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hohenzollerische heimat w 3828 fx - Hohenzollerischer ...

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HÖH ENZOLLER ISCHE<br />

HEIMAT<br />

W <strong>3828</strong> FX<br />

Herausgegeben vom<br />

Hohenzollerischen Geschichtsverein<br />

31. Jahrgang Nr. 1/März 1981<br />

Die Heuneburg von Südosten. Im Vordergrund die Furt durch die Donau, im Mittelgrund zwei der vier Fürstengrabhügel aus der Spätzeit des<br />

Fürstensitzes, im Hintergrund der bewaldete Südsaum der Schwäbischen Alb.<br />

EGON GERSBACH<br />

Die Heuneburg bei Hundersingen a. d. Donau, Kreis Sigmaringen<br />

Ein Streifzug durch die Geschichte dieses festen Platzes<br />

Am Nordrand Oberschwabens liegt knapp dreißig Kilometer<br />

donauabwärts von Sigmaringen die Heuneburg inmitten<br />

einer der Kornkammern dieses Landstrichs. Sie bekrönt<br />

einen aus dem westlichen Steilufer zur Donau vorspringenden<br />

Sporn über einer noch heute benutzbaren Furt durch den<br />

Fluß. Dergestalt beherrscht sie weithin die Flußniederung<br />

mit den Fernverkehrsadern, die schon immer durch dieses<br />

verkehrsoffene Tal gelaufen und von ihm in alle Richtungen<br />

abgezweigt sind.<br />

Schon früh ist die Heuneburg in das Blickfeld der Forschung<br />

getreten. Erstmals, als Eduard Paulus, Konservator an der<br />

>Königlichen Staatssammlung Vaterländischer Kunst- und<br />

Altertumsdenkmale* in Stuttgart, dem heutigen Württembergischen<br />

Landesmuseum, in den Jahren 1876/77 drei der<br />

vier mächtigen Grabhügel im nordwestlichen Vorfeld der<br />

Burg untersuchte. Zwar erwiesen sich die aus Eichenholz<br />

gezimmerten rechteckigen Grabkammern im Zentrum dieser<br />

monumentalen Tumuli als von zeitgenössischen Grabräubern<br />

augeplündert. In anderen noch unberührten Gräbern<br />

stieß Paulus jedoch auf goldene Halsreifen und kunstvoll<br />

gearbeitete und ziselierte Waffen, Würdezeichen der Mächtigen<br />

jener Zeit, auf kostbaren Goldschmuck und vielfältiges<br />

Bronzegeschirr sowie auf Teile von vierrädrigen Prunkwagen.<br />

Dieser Reichtum an wertvollen, auf eine gesteigerte<br />

Repräsentation hinweisende Grabbeigaben drängte Paulus zu<br />

der Vermutung, die Grablegen eines fürstlichen Geschlechts<br />

gefunden zu haben, als dessen Sitz der die nur wenige hundert<br />

Meter entfernte Heuneburg betrachtete.<br />

Wie recht Paulus mit seiner Vermutung hatte, sollte sich 1950<br />

erweisen, als Dr. Kurt Bittel, Professor für Vor- und Frühge-


Außenfront der Lehmziegelmauer nahe der Südostecke nach entferntem<br />

Verputz. Auf der Berme vor der Mauer Reste verkohlter Balken<br />

des Maueroberhaus.<br />

schichte in Tübingen, unterstützt von Hauptkonservator Dr.<br />

Adolf Rieth, Leiter des damaligen Staatlichen Amts für<br />

Denkmalpflege in Tübingen, mit ersten planmäßigen Sondierungen<br />

auf dem markanten Burgberg begann. Schon bald<br />

kamen Bruchstücke von griechischem Tafelgeschirr und<br />

großgriechischen Weinamphoren zum Vorschein; bald stieß<br />

man auch auf jene drei Meter breite nach mediterranem<br />

Vorbild aus luftgetrockneten Lehmziegeln auf einem Kalksteinsockel<br />

errichtete Burgmauer, die nördlich der Alpen<br />

noch immer einzigartig ist. Beides zeugte nicht nur von<br />

weitreichenden Kulturverbindungen, sondern hob die Heuneburg<br />

auch sichtbar aus der Masse der ältereisenzeitlichen<br />

Burgen (6. bis 5. Jh. v. Chr.) im nordwestlichen Alpenvorland<br />

heraus. Und doch fiel damit nur ein Streiflicht auf die<br />

äußerst wechselvolle Geschichte dieser Wehranlage über der<br />

noch jungen Donau. Das hat die systematische Erforschung<br />

der Burg deutlich gemacht, die seitdem fast ohne Unterbrechung<br />

bis heute fortgeführt wurde. Sie zeigte, daß die<br />

hervorragende vekehrsgeographische Lage des Platzes vermutlich<br />

seit dem ausgehenden 3. Jahrtausend bis in das<br />

beginnende Hochmittelalter (11. Jahrhundert) hinein immer<br />

wieder zum Burgenbau angereizt hat. Aus der jahrtausendelangen<br />

Geschichte der Heuneburg werden hier drei Schwerpunkte<br />

in ihren Grundzügen nachgezeichnet. In der zeitlichen<br />

Abfolge gesehen, sind dies die Mittelbronzezeit, nach<br />

der vorherrschenden Bestattungsform auch Hügelgräberbronzezeit<br />

genannt (16. bis 13. Jh. v. Chr.), danach die späte<br />

Hallstatt- und frühe Latenezeit (6. bis 5. Jh. v. Chr.) und<br />

schließlich das Mittelalter (6.17. bis 11. Jahrhundert).<br />

In der Mittelbronzezeit wurde die bis dahin nur mit vergleichsweise<br />

schwachen Erdwerken befestigte Heuneburg<br />

erstmals zu einer stark bewehrten, zweiteiligen Befestigung<br />

ausgebaut. Sie wurde von einer gemeinsamen Ringmauer<br />

umschlossen, die in der einheimischen Blockbauweise aus<br />

Holz errichtet und mit Erde verfüllt war. Die einzellige<br />

Kastenmauer folgte der vorgegebenen Geländekontur mit<br />

Ausnahme des Nordostsporns, dessen sich stärker senkende<br />

Spitze außerhalb der Umwehrung blieb. Im Westen, wo der<br />

Burgberg durch eine 110 m breite Landzunge mit dem<br />

flachwelligen Vorland verbunden war, wurde die Mauer<br />

nicht wie sonst üblich ebenerdig errichtet, sondern über einen<br />

künstlich aufgeschütteten, steilgeböschten Erddamm<br />

2<br />

geführt, um die Hauptangriffseite durch diese Überhöhung<br />

wirkungsvoller zu beherrschen. Die einer Bauklammer vergleichbare<br />

Führung dieses mächtigen Mauerdamms, dessen<br />

Basisbreite über 20 m betragen haben muß, wird von der<br />

heutigen Topographie noch immer deutlich nachgezeichnet;<br />

sie ist aus dem beigegebenen Grundrißplan des späthallstattzeitlichen<br />

Fürstensitzes ebenso klar ersichtlich. Dem Mauerdamm<br />

war sicherlich ein Graben vorgelagert; er muß die<br />

Landbrücke im Zuge des inneren der beiden gewaltigen<br />

mittelalterlichen Gräben, die heute diese Front der Heuneburg<br />

prägen, in gerader Flucht durchschnitten haben. Schon<br />

allein dieser Abschnitt der Gesamtanlage war ein ungemein<br />

arbeitsintensives Befestigungswerk; vor allem, wenn man<br />

sich vor Augen hält, daß die tausende Kubikmeter Erdmassen<br />

des nahezu vier Meter hohen Mauerdammes offensichtlich<br />

mit Körben aufgeschüttet worden sind. Die Arbeit an einem<br />

solchen Befestigungswerk konnte nur von einer gut organisierten<br />

und auch entsprechend zahlreichen Gemeinschaft<br />

bewältigt werden.<br />

Knapp 60 m burgeinwärts verlief parallel dazu eine zweite<br />

Befestigungslinie. Von ihr einzig der tiefe Sohlgraben erhalten<br />

geblieben. Er scheint auf beiden Seiten nicht in die<br />

Bergflanken eingemündet, sondern vorher aufgehört zu<br />

haben, so daß Erdbrücken stehenblieben. Durch sie war der<br />

kleinere westliche mit dem ungleich größeren östlichen Befestigungsteil<br />

verbunden. Mit einer gemeinsamen Ringmauer<br />

umgürtet, bildeten beide Teile fortifikatorisch eine Einheit.<br />

In beiden Befestigungshälften beschränkte sich die Bebauung<br />

mit vergleichsweise kleinen Pfosten- und Blockwerkhäusern<br />

auf einen schmalen Geländestreifen unmittelbar hinter der<br />

Umwehrung. Die beiden weitläufigen Innenräume sind allem<br />

Anschein nach von jeder Überbauung freigehalten worden;<br />

wie man annimmt zur Aufnahme zusätzlicher Bevölkerungsgruppen<br />

in Zeiten der Bedrängnis oder drohender Gefahr.<br />

Ob die Bebauungsstruktur in beiden Befestigungsteilen<br />

gleichgeartet war, läßt sich zur Zeit noch nicht sagen; auch<br />

nicht, wo die vorauszusetzende Oberschicht und wo das<br />

Bronzehandwerk angesiedelt war, das sich auf solche Plätze<br />

konzentrierte.<br />

Die Schriftleitung bedankt sich bei Herrn Dr.<br />

Gersbach für seinen Beitrag und die Abbildungen.<br />

Die Existenz so stattlicher Wehranlagen wie der Heuneburg<br />

paßte zunächst so gar nicht in das bisher entworfene Bild von<br />

der Sozial- und Wirtschaftsstruktur der Mittelbronzezeit.<br />

Inzwischen hat sich die Erkenntnis durchgesetzt, daß befestigte<br />

Plätze dieser Größenordnung (knapp 3 ha) nicht nur die<br />

politisch hervorragenden, sondern auch die wirtschaftlichen<br />

Zentren volkreicher Stämme gewesen sind. Wir dürfen als<br />

sicher annehmen, daß sich in ihnen das Wirken bedeutender<br />

Persönlichkeiten - Häuptlingen oder Stammeskönigen -<br />

widerspiegelt. Wie weit ihr Macht- oder Einflußbereich über<br />

die Grenzen der unmittelbaren Heimat hinausreichte, wissen<br />

wir nicht.<br />

In die späte Hallstatt- und frühe Latenezeit (6. bis 5. Jh. v.<br />

Chr.) fällt der glanzvolle Höhepunkt in der bewegten<br />

Geschichte der Heuneburg. Die Burg war in dieser Zeit Sitz<br />

fürstlicher Adelsgeschlechter, die gleich anderen im Räume<br />

der westlichen Hallstattkultur zwischen Inn und Bayrischem<br />

Wald im Osten, Burgund im Westen und dem Main im<br />

Norden aus im Lande be<strong>heimat</strong>eten Grundherrschaften hervorgegangen<br />

sind. Es waren frühkeltische Geschlechter, wie<br />

der bruchstückhaften schriftlichen Überlieferung der beiden<br />

griechischen Geschichtsschreiber Hekataios von Milet und<br />

Herodot zu entnehmen ist. Ersterer berichtet nämlich, daß<br />

im Hinterland der griechischen Kolonie Massalia, dem heutigen<br />

Marseille, die >Keltikä


Grundrißplan der Heuneburg mit Bebauung der Südostecke zur Zeit der Lehmziegelmauer, 2. Hälfte 6. Jh. v. Chr. Auf dem Gelände der<br />

offenen Burgsiedlung sind die vier Fürstengrabhügel aus der Spätzeit des Fürstensitzes (5.Jh.v. Chr.) eingezeichnet.<br />

welchem Herdodot die Donau entspringen läßt. In dem<br />

besagten Raum bestimmte eine, wie es scheint, feudale<br />

Adelsgesellschaft das politische Geschehen und prägte die<br />

kulturelle Entwicklung bis zum Beginn der keltischen Wanderungen<br />

in den Jahrzehnten nach 400 v. Chr. Man geht<br />

gewiß nicht fehl, der zu Zeiten der mediterranen Lehmziegelmauer<br />

in der westlichen Hallstattprovinz ganz einzigartigen<br />

Heuneburg eine entsprechende Anziehungs- und Ausstrahlungskraft<br />

zuzuschreiben.<br />

Kennzeichnend für diese aristokratische Oberschicht sind<br />

ihre in geschützter Höhenlage errichteten Burgen und die von<br />

den mächtigsten Familien stets in deren Blickfeld aufgeschütteten<br />

Grabhügel; riesige Tumuli, die Höhen bis zu 15 m und<br />

Durchmesser bis zu 100 m erreichen können. In ihrem<br />

Zentrum liegen zu ebener Erde oder in den Boden versenkt<br />

die großen aus Holz gezimmerten Grabkammern der Herrschenden.<br />

Sie wurden mit den Insignien ihres Standes und der<br />

Ausstattung der vornehmen Tafel, zumeist kostbaren<br />

Erzeugnissen des mediterranen Kunsthandwerks, neben<br />

einem vierrädrigen Prunkwagen zur letzten Ruhe gebettet,<br />

um solchermaßen ihre Identität auch im Jenseits zu wahren.<br />

Die Entstehung und Entfaltung dieser frühkeltischen Adelsgesellschaft<br />

entzieht sich noch weitgehend unserer Einsicht,<br />

doch ist sie fraglos vor dem Hintergrund verstärkter Kontakte<br />

mit dem griechisch-etruskischen Mittelmeerraum zu<br />

sehen. Großgriechen wie Etrusker waren bestrebt, ihren<br />

wirtschaftlichen Einfluß auf die Völker in ihrem nördlichen<br />

Hinterland auszudehnen und sich dort neue Absatzmärkte<br />

und Rohstoffquellen zu erschließen. Das hatte zur Folge, daß<br />

die schon zuvor zu wirtschaftlichem Wohlstand und damit<br />

politischer Macht gekommenen frühkeltischen Familien<br />

zunehmend in den Bann des Südens gerieten. Zu Anfang<br />

wohl insbesondere in die Einflußsphäre der um 600 v. Chr.<br />

von phokäischen Griechen im Lande der Ligurer gegründeten<br />

Kolonie Massalia und deren Tochterstädte, die bald<br />

danach entlang der Küste von der Riviera bis nach Nordostspanien<br />

entstanden sind. Die immer enger werdende Berührung<br />

mit dem weitgehend griechisch geprägten Süden, seit<br />

dem 5. Jh. v. Chr. auch über die Alpenpässe hinweg, hat sich<br />

indes nicht im Austausch materieller Güter erschöpft; sie<br />

führte im Westhallstattkreis zu einer Veränderung der bestehenden<br />

Herrschaftsstruktur und einer den neuen Verhältnissen<br />

angemessenen Lebenshaltung der Mächtigen. Archäologisch<br />

wird diese tiefgreifende Wandel der überkommenen<br />

Strukturen im Burgenbau und in der Grabausstattung deutlich.<br />

Vergleicht man letztere mit jener im Süden, so erkennt<br />

man, daß siei sich ganz im Rahmen der dort angetroffenen<br />

Vorstellungen bewegt. Es darf daher als ziemlich sicher<br />

gelten, daß die sich unter südlichen Impulsen formierende<br />

frühkeltische Feudalgesellschaft für die südländische Aristokratie<br />

weit mehr war als nur eine erstklassige Kundschaft für<br />

Luxuserzeugnisse und Konsumgüter des gehobenen Bedarfs,<br />

vor allem Wein. Mit Recht ist darauf hingewiesen worden,<br />

daß so manches Prunkstück südländischer Herkunft in den<br />

3


Grabkammern der frühkeltischen Fürsten und Vornehmen<br />

als Gastgeschenk an deren »Höfe« gekommen sein muß. Man<br />

hat das aus entsprechenden Schilderungen antiker Schriftsteller<br />

geschlossen. Diese Berichte führen uns beispielhaft vor<br />

Augen, daß schon damals durch prunkvolle, einer gesteigerten<br />

Repräsentation dienende »diplomatische« Geschenke<br />

Bindungen geknüpft, ja Verpflichtungen begründet wurden,<br />

die oft über >bloße Gastrechtsbande weit hinausgehen*.<br />

An guten Beziehungen zu den Völkern in ihrem nördlichen<br />

Hinterland mußte den Großgriechen aber umso mehr gelegen<br />

sein, als Karthager und Etrusker in der zweiten Hälfte des 6.<br />

Jh. v. Chr. ihre wirtschaftliche Vorrangstellung bedrohten;<br />

erst recht, als die Blockade der Meerenge von Gibraltar durch<br />

die Karthager die Griechenstädte zwang, ihren Seehandel<br />

ebenfalls auf die binnenländischen Fluß- und Landwege zu<br />

verlagern. Diese beherrschten die führenden frühkeltischen<br />

Geschlechter mit ihren Burgen, vor allem die Umschlagplätze<br />

vom Fluß - auf den Landtransport und die wichtigen Flußübergänge.<br />

Auch die Heuneburg muß ihren überregionalen<br />

Rang nicht zuletzt ihrer hervorragenden verkehrsgeographischen<br />

Lage verdankt haben. Insbesondere wohl der kontinentalen<br />

Fernhandelsroute auf und entlang der Donau, die<br />

durch das Schweizer Mittelland und das Rhonetal mit der<br />

griechischen Handelsmetropole Massalia verbunden war;<br />

aber sicherlich auch der aus Norden kommenden transalpinen<br />

Verbindung durch Oberschwaben und das Bodenseerheintal<br />

nach Oberitalien über die Pässe Graubündens, denen<br />

bis zur Eröffnung des Gotthardweges im Hochmittelalter<br />

eine wichtige Rolle im Nord-Süd-Verkehr zugekommen ist.<br />

Die Gründung des Fürstensitzes erfolgte sehr wahrscheinlich<br />

im ersten Viertel des 6. Jh. v. Chr. Mit der Burg zugleich<br />

entstand auf einem flachen Hügelrücken im nordwestlichen<br />

Vorland eine offene Ansiedlung. Sie hat an Flächenausdehnung<br />

die knapp 3 ha große Burg anscheinend um einiges<br />

übertroffen. Die Bebauung dieser Burgsiedlung ist zwar erst<br />

in Spuren erfaßt, doch ist schon jetzt erkennbar, daß hier<br />

außer dem Handwerk auch Schmelzen und Gießereien für<br />

Bronze angesiedelt waren.<br />

Nach althergebrachter Sitte wurde die Burg mit einer 4 m<br />

breiten Holz-Erde-Mauer in Blockbauweise befestigt. Die<br />

Ringmauer folgte der Kontur des Burgberges mit Ausnahme<br />

des Nordostsporns; dieser blieb auch jetzt außerhalb der<br />

Umwehrung. Gegenüber der offenen Burgsiedlung und auf<br />

der Donauseite über der Furt wurde die Mauer von Toren<br />

unterbrochen. Die Innenbebauung ist zumindest für den<br />

nahezu vollständig untersuchten Südteil in den Grundzügen<br />

erkennbar. Danach war dieser Teil in Hofstätten mit großen<br />

Bohlenständerbauten und Nebengebäuden, wohl Speichern,<br />

eingeteilt, die durch Palisadenzäune gegeneinander abgegrenzt<br />

waren. Das weitläufige Areal wurde durch ein System<br />

offener Gräben entwässert. Ein Wasserversorgungsproblem<br />

scheint es demnach nicht gegeben zu haben. Ein im Nordosten<br />

gelegener Tiefbrunnen hat offenbar genügt, um die<br />

Burgbewohner zu jeder Jahreszeit ausreichend mit Trinkwasser<br />

zu versorgen. Es ist möglich, ja sogar wahrscheinlich, daß<br />

in seiner Nähe die Bauten der herrschenden Familie und der<br />

Oberschicht, nicht aber jene der Handwerker gelegen haben.<br />

Wenn man davon ausgehen darf, daß eine Holz-Erde-Mauer<br />

eine Generation kaum überdauert hat und ein wirtschaftlicher<br />

Aufschwung sich in der Regel erst in einigen Jahren in<br />

baulichen Maßnahmen äußert, dann muß diese Burg mitteleuropäischer<br />

Prägung im zweiten Viertel des 6. Jh. v. Chr.<br />

von Grund auf umgestaltet worden sein. Man ersetzte die<br />

traditionelle Umwehrung durch eine Lehmziegelmauer, wie<br />

dies bei griechischen Stadtbefestigungen üblich war. Ein<br />

wasserabweisender Verputz auf den senkrechten Fronten<br />

und ein Fachwerkoberbau aus Holz schützten den fremdländischen<br />

Mauerbau zuverlässig gegen die feichte nordalpine<br />

4<br />

Witterung. Auf den von Natur hervorragend geschützten,<br />

nahezu unangreifbaren Seiten folgte die Mauer wie ihre<br />

südländischen Vorbilder in geradliniger Führung der vorgegebenen<br />

Geländekontur; der Nordostsporn blieb weiterhin<br />

außerhalb des Mauerringes. Auf dem gefährdeten, weil vergleichsweise<br />

flach abfallenden Streckenabschnitt zur Burgsiedlung<br />

hin war die Mauer mit Rechtecktürmen verstärkt,<br />

die zu ebener Erde eine bewohnte Turmkammer hatten.<br />

Auch die Hauptangriffseite im Westen gegenüber der Landbrücke<br />

dürfte mit Türmen besetzt gewesen sein. Auf der<br />

Donauseite durchbrach ein Tor den Mauerring. Dies muß<br />

auch im Nordwesten gegenüber der Burgsiedlung der Fall<br />

gewesen sein; wahrscheinlich dort, wo die dichte Reihung der<br />

Türme in eine winklige Mauerführung übergeht und die<br />

Mauer burgeinwärts abknickt. Dergestalt war die Heuneburg<br />

ein ziemlich getreues Spiegelbild der auf wirksamen Schutz<br />

und Repräsentation zugleich bedachten griechischen Befestigungsarchitektur.<br />

