br />
schlägt von Au (immer zitiert nach dem Bericht Rappeneggers)<br />
vor, das Gemälde »in einen Nebenaltar an der Wand des<br />
Langhauses« zu übertragen, wobei von Au ein Kunst-Credo<br />
abgibt, wenn er wertet: mehr zur Ersparung der Kosten »als<br />
aus vorzüglicher aestimation« für das Gemälde des »Meisters<br />
von Meßkirch«. Damit hat von Au die Katze aus dem Sack<br />
gelassen. Er, der Künstler, konnte sich zu keiner Hochschätzung<br />
des Altargemäldes aus dem 16. Jahrhundert aufraffen.<br />
Meinrad von Au war hier ganz das Kind seiner Zeit des 18.<br />
Jahrhunderts.<br />
Nur um Gleichheit bzw. Symmetrie zu erhalten, schlug von<br />
Au vor, die »vordem Gemähide« des bisherigen Hochaltares<br />
(die anderen Altarblätter) auf den gegenüberliegenden<br />
Nebenaltar zu versetzen.<br />
Barocker Seitenaltar mit dem Dreikönigsbild des Meisters von Meßkirch.<br />
Martinskirche in Meßkirch.<br />
Dieser Argumentation verschloß sich die Fürstliche Regierung<br />
in Donaueschingen nicht, sondern lenkte ein. Am<br />
16. Mai 1772 heißt es, man solle es bei der Erklärung des<br />
Malers »bewenden« lassen, d. h. seinen Vorschlägen folgen.<br />
Es kann daher keine Rede davon sein, daß es die Regierung,<br />
Salzmann oder gar der kunstverständige Fürst war, der auf<br />
eine Rettung des alten Hochaltars bedacht war, sondern man<br />
verschloß sich dem Nützlichkeitsdenken von Aus nicht, dem<br />
man freie Hand ließ. Daß seine Altarbilder im Langhaus zu<br />
dem jetzt nach dort versetzten Teil des einstigen Hochaltars,<br />
dem Dreikönigsbild, nicht korrespondierte, hat Hermann<br />
Ginter vermerkt: »Etwas bescheidener sind von Aus Ölbilder<br />
der einzelnen Altäre..., gehaltlich und formell himmelweit<br />
entfernt von dem unendlich kostbaren Bild des Meisters von<br />
Meßkirch, mit dem sie das harte Schicksal ungerechterweise<br />
in Reih und Glied gestellt hat.«<br />
Geschichtslegende ist allerdings, wenn Ginter resümiert, nur<br />
durch »behördliche Nötigung« sei von Au veranlaßt worden,<br />
das alte Altarblatt im Kirchenraum aufzunehmen - das<br />
Gegenteil war der Fall gewesen: die Behörde ließ von Au<br />
gewähren, sie hatte ihm grünes Licht in dieser Sache erteilt!<br />
Es war Karl Obser, der im Jahre 1918 Dokumente veröffentlicht<br />
hat, die auf dieses Altarblatt Bezug nehmen. Er glaubte,<br />
alle einschlägigen Akten vor sich zu haben (sie wurden 1907<br />
anläßlich einer Aktenausscheidung vom Großherzoglichen<br />
Bezirksamt Meßkirch dem Generallandesarchiv Karlsruhe<br />
übereignet). Obser hatte es damals unterlassen, im Fürstlich<br />
Fürstenbergischen Archiv in Donaueschingen - was ja naheliegend<br />
gewesen wäre - nachzuschauen, ob die dortigen<br />
Meßkircher Aktenbestände etwas zur Ergänzung seiner<br />
Arbeit hätten beitragen können. So entging ihm auch ein<br />
umfangreiches Schriftstück (Reskript) vom 19. Juli 1773.<br />
Um den Sachstand bezüglich unseres Meister-Gemäldes<br />
beurteilen zu können, muß man bedenken, daß inzwischen<br />
ein volles Arbeitsjahr verflossen war. Die Erhaltung des<br />
Bildes war gesichert, doch die Frage nach dem Wie und Wo<br />
war wohl kontrovers geblieben. Der Maler scheint damit<br />
37
nicht fertiggeworden zu sein oder aber wollte er sich bei der<br />
endgültigen Entscheidung auf breite Zustimmung stützen.<br />
Um den »Fremdkörper« stilistisch in die »neue« Kirche<br />
einbringen zu können, wurde dem linken Nebenaltar, in den<br />
man das Dreikönigsbild einfügte, eine zeitgenössische Form<br />
verpaßt. Die aber verursachte allerlei Schwierigkeiten.<br />
Das Technische zuerst: Das »auf Holz gemahlte Altar-<br />
Blättel« war 5 Zoll zu kurz und 3 Zoll zu breit, d. h. sowohl<br />
zu groß als auch zu klein. Auch sollten in den Altar noch<br />
Reliquien eingelegt werden, was zur »bedächtlichen Überlegung«<br />
führte, wie man solchem Übel abhelfen könnte. Eines<br />
muß in diesem Stadium herausgestellt werden: man kapitulierte<br />
nicht vor den Schwierigkeiten oder nahm sie gar als<br />
erwünschte Gelegenheit zum Anlaß, das Altarblatt aus der<br />
Kirche zu verbannen. Es ging ja noch dazu um die Vorstellung<br />
von Aus, auch den auf der anderen Langhausseite<br />
befindlichen Nebenaltar mit einem Teil des alten Hochaltars<br />
zu versehen.<br />
Jetzt mußte sich die Behörde zu Wort melden, die in einem<br />
Um- und Einbau (zurecht) neue Kosten witterte. Um ja nicht<br />
den Verdacht aufkommen zu lassen, man habe etwas versäumt,<br />
erklärte das Bezirksamt (Gebele hat unterschrieben),<br />
man habe eine Untersuchung eingeleitet, »was denn Schuld<br />
an diesen unbrauchbaren Altären« habe. Mit dieser Einschätzung<br />
der »unbrauchbaren Altäre« war ein Salto mortale<br />
geschlagen worden, denn von einer Schuld war bislang<br />
nirgendwo die Rede. Jetzt wurde ein Sündenbock für nicht<br />
begangene Sünden gesucht und natürlich auch gefunden.<br />
Alles blieb an von Au hängen, denn er hatte vor Jahresfrist,<br />
gleichgültig aus welchen Gründen, für einen Verbleib eines<br />
Teils des alten Hochaltars votiert. Ihn zwang man nun zu<br />
einer Entschuldigung, die folgenden Inhalts war: er habe vom<br />
Schreiner falsche Altarmaße (für den Nebenaltar) erhalten,<br />
somit nicht ahnen können, welche Schwierigkeiten auftreten<br />
würden. Hier habe er auf Treu und Glauben gehandelt, »aber<br />
theils ex errore (aus Irrtum) unzulänglich gewesen, theils aber<br />
von dem Schreiner und Bildhauer nicht ganz verstanden<br />
worden«. Nachdem auf diese Weise an von Au knapp der<br />
Kelch vorübergegangen war, heißt der Weisheit letzter<br />
Schluß, ein Jeder wolle eben »auf des andern Conto unschuldig<br />
sein«.<br />
Dies scheint für Donaueschingen das Signal gewesen zu sein,<br />
um von dem Vorhaben eines zweiten Nebenaltars mit Einbau<br />
DIEGO HÄUSSEL<br />
Das Schulwesen in Hochberg (II)<br />
Das Schulhaus in Hochberg<br />
Bis 1840 hatte Hochberg kein eigenes Schulhaus. Die Kinder<br />
wurden anfänglich abwechselnd in den Stuben der Bauern<br />
unterrichtet, Lehrer Johann Blum hat dann seine Stube für<br />
den Dauergebrauch zur Verfügung gestellt. Sein Haus, es<br />
stand gegenüber dem Gasthaus Kreuz, wurde deshalb unter<br />
den alten Hochbergern noch lange das alte Schulhaus<br />
genannt. Diese Initiative des Lehrers scheint auch der Grund<br />
dafür zu sein, warum in Hochberg so lange mit einem<br />
Schulhausneubau gezögert wurde.<br />
Bei meinen Nachforschungen habe ich jedoch entdeckt, daß<br />
die Gemeinde schon im Jahre 1788 ein Schulhaus bauen<br />
wollte. Welchen Stellenwert das Schulwesen im Denken der<br />
damaligen Bevölkerung hatte, ist aus diesem Plan ersichtlich.<br />
Er wurde gezeichnet von Maurermeister Waltz aus Jungnau,<br />
auch die Baukostenberechnung stammt von ihm. Der Plan<br />
zeigt neben der Außenansicht des einstöckigen Hauses auch<br />
den Grundriß. Er beinhaltet eine Schulstube, eine Hirten-<br />
38<br />
eines Teils aus dem alten Hochaltargemälde Abstand zu<br />
nehmen. Von Au mußte (wohl in Eile) fünf Skizzen zu neuen<br />
Altarblättern entwerfen. Am 29. November 1773 teilt man<br />
aus Meßkirch mit, die Skizzen würden folgen. Es sollte<br />
thematisch zur Anbetung der Weisen (alt) die dazu passende<br />
Aufopferung Mariens im Tempel (neu) korrespondieren:<br />
»Sollten diese Scützen den gnädigsten Beyfall erhalten«, so<br />
bitte man um Nachricht. Sie fanden Beifall - der Altar von<br />
Aus wurde angefertigt, das Altarteil des »Meisters von Meßkirch«<br />
blieb auf der Strecke.<br />
Wenig später sollte es in einer regierungsamtlichen Stellungnahme<br />
nörgelnd heißen, die Nebenaltäre seien »übel außgefallen«.<br />
Kräftiger hätte die Kritik und Unzufriedenheit an<br />
Meinrad von Au und seinem Werk in Meßkirch nicht ausfallen<br />
können.<br />
Damit war auch das Ende des Altarwerks des »Meisters von<br />
Meßkirch« eingeläutet. Bis auf das Dreikönigsbild war der<br />
große Rest Abstellware geworden. Georg Tumbült hat 1930<br />
den Verbleib der Tafeln in aller Welt nachgewiesen. Eine<br />
Bestandsaufnahme, die Altgraf Christian Salm nach dem<br />
letzten Krieg durchgeführt hat, gibt folgendes Bild: In<br />
Donaueschingen (Fürstliche Sammlungen) befinden sich<br />
anteilmäßig die meisten Bilder vom Altar der Martinskirche<br />
in Meßkirch. Einzelteile besitzen: Berlin (West), Staatliche<br />
Museen; Den Haag, Kunstmuseum; Karlsruhe, Kunsthalle;<br />
München, Alte Pinakothek; Philadelphia, Sammlung Johnson;<br />
St. Gallen, Bischöfliche Sammlung; Warschau, Kunstmuseum,<br />
und Zürich, Privatsammlung. Einen zeichnerischen<br />
Entwurf zum Altar bewahrt das Kunstmuseum in Basel<br />
auf.<br />
Quellen und Literatur:<br />
Akten im Bestand Ecclesiastica Meßkirch im F. F. Archiv Donaueschingen;<br />
Karl Obser: Zur Geschichte des Dreikönigsaltars in<br />
Meßkirch, in: Zeitschrift für die Geschichte des Oberrheins 72,1918,<br />
581-595; Georg Tumbült: Meßkircher Kunstwerke in deutschen und<br />
außerdeutschen Museen, in: Bodensee-Chronik 19, 1930, Nr. 9;<br />
Horst Sauer: Die Erneuerung der Stadtkirche zu Meßkirch in der 2.<br />
Hälfte des 18. Jahrhunderts, in: Schriften des Vereins für Geschichte<br />
des Bodensees und seiner Umgebung 62, 1935, 15-58; Auguste<br />
Wagner-Würz: Meinrad von Aw. 1936; Karl Siegfried Bader und<br />
Alexander v. Platen: Das Große Palatinat des Hauses Fürstenberg.<br />
1954, S. 110.<br />
stube, die Küche und den Geißenstall. Man wollte also auch<br />
gleichzeitig das Problem der Hirtenwohnung lösen und hatte<br />
für ihn deshalb eine Kammer neben der Schulstube vorgesehen.<br />
Die Frage der Lehrerwohnung wurde so gelöst: Es solle<br />
in Zukunft nur ein lediger Lehrer angestellt werden, er könne<br />
dann zusammen mit dem Hirten wohnen.<br />
Der Kostenvoranschlag ohne Fuhr und Handfronen sah<br />
folgendermaßen aus:<br />
Maurer Material 54 Gulden<br />
Arbeit 46 Gulden<br />
Zimmer Material 64 Gulden<br />
Arbeit 25 Gulden<br />
Glaser 10 Gulden<br />
Schlosser 9 Gulden<br />
Schreiner 3 Gulden<br />
211 Gulden
Vom Amte wurde der Bau befürwortet, da Hochberg großen<br />
Eifer im Schulhausbau zeige, was großen Wohlgefallen ausgelöst<br />
habe. Da aber der damalige Schulfond das Geld nicht<br />
aufbringen konnte, wurde der Bau 2 Jahre zurückgestellt mit<br />
der Auflage, den Unterricht so lange in den Privatstuben<br />
fortzuführen.<br />
Dieses Schulhaus aber wurde nie gebaut.<br />
Im Jahre 1840 wurde das ehemalige Schul- und Rathaus in<br />
Hochberg gebaut und im Jahre 1841 eingeweiht. Von diesen<br />
Feierlichkeiten existiert ein Ölgemälde, das lange im Schulzimmer<br />
hing und später auf der Bühne aufbewahrt wurde. Es<br />
zeigt eine Gesamtansicht Hochbergs vom »Burren« aus, das<br />
Schulhaus ist gut sichtbar und ragt über alle anderen Gebäude<br />
hinaus.<br />
Auf diesem Bild ist folgende Inschrift verzeichnet:<br />
Schulhausbau 1840 Einweihung 1841<br />
Unter Fürst Carl von Hohenzollern-Sigmaringen,<br />
und Fürst Egon von Fürstenberg als Grundherr,<br />
Papst Gregor XVI, Erzbischof Ignaz, Pfarrer<br />
Geistlicher Rat und Regierungsrat F. Engel, Kaplan<br />
Sebastian Brik, Amtsvorstand beim Bau Brucker, z. Zt.<br />
V. Gebele, Ortsvorstand beim Bau J. Mors, z. Zt.<br />
Josef Mayer, Schullehrer Johann Blum, Schulkommissär<br />
Schmid,<br />
Familienzahl 26 Bürgerzahl 19<br />
Werktagsschüler 19 Wiederholungsschüler 9<br />
Christenlehrpflichtige 17<br />
Gesamtseelenzahl 141<br />
Im Erdgeschoß waren das Schulzimmer und der Holzschopf<br />
untergebracht, im Obergeschoß das Ratszimmer und die<br />
Lehrerwohnung (3 Zimmer und Küche).<br />
Diese Wohnung wurde bis 1882 kaum gebraucht, da der<br />
Lehrer Johann Blum in seinem Haus wohnen blieb und nach<br />
seiner Zurruhesetzung im Jahre 1864 nur ledige Lehrer in<br />
Hochberg waren. Als dann der erste verheiratete Lehrer mit<br />
Familie kam, wurde die Wohnung bald zu klein. Es mußten<br />
die ersten Umbauten getätigt werden.<br />
So wurde 1884 der Holzschopf im unteren Stockwerk zum<br />
Ratszimmer ausgebaut und dies ist es auch geblieben bis zur<br />
Auflösung der Gemeinde im Jahre 1975. Das Zimmer im<br />
oberen Stockwerk aber wurde der Lehrerwohnung zugeschlagen.<br />
Für das Holz wurde an die Schule ein neuer Schopf<br />
angebaut. Eine weitere Vergrößerung der Lehrerwohnung<br />
wurde im Jahre 1935 vorgenommen, als hinter die Küche eine<br />
Waschküche angebaut wurde. Beide Bauten, Holzschuppen<br />
und Waschküche, wurden im Jahre 1956 abgerissen, als nach<br />
der Renovierung des Schulsaales an den rückwärtigen Teil der<br />
Schule eine Pausenhalle mit Toiletten für Lehrer und Schüler,<br />
Bad für den Lehrer und eine Garage angebaut wurde. Im<br />
Jahre 1958 wurde die Halle dann noch verglast und so<br />
verfügte die Gemeinde über eine beachtliche schulische Anlage.<br />
Übrigens wurde beim Bau der Pausenhalle der Bauplan mit<br />
eingemauert, wie man es manchmal bei markanten Bauwerken<br />
gerne tut. Hier war es allerdings keine Absicht, sondern<br />
ein Versehen. Der Baumeister legte bei Feierabend den Plan<br />
in einen Hohlblockstein, um ihn am anderen Morgen gleich<br />
zur Hand zu haben. Als er kam, war der besagte Stein schon<br />
verarbeitet und mit ihm der Plan. Schade, daß die ganze<br />
Anlage, die seit 1967 nicht mehr für schulische Zwecke<br />
gebraucht wird, momentan in keinem guten Zustand ist.<br />
Erfreulich ist, daß bei einer Renovierung vor einigen Jahren<br />
das Wahrzeichen der Schule, eine Tafel über der Eingangstür,<br />
erhalten blieb und renoviert wurde.<br />
»Der Anfang der Weisheit ist die Furcht Gottes« diese Worte<br />
aus dem Buch Jesus Sirach hatten die Schüler von Hochberg<br />
seit vielen Jahrzehnten beim täglichen Schulbesuch vor<br />
Augen, und manchen mag dieser Spruch ins Leben hinausbegleitet<br />
haben.<br />
Aus dem Schulleben:<br />
Einen Einblick in den Schulalltag vermittelt uns die Schulchronik,<br />
die im Jahre 1883 angelegt wurde und in der die<br />
Lehrer die wichtigsten Ereignisse des Schuljahres eingetragen<br />
haben. Über manche Sorgen und Nöte der Lehrer vor 100<br />
Jahren lächeln wir heute. Auffallend waren die jährlich<br />
wiederkehrenden Feiern, in denen ein politisches Ereignis<br />
gefeiert wurde, aber nicht durch einen schulfreien Tag,<br />
sondern Schule und Gemeinde feierten gemeinsam. So wurde<br />
alljährlich im März das Geburtsfest des deutschen Kaisers<br />
Wilhelm I. gefeiert. Wir entnehmen der Schulchronik: »Auch<br />
an diesem Tag wurde die Feierlichkeit von der Schule begangen.<br />
Mittags um Vi! Uhr versammelten sich die Schüler in der<br />
Schule. Vor dem Schulhaus wurden sie in 2 Gliedern aufgestellt.<br />
Darauf wurde das Lied angestimmt: »Kennt ihr das<br />
Land der Eichenwälder« und der Zug bewegte sich nach dem<br />
Wirtshaus hin, die Schulfahne wurde vorausgetragen. In dem<br />
Wirtshaus angekommen, und nach dem die Kinder ihre<br />
Plätze eingenommen hatten, wurden die Feierlichkeiten<br />
durch einen Vortrag des Lehrers Gustav Bulach eröffnet. In<br />
dem Vortrage suchte der Lehrer den Kindern zwei Bürgerpflichten<br />
bekannt und lieb zu manchen aus der Betrachtung<br />
des Dichterwortes:<br />
Eine Null blieb ich nicht gern auf Erden,<br />
ach, die Welt hat deren schon so viel!<br />
Meinen Zeitgenossen lieb zu werden,<br />
das ist mein vorgestecktes Ziel.<br />
Die beiden Tugenden sind: Strebsamkeit, Gemeinsinn. Im<br />
Anschluß an die Rede wurde ein »Hoch« auf seine Majestät<br />
den deutschen Kaiser und König von Preußen Wilhelm<br />
Lausgebracht. Den Kindern wurde Bier und Brot gegeben.<br />
Patriotische Lieder und Vorträge wechselten miteinander ab.<br />
Nach einem Verweilen von ungefähr 2 Stunden wurden die<br />
Kinder entlassen. Alles war gut gestimmt. An der Feierlichkeit<br />
beteiligten sich außer Bürgermeister, Lokalschulvorstand,<br />
Gemeinderechner beinahe alle Einwohner des Ortes.<br />
Jährlich am 2. September wurde in allen Schulen die »Sedansfeier«<br />
abgehalten zur Erinnerung an die Schlacht bei Sedan.<br />
Besonders beliebt waren um die Jahrhundertwende die<br />
Christbaumfeiern, die alljährlich in der Schule abgehalten<br />
wurden, vorausgesetzt, es übernahm jemand die Kosten. Es<br />
gab nämlich immer Geschenke (Schürzen, Hosenträger,<br />
Schreibmaterial, Halstücher, Griffel).<br />
Jeweils vermerkt sind in der Chronik auch die jährlich<br />
durchgeführten Prüfungen, denen sich die Schule unterziehen<br />
mußte und bei denen Vertreter der Schulbehörde, der<br />
Geistliche der Gemeinde als Schulvorstand, Bürgermeister,<br />
Gemeinderäte sowie auch verschiedene Eltern anwesend<br />
waren. Manchmal gab es zur Belohnung für die Kinder Wurst<br />
und Brot.<br />
Daß sich der Lehrer früher nicht nur seiner pädagogischen<br />
Arbeit widmen konnte, sondern nebenher noch allerlei Dinge<br />
zu übernehmen hatte, zeigt ein Eintrag aus dem Jahre 1885.<br />
Neben dem Mesneramt hatte der Lehrer auch die gemeindeeigene<br />
»Baumschule« zu versorgen. In diesem Jahr wurde ihm<br />
die Bezahlung des Geldes (6,85 M) für diese Tätigkeit streitig<br />
gemacht mit der Behauptung, er habe nicht genügend getan.<br />
Der Lehrer mußte sogar die königliche Regierung in Sigma-<br />
39
ingen bemühen, die die Gemeinde dann zur Zahlung des<br />
Geldes verurteilte.<br />
Vermutlich hängt die nachfolgende Entscheidung des<br />
Gemeinderates über die Weiterführung der Fortbildungsschule<br />
mit diesem Rechtsstreit zusammen: Diese Schule war<br />
JOHANN ADAM KRAUS<br />
Das Rätsel Bettmauer an der Laudiert<br />
Der im Jahre 1958 verstorbene um die Heimatkunde hochverdiente<br />
Forscher Michael Walter aus Grosselfingen, Regierungsdirektor<br />
in Karlsruhe, hat uns außer vielen anderen<br />
Arbeiten auch 1955 den Aufsatz geschenkt »Glaube und<br />
Kirche in den Ortsnamen von Hohenzollern«In der<br />
Gegend von Veringenstadt stieß er in Güterbeschrieben von<br />
1544 und 1575 auf die Bezeichnung »Eine halbe Jauchert<br />
Acker in Bettmauer« 2. Aber er mußte zugeben: »Die genaue<br />
Lage der Flur läßt sich nicht mehr angeben, da nähere<br />
Hinweise fehlen, und die Namen heute nicht mehr gebraucht<br />
werden.« Zum Glück hat sich dies inzwischen durch zwei<br />
neuere Funde geändert.<br />
Der Flurname Bettmauer hat nichts mit Ruhebett oder<br />
Bachbett zu tun, sondern mit »beten« (schwäbisch »beatta«),<br />
bezeichnet also eine Mauer bzw. einen Bau, in dem gebetet<br />
wird, also Kapelle oder Kirche. (In Ringingen hieß die<br />
heutige [später erweiterte] Marienkapelle im 15. Jahrhundert<br />
»Bildenhüslin«.) Walter konnte nun nachweisen, daß es<br />
anderwärts neben »Bettmauer« die viel ältere Form »Betbur«<br />
gibt. Das alte Wort Bur hatte im Althochdeutschen die<br />
Bedeutung Haus und ist in Norddeutschland noch<br />
gebräuchlich in »Vogelbauer«. Auch die Sieldungswörter<br />
Beuren und Beuron hängen damit zusammen. Betbur ist<br />
somit ein Bethaus oder eine Kapelle. Der gelehrte Ohlenschlager<br />
hielt allerdings die Form Bettmauer für einen festen<br />
Platz oder eine Lagermauer 3.<br />
Wohl aus sprachlichen Gründen scheint bei uns im Süden<br />
früh statt Bur, das unverständlich wurde, »Mur« oder Mauer<br />
gebraucht worden zu sein. Nach Walter gibt es im Badischen<br />
allein fünf alte Belege: a) 1319 Betbur, heute Betberg bei<br />
Seefelden-Müllheim, b) ca. 1360 »Kapelle Betburg« bei Tiengen-Waldshut<br />
(wobei das Schluß-G wohl auf einen Hörfehler<br />
zurückgeht), c) Bethbur 1297, heute Betberg bei Leibertingen.<br />
d) Bettmur bei Villingen, e) die Flur Bettmauer (auf der<br />
Karte) bei Heinstetten auf dem Heuberg. Uber Bethbur bei<br />
Leibertingen schrieb schon im Jahre 1890 Karl Theodor<br />
Zingeler 4. Er sagt da u. a.: »In der Schweiz kommt eine ganze<br />
Anzahl Lokalitäten mit dieser Bezeichnung vor, auch im<br />
Elsaß, in Lothringen, Rheinland, Westfalen sind sie nachzuweisen.«<br />
Michel R. Buck kennt 5 unterm Jahr 1111 ein<br />
Betepur, jetzt Bettberg, mit der Bedeutung Bethaus, Kapelle;<br />
er gibt freilich den Standort nicht an. Nach Zingelers Ausführungen<br />
hat der schweizerische Professor Dr. Meyer von<br />
Knonau 6 in Bettbur eine ehemalige Kultstätte der Alamannen<br />
vermutet, »die manchmal in Nähe eines heiligen Baumes<br />
stand. Und da sich mehrfach römische Überreste in der Nähe<br />
solcher als Bethbur bezeichneten Plätze vorfinden, so liegt<br />
die Möglichkeit nahe, daß die Alamannen solche Stellen für<br />
ihren heidnisch-germanischen Kultus errichteten oder beibehielten.«<br />
Die aus dem Wort »bur« abgeleiteten Vermutungen können<br />
jedoch leicht in die Irre gehen, da alte Beweise fehlen. Walter<br />
vermochte jedenfalls mehr als zwei Dutzend solcher Stätten<br />
Betbur oder Betmur zusammenzutragen. Ein neuerer Forscher<br />
meinte zum Thema, daß es sich um ursprünglich<br />
hölzerne (später steinerne) kleine Bethäuser gehandelt haben<br />
könne, wie sie früher wohl an Missionswegen entlang angelegt<br />
worden seien 7.<br />
Beweise für diese Ausführungen aus der Zeit der Missionie-<br />
40<br />
zur Weiterbildung der Schulentlassenen gedacht und war<br />
ebenfalls eine Einnahmequelle der Lehrer. Sie mußte aber<br />
jährlich vom Gemeinderat erneut genehmigt werden und war<br />
in Hochberg öfters ein Zankapfel zwischen Lehrer und<br />
Gemeinde.<br />
rung des 7. bis 9. Jahrhunderts werden sich jedoch kaum<br />
erbringen lassen. Könnte Betbur nicht einfach eine Feldkapelle<br />
bezeichnet haben, wie sie noch vielfach bis zur Zeit des<br />
Josefinimus bestanden? Klärung könnten nur genauere Forschungen,<br />
will sagen: Garbungen, bringen.<br />
Was nun den von Walter bei Veringenstadt vermuteten Platz<br />
Bettmauer von 1544/1575 angeht, so ist dessen Lage durch ein<br />
Einkommensverzeichnis der Michaelspflege Veringendorf<br />
vom Jahre 1444 8 näher zu bestimmen. Es heißt darin: »Ein<br />
Acker in Stetten an Bettmur.«<br />
Die bekannte Flur Stetten (ehemalige Wohnstätte!) findet<br />
sich 600 m nördlich von Veringendorf, wo mitten im einst<br />
sicher sumpfig gewesenen Tal der Lauchert der mäßig hohe<br />
Stettener Berg 9 zwischen Landstraße und der Hohenzollerischen<br />
Landesbahn zu sehen ist.<br />
Auf diesem Bergle scheint es heute nur Wiesen, aber keine<br />
Acker zu geben. Es wäre wichtig zu wissen, ob dies auch<br />
früher der Fall war und der genannte Acker auf dem Bergle<br />
gelegen haben könnte. Immerhin hätte diese Anhöhe mit<br />
ihrem einst sie umgebenden Graben früher eine ideale Befestigung<br />
oder Fliehburg dargestellt, zumal sich auf dem Scheitel<br />
(von der Eisenbahn aus deutlich zu sehen) ein Wall<br />
abzeichnet.<br />
Die Ansiedlung Stetten selbst hat schwerlich im nassen<br />
Wiesengrund rings um den Berg gestanden, sondern vermutlich<br />
westlich vom Bergle, wo wohl auch die ehemalige<br />
Kapelle anzunehmen wäre. Ernsthafte und gewissenhafte<br />
Forschung von Fachleuten würde vielleicht Näheres zutage<br />
fördern können.<br />
Nachträglich gelang dem Herausgeber unseres Blattes, Herrn<br />
Dr. med. Herbert Burkarth, ein zweiter und sehr wichtiger<br />
Fund: Der Heimatforscher Sebastian Locher schrieb vor etwa<br />
120 Jahren in seinen »Materialien zur Geschichte von Veringen«<br />
10, Seite 439: »Die Berchtoldinger (als Vorgänger der<br />
Veringer Grafen) schenkten im J. 786 ein Gut zu Veringendorf<br />
ans Kloster Reichenau, vermutlich die Kelen (Kelenhof).<br />
Auf Stetten (also dem Bergle) können die Gebäude des<br />
Klosterhofes gestanden haben. Man findet noch Mauerreste<br />
und die Betmauer.« Dr. Burkarth bemerkt dazu: »Die Betmauer<br />
scheint demnach damals (vor ca. 120 Jahren) noch<br />
allgemein bekannt gewesen zu sein!« Somit wäre unsere Frage<br />
endgültig gelöst! Eine Kapelle hat der Klosterhof sicher<br />
gehabt!<br />
Anmerkungen<br />
1 Hohenzollerische Jahreshefte 1955, 9-47.<br />
2 Ebenda, Seite 31-32.<br />
3 Wie Note 1, Seite 32, mit Anmerkung Nr. 44.<br />
4 Geschichte des Klosters Beuron 1890, Seite 84—85.<br />
5 Oberdeutsches Flurnamenbuch 1880, Neuauflage 1931.<br />
6 Alamannische Denkmäler in der Schweiz: 19. Band der »Mitteilungen<br />
der antiquarischen Gesellschaft Zürich«.<br />
7 Walter: Seite 32, mit Bezug auf Dr. Helmut Weigel: »Siedlungen<br />
und Kirche an der oberen Tauber etc.«, dazu Walters Note Nr. 51.<br />
8 »Hohenzollerische Heimat« 1970, 57.<br />
9 Edmund Bercker, Die Kirchenpatrozinien im Krs. Sigmaringen<br />
1967, 160.<br />
10 Heute im Besitz von Bürgermeister Stefan Fink, Veringenstadt.<br />
Kopien im Sigmaringer Staatsarchiv und in der Hohenz. Heimatbücherei<br />
Hechingen.