Der Innenraum der Burg war anscheinend in Quartiere mit<br />

spezifischer Funktion eingeteilt; das der Oberschicht vorbehaltene<br />

dürfte im Nordostteil im Umkreis des Tiefbrunnens<br />

gelegen haben. Von den bisher aufgedeckten Quartieren läßt<br />

sich einzig das im Mauerwinkel südlich des Donautores<br />

ziemlich regelmäßig angelegte schon jetzt funktional bestimmen:<br />

hier lagen Gelbgießereien, hier war das Bronzehandwerk<br />

angesiedelt. Schmelzen und Produktionsstätten, die<br />

übermäßig Qualm und Abgase erzeugten, sind an ihren<br />

besonderen Rauchabführungen in Form eines Vierpfostengerüstes<br />

kenntlich. Die Kapazität der metallurgischen Betriebe<br />

war so groß, daß sie über den Eigenbedarf hinaus die<br />

Nachfrage eines größeren Marktes befriedigen konnte. Die<br />

bisher festgestellte Bebauung weist deutliche Merkmale eines<br />

von vornherein festgelegten Planes auf. Sie läßt darüber<br />

hinaus vermuten, daß ein Großteil der Burgbewohner mit<br />

dem Handwerk beschäftigt war. Wer den Plan zu dieser<br />

städtische Züge aufweisenden Burg für den fürstlichen Herrn<br />

geschaffen hat, läßt sich nur so beantworten: Es kann ein aus<br />

dem großgriechischen Machtbereich stammender, aber<br />

ebensogut ein einheimischer Baumeister gewesen sein, der<br />

sich im griechisch bestimmten Süden einschlägige Kenntnisse<br />

erworben hatte. Nicht besser steht es um unser Wissen<br />

bezüglich der Ausdehnung des Territoriums der Heuneburg.<br />

Doch kann als sehr wahrscheinlich gelten, daß der Adel auf<br />

den im näheren und weiteren Umkreis gelegenen Burgen -<br />

Bussen, Heuneburg bei Upflamör, Alteburg bei Fridingen u.<br />

a. - in einer der Lehenshoheit des Mittelalters vergleichbaren<br />

Abhängigkeit zu den Heuneburgfürsten gestanden hat. Vermutlich<br />

bis zur Belagerung und Brandschatzung der Burg<br />

und der in ihrem Schutze liegenden Burgsiedlung um 500 v.<br />

Chr. Sucht man nach einer Erklärung für das, was sich damals<br />

zugetragen hat, dann bieten sich innenpolitische Spannungen<br />

an, wobei an ungehemmte Rivalitäten der führenden Familien<br />

untereinander, aber auch an die Erhebung eines Teiles des<br />

tributpflichtigen Adels gedacht werden darf.<br />

Mit dem Fall der stark südländisch geprägten, stadtähnlichen<br />

Burg scheint auch die Herrschaft der »Gründerdynastie«<br />

besiegelt. Dafür gibt uns die chronologische Abfolge<br />

bestimmter Tatbestände die Möglichkeit einer Erklärung in<br />

die Hand. Mit der Zerstörung der Burg und der Verwüstung<br />

der Burgsiedling bricht zugleich die Belegung des Hohmichele<br />

ab, dem größten der um die Burg gruppierten Fürstenhügel,<br />

in welchem mit Recht die Grabstätte des Ahnherrn der<br />

»Heuneburgdynastie« gesehen wird. Auch für die anderen<br />

monumentalen Fürstengrabhügel auf den Talrandhöhen diesund<br />

jenseits des Flusses läßt sich dasselbe Phänomen wahrscheinlich<br />

machen. Eine neue Nekropole entsteht auf dem<br />

einplanierten Gelände der verwüsteten Burgsiedlung buchstäblich<br />

im Angesicht der wiederaufgebauten Burg. Als diese


Versuch einer Rekonstruktion der Nord- und Westfront der Burg zur Zeit der Lehmziegelmauer.<br />

Versuch einer Rekonstruktion des Handwerkerviertels in der Südostecke der Burg zur Zeit der Lehmziegelmauer.


ihren endgültigen Untergang gefunden hatte, umfaßte diese<br />

jüngste Fürstennekropole vier mächtige Grabhügel, welche<br />

1876/77 bis auf einen untersucht worden sind.<br />

Auch beim Wiederaufbau der Burg wurde nicht an die<br />

Tradition angeknüpft. Man schleifte die ein halbes Jahrhundert<br />

bewährte Lehmziegelmauer, die den Feuersturm mit<br />

Ausnahme der Fachwerkkrone nahezu unversehrt überstanden<br />

hatte, um auf dem verbliebenen Stumpf eine Mauer<br />

einheimischer Bauart mit einem Pfostengerüst aus Holz zu<br />

errichten. Dieser erste Neubau und die in der Folge noch über<br />

ein halbes Dutzendmal von Grund auf erneuerten, in derselben<br />

Weise umwehrten Burgbauten erinnern in nichts mehr an<br />

die stadtähnliche Heuneburg zur Zeit der Lehmziegelmauer.<br />

Denn auch in der Innenbebauung deutet sich eine völlige<br />

Abkehr von der überlieferten Struktur an. Sie läßt eine<br />

vergleichsweise weiträumige Bebauung mit vielgestaltigen<br />

Hausformen erkennen, deren Abmessungen deutlich über<br />

jenen der eingeäscherten Anlage liegen. Südliche Einflüsse<br />

finden darin keinen sichtbaren Niederschlag, obschon die<br />

neuen Herren auf der Heuneburg Kontakt mit dem westmediterranen<br />

Süden gehabt haben; das machen etliche Fragmente<br />

von kostbarem griechischem Tafelgeschirr und die<br />

zahlreichen Reste von großgriechischen Weinamphoren<br />

deutlich, die in den jüngsten Schichten zum Vorschein<br />

kamen. Als weitere, technische Errungenschaft ist damals die<br />

schnell rotierende Töpferscheibe aus dem Süden auf die Burg<br />

gekommen, wo sie die Formgebung und Farbigkeit der<br />

feineren Tonware sofort nachhaltig beieinflußt hat. Und<br />

dennoch vermittelt der archäologische Befund den Eindruck,<br />

als hätten diese Burgenbauten der Spätzeit die einst innegehabte<br />

Machtstellung und Ausstrahlung niemals erreicht.<br />

Dafür werden wohl mehrere Faktoren in Rechnung zu stellen<br />

sein; nicht zuletzt eine verminderte Wirtschaftskraft, die sich<br />

aus dem Wegfall der Produktivität der aufgelassenen Burgsiedlung<br />

und der Verringerung der metallurgischen Betriebe<br />

auf der Burg ergab, in welchen man augenscheinlich etruskische<br />

Bronzekannen kopiert hat.<br />

In den Jahrzehnten nach 400 v. Chr. fand die früheisenzeitliche<br />

Heuneburg ein gewaltsames Ende. Sie teilte dieses<br />

Schicksal mit den anderen Adelssitzen in der Westhallstattprovinz.<br />

Durch diese letzte Brandkatastrophe wird ein Problem<br />

berührt, mit welchem sich die Forschung in letzter Zeit<br />

viel beschäftigt hat; nämlich der Frage, welche Ursachen der<br />

Zerstörung der Burgen im genannten Raum zugrunde liegen<br />

könnten. Konkrete Anhaltspunkte gibt es freilich nicht, doch<br />

spricht viel dafür, daß sie vor dem Hintergrund eine sozialen<br />

Umschichtung von einer Feudalgesellschaft zu einer demokratischen*<br />

Gesellschaftsordnung zu sehen ist. Der Untergang<br />

dieser Mittelpunkte lokaler unt territorialer Herrschaft<br />

bildet den Auftakt zu den keltischen Wanderungen nach<br />

Italien und die Donau abwärts. Spätestens seit Beginn des 7.<br />

Jh. n. Chr. muß die Heuneburg noch einmal für längere Zeit<br />

eine Rolle in der Geschichte der Landschaft an der oberen<br />

Donau gespielt haben. Die historischen Vorgänge, die zu<br />

ihrer Wiederbelebung in der Merowingerzeit geführt haben,<br />

sind wegen der dürftigen urkundlichen wie archäologischen<br />

Quellenlage bisher noch schwer durchschaubar. Sie schließen<br />

eine Deutung als Fluchtburg für den Eritgau, der sich im<br />

Altsiedelland zwischen Mengen und Ertingen erstreckte,<br />

oder für eine alemannische Adelsfamilie nebst Sippe nicht<br />

aus; doch sprechen nicht zuletzt Waffen und Teile der<br />

Reiterausrüstung eher zugunsten einer militärischen Funktion<br />

der Burg. Diese ließe sich am ehesten mit der Einrichtung<br />

des Huntarenverbandes an der oberen Donau durch die<br />

fränkische Reichsgewalt Ende des 6. oder zu Beginn des 7.<br />

Jahrhunderts in Verbindung bringen. Nach Auffassung des<br />

vor einigen Jahren verstorbenen Landesgeschichtlers Dr. H.<br />

Jänichen handelte es sich dabei um Reitereinheiten unter<br />

6<br />

Ausguß aus einer Tonform für den figürlich verzierten Henkelbeschlag<br />

einer kopierten Bronzekanne etruskischer Art. Spätzeit des<br />

Fürstensitzes, 1. Hälfte 5.Jh.v.Chr.<br />

Führung eines adeligen Huntari. Diese fränkische Besatzungseinheiten<br />

seien nach Eingliederung auch dieses Teiles<br />

Alemanniens in das fränkische Reich an strategisch wichtigen<br />

Punkten angesiedelt und u. a. mit der Sicherung der wichtigen<br />

Fernstraßen betraut worden. Der Ort Hundersingen,<br />

althochdeutsch Huntaris-singen, mit seiner dem fränkischen<br />

Nationalheiligen Martin geweihten Pfarrkirche spiegelt diesen<br />

Vorgang in seinem Namen wider. Was liegt daher näher,<br />

als in der knapp zweieinhalb Kilometer vom Ort entfernten<br />

Heuneburg den Stützpunkt jener Reiterschaft zu sehen, die<br />

militärisch für die Centene Eritgau zuständig war, welche seit<br />

dem 9. Jahrhundert nach einem Amtsgrafen auch Goldineshuntare<br />

genannt wurde.<br />

Der nächste Ausbau der Heuneburg wird die Anlage eines<br />

gewaltigen, auf dem Westabschnitt doppelt zangenförmig<br />

geführten Grabensystems gekennzeichnet; es hat den Fuß des<br />

zuvor künstlich versteilten Burgbergs von einem Steilufer der<br />

Donau zum andern umschlossen. Noch heute verdankt die<br />

Heuneburg dieser außerordentlich aufwendigen Befestigungsmaßnahme<br />

ihre markante Silhouette. Im Westen wurde<br />

zudem eine eher kleinräumige Vorburg angegliedert. Ihre<br />

Erdwerke, ein mächtiger Erdwall mit vorgelegtem Graben,<br />

sind Ende der dreißiger Jahre des 19. Jahrhunderts bis auf<br />

einen geringen Wallrest im Nordwesten eingeebnet worden,<br />

bei welcher Gelegenheit der damalige Pächter des Talhofs<br />

auch das Tor dieser Anlage »ausgegraben« hat. Die bauliche<br />

Erweiterung, vor allem aber die auffallende Tiefenstaffelung<br />

des gesamten Wehrsystems wie die Verteilung der Burgflanken<br />

sind zweifellos durch eine neue Kampfesweise und<br />

Waffentechnik bedingt. Sie kann nur mit der Abwehr der<br />

Ungarn im 10. Jahrhundert zusammenhängen; jenes mit<br />

weittragenden Bogen bewaffneten Reitervolkes, dessen Plünderungszüge<br />

auch diese Region bis zum Sieg König Ottos d.<br />

Gr. in der Schlacht auf dem Lechfeld im Jahre 955 in Angst<br />

und Schrecken versetzt hatte. Es ist daher zu vermuten, daß<br />

die Heuneburg in dieser langen Zeit äußerer Bedrohung der<br />

Bevölkerung des Eritgaues, der sich längs der alten Römerstraße<br />

erstreckte, als Fluchtburg diente; ausgebaut von dem<br />

für diese Grafschaft zuständigen Grafenhaus, weil nur dieses<br />

das königliche Befestigungsrecht ausüben und über das Burgwerk,<br />

die Zwangsdienste der Bevölkerung für Befestigungen,<br />

verfügen konnte.


Talhaf<br />

Grundrißplan der mittelalterlichen Heuneburg im 10. und 11. Jahrhundert.<br />

Nachdem die Ungarnnot beseitigt war, ist die Wehranlage<br />

wohl um die Jahrtausendwende das letztemal ausgebaut<br />

worden. Durch halbbogenförmig von Burgflanke zu Burgflanke<br />

geführte Befestigungswerke in Form eines nur mäßig<br />

tiefen Sohlgrabens und einer zweipfostigen Holz-Erde-<br />

Mauer mit steinverblendeten Fronten wurde die Südostecke<br />

gegen das übrige Burgplateau abgeriegelt. Im Scheitel und im<br />

Nordosten durchbrachen Tore diese Abschnittsbefestigung.<br />

In ihrem Schutze standen zumeist kleinräumige, in die Erde<br />

eingetiefte Bauten aus Holz. Einzig ein Webhaus, im Südwe-<br />

* J * li'dw».<br />

rilMF ^<br />

. fitriWi-rt *<br />

Die<br />

HEUNEBURG<br />

im Mittelalter<br />

sten unmittelbar hinter der Mauer liegend, wies Abmessungen<br />

auf, wie sie sonst nur von entsprechenden Bauten in<br />

königlichen Pfalzen bekannt geworden sind.<br />

In der Verkleinerung des Burgareals auf eine Größe, die<br />

gerade für eine Familie mit Gefolge ausreichend war, zeichnet<br />

sich eine Entwicklung ab, die zur stark befestigten, ständig<br />

bewohnten Dynastenburg zumeist in Höhenlage führte, nach<br />

der sich der Adel fortan nannte. Dieses Stadium scheint auf<br />

der Heuneburg noch nicht erreicht, als der letzte archäolo-<br />

7


Bruchstücke griechischer (attischer) schwarzfiguriger Gefäße. Import vermutlich aus der griechischen Kolonie Massalia (Marseille).<br />

gisch faßbare Bauabschnitt irgendwann nach der Mitte des<br />

11. Jahrhunderts zu Ende ging. Danach wurde die Wehranlage<br />

endgültig aufgelassen. Hinter der Auflassung verbirgt<br />

sich vermutlich ein einschneidender historischer Prozeß: Die<br />

Feudalisierung des gräflichen und grafengleichen Hochadels.<br />

Der damit eingeleitete eigenmächtige Burgenbau der Grafen<br />

und grafengleichen Herren schuf einen neuen Burgentypus<br />

als ständig bewohnten Sitz. Dieser tritt uns in der benachbarten,<br />

aber dichter an die Hauptfurt durch die Donau herangerückten<br />

Baumburg entgegen, einer Turmhügelburg, die sonst<br />

CHRISTIAN SCHWARZ<br />

Die St. Ulrichskapelle in Neckarhausen<br />

»Der freundliche Weiler Neckarhausen liegt der Mündung<br />

des Glattbaches gegenüber auf einem erhöhten Vorsprung<br />

des rechten Neckarufers. In alter Zeit wohnten Edelleute hier<br />

in einem Schlosse, an dessen Stelle jetzt das Forsthaus steht.<br />

Neben ihm befindet sich die St. Ulrichskapelle mit dem<br />

steinernen Brotlaib«.<br />

Mit diesen Worten beginnt die alte Volkssage vom steinernen<br />

Brotlaib zu Neckarhausen, nach der ein Fräulein von Lichtenstein<br />

einem Bettler während einer Hungersnot ein Stückchen<br />

Brot verweigert haben soll, unter der Beteuerung, wenn<br />

sie noch einen Laib hätte, soll dieser zu Stein werden. Als der<br />

Bettler fortgegangen war, fand sie ihren letzten Laib Brot in<br />

Stein verwandelt. Daraufhin machte sie eine Stiftung, nach<br />

welcher jährlich am Ulrichstag den Armen zu Betra und<br />

Neckarhausen Brot ausgeteilt werden mußte. Der sagenhafte<br />

steinerne Brotlaib ist in der Rückwand der Ulrichskapelle<br />

8<br />

vor allem im Flachland verbreitet ist. Für diesen Dynastensitz<br />

vom Typus »Motte« ist in Dieterich von Buinburo seit 1090<br />

ein edelfreies Geschlecht urkundlich bezeugt. Wie der Burgenkundler<br />

Dr. H.-M. Maurer treffend formulierte, trugen<br />

diese Dynastenburgen als achtunggebietende Symbole der<br />

Herrschaft der Grafen und grafengleichen Herren, die zuvor<br />

>auf Herrenhöfen in und bei den Dörfern, fast mitten unter<br />

den Bauern, wohnten* entscheidend dazu bei, >ständische<br />

Unterschiede zu verhärten und die Verherrschaftlichung<br />

sichtbar zu machen*.<br />

eingemauert und es ist bekannt, daß noch bis in die vierziger<br />

Jahre des letzten Jahrhunderts am Ulrichstag Brot unter die<br />

Armen verteilt wurde.<br />

Der »freundliche Weiler« allerdings hat durch die Baumaßnahmen<br />

an der B 14 den Abbruch der ehemaligen Zehntscheuer<br />

und das Fällen der alten Bäume entlang der Bundesstraße<br />

stark gelitten. Zum Glück mußte die inzwischen unter<br />

Denkmalschutz gestellte Ulrichskapelle nicht auch der Straße<br />

und dem Verkehr zum Opfer fallen. Dieses schmucke Kirchlein,<br />

von einem Chronisten im vorigen Jahrhundert als »echte<br />

Perle kirchlicher Kunst und wahrer Schmuck des Neckartales«<br />

bezeichnet, ist auch heute noch einen Besuch wert.<br />

Die Kapelle wurde an Stelle ihrer Vorgängerin, die der<br />

Fürstabt von Muri links der Straße Neckarhausen-Betra hatte<br />

erbauen lassen, in den Jahren 1889-1891 rechts dieser Straße<br />

im frühgotischen Stil erstellt und am Kirchweihmittwoch des


Jahres 1891 durch den Kammerer Huthmacher von Gruol<br />

feierlich eingeweiht.<br />

Uber eine steinerne Treppenanlage, auf deren Podest eine<br />

steinerne Kanzel zum Predigen im Freien angebracht ist - vor<br />

90 Jahren war das noch möglich - steigt man zur Plattform<br />

vor der Kapelle hinauf. Vor dem eigentlichen Bau betreten<br />

wir auf der westlichen Giebelseite eine schöne Vorhalle von<br />

Konsolen und Rundsäulen mit zierlichen Kapitellen getragen.<br />

In dieser Vorhalle wurde aus der alten Kapelle herüber,<br />

das steinerne murische Wappen, sowie von einem Dreipaß<br />

umschlossen der sagenhaft steinerne Brotlaib angebracht.<br />

Über dem Portal begrüßen wir das Bild des Schutzpatrons der<br />

Kapelle, neben ihm Kreuz und Fisch, alles in rotem Sandstein<br />

gehauen als Hochrelief.<br />

Die Kapelle ist einschiffig ausgeführt mit einem in fünf Seiten<br />

des Achtecks geschlossenen Chor und einer kleinen Sakristei<br />

auf dessen Nordseite. Chor und Schiff sind gewölbt, letzteres<br />

mit einem Kreuzgewölbe in drei Traveen und mit drei<br />

Fenstern auf jeder Seite. Die Gewölberippen haben Rundstabprofil<br />

und laubwerkverzierte Schlußsteine. Die Säulenbündel<br />

des Chorgewölbes und des schön profilierten massiven<br />

Chorbogens gehen bis auf den Boden herab, während<br />

jene des Langhauses weiter oben auf Konsolen aufsitzen.<br />

Hinten hat die Kapelle eine Orgelempore, die auf starken<br />

steinernen Rundsäulen ruht. Der Boden ist mit Sinziger<br />

Plättchen belegt, im Chor mit einem Lilienmuster, im Schiff<br />

mit roten und gelben Würfeln.<br />

Aus dem Westgiebel des Langhauses erhebt sich ein reich<br />

gegliedertes, zierliches Türmchen mit zwei Glöckchen. Es ist<br />

in rotem Sandstein gearbeitet. Seine durchbrochene Pyramide,<br />

von fantastischem Getier als Wasserspeier umringt,<br />

strebt mit ihren Fialen, Krabben und Kreuzblumen leicht und<br />

luftig zum Himmel empor. Die Höhe vom Kirchenboden bis<br />

zur obersten Kreuzblume beträgt etwa 25 Meter. Nach unten<br />

ist das Türmchen durch ein am Giebel auf das Haupt-<br />

Quergesims herablaufendes Säulenbündel mit Portal und<br />

Vorhalle sinnvoll in Verbindung gesetzt. Damit hat der<br />

Baumeister die Fassade mit Einschluß des Aufganges als<br />

einheitliches Ganzes behandelt und es verstanden, ihr ein<br />

wirklich harmonisches Aussehen zu verleihen. Die Kapelle<br />

ist im Schiff acht und im Chor sechs Meter. Sie ist mit 120<br />

Sitzplätzen ausgestattet. Die Fenster stellen im Chor die<br />

Bilder von St. Ulrich, St. Konrad, St. Elisabeth und St.<br />

Barbara vor; die übrigen sind Teppich-Fenster.<br />

Die malerische Ausschmückung besorgte Maler Loosen aus<br />

Nürnberg, mit einfacher aber sehr sauberer, feiner und<br />

geschmackvoller Dekorationsmalerei. Um den Schlußstein<br />

im Chor gruppieren sich einige Engelsfiguren. Säulen, Kapitelle,<br />

Konsolen und Gewölberippen wurden in Naturfarben<br />

belassen, teilweise, wie die Schlußsteine und Chorbogen,<br />

durch zarte Fassung und Vergoldung herausgehoben. Der<br />

BERNHARD GONDORF<br />

Brautsuche für Prinz Ferdinand<br />

1866 hatte Rumänien den Prinzen Karl von Hohenzollern zu<br />

seinem Fürsten erwählt. Unter geradezu dramatischen<br />

Umständen gelangte Karl nach Bukarest 1. Am 15. November<br />

1869 heiratete er die Prinzessin Elisabeth zu Wied, die in der<br />

Literatur als Carmen Silva bekannt ist 2. Das einzige Kind des<br />

fürstlichen Paares war eine Tochter, die aber schon nach<br />

wenigen Jahren verstarb 3.<br />

Als 1881 Rumänien zum Königreich erhoben wurde, stand<br />

auch die Frage der Thronfolge an. Um die Krone dem Haus<br />

Hohenzollern zu erhalten, gab es zwei Möglichkeiten:<br />

gotische Flügelaltar wurde aus der alten Kapelle übernommen.<br />

Er wurde frisch gefaßt und teilweise vergoldet. Das<br />

Mauerwerk der Kapelle ist aus weißen Tuffsteinquadern<br />

hergestellt. Alle architektonischen Gliederungen, Gesimse,<br />

Gurten, Fenstereinfassungen, Maßwerk usw. sind aus rotem<br />

Buntsandstein des Glattales gehauen. Der Chronist aus dem<br />

Jahre 1891 würdigt die Kapelle und ihren Erbauer mit den<br />

Worten: »So steht das schöne schmucke Kirchlein droben in<br />

der Höhe am Waldessaum und grüßt freundlich alle, die<br />

unten mit dem Dampfroß hurtig vorübereilen und ladet<br />

fromm zum Beten ein, wer zu ihm heraufkommen will. Es ist<br />

ein rühmliches Zeugnis von der Tüchtigkeit und demfeinen<br />

Geschmack und Kunstsinn seines Baumeisters, des Herrn<br />

Architekten Laur in Sigmaringen: das Werk lobt seinen<br />

Meister!<br />

- König Karl konnte sich von seiner Frau trennen und eine<br />

andere heiraten, um so die Nachfolge zu sichern. Das wäre<br />

keineswegs ein Novum gewesen. Die Geschichte kennt<br />

genügend Beispiele. Unter den deutschen Regenten war es<br />

zuletzt Großherzog Ernst Ludwig von Hessen und bei<br />

Rhein, der aus dynastischen Rücksichten sich von seiner<br />

ersten Frau trennte 4. Für Carol von Rumänien verbot sich<br />

diese Frage von vornherein aufgrund seiner religiösen<br />

Uberzeugung. Er war strenggläubiger Katholik.<br />

- Der Monarch konnte einen Blutsverwandten zum Nach-<br />

9


folger bestimmen. Das ist die elegantere Lösung. Hier muß<br />

aber die Verfassung berücksichtigt werden. Unter<br />

Umständen ist eine Verfassungsänderung vorzunehmen.<br />

Während eine Scheidung eher dem privatrechtlichen Bereich<br />

des Souveräns zuzuweisen ist 5, betrifft die Designierung<br />

eines Nachfolgers den Staat an sich. Daher muß das Parlament<br />

bzw. der Senat zur Wahl eines Thronfolgers die Zustimmung<br />

geben.<br />

Bei der Erhebung Rumäniens zum Königreich wurde die<br />

bisher geltende Verfassung geändert. Es wurde der Passus<br />

aufgenommen, falls König Karl ohne legitime männliche<br />

Nachkommen bleiben sollte, könne sein Bruder Leopold<br />

bzw. dessen Nachkommen den Thron besteigen.<br />

Nun hatte Leopold von Hohenzollern schon 1866 auf die<br />

rumänische Krone verzichtet 6. Daher sah er es auch diesmal<br />

als unmöglich an, wenn er der Erbe seines Bruders werden<br />

sollte. Zudem ist es üblich, daß der älteste Sohn die Stammbesitzungen<br />

erbt. In fremden Ländern errichten Dynastien<br />

meist Sekundogenituren 7. Durch den Verzicht Leopolds<br />

wurde dessen ältester Sohn, der 1864 geborene Prinz Wilhelm,<br />

präsumptiver Nachfolger in Rumänien. Wohl aus<br />

Gründen der ebenerwähnten Erbfolge-Usancen unterzeichnete<br />

Erbprinz Wilhelm von Hohenzollern am 26. Dezember<br />

1886 in Baden-Baden eine Urkunde, in der er auf eine<br />

mögliche Thronbesteigung in Rumänien zugunsten seines um<br />

ein Jahr jüngeren Bruders Ferdinand verzichtete 8.<br />

Jetzt hatte das Königreich Rumänien einen Erben. Prinz<br />

Ferdinand trug aber noch weiterhin den Namen Hohenzollern<br />

und diente auch in der preußischen Armee.<br />

König Carol I. bereitete alles vor, daß sein Neffe vom Senat<br />

den Landes anerkannt wurde. Am 14./26. März 1889 erklärte<br />

der Senat den Prinzen Ferdinand von Hohenzollern zum<br />

voraussichtlichen Thronfolger. Daraufhin verlieh ihm der<br />

König am 18./30. März desselben Jahres den Titel »Prinz von<br />

Rumänien« mit dem Prädikat »Königliche Hoheit«. Am 9./<br />

21. Mai 1889 erfolgte die Aufnahme in den Senat 9.<br />

Es ist hinreichend bekannt, daß gerade in hochadeligen<br />

Familien nach einer »passenden Partie« Ausschau gehalten<br />

wird. Neben den persönlichen oder familiären Interessen<br />

spielt auch die Ebenbürtigkeit eine besondere Rolle. In<br />

Deutschland mehr als anderswo. Daher wird der Kreis der in<br />

Frage kommenden Ehepartner von vornherein stark eingeschränkt.<br />

Gerade die geringe »Auswahl« erfordert größere<br />

Aktivitäten seitens der interessierten Familienmitglieder (und<br />

fremder Personen).<br />

Davon war auch Fürst Leopold von Hohenzollern nicht frei.<br />

Sein Bruder, König Karl von Rumänien, und seine Schwägerin<br />

unterstützten ihn dabei. Der Monarch wollte noch vor<br />

dem ersten offiziellen Besuch Ferdinands in Rumänien »vorbereitende<br />

Schritte zu einer ehelichen Verbindung mit einer<br />

deutschen Prinzeß gethan wissen, durch welche verwandtschaftlichen<br />

Bande mit den großen Dynastien hergestellt, und<br />

der junge Mann vor den Gefahren der heißblütigen und<br />

verführungswütigen Frauen beschützt bleibe«.<br />

Anfangs hatte man an Prinzessin Alexandra von Griechenland<br />

gedacht, die am 18./30. August 1870 geborene Tochter<br />

Georgs I. König der Hellenen und der Königin Olga. Sie<br />

hatte sich aber gegen Ende des Jahres 1888 mit dem Vetter<br />

ihrer Mutter, mit Großfürst Paul Alexandrowitsch von Rußland<br />

(1860-1919) verlobt, wodurch eine Verbindung zwischen<br />

den Häusern Rumänien-Hohenzollern und Griechenland-Dänemark<br />

zu der Zeit noch vereitelt wurde. Alexandra<br />

heiratete am 5./17. 6. 1889 in St. Petersburg 10. Sie starb am<br />

12./24. September 1891 bei der verfrühten Geburt ihres<br />

zweiten Kindes 11, des Großfürsten Dimitri (1891-1942), der<br />

später maßgeblich an der Ermordung Rasputins beteiligt sein<br />

sollte 12.<br />

10<br />

Weil Alexandra in der eigenen Familie verblieb, wünschte<br />

Carol von Rumänien »eine Verbindung mit Prinzeß Alice<br />

von Hessen«. Fürst Leopold sollte in Darmstadt vorfühlen.<br />

Nun weilte er aber den Winter über in Cannes. Deshalb<br />

schrieb er am 18. Januar 1889 an seinen Hofchef Friedrich<br />

von Werner, er möchte in »ganz vertraulicher Weise sondieren«.<br />

Er selbst hatte sich mit der Familie herumzuschlagen.<br />

Fürstin Antonia, geborene Prinzessin von Braganza, Infantin<br />

von Portugal (1843-1913), war entschieden »gegen jede<br />

Verbindung mit einer protestantischen Prinzeß«. Königin<br />

Elisabeth von Rumänien gab zu verstehen, man habe in<br />

Rumänien »große Vorurteile gegen eine katholische Verbindung«.<br />

Leopold von Hohenzollern hat seinem Bruder die<br />

eigenen Bedenken nicht verschwiegen, ihm aber auch versprochen,<br />

in Darmstadt zu sondieren.<br />

Der Fürst schrieb, Prinzessin Alice von Hessen habe auf ihn<br />

einen sehr guten Eindruck gemacht. Sie erschien ihm »persönlich<br />

wie auch wegen ihrer Verwandtschaften am sympathischsten«.<br />

Die königliche (großherzogliche) Linie des Hauses<br />

Hessen war u. a. verwandt mit Rußland und mit England.<br />

Vor allem durch eine Verwandtschaft mit dem Haus Romanow<br />

versprach man sich in Rumänien Vorteile.<br />

Elisabeth von Hessen (1864-1918), die ältere Schwester der<br />

von König Karl ins Auge gefaßten Prinzessin Alice, war mit<br />

dem Großfürsten Sergius verheiratet, der 1905 auf schreckliche<br />

Weise ums Leben kam 13. Sein Bruder hatte Alexandra<br />

von Griechenland geheiratet. Beider Mutter, die Zarin Maria<br />

Alexandrowna (1824-1880), war eine geborene Prinzessin<br />

von Hessen.<br />

Schon zu Beginn des Jahres 1889 schrieben die Zeitungen,<br />

Prinzessin Alice sei für den russischen Thronfolger bestimmt.<br />

Weder der Hof von St. Petersburg noch der von Darmstadt<br />

haben damals diese Meldung bestätigt. Daher wußte auch<br />

Fürst Leopold nichts Genaues.<br />

Nun traf es sich, daß am großherzoglich-hessischen Hof eine<br />

Nichte Friedrich von Werners war: Wilhelmine Marie Freiin<br />

von Senarclens-Grancy (1837-1912), Exzellenz, Oberhofmeisterin<br />

der Großherzogin von Hessen 14. Und über diese<br />

hoffte Fürst Leopold von Hohenzollern die gewünschte<br />

Auskunft für seinen Bruder zu bekommen.<br />

Offenbar stimmte die Nachricht in den Zeitungen. Es war nie<br />

mehr die Rede von einer Verbindung zwischen Prinz Ferdinand<br />

von Rumänien und Prinzessin Alice von Hessen. Sie<br />

wurde 1894 die Frau von Zar Nikolaus II. von Rußland und<br />

kam 1918 mit ihm ums Leben. Ferdinand blieb auch noch<br />

einige Zeit unverheiratet. Nach einer Affaire, die operettenhafte<br />

Züge trägt 15, heiratete er am 10. Januar 1893 Prinzessin<br />

Maria von Sachsen-Coburg und Gotha, Prinzessin von<br />

Großbritannien (1875-1938). Ihre Mutter Maria Alexandrowna<br />

war die Schwester der Großfürsten Sergius und Paul,<br />

ihr Vater Alfred ein Sohn der Königin Viktoria von Großbritannien.<br />

Es ist müßig, zu fragen, wie es gekommen wäre, wenn Alice<br />

von Hessen und Ferdinand von Rumänien-Hohenzollern<br />

geheiratet hätten. Beide waren in ihren Ehen nicht sehr<br />

glücklich. Ob sie es aber gemeinsam geworden wären, wer<br />

weiß das?<br />

Abschrift des Briefes<br />

Cannes, 18. Jan. 1889<br />

Mein lieber Werner<br />

Mein Bruder Karl beschäftigt sich seit dem Herbst sehr<br />

eingehend mit Ferdinands Zukunft, welcher ja im Frühjahr<br />

einen längeren Aufenthalt in Rumänien nehmen soll, und<br />

möchte jetzt schon vorbereitende Schritte zu einer ehelichen<br />

Verbindung mit einer deutschen Prinzeß gethan wissen,<br />

durch welche verwandtschaftlichen Bande mit den großen


Dynastien hergestellt, und der junge Mann von den Gefahren<br />

der heißblütigen und verführungswütigen Frauen beschützt<br />

bleibe. Sein Wunsch die Hand der Tochter des Königs von<br />

Griechenland 16 seinem Neffen zu sichern ist durch deren<br />

Verlobung vereitelt worden. Jetzt wünscht er eine Verbindung<br />

mit Prz. Alice von Hessen und drängt mich, sobald wie<br />

möglich Fühlung mit Darmstadt zu nehmen, damit diese<br />

Prinzessß nicht auch entschlüpfe, wie es beinah den Anschein<br />

nach den letzten Zeitungsberichten hat. -<br />

Meine Frau 17 ist gegen jede Verbindung mit einer protest.<br />

Prinzeß und durch diese Angelegenheit sehr beunruhigt,<br />

weshalb ich vorläufig nicht weiter darüber spreche. Leider<br />

hat man in Rumänien, wie meine Schwägerin schreibt, große<br />

Vorurteile gegen eine kathol. Verbindung, vor allem, meiner<br />

Ansicht nach meine Geschwister selbst, obgleich man in<br />

Rum. manche Concession bezügl. der Kindererziehung<br />

erreichen könnte.<br />

Ich habe meinem Bruder diese Bedenken nicht verschwiegen,<br />

ihm aber versprochen, in Darmstadt zu sondieren, ob die<br />

junge Prinzeß noch frei ist, die ich im Dezember, vor<br />

Empfang der maßgebenden Leute sah, u. die einen sehr<br />

sympathischen Eindruck macht; - direkt möchte ich nicht<br />

anfragen, um uns nicht gleich zu binden. Da aber Ihre Nichte<br />

Grancy am Hof ist, könnten Sie in ganz vertraulicher Weise<br />

sondieren, ob dieselbe wirklich für den russ. Thronfolger-<br />

18bestimmt ist oder nicht. Wenn Sie, wie ich annehme, in<br />

Sigmaringen sind, so wäre ein kurzer Aufenthalt in Darmstadt<br />

auf Ihrer Durchreise möglich, andernfalls läßt sich die<br />

Angelegenheit auch brieflich behandeln. - Ferdinand selbst,<br />

der doch die maßgebliche Antwort zu geben hat, kennt die<br />

Wünsche seiner w. Verwandten und ist diesem Project<br />

durchaus nicht abgeneigt. Es waren noch andere Prinzessinnen<br />

vorgeschlagen, auch von mir, diese aber erscheint persönlich<br />

wie auch wegen ihrer Verwandtschaften am sympathischsten,<br />

und abgesehen von den oben berührten schwierigen<br />

Fragen wäre es auch für uns eine große Beruhigung, den<br />

Sohn in dem schwierigen Land recht bald glücklich verheiratet<br />

zu sehen;<br />

Für heute beschränke ich mich auf diese Notizen. Ich hoffe,<br />

Sie sind wieder ganz hergestellt. Man kann sich hier von der<br />

winterlichen Temperatur in der Heimath kaum eine Vorstellung<br />

machen. Seit 3 Tagen haben wir vollständiges Sommerwetter.<br />

Kein Kamin oder anderes Feuer, und man schützt<br />

sich vor der Sonne. Vorher allerdings regnete es 5 Tage<br />

hintereinander; Die Fürstin ist wegen des Infanten August 19,<br />

ihres Bruders, in großer Sorge - er hat eine furchtbare, vor<br />

JOHANN ADAM KRAUS<br />

Melchingen: Aus Gunkel wurde Gockel<br />

kaum gesehene Lungen und Herzkranz-Entzündung und<br />

sein Zustand ist recht bedenklich. Im übrigen geht es ihr recht<br />

leidlich; Sie trägt mir viele Grüße an Sie auf. -<br />

Wir hoffen, daß Mama 20 bald, schon ihrer Augen wegen, die<br />

in dem einsamen Leben zu sehr in Anspruch gebommen<br />

wurden, nach Brüssel 21 und von dort in ein milderes Klimas<br />

reisen wird.<br />

Gottbefohlen mein lieber Werner. Stets Ihr aufrichtig<br />

ergebener Leopold<br />

1 Hierüber vgl. u. a.: Albrecht Prinz von Hohenzollern, König<br />

Carol I. und seine Zeit (Hohenzollerische Jahreshefte, 20. Bd.,<br />

1960, S. 1-38).<br />

2 Uber sie u. a.: Eugen Wölbe, Carmen Silva (1933); - Elisabeth<br />

Heimpel: in Neue Deutsche Biographie, Bd. 3, Berlin 1957, S.<br />

149.<br />

3 Prinzessin Maria (8. 9. 1870 - 9. 4. 1874).<br />

4 Vgl. z. B.: Genealogisches Handbuch des Adels, Fürstliche<br />

Häuser I = Band 1 der Gesamtreihe. Glücksburg 1951, S. 41.<br />

5 Uber dieses Thema vgl. z. B.: Kurt Erhardt, Die privilegierte<br />

Stellung der Landesherren und hochadligen Familien im Deutschen<br />

Zivilprozeßrecht. München 1912. - Paul Oertmann, Die<br />

standesherrliche Autonomie im heutigen deutschen bürgerlichen<br />

Recht. Denkschrift, verfaßt im Auftrage des Vereins der deutschen<br />

Standesherren. Erlangen 1905.<br />

6 Wie Anm. 1.<br />

7 Vgl. z. B. die Häuser Bourbon, Braganza und Dänemark.<br />

8 Vgl. Hofkalender 1887ff. (Artikel Rumänien).<br />

9 Vgl. Hofkalender 1890 ff. (Dipl.-Stat. Handbuch, Art. Rumänien).<br />

10 Vgl. Hofkalender 1890 ff. (Artikel Griechenland und Rußland).<br />

11 Vgl. Jörg Stuker, Die Große Parade. Glanz und Untergang der<br />

Fürsten Europas. Ölten und Freiburg/Br. 1971, S. 143.<br />

12 Vgl. Stuker, S. 143f., 215 und 364f.<br />

13 Vgl. Stuker, S. 156.<br />

14 Vgl. Hofkalender (Dipl.-Stat. Handbuch) 1907, S. 530;-Memoiren<br />

der Fürstin Marie zu Erbach-Schönberg, Prinzessin von<br />

Battenberg. 1958, S. 48.<br />

15 Mit Helena Vacarescu. - Vgl. u. a. Stuker, S. 260.<br />

16 Georg I., König 1863-1913 (ermordet), geboren 1845 als Prinz<br />

Wilhelm von Dänemark.<br />

17 Antonia Prinzessin von Braganza, Infantin von Portugal<br />

(1843-1913).<br />

18 Nikolaus Alexandrowitsch, 1894-1918 Zar Nikolaus II.<br />

19 August Prinz von Braganza, Infant von Portugal (1847-1889).<br />

20 Josephine von Hohenzollern, Prinzessin von Baden (1813-1900).<br />

21 In Brüssel lebte ihre Tochter Marie, Gräfin von Flandern, Prinzessin<br />

von Belgien.<br />

Namensänderungen kommen nicht nur in unserer Zeit vor, in Jahreszahl 1590 und an anderer Stelle ziemlich ungelenk die<br />

der aus Schiklgruber ein Hitler und aus Broz ein Tito wurden. Angabe »Peter v. Gockel«. Das Gebäude habe früher Wirt-<br />