JOHANN WANNENMACHER<br />
Die Mundart eine heile Welt, echt und wahr!<br />
Im Gegensatz zur Schriftsprache, die mitunter etwas<br />
Abstraktes an sich hat, spricht der Dialekt Erkenntnisse und<br />
das, was an Gefühlen unser Herz bewegt, mit viel größerer<br />
Unmittelbarkeit und Lebendigkeit aus als jene. Jedes Wort<br />
hat eine Verbindung mit Gescheh- und Erlebnissen - meist<br />
aus der Jugendzeit, mit Orten, Menschen, Tieren und der<br />
ganzen <strong>heimat</strong>lichen Landschaft. Die dadurch oft unbewußt<br />
geschaffene tiefe Innerlichkeit im Gemütsleben ist ein wertvolles<br />
Stück Heimat und lebenslang nicht mehr verlierbar. Es<br />
ist deswegen wohl wert, daß wir die Mundart schützen,<br />
pflegen und für deren Erhaltung Sorge tragen. Sie gibt dem<br />
Menschen Halt, das Gefühl der Geborgenheit und kulturelle<br />
Wirkungskraft.<br />
Nachstehend aus Rangendingen einige mundartliche Ausdrücke,<br />
die meist mit vielseitigen örtlichen Erlebnissen aller<br />
Art und starkem Heimatgefühl verbunden sind.<br />
»Heb seil Meggele Brot uff«, sagt die Mutter zum Kind, wenn<br />
ihm von seinem Stück Brot ein kleiner Teil auf den Boden<br />
gefallen ist. »A Meggele« ist in der Mundart immer ein kleiner<br />
Teil von einem Ganzen, im Gegensatz zum Moggel oder<br />
Muggel, der immer ein großes, dickes Stück darstellt.<br />
A Hampfel (Handvoll) ist die Menge, die man mit eingebogener<br />
Hand gerade umfassen kann. Da hört man beispielsweise:<br />
»Gib mir a Hampfel Beera, a Hampfel Nüsse, a Hampfel<br />
Schnitz« u. dergleichen. Hausöhre sagte man ehemals ausschließlich<br />
zum Hauseingang. Dort standen immer einige<br />
Sachen, die man nicht nach oben in die Wohnung nehmen<br />
wollte, oder die man ständig zur Hand haben mußte. Die<br />
Hausöhre hatte früher in den meisten bäuerlichen Anwesen<br />
nur einen Lehmboden. - Holgle nennt man in der Mundart<br />
die Heiligenbildchen, an denen besonders kleine Kinder<br />
Gefallen fanden, und die sie gerne im Gebetbüchlein aufbewahrten.<br />
- Wenn man bei einer Arbeit sehr viel Mühe, Zeit<br />
und Kraft aufbringen muß, um sein Ziel zu erreichen, dann<br />
hat man sich schwer verleida müssa. Ist jemand geistig oder<br />
körperlich nicht ganz einsatzfähig, aber doch gutwillig und<br />
recht, dann soll man die betreffende Person nicht quälen,<br />
sondern sie »so aane komma lau«, das heißt, sie so nehmen,<br />
JOSEF MÜHLEBACH<br />
Die Vinzentinerinnen in Hohenzollern<br />
Am 24. April 1581 ist er als drittes von sechs Kindern in Pouy<br />
in der Gascogne geboren, Vinzenz von Paul, den man das<br />
Genie der Nächstenliebe genannt hat. Das Jahr 1981, als 400.<br />
Gedenkjahr der Geburt des Heiligen, ist Anlaß gewesen, das<br />
Lebenswerk dieses Anwaltes der Armen und Notleidenden,<br />
der 1625 die Kongregation der Barmherzigen Schwestern<br />
gegründet hat, in der Kirche weltweit zu würdigen, und so<br />
mag es auch berechtigt sein, dem Wirken der Vinzentinerinnen<br />
in Hohenzollern, soweit das Quellenmaterial es zuläßt,<br />
ein dankbares Gedenken zu widmen.<br />
wie sie ist, ihren guten Willen und ihre gute Gesinnung<br />
anerkennen und achten. In dem »aane komma lau« wird die<br />
individuelle Behandlung des Menschen vorausgesetzt und<br />
verwirklicht.<br />
Eine Ware, die man kaufen will, muß man erst fisediera, d. h.<br />
gut prüfen und untersuchen. Dasselbe ist auch notwendig bei<br />
zugestellten Paketen. Deren Inhalt wird genau fisediert und<br />
kontrolliert. Das Wort »fisediera« kommt vom Französischen<br />
»visiter« = besuchen und hat in der Mundart seine<br />
besondere Bedeutung erhalten.<br />
»Dos ischt no seileg« (= hart, schwer), hört man bedauernd,<br />
wenn einem anderen etwas Schweres zugestoßen ist, wie<br />
Krankheit, Todesfall, Hausbrand, Verlust von Hab und Gut<br />
und dergleichen. »Was knieferescht denn so lang a sellem Brot<br />
romm?«, fragt die Mutter das Kind, das allzulange an einer<br />
harten Brotkruste herumnagt, anstatt diese in ein Getränk zu<br />
tunken und aufzuweichen. Der Brotlaib lag früher in der<br />
Tischschublade, und an heißen Sommertagen wurde das Brot<br />
mitunter recht hart und trocken. Das Wort »kniefera« =<br />
nagen, bohren, ziehen, langweilig in dieser Art bei einer<br />
Sache verweilen, wird vielseitig gebraucht.<br />
Die epileptischen Anfälle heißen in der Mundart s'Falleg<br />
Waeh (Weh). Diese Krankheit, bei der ein Mensch plötzlich<br />
umfällt und oft eine Zeit bewußtlos ist, war immer sehr<br />
gefürchtet. Eine Frauensperson, die bei all ihrem Tun und<br />
Lassen durchtrieben, egoistisch, pfiffig und wendig ist, ischt a<br />
agschlages Luader. Ein Kind, das nicht einmal eine Weile<br />
ruhig auf einer Bank oder einem Stuhl sitzen bleiben kann,<br />
sondern unruhig überall hin und her rennt, an allem zieht und<br />
dreht, ischt a Gischbel. Dieselbe Bezeichnung müssen sich<br />
auch Erwachsene gefallen lassen, die alles zu leicht nehmen,<br />
unruhig und ungenau sind, von einem Ast auf den anderen<br />
hüpfen und dazu noch eine gewisse Hochnäsigkeit an den Tag<br />
legen.<br />
Die Mundart trägt und prägt die Vielfalt, den geistigen und<br />
seelischen Gehalt unserer Muttersprache. Sie schafft Geborgenheit<br />
und Heimatbewußtsein, was in unserer derzeit vielfach<br />
so unruhigen Welt oft so schmerzhaft vermißt wird.<br />
Die Schwestern im Fürst-Carl-Landeskrankenhaus<br />
Wenn wir vom Umfang des Wirkungsbereichs der Vinzentinerinnen<br />
in Hohenzollern ausgehen, müssen wir gerechterweise<br />
mit deren Tätigkeit im Fürst-Carl-Landeskrankenhaus<br />
in Sigmaringen beginnen. Die Anstalt hieß nach ihrer Gründung<br />
1847 Landesspital, dann 1857 Fürst-Carl-Landesspital,<br />
1928 Landeskrankenhaus (Fürst-Carl-Landesspital), dann<br />
endgültig 1936 Fürst-Carl-Landeskrankenhaus.<br />
Schon 1847 ist nach langwierigen Verhandlungen von der<br />
Fürstlich Hohenzollernschen Landesregierung und dem<br />
41
Mutterhaus der Kongregation der Barmherzigen Schwestern<br />
vom hl. Vinzenz von Paul in Straßburg ein Vertrag abgeschlossen<br />
worden, nach dem die Kongregation dem Landesspital<br />
drei Schwestern für den Krankenpflegedienst und die<br />
Hauswirtschaft zur Verfügung stellte. Schon bald nach der<br />
Eröffnung des Spitals hat sich ein verstärkter Bedarf an<br />
Schwestern ergeben. Nach entsprechenden Änderungen des<br />
Vertrages waren es 1854 fünf Schwestern, 1897 17 und später<br />
bis zu 40 Schwestern, die von der Kongregation im Landesspital<br />
eingesetzt wurden. Später trat an die Stelle des letzten<br />
Vertrages im Jahre 1859 ein solcher mit dem Mutterhaus in<br />
Heppenheim an der Bergstraße von 1927. Das Mutterhaus in<br />
Heppenheim ist, nachdem Straßburg - mit Elsaß-Lothringen<br />
- nach dem Ersten Weltkrieg französisch wurde, 1927 für das<br />
deutsche Gebiet der Kongregation neu errichtet worden.<br />
Nach dem alten wie nach dem neuen Vertrag wurden die<br />
Pflegedienste wie die Arbeiten in der Hauswirtschaft überwiegend<br />
von den Kongregationsschwestern besorgt.<br />
Aus dem Wirken der Oberinnen des Krankenhauses verdient<br />
die Errichtung der Schwester-Theodul-Stiftung im Jahre<br />
1872 eine besondere Würdigung. Die Stiftung der weitsichtigen,<br />
für die Not der Mitmenschen aufgeschlossenen Oberin<br />
Theodul war in einer Zeit, als es vor Bismarck noch keine<br />
Sozialversicherung gab und die Not, vor allem bei der älteren<br />
Generation vielfach recht groß war, viel geholfen. Sie diente<br />
der Sammlung von Unterstützungsgeldern für alte, bedürftige<br />
ehemalige Pflegekräfte und für arme Patienten, eine<br />
segensreiche Einrichtung, die aus der Sicht der damaligen Zeit<br />
hoch eingeschätzt werden muß. Als dann gegen Ende des<br />
vorigen Jahrhunderts allgemein die Sozialversicherung<br />
(Krankenversicherung, Unfallversicherung - Invalidität -<br />
und Altersversicherung) eingeführt wurde, konnte die<br />
Schwester-Theodul-Stiftung aufgelöst werden.<br />
In der »Festschrift zur Jubelfeier des Fürst-Carl-Landesspitals<br />
1847-1897« ist dem Wirken der Vinzentinerinnen unter<br />
Hervorhebung des sehr guten Einvernehmens zwischen der<br />
Schwesternschaft und den Verwaltungsorganen folgendes<br />
hohe Lob zuerkannt worden: »Es ist ein Akt der Gerechtigkeit,<br />
öffentlich zu konstatieren, daß das Fürst-Carl-Landesspital<br />
seine bisherige segensreiche Wirksamkeit sowohl als<br />
seinen Aufschwung in Beziehung auf Frequenz und finanzielle<br />
Bedeutung großenteils dem Wirken der Barmherzigen<br />
Schwestern verdankt.«<br />
Als nach dem Zweiten Weltkrieg der Schwesternnachwuchs<br />
auch bei den inzwischen eingesetzten Schwestern des Deutschen<br />
Roten Kreuzes stark zurückging, mußte die Entwicklung<br />
zwangsläufig dahin führen, daß mit der Eröffnung des<br />
neuen Kreiskrankenhauses im Februar 1979 der Einsatz der<br />
Kongregationsschwestern ganz aufhörte. Die wenigen<br />
Schwestern, die noch im Dienst waren, wurden vom<br />
Michaelstift und vom Josefinenstift übernommen. Die selbstlose,<br />
opfervolle und unermüdliche Tätigkeit der Schwestern<br />
vom frühen Morgen bis in den späten Abend - man möchte<br />
sagen »rund um die Uhr« - oft ein ganzes Leben lang, sichert<br />
den Schwestern die Dankbarkeit unzähliger Patienten.<br />
Das Josefinenstift<br />
1875 wurde die Eisenbahnlinie von Sigmaringen in das<br />
Donautal nach Beuron gebaut. Von den Bahnarbeitern, meist<br />
Italiener, berichtet die städtische Chronik Sigmaringen, daß<br />
die Gastarbeiter bei jedem Wetter, bei Sturm und Regen<br />
kochen mußten. Fürstin Josefine von Hohenzollern gründete<br />
in der Erkenntnis der Notlage der Arbeiter im Jahre 1875 eine<br />
Volksküche, in der man Suppen und Speisen verabreichte.<br />
Die Leitung der Volksküche wurde einer Schwester aus dem<br />
Fürst-Carl-Landesspital der Kongregation des hl. Vinzenz<br />
von Paul übertragen. Bald wurde der Tätigkeitsbereich der<br />
Volksküche in der Weise erweitert, daß nicht nur an die<br />
42<br />
italienischen Arbeiter, sondern auch allgemein an bedürftige<br />
Leute Speisen ausgegeben wurden. Die Küche war anfangs in<br />
verschiedenen Gebäuden der Stadt untergebracht, weitete<br />
sich aber derart aus, daß für sie eine Rechtsgrundlage gesucht<br />
werden mußte. Die Volksküche beschäftigte bei einer Ausweitung<br />
ihrer Aufgaben bis zu 30 Mädchen, die in der<br />
Hauswirtschaft ausgebildet wurden. Die zuständigen Stellen<br />
entschieden sich dafür, daß die Volksküche in ein Stift, das<br />
Josefinenstift, umgewandelt und die Trägerschaft dem<br />
Mutterhaus der Kongregation des hl. Vinzenz von Paul<br />
übertragen werden sollte. Dabei war man sich einig, daß die<br />
Zahl der Zöglinge aus Gründen einer guten Leistungsfähigkeit<br />
auf 25 beschränkt werden sollte. Nach der Übernahme<br />
des Josefinenstifts - im Volksmund allgemein »Klösterle«<br />
geheißen - durch die Kongregation lag die Verwaltung in den<br />
Händen des Provinzialmutterhauses in Heppenheim an der<br />
Bergstraße. Die Tätigkeit in der Mitwirkung der Schwester<br />
Oberin des Landesspitals war nunmehr abgelaufen. Inzwischen<br />
hatte sich auch die Tätigkeit der Vinzentinerinnen auf<br />
drei Hauptaufgaben ausgeweitet:<br />
1) Weiterführung der Volksküche<br />
2) Bildung eines Haushaltungsbetriebes mit Haushaltsschule<br />
3) Aufnahme von Pfründnern.<br />
Gerade die Haushaltungsschule wurde ein wichtiger Faktor<br />
der Einrichtung.<br />
Bei der vorwärtsdrängenden Entwicklung ergab sich die<br />
Notwendigkeit, ein neues Gebäude für die Anstalt zu errichten.<br />
So kam es zum 1. April 1884 zum Erwerb des heutigen<br />
Gebäudes des Josefinenstifts. 1934 kaufte das Mutterhaus für<br />
die Pensionäre der Anstalt das Schäfer'sche Haus oberhalb<br />
des Josefinenstiftes. 1936 konnte auch das Geschäfts- und<br />
Wohnhaus des Kaufmannes Friedrich Frick in der Antonstraße<br />
hinzugekauft werden. Trotz der räumlichen Entwicklung<br />
und der zahlreichen Neuerungen konnte der Raumbedarf<br />
den erhöhten Anforderungen nicht mehr genügen. Die<br />
Zeit drängte nach einer umfassenden Umgestaltung des Stiftes.<br />
So kam es zu dem großen, völlig neugestalteten Bau eines<br />
Altenheimes mit Pflegeheim neben dem bescheidenen Wohnhaus.<br />
Der Neubau des Altenheimes wurde 1972 bis 1973<br />
ausgeführt, im April 1973 bezogen und im Juni 1973 eingeweiht<br />
und offiziell eröffnet. Eine Entwicklung, die der<br />
Kongregation der Vinzentinerinnen zur Ehre gereicht 1.<br />
Das St. Michaelstift<br />
In unserer Schau auf das Wirken der Vinzentinerinnen in<br />
Sigmaringen verdient das St. Michaelstift eine eindrucksvolle<br />
Würdigung. Dabei steht allerdings zunächst die Vorgeschichte<br />
der baulichen Vorgängerin des Stiftes im Vordergrund.<br />
Wenn vom Michaelstift die Rede ist, erinnert man sich zuerst<br />
an die interessante geschichtliche Vergangenheit dieses denkwürdigen<br />
Erdenfleckens zwischen der Brauerei Zoller-Hof<br />
und dem Anstieg zum Klosterweg von der Gorheimer Straße<br />
aus. Die freundliche ansprechende Lage hat in der Vergangenheit<br />
immer wieder die Aufmerksamkeit der Heimatfreunde<br />
auf sich gezogen. Es muß um die Mitte des vorigen<br />
Jahrhunderts gewesen sein, als es Mode war, auch in nichtalpinen<br />
Regionen »schweizerisch« zu bauen. Damals übernahm<br />
ein reicher Mann namens Teufel aus dem Besitz des<br />
Kaufmanns Dopfer vom Hohenzollerischen Bataillon dessen<br />
»Hütte«, wie Dopfer es nannte, eben dieses ursprüngliche<br />
Schweizer Häuschen, von der Bevölkerung »Chalet«<br />
genannt. Zwei Pavillons gaben dem das Chalet umgebenden<br />
Gartengelände einen natürlichen, reizvollen Dekor. Jener<br />
Herr Teufel war offenbar sehr reich und weitgereist. Das<br />
Haus mußte prachtvolle Teppiche, Gemälde, Skulpturen und<br />
Möbel besessen haben. (Fortsetzung folgt)
JOHANN ADAM KRAUS<br />
Nächtlicher »Spuk« auf dem Heufeld<br />
Nach Bericht der Zimmerischen Chronik vom Jahr 1560 war<br />
es, auch nach Erlösung des Ringinger Schloßgeistes Kleinhans<br />
Schwelher, rings um den Ort und Heufeld »nicht ganz<br />
geheuer«. Sind doch dem Meßkircher Kaplan Hans Spindler<br />
auf dem Weg nach Salmendingen im Dunkeln vor Angst »die<br />
Haare gen Berg gangen und haben ihm den Huet ufgehebt« 1!<br />
Anders verhielt es sich freilich im Kriegsjahr 1944. Da<br />
erreichte mich im Januar fern im französischen Städtchen<br />
Guingamp in der Bretagne, wo ich im Büro des Oberstarztes<br />
Dr. Kopp als Mitglied der San. Kompanie 266 unter Feldpost<br />
56991 arbeitete, ein Brief der Kinder meines Bruders Klemens.<br />
Es war ein Bericht aus der Heimat Ringingen, die<br />
damals in den Schrecken und Überraschungen feindlicher<br />
Flieger in krassem Gegensatz zu meiner friedlichen Lage<br />
stand. Das Schreiben fiel mir beim Kramen in Dokumenten<br />
aus jener unruhigen Zeit wieder in die Hand. Es lautet:<br />
»Ringingen, den 8. Januar 1944. Lieber H. Vetter! Wir haben<br />
gerade ein Päcklein fertiggemacht, das Nachbars Josef<br />
Emele 2 nach Frankreich mitnehmen will. Heutnacht waren<br />
die englischen Flieger wieder hier. Sie haben mit Fallschirmen<br />
Männer abgesetzt auf Alt-Egert 3. Meinen Vater hat man um<br />
halbdrei Uhr aus dem Bett geholt und die Landwacht mußte<br />
ausrücken. Auch die Soldaten von der »Stellung« 4 draußen<br />
waren alarmiert, wie die Landwacht von Salmendingen. Die<br />
Abgesetzten haben sich gewehrt, einem wurde das Nasenbein<br />
durchschossen, so daß man ihn fangen konnte. Die anderen<br />
Abgesprungenen sind dagegen entkommen. Wie viele es<br />
waren, weiß man noch nicht. Unser Vater ist den ganzen Tag<br />
beim Suchen dabei. Einer der Engländer hat ihm und dem<br />
Steffelseffer ins Gesicht geleuchtet, doch geschah nichts. Die<br />
Fallschirme brachten mit den Männern auch Koffer und<br />
Schachteln mit Fleisch, Brot, Lebensmittelmarken und<br />
Papiergeld. Sie sollen sogar schwäbisch gesprochen haben.<br />
Man vermutet, sie hätten die (Luftabwehr-)Geräte auf dem<br />
Heufeld 5 in die Luft sprengen wollen, denn Sprengstoff<br />
hatten sie dabei. Christian (mein Bruder) wird noch weiter<br />
berichten über den Vorfall. Hoffentlich kommt das Päckle<br />
gut und schnell an. Viele Grüße von uns allen. Thea.«<br />
Mein Neffe Christian fügte auf Sonderblatt bei: »Als erstes:<br />
Glückliches Neues Jahr! Ich hörte heut Nacht die Flieger<br />
schon um halbzwei und schaute schnell aus dem Fenster. Sie<br />
flogen ganz niedrig über das Dorf hinweg. Etwas später<br />
wurde heftig an unser Fenster geklopft. Der Polizei (Gemeindediener)<br />
rief: Mein Vater müsse sofort aufstehen und mitziehen.<br />
Feindliche Soldaten seien mit Fallschirmen abgesprungen.<br />
Als sich die Männer gesammelt hatten, liefen sie Salmendingen<br />
zu, denn in dieser Richtung müsse die Absprungstelle<br />
sein. Da hörten sie denn auch bald schießen und fanden<br />
ziemlich bald einen mächtigen Fallschirm und dabei Koffer<br />
und Pakete. An der Stelle hatten schon Soldaten (wohl von<br />
der »Stellung« 3) einen Gefangenen gemacht, aber andere<br />
waren entkommen. Die Zahl derselben weiß man nicht. Der<br />
Mann hatte einen Nasenschuß und war bewußtlos. Man<br />
brachte ihn nach Salmendingen aufs Rathaus, der Vater ging<br />
auch mit. Der Mann hatte Zivilkleider an, einen nicht allzuschönen<br />
Hut auf dem Kopf und Tücher um die Füße<br />
gewickelt. Auch einen Wehrpaß, Soldbuch, Entlassungs-<br />
schein aus Karlsruhe, Eisernes Kreuz I. und II. Klasse, fünf<br />
Hemden und Krägen, dazu Berge von Lebensmittelkarten<br />
und Geld. Um Vi 6 Uhr, meinte unser Vater, es habe einer<br />
vom Monk (-Berg) und ein anderer vom Köbele (beide bei<br />
Salmendingen) heruntergeblinkt. Um 6 Uhr kam ein Mann<br />
zu uns ins Haus und gab mir den Auftrag, ich müsse die<br />
Koffer usw. holen, worauf ich die Pferde anspannte und<br />
losfuhr in Richtung Salmendingen. Unterwegs mußte ich ein<br />
Militärauto rausziehen, das im Schnee stecken geblieben war.<br />
Als ich an die Stelle kam, waren auch schon Militärwagen von<br />
der (Trochtelfinger) Haid da und nahmen die Koffer mit.<br />
Darin seien, hieß es, Sprengmaterial, Handgranaten, Spaten,<br />
Munition, Schuhe, Stoppuhr und noch einige Kleider. Gegen<br />
Morgen mußte unser Vater mit dem Steffelseffer nach Salmendingen<br />
hinein. Unterwegs zündete ihnen einer ins<br />
Gesicht. Der Seffer ging zurück um Verstärkung zu holen.<br />
Unser Vater blieb hinter einem Wehrstein sitzen. Aber nach<br />
einer Weile war vom Feind nichts mehr zu sehen oder spüren.<br />
Heute mußte nun alles, was laufen kann, auf die Suche, aber<br />
alles war vergebens: man fand niemand mehr. Auch die<br />
Kriminalpolizei war gleich dagewesen. Den Entkommenen<br />
muß man doch finden können, denn er mußte seinen Koffer<br />
mit allem zurücklassen, hat keinen Proviant und keine<br />
Schuhe. Die Koffer waren so schwer, daß ein Mann schwer<br />
daran zu schleppen hat. Dazu kam noch ein kleinerer und<br />
einige Schächtele, wie es scheint, alles von einem Fallschirm.<br />
Und es sollen doch zwei niedergegangen sein. Eben kam der<br />
Vater und sagte, der Gefangene sei ums Jahr 1933 (als<br />
Hitlergegner) aus Deutschland weggegangen, vielleicht ein<br />
Kommunist. An Geld wurden 5000 Mark gefunden und dazu<br />
ein Funkapparat. Es grüßt Dich nun Christian.«<br />
In einem Schreiben vom 13. Januar 1944 ist von Thea<br />
nachgetragen: »Der verunglückte Abspringer soll vor etwa 10<br />
Jahren aus Stuttgart-Feuerbach, weil mit der Partei nicht<br />
einverstanden, nach England gegangen sein. Man hat auch<br />
noch zwei vergrabene Fallschirme gefunden«.<br />
Im März darauf bekam ich Urlaub und konnte die Heimat<br />
besuchen. Wieder haben Männer des Dorfes die Gegend<br />
gegen Melchingen-Stetten durchsucht, denen ich mich neugierig<br />
anschloß. Es sei wieder einer vom Flugzeug abgesprungen.<br />
Aber wir fanden nichts, auch keinerlei Spuren im<br />
Schnee. Damals konnte ich noch nicht ahnen, daß ich die gute<br />
Mutter nicht mehr sehen würde, sondern im September als<br />
amerikanischer Kriegsgefangener über England-Schottland<br />
nach Amerika fahren würde und erst im Mai 1946 zurückkomme.<br />
Aber in der Heimat hieß es dann: den Gürtel enger<br />
schnallen!<br />
1 Hohenz. JHeft 1961, 71 f.<br />
2 J. Emele, ein lieber Altersgenosse und Jugendkamerad, der leider<br />
aus dem Krieg nicht mehr heimkehrte.<br />
3 Alt-Egert, Flur gegen Salmendingen an der Markungsgrenze.<br />
4 Die »Stellung«, eine militärische Anlage mit Besatzung und ca. 200<br />
Blitzmädels: Hohz. JHeft 1961, 182 f.<br />
5 Die verschiedenen Geräte auf dem Heufeld sind beschrieben: Note<br />
3.<br />
43
CASIMIR BUMILLER<br />
Zur Christianisierung der Vornamen<br />
Thesen und Erläuterungen<br />
In der Nr. 3/1980 dieser Zeitschrift hatte ich einen Artikel<br />
»Zur Christianisierung der Vornamen in der Grafschaft<br />
Zollern« veröffentlicht. In Nr. 2/1981 schrieb Herr Geistl.<br />
Rat W. Burth eine Entgegnung in scharfer Form. Da diese<br />
Entgegnung möglicherweise berechtigt war, aber vor allem,<br />
weil Herr Burth seine vernichtende Kritik auf sachlichen<br />
Unrichtigkeiten aufbaut, sehe ich mich genötigt, in aller<br />
Kürze meine Thesen zu stützen und zu erläutern.<br />
Verwirrung?<br />
1. Soweit meine Untersuchung quantitativ vorging, war sie<br />
rein sprachgeschichtlich/namengeschichtlich angelegt. Ich<br />
hatte definiert, was ich unter »Christianisierung« verstehen<br />
wollte - das Eindringen hebräisch-griechisch-lateinischer<br />
Namen in den Vornamenschatz des deutschen Sprachraums -<br />
und eine Deutung bewußt zurückgestellt. Sofern im Mittelalter<br />
deutsche Namen wie Konrad bewußt in Anlehnung an<br />
Heilige gegeben waren, zeigt dies nur, daß die Bauern sich<br />
zunächst solchen Heiligennamen zuwandten, die germanische<br />
Etymologie hatten. Ob sich jedoch alle bäuerlichen<br />
Konrads nach dem heiligen Bischof nannten, ist erstens nicht<br />
zu erweisen und zweitens auch unwahrscheinlich. Deshalb<br />
mußte ich mögliche deutsche Heiligennamen aus meiner<br />
quantitativen Untersuchung herausnehmen. Burth braucht<br />
mir also keine Unterlassung bzw. sprachgeschichtlich/geistesgeschichtliche<br />
Verwirrung vorzuwerfen, wo ich diese<br />
Einschränkung der Arbeit deutlich lesbar vorangestellt habe.<br />
2. Die Tatsache, daß im 14. Jahrhundert massenhaft fremdsprachliche<br />
Namen in unseren Sprachraum eindringen, erfordert<br />
unsere Aufmerksamkeit. Auch wenn Burth sagt, diese<br />
Namen seien schon lange keine fremden mehr gewesen - aus<br />
der biblischen Geschichte, aus Predigten und Heiligenleben<br />
waren sie längst jedem Bauern bekannt -, muß man doch<br />
fragen, warum sie erst jetzt in großem Maßstab den Kindern<br />
gegeben wurden und nicht etwa schon im 11. Jahrhundert,<br />
wo sie auch »schon lange« bekannt waren. Es ist doch wohl<br />
ein beträchtlicher psychologischer Unterschied, ob ich<br />
fremdländische Namen aus der Literatur kenne, oder ob ich<br />
sie bewußt meinen Kindern gebe; dies setzt eine Veränderung<br />
psychologischer und ideologischer Strukturen in meinem<br />
Innern voraus, ich identifiziere mich mit dem Namen. In<br />
diesem Zusammenhang ist es auch nicht unerheblich, daß<br />
ungefähr parallel zur Annahme christlicher Vornamen eine<br />
zweite Entwicklung ablief, die die persönliche Identität der<br />
Menschen betraf: die Entstehung der Familiennamen, ein<br />
Phänomen, dessen Zusammenhang m. W. noch nicht untersucht<br />
ist.<br />
Die Urkunden des Dominikanerinnenklosters Stetten (UDS)<br />
3. Meine namengeschichtlichen Befunde fußten für das Spätmittelalter<br />
hauptsächlich auf dem Bickelsperg'schen Lagerbuch<br />
von 1435 und auf den Urkunden des Klosters Stetten für<br />
das 14. Jahrhundert 1. Ich behauptete, die Christianisierung<br />
der Vornamen beginnt im Bereich der Grafschaft Zollern<br />
zwar schon im 13. Jahrhundert, aber eine Öffnung der<br />
breiten Massen (damit meine ich hauptsächlich städtische<br />
Unterschichten und die ländliche Bevölkerung) für die neuen<br />
Namen erfolgte erst nach 1350. Dies kritisiert Burth mit zwei<br />
Argumenten:<br />
- Man muß in Rechnung stellen, daß viele deutsche Namen<br />
christliche Bedeutung haben (Konrad, Adelheid, Mechthild),<br />
und da viele Menschen schon vor 1350 so getauft<br />
waren, erscheint dieses Datum nicht mehr als Grenze.<br />
44<br />
Wer A sagt, muß auch B sagen; so ging es jedenfalls der Schriftleitung mit der<br />
Kontroverse um den Aufsatz von Casimir Bumiller zur Christianisierung der<br />
Vornamen. Es ist klar, daß die nachfolgende Erwiderung von Herrn Bumiller<br />
auf die Ausführungen von Herrn Geistl. Rat Burth sich nicht mehr auf dem<br />
Boden der »Heimatgeschichte« bewegt. Auch wird manchem Leser die<br />
Angelegenheit zu »hoch« sein. Trotzdem möchten wir die Geschichte zu einem<br />
hoffentlich guten Ende bringen, denn es wurden bisher doch recht interessante<br />
Fragen angeschnitten.<br />
- Die UDS, auf denen ich meine Aussagen aufbaute, hält er<br />
ohnehin für nicht geeignet, um soziologisch differenzierte<br />
Aussagen zu machen, da sie aus ihrer spezifischen Charakteristik<br />
als Stiftungsurkunden sowieso nur besitzende<br />
Kreise repräsentiert.<br />
4. These: Die UDS sind als Quelle für unsere Fragestellung<br />
durchaus geeignet, und sie bestätigen meine Aussage: eine<br />
allgemeine Öffnung der Bevölkerung für die neuen Namen<br />
findet erst nach 1350 statt, nachdem führende oder gehobene<br />
Bevölkerungsschichten sich schon seit dem hohen Mittelalter<br />
nach Heiligennamen nennen.<br />
Die UDS verzeichnen etwa 700 Personennamen der Grafschaft<br />
Zollern aus der Zeit zwischen 1300 und 1400, das ist<br />
keine kleine Basis. Man kann also ablesen, wann wo fremde<br />
Namen erstmals auftreten. Eine soziologische Aufschlüsselung<br />
sollen sie allerdings nach Burth nicht zulassen? -<br />
Schauen wir uns doch eine typische solche Urkunde an:<br />
Nr. 62 - 1327 Nov. 16<br />
Ritter Burkart von Tierberg verkauft sein Gut zu Schlatt<br />
ans Kloster Stetten. Das Gut bauen Brüli und der Müller<br />
zu Weiler. Bürgen: Ritter Volkart von Owe und Konrad<br />
Schenk von Stauffenberg.<br />
Die Urkunde repräsentiert verschiedene Personengruppen:<br />
a) Käufer/Verkäufer (oder Stifter/Empfänger), b) Bürgen (oft<br />
auch zusätzlich Zeugen). Alle diese Gruppen gehören zu<br />
denen, die etwas haben, also zur besitzenden Klasse: in der<br />
Hauptsache Ortsadel, Ministerialen, städtische Bürger, ausnahmsweise<br />
auch einmal Großbauern vom Land. Bürgen und<br />
Zeugen sind in der Regel der Schicht entnommen, der der<br />
Stifter/Verkäufer angehört: also wieder dem Adel bis herab<br />
zur dörflichen Ehrbarkeit. Nun verzeichnen die Urkunden<br />
aber in der Regel noch eine weitere Personengruppe - und<br />
gerade sie hat Burth übersehen -: c) die Bauern, die auf den<br />
verkauften/gestifteten Gütern sitzen. Es sind also alle gesellschaftlichen<br />
Schichten, die die Grafschaft bevölkerten, in den<br />
Urkunden vertreten, und soziologische Differenzierungen<br />
sind sehr wohl möglich. Die Charakterisierung, die Burth<br />
von den Stiftungsurkunden gibt, stellt nur eine Teildefinition<br />
dar, weil sie ein wichtiges Merkmal unterschlägt, und ist nur<br />
geeignet, die Leser, die unsere Kontroverse verfolgen, zu<br />
meinem Schaden irrezuführen.<br />
Das angeführte Beispiel ist im übrigen kein Einzelfall. Nach<br />
diesem Muster sind 109 von 281 Urkunden aus der Zeit<br />
zwischen 1300 und 1370 angelegt. In diesen 109 Urkunden<br />
werden rund 190 Bauern namentlich genannt, davon rund<br />
130 bei ihrem Vornamen. Im selben Zeitraum sind in dieselben<br />
Urkunden Namen von 267 Grundbesitzern eingegangen<br />
(148 Adlige und 119 Bürgerliche). Niemand wird abstreiten<br />
wollen, daß dabei die 130 Bauernnamen zu einem soziologischen<br />
Vergleich antreten können. Sucht man nämlich jetzt<br />
unter all diesen Personen nach christlichen Namen (und ich<br />
meine jetzt solche mit fremdsprachlicher Etymologie), dann<br />
finden sich unter den 130 bäuerlichen Vornamen ganze 5 (ca.<br />
4%), unter den Grundbesitzern dagegen 45 (ca. 17%). Selbst<br />
wenn wir die deutschen Namen, die möglicherweise als<br />
Heiligennamen zu interpretieren sind, dazu addieren (Konrad,<br />
Adelheid, Mechthild usw.), dann erhöht sich zwar der<br />
Prozentanteil auf beiden Seiten noch einmal, aber der Vorsprung<br />
von Adel/Bürgertum gegenüber den Bauern bleibt<br />
ungefähr erhalten. Deshalb besteht kein Grund dazu, meine<br />
These, die Sitte, christliche Taufnamen zu geben, sei von<br />
niederem Adel/Ministerialität/Patriziat ausgegangen und
dann zeitlich versetzt sozial nach unten weitergegeben worden,<br />
umzuwerfen.<br />
Der >Schwarze Tod< 1347—1451<br />
5. Ich hatte vorgeschlagen, die Erklärung dieses Phänomens<br />
nach Besitzenden (Adel/Patriziat) und besitzlosen Unterschichten<br />
(hauptsächlich Bauern) zu trennen. Während die<br />
ersteren als die neue kulturtragende Gruppe diesen Brauch<br />
christlicher Namensgebung bewußt und aktiv propagiert<br />
haben, scheint das flache Land diese Sitte erst nach 1350<br />
massenhaft übernommen zu haben, und zwar unter einem<br />
von außen kommenden Einfluß, den ich im 'Schwärzen Tod<<br />
der Jahre 1347-1351 vermutet habe. Burth versucht diese<br />
These lächerlich zu machen: Vier Jahre könne keinen solchen<br />
Wandel verursacht haben.<br />
Welche kurz- und langfristigen Wirkungen hatte der Atombomben-<br />
Abwurf der Amerikaner über Japan 1945, welche<br />
Wirkungen der Sechs-Tage-Krieg zwischen Israel und Ägypten,<br />
welche Wirkungen die Schlacht von Solferino? Welche<br />
Wirkungen hatte der Erste Weltkrieg, der »nur« vier Jahre<br />
dauerte? Der Schwarze Tod herrschte auch nur vier Jahre<br />
über Europa, aber die Frage ist doch nicht, wie lange diese<br />
Epidemie dauerte, sondern wie intensiv die Pest auf soziale<br />
Verhältnisse und psychische Strukturen eingewirkt hat. Nun<br />
weisen zwar alle Autoren darauf hin, daß man die Seuche von<br />
1347-51 nicht allein sehen darf, sondern in die Reihe der<br />
zahlreichen Hungersnot-Seuche-Ketten des 14. und 15. Jahrhunderts<br />
stellen muß (Hungersnot um 1315, Pest um 1350,<br />
weitere Pestumzüge 1356, 1365, 1369/70, 1380, Hungersnot<br />
1438, Pest 1450 und 1460/62 3; für die Grafschaft Zollern sind<br />
zusätzlich belegt das Erdbeben von 1348, die Dürre und das<br />
Viehsterben von 1362, das Erdbeben und die Verwüstungen<br />
von 1372 4. Dennoch weisen alle Autoren darauf hin, und<br />
auch den zeitgenössischen Chronisten war dies bewußt, daß<br />
die Pest von 1347-51 aus allen anderen Seuchen qualitativ<br />
herausragt. Die Wirkungen waren so verheerend, daß sie nur<br />
noch mit denen des 30jährigen Krieges vergleichbar sind -<br />
und das in »nur« vier Jahren. Die Bevölkerungen Europas<br />
wurden im Schnitt um ein Drittel dezimiert, davon abhängig<br />
entstand eine langanhaltende Agrarkrise - Umwandlung der<br />
Landwirtschaft - Veränderung der soziologischen Struktur<br />
auf dem Land - stärkere Beziehungen Stadt/Land (Durchsetzung<br />
der Geldwirtschaft) - negative Auswirkungen auf kleine<br />
Grundherrschaften - Förderung der großen Herrschaften zu<br />
Landesfürstentümern 5. Dies sind nur die längerfristigen<br />
sozialen, wirtschaftlichen und politischen Auswirkungen.<br />
Was geschah aber mit den Menschen in diesen vier Jahren<br />
psychologisch? Es entstand eine ungeheure Angst, und zwar<br />
eine zweifach überlagerte: die Angst, geliebte Personen zu<br />
verlieren, selbst von der Pest befallen zu werden und nichts<br />
dagegen tun zu können, und dann die Angst, diese Epidemie<br />
sei eine Strafe Gottes für begangene Sünden. Dies förderte ein<br />
Bußbedürfnis, eine Unterwerfung unter Gottes nicht mehr<br />
genau erkennbaren Willen, die Formen annahm, welche<br />
selbst der Kirche übersteigert erschienen. Die Kirche wurde<br />
vielfach nicht mehr als Mittlerin vor Gott anerkannt, und<br />
selbst eine große Anzahl Priester lief zu den Geißlern über.<br />
Geißlerumzüge, Judenmorde (!), Bußfertigkeit, fromme Stiftungen<br />
waren die direkten Auswirkungen der Pest 6. Heiligenkulte,<br />
die natürlich schon seit Jahrhunderten gepflegt<br />
wurden, erfuhren direkt im Anschluß an die Pest einen<br />
mächtigen und sichtbaren Aufschwung, und wenn die christliche<br />
Namengebung im Zusammenhang mit der Heiligenverehrung<br />
steht, was wohl unbestritten ist, dann stellt die Pest<br />
von 1347-51 den Katalysator für die Öffnung breiter Volksmassen<br />
für die fremden Namen dar, denn während Adlige<br />
und Bürger Kapellen, Spitäler usw. stiften konnten, hatten<br />
die Bauern und Handwerker meist nur die Möglichkeit, zu<br />
Heiligen zu wallfahrten oder ihren Kindern Namen entspre-<br />
chender Heiliger zu geben, um sie vor weiteren zu erwartenden<br />
Epidemien, sprich Gottesurteilen zu bewahren. Dies war<br />
der äußere Zwang, dem die Bauern (deshalb in Anführungszeichen)<br />
»freiwillig« nachgaben 7.<br />
Burths Erklärung für die Durchsetzung christlicher Namengebung<br />
6. Für den Aufschwung echtreligiösen Lebens im 14. Jahrhundert<br />
führt Burth das Wirken der Franziskaner und Dominikaner,<br />
hier besonders der Mystiker an. Diese Feststellung<br />
hört sich unseren monokausal geschulten Ohren so richtig<br />
und plausibel an, daß man schon gar nicht mehr nachzuhaken<br />
wagt. Dennoch: Hat denn je in der Geschichte geistiges<br />
Einwirken auf Menschen (Predigt, verbale Erziehung, Propaganda<br />
usw.) direkt und ohne weiteres Ergebnisse gezeitigt?<br />
Verhaltensänderungen und Anschauungswandel stellen sich<br />
doch erst ein, wenn sich etwas in den materiellen Lebensgrundlagen<br />
verändert, was die Interessen und Einsichten<br />
verschiebt, oder wenn direkter oder indirekter Zwang ausgeübt<br />
wird. Die Preußen haben im 13. Jahrhundert nicht<br />
deswegen das Christentum angenommen, weil ihnen das<br />
Wort Gottes gepredigt wurde; ihre Naturreligion entsprach<br />
ihren agrarischen und sozialen Lebensverhältnissen viel besser,<br />
und sie unterwarfen sich dem Deutschen Orden doch nur<br />
unter dem Eindruck der »Schwertmission«, ohne ihre aus<br />
ihnen herausgewachsene Religion im Mittelalter jemals ganz<br />
aufzugeben. Oder: viele Beamte des Dritten Reichs sind nur<br />
deshalb »Nazis« geworden, weil ihnen Berufsverbot oder<br />
Schlimmeres gedroht hätte, nicht weil ihnen Goebbels'<br />
Geschwätz besonders imponierte. Oder: der Wandel unserer<br />
Bevölkerung hin zu mehr Umweltbewußtsein rührt nicht<br />
daher, daß Grüne und anders Farbige Vorträge halten und<br />
Broschüren verteilen, sondern daher, daß immer mehr Menschen<br />
sichtbar vor Augen tritt, welches Schindluder wir<br />
bisher mit der Natur getrieben haben: Umweltgruppen sind<br />
nur die Sprachrohre dieses Bewußtseins. Und das 14. Jahrhundert<br />
wurde nicht religiöser, weil Franziskaner und Dominikaner<br />
predigten, sondern weil vielen Menschen die Auswüchse<br />
geheuchelter Religiosität zum Himmel schrien; Bettelorden<br />
und Mystiker prangern nur an, was viele empfinden,<br />
sie sind nicht etwa die erklärende Ursache, sondern ihr<br />
Entstehen selbst ist erklärungsbedürftig.<br />
7. Die Mystik entstand aus einem Protest gegen unechte<br />
religiöse Motive und Handlungen (Simonie, Pfründenhäufung,<br />
Verweltlichung des Klerus) in der Amtskirche und in<br />
den Klöstern. Die Mystiker gebärdeten sich aber nicht sozialrevolutionär<br />
wie etwa die Kirchenkritiker Wicliff und Hus,<br />
sondern zogen sich auf ihre innere Begegnung mit Gott<br />
zurück. Diese Methode der Gottessuche versuchten sie in<br />
Schriften und Predigtreisen in deutscher Sprache dem Volk<br />
(was immer das sei) zu vermitteln. Nehmen wir an, der sei.<br />
Seuse (1295-1366), der gerade in den Jahren vor der großen<br />
Pest auf Predigtreise ging, hätte auch in Stetten/Hechingen<br />
gesprochen, was würde das erklären? Arno Borst, den Burth<br />
zitiert 8, beschreibt ja nicht nur das unablässige Wirken<br />
Seuses, sondern auch seine für ihn frustrierende Wirkungslosigkeit.<br />
Seine untergeordneten Brüder fanden ihn lächerlich,<br />
und die Kirchenleitung hielt Teile seiner Lehre für ketzerisch.<br />
(Es ist auch nicht so, daß sein Name »noch heute einen guten<br />
Klang« hätte, wie Burth schreibt, sondern eigentlich erst<br />
heute, da er doch erst in diesem Jahrhundert aus der Versenkung<br />
geholt wurde.) Was hätte dieser aufrichtige Mann mit<br />
seinen guten Absichten also mit einem Auftritt vor den<br />
<strong>hohenzollerische</strong>n Bauern bewirken können? In der Regel<br />
hörten die Menschen Predigten von dritt- und viertklassigen<br />
Priestern, deren Bildung und Ausbildung miserabel war und<br />
deren Lebenswandel oft nicht dem entsprach, was sie erzählten<br />
9. Und sie predigten die Furcht vor Gottes Strafe, weil sie<br />
selbst genügend Grund hatten, sie zu fürchten. Übrigens<br />
45
sprachen auch die Mystiker nicht nur von »Gottesminne«;<br />
Burth unterschlägt, daß diese Gottesliebe im System des<br />
mystischen Denkens ja gerade Gottes Zürnen vorbeugen<br />
sollte. Also auch hier die Angst vor Gottes Zorn. Wenn also<br />
die Mystik hier als miterklärender Faktor herangezogen<br />
werden kann, dann insofern, als sie im Chor mit anderen<br />
Predigern die Saat auswarf, die dann beim nächsten existenzbedrohenden<br />
Anlaß aufgehen sollte. Und dieser Anlaß war<br />
immer schon hier und da eine lokale Hungersnot, ein Erdbeben<br />
oder eine Seuche, zuletzt aber, alle Schichten, alle<br />
Regionen und Länder gleich betreffend, die große Pest um<br />
1350.<br />
Religiöse Vertiefung?<br />
8. Als Beispiel für echtreligiöse Vertiefung im 14. Jahrhundert<br />
führt Burth die Mystik an. Damit hat er recht; sie ist<br />
allerdings auch das einzige Beispiel. Die Mystik ist insofern<br />
religiöse Vertiefung, als sie den Blick nach innen wendet,<br />
somit den Gottesbegriff und die Gottessuche abstrakter faßt.<br />
Sie nimmt damit bestimmte Spielarten des Protestantismus<br />
vorweg. Die zweite Protestbewegung gegen Verweltlichung<br />
und Falschheit des Klerus (Ockham, Wicliff, Hus) stellt sich<br />
zwar ähnlich wie die Mystiker in ihrer Kirchenkritik abseits<br />
der Kirche, geht aber nicht in die Tiefe und nicht in die<br />
Abstraktion, sondern kann sogar in ihren Sozialrevolutionären<br />
Lehren auf Bauern und Kleinbürger wirken (Hussitenkriege)<br />
und nimmt so auf ihre Weise ebenfalls die Reformation<br />
vorweg. Die Amtskirche schließlich ist - wenn vertieft -<br />
dann in ihre konkreten Verwaltungsaufgaben, sonst aber in<br />
belanglose Diskussionen. Und der niedere Klerus, der den<br />
Sittenverfall der Amtskirche ausnützt, hat in aller Regel<br />
schon gar keine Tiefe mehr 10.<br />
Und die »Volksfrömmigkeit« der breiten Massen? Ich sehe<br />
keinen besonderen Einfluß der Mystiker auf das Frömmigkeitsgebaren<br />
der Bauern, schon gar keinen monokausalen,<br />
wie Burths Formulierungen andeuten. Wenn die Mystik<br />
gewirkt hat, dann auf bestimmte Gruppen aus Patrizier-,<br />
Bürger- und Adelskreisen, hier wiederum besonders auf<br />
Frauen 11 - gebildete Frauen waren es ja auch, die die Mystik<br />
begründet hatten. Die Volksfrömmigkeit dagegen korrespondiert<br />
viel eher und viel direkter mit den Lehren und<br />
Angeboten der offiziellen Kirche und entspricht ihr im<br />
Niveau. Es geht dabei um sehr konkrete, sinnliche und<br />
handfest materielle Interessen 12, in der das ewige Leben<br />
gegen Geld portionsweise ausgegeben wird.<br />
Die »Volksfrömmigkeit«, die durch alle Handbücher geistert,<br />
steht für die religiöse Vertiefung des 14./15. Jahrhunderts,<br />
dabei erhebt sich doch erst die Frage, wie religiös im<br />
christlichen Sinn dieses »Volk« war; ist die christliche<br />
Namengebung, die hier anhebt, überhaupt Kennzeichen<br />
christlicher Religiosität? Was wissen wir überhaupt von<br />
diesem »Volk«, das vielleicht 80% der Bevölkerung ausmachte,<br />
mit dem sich aber noch kaum jemand näher befaßt<br />
hat?<br />
Zur Zivilisation des Abendlandes 13<br />
9. Die Entwicklung der abendländischen Gesellschaften ist<br />
gekennzeichnet von einer zunehmenden Ausgrenzung der<br />
Natur aus dem Lebensraum, den wir ihr abgetrotzt haben,<br />
die geordneten und kontrollierten Verhältnisse dieses<br />
Lebensraums wie auch den Lebensraum selbst nennen wir<br />
Zivilisation. Wir schotten uns gegen die äußere Natur durch<br />
Ortsetter und noch mehr durch Stadtmauern ab. Innerhalb<br />
der Mauern sind wir kultiviert, draußen droht die Wildnis.<br />
Nicht nur die äußere Gestaltung des öffentlichen Lebens<br />
nimmt zivile Formen an, auch das Verhalten, das Fühlen und<br />
Empfinden der Menschen wird nach und nach »gesittet«,<br />
»beherrscht«, »zivilisiert«. Auch die innere Natur wird<br />
zuerst ausgegrenzt und dann eingedämmt. Äußerungen der<br />
46<br />
menschlichen Natur, voran die Sexualität, werden verdrängt.<br />
Aggressive Haltungen werden dem Ideal nach gebändigt. Die<br />
ersten »Knigge« der höfischen Gesellschaft entstehen im<br />
Hochmittelalter; in ihnen wird erstmals kodifiziert, was uns<br />
noch als höflich (d. i. >höfisch
Elemente wurden den Menschen unter dem Eindruck der<br />
harten Strafandrohung zwar nach und nach als sündhaft<br />
bewußt, dennoch hielten sich heidnisch-religiöse Handlungen<br />
und Denkansätze in breiten Kreisen und in vielen Regionen<br />
bis ins 16. und 17. Jahrhundert. Der italienische Müller<br />
Menocchio benutzt christliche Namen, Denkmuster und<br />
Terminologien, um den staunenden Klerikern seine heidnisch-phantheistische<br />
Weltanschauung dazulegen (wofür er<br />
im Jahr 1600 verbrannt wird) 16. Die Bewohner einer bayerischen<br />
Gemeinde des 17. Jahrhunderts wählen aus dem Angebot<br />
christlicher Vornamen solche aus, deren Legende und<br />
Funktionen den Bedürfnissen ihrer agrarischen Existenz am<br />
nächsten kommen und die noch die gleichen sind wie im<br />
frühen Mittelalter 17. Die wenigen Untersuchungen zu diesem<br />
Problem geben erst einen kleinen Einblick, aber sie deuten die<br />
Spitze eines Eisbergs an, vor allem zeigen sie, wie fraglos wir<br />
bisher mit dem Wort »Volksreligiosität« umgegangen sind.<br />
12. Wozu dieser ausladende Exkurs, wo es doch nur um die<br />
Vornamen der Grafschaft Zollern im Spätmittelalter geht? Es<br />
geht darum, vereinfachende Deutungen historischer Abläufe,<br />
wie sie Burth vorschlägt, zu vermeiden 18. Nach ihm entstand<br />
im 14. Jahrhundert in den Menschen (in allen Schichten<br />
gleichermaßen) ein Bedürfnis echter religiöser Erneuerung.<br />
Dieses Bedürfnis drückt sich in den verschiedensten Frömmigkeitsbezeugungen<br />
aus und findet seinen Niederschlag<br />
u. a. in der Zunahme christlicher Vornamen. Zu erklären ist<br />
diese Religiosität durch das Wirken der Bettelorden und der<br />
Mystik. Dies ist eine Beschreibung, wie sie nur noch in<br />
Handbüchern der Kirchengeschichte und (leider auch) in<br />
Schulbüchern zu finden ist; Geschichte ist so verkürzt auf die<br />
einfachsten Denkmuster monokausaler Verknüpfung. Kein<br />
Wort über den sozialen und wirtschaftlichen Rahmen des<br />
Spätmittelalters, keine Frage nach mitbeeinflussenden Faktoren,<br />
kein Blick für gleichzeitig ablaufende Entwicklungen,<br />
die ebenfalls Gegenstand der Kirchengeschichte sind. Ist<br />
denn die »Volksfrömmigkeit« mit ihren Wallfahrten,<br />
Reliquien, Stiftungen, Bruderschaften usw. usw. schon alles,<br />
was die Krichengeschichte des Spätmittelalters ausmacht?<br />
Wenn man die Handbücher der Kirchengeschichte betrachtet:<br />
ja. Geht es nach ihnen, dann hat etwa die Entstehung des<br />
Hexenwahns nichts mit der Kirche zu tun: entsprechende<br />
Kapitel fehlen 19. Betrachtet man dagegen Quellensammlungen<br />
zum Hexenglauben 20, dann wird schnell deutlich, daß er<br />
ein wichtiges Problem der Kirchengeschichte ist. Auch Hexenglaube<br />
und -Verfolgung als eine Form spätmittelalterlicher<br />
Frömmigkeit: die Kehrseite der Medaille 21. Es geht nur<br />
darum zu zeigen, was Wappen und Zahl miteinander zu tun<br />
haben.<br />
Wappen und Z.ahl machen die Medaille<br />
13. Daß es sich um zwei Seiten einer Medaille handelt, zeigt<br />
sich zunächst in der Parallelität der Entwicklung. In derselben<br />
Zeit, in der sich christliche Namengebung massenhaft<br />
durchsetzt, erfolgt auch die Erweiterung des Ketzerprozesses<br />
zum Hexenprozeß. Zum andern sind dieselben kirchlichen<br />
Autoritäten, die den Hexenglauben propagieren, die eifrigsten<br />
Förderer frommer Kulte. Das prominenteste Beispiel am<br />
Abschluß beider Entwicklungen sind die beiden Dominikaner-Inquisitoren<br />
für Deutschland Institoris und Sprenger:<br />
zum einen fördern sie erneut den Marienkult, zum andern<br />
setzen sie endgültig die Hexenverfolgung durch (1487). Man<br />
braucht nicht Freud gelesen zu haben, um den zugrundeliegenden<br />
psychischen Mechanismus dieser Polarität zu erkennen:<br />
die beiden Dominikaner strengster asketischer Haltung<br />
spalten die reale Frau, die ihnen in Köln über den Weg läuft,<br />
auf in die hehre, untadelige, geschlechtslose (jungfräulich<br />
gebärende) und deshalb makellose Himmelsfürstin, die zu<br />
verehren ist, und in das niedrige, Männer verführende »Gefäß<br />
der Sünde«, das immer schon potentielles Werkzeug des<br />
Höllenfürsten ist. Die Verdrängung der eigenen Sexualität<br />
forderte nun die »Verdrängung« der Frau schlechthin, die<br />
einen an die Sexualität erinnerte. Die gewaltsame Unterdrükkung<br />
menschlicher Natur im Innern verwandelte sich in<br />
Aggression nach außen, das innere Feuer der verdrängten<br />
Begierde wurde zum Feuer der Scheiterhaufen.<br />
14. Wir haben es mit zwei scheinbar ganz verschiedenen<br />
Dingen zu tun: zum einen mit einer positiven Erneuerung<br />
religiösen Lebens, zum andern mit einer religiös motivierten<br />
Verfolgung von Menschen, deren Beschreibung als »Ausrutscher«<br />
der Geschichte auf die >Giftschränke< der Bibliotheken<br />
verwiesen wird. Wenn es sich bei beiden Entwicklungen um<br />
die dialektisch zusammenhängenden Seiten einer einzigen<br />
Medaille handeln soll, dann müssen wir den gemeinsamen<br />
Ursprung beider aufdecken, und wir haben ihn bereits<br />
genannt. Das christliche Abendland hatte seine innere und<br />
äußere Natur verdrängt und mit ihr die Naturreligion der<br />
germanischen Bauern. Nun existiert aber so etwas wie ein<br />
»psychologischer Energieerhaltungssatz«. Man kann nicht<br />
Energien, die die menschliche Existenz mitkonstituieren und<br />
-definieren, einfach ausschalten. Man kann sie unterdrücken<br />