Schon im 16. Jh. mauserte sich die in Melchingen ansässige schaft zum Ochsen geheißen. Nicht bemerkt ist jedoch, daß<br />

Familie Gunkel zu Gockel: vermutlich einem Zug der Mode der vermutliche Vater dieses Peter Gockel im Nachtrag von<br />

vieler Studenten folgend, die gern ihre Namen latinisierten. 1570 im alten Fleckenbuch 4 nicht als Gockel, sondern als<br />

So nannte sich Martin Kraus, Professor in Tübingen latei- Wendel Gouckel bzw. Gauckel erscheint. Ja im Urtext des<br />

nisch Crusius (richtiger wäre Crispus gewesen, der Name des (im letzten Krieg verschwundenen) Schriftstücks, der um<br />

Kerkermeister des hl. Paulus! Theodor Schön hat im Jahre 1450 entstand, findet sich ein Cunlin Gunkel, zweifellos ein<br />

1899 die genannte aus Melchingen stammende und in Baden- Vorfahre des Geschlechts 4. Allerdings hat ein um 1500 dahier<br />

Württemberg verbreitete Gelehrtenfamilie 1 Gockel mit geborenes Sippenglied namens Johannes, der Theologie stulutherischen<br />

Pfarrern, Magistern, Doktoren u. Ärzten dierte und Pfarrer wurde, im Jahre 1532 bei Antritt seiner<br />

beschrieben, ohne freilich auf ihre Vorfahren einzugehen 2. Seelsorgestelle in Benzingen dem bischöflichen Notar in<br />

Auch die Hohenzollerische Zeitung hat 1971'' auf das sog. Konstanz eigenhändig mit »Johannes Gockel« unterschrie-<br />

Gockelhaus in Melchingen hingewiesen, das jetzt Franz ben 5. Er wurde jedoch bald Lutheranhänger, mußte Benzin-<br />

Schmid (Nr. 67) gegenüber von Pfarrhaus und Wirtschaft gen verlassen, heiratete eine Agnes Fauler und heißt auf<br />

zum Ochsen bewohnt. Der Bau trägt einen Stein mit der seinem Grabmal in der Tübinger Stiftskirche von ca 1576<br />

11


Cokelius. In Tübingen stiftete er ein bedeutendes Stipendium<br />

für zwei studierende Verwandte, in das der 1581 in Melchingen<br />

geborene Sohn Peters namens Balthasar Gockel als<br />

protestantischer Theologiestudent im J. 1598 aufgenommen<br />

wurde. (Geld und großes Vermögen scheinen der Treue zum<br />

religiösen Bekenntnis nicht förderlich zu sein!) Der Familienname<br />

Gunkel wurde vermutlich unter Einfluß der Universität<br />

bzw. der Mitstudenten in den moderner klingenden Gockel<br />

verändert. Denn im J. 1535 lebte noch in Melchingen ein<br />

Hans Kunkelin 53 und 1542 sowie 1570 ist ein Wendel Gunckel<br />

bzw. Gauckel aufgeführt 6. In der Heimat hat man also<br />

noch länger an der hergebrachten Namensform festgehalten.<br />

Gunkel ist schwäbische Form von Kunkel (= Spinnrocken,<br />

Wergträger) am Spinnrad, wovon die württembergischen<br />

Kinkelin-Familie noch kündet. Ein sprachlicher Übergang<br />

von Gunkel zu Gockel ist schwer vorstellbar. Handelte es<br />

sich um einen Studentenspleen beim genannten Johannes?<br />

Auch im benachbarten Stetten u. H. findet sich im J. 1528 ein<br />

Martin Gunkel 7.<br />

Die Aufschrift des erwähnten Gockelhauses mag aus einer<br />

Zeit stammen, in der sich auch die Melchinger Familienglieder<br />

der künstlichen Namensform anglichen, wobei übrigens<br />

das »von« bei Peter rätselhaft bleibt, denn von einer Versetzung<br />

in den Adelsstand scheint (vor 1600) nichts vorzuliegen.<br />

Die Ehefrau dieses Peter (wohl Sohn des Wendel Kunkel von<br />

1570) hieß Katharina Memlerin und stammte aus Pfullingen.<br />

Sie dürfte um 1590 als Witwe einen Metzger Michael von Ulm<br />

in die hiesige Wirtschaft zum Adler geheiratet haben, der aber<br />

samt seinen drei kleinen Kindern 1595/96 an Pocken bzw.<br />

Nervenfieber gestorben sei. Sie wird nämlich im Bericht 8 als<br />

Adlerwirtin bezeichnet. Tragischerweise verlor Katharina<br />

über diesen harten Schicksalsschlag völlig den Verstand. Sie<br />

erzählte allerlei Phantastereien und geriet bald in den Verdacht,<br />

eine Hexe zu sein. Um jene Zeit des grassierenden<br />

Hexenwahns war das eine höchst gefährliche Sache. Der<br />

KARL WERNER STEIM<br />

Haigerlocher Zeitungen 1880-1934 (IV)<br />

Wochenausgabe für Hohenzollern<br />

Nach der Vereinigung der Fürstentümer mit Preußen im<br />

Jahre 1850 ergaben sich Schwierigkeiten für den »Schwarzwälder<br />

Boten« im neuen preußischen Regierungsbezirk Sigmaringen.<br />

Das zur Niederhaltung der Presse bestimmte<br />

Stempelsteuergesetz wurde mit Wirkung vom 1. April 1853<br />

an auf Hohenzollern ausgedehnt. Brandecker fand einen<br />

Ausweg: er gab sofort eine besondere Wochenausgabe für<br />

Hohenzollern heraus, für die nur die Mindeststeuer zu<br />

entrichten war. Am 1. Juli 1874 wurde die Stempelsteuer und<br />

12<br />

Bericht schildert denn auch den Verlauf des gegen sie und<br />

andere durchgeführten Prozesses und über dessen trauriges<br />

Ende: Die beiden Melchingerinnen Agatha Huber u. Anna<br />

Burkhart, die Salmendinger Barbara Schmidin, Margarethe<br />

Kromerin, Barbara Emlerin (Emele) und Anna Felkin (Volk),<br />

sowie aus dem Amtsort Ringingen Anna Klinglerin und<br />

Barbara Schweizerin wurden in Trochtelfingen 1596 als<br />

angebliche Hexen hingerichtet und zum Schluß auch die<br />

Katharina Memlerin, dazu noch ein auswärtiger Schneidergeselle<br />

83.<br />

Th. Schön nennt als Söhne 1 des Peter Gockel und der<br />

Katharina M. den schon genannten protestantischen Balthasar<br />

Gockel (mit großer Nachkommenschaft auswärts), einen<br />

Andreas Gockel, der 1610 in Trochtelfingen ermordet<br />

wurde 9, einen Jakob G. in Ulm und den jüngeren Wirt Peter<br />

Gockel (oder Goggel) in Melchingen. Letzterer war laut<br />

Ehebuchs mit Ursula Beck verehelicht und starb (als letzter<br />

am Ort?) am 19. April 1636. Den am Eck des sog. Krebens<br />

stehenden »Adler« hatte 1727 ein Michael Vogel inne, doch<br />

ging die Wirtschaft Nr. 99 um 1900 ab. Nur das Wirtsschild<br />

blieb erhalten 10.<br />

1 Mitt. Hohz. 1899, 26-31.<br />

2 Melchinger Heimatbuch 1972, 79f. Siehe auch Hohz. JHefte 9<br />

(1941-49) 80-100.<br />

3 Hohenzoll. Zeitung, Hechingen, vom 3. Novb. 1971.<br />

4 Note 2, Seite 112 ff.<br />

5 Zeitschr. f. hohz. Geschichte 1966, 169.<br />

51 Hohz. Heimat 1964,50.<br />

6 Zoller<strong>heimat</strong> 1938, 91 (Türkensteuerliste des Amts Trochtelfingen<br />

von 1542) und Note 2.<br />

7 HJheft 1955, 110.<br />

8 Melchinger Heimatbuch 1972, 84-89.<br />

8a Zoller<strong>heimat</strong> 1937,21 f.<br />

9 Note 8, Seite 130.<br />

10 Ebenda S. 131.<br />

Cbertiboif «. äJioutmi, 13. ¡jnnnat 1919, jrjjl) 6 Uhr.<br />

Der »Schwarzwälder Bote«ist seit<br />

seiner Gründung im Jahre 1835 im<br />

Raum Haigerloch stark verbreitet.<br />

Diesen Zeitungskopf führte er im<br />

Jahre 1919.<br />

damit auch die Wochenausgabe aufgehoben 154.<br />

Dies waren aber nicht die einzigen Schwierigkeiten, mit<br />

denen der »Sahwarzwälder Bote« in preußischer Zeit in<br />

Hohenzollern zu kämpfen hatte. Im Jahre 1854 unternahm<br />

der Regierungspräsident in Sigmaringen auf Geheiß aus<br />

Berlin enorme Anstrengungen, die Zahl der Abonnenten des<br />

regierungstreuen und mit beträchtlichen Subventionen geförderten<br />

»Hohenz. Wochenblattes« zu vermehren 155. Gleichzeitig<br />

war es das Ziel, die Abonnentenzahl des »Schwarzwälder<br />

Boten« in Hohenzollern zu verringern. Dies betraf vor


allem den Raum Haigerloch, wo der »Schwarzwälder Bote«<br />

damals die stärkste Zeitung war. Ende 1856 wurde der<br />

Haigerlocher Oberamtmann aufgefordert, innerhalb von vier<br />

Wochen vertraulich mitzuteilen, wie er die Verbreitung des<br />

»Hohenz. Wochenblattes« im Oberamt gefördert habe 156.<br />

Auf Anmahnung ging dann die Antwort im Februar 1857 ein.<br />

Der Oberamtmann hatte die Bürgermeister informiert und<br />

empfohlen, dafür zu sorgen, daß die Zahl der Abonnenten in<br />

den einzelnen Orten vermehrt wird. Nicht unbedeutende<br />

Schwierigkeiten ergäben sich aber, da der »sehr populäre<br />

Schwarzwälder Bote« im hiesigen Bezirk verbreitet sei. In<br />

Gaststätten, wo überall das Wochenblatt aufliege, legten die<br />

Leute es wieder aus der Hand, »um den Schwarzwälder<br />

Boten zur Hand zu nehmen und denselben artig zu lesen« 157.<br />

Verbreitung rückläufig<br />

Dennoch war in den 50er Jahren des letzten Jahrhunderts die<br />

Verbreitung des »Schwarzwälder Boten« in Hohenzollern<br />

rückläufig. Während die Auflage dort am 1. Dezember 1865<br />

noch 803 betrug (Aufteilung auf die Oberämter: Haigerloch<br />

261, Sigmaringen 308, Hechingen 118, Gammertingen 116),<br />

lag sie im dritten Vierteljahr 1867 bei nur noch 488 Stück,<br />

(Haigerloch 243, Sigmaringen 97, Hechingen 81, Gammertingen<br />

51). An der Tatsache, daß der »Schwarzwälder Bote«<br />

»wohl das verbreitetste Blatt in den Hohenzollernschen<br />

Landen« war, änderte sich jedoch nichts 158.<br />

Interessant wäre es sicher, auf die Bismarck-feindliche Haltung<br />

des »Schwarzwälder Boten« einzugehen, doch bleibt<br />

hier nicht genug Platz dafür. 1865 wurden sogar mehrere<br />

Ausgaben der Zeitung vom Kreisgericht Sigmaringen<br />

beschlagnahmt und vernichtet wegen verschiedener Angriffe<br />

auf Bismarck. Brandecker fürchtete gar ein Verbot seines<br />

Blattes in Hohenzollern und entschuldigte sich beim preußischen<br />

Ministerium des Innern wegen einiger Artikel 159.<br />

Der »Schwarzwälder Bote«, der - im Gegensatz zu den<br />

<strong>hohenzollerische</strong>n Blättern - täglich erschien mit wöchentlich<br />

zweimalig beiliegendem »Unterhaltungsblatt« und der<br />

Monatsbeillage »Gemeinnützige Blätter«, hatte schließlich<br />

Ende 1872 in Hohenzollern wieder eine Auflage von 930<br />

Exemplaren 16°.<br />

Wirtschaftsfaktor für Hohenzollern<br />

Der »Schwarzwälder Bote« stellte für Hohenzollern einen<br />

bedeutenden Wirtschaftsfaktor dar. So äußerte sogar Staatsanwalt<br />

Evelt 1866, das Blatt werde »auch von den Gewerbetreibenden<br />

Hohenzollerns vielfach zu Inseraten benutzt und<br />

würde insofern (bei einem Verbot) vielleicht schmerzlich<br />

vermißt werden.« Am 10. November 1867 stellte er fest: Die<br />

Zeitung »ist in Hohenzollern gerade deshalb in den Händen<br />

fast aller Gewerbe- und Handelstreibenden, weil sie in Folge<br />

ihrer großen Verbreitung in Hohenzollern, Württemberg<br />

und Baden eine außerordentlich große Anzahl von Inseraten<br />

bringt. Es ist deshalb den Gewerbetreibenden Bedürfniß<br />

geworden« 161.<br />

Als sich mit dem Erscheinen der Hechinger Zentrums-<br />

Zeitung »Der Zoller« am Jahreswechsel 1872/73 die Leser in<br />

Hohenzollern und somit auch in Haigerloch zwischen den<br />

Parteiblättern der Liberalen, »Hohenz. Blätter«, und dem<br />

Zentrum, »Der Zoller«, entscheiden konnten, mag mancher<br />

Leser, der den politischen Hader verabscheute, den diese<br />

beiden Zeitungen ausgiebig ausbreiteten, beim »neutralen«<br />

»Schwarzwälder Boten« seine Zuflucht genommen haben.<br />

Diese Zeitung, so »Der Zoller« im Jahre 1902, »wird immer<br />

noch von vielen als unparteiisch angesehen. Diesen Anschein<br />

sucht er zu wahren, indem er seine Ansicht über Jesuiten,<br />

geistliche Schulaufsicht, Zentrum möglichst hinter die Worte<br />

anderer Zeitungen verbirgt« 162. »Der Zoller« stellte wieder-<br />

holt die Frage: »Gehört der Schwarzwälder Bote in ein<br />

katholisches Haus«? 163 Anlaß war die Berichterstattung dieser<br />

Zeitung über kirchenfeindliche Protestversammlungen in<br />

Baden. Dies, so der »Zoller«, »legt den Verdacht nahe, als ob<br />

der Schwarzwälder Bote eben auch kein Freund der katholischen<br />

Orden wäre« 164.<br />

1906 brachte die Oberndorfer Zeitung den Bericht eines<br />

<strong>hohenzollerische</strong>n Geistlichen, der »in schärfster Weise<br />

gegen die unglaubliche Bevormundung des <strong>hohenzollerische</strong>n<br />

Volkes durch die <strong>hohenzollerische</strong> Zentrumspartei und<br />

gegen ihren Kandidaten Amtsgerichtsrat Dr. Beizer in Sigmaringen«<br />

protestierte 165.<br />

Über die weitere Zeit sind bedeutende Einzelheiten über die<br />

Verbreitung des »Schwarzwälder Boten« im Raum Haigerloch<br />

nicht bekannt.<br />

»Hohenzollerische Blätter«•<br />

Als älteste <strong>hohenzollerische</strong> Zeitung sind die »Hohenz.<br />

Blätter« 166 anzusehen, die seit dem Jahre 1829 unter wechselnden<br />

Titeln in Hechingen erschienen 167. Ihre Geschichte<br />

wurde bereits verschiedentlich ausführlich dargestellt 168, so<br />

daß an dieser Stelle nicht näher darauf eingegangen zu werden<br />

braucht. Erlaubt seien einige - wenn auch spärliche - Hinweise<br />

über die Verbreitung usw. dieser Zeitung in Haigerloch,<br />

sowie sonstige interessante Nachrichten. Angebracht<br />

ist hier die Anmerkung, daß das »Wochenblatt für das<br />

Fürstenthum Hohenzollern-Sigmaringen« zwar schon seit<br />

dem Jahre 1809 erschien, daß es aber praktisch über den<br />

reinen Amtsblatt-Charakter kaum hinauskam 169.<br />

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Übergang der <strong>hohenzollerische</strong>n Fürstentümer an Preußen<br />