und verdrängen - mit der Folge, daß sie in einer Kompromißformel<br />
wiederkehren oder ganz unkenntlich auf anderem<br />
Gebiet ihr Unwesen treiben oder sonst unter irgendeiner<br />
Narrenkappe hervorlugen und uns foppen. Man kann auch<br />
nicht kompromißlos bäuerliche Naturreligion ausrotten,<br />
solange sich die bäuerliche Existenzweise im Wesen nicht<br />
verändert. Nach der Psychoanalyse kehrt das Verdrängte im<br />
Verdrängenden immer in irgendeiner Weise wieder. Und so<br />
ist dem kritischen Auge im Frömmigkeitsgebaren des Spätmittelalters<br />
überall der heidnische Kern sichtbar, wenn er<br />
auch im christlichen Gewand auftritt. Warum sollte die<br />
Anbetung eines germanischen Hausdämons wegen eines<br />
Hexenschusses Aberglaube sein, die Anbetung des hl. Blasius<br />
wegen eines Blasenleidens (St. Blasius ist selbstverständlich<br />
neben den Halsleiden auch für die Blase zuständig, auch<br />
wenn es Herr Burth nicht wahrhaben will 22) dagegen eine<br />
christliche Gebärde? Der Bauer gewöhnt sich mit der Zeit<br />
gerne an die neuen Namen, wenn er die alten Verhaltensweisen<br />
beibehalten darf.<br />
15. Nicht anders wie mit der bäuerlichen Religion verhält es<br />
sich auch mit der inneren Natur. Alles Geschlechtliche war<br />
verteufelt worden, und man benutzte die dämonisierten<br />
Gestalten der alten Götter, um diesem Teufel jene Fratzen zu<br />
geben, die wir an den Kapitellen und Friesen der romanischen<br />
Kirchen finden. Die Sexualität, die erst in der Verdrängung<br />
zum Teufel wird, wird uns eines Tages aber in Gestalt der<br />
Schlange oder eines anderen Tieres heimsuchen. Die Kirchengemälde<br />
des späten 14. und frühen 15. Jahrhunderts<br />
stellen diese Unwesen eindrucksvoll dar. Schließlich aber<br />
erkennt man den Teufel gar nicht mehr im eigenen Leib, man<br />
projiziert ihn nach außen: auf die Frau. So tritt in den<br />
Gemälden des 15. und 16. Jahrhunderts die Versuchung meist<br />
in Gestalt von Frauen auf (Darstellungen des hl. Antonius).<br />
Von der Aggression, in die sich die verdrängte Sexualität<br />
verwandelt hat, sind jetzt besonders solche Frauen betroffen,<br />
die sich geschlechtliche Freizügigkeit erlaubten und/oder<br />
altes Wissen um die geheimen Dinge in der Natur bewahrt<br />
haben. Sie ergeben so das Bild der spätmittelalterlichen Hexe.<br />
Aber es kam nicht gleich und selbstverständlich zur Hexenverfolgung;<br />
der Hexenglaube verkehrte erst im 15. Jahrhundert<br />
eine alte kirchliche Regel endgültig in ihr Gegenteil.<br />
Während der Canon Episcopi, der die Haltungen von Regino<br />
von Prüm (907) und Burkard von Worms (um 1020)<br />
bestimmte, vorsah, daß der Hexenglaube im Volk ausgerottet<br />
werden sollte (wer daran glaubte, sollte büßen, wer andere als<br />
Hexen bezichtigte, wurde bestraft), wird seit dem 13. Jahr-<br />
47
Verlag: <strong>Hohenzollerischer</strong> Geschichtsverein<br />
Karlstraße 3, 7480 Sigmaringen<br />
W <strong>3828</strong> FX<br />
Postvertriebsstück. Gebühr bezahlt.<br />
hundert der Klerus zunächst vom Teufelsglauben (Ketzerverfolgung)<br />
und seit dem späten 14. Jahrhundert mehr und mehr<br />
vom Hexenwahn eingeholt (wer nicht an die Existenz der<br />
Hexen glaubte, wurde jetzt bestraft). In der Bulle Innozenz'<br />
VIII. »Summis desiderantes« wurde dann die Hexenverfolgung<br />
von höchster Stelle sanktioniert (ob es sich dabei im<br />
kanonistischen Sinn um ein Dogma handelte, ist mir in<br />
diesem Fall gleichgültig, da die Bulle doch 250 Jahre lang wie<br />
ein Dogma wirken konnte) 23.<br />
Wenn wir von der Frömmigkeit des Spätmittelalters reden,<br />
dann müssen wir auch diese ganz und gar unfromme<br />
Geschichte miteinbeziehen; sie ist die dialektische Kehrseite<br />
der Medaille. Und in diesen Gesamtzusammenhang muß<br />
auch die Christianisierung der Vornamen gestellt werden,<br />
auch wenn es sich nur um den Befund eines so kleinen<br />
Territoriums wie der Grafschaft Zollern handelt. Aus diesem<br />
Zusammenhang heraus konnte ich formulieren, daß sich die<br />
Kirche und Gesellschaft des Spätmittelalters im Gewand<br />
christlicher Namen zu einem ganz unheiligen Kreuzzug<br />
aufmachte. Wir müssen beides zusammen sehen. Denn wenn<br />
wir eine Münze finden, gehören uns Wappen und Zahl, wir<br />
können nicht die schmutzigere Häfte einfach liegenlassen.<br />
Anmerkungen<br />
1 F. Haug/J. A. Kraus: Die Urkunden des Dominikanerinnenklosters<br />
Stetten im Gnadental. In: Beilage zum Hohenz. Jahresheft<br />
1955 ff.<br />
2 In den Nr. 159 u. 160, 189, 250, 274, 278.<br />
3 W. Abel: Die Wüstungen des ausgehenden Mittelalters. Stuttgart<br />
31976, S. 90 ff.<br />
4 Chronik der Stadt Hechingen.<br />
5 Hierzu ist Abels Buch (s. Anm. 3) die grundlegende Lektüre.<br />
6 B. I. Zaddach: Die Folgen des Schwarzen Todes (1347-51) für den<br />
Klerus Mitteleuropas. Stuttgart 1971, S. 70 ff.<br />
7 Wenn Burth in diesem »freiwillig« eine Verdächtigung sieht,<br />
entspricht dies eher seinen Projektionen als meinen Absichten.<br />
Andererseits wäre ja der Verdacht, die Kirche hätte direkten<br />
Zwang ausgeübt, nicht allzu weit hergeholt, oder?<br />
8 A. Borst: Mönche am Bodensee. Sigmaringen 1978, S. 246ff.<br />
9 Braun: Der Klerus des Bistums Konstanz im Ausgang des Mittelalters.<br />
Münster 1938, S. 48, 79ff., llOff.<br />
10 Romano/Tenenti: Die Grundlegung der modernen Welt. Spätmittelalter,<br />
Renaissance, Reformation (= Fischer Weltgeschichte Bd.<br />
12), S. 80 ff.<br />
11 Wie Anm. 8.<br />
12 Romano/Tenenti, a.a.O., S. 105.<br />
13 Vor allem N. Elias: Uber den Prozeß der Zivilisation. Soziogenetische<br />
und psychogenetische Untersuchungen. 2 Bde. Frankfurt<br />
1976 (stw 158/159).<br />
HOHENZOLLERISCHE HEIMAT<br />
hrsggbn. vom Hohenz. Geschichtsverein.<br />
Die Zeitschrift »Hohenzollerische Heimat«<br />
ist eine <strong>heimat</strong>kundliche Zeitschrift. Sie will<br />
besonders die Bevölkerung in Hohenzollern<br />
und der angrenzenden Landesteile mit der<br />
Geschichte ihrer Heimat vertraut machen. Sie<br />
bringt neben fachhistorischen auch populär<br />
gehaltene Beiträge.<br />
Bezugspreis: 6,00 DM jährlich.<br />
Konten der »Hohenzollerischen Heimat«:<br />
802507 Hohenz. Landesbank Sigmaringen<br />
12363-707 Postscheckamt Stuttgart<br />
Druck: M. Liehners Hofbuchdruckerei KG,<br />
7480 Sigmaringen, Karlstraße 10.<br />
48<br />
Die Autoren dieser Nummer:<br />
HERRM/FRAU/FRAEULE IN 12 00 1605<br />
12 13<br />
2EK.ORN HEINZ<br />
AMTSRAT<br />
KARLSTRASSE 18<br />
7480 SIGMAHINGEN 1<br />
Dr. Eckart Hannmann<br />
LDA Bau- und Kunstdenkmalpflege<br />
Schönbuchstraße 14<br />
7400 Tübingen-Bebenhausen<br />
Dr. Wolfgang Irtenkanf<br />
An der Lehmgrube 35, 7257 Ditzingen<br />
Diego Häußel, 7487 Gammertingen<br />
Pfr.J. A. Kraus, Erzbisch. Archivar i. R.<br />
Badstraße 8, 7800 Freiburg<br />
Johann Wannenmacher, Schulrat d. R.<br />
Eichertstraße 9, 7487 Gammertingen<br />
Josef Mühlebach, Landesverw.rat a. D.<br />
Leopoldstraße 41, 7480 Sigmaringen<br />
Casimir Bumiller<br />
Freiburger Straße 5, 7801 Norsingen<br />
14 Diese Forschung geht vor allem von Frankreich aus. J. Le Goff:<br />
Culture cléricale et traditions folkloriques dans la civilisation<br />
mérovingienne. In: Annales ESC XXII (1967); Hauteclocque:<br />
Agriculture et réligion. In: Annales ESC XXIII (1968).<br />
15 Hermening: Superstitio. Göttingen 1979.<br />
16 C. Ginzburg: Der Käse und die Würmer. Die Welt eines Müllers<br />
um 1600. Frankfurt 1979.<br />
17 Hörger: Agrarische Grundlagen und Dorfreligion. In: Zs. d.<br />
Bayer. Landesgesch. 36 (1976).<br />
18 Burth sah in den Ausführungen meines Aufsatzes unter Kap. 5 nur<br />
noch einen »Rundschlag«, dessen Polemik ihm aufstieß, während<br />
er der Sache nicht folgen konnte. Hier scheint also offensichtlich<br />
die Schwachstelle meiner Arbeit zu liegen, eine Kritik, die ich<br />
vollständig annehme. Deshalb die ausführlichen Erläuterungen.<br />
19 Stellvertretend für alle jüngeren Handbücher der Kirchengeschichte<br />
z. B. Die Kirche in ihrer Geschichte. Hrsg. v. K. D.<br />
Schmidt und E. Wolf. Bd. II (1. Teil): B. Möller: Spätmittelalter.<br />
Göttingen 1966.<br />
20 J. Hansen: Quellen und Untersuchungen zur Geschichte des<br />
Hexenwahns und der Hexenverfolgung im Mittelalter. Bonn 1901<br />
(Neudruck Hildesheim 1963).<br />
21 In diesem Sinn auch W. Andreas: Deutschland vor der Reformation.<br />
Eine Zeitenwende. Stuttgart'1959, S. 196 ff. In diesem Werk<br />
ist übrigens bereits vieles von dem formuliert, was ich gesagt habe.<br />
In dem Zusammenhang könnte noch auf das Meisterwerk von /.<br />
Huizinga: Herbst des Mittelalters. Stuttgart 91965, hingewiesen<br />
werden, der besonders eindrücklich die aus einer Quelle gespeiste<br />
Polarität der spätmittelalterlichen Frömmigkeit beschreibt (Kap.<br />
XII-XIV).<br />
22 W. Andreas, a. a. O., S. 160; Hörger, a. a. O.<br />
23 Beängstigend ist das literarische Schweigen der Kirche zu dieser<br />
ihrer Geschichte, weil damit eben nichts bewältigt wird. Sie<br />
praktiziert hier eine mehrfach überlagerte Verdrängung: Zunächst<br />
verdrängte sie einen Teil der menschlichen Natur, dan verdrängte<br />
- sprich vernichtete - sie jene, die dieser Verdrängung widerstanden,<br />
und heute verbannt sie die Geschichte dieser Verfolgung<br />
obendrein aus ihren Handbüchern.<br />
Mit Wirkung vom 1.4. 1981 ist Herr Dr. Kaufhold von seiner<br />
langjährigen, verdienstvollen Tätigkeit als Direktor der<br />
Fürstl. Hofbibliothek und derFürstl. Sammlungen altershalber<br />
entbunden worden.<br />
Als seinen Nachfolger hat Friedrich Wilhelm Fürst von<br />
Hohenzollern Herrn Peter Kempf, Sigmaringen, bisher wissenschaftlicher<br />
Mitarbeiter beim Staatsarchiv in Sigmaringen,<br />
mit der Leitung und Verwaltung der Fürstl. Hofbiliothek<br />
sowie der Fürstl. Sammlungen bestellt.<br />
Beide Einrichtungen bleiben im bisherigen Umfang für die<br />
Allgemeinheit nutzbar.<br />
Schriftleitung:<br />
Dr. med. Herbert Burkarth,<br />
7487 Gammertingen (Telefon 07574/2329)<br />
Die mit Namen versehenen Artikel geben die<br />
persönliche Meinung der Verfasser wieder;<br />
diese zeichnen für den Inhalt der Beiträge<br />
verantwortlich. Mitteilungen der Schriftleitung<br />
sind als solche gekennzeichnet.<br />
Manuskripte und Besprechungsexemplare<br />
werden an die Adresse des Schriftleiters erbeten.<br />
Wir bitten unsere Leser, die »Hohenzollerische<br />
Heimat« weiter zu empfehlen.
HOHENZOLLERISCHE<br />
HEIMAT<br />
Herausgegeben vom<br />
W <strong>3828</strong> FX<br />
Hohenzollerischen Geschichtsverein<br />
31. Jahrgang Nr. 4 / Dezember 1981<br />
Besuch des Kaisers Wilhelm II. in Sigmaringen am 22. September 1910. SM in der Kutsche, Bürgermeister Dr. Reiser spricht die<br />
Begrüßungsworte, hinter ihm der Stadtrat. Ganz links im Bild das alte Rathaus. Für die Überlassung der Fotos Herrn H. J. Dopfer herzlichen<br />
30 Jahre Heimatpflege.<br />
Die »Hohenzollerische Heimat« an der Schwelle zum vierten Jahrzehnt<br />
Der Hohenzollerische Geschichtsverein kann sich zu den<br />
ganz seltenen Vereinen zählen, die neben einem reichen<br />
Programm an Vortrags- und Exkursionsveranstaltungen<br />
ihren Mitgliedern und Beziehern zwei periodische Publikationen<br />
bieten: die als Jahresgabe bestimmte »Zeitschrift für<br />
Hohenzollerische Geschichte« und die »Hohenzollerische<br />
Heimat«.<br />
Die »Hohenzollerische Heimat« erschien im 1. Jahrgang mit<br />
der 1. Nummer im Januar 1951, seither folgten Quartal für<br />
Quartal jährlich vier Hefte. Es ist dies als hervorragende<br />
Leistung anzusprechen, fanden sich doch in den zurückliegenden<br />
drei Dezennien immer wieder Schriftleiter und Autoren,<br />
die unentgeltlich und uneigennützig die Geschäfte der<br />
Redaktion erledigten oder ihre Aufsätze beisteuerten.<br />
Der Verein übernahm die Trägerschaft, weil er sich über den<br />
Rahmen der Geschichte im engeren Sinne hinaus der Heimatpflege<br />
des Zollerlandes verpflichtet fühlte und fühlt. Dekan<br />
Nikolaus Maier umriß im Januar 1951 als seinerzeitiger<br />
Vorsitzender die Aufgaben und zählte als Bereiche auf, die zu<br />
behandeln seien: »Bodenfunde, Erdfälle, Geschichte und<br />
Kunst, alles, was für die Natur und Kultur unseres Landes<br />
von Interesse ist«. Es war also an ein Programm der Heimatpflege<br />
und der Landeskunde gedacht.<br />
Druck und Verlag, also auch das wirtschaftliche Risiko,<br />
übernahm Druckereibesitzer Sebastian Acker in Gammertingen.<br />
Dies wurde von der Buchdruckerei Acker über zwei<br />
Jahrzehnte durchgehalten.<br />
Mit Respekt darf man feststellen, daß allen Widrigkeiten zum<br />
Trotz dieses Programm eingehalten worden ist. Dies ist in<br />
erster Linie den Schriftleitern zu verdanken. Volle 15 Jahre<br />
bis Ende 1965 trug der Schulmann Josef Wiest die Geschäfte<br />
der Schriftleitung, ihm folgten zunächst seine Berufskollegen<br />
Fritz Schoder (1966—1967) und Gerhard Deutschmann<br />
(1968-1969), dann als Redaktionsausschuß ab 1970 Konrek-
tor Hubert Deck und der Journalist Walther Frick. Zu diesen<br />
beiden gesellte sich ab 1972 als neuer Schriftleiter Dr. med.<br />
Herbert Burkarth, der diese Aufgabe noch immer trägt, in<br />
den letzten Jahren allein bzw. von kundigen Helfern wie<br />
Pfarrer Manfred Hermann oder Karl Werner Steim unterstützt.<br />
Wer weiß, wie selten heutzutage ehrenamtliche Verpflichtungen<br />
übernommen werden, der kann nur mit Dank die<br />
Leistungen all der genannten und ungenannten Betreuer<br />
unserer Publikation würdigen. Solchen Dank haben sich auch<br />
die Autoren verdient. Wer die Hefte der vergangenen Jahrzehnte<br />
durchblättert, stößt auf manchen bekannten Namen<br />
längst Verstorbener. Michael Walter, Albert Waldenspul,<br />
Maximilian Schaitel oder Johannes Maier wären zu nennen.<br />
Wenigstens zwei Autoren aus dem ersten Jahrgang erfreuen<br />
sich noch heute ihrer Schaffenskraft, es sind dies Johann<br />
Adam Kraus und Josef Mühlebach, bald stießen andere<br />
Verfasser hinzu, ohne daß es möglich wäre, sie hier namentlich<br />
zu nennen und zu würdigen.<br />
Es wird einmal reizvoll sein, die Verfasser aus der »Hohenzollerischen<br />
Heimat« zu erfassen und soziologisch zu gliedern.<br />
Man wird dabei auf Bildungskreise stoßen, die einst die<br />
Landeskunde und Heimatpflege getragen, heute sich aber fast<br />
OTTO H. BECKER<br />
ganz daraus zurückgezogen haben; Pfarrer und Lehrer fallen<br />
dabei als erste auf.<br />
Aus den vielen behandelten Themen ließen sich ebenfalls<br />
zeittypische Gruppierungen bilden, wenn etwa der Häufigkeit<br />
der Artikel über Geologie, Pflanzenwelt oder Namenskunde<br />
nachgespürt würde. Sicher ergeben sich dabei Wechselbeziehungen<br />
zwischen der Autorenschaft und den Wissenszweigen.<br />
An diesen Fragestellungen mag sichtbar werden,<br />
daß eine Zeitschrift wie die »Hohenzollerische Heimat«<br />
selbst zur Forschungsgrundlage werden kann. Im Vordergrund<br />
aber muß die Würdigung des Dienstes an der jeweiligen<br />
Gegenwart stehen. Wie es der Name ausdrückt, ist es hier<br />
ein Dienst an der Heimat im Sinne der umfassenden Heimatpflege.<br />
Dafür sollte man dem Hohenzollerischen Geschichtsverein<br />
als Träger, vor allem aber den uneigennützigen Betreuern,<br />
Helfern und Autoren die gebührende Anerkennung<br />
zollen, aber wohl keinem mehr als Pfarrer Johann Adam<br />
Kraus, der mit beispiellosem Engagement und bewundernswerten<br />
Sachkenntnissen jahraus jahrein Artikel beigesteuert<br />
und die »Hohenzollerische Heimat« auch sonst nachhaltig<br />
gefördert hat.<br />
Mögen sich auch in Zukunft Organisatoren wie Autoren<br />
finden, die unsere »Hohenzollerische Heimat« fortsetzen<br />
und tragen. Dr. Gregor Richter<br />
Die Errichtung und Enthüllung des Fürst-Leopold-Denkmals in Sigmaringen<br />
Am 22. September 1910 wurde das Fürst-Leopold-Denkmal<br />
in Anwesenheit Kaiser Wilhelms II. feierlich enthüllt. Die<br />
Erinnerung an dieses denkwürdige Ereignis vor nunmehr 71<br />
Jahren, aber auch die derzeitige Erneuerung des Pflasters auf<br />
dem vorderen Leopoldplatz geben Anlaß, die Baugeschichte<br />
des Monuments hier kurz darzulegen.<br />
Einer verbreiteten Meinung entgegen ging die Initiative zum<br />
Bau dieses Denkmals nicht vom fürstlichen Hof, sondern von<br />
der Sigmaringer Bürgerschaft aus. Schon unmittelbar nach<br />
dem Ableben des Fürsten Leopold von Hohenzollern am 8.<br />
Juni 1905 beschlossen die Stadträte und Stadtverordneten,<br />
dem Andenken des Verstorbenen in seiner Residenzstadt ein<br />
würdiges Denkmal zu setzen. Die Ausführung des Vorhabens,<br />
die Planung und künstlerische Gestaltung sowie die<br />
Finanzierung übertrugen die Sigmaringer Stadtväter einem<br />
' gewählten Komitee.<br />
Das Gremium setzte sich aus zahlreichen Persönlichkeiten<br />
des In- und Auslands zusammen, unter ihnen der Fürstliche<br />
Hofkammerpräsident Graf Adelmann von Adelmannsfelden,<br />
der Fürstliche Hofmarschall von Brandis (später Freiherr<br />
von Wangenheim), Amtsgerichtsrat Dr. Beizer, Direktor<br />
der Spar- und Leihkasse Dopfer, Fabrikant Levi aus<br />
Hechingen, der Kölner Oberbürgermeister Becker und der<br />
Minister der rumänischen Krondomänen, Kalindero. Vorsitzender<br />
des Komitees war der Sigmaringer Stadtbürgermeister<br />
Dr. Reiser; als Schriftführer fungierte der Fürstliche Archivdirektor<br />
und Hofrat Dr. Zingeler.<br />
Die erforderlichen Mittel zum Bau des Monuments sollten<br />
durch Spenden erbracht werden. Der Aufruf, den das Komitee<br />
zu diesem Zweck erließ, lautete:<br />
Als in den Abendstunden des 8. Juni 1905 die Trauerkunde<br />
durch Deutschland lief: Fürst Leopold von Hohenzollern ist<br />
verschieden, da erfaßte Tausende und Abertausende ein<br />
überwältigender Schmerz, der die Lippen zucken machte und<br />
manches Auge, dem Tränen fremd geworden, feucht werden<br />
ließ. Warum diese herbe Trauer? Weil niemand der leutseli-<br />
50<br />
gen Liebenswürdigkeit des Fürsten, die ihm alle Herzen<br />
gewonnen, ohne tiefe Rührung gedenken konnte. Weil die<br />
Saat, die seine Güte und opferfreudige Nächstenliebe ausgestreut,<br />
nun so plötzlich schnittreif geworden. Weil alle sich<br />
bewußt, daß uns ein leuchtendes Beispiel genommen war in<br />
dem unvergeßlichen Fürsten, der, auf des Landes Wohlfahrt<br />
unablässig bedacht, allen Berufszweigen gerne jede mögliche<br />
Förderung gewährte; der, für das Gute und Schöne warm<br />
empfindend, als ein werktätiger Gönner für Wissenschaft<br />
und Kunst sich erwies; der in Betätigung seines echt frommen<br />
Sinnes das offene Bekenntnis der eigenen religiösen Überzeugung<br />
einte mit edler Hochachtung der Anschauung Andersdenkender;<br />
der in freudiger Hingabe an Kaiser und Reich<br />
stets zu jedem Opfer bereit war und der in jenen für die<br />
Wiedergeburt Deutschlands überaus folgeschweren Tagen,<br />
wo Spanien ihm wiederholt die Königskrone angetragen, aus<br />
Liebe zum Vaterlande so hochherzig gehandelt hat. Da<br />
entspricht es denn einem wahren Herzensbedürfnisse, dem<br />
Andenken Weiland Seiner Königlichen Hoheit des Fürsten<br />
Leopold Dankbarkeit zu zollen durch ein würdiges Standbild<br />
in seiner Residenzstadt Sigmaringen. Und so hat sich das<br />
unterzeichnete Komitee die Aufgabe gestellt, diesen allseitigen<br />
Wunsch der Verwirklichung entgegen zu führen. Wir<br />
wenden uns daher an die so überaus zahlreichen Verehrer des<br />
hochseligen Fürsten und in erster Linie an alle diejenigen, die<br />
Gutes von ihm empfingen, hoch und niedrig, Gemeinden<br />
und Körperschaften, um durch Beiträge die Errichtung eines<br />
Denkmals zu verwirklichen, das des hohen Verblichenen<br />
würdig, der Nachwelt Zeugnis geben soll von dem Wirken<br />
und Walten des edelsten Fürsten für die Größe unseres<br />
Vaterlandes, für die Wohlfahrt der Armen und Bedrängten,<br />
dessen vorbildliches Beispiel für alle Zeiten gesegnet bleiben<br />
möge!«<br />
Dem Ansehen und den Sympathien, die Fürst Leopold in<br />
allen Gesellschaftskreisen genoß, war es vor allem zuzuschreiben,<br />
daß die Spendenaufrufe, die Wohltätigkeitsveranstaltungen<br />
wie Konzerte und Liederabende, die das rührige
Komitee veranstaltete, eine für die damalige Zeit ungeheure<br />
Summe von insgesamt 87474 Mark für den Denkmalfond<br />
erbrachten.<br />
Größere Beiträge spendeten u.a.:<br />
Einwohnerschaft von Sigmaringen 10310 M<br />
I. K. H. der Frau Fürstin Antonie<br />
von Hohenzollern 10000 M<br />
S. K. H. Fürst Wilhelm von Hohenzollern 5 000 M<br />
S. K. H. Kronprinz Ferdinand von Rumänien 2 000 M<br />
S. M. König Karl von Rumänien 1200 M<br />
S. M. Kaiser Wilhelm II. 1000 M<br />
J. K. H. H. Großherzog und Großherzogin<br />
von Baden 1000 M<br />
S. K. H. Fürst von Monaco 807 M<br />
Hohenz. Kommunallandtag 2000 M<br />
Stadtgemeinde Sigmaringen 1 000 M<br />
Künstlerverein Rheinland und Westfalen 1 000 M<br />
Stadtverordnete der Stadt Düsseldorf 1 000 M<br />
Beiträge von Rumänien 2272 M<br />
Uber die künstlerische Gestaltung des Denkmals sollte ein<br />
Wettbewerb entscheiden. Am 15. November 1906 beschloß<br />
das Komitee, für die ersten drei Preise 2000, 1000 und 500<br />
Mark auszusetzen. Die Bedingungen, am 22. Februar 1908<br />
beschlossen, bestanden vor allem darin, daß die Kosten<br />
50000 Mark nicht überschreiten durften und die Entwürfe im<br />
Zeitraum vom 1. Mai bis 1. September eingereicht sein<br />
mußten. Völlige Freiheit wurde den Künstlern jedoch bezüglich<br />
der plastischen Ausarbeitung des Denkmals als auch der<br />
architektonischen Ausgestaltung des Platzes zugesichert.<br />
An der Konkurrenz nahmen viele anerkannte deutsche<br />
Künstler und Architekten teil. Die eingereichten Entwürfe<br />
boten Büsten und Standbilder des Verstorbenen in allen nur<br />
denkbaren Ausführungen und möglichem künstlerischen<br />
Beiwerk an, auch die Errichtung von griechischen Tempelchen,<br />
Pavillons und allegorischen Figuren wurde vorgeschlagen.<br />
In der lebhaften Diskussion, die im Komitee und bei<br />
Hofe entbrannte, wurden jedoch alsbald die Entwürfe von<br />
Prof. Johannes Boese, Berlin, und von Prof. Emanuel von<br />
Seidl, München, favorisiert.<br />
Prof. Emanuel von Seidl, nach dem Tode des fürstlichen<br />
Baumeisters de Pay mit dem Wiederaufbau des Sigmaringer<br />
Schlosses beauftragt, riet im Hinblick auf die Persönlichkeit<br />
des Fürsten Leopold von einer figürlichen Statue Abstand zu<br />
nehmen und schlug u. a. die Errichtung eines Pavillons mit<br />
der Büste des Fürsten und vorgelagertem Bassin vor. Das<br />
Ensemble sollte in Anlehnung an den damaligen Kavaliersbau<br />
im Bereich des heutigen Fürst-Wilhelm-Baus erfolgen,<br />
wodurch nach Meinung des Architekten der Schloßkomplex<br />
seinen harmonischen und endgültigen Abschluß gefunden<br />
hätte. Dieser auch städtebaulich interessanten Lösung stellte<br />
der Kontrahent, Prof. Boese, den Entwurf eines Reiterstandbilds<br />
auf hohem Postament entgegen.<br />
Die Entscheidung des Komitees fiel bekanntlich zugunsten<br />
von Prof. Boese aus. Wie der Beschluß im einzelnen zustande<br />
gekommen ist, konnte anhand der amtlichen Dokumente<br />
nicht geklärt werden. Es scheint jedoch so gewesen zu sein,<br />
daß das Eintreten des Fürsten Wilhelm von Hohenzollern für<br />
das Reiterdenkmal die Beschlußfassung des Gremiums maßgeblich<br />