(1850) ist von einer Verbreitung der Zeitung im Oberamtsbezirk<br />

Haigerloch selbst nichts überliefert. Die preußische<br />

Regierung in Sigmaringen benutzte dann ab dem Jahre 1854<br />

die »Hohenz. Blätter« - durch grpßzügige Subventionen 170<br />

noch regierungsfreundlicher gestaltet - als »Hofzeitung«, die<br />

willfährig den jungen Preußen in Hohenzollern beizubringen<br />

versuchte, was sie zu wissen und zu glauben hatten. Andere<br />

Zeitungen, beispielsweise der »Schwarzwälder Bote«, wurden<br />

so gut es ging unterdrückt und behindert 171. Der Regierungspräsident<br />

in Sigmaringen unternahm massive Anstrengungen,<br />

den »Hohenz. Blättern« auch im Bezirk Haigerloch<br />

zu einer größeren Verbreitung zu verhelfen 172.<br />

»Hohenz. Blätter« in Haigerloch<br />

Im Jahre 1854, dem Beginn der Pressesubvention, war Kaufmann<br />

Th. Pfeiffer in Haigerloch Agent der Zeitung. Er nahm<br />

Bestellungen, Anzeigen usw. entgegen 173. Ende 1856 stellte<br />

die Regierung in Sigmaringen fest, daß das Blatt »außerhalb<br />

des Hechinger Oberamtes nur eine geringe Zahl von Abonnenten«<br />

174 habe. Der Oberamtmann in Haigerloch wurde<br />

nachdrücklich aufgefordert, mitzuteilen, »ob, was und mit<br />

welchem Erfolg er für die Förderung der Sache erreicht hat.«<br />

Dieser wies die Bürgermeister an, dafür zu sorgen, daß die<br />

Zahl der Abonnenten in den einzelnen Orten vermehrt werde<br />

und in den »Hohenz. Blättern« notwendige Insertionen<br />

vorzunehmen seien 175. Ein durchschlagender Erfolg scheint<br />

aber im Raum Haigerloch nicht eingetreten zu sein.<br />

Im August 1856 begann ein Fortsetzungsroman »Burg Haigerloch«<br />

176, der wohl das Interesse neuer Leser im Bezirk<br />

Haigerloch wecken sollte. Wie aus einer Honorarrechnung<br />

des Jahres 1858 hervorgeht, waren die redaktionellen Mitarbeiter-<br />

auch im Bezirk Haigerloch fast ausschließlich Lehrer.<br />

Der Regierungspräsident in Sigmaringen wollte schließlich<br />

1858 die Subvention des Blattes einstellen, da er keine Mittel<br />

habe und die wirtschaftliche Lage der Zeitung dies nicht mehr<br />

erforderte . Außerdem schrieb er dem Hechinger Oberamtmann:<br />

Zu den im größeren Publikum sehr gefühlten Mängeln<br />

des Blattes gehört es bis jetzt, daß es Neues fast niemals neu<br />

gibt, sondern sehr häufig Altes als neu bringt« 177.<br />

Weitere Subventionen<br />

Die »Hohenz. Blätter« erhielten von der preußischen Regierung<br />

weitere Subventionen 178. Im Jahre 1886 erklärte die<br />

Zeitung gegenüber dem Oberamt, es könne künftig die<br />

amtlichen Bekanntmachungen nicht mehr unentgeltlich aufnehmen.<br />

Der Regierungspräsident in Sigmaringen unterstützte<br />

dieses Gesuch in Berlin »auch aus politischen Gründen«.<br />

Es wurde dann eine jährliche Subvention von 250 Mark<br />

gewährt 179. Die Zeitung erklärte sich bereit, dafür auch<br />

Beiträge des Regierungspräsidenten, der Regierung, des<br />

Oberamts und anderer Personen und Behörden, die ihr zur<br />

Veröffentlichung zugehen, »an der von denselben zu<br />

(ii-fif)ciut in bft ÜBodjc<br />

Üi'oi iOint: am Siciiftng, 'iouucvftag<br />

mib Snmftag, iiiib toftet 21 tu.<br />

per Quartal eiufcfjficftlid) ber<br />

Stempelfteucr. £cr<br />

bezeichnenden Stelle aufzunehmen« 18c. Diese Zuschüsse<br />

wurden bis 1889 gewährt 181. Einen letzten (?) Zuschuß<br />

erhielten die »Hohenz. Blätter« im Jahre 1902 zur Anschaffung<br />

einer neuen Druckerei-Einrichtung in Höhe von 3000<br />

Mark 182. Diese ganzen Subventionen wurden natürlich teils<br />

bekannt und vom »Zoller« immer wieder aufgegriffen, von<br />

den »Hohenz. Blättern« und der Regierung in Sigmaringen<br />

jedoch stets ebenso einmütig dementiert 183.<br />

Organ der NSDAP<br />

Auch in diesem Jahrhundert nahm die Zeitung einen weiteren<br />

Aufschwung. Vom 1. Juli 1933 an wurde sie »Nationalsozialistische<br />

Landeszeitung«, alleiniges Organ der NSDAP und<br />

Amtsblatt für Hohenzollern. Vom gleichen Zeitpunkt an<br />

wurden die Bezieher der Zeitung »Wille« (Balingen) von den<br />

»Hohenz. Blättern« beliefert. Auch das Hakenkreuz prangte<br />

auf dem Blatt. Als Hauptschriftleiter zeichnete nun Rolf<br />

Johannsen, ein Sohn des Kreisleiters der NSDAP, verantwortlich.<br />

Der seitherige Schriftleiter Walter Sauter war nur<br />

noch für den Lokalteil und die Anzeigen verantwortlich 184.<br />

Weiteren beträchtlichen Zuwachs erhielt die Zeitung schließlich<br />

von März 1934 an mit der Übernahme der Abonnenten<br />

des »Haigerlocher Boten« 185. Als im Jahre 1936 der alten<br />

Zentrumszeitung »Der Zoller« in Hechingen dasselbe<br />

Schicksal blühte, wurden auch deren Bezieher von den<br />

»Hohenz. Blättern« beliefert 186.<br />

Trotz des großen Aufschwunges der Zeitung war sie in<br />

Zahlungsschwierigkeiten und schließlich 1930/31 in Konkurs<br />

geraten. Am 1. Februar 1931 übernahm Fritz Holzinger aus<br />

Stuttgart Druckerei und Verlag der »Hohenz. Blätter« 187.<br />

"Der Zoller«<br />

Mitten im <strong>hohenzollerische</strong>n Kulturkampf 188 - Ende 1872 -<br />

kam in Hechingen eine katholische Zeitung heraus. »Die<br />

Zeitung hat sich eine konsequente und entschiedene Verteidigung<br />

der katholisch-politischen Interessen zur Aufgabe<br />

gemacht und wird bei einer sorgfältig ausgewählten Unterhaltungslektüre<br />

- namentlich spannenden vaterländischen<br />

Novellen - alles bieten, was man von einer guten Lokalzeitung<br />

fordern kann 189. So wurde das Erscheinen angekündigt.<br />

Die Geschichte dieser Zeitung soll später einmal ausführlich<br />

dargestellt werden. Hier geht es wieder im wesentlichen um<br />

ihre Verbreitung im Raum Haigerloch.<br />

Michael Lehmann, Chorregent, besorgte die Redaktion,<br />

Romuald Sulger den Druck. Mit dem Erscheinen des »Zoller«<br />

begann ein Pressehader mit den liberalen »Hohenz.<br />

Blättern«, der nicht nur im Kulturkampf seltene Blüten<br />

hervorbrachte. Häufig wurden die Gerichte bemüht, es gab<br />

viele »Preßprozesse« 190. Schon nach einer Woche des<br />

Erscheinens brachte es der »Zoller« auf fast 1000 Abonnenten.<br />

Im Oktober 1873 gingen nach Haigerloch bereits 84<br />

Zeitungen 191. Die weitere Verbreitung ist nicht genau<br />

bekannt, doch war sie wohl stark. Auf das Verhältnis zur<br />

Haigerlocher Zentrumszeitung »Haigerlocher Bote« wurde<br />

bereits eingegangen 192.<br />

Rottet- 3«fcvatc<br />

werben aufgenommen<br />

linb bic Sfpaltige Olavmtmbicilo j»<br />

2 tv. bcvci)uct;<br />

Iiei 3Biebcvi)oIungcit mit cutfpi'cdjcubcm<br />

Sfabatt.<br />

Nr. 1. jp cd; in gen, ®onncr|tag', oen 2. Januar 1873.<br />

Am 2. Januar 1873 erschien in Hechingen die katholische Zeitung »Der Zoller« (Abb.). Bereits am 12. Dezember 1872 war ein Probeblatt<br />

herausgegeben worden.<br />

14


154 Feederle, a. a. O., S. 62<br />

155 Staatsarchiv Sigmaringen, Ho 13, Preuß. Regierung, Nr. 207 u.<br />

a. sowie Staatsarchiv Merseburg, Rep. 77, Tit. 935, Nr. 1<br />

156 Staatsarchiv Sigmaringen, Ho 202, Preuß. Oberamt Haigerloch,<br />

Nr. 245<br />

157 Siehe Anmerkung 156<br />

158 Staatsarchiv Sigmaringen, Ho 235 P, VIII, D, Nr. 59<br />

15' Feederle, a. a. O., S . 67<br />

160 »Hohenz. Blätter« Nr. 192 v. 19. 12. 1872<br />

161 Feederle, a. a. O., S.<br />

162 »Der Zoller« Nr. 21 v. 9. 2. 1902<br />

163 »Der Zoller« Nr. 194 v. 18. 12. 1902<br />

164 Siehe Anmerkung 163<br />

165 »Hohenz. Blätter« Nr. 20 v. 25. 1. 1906<br />

166 Hohenzollern erhielt somit im Vergleich zu den Nachbarländern<br />

relativ spät eine eigene Zeitung<br />

167 Zunächst erschienen unter dem Titel »Wochenblatt für das<br />

Fürstenthum Hohenzollern-Hechingen«<br />

168 Umfangreichste Darstellung: 100 Jahre Hohenzollerische Blätter<br />

1829 - 1929 (Jubiläumsausgabe). Siehe auch: Karl Werner Steim,<br />

Vor 150 Jahren erschien die erste Hechinger Zeitung. In: »Hohenz.<br />

Heimat«, 3/1979, S. 38 - 40<br />

Als erste echte Sigmaringer Zeitung ist »Der Donaubote« zu<br />

bezeichnen, der im Jahre 1867 erstmals erschienen ist.<br />

170 Siehe Anmerkung 155<br />

171 Siehe Anmerkung 155<br />

172 Siehe Anmerkung 155; Staatsarchiv Sigmaringen, Ho 202,<br />

Preuß. Oberamt Haigerloch, Nr. 245<br />

Buchbesprechungen<br />

Handbuch der historischen Stätten Baden-Württembergs<br />

2. Aufl. 1029 Seiten, Verlag Alfred Kröner-Stuttgart, 1980,<br />

mit 58 Mitarbeitern. Die um 173 Seiten erweiterte Ausgabe<br />

(43 DM) enthält einen geschichtlichen Uberblick über das<br />

Gebiet von Gerhard Taddey, dann alle geschichtlich wichtigen<br />

Stätten in alphabetischer Ordnung, neu aufgestellt nach<br />

der kürzlichen Gemeindezusammenlegung. Es folgen<br />

Stammtafeln der wichtigsten Herrschaftshäuser, grundlegende<br />

Literatur, Erläuterung geschichtlicher Fachausdrücke,<br />

ein ausführliches Orts- und Personenregister, samt Karten<br />

der behandelten elf Bezirke. Das Werk ist im Wesentlichen<br />

aufgebaut auf der von Max Miller 1965 begonnenen ersten<br />

Auflage. Doch ist vor allem die neue Gemeindezugehörigkeit<br />

wichtig, auch einzelne Ortsbeschreibungen erweitert und<br />

geändert, leider nicht alle. Dies fällt besonders bei den<br />

<strong>hohenzollerische</strong>n Orten auf. Es fehlt z. B. ein Hinweis auf<br />

die 12seitige Zusammenstellung im Anhang der »Hohenzollerischen<br />

Heimat« 1969 (mit Ergänzungen 1977, 45-46).<br />

Auch vermißt man den Aufsatz über Affelstetten (HH 1977,<br />

61), das unter Veringendorf erscheint mit dem verballhornten<br />

Verfassernamen des dortigen Heimatbuches F. Genitz, statt<br />

F. Gluitz. Bei der Burladinger Höhenburg ist kein Turmstumpf,<br />

sondern nur ein Steinhaufen übrig. Die Gammertinger<br />

Burgen Baldenstein, Hustneck, Reutenhaldenu. Wendelstein<br />

sucht man umsonst. Statt des Gauselfinger Hasenfratz<br />

hätte man lieber auf den dort zu suchenden Schirmberg<br />

hinweisen sollen. Unter Hechingen ist die Rede von einer St.<br />

Galler Missionskirche St. Luzen, von der die Geschichte<br />

nichts weiß, sondern Hinweise nach Chur: HH 1976,52. Daß<br />

die Melchinger Burg auf dem Pfaffenberg stehe dürfte ungenau<br />

sein, denn so weit reicht der letztere m. W. gar nicht. Der<br />

dortige Adel und wohl auch die Burg taucht in der Zwiefalter<br />

Chronik schon um 1090 auf, zusammen mit dem verwandten<br />

von Holnstein, beide Mitbesitzer der Pfarrkirche in M. Daß<br />

Neufra an der Fehla aus zwei geschichtlichen Teilen bestehe<br />

ist unbewiesen. Das dortige späte Schlößlein im Dorf befindet<br />

sich seit 1974 in Privathand. Die bekannte Doppelburg,<br />

heute Ruinen, ist Stammsitz derer von Lichtenstein. Der erste<br />

Vertreter war um 1182 Gebhard v. L. als Vasall des Grafen<br />

Heinrich von Ronsberg, Schwiegersohn des letzten Gam-<br />

173 »Hohenz. Wochenblatt für das Fürstenthum Hohenzollern-<br />

Hechingen« Nr. 24 v. 22. 9. 1854<br />

174 Staatsarchiv Sigmaringen, Ho 202, Preuß. Oberamt Haigerloch,<br />

Nr. 245<br />

175 Siehe Anmerkung 155 und 174<br />

176 »Hohenz. Wochenblatt« Nr. 92 v. 13. 8. 1856 ff.<br />

177 Staatsarchiv Sigmaringen, Ho 13, Nr. 207<br />

178 Uber die Subventionierung ist eine eigene Arbeit geplant<br />

17' Staatsarchiv Sigmaringen, Ho 235 P, VIII, D, Nr. 62 u. a.<br />

180 Staatsarchiv Sigmaringen, Ho 13, Nr. 207<br />

181 Staatsarchiv Sigmaringen, Ho 235 P, VIII, D, Nr. 62<br />

182 Siehe Anmerkungen 155 und 181<br />

183 Z. B. »Der Zoller« Nr. 120 v. 16. 10. 1873, Nr. 20 v. 16. 2. 1875,<br />

Nr. 25v. 27. 2.1875, Nr. 26v. 1. 2. 1908; »Hohenz. Blätter«Nr.<br />

42 v. 22. 2. 1870, Nr. 27v. 18. 2. 1875, Nr. 15 v. 20. 1. 1908 u. a.<br />

184 »Der Zoller« Nr. 149 v. 3. 7. 1933<br />

185 Siehe Anmerkung 130<br />

186 Siehe Abschnitte »Der Zoller«<br />

187 »Der Zoller Nr. 27 v. 3. 2. 1931; »Der Zoller« Nr. 24 v. 30. 1.<br />

1931<br />

188 Literaturauswahl: Adolf Rösch, Der Kulturkampf in Hohenzollern.<br />

Freiburger Diözesanarchiv 43 (1915) 1 - 128; Johann<br />

Nepomuk Wetzel, Geschichte der Kath. Kirche in Schwaben-<br />

Hohenzollern. Teil 2. Bühl, Buchdruckerei Unitas 1931<br />

18' »Hohenz. Blätter« Nr. 185v. 7. 12. 1872; Probeblatt vom 12. 12.<br />

1872<br />

1.0 Dieses Thema soll Gegenstand eines eigenen Beitrags werden.<br />

1.1 »Der Zoller« Nr. 120 v. 16. 10. 1873<br />

1.2 Siehe Abschnitte »Haigerlocher Bote«<br />

(Fortsetzung folgt)<br />

mertinger Grafen, die 1150/60 ausstarben. Von Neufra aus<br />

entstanden die »3 Filialen« ob Hönau, Neckarhausen und L.<br />

in Neidlingen (HH 1973,36). Das gleiche Wappen der Lichtensteiner<br />

mit den Melchingern und Hölnsteinern dürfte auf<br />

die gleiche Familie deuten, während um 1120 noch ein<br />

Landold von Nufiron (Neufra) mit Besitz im nahen Gauselfingen<br />

genannt ist, der u. U. zum gleichen Stamm gehörte.<br />

Somit dürfte der Lichtenstein zwischen 1120 und 1182 entstanden,<br />

der Ursitz aber Melchingen gewesen sein? Als<br />

Gründer des Lichtensteins ob Hönau darf wohl Ludwig v. L.<br />

um 1250 gelten. Über die Vorgänger in Neckarhausen ist in<br />

HH 1973,12 berichtet.<br />

Von den im 15. Jh. in Ringingen-Hölnstein-Straßberg ansässigen<br />

Schwelher sind nur ältere Vertreter in Tachenhausen<br />

und Wielandstein erwähnt. Die Salmendinger Kornbühlkapelle<br />

sei 1507 von Veronika von Neuneck gestiftet, doch<br />

wollte sie damals in die bereits bestehende Kapelle eine<br />

Stiftung machen? (Schon irrig in der 1. Auflage.) Warum läßt<br />

man »der Haid» bei Trochtelfingen nicht ihren altmundartlichen<br />

Namen (ohne Schluß-E)? Unter Boll ist auf die ehemalige<br />

Burg Stauffenberg mit Bezug auf G. Wunders Stauffenbergbuch<br />

von 1972 (irrig 1977) hingewiesen, jetzt unter<br />

Hechingen aufgeführt. G. Wunder behandelt die spätere<br />

Stauffenberg-Burg bei Rangendingen, zitiert aber die grundlegende<br />

kl. Stettener Urkunde Nr. 132 vom J. 1343 nur<br />

unvollständig. Er vergißt den Brühl der zu Stauffenberg unter<br />

dem Hörnlin liegt. Er kennt also weder die Ausführungen in<br />

HH 1964,46, noch nach Erscheinen seines großen Stauffenberg-Werkes<br />

die in der Hohenzollerischen Zeitung (16. 1. 73)<br />

und im Schwarzwälder Boten (14. 2. 73) lautgewordenen<br />

Stimmen. Diese weisen auf den 1435 erwähnten Burgstall auf<br />

dem Wessinger Hörnle (später Hornrain) und den naheliegenden<br />

Brielhof, also alten Brühl, (HohzJHeft 1954,161).<br />

Der Brühl, nicht die Burg, lag unter dem Hörnlin! Der Name<br />

Stauffenberg wanderte mit der Familie von der Nähe des<br />

Zollers (wie auch Wunder annimmt) in die Nähe von Rangendingen:<br />

Stauffenburger Hof, mit schwachen Resten einer<br />

Burg darüber.<br />

Vom Kloster Stetten sind nicht einmal die Urkundenregesten<br />

15


Verlag: <strong>Hohenzollerischer</strong> Geschichtsverein<br />

Karlstraße 3, 7480 Sigmaringen<br />

W <strong>3828</strong> FX<br />

Postvertriebsstück. Gebühr bezahlt.<br />

erwähnt, die im Hohz.JHeft 1955-57 erschienen. Was nicht<strong>hohenzollerische</strong><br />

Ortlichkeiten angeht, so ist bei Erpfingen<br />

der sechseckige Turmrest der Burg (Schnatren!) angemerkt,<br />

der ehemalige Sitz der Herren von Salmendingen. Ein ärgerlicher<br />

Druckfehler blieb aus der 1. Auflage bei Schenkenzell<br />

stehen: »Ein Hofpincerna de Celle«, statt »H(ermannus)pincerna<br />

(Schenk)«: Hz.Jheft 1954,161.<br />

Endlich sei noch das Ergebnis heraldischer Forschung<br />

betreffs Burg und Dorf Hausen im (Donau-)7a/ aus HH<br />

1973,3 wiederholt: Die Burg war als Lehen an Vasallen<br />

ausgegebenes Eigentum des Grafen Rudolf von Pfullendorf-<br />

Ramsberg, kam um 1180 an Friedrich Barbarossa durch<br />

Vermächtnis, vererbte sich an Friedrich II, der »das Dorf<br />

samt darüberstehender Burg Hausen« an die Gebrüder von<br />

Ramsberg ums Jahr 1215 verkaufte. Diese und ihre Nachkommen<br />

änderten die Farbe ihres angestammten Wappens (in<br />

gelbem Feld ein schwarzer Ram oder Widder auf Dreiberg)<br />

um in einen »roten Widder ohne Dreiberg«, und nannten sich<br />

bis zu ihrem Aussterben 1648 (in Preußen 1818)»von Hausen«.<br />

Das Handbuch weiß davon nichts. J. A. Kraus<br />

Aus der Geschichte des Haidenhofes<br />

Der Haidenhof, zur Gemeinde Dießen gehörend, war bisher<br />

in der <strong>hohenzollerische</strong>n Literatur fast unbekannt. Nur bei<br />