beeinflußt hat.<br />
Noch schwieriger als die Frage der künstlerischen Gestaltung<br />
des Monuments gestaltete sich die Standortfrage. So wurden<br />
der sogenannte Kinderspielplatz gegenüber der heutigen<br />
Fürstlich Hohenzollernschen Elektrozentrale, die Karlstraße,<br />
der Brenzkoferberg, der Josefsberg, der Platz vor der<br />
Hedinger Kirche und auch der damalige Karlsplatz (heute<br />
Leopoldplatz) als mögliche Standorte für das zu errichtende<br />
Fürst-Leopold-Denkmal diskutiert. Das Komitee gelangte<br />
Einweihung des Leopold-Denkmals. Beiderseits Tribünen mit Festgästen.<br />
Vor dem Denkmal eine Trachtengruppe, gegenüber vor der<br />
Einfahrt des Prinzenbaues der Kaiser-Pavillon.<br />
im Laufe des Frühjahrs 1908 zu der Überzeugung, daß der<br />
sogenannte Kinderspielplatz zusammen mit dem sogenannten<br />
Emele'schen Haus, das sich im fürstlichen Besitz befand,<br />
für die Situierung des Denkmals am geeignetsten sei. Im<br />
Februar 1908 kam eine Einigung zustande. Fürst Wilhelm<br />
genehmigte den Abbruch des Emele'schen Hauses und stellte<br />
dem Komitee den Platz unentgeltlich zur Verfügung. Das<br />
Denkmalkomitee seinerseits erklärte sich dazu bereit, zu den<br />
Kosten der Freilegung des Denkmalplatzes 15000 bis 20000<br />
Mark beizusteuern.<br />
Mit dem Preisträger des Denkmalwettbewerbs, Prof. Johannes<br />
Boese, wurde im Januar 1909 ein Vertrag geschlossen; er<br />
sah vor, daß der Künstler »die gewissenhafte und künstlerische<br />
Herstellung des Fürst-Leopold-Denkmals nach Maßgabe<br />
des seinerzeit eingereichten preisgekrönten Entwurfs<br />
unter der Berücksichtigung der seitens des Komitees<br />
gewünschten Abänderungen sowie die Aufstellung dieses<br />
Reiterdenkmals auf dem gewählten Platz einschließlich der<br />
Fundamentierung, der Aufstellung des Gerüstes und des<br />
Transportes des Denkmals übernimmt«. Ferner wurde festgelegt,<br />
daß der Fürst in ruhiger Haltung als General in<br />
Interimsuniform mit den Orden des Eisernen Kreuzes und<br />
des Großkreuzes des Roten Adlerordens mit Mütze und<br />
hohen Stiefeln auf einem schreitenden Pferde darzustellen sei.<br />
Hinsichtlich der Abmessungen und Ausführungen des Denkmals<br />
bestimmte der Vertrag: »Das Reiterstandbild erhält die<br />
Größe von ca. 4,20 m; der Sockel wird ca. 5 m hoch, so daß<br />
die Gesamthöhe einschließlich einer Anrampung von ca. 70<br />
cm ca. 10 m ergibt. Das Postament wird in Dolomitstein<br />
ausgeführt und zwar die äußeren Flächen grob gestakt und<br />
chariert nach Maßgabe des übersandten Probewürfels. Dasselbe<br />
erhält an der Stirnseite die Aufschrift<br />
Leopold<br />
Fürst von Hohenzollern<br />
in erhabenen lateinischen Buchstaben aus echter Bronce. Das<br />
Reiterstandbild wird in echter Bronce (93 % Kupfer und 7%<br />
Zinn) hergestellt. Die Gußstärke beträgt zwischen 8 mm und<br />
15 mm im Durchmesser und wird in angemessener und<br />
sorgfältiger Weise befestigt werden. Herr Prof. Boese übernimmt<br />
die Garantie von fünf Jahren für die Solidität der<br />
Ausführung«.<br />
Die Kosten für das Denkmal einschließlich aller Transportund<br />
Reisekosten wurden auf insgesamt 50000 Mark festgesetzt.<br />
Prof. Boese mußte sich außerdem dazu verpflichten,<br />
die Arbeiten so voranzutreiben, daß die Enthüllung des<br />
Denkmals am 22. September 1910 erfolgen konnte.<br />
Die Probleme waren damit noch lange nicht aus der Welt<br />
geschafft. Die Gemüter wurden jetzt von der Frage bewegt,<br />
ob der ausgewählte Platz östlich des Schloßkomplexes für das<br />
51
geplante Reiterdenkmal vorteilhaft sei. Bedenken für eine<br />
solche Situierung hatte vor allem Emanuel von Seidl geäußert.<br />
Schließlich ließ man ein Modell des Denkmals auf Rollen<br />
anfertigen, das auf dem Gelände hin- und herbewegt werden<br />
konnte.<br />
Das Ergebnis des Experiments war eindeutig. Das Komitee<br />
stellte auf seiner Sitzung am 24. März 1909 fest, daß das<br />
geplante Reiterdenkmal nicht in die Umgebung des Schlosses<br />
passe, wie die Aufstellung der Kulisse auf dem Kinderspielplatz<br />
ergeben habe. Einstimmig wurde sodann der Verlagerung<br />
des Denkmals auf den Karlsplatz zugestimmt. Die<br />
anderen, früher diskutierten Standorte waren aus finanziellen<br />
Gründen und künstlerischen Erwägungen bereits abgelehnt<br />
worden.<br />
Die Situierung des Denkmals auf dem Karlsplatz machte die<br />
Versetzung der 1869 dort aufgestellten Büste von Fürst Karl<br />
von Hohenzollern-Sigmaringen notwendig. Das Komitee<br />
schlug vor, das Fürst-Karl-Denkmal auf das zuvor für das<br />
Denkmal des Fürsten Leopold von Hohenzollern vorgesehene<br />
Gelände beim Schloß zu überführen, und machte das<br />
Angebot, die dafür erforderlichen Mittel zu übernehmen.<br />
Der Vorschlag des Komitees wurde gebilligt und 1910 durch<br />
einen Vertrag zwischen der Stadtverwaltung und der fürstl.<br />
Verwaltung abgesichert. Die Errichtung des Fürst-Leopold-<br />
Denkmals auf dem vorderen Karlsplatz war vom Komitee<br />
bereits am 3. Juli 1909 beschlossen worden. Die Neuanlage<br />
des Karlsplatzes nach den Plänen von Emanuel von Seidl mit<br />
einem Kostenaufwand von 11 500 Mark fand am 11. Dezember<br />
1909 die Bewilligung des Gremiums.<br />
Die Arbeiten an dem Denkmal und auf dem Karlsplatz gingen<br />
danach zügig voran. Die Errichtung des Postaments für das<br />
Denkmal übernahm die Firma »Marmor-, Granit- und Syenit-Industrie<br />
von Gebrüder Pfister's Nachfolger B. Pfister«<br />
aus Rohrschach und Friedrichshafen. Die Pflasterung des<br />
vorderen Karlsplatzes nach den Entwürfen von Emanuel von<br />
Seidl besorgte die Firma »Johann Odorico« aus München.<br />
Fertiggestellt wurden auch die beiden Ehrentribünen links<br />
und rechts des Denkmals sowie der Kaiserpavillon in der<br />
Nische des Prinzenbaues, so daß die Enthüllung des Denkmals<br />
termingerecht am 22. September 1910 erfolgen konnte.<br />
Eine angemessene Würdigung dieses für die Stadtgeschichte<br />
so bedeutsamen Ereignisses würde den hier gesteckten<br />
Rahmen sprengen. Einen Eindruck davon vermag die offizielle<br />
»Ordnung für die Enthüllung des Denkmals Weiland<br />
Seiner Königlichen Hoheit des Fürsten Leopold von Hohenzollern<br />
am 22. September 1910« für den Vormittag zu<br />
vermitteln:<br />
9 Uhr Vormittags:<br />
In der Erlöserkirche Hedingen stille Messe, welcher<br />
nur Mitglieder der Fürstlichen Familie beiwohnen.<br />
Von 11 Uhr 30 ab:<br />
Versammlung der höchsten Herrschaften und geladenen<br />
Gäste im Kaiserpavillon vor dem Portal des<br />
Prinzenbaues.<br />
11 Uhr 50:<br />
Ankunft Seiner Majestät des Kaisers und Königs.<br />
Begrüßung am Bahnhof durch Seine Hoheit des Fürsten<br />
Wilhelm und die Prinzen-Söhne.<br />
Anwesend ist nur das Gefolge und Hofmarschall Graf von<br />
Spee.<br />
Fahrt zum Denkmalplatz.<br />
Empfang Seiner Majestät des Kaisers im Pavillon (Prinzenbau)<br />
durch die anwesenden Fürstlichkeiten.<br />
Enthüllungsfeier:<br />
Fanfaren-Marsch.<br />
Lied der Sigmaringer Gesangvereine.<br />
Rede des Stadtbürgermeisters Dr. Reiser.<br />
52<br />
Feierliche Enthüllung des Denkmals.<br />
Festhymne mit Musikbegleitung.<br />
Ansprache Seiner Hoheit des Fürsten.<br />
Besichtigung des Denkmals.<br />
Besuch Seiner Majestät bei ihrer Königlichen Hoheit der Frau<br />
Fürstin Leopold.<br />
Die anwesenden Fürstlichkeiten und geladenen Gäste<br />
begeben sich unterdessen nach dem Fürstlichen Schloß und<br />
versammeln sich im goldenen und schwarzen Salon, bzw. im<br />
Altdeutschen Zimmer und Königszimmer. Die Einladungskarten<br />
ergeben für jeden Geladenen das Nähere.<br />
Fahrt Seiner Majestät des Kaisers und Seiner Hoheit des<br />
Fürsten vom Prinzenbau aus durch die Antonstraße und<br />
Marktstraße nach dem Marktplatz.<br />
Offizielle Begrüßung vor dem Rathaus durch die Stadtverordneten.<br />
Vorbeimarsch der Hohenzollernschen Kriegervereine vor<br />
Seiner Majestät dem Kaiser. Allhöchstwelche vor dem Fürst<br />
Carl-Antonsdenkmal Aufstellung nehmen«.<br />
Es schlossen sich die Galatafel in der Portugiesischen Galerie<br />
und im Ahnensaal und Cercle im goldenen und schwarzen<br />
Salon an. Nachmittags war eine Spazierfahrt des Kaisers mit<br />
Besuch der neuerbauten Unteroffiziersvorschule vorgesehen.<br />
Die tausendköpfige Menge, die sich vor dem Schloß und auf<br />
den Straßen versammelt hatte, um Seine Majestät noch einmal<br />
zu sehen, wurde enttäuscht. Der Kaiser, der die Nacht durch<br />
von Wien nach Sigmaringen gefahren war, sagte die Fahrt ab<br />
und zog sich nach der Tafel in seine Gemächer zurück.<br />
Ein weiterer Höhepunkt des denkwürdigen Tages bildete die<br />
Verleihung des Prädikats »Königliche Hoheit« an Seine<br />
Hoheit den Fürsten Wilhelm von Hohenzollern durch den<br />
anwesenden Kaiser. Seine Majestät verlieh außerdem hohe<br />
Orden und Auszeichnungen an Mitglieder des fürstlichen<br />
Hauses sowie an Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens.<br />
Unter den Ausgezeichneten befand sich auch Stadtbürgermeister<br />
Dr. Reiser; er wurde von Seiner Majestät mit dem<br />
Roten Adlerorden vierter Klasse dekoriert. Seine Königliche<br />
Hoheit Fürst Wilhelm von Hohenzollern zeichnete Prof.<br />
Johannes Boese mit dem Ehrenkreuz zweiter Klasse aus.<br />
Um 7 Uhr 15 fand eine Tafel in der Portugiesischen Galerie<br />
statt. Zu der Veranstaltung sangen die Sigmaringer Gesangvereine<br />
Männerchor und Frohsinn im Schloßhof schwäbische<br />
Volkslieder. Eine Schloßbeleuchtung und Illuminierung des<br />
Denkmalplatzes und der Unteroffiziersvorschule gaben dem<br />
festlichen Tag einen glänzenden Abschluß. Die Abreise<br />
Kaiser Wilhelms II. war auf 9 Uhr festgesetzt.<br />
Das Denkmalkomitee hatte eine große Aufgabe bewältigt;<br />
vor allem aber hatte es mit den ihnen anvertrauten Spenden<br />
vorbildlich gewirtschaftet. Der Überschuß des Denkmalfonds<br />
in Höhe von 2537,75 Mark wurde der Stadt Sigmaringen<br />
mit der Verpflichtung übergeben, aus den daraus fließenden<br />
Zinsen für die Unterhaltung und Reinigung des Denkmalplatzes<br />
zu sorgen. Das Denkmal wurde gleichfalls der<br />
Stadt übereignet.<br />
Mit der nunmehr abgeschlossenen Erneuerung der Bepflasterung<br />
des Leopoldplatzes, des früheren Karlsplatzes, hat die<br />
Stadt Sigmaringen zu erkennen gegeben, daß sie die ihr von<br />
dem Denkmalkomitee auferlegten Pflichten ernst nimmt.<br />
Quellennachweise:<br />
Staatsarchiv Sigmaringen, Depositum 1 (Stadtarchiv Sigmaringen),<br />
Akten Nr. 72, 73<br />
Staatsarchiv Sigmaringen Depositum 39 (Fürstl. Hohenz. Haus- und<br />
Domänenarchiv), NVA 15458, 15459, 13643, 13646, 13689, 30240<br />
Fotos aus dem Besitz von Herrn Hans-Joachim Dopfer, Sigmaringen.
OTTO WERNER<br />
Das Radio<br />
Am 22. September 1939 wurde verfügt, daß Rundfunkgeräte<br />
in jüdischen Haushaltungen sichergestellt werden. Im Rathaus<br />
Hechingen wurden daraufhin 11 Rundfunkgeräte untergestellt.<br />
Darunter befand sich auch ein Blaupunkt W 77 Nr.<br />
8630 (ohne Zusatzgerät), das von Therese Schäffler, der<br />
»arischen« Hausangestellten des jüdischen Lehrers i. R. und<br />
Rabbinatsverwesers Leon Schmalzbach in Hechingen, Goldschmiedstraße<br />
18, stammte. Am 24. September 1939 schrieb<br />
sie aus der Medizinischen Klinik Tübingen, in der sie sich<br />
aufhielt, folgenden Brief an das Bürgermeisteramt Hechingen:<br />
»Wie mir Herr Schmalzbach heute mitteilte, wurde<br />
gestern bei ihm ein Rundfunkapparat beschlagnahmt. Dieser<br />
Radio-Apparat ist mein Eigentum und wurde mir vor mehreren<br />
Monaten von Herrn Schmalzbach geschenkt. Seit mehreren<br />
Monaten ist dieser Apparat auf den Namen Therese<br />
Schäffler bei der Post angemeldet. Ich besitze eine<br />
Schenkungs-Urkunde. Ich teile Ihnen dies mit und ersuche<br />
um beste Verwahrung, bis ich den Apparat meinen Verwandten<br />
übergebe. Therese Schäffler.«<br />
In Vertretung des Bürgermeisters antwortete Herr Stauß am<br />
2. Oktober: ». ..teile ich Ihnen mit, daß der am 23.9.1939<br />
beschlagnahmte Rundfunkapparat bei der Kreisstadt<br />
Hechingen sichergestellt ist. Höhere Stellen werden über die<br />
weitere Verwendung entscheiden.«<br />
Es verflossen eineinhalb Jahre; nichts wurde entschieden.<br />
Schließlich gab am 29. April 1941 Therese Schäffler einen<br />
Antrag auf Auslieferung des Rundfunkapparates beim Bürgermeisteramt<br />
Hechingen zur Niederschrift, der an den<br />
Landrat weitergeleitet wurde. Auf diesen Antrag wurde mit<br />
Verfügung vom 8. Mai 1941 (Pol. 1004) der Bescheid erteilt,<br />
»daß die Einziehung des Rundfunkgerätes nach den ergangenen<br />
Weisungen seinerzeit zu Recht ist. Wenn die Antragstellerin<br />
Eigentumsrecht an dem Gerät hatte, hätte sie dieses<br />
seinerzeit geltend machen müssen und nicht erst jetzt nach 20<br />
Monaten«. Dies teilte ihr der Bürgermeister mit Schreiben<br />
vom 15. Mai 1941 weisungsgemäß mit.<br />
Therese Schäffler aber hatte noch eine Durchschrift ihres<br />
damaligen Schreibens aus der Klinik und das Antwortschreiben<br />
des Bürgermeisteramts aufbewahrt, die sie nun beim<br />
Landratsamt vorlegte. Der zuständige Beamte des Landratsamts<br />
(Schirmer) übersandte diese als Anlage mit Schreiben<br />
vom 29. Mai 1941 dem Herrn Bürgermeister in Hechingen, in<br />
dem es heißt: »Therese Schäffler legt die beiden Anlagen vor.<br />
Demnach hat sie s. Zt. auf ihr Eigentumsrecht hingewiesen.<br />
Ich ersuche um Mitteilung, was daraufhin von dort aus<br />
veranlaßt worden ist.«<br />
OTTO WERNER<br />
Nachweis einer weiteren Synagoge in Hechingen<br />
Bislang war bekannt, daß in Hechingen drei Synagogen<br />
bestanden haben:<br />
- Graf Jos Niklas verkaufte 1546 den Juden für 50 Pfund<br />
Heller ein Haus, das zur Judenschule d. h. Synagoge eingerichtet<br />
wurde. (Vgl. J. Cramer, Die Grafschaft Hohenzollern.<br />
1400-1850. Stuttgart. Verlag von Karl Kirn. 1873. S.<br />
206)<br />
- Einige Jahre nachdem fast alle Juden aufgefordert worden<br />
Der Stellvertreter des Bürgermeisters legte das Schreiben<br />
urschriftlich mit zwei Anlagen dem Landrat am 24. Juni 1941<br />
wieder vor. »Eine Entscheidung«, so schreibt er, »über den<br />
seinerzeit gestellten Antrag liegt bei mir nicht vor. Ich<br />
vermute, daß er urschriftlich dem Herrn Landrat bzw. der<br />
Geheimen Staatspolizei Außendienststelle Sigmaringen vorgelegt<br />
wurde. Das Rundfunkgerät war mit der laufenden Nr.<br />
11 des Verzeichnisses aufgeführt.«<br />
Daraufhin gab der Beamte des Landratsamts folgenden<br />
Bescheid an das Bürgermeisteramt Hechingen: »Betr. Rundfunkapparat<br />
Therese Schäffler. Nach dem Ihnen übersandten<br />
Erlaß der Geheimen Staatspolizei - Staatspolizeileitstelle<br />
Stuttgart vom 22. September 1939 - IIB2 - 2245/39 Ziffer 4 -<br />
war zu prüfen und urkundlich nachzuweisen, daß der im<br />
jüdischen Haushalt aufgestellte Radioapparat Eigentum der<br />
Schäffler war. Dieses ist anscheinend gegenüber der dortigen<br />
Dienststelle geschehen.<br />
Ich ersuche, sich mit der militärischen Dienststelle, an die<br />
s. Zt. die Apparate abgegeben worden sind, in Verbindung zu<br />
setzen, ob nicht die Möglichkeit besteht, den Apparat wieder<br />
zu bekommen. Meiner Dienststelle gegenüber ist ein urkundlicher<br />
Nachweis nicht erfolgt.«<br />
In einer Stoffsammlung für die Chronik der Stadt Hechingen<br />
(SAH API 5640 Ortschronik) ist für das Jahr 1941 von<br />
Amtmann i. R. Ritter unter »Besondere Vorkommnisse«<br />
vermerkt: »Ende November 1941 wurden sämtliche Hechinger<br />
Juden im Alter bis zu 63 Jahren (Männer, Frauen und<br />
Kinder) über Haigerloch nach Stuttgart überführt, wo sie im<br />
Gelände der Reichsgartenschau zusammengezogen und von<br />
wo sie nach dem Osten überführt wurden. Sie durften für jede<br />
Person nur 50 RM bares Geld mitnehmen, wohl aber ihr<br />
gesamtes Werkzeug (z. B. auch Nähmaschinen), weil sie sich<br />
im Osten selbst ernähren müssen. Das zurückgelassene Vermögen<br />
wurde vom Reich beschlagnahmt, die Wohnungen<br />
vom Finanzamt versiegelt. Von den Möbeln wurden die<br />
besseren Stücke ausgesondert. Sie sollen für zurückgeführte<br />
Volksdeutsche verwendet, der Rest versteigert, der Erlös<br />
vom Reich verwaltet und gelegentlich darüber verfügt<br />
werden.«<br />
Unter den o. g. Deportierten befand sich auch Leon Schmalzbach.<br />
Bei der Versiegelung der Wohnungen heißt es im<br />
Protokoll des Bürgermeisteramts Hechingen vom 27.<br />
November 1941: »Wohnung Schmalzbach, Hohenberger-<br />
Straße 9 - Wohnungseinrichtung übereignet an die Haushälterin<br />
Therese Schäffler, arische Haushälterin des Genannten.<br />
Die Übereignung ist durch besondere Urkunden nachgewiesen.<br />
Versiegelung war nicht möglich.«<br />
waren, ins Getto in den fürstlichen Kasernen in der Friedrichstraße<br />
außerhalb der Stadt zu ziehen, gestattete Fürst Joseph<br />
Wilhelm von Hohenzollern-Hechingen den Juden in einem<br />
Schutzbrief vom 29. März 1754 (StAS Ho 1 C II 6f Nr. 8.)<br />
»auf der Friederichs-Straßse, jedoch auf ihre eigene Kosten,<br />
eine Synagoge, worzu ihnen ein zulänglicher Platz ohnentgeltlich<br />
eingeraumet werden wird, auffrichten und darinn<br />
ihre jüdische Ceremonien außüben dörffen«. (Zitiert nach<br />
Maren Kuhn-Rehfus: Das Verhältnis von Mehrheit zu Min-<br />
53
derheit am Beispiel der Juden in Hohenzollern. In: ZHG. 14.<br />
Band. 1978. S. 24) Diese geräumige Synagoge wurde 1761<br />
erbaut und erst 1870 wieder abgebrochen. Aus der Egler-<br />
Ehrenberg'schen »Chronik der Stadt Hechingen« wissen wir,<br />
daß unter dem fürstlichen Wappen ein Gebet für das Fürstenpaar,<br />
dessen Anverwandte, Räte und Beamte stand. Darin<br />
hieß es: »Du wollest ihr Leben verlängern in Frieden, Sie vor<br />
Ohnglückh und Traurigkeit behüten und ihnen den Gewalt<br />
geben über ihre Feinde, auch ihnen alle Gnade und Barmherzigkeit<br />
erzeigen und ihre Herzen und Gedanken neigen,<br />
damit sie auch uns armen Kindern Israel gnädig und barmherzig<br />
sein mögen.« Durch die Kaserne, den Bau einiger Häuser<br />
und der Synagoge entstand ein Hof, der ein Viereck bildete,<br />
und nur von Israeliten bewohnt war.<br />
- 1775 erlangten die Juden gegen hohe Zahlung einen neuen<br />
Schutzbrief auf 25 Jahre. Noch im selben Jahr bauten sie<br />
neben dem 1761 in der Friedrichstraße errichteten Tempel die<br />
Synagoge in der Oberstadt. Die Straße, in der die Synagoge<br />
stand, hieß hinfort Judengasse. Die Synagoge wurde 1852 neu<br />
instandgesetzt und am 23. Dezember durch den Rabbiner Dr.<br />
Samuel Mayer feierlich eröffnet. Im Jahre 1881 erhielt sie eine<br />
neue Fassade. In der Nacht vom 9. auf 10. November 1938<br />
wurde sie durch Reutlinger und Hechinger SA-Leute unter<br />
Anleitung von Parteifunktionären demoliert. Die Stadt<br />
Hechingen hat während des Naziregimes die Synagoge in ihr<br />
Eigentum übernommen und als sakrales Gebäude ungenützt<br />
in Obhut behalten. Nach dem Zusammenbruch 1945 mußte<br />
die Stadt die Synagoge im Wege der Restitution an die<br />
JOSEF MÜHLEBACH<br />
Schwäblishausen<br />
Ein Gang durch die Geschichte des Dorfes<br />
Bei der Kreisreform für Baden-Württemberg aufgrund des<br />
Gesetzes vom 26. Juli 1971 ist u. a. die badische Teilgemeinde<br />
Schwäblishausen, die bis dahin zum Landkreis Überlingen<br />
gehört hatte, mit der Gemeinde Zell am Andelsbach und der<br />
Stadt Pfullendorf in den Landkreis Sigmaringen eingegliedert<br />
worden. Die Gemarkungen von Zell und Schwäblishausen<br />
ragen von Süden her wie ein Keil in den Raum des Landkreises<br />
Sigmaringen hinein, gesäumt von den Orten Mottschieß<br />
im Osten, Hausen am Andelsbach im Norden und Ettiswei-<br />
Ier mit Otterswang im Westen. Die Zuordnung von Schwäblishausen<br />
in den Landkreis Sigmaringen ist für das Dorf ein<br />
geschichtlich so bedeutsames Ereignis, daß es berechtigt ist,<br />
aus diesem Anlaß einen Gang durch die Geschichte des<br />
Dorfes zu machen; von den frühen Anfängen bis zur Gegenwart.<br />
Die Zeit der Gaugrafschaften.<br />
Niederer Ortsadel in Schwäblishausen<br />
Das schwäbische Stammesgebiet zerfiel seit der Besitznahme<br />
durch die Schwaben in eine Anzahl von Bezirken, in denen<br />
ein ursprünglich aus dem Volke gewählter, später (vielleicht<br />
seit dem Untergang des Schwäbischen Herzogtums 748) vom<br />
54<br />
Kultusvereinigung Württemberg und Hohenzollern zurückgeben.<br />
Diese hat die Synagoge verkauft. Seitdem wird sie<br />
gewerblich (als Lagerraum) genutzt. Sie droht zu verfallen.<br />
Neben diesen bisher bekannten Synagogen läßt sich nunmehr<br />
eine weitere Synagoge in Hechingen nachweisen: die Stiftssynagoge<br />
in der Münz. Sie war für die Hechinger jüdische<br />
Gemeinde während der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts<br />
von größter Wichtigkeit, ja sie war für sie nahezu unentbehrlich.<br />
In der Gemeindesynagoge in der Judengasse wurden -<br />
wie in allen Synagogen der damaligen Zeit - die Plätze durch<br />
Kauf erworben. Jeder Eigentümer durfte »auf seinem Stande«<br />
stehen. Hatte nun ein Familienvater mehrere Söhne, so<br />
konnten sich nicht alle auf den einen Stand setzen oder<br />
stellen; hatte er kein Vermögen, so konnte er einen Stand für<br />
200-300 Gulden nicht erkaufen. Überdies war die schon 1775<br />
erbaute Synagoge im Platzangebot für die inzwischen bedeutend<br />
angewachsene, vergrößerte Gemeinde sehr beschränkt.<br />
Die Stiftssynagoge war daher die Zuflucht aller Israeliten, die<br />
in der Gemeindesynagoge keinen oder wenig Platz hatten.<br />
Zumal an den Sabbat- oder Festtagen war diese oft übervoll.<br />
(1842 war jeder vierte Einwohner der Stadt mosaischen<br />
Glaubens.) So war es ein Segen, daß die Kaula'sche Rabbinatssitftung,<br />
das Lehrhaus in der Münz, auch eine Synagoge<br />
umfaßte. (Diese Mitteilung verdanke ich dem Material, das<br />
mir freundlicherweise von »The Central Archives for the<br />
History of the Jewish People« in Jerusalem zur Verfügung<br />
gestellt wurde. - Inv. Nr. 1014/4)<br />
König des Frankenreiches bzw. Deutschlands ernannter<br />
belehnter Vorstand, ein Graf, die öffentliche Gewalt ausübte.<br />
Diese Bezirke tragen in der Zeit, die uns durch geschichtliche<br />
Zeugen und Urkunden erschlossen sind und die im wesentlichen<br />
mit den ersten Jahrzehnten des achten Jahrhunderts<br />
beginnt, als landschaftliche, nach geschichtlichen Merkmalen<br />
gebildete Namen, teils von den Namen ihrer Grafen abgeleitete<br />
Benennungen. Für unseren Raum ist hierfür ein typisches<br />
Beispiel der Linzgau, der seinen Namen von dem Flüßchen<br />
Linz ableitet. Für den Linzgau gehen die urkundlichen<br />
Aufzeichnungen in das achte Jahrhundert zurück. Eine Zeitspanne<br />
später tritt anstelle des Namens Linzgau die Bezeichnung<br />
Grafschaft Heiligenberg, eine Entwicklung, die erkennen<br />
läßt, daß die Grafschaft Heiligenberg mit dem Linzgau<br />
identisch ist 1. Die Entstehung der Siedlung Schwäblishausen<br />
kann so in die Anfänge der Geschichte der Grafschaft Heiligenberg<br />
verlegt werden 2. Zur Linzgau-Grafschaft gehörte<br />
ursprünglich auch der Süden des Kreisgebietes Sigmaringen<br />
unter dem Grafen von Buchhorn, in dessen Gebiet die Grafen<br />
Ramsberg-Pfullendorf eine eigene Herrschaft besaßen, die<br />
sich nördlich in die Goldineshuntare hineinschob.
Die ersten urkundlichen Aufzeichnungen über Schwäblishausen<br />
gehen in die Zeit von 1071 bis 1080, also in die zweite<br />
Hälfte des 11. Jahrhunderts, zurück. Damals hat ein Adliger<br />
Wolfrad de Wilare Besitzungen in Swaberichshusen dem<br />
Kloster Petershausen übereignet 3. Die nächste Nennung<br />
erfolgte am 16. Januar 1251 als Sweberichshusen. Nach einem<br />
am 16. Januar 1251 in Heiligenberg abgeschlossenen Vertrag<br />
tauschte Graf Berthold von Heiligenberg Gelände an das<br />
Kloster Salem gegen ein sumpfiges Land, das zwischen dem<br />
Kloster und dem Dorf Leustetten lag. Als Zeuge des Vertragsabschlusses<br />
wird u. a. Hugo de Sweberichshusen<br />
genannt 4. Damit ist schon für die Zeit von 1071 bis 1251 das<br />
Vorkommen eines niederen Dorfadelsgeschlechtes für<br />
Schwäbiishausen nachgewiesen. In den folgenden Jahren<br />
häufen sich die Nennungen des Ortsadelsgeschlechtes vor<br />
allem als Zeugen bei damals üblichen Rechtsgeschäften.<br />
Die vorstehend angeführten Rechtsgeschäfte fanden ihre<br />
Fortsetzung u. a. in einem Kaufvertrag zwischen dem Grafen<br />
Wolfrad dem Jüngeren von Veringen und dem Kloster Salem<br />
vom 1. April 1262. Hier wird als Zeuge Hugo de Sweberichshusen<br />
genannt 5. Am 14. Mai 1263 genehmigte Graf Ulrich<br />
von Helfenstein die Schenkung eines Gutes zu Hausen (am<br />
Andelsbach) durch die Laienschwester Hailwig, seine<br />
Hörige, an das Kloster Salem. Als Zeuge erscheint hier Ulrich<br />
de Swaberichshusen 6.<br />
Am 20. Juni 1463 verkauft Jacob Sutor, Vogt zu Salmannsweiler,<br />
einen Hof zu Sweberichshausen als Lehen der Herrschaft<br />
Österreich, ferner ein Haus mit Garten, Burgstall und<br />
Wiese um 12 fl. an Junker Hanns Gremiich zu Zustorf 7.<br />
Diese Daten gelten nur als Beispiele für die damaligen<br />
Rechtsgeschäfte und erheben keinen Anspruch auf lückenlose<br />
Darstellung der Beziehungen des Dorfes Schwäblishausen<br />
zu Vertragspartnern des Einzuggebietes.<br />
Bis zum 18. Jahrhundert kommen für unser Dorf folgende<br />
Schreibweisen vor:<br />
Swabirichhusin (Hausen des Swabirich)<br />
Swaebrishusin<br />
Swabirichishusin<br />
Swebirichishusin<br />
Sweblisshausen.<br />
Änderungen in den Hoheitsrechten<br />
vom 17. bis 19. Jahrhundert<br />
Im 17. Jahrhundert gehörte Schwäbiishausen, das in der<br />
Grafschaft Sigmaringen, also außerhalb der Grafschaftsgrenzen<br />
von Heiligenberg lag, zur Grafschaft Heiligenberg.<br />
Heiligenberg war schon 1277 von den Grafen Heiligenberg<br />
an die Grafen von Werdenberg und nach deren Aussterben<br />
1533 an die Grafen von Fürstenberg gekommen. Bis 1276 war<br />
das Kloster Petershausen hier begütert, das damals das Dorf<br />
an Fürstenberg überließ. Die Reichsgrafschaft Fürstenberg<br />
endete 1806, als die Region badischer Oberhoheit unterstellt<br />
wurde. Das Amt Heiligenberg blieb aber für Schwäblishausen<br />
bestehen, bis im Jahre 1843 das Bezirksamt Pfullendorf<br />
zuständig wurde.<br />
Pestzeiten im 16. Jahrhundert<br />
In den vorstehend aufgezeigten Zeitabschnitt fallen die<br />
Geschehnisse des 16. Jahrhunderts mit den unheilvollen<br />
Pestzeiten. Eben dieses 16. Jahrhundert war für Schwäblishausen<br />
eine Zeit voller Drangsale und Nöte. In den Jahren<br />
1518, 1541 und 1567 hatte - so berichtet die Chronik - die<br />
Pest, auch der Schwarze Tod genannt, den Ort und die<br />
Umgebung heimgesucht und verheert. Leichenfeierlichkeiten<br />
hörten auf. Die Leichen wurden auf Karren auf den<br />
Friedhof in Zell am Andelsbach geführt. Der ganze Ort soll<br />
bis auf eine Person ausgestorben gewesen sein. Die Hütten<br />
und Höfe glichen ausgebrannten Ruinen. Wölfe und Füchse<br />
wohnten darin. Dornen wuchsen durch die leeren Fensteröffnungen<br />
8.<br />
Unruhen<br />
wegen Allmendeberechtigungen im 19. Jahrhundert<br />
Große Unruhen, wenn auch nicht so verheerender Art wie im<br />
16. Jahrhundert, hat es in den Jahren von 1831 bis 1834 in<br />
Schwäbiishausen wegen der Ansprüche der Gemeindeangehörigen<br />
auf Bürgergabholz und Beteiligung an der Allmende<br />
gegeben. Hier standen sich in der Gemeinde zwei Parteien<br />
gegenüber: 15 Söldner auf der einen und fünf Bauern auf der<br />
anderen Seite. Söldner waren Häusler, Kleingütler, Taglöhner<br />
- ohne Hof -. Die Bauern beanspruchten mehr Gabholz<br />
als die Söldner. Zur Schlichtung des Streites fand am 1.<br />
Februar 1833 eine Gemeindeversammlung in Schwäblishausen<br />
statt, auf der mit mehr als zwei Drittel Stimmenmehrheit<br />
gleiche Gabholzverteilung beschlossen wurde. Damit waren<br />
die Bauern nicht zufrieden und begehrten, daß auch die<br />
Allmende, in deren Besitz die Söldner seien, gleichteilig unter<br />
alle Bürger verteilt werde. Nachdem sowohl das Bezirksamt<br />
Heiligenberg wie auch die Seekreisregierung in Konstanz in<br />
die Streitigkeiten eingeschaltet wurden, entschied das badische<br />
Innenministerium in Karlsruhe, die vorgeschlagene<br />
Änderung der Bürgergabholzberechtigung werde nicht<br />
genehmigt, solange die benachteiligten Bauern im Allmendegenuß<br />
nicht gleichgestellt seien. Ein Recurs findet nicht statt.<br />
Mit der Aufhebung der Allmende und der Gabholzberechtigung<br />
in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts hat die Streitigkeit<br />
für Schwäbiishausen ein Ende gefunden.<br />
Die Entwicklung des Dorfes bis in die Gegenwart<br />
Schwäbiishausen gehörte, wie oben ausgeführt, bis 1806 zur<br />
Fürstenbergischen Reichsgrafschaft Heiligenberg, kam in<br />
jenem Jahr unter badische Oberhoheit unter Zuordnung zum<br />
standesherrlichen Amt Heiligenberg bis 1813 und wieder<br />
1824 bis 1843. 1813 bis 1824 und nach 1843 war für das Dorf<br />
das Bezirksamt Pfullendorf zuständig. 1935 wurde Schwäblishausen<br />
dem Bezirksamt Uberlingen zugeteilt, 1939 kam<br />
an die Stelle des Bezirksamtes der Landkreis Überlingen. Das<br />
Dorf, bis 1936 eine selbständige Gemeinde, wurde eben im<br />
Jahr 1936 als Teilgemeinde der Gemeinde Zell eingegliedert.<br />
Das Dorf Schwäbiishausen, rechts des Andelsbaches an der<br />
Straße Pfullendorf-Hausen-Krauchenwies gelegen, hatte,<br />
mit einer Gesamtfläche von 232 Hektar, im Jahr 1825 111, im<br />
Jahr 1933 113 und im Jahr 1980115 Einwohner. Kirchlich wie<br />
schulisch gehört Schwäbiishausen von jeher zu Zell.<br />
Für die Gemarkung Schwäbiishausen sind katasteramtlich<br />
und nach den neuesten topographischen Karten folgende<br />
Flurnamen ausgewiesen:<br />
Birkhof, Burgstall, Eichhalden, Hürsten, Im Krähen, Im<br />
oberen Ried, Im Letten, Leimgasse, Im Resch, Katzenfeld,<br />
Kleineschle, Sedel, Stock, Unterried, Viehgasse.<br />
Anmerkungen<br />
1 »Die Gaugrafschaften im Wirtenbergischen Schwaben«. Von<br />
Franz Ludwig Baumann, Kohlhammer Verlag, Stuttgart 1879.<br />
2 »Heiligenberg in Schwaben«. Von C. B. A. Fickler, Druck von C.<br />
Mochburg, Carlsruhe 1853.<br />
3 Fürstberg. Urk. B. Bd. V Nr. 63.<br />
4 Sal. Urk. Bd. 1, S. 301, und Fürstb. Urk. B. Bd. 5 Nr. 155.<br />
5 Sal. Urk. B. Bd. 1, S. 410.<br />
6 Sal. Urk. B. Bd. 1, S. 423.<br />
7 Fürstenb. Urk. B. Bd. VI Nr. 273.<br />
8 L. Haizmann, »Der Amtsbezirk Pfullendorf«. Kommissionsverlag<br />
Wagner, München 1936.<br />
55
JOHANN ADAM KRAUS<br />
Aus vergangener Zeit<br />
Geschlaipfte Pflüge und andere vergessene Dinge<br />
Wenn man Gemeindeordnungen des 16. Jahrhunderts aus<br />
unserer Gegend durchgeht, wie sie z.B. Andreas Räch 1974<br />
besprach', findet man darin längst verschwundene und nicht<br />
mehr verstandene Begriffe und Sachen. Da ist z. B. die Rede<br />
von »geschlaipften Pflügen«, mit denen man durch bestimmte<br />
Eschwege fahren durfte. Anton Birlinger erklärte s. Zt. diesen<br />
Ausdruck als »umgelegte, in die Höhe etwas angehobene<br />
Pflüge, damit die Erde nicht verletzt werde«. Dies besagt<br />
jedoch nur etwas für den, der bereits Bescheid weiß. So<br />
erlebten wir Älteren die Pflüge noch, bevor sie mit modernen<br />
Schleppern oder Traktoren verbunden durch einen Hebeldruck<br />
hochgehoben werden konnten. Aber vor 40-50 Jahren<br />
benötigte man eine Schlaife (Schloifa) zum Nachschleppen<br />
des nicht benutzten Pfluges. Sie bestand in zwei kräftigen,<br />
etwa 12 cm starken und je nach Länge des Pfluges (die<br />
hölzernen waren ehemals viel länger als die neueren aus<br />
Eisen) 2,20-2,50 m langen Stangen, die am Ende im Winkel<br />
von etwa 45 Grad aneinander befestigt waren. Man schob<br />
vom Pflugkarren her von rechts die eine Stange der Schloifa<br />
zwischen Sech (Pflugmesser) und Schar nach hinten hinein,<br />
während die andere himmelwärts zielte. Dann wurde der<br />
Pflug von hinten her angelupft und nach links gelegt, daß der<br />
linke Griff (Goitza) auf den zur Erde hinuntergedrehten<br />
Schloifafuß zw. Stange zu liegen kam, der Schloifakopf aber<br />
auf den Grindel (Pflugbaum) zu liegen kam. Die nun waagrecht<br />
liegende Schloifa berührte nur mit beiden Enden den<br />
Boden, so daß man sie samt dem drauf liegenden Pflug (mit<br />
Karren voraus) wegschleppen konnte, ohne die Erde wesentlich<br />
aufzureißen. Nur beim Fahren auf geschotterten Wegen<br />
rissen natürlich die beiden Schloifa-Enden den Schotter<br />
auseinander. Man versah daher gelegentlich die Stangenenden<br />
je mit einem kleinen Rädchen. Unseren jetzt geteerten Wegen<br />
hätten die uralten »Schloifana« nichts anhaben können. Sie<br />
haben sie aber nicht mehr erlebt.<br />
Amtmann hieß bei uns 1545 der Ortsvorsteher, im Fürstenbergischen<br />
seit 1584 dann Schultheiß, im Zollerischen bis<br />
1904 Vogt. Die Strafverfolgung gestohlenen Holzes ging in<br />
Ringingen 1530 »bis auf die Aesem (Ase)«, einem Holzgestell<br />
vor dem Ofenloch zum Aufbeigen des Holzvorrates. Die<br />
Morgenweide hieß »uochta«, das Weidegebiet Auchtert. Die<br />
Auchtenwies heißt heute Hautenwies! Baind, heute noch eine<br />
Ortschaft bei Ravensburg, bedeutet einen (Flecht-)Zaun um<br />
ein Grundstück: »ist umbunden von ainem zune.« Wer gegen<br />
die Eehäftinen oder Ortsgesetze verstieß und Schaden im<br />
Feld machte, mußte diesen »bekören« oder »wagen«, d. h. er<br />
riskierte Strafe. Breunfueter meinte den Abfall beim Dreschen.<br />
(Ob unser »Brietz« = Gebrühtes dazu gehört?) Das<br />
Dorf Bitz und die Flur »die Bitze« (Bützin) entstanden aus<br />
»bi zuna« = beim Zaun. Dieser Dorfzaun hieß auch Etter, oft<br />
aus geflochtenen Gerten oder aus Hecken oder Stecken<br />
bestehend als Grenze gegen die Feldflur. Zum Hinausfahren<br />
benötigte man Lucken mit »angehenktem Gatter« oder einem<br />
Falltor (heute noch Flurname am Melchinger Ortsrand!).<br />
Furch oder Fürchtle hieß der von den Ringinger Talwiesen<br />
kommende Lauchertzufluß. Das Gemeinmerk meint eine<br />
Allmende für alle Dorfbewohner zugängliche Weide. Wie<br />
genügsam unsere Vorfahren um 1530 waren, zeigt eine<br />
Ringinger Bemerkung: Man darf auf den Gewanden (Pflugwenden<br />
= Anwanden) hinaus »wandeln mit einem Krug<br />
Wasser zu dem Pflug«. Lauchen (Laachen) sind Grenzzeichen<br />
an Bäumen oder Steinen. Das Lai (Leech, Läch, Lee; in<br />
Jungingen Lair als Mehrzahl!) bedeutet Grabhügel. Ein<br />
Fußweg oder Stig durch den Zaun wurde durch ein Stigel<br />
oder Steigbrett gesichert, daß Kleinvieh (Gänse usw.) nicht<br />
56<br />
hinauslaufen konnte. Vom »Maß« im Sinne von Längenmaß<br />
unterschied man »das Meß« oder Hohlmaß. Statt Lehenbauer<br />
sagte man noch 1530 »Maier«, aus dem der Familienname<br />
Maier (Meier, Mayer, Meyer, Majer) wurde. Der Hausmaier<br />
der Frankenkaiser war Vorsteher des königlichen Hauswesens<br />
(maior = der Größere, der Vorgesetzte). Der Pfroad<br />
bezeichnet eine (Näh-)Ahle. Riegen (= rügen) verstand man<br />
als »bestrafen«. Ein Runs (heute noch in Freiburg Runz) zeigt<br />
einen Wasserlauf an, wo Wasser rinnt. So hieß im 16. Jh. der<br />
Ringinger große Entwässerungsgraben, der jetzt kanalisiert<br />
ist, und lebt fort im »Wasserrau(n)s« als Flurname. »Schwaig<br />
halten« nannte man 1530 in Ringingen das Recht der Herrschaft,<br />
300 Schafe auf die Weide zu treiben. Die Schwaighäuser<br />
standen vordem auf den beiden Hofstätten unter der<br />
Burgruine auf dem Nehberg. Oben hinter dem großen<br />
Graben lag östlich der »Hintere Vorhof« mit Mauer und<br />
Graben umgeben.<br />
Die Staig meint einen steilen Fahrweg, ein Stig jedoch, wie<br />
oben gesagt, einen Fußweg (heute noch in Flurnamen Steig<br />
gesprochen, also mit spitzem ei). Die Staig wurde in der<br />
Mundart zu Stoig. Wiesenbesitzer auf dem Heufeld durften<br />
beim Mähen und Heuen nur 2 Zugstücke »auf dem Seinen<br />
spannen«. Das heißt, die Tiere wurden an den Vorderfüßen<br />
leicht gefesselt um das Weglaufen zu verhindern und so auf<br />
dem eigenen Grundstück »gespannt«. Von diesem Spannen<br />
kommt nach Prof. Schnetz der langumstrittene Flurname<br />
Espan oder Aispan. Das anlautende E ist der Rest des<br />
althochdeutschen ewa = Gesetz, das auch in Ehe und Ehehalten<br />
(Gesinde), Eehäfte (Dorfrechte) steckt. Der Satz: »es ist<br />
keine stete Muetung« von 1545 bedeutet wohl: »es wird nicht<br />
ständig verlangt«, sondern nur von Zeit zu Zeit. Stumpen<br />
verstand man bei uns im 16. Jh. als Stämme (von Bäumen).<br />
Trieb bzw. Triebwege sind nach dem Viehaustrieb benannt.<br />
Das Gelände hat man nach 1867 in »Bürgerteile« zerlegt.<br />
Untergang hieß das Feldgericht, Untergänger die Aufseher<br />
über Marken und Grenzen. Die Getränksteuer hieß Umgelt<br />
oder Ungelt, indem die verbrauchten Ohme (Hohlmaß)<br />
berechnet wurden. Die Witmark von 1530 scheint Holzmark<br />
oder Holzgebiet zu bedeuten, in dem jeder seine zum Garbenbinden<br />
nötigen Widen holen konnte. Althochdeutsches<br />
witu bedeutet Holz. Dazu gehört wohl auch die Langwid, die<br />
Verbindungsstange zwischen Vorder- und Hinterwagen. Das<br />
Ringinger Wyssengäßle hatte seinen Namen vom 1392<br />
genannten Anwohner Wyß oder Weiß (Haus 99). Die Zunstellinen<br />
bedeuteten den Verlauf der Zäune um Dorf und<br />
Felder.<br />
Die Ringinger sog. »Viehwaid« nördlich des Heufelder Kreuzes,<br />
warimj. 1530 35 Mannsmad groß (ca. 16,54 ha), hat aber<br />
1516 laut Urkunde noch nicht bestanden. Offenbar hat man<br />
die verschiedenen Grundstücke mehrerer Besitzer zusammengelegt<br />
und zahlte ihnen pro Mannsmad 3 Kreuzer 2, die<br />
auf das Weidevieh umgelegt wurden. Um 1750 war diese<br />
Abgabe weggefallen. Nach Aufhören des Viehaustriebs 1867<br />
hat Ringingen die »Viehwaid« als Allmendstücke ausgegeben,<br />
seit etwa 10 Jahren aber wieder zusammengezogen und<br />
in großen Stücken verpachtet.<br />
Anmerkungen<br />
1 Hohenzollerische Heimat 1974, 18 f. Abschriften des Dorfrechttextes<br />
übergab er den Heimatbibliotheken.<br />
2 Zum Beweis, daß nicht die Gemeinde Salmendingen diesen Zins<br />
der »Viehwaid«, sondern die früheren Besitzer bekamen, geht aus<br />
einer Zollerischen Erneuerung von 1545/65 (Arch. Donaueschingen)<br />
hervor, die sowohl Herr Räch, als auch ich bisher übersehen<br />
haben.
JOHANN ADAM KRAUS<br />
Namen unserer Vorfahren vor 1200 Jahren<br />
Es dürfte bekannt sein, daß Familien- oder Zunamen bei uns<br />
erst seit dem 11. bis 13. Jahrhundert gebräuchlich wurden<br />
und gelegentlich noch bis ins 16. Jahrhundert wechseln<br />
konnten. Hochadelige begannen kurz nach der Jahrtausendwende<br />
»von« ihren Wohnsitzen benannt zu werden, z. B.<br />
lesen wir: 1061 Burkart und Wezel (= Werner!) von Zolorin<br />
(= Zollern). Ältere Urkunden kennen nur Vor- oder Taufnamen,<br />
was man sich heute eigentlich kaum mehr vorstellen<br />
kann. Aus zwei in schlechtem Latein verfaßten Dokumenten<br />
des schweizerischen Klosters St. Gallen aus den Jahren 772<br />
und 773 geht hervor: Ein hochbegüterter Herr Roadho<br />
(Rodachu, Ruodhus) schenkt an die dem Kloster gehörige<br />
Kirche St. Gallus in Willmandingen (bei Salmendingen) viele<br />
Güter und Dienstleute. Das eine Mal sind es acht Häuser,<br />
zwölf Hofgüter und zweiunddreißig Dienstboten oder<br />
Untergebene, das andere Mal elf Hofgüter und zweinundvierzig<br />
Dienstleute, darunter jeweils ganze Familien mit<br />
erwachsenen Kindern 1. Die aufgeführten Namen sind teils<br />
keltischer, teils germanischer Herkunft und klingen uns<br />
ziemlich ungewohnt. Offenbar hat der Schreiber, ein Priester<br />
Hubertus, die größte Mühe gehabt, die Namen nach dem<br />
Gehör aufzunehmen und niederzuschreiben, wie die Unterschiede<br />
der beiden Schriftstücke zeigen. Somit ist nicht<br />
absolut sicher, ob beide Mal andere oder nur gleichnamige<br />
Leute in anderer Schreibart gemeint sind. Ferner bleibt sehr<br />
fraglich, ob alle Genannten in Willmandingen wohnten, das<br />
damals schwerlich ein umfangreicher Ort war. Vielmehr<br />
scheint möglich, daß ein Teil der geschenkten Güter und<br />
Menschen in der nächsten Umgebung zu suchen sind, z. B.<br />
im unfern gelegenen Ringingen, das einen Hof mit Kapelle<br />
und Gallenbühl des Klosters St. Gallen besaß, die allerdings<br />
im 15. Jahrhundert der Pfarrei Truchtelfingen bei Ebingen<br />
zugeschlagen waren und ebenfalls St. Gallen gehört hatten 2.<br />
Die merkwürdigen Namen, die unten alphabetisch folgen,<br />
führten schon zur Vermutung, die Namensträger seien von<br />
den Franken, die seit 496 Herren über die um 240 eingewanderten<br />
Alemannen ins bisher von Römern besetzte Keltenland<br />
regierten, aus der Gegend der Seine bei Paris auf unsere<br />
Alb zwangsweise umgesiedelt worden. Dies bleibt jedoch so<br />
lange zweifelhaft, als man um 770 sonst in der weiteren<br />
Umgegend keinerlei größere Namengruppen kennt. Könnten<br />
nicht Reste der früheren keltischen Bevölkerung des<br />
dritten Jahrhunderts (wie man es im Schwarzwald vermutet)<br />
sich unter den neuen Herren Alemannen und Franken erhalten<br />
haben?<br />
Die erste Urkunde des ohne Zweifel christlichen Roadho<br />
wollte man so verstehen, als habe er selber die Galluskirche in<br />
Willmandingen erbaut. Doch erweckt das fehlerhafte Latein<br />
schwere Zweifel, und daher haben schon frühere Gelehrte<br />
(z. B. in dem gedruckten Codex Traditionum von St. Gallen)<br />
HANS LANDENBERGER<br />
Geschichtliches aus der Pfarrei Grosselfingen<br />
Bis zum Jahre 1471 hatte Grosselfingen keine eigene Pfarrei.<br />
Die Gemeinde war kirchlich ein Filial der Nachbargemeinde<br />
Weilheim und dort eingepfarrt. Im Ort selbst war eine<br />
einfache Kapelle. Als deren Patron wird im Jahre 1395<br />
urkundlich der hl. Johannes der Täufer genannt. Diese<br />
nur von einer Schenkung von Dienstboten, also von Vermehrung<br />
der kirchlichen Einkünfte geredet 3. Über die soziale<br />
Stellung der geschenkten Leute kann man nur Vermutungen<br />
anstellen, ob sie wohlsituierte Knechte oder rechtlose Hörige<br />
waren, die immerhin auf den genannten Höfen ihre sichere<br />
Existenz hatten. Darf man etwa als Vergleich den heutigen<br />
Übergang einer Fabrik samt den zugehörigen Arbeitern an<br />
einen neuen Herrn beiziehen?<br />
Über den Stand des Stifters Ruotah, der mit einem Kreuzlein,<br />
wie die anderen schreibuntüchtigen Zeugen, unterzeichnete,<br />
ist nichts festzustellen. Sie sind offenbar Herren! Ihre<br />
Namen: Bleon, Issinbert, Welando, Warilando, Leutbero,<br />
Ermenberto, Waninco, Hisinberto, Hemulberto, Crimperto,<br />
Teutberto und Varilando. Vom erstgenannten Bleon<br />
wissen wir aus der Notiz des sogenannten Codex Laureshamensis<br />
(Lorsch bei Worms), daß er 4 mit seinem Sohn Otto im<br />
Jahre 772 dem Kloster Lorsch unter dem Abt Gundland in<br />
der Burichingamark Güter schenkte, und zwar in Burladingen,<br />
Megingen (dabei: das spätere Maygingen bei Flur Gassen),<br />
Merioldingen (heute Flur zwischen Stetten und Meldungen:<br />
Mertingen), Melchingen selbst, Willmandingen,<br />
Genkingen und Gauselfingen 4.<br />
Die beiden Urkunden von St. Gallen bringen folgende Personennamen:<br />
Adtane, Agde, Ahalagde, Ahicono, Altmanno,<br />
Amulfrede, Aricarno, Arichiso, Arnaldo, Autmanno, Benzone,<br />
Berfridane, Bettone, Bleon, Blitilde = Plitilde, Collane,<br />
Crimperto, Ermenberto, Frahusindtane, Haghico,<br />
Mahulberto, Hamulfrid, Haricarno, Haridyso, Hariman,<br />
Hinolobe, Hisinberto, Huraldo, Huttone, Issinbert, Leube,<br />
Leubine, Leupagde, Leupaldo, Leutberto, Leutnig, Lietillone,<br />
Lobehagde, Lollane, Motra, Moterane, Radbergane,<br />
Ricario, Rigtrude, Roadho (Ruodhaus, Rodahu), Rodulfo =<br />
Ruodulfo, Ruodnig = Rodnig, Rotmanno = Routmanno,<br />
Tancrado, Tehudtrude = Teutdrude, Teutulfo, Teutcario,<br />
Teutberto, Tradulfo, Trudulfo, Trudlinde, Uraldo, Uttono,<br />
Valdulfo = Waldulfo, Varilando = Warilando, Varlindoe,<br />
Visculfo, Volfagde, Volkmaro = Wolmaro, Vollkamanno,<br />
Volmann, Waldulfo, Waninco, Warilando, Weland, Wolfhagde,<br />
Wolflinde.<br />
Wenn schon die Namen der damaligen Albbewohner so<br />
fremdartig klingen, wie wäre uns dann erst deren Sprache<br />
vorgekommen? Leider sind aus unserer engeren Gegend<br />
keine Überreste bekannt.<br />
Anmerkungen<br />
1 Wartmann, Urkundenbuch von St. Gallen 1,65 und 68.<br />
2 Hohenz. JHeft 1957, 36 f.<br />
3 Heimatbuch von Willmandingen 1972 bzw. »Der Burichingagau«<br />
von A. Dreher 1957, 185 f.<br />
4 Wirtenb. UB 4,413. Ein Foto dieses Eintrages findet sich im<br />
»Heimatbuch Burladingen« von 1961, Seite 136a.<br />
Kapelle war so gut fundiert, daß sie einen eigenen Pfarrer zu<br />
sustentieren fähig gewesen wäre. Diese Tatsache, aber auch<br />
der Umstand der großen Entfernung Grosselfingens von<br />
Weilheim erregten den Wunsch der Kapelle zu Grosselfingen<br />
die Rechte einer Pfarrkirche zu verleihen. Der Pfarrer von<br />
57
Weilheim bezog jedoch einige Einkünfte aus den Grosselfinger<br />
Kapellen-Requien. Die von dem damaligen Ortsherrn<br />
Konrad von Bubenhofen gegebene Zusicherung, den Pfarrer<br />
von Weilheim zu entschädigen und das Gehalt des Pfarrers<br />
von Grosselfingen ergänzen zu wollen, schafften die Voraussetzungen<br />
zur Errichtung einer eigenen Pfarrei.<br />
Am 28. Juli 1471 erteilte der Päpstliche Legat für Deutschland,<br />
Kardinal Leipius, dem Bischof Hermann zu Konstanz<br />
die Vollmacht, die Kapelle in Grosselfingen zur Pfarrkirche<br />
zu erheben. Mit Urkunde vom 15. März 1472 wurde Grosselfingen<br />
selbständige Pfarrei. Eberhard Schiegh von Balingen<br />
(Pfarrer von 1472 bis 1488) wurde am 12. März 1472 durch<br />
Konrad von Bubenhofen als Pfarrer präsentiert. Im Jahre<br />
1537 werden Johannes der Täufer und der hl. Hubertus als<br />
Kirchenpatrone erwähnt. Aus einem Visitationsbericht über<br />
die Landpfarreien der Grafschaft Hechingen ist die Verarmung<br />
der Pfarrei Grosselfingen zu schließen, es wurde um<br />
Überlassung des Kleinzehnten und eines Teiles des Großzehnten<br />
nachgesucht.<br />
Außer der zur Pfarrkirche erhobenen Kapelle war eine solche<br />
bei der Hainburg. In der Hainburg-Kapelle wirkte im Jahre<br />
1470 Heinrich Vögeli von Rosenfeld als Kaplan, sie gehörte<br />
zur Pfarrei Owingen. Auch beim Schloß der Herren von<br />
Bubenhofen am Ende des heutigen Schloßkellerweges war<br />
eine Kapelle. Vom Jahre 1534 stammt die Erlaubnis des<br />
Bischofs zur Celebration in der »capella- castri« zu Grosselfingen.<br />
Die Hainburg-Kapelle war im Genuß des Kleinzehnten<br />
von Grosselfingen. Gräfin Franziska von Hohenzollern<br />
hat am 14. August 1616 den Kleinzehnten, d. h. die Zehntabgaben<br />
vom Obst und allem, was in Krautgärten und den<br />
Almendäckern wächst, der neuen Pfarrei Grosselfingen überlassen.<br />
Unter Pfarrer Johann Georg Sehr (von 1673 bis 1718) entstand<br />
anstelle der zur Pfarrkirche erhobenen Kapelle im Jahre<br />
1703 eine neue Kirche. Diese wurde an den damaligen<br />
wuchtigen Turm angebaut. Der Turm hatte 2 m dicke<br />
Mauern, Schießscharten und einen Treppengiebel und ein<br />