Hodler, Geschichte des Oberamtes Haigerloch (Bild) und im<br />

Heimatbuch von Dr. Bruno Stehle wird der Haidenhof kurz<br />

erwähnt. Ministerialrat a. D. Eugen Kreidler stammt vom<br />

Haidenhof. Er hat sich die Mühe gemacht, alle Urkunden<br />

HE RUN/FTAU/^t? •'VüUU:' i N 1? ClCi^OiS<br />

1213<br />

7E KCl^H^.INZ<br />

AM TSR AT<br />

KARLS"! iASSE. 18<br />

7 4 8 0 SIGMAR IN GEN 1<br />

und sonstigen Unterlagen zur Geschichte des kleinen Weilers<br />

aufzuspüren.<br />

Der Hof wird erstmals 1529 urkundlich erwähnt; er war<br />

damals in Besitz der Herren von Ehingen. Über die Herren<br />

von Wernau in die Schenken von Stauffenberg kam der Hof<br />

mit dem Ort Dießen 1708 an das Kloster Muri. 1803 wurde<br />

der Haidenhof Domäne der Fürsten von Hohenzollern-<br />

Sigmaringen. Diese verkauften die Domäne 1842 an einige<br />

Bürger von Dießen. Die Käufer bauten im Bereich der<br />

ehemaligen Domäne einige Häuser, so daß aus dem Hof ein<br />

kleiner Weiler wurde. Da einige Käufer zahlungsunfähig<br />

wurden, erwarb die fürstliche Hofkammer einen Teil der<br />

Domäne zurück (1852). Der Besitz wurde 1861 gegen den<br />

Noll'schen Hof in Hedingen bei Sigmaringen vertauscht.<br />

1889 kaufte Martin Kreidler, der Großvater des Verfassers<br />

den Haidenhof, welcher bis heute in Besitz der Familie<br />

Kreidler geblieben ist. In zwei Bänden bringt der Verfasser<br />

alle Regesten, Urkunden und Akten, welche sich auf den<br />

Haidenhof beziehen. Schwierigkeiten und Streitigkeiten gab<br />

es vor allem mit der Wasserversorgung. Der Verfasser geht<br />

auch auf die landwirtschaftlichen Verhältnisse in alter Zeit<br />

und deren Wandlungen in der Neuzeit ein. Seit dem 1.1. 1973<br />

ist der Haidenhof zusammen mit Dießen in die Stadt Horb<br />

eingemeindet.<br />

Exemplare dieser Arbeit können in beschränkter Anzahl<br />

beim Verfasser zum Preis von 25.- DM bezogen werden.<br />

Anschrift: Dipl.-Ing. Eugen Kreidler, Ministerialrat a. D.<br />

Eduard-Pfeiffer-Straße 19, 7000 Stuttgart 1.<br />

Register 1980 Seite Seite<br />

Bantle, Hermann Anton, Kunstmaler 13 Hechingen: Synagoge (Bild) 17<br />

Bande, Hermann Anton, Kunstmaler, Nachtrag 32 Hettingen: Köhlerhütte (Bild) 1<br />

Christianisierung der Vornamen in der Grafschaft Zollern 34 Hinterglasgemälde 56<br />

Ettisweiler, Hundert Jahre St. Georgskapelle 39 Hirschacker 58<br />

Familiennamen: Ebinger Hospach 10 Rangendingen: Aus der Vielfalt heimischer Mundart 12<br />

Pflumm 11 Reisebeschreibung nach Nordamerika 1853 40<br />

Schuler in der Grafschaft Zollern 6 Ringingen: Ein altes Haus verschwand 12<br />

Flurnamen: Falltor und Kreben 5 Sigmaringen, Baugeschichte des Prinzenbaus 54<br />

Haigerlocher Zeitungen 1880 - 19341 26 Sigmaringen: Prinzenbau (Bild) 33<br />

Haigerlocher Zeitungen 1880 -1934 II 46 Sigmaringen, 125 Jahre Studienheim St. Fidelis 58<br />

Haigerlocher Zeitungen 1880 - 1934 III 59 Sigmaringen und die Sigmaringer, Erinnerungen 2<br />

Hechingen, Geschichte der israelischen Volksschule I 21 Stein: Ausgrabungen in der römischen Gutsanlage 49<br />

Hechingen, Geschichte der israelischen Volksschule II 44 Trochtelfinger Amtle, Franzosensamstag 56<br />

Hechingen: Israeliten in Hechingen 18 Unkrautpflege 58<br />

Hechingen, 50 Jahre Schloßbergschule 3 Zollernburg-Pfarrei: eine Fehlplanung 31<br />

HOHENZOLLERISCHE HEIMAT<br />

hrsggbn. vom Hohenz. Geschichtsverein.<br />

Die Zeitschrift »Hohenzollerische Heimat«<br />

ist eine <strong>heimat</strong>kundliche Zeitschrift. Sie will<br />

besonders die Bevölkerung in Hohenzollern<br />

und der angrenzenden Landesteile mit der<br />

Geschichte ihrer Heimat vertraut machen. Sie<br />

bringt neben fachhistorischen auch populär<br />

gehaltene Beiträge.<br />

Bezugspreis: 6,00 DM jährlich.<br />

Konten der »Hohenzollerischen Heimat«:<br />

802507 Hohenz. Landesbank Sigmaringen<br />

12363-707 Postscheckamt Stuttgart<br />

Druck: M. Liehners Hofbuchdruckerei KG,<br />

7480 Sigmaringen, Karlstraße 10.<br />

16<br />

Die Autoren dieser Nummer sind:<br />

Dr. Egon Gersbach<br />

Institut für Vor- und Frühgeschichte<br />

Schloß, 7400 Tübingen<br />

Bernhard Gondorf<br />

Martinsufer 1-3 W 152, 5500 Trier<br />

Pfr. Johann Adam Kraus<br />

Badstraße 8, 7800 Freiburg<br />

Christian Schwarz<br />

Realschulrektor<br />

Lerchenstraße 62, 7240 Horb<br />

Karl Werner Steim<br />

Tiefental 17, 7453 Burladingen 1<br />

Schriftleitung:<br />

Dr. med. Herbert Burkarth,<br />

7487 Gammertingen (Telefon 07574/2329)<br />

Die mit Namen versehenen Artikel geben die<br />

persönliche Meinung der Verfasser wieder;<br />

diese zeichnen für den Inhalt der Beiträge<br />

verantwortlich. Mitteilungen der Schriftleitung<br />

sind als solche gekennzeichnet.<br />

Manuskripte und Besprechungsexemplare<br />

werden an die Adresse des Schriftleiters erbeten.<br />

Wir bitten unsere Leser, die »Hohenzollerische<br />

Heimat« weiter zu empfehlen.


HOHENZOLLERISCHE<br />

HEIMAT<br />

Herausgegeben vom<br />

W <strong>3828</strong> FX<br />

Hohenzollerischen Geschichtsverein<br />

31. Jahrgang Nr. 2/Juni 1981<br />

w<br />

Repro: H. Burkarth<br />

Burgruine Veringen mit der St. Nikolauskapelle und dem Haus der Burghut<br />

Ausschnitt aus dem Handwerksbrief der Stadt Veringen,<br />

welcher in den ersten Jahren des 19. Jahrhunderts in<br />

Gebrauch war. Der Stich geht ohne Zweifel auf eine Vorlage<br />

aus dem 18. Jahrhundert zurück (ca. 1780). Links das obere<br />

Tor, das Hagentor. Es gehörte ursprünglich zur Burg, wurde<br />

aber nach deren Zerfall (etwa seit der Mitte des 14. Jahrhunderts)<br />

in die Stadtbefestigung einbezogen. Der Bergfried war<br />

im 18. Jahrhundert noch besser erhalten, wenn nicht der<br />

Zeichner von sich aus ein wenig restauriert hat. Davor das<br />

Peterskirchle, welches schon im Habsburger Urbar erwähnt<br />

wird, einziger, bis heute intakter Teil der mittelalterlichen<br />

Burg Veringen.<br />

Im Mittelpunkt des Bildes die Nikolauskapelle, deren Turm<br />

teilweise 1862 in der neuen Stadtkirche verbaut wurde. Der<br />

auf dem Bild sichtbare Bau wurde 1316 eingeweiht. Um die<br />

Kirche ein Friedhof. Ein größerer Friedhof befand sich aber<br />

damals schon bei der Deutstetter Kirche, welche 1751 neu<br />

gebaut wurde. Rechts neben dem Friedhof, das Haus der<br />

Burghut, auch Hairahof genannt. 1313 wird ein »Burckhuota<br />

Otto de Reynghartzwille in Castro Veringen« genannt, der<br />

sicher seinen Sitz noch in der Burg hatte. 1349 kaufte Ulrich<br />

von Regnoszwiller ein Haus bei der St. Nikolauskapelle.<br />

1422 bis 1429 verkauften die Herren von Regnoszwiller ihren<br />

Besitz in Veringen, teils an die Grafen von Werdenberg, teils<br />

an Ritter Hans von Rechberg, dem damals auch Gammertingen-Hettingen<br />

gehörte. 1560 erwarb der kaiserliche Rat Dr.<br />

Reichlin von Meldeck, Hohenz. Obervogt von Sigmaringen<br />

und Veringen, das völlig verwahrloste Haus. Mit großen<br />

Kosten baute er ein größeres und schöneres Haus, das 1564<br />

als Adelshaus anerkannt wurde. Im gleichen Jahr zog Dr.<br />

Reichlin nach Überlingen und verkaufte den neuen »Hairahof«<br />

an die Stadt Veringen. Von der Stadt erwarb Georg von<br />

Rechberg das Haus. 1590 ging es in den Besitz des Grafen<br />

Karl von Hohenzollern-Sigmaringen über.<br />

Dieses »Schloß« zu Veringen und nicht die alte Burg wurde<br />

1633 von den Schweden verdorben (nicht zerstört). 1717<br />

verkaufte die fürstliche Verwaltung den ganzen »Hairahof«<br />

an den Hirschwirt von Veringen. Am Ende des 1 8. Jahrhunderts<br />

stand, wie wir auf dem Bild sehen, das Haus noch.<br />

Wann das Gebäude abgebrochen wurde, ist nicht bekannt.<br />

Auf dem Gelände wurde später das Schulhaus gebaut. B.