ehrwürdiges Alter von 400-500 Jahren, er könnte ursprünglich<br />
ein Verteidigungs-Bollwerk gewesen sein. Die neue<br />
Kirche wurde laut Inschrift zu Ehren der Heiligsten Dreifaltigkeit,<br />
der Seligsten Jungfrau Mutter Gottes Maria wie auch<br />
des hl. Hubertus Kirchenpatron errichtet. Johannes der<br />
Täufer ist als Kirchenpatron vom hl. Hubertus abgelöst<br />
worden.<br />
Vom 9. Februar 1706 datiert die im Original noch vorhandene<br />
Stiftungsurkunde für die Bruderschaft des Ehrsamen<br />
Narrengerichts zu Grosselfingen, geschrieben und mit Petschaft<br />
versehen von Pfarrer Johann Georg Sehr. In der<br />
Ortsmitte, am Eingang zum Marktplatz, steht die Wendelins-Kapelle,<br />
diese wurde von Bürgermeister Christian<br />
Pflumm im Jahre 1737 an Stelle des bereits im Jahre 1530<br />
urkundlich erwähnten »Bilderhäusle« erbaut. Stadtpfarrer<br />
Johann Martin Fischer aus Hechingen hat am 25. September<br />
1738 darin die erste hl. Messe gelesen. Am 12. August 1784<br />
gestattet der Konstanzer Weihbischof Wilhelm Josef Leopold<br />
von Baaden, daß in der den hl. Dreikönig geweihten Hainburgkapelle<br />
das Messopfer dargebracht werden darf. Die<br />
Hainburgkapelle und die Kapelle beim Schloß der Herren<br />
von Bubenhofen sind Opfer der Zeit geworden.<br />
In dem Bericht des Ortspfarrers Sebastian Haid von Hechingen<br />
(von 1794 bis 1817) vom 9. Januar 1797 wird der<br />
baufällige Zustand der Pfarrkirche geschildert. Das heute<br />
noch vorhandene Hochaltarbild, eine Kreuzigungsszene von<br />
Fidelis Wetz von 1806, ist eine Stiftung von Pfarrer Sebastian<br />
Haid, dessen Grabmal befindet sich heute auf der Rückseite<br />
der heutigen Pfarrkirche. Einem Bittgesuch der Gemeinde<br />
Grosselfingen vom 12. November 1851, nachhaltig unter-<br />
58<br />
stützt von Pfarrer Paul Koler von Jungingen (von 1845 bis<br />
1859), ist die dringend notwendige Erbauung einer neuen<br />
Pfarrkirche in Grosselfingen zu entnehmen. Die daraufhin<br />
angestellten vielfältigen Recherchen, welche sich bis zum<br />
Jahre 1856 hinzogen, haben ergeben, daß die vermeintliche<br />
Baupflicht des Fürstenhauses von Hohenzollern, im Zusammenhang<br />
mit dem Großzehnten nicht nachzuweisen war.<br />
Der Kleinzehnte ist durch Rezeß vom 11. Januar 1864 mit<br />
einer Rente in Höhe von 257 Gulden 12 Kreuzer jährlich zu<br />
Gunsten der Pfarrei Grosselfingen abgelöst worden. Die<br />
Ablösung endete im Jahre 1918. Unter Pfarrer Heyse (von<br />
1860 bis 1886), dem nachmaligen Stadtpfarrer von Hechingen,<br />
wurde mit der Reparatur und der Erweiterung der<br />
Pfarrkirche begonnen.<br />
Der bei der Pfarrkirche liegende Friedhof ist aufgrund obrigkeitlichen<br />
Drängens auf den Galgenrain verlegt worden.<br />
Pfarrer Heyse plante eine Friedhofskapelle und hat vor<br />
seinem Wegzug nach Hechingen 1000 Mark zum Kapellenfond<br />
gestiftet. Am 11. August 1889 erfolgte deren Grundsteinlegung<br />
und am 20. Juni 1891 die Einweihung durch<br />
Pfarrer Eugen Maier aus Gruol (von 1889 bis 1899). Diesem<br />
ist auch die Aufgabe zugefallen, die infolge der angewachsenen<br />
Seelenzahl zu klein gewordene Pfarrkirche zu vergrößern.<br />
Im Jahre 1894 wurde der Chorbogen herausgebrochen<br />
und ein Querschiff angebaut, so daß der Grundriß der Kirche<br />
eine Kreuzesform erhielt. Am 17. September 1897 konsekrierte<br />
Weihbischof Dr. Justus Knecht Altar und den erweiterten<br />
Kirchenraum.<br />
Von 1900 bis 1929 war Pfarrer Stanislaus Fechter von Hart<br />
Seelsorger der Gemeinde Grosselfingen. Anläßlich dessen<br />
25jährigen Ortsjubiläums ist die Friedhofskapelle renoviert<br />
worden. Dem unvergeßlichen »Stanes«, wie er weitum<br />
bekannt war, darf eine warmherzige Würdigung angefügt<br />
werden. Er war ein frommer Priester, eine überragende<br />
Persönlichkeit, freigebig und Helfer bei Krankheiten, ein<br />
orgineller und freimütiger Gesellschafter. Während seines<br />
priesterlichen Wirkens wurde das Kinderheim erbaut, welches<br />
er mit persönlichen Spargroschen finanziell förderte. Er<br />
ging am 17. November 1929 in die kleinere Pfarrei Weildorf,<br />
blieb aber mit seinen Grosselfinger Pfarrkindern in enger<br />
persönlicher Verbindung. Im gottbegnadeten Alter von 86<br />
Jahren ging am 5. Februar 1950 seine Seele zum Schöpfer<br />
zurück.<br />
Am 29. Dezember 1929 ist Pfarrer Stephan Haug von Neufra<br />
in die Pfarrei Grosselfingen investiert worden. Das Pfarrhaus,<br />
ein altes Bauernhaus, wurde am 20. Oktober 1931 ein<br />
Raub der Flammen. An der gleichen Stelle entstand ein<br />
stattliches neues Pfarrhaus. Das alte Schulhaus am Marktplatz,<br />
welches die politische Gemeinde der Kirchengemeinde<br />
kostenlos überlassen hat, ließ er zu einem katholischen<br />
Gemeindehaus umbauen. Die Wohnsiedlung in »Unter<br />
Lauen«, für rund 30 Familien, entstand unter seiner Regie.<br />
Weil die Pfarrkirche nicht mehr alle Kirchenbesucher der auf<br />
1400 Einwohner angewachsenen Gemeinde fassen konnte<br />
und weil offensichtlich die alte Pfarrkirche zum modernen<br />
Pfarrhaus nicht paßte, ist bereits im Jahre 1937 die unabwendbare<br />
Aufgabe eines Kirchenneubaues auf Pfarrer Stephan<br />
Haug zugekommen. Die politischen Verhältnisse<br />
zwangen ihn aber zum Zuwarten. Kaum waren die mit der<br />
Währungsreform vom Juni 1948 entstandenen finanziellen<br />
Schwierigkeiten überwunden, wurde der bekannte Kirchenbauarchitekt<br />
Hans Lütkemeier aus Rottenburg mit der Planung<br />
des Kirchenneubaues beauftragt.<br />
Dem überraschenden Entschluß lag ein bauliches Gutachten<br />
zu Grunde, welches die Baufälligkeit der Pfarrkirche als<br />
Folge von Erdbeben zum Inhalt hatte. Die alte Pfarrkirche<br />
samt dem ca. 500 Jahre alten Glockenturm mußte der neuen<br />
Kirche weichen, es erfolgte deren Abbruch. Am 27. August
1950 wurde der erste Spatenstich für den Kirchenneubau<br />
getan. Am ersten Maisonntag 1951 erfolgte die Grundsteinlegung<br />
in Anwesenheit von Abt Konrad Winter aus Weingarten.<br />
Für das Mauerwerk sind die alten Natursteine vom<br />
Abbruch der Kirche und des Turmes verwendet worden. Am<br />
13. August 1951 konnte Richtfest gefeiert werden. Pfarrer<br />
Stephan Haug war unermüdlich, legte selbst Hand mit an, wo<br />
es not tat. Obwohl schwer herzleidend, erstieg er mehrmals<br />
das Baugerüst. Beim Abstieg von der Baugerüstleiter erlitt er<br />
am 3. Oktober 1951 einen Herzanfall, der seinen Tod zur<br />
Folge hatte. Ungemein schwer traf sein plötzlicher Tod die<br />
Kirchengemeinde.<br />
Dekan Josef Vogler aus Boll regelte die besorgniserregende<br />
Finanzlage und führte die im Zusammenhang mit dem Kirchenneubau<br />
unaufschiebbaren Geschäfte weiter. Am 12.<br />
Dezember 1951 konnte er diese dem neuen Pfarrherrn Erwin<br />
Vogel von Göggingen übergeben. Die feierliche Investitur<br />
von Pfarrer Erwin Vogel hat am 23. Dezember 1951 stattgefunden.<br />
Von ihm wurde mit Energie und Sachkenntnis der<br />
Kirchenneubau zu Ende geführt. Schon am 23. März 1952 ist<br />
die neue Kirche von Dekan Josef Vogler benediziert worden.<br />
54 Sonntage diente der Saal im katholischen Gemeindehaus<br />
als Notkirche. Beachtlich hoch waren die finanziellen Beiträge<br />
und Stiftungen der Einwohnerschaft. Auch das Fürstenhaus<br />
von Hohenzollern leistete einen Kostenbeitrag in<br />
J. GRONER<br />
Der Pfullendorfer Minorit Johann Ludwig Ungelehrt,<br />
gen. »a Musis«, 1599-1662 (I)<br />
Jugend und früher Aufstieg<br />
Zu den bedeutenden Männern, die aus der ehemaligen<br />
Reichsstadt Pfullendorf stammen, gehört ohne Zweifel auch<br />
Johann Ludwig Ungelehrt. Er wurde dort am 8. August<br />
1599 1 geboren. Johann Schupp gibt als Vater den Zimmermann<br />
Melchior Ungelehrt an und läßt ihn am Gaisbühl, einer<br />
Seitengasse im oberen südöstlichen Teil der Stadt, im Haus<br />
Nr. 4 heutiger Zählweise geboren sein 2. Von diesem Haus ist<br />
nichts mehr vorhanden, man findet an seiner Stelle augenblicklich<br />
nur einen leeren Platz. Wie der Lebensweg des<br />
kleinen Johann weiterging, läßt sich nur vermuten. Wahrscheinlich<br />
brachte ihm einer von den städtischen Lehrern<br />
Lesen und Schreiben bei, vielleicht schickte ihn sein Vater,<br />
der die höhere Berufung seines Sohnes erkannte, auf die<br />
Lateinschule an der Stadtmauer hinter der spitälischen Kornscheuer<br />
3. Schon früh muß der Knabe mit den Minoriten in<br />
Verbindung gekommen sein, was keine Schwierigkeit darstellte,<br />
befand sich doch im benachbarten und mit Pfullendorf<br />
freundlich verbundenen Überlingen ein größeres Minoritenkloster<br />
(heute städtisches Altersheim). Kurzum, mit 14<br />
Jahren, damals nichts Außergewöhnliches, trat er in Villingen<br />
ins Franziskanerkloster ein 4, in jenes Haus an der Westmauer<br />
der alten Zähringerstadt 5, in dem er später schicksalhafte<br />
Monate verbringen sollte.<br />
Bei der Einkleidung erhielt der Novize den Ordensnamen<br />
Ludwig. Ungelehrt zeichnete jedoch immer auch mit seinem<br />
Taufnamen. Eubel behauptet, der junge Mann habe seinen<br />
ausgefallenen Familiennamen 6 bald in »Amusius« (»Musenloser«)<br />
verwandelt 7, als ob die griechischen Musen, von<br />
denen Klio und Kalliope für Gelehrsamkeit zuständig waren,<br />
bei ihm nichts zu suchen gehabt hätten. Abgesehen davon,<br />
daß dies bei Ungelehrt nicht zutraf, sollte sich auch sein<br />
lateinischer Name eines Tages in eine angemessenere Form<br />
Form von 100 Festmeter Bauholz. Am 16. Mai 1953 vollzog<br />
Erzbischof Wendelin Rauch in hochfeierlicher Weise die<br />
Weihehandlung. Patronatsherr Fürst Friedrich von Hohenzollern,<br />
Prinz Franz Josef von Hohenzollern, viele Geistliche<br />
aus dem Kapitel, zahlreiche Vertreter der Behörden und die<br />
Einwohnerschaft haben an den Feierlichkeiten teilgenommen.<br />
Im März 1956 ist an der rückwärtigen Wand des Kirchenschiffs<br />
eine Gedenktafel für 97 Tote und Vermißte des 2.<br />
Weltkriegs der Gemeinde Grosselfingen angebracht worden,<br />
sie ist eine Arbeit des hier be<strong>heimat</strong>eten Kunstschreiners<br />
Adolf Lorch. Auf Initiative von Ortspfarrer Erwin Vogel<br />
sind für den 42,5 Meter hohen Glockenturm neue Glocken<br />
angeschafft worden, sie entstanden in der Heidelberger<br />
Glockengießerei und wurden aus Spenden finanziert. Dem<br />
neuen Geläute liegt das Te-Deum-Motiv zu Grunde. Die<br />
Glockenweihe durch Dekan Geistlichen Rat Eugen Wessner<br />
von Jungingen ist am 23. Oktober 1977 erfolgt. Nach 30<br />
Jahren segenreichen Wirkens resignierte Pfarrer Erwin Vogel<br />
und verzog am 4. September 1979 nach Aasen bei Donaueschingen.<br />
Als 55. Geistlicher der Namensliste der Pfarrei<br />
Grosselfingen übernahm am 26. September 1979 Pfarrer<br />
Robert Huber von Gengenbach die Seelsorge in der Pfarrei<br />
Grosselfingen. Am 27. April 1980 hat dessen feierliche<br />
Investitur stattgefunden.<br />
wenden. Der Orden schickte den begabten jungen Mann zum<br />
Studium auf die Karlsuniversität nach Prag, wo er mit dem<br />
theologischen Doktoratsexamen abschloß, um dann in Wien<br />
vom Ordensgeneral Giäcomo Montanari da Bagnacavallo in<br />
einer feierlichen Zeremonie mit dem Doktorhut geschmückt<br />
zu werden 8. Anschließend fand Ungelehrt in der Seelsorge<br />
Verwendung. Hierbei entfaltete er vor allem auch seine<br />
rednerische Begabung, die ihm rasch zu großem Ansehen in<br />
der Provinz verhalf. Müller-Tschan preist ihn in seinen<br />
Provinzialbiographien 9 als »ersten Prediger der Provinz«.<br />
Seine Intelligenz, seine Art, mit Menschen umzugehen, seine<br />
Energie und Ordenstreue, wohl auch noch im besonderen die<br />
auf dem bevorstehenden Wahlkapitel zur Annahme vorliegenden<br />
neuen Konstitutionen Urbans VIII., die eine kluge<br />
und willensstarke Persönlichkeit für ihre Durchsetzung verlangten,<br />
bewog die Kapitulare in Luzern am 23. September<br />
1628, den erst 29jährigen Johann Ludwig Ungelehrt für die<br />
nächsten 3 Jahre zum Provinzial zu wählen.<br />
Sorge des Provinzials für die Wissenschaft<br />
Neben den normalen Pflichten eines Provinzials machte sich<br />
Ungelehrt nicht geringe Sorge um die wissenschaftliche Bildung<br />
des Ordensnachwuchses, ein wahres Problem, nachdem<br />
das Generalstudium in Straßburg durch die Reformation<br />
1526 verloren gegangen war. Die Provinz hatte in jener Zeit<br />
sowieso schwere Verluste an Personal und Häusern erlitten,<br />
nahm nun zwar trotz der bösen Verhältnisse (30jähriger<br />
Krieg) und immer wieder vorkommenden Absprüngen zu<br />
den Kapuzinern 10 einen relativ erfreulichen Aufschwung,<br />
doch die Frage der wissenschaftlichen Fundierung der<br />
Ordengemeinschaft und damit ihre geistige und geistliche<br />
Zukunft war immer noch nicht gelöst. Man half sich, so gut es<br />
59
ging, selbst, oder schickte die Studenten zu den Jesuiten (/.. ß.<br />
in Würzburg) in die Schule, was für die skotistisch denkenden<br />
Franziskaner natürlich gewisse Schwierigkeiten mit sich<br />
brachte. Die trostlose Zeit vom Eintritt Schwedens in den<br />
30jährigen Krieg, der dann auch den deutschen Teil der<br />
Straßburger Provinz heimsuchte, bis zum Westfälischen<br />
Frieden war ohnedies für das intellektuelle Leben wenig<br />
zuträglich, und wegen des spärlichen Nachwuchses während<br />
dieser Jahre brauchte man sich eigentlich kein übermäßiges<br />
Kopfzerbrechen zu machen. Erst nach Kriegsende blühte das<br />
Studium in den einzelnen größeren Häusern (Uberlingen,<br />
Villingen, Konstanz, Würzburg, Freiburg, Luzern, Solothurn<br />
u. a.) wieder auf, doch da hatte sich Ungelehrt sozusagen<br />
schon auf sein Altenteil nach Solothurn zurückgezogen<br />
11.<br />
Die bittere Pflicht des kaiserlichen Restitutionsedikts<br />
Eine sauere Arbeit wartete auf den jungen Provinzial nach<br />
dem Erlaß des Restitutionsedikts Ferdinands II. vom 6. März<br />
1629, nach dem u. a. die den Katholiken nach 1552 entrissenen<br />
Klöster von den protestantischen Ständen zurückgegeben<br />
werden mußten. Ungelehrt hatte nun mit den maßgeblichen<br />
Obrigkeiten endlose und aufreibende Verhandlungen<br />
zu führen, doch die 18 Rückgewinnungsversuche 12 endeten<br />
zumeist negativ. »Überall wurde er zurückgewiesen« (Esslingen),<br />
»ohne jedes Ergebnis« (Frankfurt), »erhielt nichts<br />
ausser guten Worten und unzähligen Versprechungen«<br />
(Konstanz), so oder ähnliche Bescheide mußte er einstecken.<br />
Dabei scheiterte die Rückgabe nicht immer nur am Widerstand<br />
der etwa protestantisch gewordenen Städte, sondern<br />
auch an der Weigerung von Bischöfen, die inzwischen andere<br />
vorzogen, (z. B. Jesuiten) oder wegen Quertreibereien in der<br />
»eigenen Familie«, d. h. von Seiten der Observanten Franziskaner<br />
oder der Kapuziner. Vor allem eben diese »mit den<br />
langen Kapuzen« versuchten im Ungestüm eines neuentdeckten<br />
franziskanischen Bewußtseins (OFMCap gegründet<br />
1528) den Minoriten insbesondere die Frauenkonvente abzujagen,<br />
wie z. B. das Klarissenkloster Wittichen im Schwarzwald:<br />
»Die Kapuziner setzten alles in Bewegung, um das<br />
Beichtvateramt dieses Klosters zu erlangen unter dem Vorwand<br />
der Reformation, in Wahrheit jedoch wegen des größeren<br />
Vorteils, der ihnen winkte, weil sie sich reichlichere<br />
Almosen sowohl aus diesem Kloster als auch aus der Umgebung<br />
versprachen« 13. Ihrer zähen Zielstrebigkeit gelang es<br />
schließlich auch, die Franziskanerinnen von Ungelehrts Heimatstadt<br />
Pfullendorf den Minoriten zu entreißen und unter<br />
ihre Jurisdiktion zu bringen. »1707 fielen sie von den Konventualen<br />
ab und liefen zu den Kapuzinern über«, heißt es<br />
lapidar bei Tschan 14. Nur mit dem Tertiarinnenkloster Deißlingen<br />
b. Tuttlingen war Ungelehrt ein Erfolg beschieden,<br />
und in der Reichsstadt Augsburg konnte ein eigenes, von<br />
Ungelehrt inspiriertes kaiserliches Dekret die wenigstens<br />
teilweise Rückgabe des Minoritenklosters erwirken, allerdings<br />
mit einem protestantischen Zwischenakt nach der<br />
Eroberung und Besetzung der Stadt durch die Schweden<br />
(1632-1634). Doch mit dem Westfälischen Friedensvertrag<br />
ging der Konvent wieder und endgültig verloren 15. Und so<br />
hatte auch hier wie für alle anderen Fälle das 1630 offiziell<br />
angeordnete Gebet zum hl. Antonius um die Wiedererlangung<br />
der verlorenen Klöster nichts genützt 16. Ein kleiner<br />
Trost war dem geplagten Provinzial jedoch beschieden: für<br />
das auf dem ehemaligen Burghügel Werthenstein entstandene<br />
Muttergottesheiligtum suchte der Rat von Luzern eine<br />
Ordensgemeinschaft zur Betreuung der Wallfahrer. Nachdem<br />
die Jesuiten und Kapuziner abgelehnt hatten, erging das<br />
Angebot an die Minoriten, und der Provinzial Ungelehrt griff<br />
zu. Am 25. Mai 1631 wurde in Anwesenheit des Nuntius von<br />
Luzern feierlich der Grundstein für das neue Kloster gelegt,<br />
das die bereits bestehende große Wallfahrtskirche aus dem<br />
Anfang des Jahrhunderts kunstvoll umschließen sollte. Die<br />
60<br />
Anlage gehört, nach mannigfachen Erweiterungen und<br />
Abänderungen, auch heute noch »zu den originellsten Werken<br />
der nachmittelalterlichen schweizerischen Architektur«<br />
17.<br />
Reform der Frauenklöster<br />
Besondere Aufmerksamkeit widmete Ungelehrt den<br />
Frauenklöstern, die seiner Aufsicht unterstanden. Dabei<br />
ergab sich einmal die Aufgabe, die Klöster überhaupt für den<br />
Minoritenorden zu erhalten, eine Sache, die vor allem in der<br />
Schweiz wegen der Minoritenfeindlichkeit der Nuntiatur<br />
äußerst prekär war (den Minoriten waren nur noch 3 ganze<br />
Frauenklöster verblieben: Bremgarten, Muotathal und Solothurn,<br />
und diese wären ohne den Einsatz von Ungelehrt<br />
ebenfalls verloren gegangen 18). Dazu versuchten eben damals<br />
ganz allgemein die Kapuziner in ihrem hochgestochenen<br />
Reformeifer, die Franziskanerinnen den Minoriten abspenstig<br />
zu machen und sie unter ihre Lebensweise und Jurisdiktion<br />
zu beugen 19. Bei diesen Manövern entstand in den<br />
Frauengemeinschaften nicht selten eine üble Parteiung, bis<br />
sich eines Tages die Mehrheit pro oder contra Wechsel<br />
entschieden hatte oder der Konvent endgültig auseinander<br />
gesprengt war. Ein Beispiel für solchen Reformzwist bietet<br />
auch das Franziskanerinnenkloster Pfullendorf, dem Ungelehrt<br />
als Sohn dieser Stadt natürlich besonders zugetan war.<br />
Er hatte seine Heimat auch nach dem Aufstieg zum Provinzialat,<br />
das ihm immerhin die Rechtsbefugnisse eines Bischofs<br />
über die zahreichen Minoritenklöster im Gebiet des gesamten<br />
alemannischen Raumes, ja bis über Frankfurt hinaus, übertrug,<br />
auch sonst nicht vergessen. Berard Müller 20 vermerkt<br />
z. B. ausführlich, daß sich am 23. September 1629 der Rat der<br />
Stadt Pfullendorf »nachdrücklich« bei Ungelehrt bedankte,<br />
weil es ihm gelungen war, beim kaiserlichen Kriegskommissar<br />
Johann Adolf Wolfstier eine Senkung der auferlegten<br />
Kriegskontribution von 1000 Gulden auf die Hälfte zu<br />
erwirken und den monatlichen Beitrag von 300 auf 100<br />
Gulden herabzudrücken 21. Für die Franziskanerinnen seiner<br />
Heimatstadt hatte der Provinzial im November 1630 anläßlich<br />
seines Besuches in Pfullendorf die Erlaubnis erwirkt, in<br />
ihrer neuen Kapelle von 1598 (heute Geschäftsräume der<br />
»Stadtapotheke«) das Allerheiligste aufzubewahren. Der<br />
Stadtpfarrer Anton Bregenzer und auch der Bischof von<br />
Konstanz wollten dies zwar verhindern, und der Streit<br />
hierüber dauerte schon seit Mai des Jahres. Doch mit dem<br />
Nuntius von Luzern Ciriaco Rocci im Rücken setzte sich<br />
Ungelehrt schließlich durch 22.<br />
Obwohl die Kapuziner von Meßkirch aus in Pfullendorf<br />
pastorierten, ist zu Lebzeiten Ungelehrts kein Versuch von<br />
dieser Seite bekannt, die dortigen Schwestern ins Kapuzinerlager<br />
hinüberzuziehen. Später wurde es allerdings anders.<br />
»Sehr frech erhoben sich diese Schwestern gegen die Anordnungen<br />
ihres Provinzialoberen und die ganze Provinz.<br />
Dahinter staken die bitter feindseligen Kapuziner, die sie mit<br />
dem abgefeimten und berüchtigten Vorwand der kapuzinischen<br />
Reform von unserer Provinz loszureißen versuchten.«<br />
Die Sache kam schließlich zur Entscheidung vor die römische<br />
Behörde, die zugunsten der Minoriten und ihr altes Recht<br />
entschied, doch die Pfullendorferinnen pfiffen darauf (»provincialem<br />
et decretum contumaciter respuerunt«). Das alles<br />
spielte sich ab zwischen 1701 und 1703. Vier Jahre später<br />
hatten die »zipfeligen Habichte« gesiegt 23.<br />
Nicht zuletzt bei seinen Reformbemühungen in den<br />
Frauenklöstern stellte Ungelehrt seine mit hoher Klugheit<br />
gepaarte Autorität unter Beweis. Er setzte nicht einfach<br />
rigoros die Idealvorstellungen der Konstitutionen Urbans<br />
VIII. (absolute Weltabgeschiedenheit, lateinisches Chorgebet,<br />
• Schleier) durch, sondern dosierte seine konkreten<br />
Anordnungen je nach der wirtschaftlichen und geistig-geistlichen<br />
Lage der einzelnen Häuser. War das Kloster zu arm,
konnte es also nicht leben von dem, was es etwa an zinsbaren<br />
Gütern besaß oder was die Neueintretenden als »Aussteuer«<br />
mitbrachten, so kam für Ungelehrt absolute Klausur nicht in<br />
Frage. Die Schwestern mußten hinausgehen können, um das<br />
Lebensnotwendige hereinzuschaffen. Und denen, die<br />
bescheideneren Geistes waren, konnte man auch nicht einfach<br />
das, lateinische Brevier aufzwingen, sollte das Gebet<br />
nicht in Wortgeplapper ausarten. So brauchten im Franziskanerinnenkloster<br />
Pfullendorf nur die vier Begabteren das<br />
große Stundengebet im Chor zu verrichten 24, während die<br />
übrigen nach alter Sitte mit Vaterunsern und Rosenkranz das<br />
Ihre taten. In Gorheim-damals franziskanisches Frauenkloster<br />
- sah Ungelehrt vollständig vom Stundengebet ab 25,<br />
während in Bregenz-Thalbach und Muotathal das Bildungsniveau<br />
für alle das große lateinische Breviergebet zuließ 26.<br />
In der Klausurfrage für Muotathal (»Von dem schloß der<br />
clausur«) nimmt Ungelehrt geradezu eine riskante Haltung<br />
ein. Trotz der Androhung allerschärfster Zeit- und Höllenstrafen<br />
durch das Konzil von Trient, betont er in seinen<br />
»Ordinationes«, wolle er die vorgeschriebene Klausur vorderhand<br />
nicht einführen, die miserablen Wohnverhältnisse 27<br />
und die Armut der Schwestern ließen das vernünftigerweise<br />
einfach nicht zu. Auch andere Verordnungen in diesen<br />
»Ordinationes« zeugen von seinem ausgewogenen Urteil. So<br />
sollen z. B. Schmausereien mit fremden Leuten aufhören, nur<br />
mit den nächsten weiblichen Verwandten wird gemeinsames<br />
Essen gestattet. Mehr als 14 bis 15 km weit sollten sich die<br />
Schwestern nicht vom Kloster entfernen - genügend Strecke<br />
für Arbeit und Spaziergänge im abgelegenen Muotathal!<br />
Strengstens wird verboten, mit Außenstehenden über innere<br />
Angelegenheiten des Hauses zu sprechen; wer kennt nicht die<br />
Folgen von solch üblem Wäschewaschen! Man liest auch<br />
folgenden Satz: »In der Forderung der Einkünfte soll man<br />
mehr Fleiß und Ernst brauchen«, ein Beweis dafür, daß der<br />
GERHARD DEUTSCHMANN<br />
Das Amtshaus in Straßberg<br />
Vom 11. April 1880 datiert ein Kaufvertrag zwischen dem<br />
Fürstl. Rentamt Sigmaringen namens seiner Königlichen<br />
Hoheit des Fürsten Carl Anton von Hohenzollern und der<br />
Gemeinde Straßberg, vertreten durch deren gesetzliche<br />
Organe, den Gemeinderat und den Bürgerausschuß. In diesem<br />
Vertrag verkauft und überläßt der Fürst von Hohenz.-<br />
Sigmaringen der Gemeinde<br />
das Amtshaus, ferner Scheune, Gefängnis, Schweinestall,<br />
Bienenstand, Hofraum, Mauer, Waschhaus mit Backofen,<br />
Gemüsegärten, insgesamt 45a21 m 2 zum Preis von<br />
13000 M.<br />
Damit geht das sog. Amtshaus in das Eigentum der Gemeinde<br />
über.<br />
Erbaut wurde dieses repräsentative Gebäude im Jahre 1745<br />
als sog. >Neues Schloß« von dem zumindest in Oberschwaben<br />
bekannten Deutschordensbaumeister Johann Kaspar<br />
Bagnato (1696-1757). Auftraggeber und Bauherr war die<br />
Fürstäbtissin Maria Karolina von Königsegg-Rotenfels,<br />
1742-1774 Äbtissin des gefürsteten freiweltlichen Damenstiftes<br />
Buchau. Das eh. Benediktinerinnenkloster geht zurück<br />
bis ins 9. Jh, wo die Urenkelin Karls d. Großen und Tochter<br />
Ludwig des Deutschen, die selige Irmengard Äbtissin des<br />
karolingischen Reichsklosters war. Das Kloster übte über<br />
Straßberg und die Nachbarorte Frohnstetten und Kaiseringen<br />
die geistliche Herrschaft aus, vor 1625 durch Vasallen<br />
Mann aus Pfullendorf mit beiden Füßen auf dem Boden<br />
stand, auch auf dem Boden wirtschaftlicher Notwendigkeiten.<br />
Die »Ordinationes« von Muotathal sind auch von Ungelehrts<br />
Sekretär, seinem Landsmann Dr. theol. Gabriel Meyer (um<br />
1600 in Pfullendorf geboren, zweimal Provinzial, öfters<br />
Guardian, 1660 oder etwas später im Klarissenkloster Paradies<br />
bei Schaffhausen gestorben 28), unterschrieben und blieben<br />
in Kraft bis 1935, also genau 316 Jahre!<br />
Exhumationen<br />
Sein Amt als Provinzial bzw. sein Kontakt mit Frauenklöstern<br />
trug Ungelehrt noch ein paar sehr ausgefallene, doch<br />
damals für sich und den Orden hohes Ansehen verschaffende<br />
Aufträge ein. Dreimal bat man ihn nämlich, die Leichname<br />
von heiligmäßigen Franziskanerinnen zu erheben. Der interessanteste<br />
Fall dabei ist die Exhumation der Luitgard von<br />
Wittichen (1291-1348), jener frommen Bauerntochter, die in<br />
Wittichen, im allerhintersten Schwarzwald bei Kaltbrunn<br />
abseits der Kleinen Kinzig eine franziskanische Gemeinschaft<br />
gegründet hatte und dort im Ruf der Heiligkeit gestorben<br />
war. Nun baten die Nonnen, die Gebeine ihrer Stifterin zu<br />
erheben 29, natürlich in der Hoffnung, damit einen Heiligsprechungsprozeß<br />
in Gang zu bringen, der allerdings noch<br />
heute auf sich warten läßt. Nach getaner Arbeit fand Ungelehrt<br />
den Fall so bedeutsam, daß er sich mit Luitgard näher<br />
beschäftigte und auf der Grundlage von Aufzeichnungen<br />
ihres Seelenführers, des Pfarrers Berthold von Bombach, eine<br />
Lebensbeschreibung verfaßte, die 1636 als hübsches Oktavbändchen<br />
in Fribourg herauskam 30. Auf den letzten Seiten<br />
schildert Ungelehrt die Exhumierung fast so exakt wie ein<br />
Kriminalmediziner ohne allen Wunderschmu.<br />
(Fortsetztung folgt)<br />
bzw. Lehnsherrn, dann bis zur Säkularisierung im Jahre 1803<br />
in eigener Regie.<br />
Im Zuge der klösterlichen Selbstverwaltung aber auch der<br />
barocken Selbstdarstellung weltlicher u. geistlicher Herrschaften<br />
kam es auch in Straßberg zu zwei bedeutenden<br />
Bauten: die Kirche St. Verena (1742) und das >Neue Schloß«<br />
(1745), als Pendant zum >Alten Schloß«, der Burg über dem<br />
Tal, deren älteste Teile ins 11. Jh zurückreichen und die heute<br />
noch das Wahrzeichen der Gemeinde darstellt.<br />
Das Gebäude ist ein dreigeschossiger verputzter Bruchsteinbau<br />
in den Maßen 27,50 m x 14,30 m. Das Mansardendach ist<br />
gewalmt und mit Biberschwänzen eingedeckt. Die Schauseite<br />
nach Süden ist durch 9, die Schmalseiten sind durch 4<br />
Fensterachsen gegliedert. Die drei Fenster-Mittelachsen und<br />
die Ecken sind mit vorgeputzten Pilastern in Quadermarmorierung<br />
gerahmt. Uber dem Erdgeschoß verläuft über drei<br />
Seiten ein schmales Gurtgesims. Sämtliche Fenster haben eine<br />
barocke Ummalung mit verschiedenen Muschelwerkmotiven;<br />
im Erdgeschoß und im 2. Stockwerk in grau gehalten, im<br />
1. Stockwerk in der Farbe >caput mortuum«. Diese Bemalung<br />
wurde 1937 ergänzt bzw. nach alten Vorlagen erneuert, sie<br />
gibt dem stattlichen Gebäude ein sehr dekoratives Äußeres.<br />
Fast sämtliche Räume und Flure haben bzw. hatten Stuckdecken<br />
mit Bändel- und Muschelwerkmotiven, mit Rocaillen<br />
und Tier- und Pflanzenornamenten. Besonders schön ist jene<br />
im jetzigen Sitzungssaal des Gemeinderates. Als historisches<br />
61
Detail erinnert im schmiedeeisernen Oberlichtgitter über<br />
dem Haupteingang das Königegg'sche Wappen an die<br />
Erbauerin: der Wappenschild ist nach rechts schräg geweckt<br />
in gold und rot vor gekreuztem Schwert und Bischofsstab mit<br />
grünem Laubzweig gerahmt, darüber auf dem Schildhaupt<br />
eine Krone in gold und rot.<br />
Nach der Säkularisation diente das >Neue Schloß« weiterhin<br />
als Amtshaus für die nachfolgenden Herrschaften: 1803-1835<br />
Thum und Taxis, 1835 Langenstein-sches Rentamt Stetten<br />
a.k.M., 1836-1849 Fürstenhaus Hohenz.-Sigmaringen, ab<br />
1849 Preußen-Hohenz. Lande. Bis zum 18. Jan. 1854 war<br />
Straßberg Sitz eines fürstlichen Oberamtes und das barocke<br />
Schloß Amtssitz eines Oberamtmanns. Nach dessen Auflösung<br />
und Zuordnung zum preußischen Oberamt Gammertingen<br />
diente das repräsentative Gebäude bis zum Kauf durch<br />
die Gemeinde im Jahre 1880 reinen Wohn- und Mietzwecken.<br />
Die Gemeinde richtete 1889 im 1. Stockwerk eine 2-klassige<br />
Schule ein, die später im Erdgeschoß um ein 3. Schulzimmer<br />
erweitert wurde. Das Erdgeschoß nahm damals zunächst eine<br />
sog. Kleinkinder-Bewahranstalt, ein Ratszimmer und ein<br />
Arbeitszimmer für den Bürgermeister auf. Die rückwärtigen<br />
Räume dienten als Arrest. Im 2. Obergeschoß wurden zwei<br />
Lehrerwohnungen eingerichtet. Diese Einteilung blieb mit<br />
unwesentlichen Veränderungen bis 1963, als eine neue<br />
JOSEF MÜHLEBACH<br />
Die Vinzentinerinnen in Hohenzollern (Schluß)<br />
Auf Teufel folgten drei andere Besitzer, und fast wäre es zum<br />
Bau eines Schlosses gekommen. Zunächst wohnte Baurat<br />
Leibbrand hier, damals Leiter des Hohenzollerischen Landesbauamtes.<br />
Nach ihm lebte hier Prinz Carl von Hohenzollern.<br />
Er hätte anstelle des Chalets oder daneben gerne ein<br />
Schloß gebaut, eine Planung, die jedoch von der Verwaltung<br />
des Hohenzollerischen Fürstenhauses nicht gebilligt wurde.<br />
Schließlich erwarb die Kongregation des hl. Vinzenz von<br />
Paul in Heppenheim 1919 durch Vermittlung des Münchener<br />
Bankdirektors Michael Kloppenstetter, dessen Tochter<br />
Oberin im Josefinenstift war, das schmucke Chalet mitsamt<br />
dem ihm angegliederten kleinen landwirtschaftlichen<br />
Betrieb. Die reizvolle Lage des Baues diente der Kongregation<br />
zunächst als Heim für zurruhegesetzte eigene Schwestern<br />
und als Ferienhaus für erholungsbedürftige Schwestern.<br />
Hohen Anforderungen konnte aber das Heim nicht genügen,<br />
und so entschloß sich die Kongregation mit Rücksicht auf das<br />
lockende Gelände zum Neubau eines Altenheimes, das allen<br />
neuzeitlichen Anforderungen entsprechen sollte. Der anstelle<br />
des Chalet erstellte Neubau konnte nach zweijähriger Bauzeit<br />
am 29. Mai 1963 als »St. Michaelstift« bezogen werden. Das<br />
Haus, von Schwestern der Kongregation des hl. Vinzenz von<br />
Paul betreut, dient als Altenheim für Männer und Frauen,<br />
allerdings überwiegend für bejahrte Frauen 2.<br />
Vinzentinerinnen in Hechingen<br />
Am 20. Januar 1854 kamen die ersten Vinzentinerinnen aus<br />
Straßburg nach Hechingen, um dort segensreich zu wirken.<br />
Die städtische Kranken-, Armen- und Altenpflege ist mit<br />
dem Namen dieser Barmherzigen Schwestern vom hl. Vinzenz<br />
von Paul eng verbunden, und zwar im Gutleuthaus, im<br />
Krankenhaus St. Elisabeth, im Pfründehospital, im Altersheim<br />
Eugenienstift, im Fürstin-Eugenien-Kinderhaus und im<br />
ehemaligen Marienheim.<br />
1. Schon im Jahr 1798 war im ehemaligen Siechen- und<br />
62<br />
8-klassige Schule im eh. Amtsgarten bezogen werden konnte.<br />
Das Untergeschoß nimmt jetzt die Amtszimmer des Bürgermeisteramtes<br />
ein. Im 1. Stockwerk ist ein geräumiger Sitzungssaal<br />
nebst Notariat, einem Schulraum und einer Lehrerwohnung<br />
eingerichtet. Das 2. Stockwerk dient nach wie vor<br />
Wohnzwecken. Im Jahre 1980 jährte sich zum 100. Mal der<br />
Ubergang des eh. Neuen Schlosses bzw. Amtshauses als<br />
Schul- und Rathaus an die Gemeinde Straßberg. Zusammen<br />
mit dem Schulgebäude aus dem Jahr 1963 und der Turnhalle<br />
an der Südseite und der Kath. Pfarrkirche und dem Kath.<br />
Gemeindehaus an der Nordseite besitzt die Gemeinde Straßberg<br />
ein repräsentatives Gemeindezentrum von historischer<br />
Bedeutung.<br />
Literatur<br />
Barock in Oberschwaben. Ausstellungskatalog. Weingarten 1963.<br />
Gerh. Deutschmann: Wirtschaft u. Brauchtum der Gemeinde Straßberg<br />
in ihrem Wandel. Straßberg 1963 (maschinenschriftlich).<br />
Die Kunstdenkmäler Hohenzollerns. Hersg. Walter Genzmer. Bd 2<br />
Kreis Sigmaringen. Stuttgart 1948.<br />
Gemeindearchiv Straßberg. Abteilung A/22.<br />
J. A. Kraus: Zur Herrschaft Straßberg an der Schmeie. In: Hohenz.<br />
Jahreshefte 19. Gammertingen 1959.<br />
Bildmaterial<br />
Kopie aus den Umbauplänen von 1889. Gemeindearchiv.<br />
Gutleuthaus, dem heutigen »Klösterle« in der Gutleuthausstraße,<br />
durch Fürstin Maria Theresia für Arme und Gebrechliche<br />
ein Krankenhaus eingerichtet worden, in welches 1854<br />
Schwestern vom Straßburger Allerheiligenkloster einzogen.<br />
Im Volksmund erhielt dieses Haus den Namen »Spitäle«.<br />
2. 1863 verlegten die Schwestern ihre Tätigkeit von diesem<br />
Bau in das Krankenhaus an der Herrenackerstraße. Dort war<br />
durch die großherzige Stiftung der Fürstin Eugenie<br />
(1807-1847), der Stiefenkelin Napoleons, selber eine barmherzige<br />
Schwester auf dem Fürstenthron, eine für die Vinzentinerinnen<br />
geeignete Wirkungsstätte geschaffen worden. Mit<br />
der testamentarischen Stiftung konnte das 1835 von Medizinalrat<br />
Dr. Koller, einem hochangesehenen Förderer öffentlicher<br />
Belange, gabaute Schwefelbad in ein Krankenhaus<br />
umgewandelt werden. So entstanden aus den Baderäumen<br />
Ehemaliges Chalet in Sigmaringen.
jetzt Operations- und Wöchnerinnenräume. Die Schwestern<br />
richteten eine Kapelle ein, erwarben später den Gasthof »Zur<br />
Traube« und den Stadthof dazu und entwickelten diese<br />
Anlage zum heutigen stattlichen Belegkrankenhaus mit<br />
Alten- und Pflegeheim, dem St. Elisabethenkrankenhaus,<br />
welches neuerdings eine Dialysestation für nierenoperierte<br />
Kranke dazubekam. Den Gesamtkomplex mit 107 Betten<br />
betreut die kirchliche Verwaltung der Erzdiözese Freiburg.<br />
3. Ebenfalls seit 1863 wirkten die Schwestern im Pfründehospital<br />
neben der Spittelkirche. Diese ließ Graf Eitelfriedrich<br />
IV. im Jahre 1602, zusammen mit Mitteln seiner Tante, der<br />
Erbtruchsessin von Waldburg, »zu seinem und seiner Familie<br />
Seelenheil« für zwölf »unbescholtene Leib- und Hausarme«<br />
neben dem damaligen Lustgarten erbauen. Auch hier arbeiteten<br />
die Schwestern in aller Stille, Bescheidenheit und in<br />
unermüdlichem Opfermut für Alte und Gebrechliche, und in<br />
der ersten Hälfte dieses Jahrhunderts übernahmen sie die<br />
Hauskrankenpflege der Stadt. Seit 1973 beherbergt dieses<br />
Pfründehospital die von weiten Kreisen der Bevölkerung<br />
getragene Sozialstation.<br />
4. Später konnten die Alten im Altersheim Eugenienstift in<br />
der Gammertinger Straße wohnen. Auch hier leisteten Vinzentinerinnen<br />
seit 1863 Samariterdienste, nachdem der Bau<br />
durch die testamentarische Stiftung von Fürstin Eugenie<br />
ermöglicht worden war.<br />
5. Schon zu Lebzeiten ließ Fürstin Eugenie die erste Kinderbewahranstalt<br />
Süddeutschlands 1839 in der Heiligkreuzstraße<br />
erbauen. Die Barmherzigen Schwestern waren auch<br />
hier verpflichtet und betreuten liebevoll Generationen von<br />
Kindern und verköstigten sie. Viele der Ärmsten fanden hier<br />
Mutterpflege. Neuerdings sind dort die Schwestern durch<br />
weltliche Kräfte ersetzt. Die Trägerschaft des Kindergartens<br />
hat die katholische Kirchengemeinde.<br />
6. Zuletzt sei noch das Wirken von Vinzentinerinnen im<br />
Marienheim beim Spittel genannt, wo bis vor einigen Jahren<br />
noch Ausspeisungen erfolgten.<br />
Mit Recht konnte Stadtpfarrer Baur 1954 bei der Hundert-<br />
Jahr-Feier des Wirkens der Vinzentinerinnen in Hechingen<br />
feststellen: »Die Barmherzigen Schwestern haben in Bescheidenheit<br />
und mit Hingabe die Geschichte der Caritas in der<br />
Stadt Hechingen geschrieben.« Heute wirken sie nur noch in<br />
geringer Zahl im Eugenienstift und im Krankenhaus St.<br />
Elisabeth.<br />
Sonstige Niederlassungen<br />
Neben diesen Anstalten und Heimen in Sigmaringen und<br />
Hechingen zeichnet sich im Wirken der Kongregation eine<br />
sichtbare Streuung der Stationen im <strong>heimat</strong>lichen Bereich ab,<br />
von denen allerdings manche Niederlassung schon der Vergangenheit<br />
angehört.<br />
Im Jahre 1850 wurde von der Leitung der Kongregation in<br />
Straßburg das kleine Spital in Haigerloch übernommen. Im<br />
Jahre 1924 hat die Stadt Haigerloch das damals neu erbaute,<br />
aber erst im Rohbau vollendete St. Josefshaus der Provinz<br />
Buchbesprechungen<br />
Bilderatlas zur Württembergischen Geschichte, herausgegeben<br />
von Eugen Schneider im Auftrag der Württembergischen<br />
Kommission für Landesgeschichte. Unveränderter Nachdruck<br />
der Ausgabe von 1913. Verlag Weidlich, Frankfurt/<br />
Main.<br />
Das Buch ist vor fast siebzig Jahren erstmals erschienen. Daß<br />
es heute kaum veraltet ist, mag an der Qualität seiner Autoren<br />
liegen. Dr. Eugen Schneider, Direktor des Königlichen<br />
Heppenheim als Eigentum übertragen. Nach seiner Vollendung<br />
wurde das Haus als Lungenheilstätte eingerichtet, seit<br />
1973 besteht das Josefshaus als Altenheim, Träger ist das<br />
Mutterhaus in Heppenheim.<br />
In Straßberg wurde 1880 ein Arbeiterinnenheim und eine<br />
Kleinkinderschule eröffnet. Die Einrichtung besteht noch<br />
heute als ambulante Krankenpflegestation und Kindergarten,<br />
Träger ist die Gemeinde Straßberg.<br />
1914 hat die Kongregation in Frohnstetten eine Kinderkrippe<br />
eingerichtet. Nach dem Ersten Weltkrieg übernahmen die<br />
Schwestern die ambulante Krankenpflege und den Kindergarten.<br />
Leider mußte die Station wegen Nachwuchsmangels<br />
aufgegeben werden.<br />
Nach der Errichtung der Heppenheimer Provinz wurden die<br />
Stationen Neufra 1923 und Trochtelfingen 1928 mit ambulanter<br />
Krankenpflege, Nähschule und Kindergarten übernommen.<br />
Dazu zählen mit gleichen Aufgaben Langenenslingen<br />
und Wilflingen. Leider besteht von diesen Stationen nur<br />
noch Langenenslingen. Träger ist die politische Gemeinde<br />
Langenenslingen.<br />
Schließlich sei noch daran erinnert, daß vier Vinzentinerinnen<br />
aus Heppenheim von etwa 1924 bis 1941 in der Privatklinik<br />
Dr. Karl Schilling an der Josefinenstraße in Sigmaringen,<br />
im heutigen Gästehaus Gmeiner, als Pflege- und Haushaltsschwestern<br />
tätig waren. Ebenfalls als Haushaltsschwestern<br />
wirkten Vinzentinerinnen im Fidelishaus in der Fidelisstraße<br />
in Sigmaringen.<br />
Eine Aufgabe besonderer Art wuchs der Kongregation zu, als<br />
ihr im Jahre 1854 die Mitbetreuung der Insassen der Besserungs-<br />
und Arbeitsanstalt Hornstein (1818-1869) übertragen<br />
wurde. Allerdings wurde die Frauenabteilung des Landesgefängnisses<br />
schon 1856 nach Habsthal verlegt. Diese Einrichtung<br />
in Habsthal bestand bis 1874.<br />
Die Gründung der kleinen Häuser in Hohenzollern war für<br />
die Entwicklung der Kongregation von großer Wichtigkeit,<br />
erwies sich doch diese Region über einen Zeitraum von über<br />
hundert Jahren als überaus fruchtbar für den Schwesternnachwuchs.<br />
Dabei kommt dem Josefinenstift und dem ehemaligen<br />
Landeskrankenhaus vorrangige Bedeutung zu.<br />
Wenn wir das umfangreiche Wirken der Kongregation des hl.<br />
Vinzenz von Paul in unserem Raum in Erinnerung bringen,<br />
so bietet sich zuerst und vor allem der Leitgedanke »Caritas«<br />
an. Caritas hat es in der Kirche immer gegeben. Der hl.<br />
Vinzenz von Paul hat sie im großen Stil organisiert, und die<br />
Schwestern der Kongregation haben sie bis auf den heutigen<br />
Tag mit beispielhafter Hingabe verwirklicht. Dafür gebührt<br />
ihnen unser bleibender Dank.<br />
Anmerkungen<br />
1 Birgit Robbers, »Die Wohlfahrtsstiftungen des Hauses Hohenzollern-Sigmaringen<br />
im 19. Jahrhundert unter besonderer Berücksichtigung<br />
des Josefinenstiftes« 1968. Landesbücherei Sigmaringen.<br />
2 Walther Frick, »Sigmaringer Flurnamen. Das Chalet«, Südkurier<br />
Sigmaringen vom 24. 3.1981, Nr. 69.<br />
Staatsarchives, hatte Dr. Peter Goeßler und Dr. Julius Baum<br />
als Mitarbeiter. Man staunt, was damals z. B. schon an<br />
römischen Funden vorhanden war. Vor allem die Fotografien<br />
von Städten und Gebäuden zeigen vieles, was inzwischen<br />
verloren ging oder verändert wurde. Wer sich für Landesgeschichte<br />
interessiert, wird an diesem Standardwerk seine<br />
Freude haben. Was die Technik der Reproduktion anbelangt,<br />
so kann man eigentlich nur sagen, daß es besser nicht mehr<br />
geht. B.<br />
63
Verlag: <strong>Hohenzollerischer</strong> Geschichtsverein<br />
Karlstraße 3, 7480 Sigmaringen<br />
W <strong>3828</strong> FX<br />
Postvertriebsstück. Gebühr bezahlt.<br />
Willy Baur, »Liebes Altes Hohenzollern«. Verlag Glückler,<br />
Hechingen, DM 12,50.<br />
»Romantische Geschichten« so lautet der Untertitel dieses<br />
kleinen Buches. Es sind fünf Geschichten, welche im alten<br />
Hohenzollern spielen, in Hechingen, in Sigmaringen und im<br />
Laucherttal. Alles Geschichten aus längst vergangenen Zeiten,<br />
in romantischer Verklärung. Willy Baur ist als Dichter<br />
längst bekannt. Er versteht es, den Leser mit viel Wissen in<br />
die Zeit zu führen, in welcher die jweilige Geschichte sich<br />
abspielt. Alles ist spannend und mit hintergründigem Humor<br />
erzählt.<br />
Der Verlag hat das Büchlein hübsch ausgestattet, mit passenden<br />
Zeichnungen und einem farbigen Einbandbild. Nicht nur<br />
als besinnliche Lektüre, auch als kleines, <strong>heimat</strong>verbindendes<br />
Geschenk ist das Buch sehr geeignet. B.<br />
Württembergisches Hausbuch - Altwürttemberg in<br />
Geschichten, Liedern und Gedichten mit vielen alten Bildern.<br />
Erschienen in der Bibliothek Rombach in Freiburg.<br />
Preis 24,80 DM, 640 Seiten.<br />
Der Band setzt die Reihe der regionalen Hausbücher der<br />
Bibliothek Rombach fort. Erschienen sind bisher: Badisches<br />
Hausbuch, Bayrisches Hausbuch und Fränkisches Hausbuch.<br />
Das Württembergische Hausbuch knüpft bewußt an die<br />
Tradition der alten Kalenderbücher an. Das ehemalige Herzogtum<br />
und spätere Königreich Württemberg wird wieder<br />
lebendig in mundartlichen und hochdeutschen Erzählungen<br />
und Gedichten, in Sagen und Schwänken. Dazwischen gibt es<br />
Auszüge aus alten Oberamtschroniken und Reisebeschreibungen<br />
(z. B. Eine Fahrt nach Hechingen von Fr. W. Waiblinger).<br />
Wo es notwendig ist, werden am Schluß eines<br />
Beitrages die heute nicht mehr gebräuchlichen Wörter<br />
erklärt. Gewürzt wird das ganze mit einer Reihe von schwäbischen<br />
Kochrezepten. Alle Gebiete des Landes sind in dem<br />
Buch gleichmäßig berücksichtigt. So befassen sich mehrere<br />
Geschichten mit den ehemaligen Reichsstädten, auch Hohenzollern<br />
ist mit einigen Beiträgen vertreten.<br />
Bei den Verfassern gesellen sich zu den großen schwäbischen<br />
Klassikern wie Schiller, Hölderlin, Mörike, Schubart und<br />
Uhland auch volkstümliche Erzähler wie Auerbach, Isolde<br />
und Hermann Kurz und Ottilie Wildermuth. Die vielen<br />
HOHENZOLLERISCHE HEIMAT<br />
hrsggbn. vom Hohenz. Geschichtsverein.<br />
Die Zeitschrift »Hohenzollerische Heimat«<br />
ist eine <strong>heimat</strong>kundliche Zeitschrift. Sie will<br />
besonders die Bevölkerung in Hohenzollern<br />
und der angrenzenden Landesteile mit der<br />
Geschichte ihrer Heimat vertraut machen. Sie<br />
bringt neben fachhistorischen auch populär<br />
gehaltene Beiträge.<br />
Bezugspreis: 6,00 DM jährlich.<br />
Konten der »Hohenzollerischen Heimat«:<br />
802507 Hohenz. Landesbank Sigmaringen<br />
12363-707 Postscheckamt Stuttgart<br />
Druck: M. Liehners Hofbuchdruckerei KG,<br />
7480 Sigmaringen, Karlstraße 10.<br />
64<br />
Die Autoren dieser Nummer:<br />
Dr. Otto H. Becker<br />
Gustav-Bregenzer-Straße 4<br />
7480 Sigmaringen<br />
Gerhard Deutschmann<br />
Jägerweg 5, 7471 Straßberg<br />
Prof. Dr. J. Groner<br />
Adolf-Kolping-Str. 17, 7798 Pfullendorf<br />
Joh. Adam Kraus, Erzb. Archivar i. R.<br />
Badstraße 8, 7800 Freiburg<br />
Hans Landenherger<br />
Hainburgstraße 22, 7451 Grosselfingen<br />
Otto Werner, Rektor<br />
Friedrich-List-Straße 55<br />
7450 Hechingen<br />
Josef Mühlebach, Landesverw.rat a. D.<br />
Leopoldstraße 41, 7480 Sigmaringen<br />
Bilder, alte Zeichnungen (z.B. von Richter) und Stiche,<br />
ergänzen die Beiträge stimmungsvoll. Leider ist vor allem bei<br />
den Stichen die Wiedergabequalität nicht so gut, aber besseres<br />
Druckpapier hätte sich auf den Buchpreis ausgewirkt. Am<br />
Ende des Buches befinden sich Daten zur Geschichte Württembergs,<br />
eine Karte, ein ausführliches Quellenverzeichnis,<br />
ein Verzeichnis der Illustratoren, Stichworte zu den Autoren<br />
mit jeweils einer kurzen Biographie und ein Ortsregister.<br />
R. B.<br />
Wochenblatt für das Fürstenthum Sigmaringen.<br />
Reproduktion des ersten Jahrgangs 1809.<br />
Als älteste Zeitung in Hohenzollern erschien seit 1809 das<br />
Wochenblatt für das Fürstentum Sigmaringen. Herausgeber<br />
waren der Inhaber der Hofbuchdruckerei Bartholomäus<br />
Herder und sein Bruder Andrä. Das Blatt war keineswegs<br />
eine Zeitung im heutigen Sinn. Das heißt, daß aktuelle<br />
Nachrichten überhaupt nicht erschienen, sondern nur Landesverordnungen,<br />
amtliche Bekanntmachungen und<br />
»gemeinnützige Aufsätze«. Die-Fürstlichen Ämter sowie<br />
Pfarrer und Ortsbehörden bekamen das Blatt zugestellt.<br />
Wahrscheinlich wurde es auch von Privatleuten bezogen. Der<br />
Bezugspreis von einem Gulden halbjährlich war übrigens<br />
nicht ganz billig.<br />
Das Fürstentum Hohenzollern-Sigmaringen gehörte damals<br />
zum Rheinbund von Napoleons Gnaden. Gerade im Fürstentum<br />
hatte man allen Grund, Napoleons Genie zu preisen,<br />
denn ohne Napoleon wären die Hohenzollerischen Fürstentümer<br />
von ihren Nachbarn verschluckt worden. So hatte man<br />
nun selbst einiges sich einverleibt, kloster- und reichsritterschaftliche<br />
Gebiete. 1809 war das erst drei Jahre her, und das<br />
Wochenblatt hat sicher einiges zum Zusammenwachsen des<br />
Fürstentums beigetragen. Wirtschaftlich waren die Zeiten<br />
schlecht, die Franzosenkriege dauerten nun schon über ein<br />
Jahrzehnt. So ist es kein Wunder, daß fast in jeder Nummer<br />
von Gantsachen berichtet und vor Landstreichern und Dieben<br />
gewarnt wird. Ein besonderes Anliegen, das im Wochenblatt<br />
mehrfach erwähnt ist, war das Schulwesen. Hier hatte<br />
man gegenüber den Nachbarländern einiges aufzuholen.<br />
Druck und Reproduktion des Nachdruckes besorgte E.<br />
Glückler, Hechingen. Das Heft ist zum Preis von 6,50 DM in<br />
den Buchhandlungen erhältlich.<br />
Schriftleitung:<br />
Dr. med. Herbert Burkarth,<br />
7487 Gammertingen (Telefon 07574/2329)<br />
Die mit Namen versehenen Artikel geben die<br />
persönliche Meinung der Verfasser wieder;<br />
diese zeichnen für den Inhalt der Beiträge<br />
verantwortlich. Mitteilungen der Schriftleitung<br />
sind als solche gekennzeichnet.<br />
Manuskripte und Besprechungsexemplare<br />
werden an die Adresse des Schriftleiters erbeten.<br />
Wir bitten unsere Leser, die »Hohenzollerische<br />
Heimat« weiter zu empfehlen.