WILHELM BURTH<br />

Noch einmal: Zur Christianisierung der Vornamen in der Grafschaft Zollern<br />

Eine Entgegnung<br />

1. Einleitung<br />

In der Nr. 3, Jahrgang 30 (September 1980), dieser Zeitschrift<br />

hat sich Casimir Bumiller eingehend mit dem obengenannten<br />

Thema befaßt. Dieses Bemühen ist zweifellos dankenswert,<br />

einmal schon wegen des geleisteten Aufwands an Zeit und<br />

Mühe bei der Erhebung und Auswertung des umfangreichen<br />

und detaillierten Rohmaterials, zum andern wegen der daraus<br />

zu erwartenden gesellschafts- und religionsgeschichtlichen<br />

Erkenntnisse. Um so bedauerlicher ist es, daß nicht nur einige<br />

Randbemerkungen des Autors einer sachlichen Richtigstellung<br />

bedürfen, sondern daß sich auch die angewandten<br />

Methoden, die Interpretationen und Schlußfolgerungen bei<br />

etwas kritischer Betrachtung in wesentlichen Punkten als<br />

unhaltbar erweisen. Eine Entgegnung ist deshalb geboten.<br />

Dabei kann es nicht darum gehen, - das sei einleitend<br />

betont -, die katholische Heiligen-(und Reliquien-)Verehrung<br />

dogmatisch zu rechtfertigen, obwohl Bumiller auch<br />

Begriffe wie »unheilig« und »heidnisch« verwendet. Der<br />

verfügbare Raum gestattet auch nicht, dem enggeführten<br />

Verständnis Bumillers für diese Kultformen eine etwas<br />

umfassendere und historisch fundierte Darstellung ihrer<br />

Wurzeln und Entwicklungen gegenüberzustellen, obwohl<br />

Bumiller darüber weitgehende Wert- bzw. Unwerturteile<br />

formuliert. Es geht hier einzig darum, mit einwandfreien<br />

Methoden der Geschichtsforschung festzustellen, was<br />

damals und dort tatsächlich gewesen ist. Zuvor wären aber<br />

einige Begriffe zu klären und die Aussagekraft der benützten<br />

Quellen, für deren Aufzählung ich auf Bumillers Arbeit<br />

verweisen darf, zu prüfen.<br />

2. Was sind »christliche« Vornamen?<br />

Die Gegenüberstellung der Begriffe »germanisch« und<br />

»christlich« scheint zwar auf den ersten Blick plausibel und<br />

problemlos. Genau besehen stellen sie aber keine Alternative<br />

dar; sie gehören verschiedenen Kategorien an und schließen<br />

sich deswegen nicht aus. »Germanisch« ist ein sprachgeschichtlicher,<br />

»christlich« ein geistesgeschichtlicher Begriff.<br />

Das zeigt schon die Feststellung, daß z. B. ein griechischer<br />

Nikolaus oder ein lateinischer Martinus erst nachträglich sich<br />

mit christlichen Bedeutungsgehalten aufgeladen haben, eben<br />

zu Heiligennamen geworden sind. Nun ist aber Bumillers<br />

Beweisanliegen ganz überwiegend religionsgeschichtlich ausgerichtet.<br />

Dann dürften aber die »getauften« Vornamen<br />

germanischer Abstammung nicht von vornherein beiseite<br />

gelassen werden, sie müßten als »christliche Vornamen« in<br />

Rechnung gestellt werden.<br />

Daß eine Bereitschaft zu christlicher Namengebung schon<br />

vor 1200 vorhanden gewesen sein muß, beweist der »Tabellenplatz«<br />

der Vornamen Johannes (mit all seinen Kurz- und<br />

Nebenformen) und Anna. Dabei ersetzt zweifellos der<br />

erstere den verständlicherweise unantastbaren Namen Jesus,<br />

der letztere vertritt den Namen seiner Mutter Maria, der noch<br />

lange aus Ehrfurcht ausgespart wurde.<br />

Ein starker Verdacht auf Bedeutungswandel besteht in all den<br />

Fällen, in denen Träger und Trägerinnen germanischer<br />

Namen schon geraume Zeit eine allgemein verbreitete Verehrung<br />

gefunden hatten oder gar feierlich heiliggesprochen<br />

worden waren. Dies trifft nun aber gerade auf die Namen zu,<br />

die an Beliebtheit unmittelbar auf die Spitzenreiter Hans und<br />

Anna folgen. Hier zeichnen sich deutlich aus einerseits<br />

Heinrich und Konrad (Hinz und Kunz), andererseits Adelheid,<br />

Mechtild und Luitgard. Um sie wenigsten zeitlich<br />

18<br />

einzuordnen, seien hier nur die Hauptdaten genannt, über<br />

Ausmaß und Ursache ihrer Verehrung gibt jedes theologische<br />

Lexikon genügende Auskunft. Kaiser Heinrich II. (f 1024,<br />

heiliggespr. 1146); Konrad, Bischof von Konstanz und<br />

Patron dieser alemannisch-schwäbischen Großdiözese (f<br />

975, heiliggespr. 1123); die hl. Kaiserin Adelheid (f 999); die<br />

Mystikerinnen Mechtild v. Magdeburg (f 1283) und Mechtild<br />

v. Hackeborn (f 1299) und endlich Luitgard v. Tongern<br />

(| 1246). Ihr Leben, ihre Verehrung und, soweit erfolgt, ihre<br />

Kanonisation liegen nahe genug, um werbekräftig zu sein und<br />

weit genug, um sich in der Namensgebung auszuwirken.<br />

Dabei wäre zu bedenken, daß Namenspatenschaften auch<br />

schon zu Lebzeiten einer bedeutenden Persönlichkeit möglich<br />

sind, wie die neuere Geschichte zur Genüge beweist;<br />

Beispiele zu nennen erübrigt sich wohl.<br />

Der Namensforscher E. Schwarz 1 will zwar Heinrich und<br />

Konrad nicht als Heiligennamen gelten lassen und wendet<br />

dagegen ein, daß sie eben von einer Reihe deutscher Kaiser<br />

und Könige geführt wurden und dadurch populär geworden<br />

seien. Dann erhebt sich die Gegenfrage, warum der Name<br />

Friedrich der großen Stauferkaiser sich nicht einer gleichen<br />

Beliebtheit erfreute. Seine Rolle als Leitname bei den Zollern-<br />

Grafen wird auf die Staufer zurückzuführen sein, aber beim<br />

»gemeinen Mann« tritt er nur sporadisch auf, in Bumillers<br />

Tabellen der beliebtesten Namen erscheint er überhaupt<br />

nicht, und dies im Herzland Schwabens!<br />

So gut wie sicher ist der christliche Bedeutungsgehalt des<br />

schon 1292 in den Stettener Klosterurkunden 2 genannten<br />

Namens Tilia. Dahinter steht die hl. Odilia (f 720), deren<br />

Lebensbeschreibung aus dem 10. Jahrhundert stammt und<br />

deren Verehrung schon früh in ganz Süddeutschland verbreitet<br />

war. Ganz eindeutig als Heiligenname gemeint und<br />

deswegen als christlicher Name zu werten ist der Name<br />

Walburga, der in der Tabelle 5 bei Bumiller in allen vier dort<br />

erwähnten Orten mehrfach auftritt. Er wurde zum Taufnamen<br />

durch die beliebte Wallfahrt zum Grab der Heiligen in<br />

Eichstätt und durch das noch bis in die neueste Zeit<br />

geschätzte Walburgisöl. Den ersten Namen nennt Bumiller<br />

überhaupt nicht, weil er ihn, philologisch richtig, aber<br />

semantisch unzutreffend, als germanisch behandelt hat, den<br />

zweiten bezeichnet er durch die Drucktype als germanisch.<br />

Beide Fälle zeigen in aller Deutlichkeit die Problematik einer<br />

Vermischung von philologischen und religionsgeschichtlichen<br />

Kriterien. Jeder religionsgeschichtlichen Wertung<br />

müßte die Frage vorangehen: »Wie war ein bestimmter Name<br />

von den Gebern gemeint?« Im Einzelfall ist dies natürlich<br />

überhaupt nicht zu eruieren, aufs ganze gesehen bringt die<br />

Frage naturgemäß eine tiefgreifende Unsicherheit in die<br />

Statistik, die auf die Interpretation durchschlagen muß. Das<br />

entbindet aber keineswegs davon, sie zu sehen, sondern<br />

nötigt zu um so behutsamerer Schlußfolgerung. Womit wir<br />

schon mitten in der' zweiten Vorfrage stehen.<br />

3. Was können die benützten Quellen überhaupt aussagen?<br />

Lagerbücher (Beraine, Urbare), Zinsrodel usw. sagen von<br />

sich aus in unserem Zusammenhang lediglich, wer zu einem<br />

bestimmten Zeitpunkt wo wie geheißen hat, über das Warum<br />

geben sie keinerlei Auskunft. Um ihnen nicht eine vorgefertigte<br />

Antwort in den Mund zu legen, müssen sachverwandte<br />

anderweitige Quellen zu Hilfe gerufen werden, sofern man<br />

sich nicht auf numerische Kenntnisnahme beschränken will.<br />

Packt man den Prozeß aber von der geistesgeschichtlichen<br />

Seite her an, muß man sich auch auf diesem Gebiet nach


Dolmetschern umsehen. Bumiller macht dazu wenigstens<br />

einen Ansatz, wenn er einige Gruppen von urtümlichen<br />

Namen zitiert, die im Lauf des Hochmittelalters spurlos<br />

verschwinden 3. Ebenso ist ihm aufgefallen, daß die »germanische<br />

Namensvielfalt des frühen Mittelalters verschwunden<br />

ist«. Und dies, obwohl es kein kirchliches Verbot germanischer<br />

Namen gab. Dazu paßt vollkommen, was E. Schwarz<br />

von den heimischen Vornamen sagt: »Diese bröckeln schon<br />

vorher (vor dem Auftreten der Heiligennamen - d. Verf.) ab.<br />

Schon seit 800 erlischt ihre Produktionskraft, im 12. Jahrhundert<br />

wird der Schrumpfungsprozeß deutlich 4«. Läge es da<br />

nicht nahe, sich daran zu erinnern, daß um das genannte Jahr<br />

die Missionierung der zum Frankenreich gehörenden<br />

Stämme abgeschlossen war. Mit der fortschreitenden inneren<br />

Christianiserung mußten doch die den germanischen Namen<br />

ursprünglich eigenen Leitwerte an werbender und schöpferischer<br />

Kraft verlieren, wodurch automatisch ein Vakuum<br />

entstand, das nach Auffüllung durch neue, stärkere Wertvorstellungen<br />

rief. Dieser Prozeß setzte zweifellos lange vordem<br />

13. Jahrhundert ein, wenn er auch noch Jahrhunderte<br />

brauchte bis zur »Durchsäuerung«. Auf die Hilfestellung<br />

durch die Pest war er nicht angewiesen. Unglücklicherweise<br />

ist die Quellenlage des 11.-13. Jahrhunderts nicht rosig, aber<br />

das 14. hätte doch noch einiges geboten, wie z.B. die<br />

Patrozinienforschung, die Liturgiegeschichte, die Kunstgeschichte,<br />

vor allem aber die zeitgenössische Predigt- und<br />

Erbauungsliteratur. Man hätte sich auch an die Auswirkungen<br />

der Kreuzzüge und der Wallfahrten zu den Gräbern der<br />

frühchristlichen Märtyrer erinnern können. Vermutlich hätte<br />

sich bei all dem dann auch die Erkenntnis ergeben, daß die<br />

Welt der Heiligen für den mittelalterlichen Menschen doch<br />

etwas mehr war als nur eine Generalversicherung gegen<br />

Personen- und Sachschäden aller Art; sie bot auch Vorbilder<br />

für die christliche Lebensgestaltung, und für den ständisch<br />

denkenden Menschen dieser Zeit stellte sie eine überirdische<br />

Repräsentanz der irdischen Ordnungen dar (daher die<br />

Reichs-, Stadt-, Kirchen-, Zunft- und sonstigen Patronate).<br />

Die genannten Quellen insgesamt hätten ergeben, daß die<br />

sog. »triumphierende Kirche« dem damaligen Gläubigen<br />

wesentlich näher lag als uns heutigen. Sie blieb ihm gegenwärtig,<br />

ja buchstäblich greifbar in den Spuren ihres irdischen<br />

Lebens, den Reliquien, die Bumiller so leichthin als Fetische<br />

brandmarkt. Es ist die erste Aufgabe des Historikers, jede<br />

Zeit aus ihren Bedingungen zu verstehen und zu erklären,<br />

zugleich auch die an- und aufregendste.<br />

Danach ist es aber auch nicht mehr angängig, christliche<br />

Vornamen als »fremde Namen« zu bezeichnen. Fremd<br />

geworden dem Sinngehalt nach waren dem 14. Jahrhundert<br />

schon längst die germanischen Namen, wenn sie sich nicht an<br />

hervorragende Gestalten des staatlichen oder kirchlichen<br />

Lebens knüpften. In den Liturgielesungen und Predigten, bei<br />

der Erklärung der künstlerischen Ausstattung der Gotteshäuser,<br />

dieser »Armenbibel«, bei der Ankündigung der Feiertage<br />

klangen sie immer wieder auf. In voller Breite entfaltete sich<br />

das Spektrum in der sog. Allerheiligenlitanei, die in ihren<br />

Ursprüngen in die christliche Frühzeit zurückgeht und bis ins<br />

späte Mittelalter für die analphabetische Bevölkerung fast die<br />

einzige Möglichkeit einer aktiven und collektiven Beteiligung<br />

am Gottesdienst darstellte. Bumiller spricht von einer »freiwilligen«<br />

Öffnung für christliche Vornamen und setzt dabei<br />

das Wort »freiwillig« in Anführungszeichen. Dies kann nur<br />

den Sinn haben, einen gewissen Verdacht »in den Raum zu<br />

stellen«, ohne ihn zu präzisieren oder sogar zu begründen.<br />

Dies ist unfair und unwissenschaftlich.<br />

4. Speziell die Stettener Klosterurkunden (StKU)<br />

Die Urkunden aus dem Umfeld des Klosters Stetten 5 tragen<br />

das Hauptgewicht der Untersuchung Bumillers: Er gewinnt<br />

aus ihnen nicht nur eine Reihe soziologischer Beobachtungen,<br />

sondern macht von ihnen auch die ganze zweite, größere<br />

Hälfte seiner Arbeit abhängig. An die Problematik der<br />

strittigen Namen sei nur noch einmal erinnert. Dieser<br />

Abschnitt befaßt sich mit den Beobachtungen. Der die<br />

Zeittafel anführende Johannes von Schlatt 1296 ist weder ein<br />

möglicher noch mutmaßlicher Geistlicher, wie Bumiller<br />

andeuten will. Der Urkundentext enthält keinerlei Hinweis<br />

darauf, obwohl zwei mit ihm als Zeugen auftretende Männer<br />

ausdrücklich als Geistliche gekennzeichnet werden.<br />

Es trifft nicht zu, daß bei Geistlichen und Klosterfrauen eine<br />

unverhältnismäßige Häufigkeit christlicher Vornamen zu<br />

beobachten ist. Die 3-4 Kleriker namens Johannes nehmen<br />

sich ausgesprochen verloren aus unter ihren germanisch<br />

getauften Standesgenossen. Auch bei den Klosterfrauen sind<br />

christlich Getaufte gegenüber den Trägerinnen germanischer<br />

Vornamen deutlich in der Minderheit. (Dies würde sich<br />

allerdings ziemlich stark verschieben, wenn man Adelheid,<br />

Mechtild und Luitgard auf die »christliche« Seite überführt.)<br />

Es treten auch mehrfach leibliche Schwestern im Kloster auf,<br />

von denen die eine einen christlichen, die andere einen<br />

germanischen Namen trägt. Wie will man dann aus den StKU<br />

eine Art »Praedestinationspraxis« ableiten in dem Sinn, daß<br />

nachgeborene Kinder schon bei der Taufe durch einen christlichen<br />

Taufnamen für das Birett oder den Schleier abgestempelt<br />

wurden? Die Neigung und Praxis, solche Nachkommen<br />

mit Pfründen oder Klosterzellen zu versorgen, zu verrenten,<br />

ist bekannt. Eine schon am Taufstein wirksame Norm geben<br />

die StKU aber keinesfalls her.<br />

Weitere Beobachtungen Bumillers sind nur dadurch zu erklären,<br />

daß er eine charakteristische Eigenart der Klosterurkunden<br />

übersieht. Sie betreffen fast ausschließlich Stiftungen und<br />

Schenkungen zugunsten des Klosters oder einzelner Insassen.<br />

Solche Akte setzen voraus, daß die Aussteller das nötige<br />

Vermögen hatten und auch willens waren, davon etwas für<br />

diesen Zweck abzuzweigen. Darüber hinaus besagt es gar<br />

nichts, wenn die frühesten Belege für christliche Vornamen<br />

... »Angehörige des niederen Adels und der Ministerialität<br />

oder des städtischen Patriziats« betreffen. Diese Kreise<br />

hatten eben etwas zu stiften und einige daraus wollten dies<br />

auch; wie es bezüglich der Vornamen bei denen aussah, die<br />

entweder nichts zu stiften hatten oder nichts stiften wollten,<br />

obwohl sie etwas dazu gehabt hätten, läßt sich aus den StKU<br />

nicht ablesen. Die »Beobachtung« Bumillers fällt in sich<br />

zusammen.<br />

5. War es wirklich ein »Christianisierungsschub« ?<br />

An dieser Frage hängen zwar nicht »das Gesetz und die<br />

Propheten«, aber direkt oder indirekt die ganzen darauf<br />

folgenden Ausführungen Bumillers.<br />

Schon die Fixierung der Schub-Ursache auf 3-4 Jahre wirkt<br />

gewagt, da es sowohl vorher wie nachher Pest- (und andere)<br />

Katastrophen gegeben hat. Die Datierung verliert ihre scharfen<br />

Konturen. Doch ist das nicht das Entscheidende. Zwischen<br />

den Anfängen und dem Endstand der Christianisierung<br />

muß ja eine Entwicklung gelegen haben. Die Frage ist, ob sich<br />

von dieser kontinuierlichen Entwicklung eine plötzliche<br />

Beschleunigung so eklatant und dramatisch abhebt, ob sich<br />

die Wachstumskurve so drastisch anhebt, daß man von einem<br />

Schub sprechen kann und muß, der nur von einem außergewöhlichen<br />

Anstoß herrühren könnte. Davon ist aber in der<br />

Zeittafel zu den StKU beim besten Willen nichts zu sehen. Sie<br />

eignet sich auch gar nicht dazu, denn sie bietet einen von<br />

vielen Zufälligkeiten abhängigen Längsschnitt, der zudem<br />

von der schon erwähnten Charakteristik der zugrundeliegenden<br />

Quelle relativiert wird. So kann z.B. eine anderweitig<br />

bedingte enge Abfolge der Stiftungsurkunden eine Beschleunigung<br />

in der Namensgebung vortäuschen.<br />

19


Es ist auch ohne die moderne Mengenlehre einsichtig, daß ein<br />

echter Schub nur mittels wenigstens dreier einigermaßen<br />

repräsentativer Querschnitte durch die Gesamtbevölkerung<br />

nachzuweisen ist. Bumiller selbst fordert in einer anderen<br />

Arbeit solche synchrone Querschnitte 6, hier bietet er aber als<br />

einzigen nur den vom Jahr 1435 an. Man kann sich beim<br />

Weiterlesen des Eindrucks einfach nicht erwehren, daß hier<br />

mit einiger Gewalt Christianisierung und Schwarzer Tod auf<br />

den gemeinsamen Nenner »Angst« gebracht werden sollten.<br />

6. Die angeblichen und die wirklichen Ursachen<br />

der Christianisierung<br />

Man muß hier wenigstens zwei Kernsätze wörtlich zitieren:<br />

»Welches geschichtliche Ereignis könnte aber einen solchen<br />

>Christianisierungsschub< ausgelöst haben? Nichts anderes<br />

als der Schwarze Tod der Jahre 1348-1351 kommt hierfür in<br />

Frage«. Ob es christlich ist oder nicht, in solchen Situationen<br />

intensiver sich an Gott zu wenden, ist natürlich eine Glaubensfrage.<br />

Historisch gesehen, müßte aber dann doch wohl<br />

irgendwo der Name des klassischen Pestheiligen Sabastian<br />

auftauchen.<br />

Von ihm ist aber bei Bumiller weit und breit nichts zu sehen<br />

außer der Hechinger Sebastiansbruderschaft von 1513. Die<br />

schlichte Wahrheit ist doch, daß Bumiller keine andere<br />

Ursache kennt, weil er sich vermutlich gar nicht dafür<br />

interessiert hat. Andernfalls hätte ihm der Aufschwung echtreligiösen<br />

Lebens gerade im 14. Jahrhundert auffallen müssen,<br />

der von den neuen Bettelorden der Dominikaner und<br />

Franziskaner getragen war. Hier wirkten die berühmten<br />

Mystiker Meister Eckhart (ca. 1260-1324), Johannes Tauler<br />

(ca. 1300-1361) und Heinrich Seuse («"Konstanz 1295, fUlm<br />

1366). Ihre deutsch geschriebenen Bücher waren auch dem<br />

Nicht-Lateiner zugänglich und ihre Namen haben in der<br />

deutschen Geistesgeschichte heute noch einen guten Klang.<br />

Nun gehören diese drei alle demselben Orden an wie ausgerechnet<br />

das Kloster Stetten. Speziell der sei. Seuse bereiste ab<br />

1340 ganz Süddeutschland und predigte vor überfüllten<br />

Kirchen, wobei er als Stützpunkt vornehmlich Niederlassungen<br />

seines Ordens wählte. Dabei fand er sicher auch Stetten<br />

und die Stiftskanzel in Hechingen. Sein Thema war aber nicht<br />

die Angst, sondern die »Gottesminne«.<br />

Ausgesprochene Volksseelsorger waren die Franziskaner.<br />

Als solche waren sie gezwungen, sich der Fassungskraft der<br />

breiten Massen anzupassen und die abstrakten Forderungen<br />

christlicher Lebensgestaltung anschaulich zu machen, wozu<br />

sich nichts besser eignete als das Leben der Heiligen. Diese<br />

Seite ihres Wirkens ist in der Kirchengeschichte allgemein<br />

bekannt. Vom intensiven Wirken und Einfluß dieser beiden<br />

Orden gibt Arno Borst in seinem erst 1978 erschienenen<br />

Buch, Mönche am Bodensee, ein anschauliches und eindringliches<br />

Bild 7. Zwar erfaßt es nur den Bodenseeraum; aber die<br />

Grafschaft Zollern war ja kein Randgebiet des deutschen<br />

Südens, erst recht keine Einöde. Vor diesem Hintergrund<br />

nimmt sich das apodiktische »Nichts anderes« Bumillers<br />

einfach absurd aus.<br />

7. Zu Bumillers Polemik<br />

Damit könnte man eingentlich die Diskussion über das<br />

angezeigte Thema beenden. Leider holt nun aber Bumiller<br />

unter sachlicher und räumlicher Grenzüberschreitung seines<br />

Themas zu einem völlig unnötigen Rundschlag aus, der sich<br />

durch die durchweg negative Tendenz und den unsachlichen<br />

Stil als pure Polemik ausweist. Nach der bekannten Erfahrungsregel<br />

»Wer den Mund hält, ist offenbar einverstanden«<br />

besteht die Gefahr, daß ein stillschweigendes Ubergehen als<br />

Zustimmung verstanden würde. Man muß deshalb wohl oder<br />

übel darauf eingehen.<br />

20<br />

Es ist dort zunächst die Rede von einem »ungeheuren Wetteifer<br />

(mit wem eigentlich?) um die Gnade Gottes, die mitunter<br />

groteske und zweifelhafte Formen« annahm. Nun ist das<br />

Bemühen um die göttliche Gnade tatsächlich ein, wenn nicht<br />

das dem Christentum vom Stifter mitgegebene Ziel und der<br />

Sinn einer echten Christianisierung. Der Apostel Paulus ist<br />

sogar der Meinung, daß »das Heil unter Furcht und Zittern<br />

gewirkt« werden müsse (Phi 2, 12), und er dürfte von<br />

Christentum doch etwas verstanden haben. Wo die Grenzen<br />

zum Grotesken und Ungeheuerlichen verlaufen, hängt vermutlich<br />

nicht wenig vom individuellen religiösen Standpunkt<br />

ab. Da aber Bumiller keine konkreten Details nennt, ist keine<br />

Diskussion möglich. Die Prädikate verschieben sich vom<br />

Historischen aufs Weltanschauliche. Letzteres gilt auch weitgehend<br />

von den anschließenden Pauschalurteilen über die<br />

»heidnischen Elemente, Gebräuche und Vorstellungen«, mit<br />

denen man bei den Denkmustern bäuerlicher Frömmigkeit«<br />

rechnen müsse. Auch hier ist nicht zu ersehen, ob Bumiller<br />

dabei an untergründig verschleppte und wieder virulent<br />

gewordene vorchristliche Vorstellungen oder an Entartungsformen<br />

und Wucherungen un- oder mißverstandener christlicher<br />

Glaubensinhalte denkt, ob es sich also um Heidentum<br />

oder Aberglauben handelt. Daß es solche Erscheinungen<br />

gegeben hat, ist unbestreitbar 8. Die Kirche hat sich auf einem<br />

allgemeinen Konzil eingehend damit beschäftigt, schon vor<br />

mehr als 400 Jahren und mit einigem Erfolg, weil es ihr ja<br />

»nicht immer geheuer war« und »es ihr schadete«. Ausschließlich<br />

von der Pathologie her bekommt man aber einen<br />

Organismus als Ganzes nie in den Griff. Ganzheitlich gesehen<br />

kann man sogar den »magischen Fetischismus« des<br />

Reliquienkultes auch als Pietät auffassen, was allerdings dem<br />

symbolscheuen modernen Menschen schwerfallen mag.<br />

Prozessionen brauchte die Kirche nicht zu »erfinden«, sie<br />

konnte sie aus dem jüdischen Kult übernehmen. Zudem<br />

scheinen Auf- und Umzüge allgemeinmenschliche Verhaltensweisen<br />

von Kollektiven zu sein. Bumiller hat hier offenbar<br />

ausschließlich die Markus-Flurprozession im Auge, die<br />

tatsächlich auf die heidnisch-römischen Flurumgänge zu<br />

Ehren des Gottes Robigus zurückgeht. Die Entscheidung, ob<br />

die äußere, übernommene Form oder der neue innere Sinn<br />

das Wesen einer Sache ausmachen oder umgekehrt, ist nicht<br />

schwer zu treffen. Der christliche Sinn aller Prozessionen<br />

wird durch das vorangetragene Kreuz eindeutig deklariert.<br />

Die Vaterunserbitte um das tägliche Brot, die bekanntlich auf<br />

Christus selbst zurückgeht, wird bestimmt nicht dadurch<br />

heidnisch, daß man sie in Gemeinschaft und im Angesicht der<br />

vielfach bedrohten Getreidefelder Gott vorträgt. Mit einem<br />

schwindelerregenden Gedankensprung führt Bumiller dann<br />

»ganze Armeen von Heiligen« ins Feld. Als erste schweben<br />

ihm dabei die 1100 Jungfrauen der hl. Ursula vor. Der<br />

historische Kern dieser Legende wird nicht mehr bezweifelt,<br />

die inflationäre Zahl geht auf eine falsch entzifferte Inschrift<br />

und auf ein falsch verstandenens altrömisches Gräberfeld in<br />

der Nähe der Kölner Ursulakirche zurück; das ist wissenschaftlich<br />

ebenfalls nicht mehr kontrovers 9. Nicht nur »überschaubarer«<br />

sondern etwas schmalbrüstig marschiert Bumillers<br />

2. Armee der 14 Nothelfer auf. Weil es aber mit der<br />

Heerschau damit schon zu Ende ist, sei noch auf die Schar der<br />

12 Apostel aufmerksam gemacht. Wie einfach ist das doch<br />

alles!<br />

Noch einfacher zeigt sich das beim hl. Blasius, den Bumiller<br />

einfach zum »Schutzpatron gegen Blasenleiden« umfunktioniert.<br />

Wer nur einmal die jährliche Erteilung des Blasiussegens,<br />

wenn auch nur vom Weihwasserkesselchen aus, beobachtet<br />

hat, muß gemerkt haben, daß es hier um den Hals geht:<br />

Ein kleiner anatomischer Unterschied! 10.<br />

Die verbotenen heidnischen Schutzgeister seien jetzt durch<br />

die erlaubten Schutzheiligen ersetzt (also lediglich eine


Umfirmierung). Eine flüchtige Betrachtung der schon<br />

erwähnten Allerheiligenlitanei entlarvt diese Deutung als<br />

kurzschlüssige Simplifikation. Die verbale »Prozession« der<br />

Heiligen wird hier immer eröffnet durch die Anrufung der<br />

drei göttlichen Personen und abgeschlossen durch die dreifache<br />

Anrufung des Gotteslammes und ein paar Gebetsrufen zu<br />

Christus. Die Antworten der Gemeinde lauten bei Gott stets<br />

»erhöre uns«, »erbarme dich unser«, während es bei den<br />

Heiligen ausnahmslos heißt »bitte für uns«. Die Heiligen sind<br />

lediglich Fürbitter, Anwälte; der Erhörende ist Gott. Hier<br />

waltet nicht »das reine Heidentum«, sondern mangelnde<br />

Kenntnis und Differenzierung beim Beurteiler.<br />

Um das negative Bild abzurunden, bringt Bumiller dann auch<br />

noch den Ablaßhandel mit den vollen Säckeln der Kirche ins<br />

Blickfeld. Bei beiden Punkten ist ein Sachzusammenhang mit<br />

der »Christianisierung der Vornamen in der Grafschaft Zollern«<br />

schlechterdings nicht zu entdecken. Es ist reine Polemik.<br />

Dem weniger informierten Leser sei aber verraten, daß<br />

es ein Hexendogma nie gegeben hat und bis heute nicht gibt.<br />

Die unglückselige Bulle Innozenz' VIII. war keine unfehlbare<br />

Entscheidung. Daß sie sich auf »Nachrichten aus<br />

Deutschland« beruft, weist zwar auf Zusammenhänge hin,<br />

macht aber leider das angerichtete Unheil nicht ungeschehen.<br />

Der informatorische Gehalt und der wissenschaftliche Wert<br />

des 1. Teils wäre besser zur Geltung gekommen, wenn<br />

Bumiller auf diese Polemik ganz verzichtet hätte. Die dafür<br />

gewählte Diktion klingt an sich schon ziemlich antiquiert.<br />

8. Zusammenfassung<br />

Geht man von den beiden allein voll beweiskräftigen Querschnitten<br />

der beiden Lagerbücher aus und zieht unterstützend<br />

die partiellen Quellen (StKU, Rodel, Rechnungen)<br />

heran, läßt sich als gesichertes Ergebnis etwa folgendes<br />

feststellen. Zwischen dem noch etwas sporadischen Auftreten<br />

christlicher Vornamen (Zeittafel) und Hagens Lagerbuch<br />

von 1544 spielt sich eine kraftvoller Zunahmeprozeß bis zur<br />

völligen Durchsetzung ab. Dabei kündigt sich unter den<br />

Männernamen schon die spätere Übermacht des Namens<br />

Johannes-Hans von Anfang an deutlich an, während bei den<br />

Frauennamen der Name Anna ebenfalls von Anfang an<br />

auftritt, 1435 noch dem Namen Adelheid den Vortritt überlassen<br />

muß, 1544 aber endgültig an der Spitze steht.<br />

Akzeptiert man Heinrich und Konrad und die entsprechende<br />

Gruppe Adelheid, Mechtild und Luitgard als Heiligennamen,<br />

wofür vieles spricht, wäre schon um 1350 eine beachtliche<br />

Offenheit für christliche Taufnamen wirksam. Da Walpurga<br />

sicher als Heiligenname zu klassifizieren ist, haben wir<br />

es 1544 nur noch mit christlichen Frauennamen zu tun.<br />

Unter der genannten Voraussetzung stünden wir vor der<br />

interessanten Tatsache, daß diese einheimischen Heiligen<br />

noch vor den biblischen und frühchristlichen als Namenspatrone<br />

angenommen wurden.<br />

GERHARD DEUTSCHMANN<br />

Straßberg und der Truppenübungsplatz Heuberg<br />

Eine geschichtliche Betrachtung aus der Sicht des Anliegers<br />

Im Zusammenhang mit den wilhelminischen Rüstungsbemühungen<br />

vor dem 1. Weltkrieg wurde im Jahre 1910 der<br />

Truppenübungsplatz Heuberg angelegt. Die karge Alblandschaft<br />

in der ehemaligen Dreiländerecke Baden - Hohenzollern<br />

- Württemberg wurde als ideales Übungsgelände angesehen.<br />

So mußten damals auch die beiden Gemeinden Straßberg und<br />

Kaiseringen nahezu ein Viertel ihrer Gemarkungsfläche an<br />

den Reichsmilitärfiskus abtreten. Die Verkaufsverhandlungen<br />

verliefen nach anfänglichen Schwierigkeiten nahezu<br />

Das Angebot an neuen Namen geht auf der Männerseite von<br />

den Aposteln (in Auswahl) und den biblischen Weisen mit<br />

ihren legendären Namen aus, wozu noch die Standespatrone<br />

Michael, Georg und Nikolaus und der Frankenheilige Martin<br />

kommen; auf der Frauenseite gliedern sich die in der Heiligenlitanei<br />

zitierten Märtyrinnen der römischen Verfolgungen<br />

ein. Soviel zum Namensbestand und seiner Entfaltung.<br />

Zur Deutung wäre zu sagen: Soziologische Unterschiede in<br />

der Aufnahmebereitschaft sind nicht aufweisbar, da die<br />

Informationen der StKU bereits durch den Zweck in dieser<br />

Richtung vorgefiltert sind.<br />

Die Gesamtentwicklung ist eine natürliche Begleiterscheinung<br />

des allgemein bekannten Aufschwungs und der Vertiefung<br />

der christlichen Frömmigkeit im 14. und 15. Jahrhundert.<br />

Diese wieder erklärt sich organisch-zwanglos und ausreichend<br />

aus der ebenfalls bekannten intensiven Tätigkeit der<br />

neuen Seelsorgeorden der Dominikaner und Franziskaner in<br />

der fraglichen Zeit. Man kommt bedauerlicherweise um die<br />

Feststellung nicht herum: Was Bumiller aus den Quellen<br />

herausliest, ist in den wesentlichen Punkten historisch<br />

unhaltbar. Sein vernichtendes Schlußurteil aber ist absolut<br />

unberechtigt und menschlich-moralisch ungerecht. Auch die<br />

Menschen des 14. Jahrhunderts haben einen Anspruch darauf,<br />

in ihrer geistig-religiösen Haltung nicht pauschal herabgesetzt<br />

oder gar diffamiert zu werden. Davor müßten sie<br />

schon durch ihre künstlerischen, kulturellen und sozialen<br />

Leistungen (Spitäler) geschützt sein.<br />

Anmerkungen<br />

1 Schwarz, Ernst, Deutsche Namensforschung, Göttingen 1949, Bd.<br />

I, S. 37<br />

2 Urkunden des Dominikanerinnenklosters Stetten i. Gnadental bei<br />

Hechingen, Herausgeber: Dr. Franz Haug und Johann Adam<br />

Kraus in: Beilage zum Hohenzollerischen Jahresheft 1955 ff., S. 12,<br />

Nr. 14<br />

3 Der Name Sigmar ist nach Ausweis der Taufbücher nicht »heute<br />

noch«, sondern heute wieder gebräuchlich.<br />

4 Wie Anm. 1, S. 46<br />

5 Vgl. Anm. 2<br />

6 Bumiller sagt dort selbst, daß »die korrekte Ermittlung einer<br />

Sozialstruktur synchron, d. h. in einem bestimmten Stichjahr<br />

erfolgen muß«. - Zeitschrift für Hohenzollerische Geschichte<br />

1979, S. 123. Dies gilt sicher auch für Namensbestände.<br />

7 Borst, Arno, Mönche am Bodensee, Sigmaringen 1978, S. 246 ff.<br />

8 Heute dürfte diese Gefahr nicht mehr akut sein, denn mit einem<br />

Organismus gehen auch seine etwaigen Auswüchse zugrunde.<br />

9 Lexikon für Theologie und Kirche, Freiburg (Herder), Bd. X<br />

(1938), Sp. 453.<br />

10 Als medizinisch vollwertigen Ersatz für diesen Ausfall kann der<br />

Verfasser den hl. Vitus mit seinem »Nachttöpfchen« nebst dem<br />

zugehörigen Sprüchlein anbieten.<br />

reibungslos, nur um den Standort des Lagers entbrannte ein<br />

Streit, versprach man sich doch sichere Arbeitsplätze und<br />

geschäftliche Vorteile. So kann man in der Straßberger<br />

Ortschronik lesen: »Die lang gehegten Hoffnungen, daß das<br />

Lager auf die Gemarkung Straßberg gelegt werde, verwirklichten<br />

sich nicht, was hauptsächlich die Geschäftsleute verbitterte.<br />

Auch die angestrengten Bemühungen der Stadt<br />

Ebingen waren erfolglos, das Lager kam auf badisches<br />

Gebiet« 1. Auch die Gemeinde Kaiseringen wetteiferte um<br />

den Standort des Lagers. In diesem Zusammenhang soll vom<br />

21


Drahtseilbahn am Haltepunkt Kaiseringen an der Zollernbahn mit<br />

Blick auf die Rampe an der Siechenhalde, 1915.<br />

damaligen Bürgermeister der Spruch gefallen sein: »Kaiseringen<br />

ist der Mittelpunkt der Erde!« 2.<br />

Kaiseringen ging dann doch nicht ganz leer aus: Vom Haltepunkt<br />

der Zollerbahn wurde im Jahre 1912 eine doppelgleisige<br />

Standseilbahn als Munitions- und Materialbahn auf die<br />

Höhen des Heubergs hinauf gebaut. Etwa 300 Arbeiter der<br />

Fa. Baresel, Stuttgart, waren ca. drei Monate in Tag- und<br />

Nachtarbeit mit dem Bau dieser Förderbahn beschäftigt. Das<br />

8 km lange Drahtseil für die etwa 4 km lange Strecke wog<br />

allein 320 Zentner 3. Am 1. Mai 1912 war die feierliche<br />

Eröffnung der Bahn. Sie führte über eine 27 Grad steile<br />

Rampe hinauf über die Siechenhalde bis an den Rand des<br />

Übungsplatzes in Höhe des eh. Waldhofes (siehe unten) und<br />

dann im rechten Winkel bis an den nördlichen Rand des<br />

Lagers in Stetten akM. Die Förderwagen wurden, am Drahtseil<br />

verkeilt, in gemächlichen eineinhalb Stunden von einer<br />

Dampfmaschine, die am Ende der Bahn in einem Wirtschaftsschuppen<br />

untergebracht war, mittels Seilzug >hochgehievt


edeuten Truppenbelästigung, Manöverschäden, Panzergeratter,<br />

Nachtschießen, Kanonendonner, Düsenjägerlärm...<br />

Allerdings kann man heute sicher sagen: Aus dem nüchternen<br />

Nebeneinander ist ein zweckdienliches Miteinander geworden.<br />

Daß aus diesem Miteinander ein verantwortliches Füreinander<br />

werde, dieser Aufgabe stellt sich die Gemeinde<br />

Straßberg, ihre Verwaltung, ihre Bürger.<br />

1 Vgl. handschriftliche Ortschronik der Gemeinde Straßberg, GdeA<br />

Straßberg<br />

2 Laut frdl. Mitteilung von Herrn Siegfried Riegger, Kaiseringen<br />

3 Vgl. handschriftliche Ortschronik der Gemeinde Kaiseringen,<br />

GdeA Straßberg<br />

4 Laut frdl. Mitteilung von Herrn Josef Oswald, Kaiseringen, einem<br />

JOHANN ADAM KRAUS<br />

Melchingen: Das Rätsel der Burghalde<br />

Hier ist nicht die Rede von der östlich des Dorfes aufsteigenden<br />

Anhöhe mit der bekannten Burgruine von Melchingen,<br />

sondern von dem südlich in Richtung Ringingen liegenden<br />

Berg, über den ein uralter Weg »Pfatten« 1 führt, der die<br />

Talwiesen überquerend sich teilte. Der eine Zweig zieht<br />

gegen Ringingen, der andere zog vom Talwieser Kreuz als<br />

Fußweg durch den »Grund« zur ehemaligen (1835 abgegangenen)<br />

Weiler- oder Bernhardskapelle und weiter nach Burladingen.<br />

Sowohl diese, wie auch das Melchinger Bernhardskäppele<br />

- heute beide nur noch durch ein Bildstöcklein<br />

markiert 2 - dürften ehemals mit dem Zisterzienserkloster<br />

Bebenhausen bei Tübingen zusammengehangen haben,<br />

woran noch der Waldname »Bebenloch« erinnert. Es hatte<br />

Rechte und Beziehungen auf der Alb, u. a. stand ihm die<br />

Frühmesse von Stetten und Holnstein zu. Der östliche Teil<br />

des genannten Berges, von Melchingen aus also links vom<br />

Pfattenweg aus, heißt auf der Karte Burghalde, die am<br />

östlichen Abhang, Eschenrain genannt, eine Quelle aufweist.<br />

Nach Professor Hertlein soll der römische Alblimes ca.<br />

85-110 n. Chr. über diesen Pfattenweg von der Ringinger<br />

Marienkapelle bzw. dem Römerkastell Burladingen-Hausen<br />

her nach Osten geführt haben 3. Nach dem fürstlich <strong>hohenzollerische</strong>n<br />

Archivar Karl Th. Zingeler 4 und dem früheren<br />

Pfullinger Stadtpfarrer Maier bestand auf der Burghalde<br />

ehemals eine Volks- oder Fliehburg um 500-900 n. Chr.<br />

Offenbar ist das ein Schluß aus dem Namen, wenigstens ist<br />

von Nachforschungen nichts bekannt. Möglich wäre jedoch<br />

auch eine ehemalige (vielleicht nur angefangene) Schwesterburg<br />

zu der noch in Ruinen erhaltenen schon erwähnten, wie<br />

z. B. Neufra im Vorder- und Hinterlichtenstein eine Parallele<br />

besitzt. Wer nun die mit Wald bestandene Bergfläche durchstreift,<br />

stößt auf Schritt und Tritt auf Unebenheiten, Gräben<br />

und Löcher, aber keine Mauerreste, und zwar war dies vor<br />

einigen Jahrzehnten schon der Fall. Wenn je solche vorhanden<br />

waren, sind die Steine längst von den Leuten weggeholt<br />

und wiederverwendet worden. Vor allem bleibt zu bedenken,<br />

daß bis vor etwa 160 Jahren hier und auf den umliegenden<br />

Bergen eifrig nach Bohnerz geschürft und gegraben wurde, so<br />

JOHANN ADAM KRAUS<br />

Forstknecht Balthas Scheuch 1605<br />

Stammvater eines Burladinger Geschlechts<br />

Am 8. Juni 1607 erhielt ein Balthas Scheuch (Scheu) von<br />

Altheim (Ulmer Gebiets) vom Zollergrafen Johann Georg<br />

seine Bestallunsurkunde als »Jäger und Forstknecht« zu<br />

Burladingen zugestellt, nachdem er schon am 18. Oktober<br />

1605 zu Harthausen auf der Scher probeweise im zollerischen<br />

Forst (westlich von Fehla und Lauchert) angenommen wor-<br />

Mitarbeiter beim damaligen Bahnbau<br />

5 Vgl. /. A. Kraus, Die Herrschaft Straßberg an der Schmeie, HJh<br />

1959, Gammertingen 1959, S. 53<br />

6 Vgl. Anm. 1.<br />

7 Laut frdl. Mitteilung von Herrn Friedrich Hahn, Kaiseringen<br />

8 Vgl. ausführliche Beschreibung in: Klaus Härter/Manfred Hensel,<br />

Chronik des Truppenübungsplatzes und der Garnison Heuberg<br />

bei Stetten akM., Inzigkofen 1980, S. 168-177<br />

9 Vgl. Markenbeschrieb um die ganze Herrschaft Straßberg, 240 S.,<br />

geb., StAS, Abt. Herrschaft Straßberg 1 10 706, S. 110, bzw. S. 30:<br />

Am 3. Juni 1715 »die Steine besichtigt und befunden, daß der Nr.<br />

19, so ein eckmark und drei bahnen scheidet um seis gar schlechten<br />

Zustand willen... cassieren und ohne umstand statt dessen ein<br />

großer newer stein gemacht und eingesetzt werden solle.« So<br />

geschehen am 23. Okt. 1715<br />

daß praktisch alles durchwühlt ist. Es wird somit auch selbst<br />

bei sorgfältigen wissenschaftlichen Grabungen - von andern<br />

ist dringend abzuraten - sehr schwierig sein, das Geheimnis<br />

der Burghalde zu lüften!<br />

Merkwürdigerweise hatte Ringingen im Fleckenbüchlein von<br />

1530 5 die Bestimmung: »Burckhalden hat das Dorf mit Trieb<br />

und Tratt (als Weide) zu nutzen«. Wenn dies für diesen Platz<br />

zutraf, und eine andere Burghalde kennt man in der ganzen<br />

Umgebung nicht, so dürfte wohl der 1455 genannte Burgherr<br />

von Ringingen, Friedrich von Ow, zollerischer Vogt und<br />

Schwiegersohn des Kleinhans Schwelher 6, der 1482 auch das<br />

»Schloß Melchingen« samt anderen Besitzungen innehatte,<br />

hier zugunsten der Ringinger eine Verfügung getroffen<br />

haben, die natürlich im Lauf der Zeit wieder abging. Im<br />

gleichen Fleckenbüchle 7 ist auch vermerkt: der Ringinger<br />

Feldschütz beziehe jährlich aus der Melchinger Hagenwies<br />

und den Salmendinger Talwiesen einen Zins, was eine Weideberechtigung<br />

auf der Burghalde nicht für ganz abwegig<br />

erscheinen läßt. Die Zeiten haben sich eben geändert. So hatte<br />

Ringingen beispielsweise im J. 1530 laut des genannten<br />

Fleckenbuchs außer dem gemeinsamen großen Weidegebiet<br />

Heufeld mit Salmendingen, Jungingen und Thalheim auch je<br />

ein Stück gemeinschaftliche Weide mit Salmendingen auf dem<br />

Gallenbühl, mit Burladingen im Stellflecken und mit Killer in<br />

Seeheim unter der finsteren Teile. »Und wer mit dem Vieh<br />

zuerst dort ankam, hatte das Vorrecht: der andere Partner<br />

durfte ihn nicht vertreiben«.<br />

1 Pfatten, von Pfad abzuleiten.<br />

2 HH 1952, 31.<br />

3 Albv. Blatt. 1925, 218 f.<br />

4 Archäolog. Karte zum Kunstdenkmälerwerk 1896.<br />

5 Mitt. Hohz. 1924, 219 f.<br />

6 HJHeft 1938, 129 f.<br />

7 Note 5, S. 216, 220.<br />

den ist. Damals war sein Herkunftsort Steinach im Ulmer<br />

Gebiet angegeben. In der erwähnten Urkunde wird von ihm<br />

verlangt, seinen Dienst treu und fleißig zu tun, besonders<br />

dem Grafen, sowie seinem Jägermeister, gehorsam zu sein,<br />

zu Nutz und Frommen des Forstherrn zu arbeiten. Er wird<br />

verpflichtet, allen Schaden abzuwenden, für Einhaltung der<br />

23


Forstordnung zu sorgen und die herrschaftlichen Rechte im<br />

Gebiet um Burladingen in »Forst und Wildbann« zur Geltung<br />

zu bringen. Letzterer darf in keiner Weise geschädigt<br />

oder verkleinert werden. Scheu hat die Aufträge des Grafen<br />

bzw. seines Jägermeisters genau durchzuführen, darf niemand<br />

gegünstigen, auch die Geheimaufträge niemand eröffnen.<br />

Besonders hat er auf die Güter und Wälder im Forst<br />

Obacht zu geben, damit kein Abgang oder Schaden entsteht.<br />

Er hat täglich in den Forst zu reiten, die Forstschädiger<br />

(Wilderer) möglichst »zu Hand zu bringen«, sie alsbald dem<br />

Jägermeister anzeigen und nichts verschweigen. Wenn der<br />

Graf jagen will, muß er ihm stets zur Hand sein, dem Herrn<br />

allezeit besonders bei der »Schweinhatz und Hirschjagt« und<br />

sonst zu Hilfe stehen, und alle Vorbereitungen treffen, muß<br />

das Wildpret und die erlegten Sauen und anderes unverzüglich<br />

versorgen, aber nichts verschenken auch nichts für sich<br />

behalten. Kurz: er muß in allem den Nutzen seines Herrn im<br />

Auge behalten. Falls ihm Dinge zu Ohren kommen, die der<br />

Herrschaft zum Schaden gereichen, hat er unverzüglich<br />

Meldung zu machen und sich in allem als treuer Diener<br />

bewähren.<br />

Als Besoldung erhält er (man staune!) pro Jahr dreißig Gulden<br />

an Geld, sechs Malter Kernen (enthülsten Dinkel), einen<br />

Anzug (»Kleid«), ein Paar Stiefel, zwei Wägen voll Heu, eine<br />

Behausung mit nötigem Brennholz wie alle anderen gräflichen<br />

Diener. Doch muß er die Heizung auf eigene Kosten<br />

hauen, heimführen und spalten. Falls er den Dienst aufgeben<br />

will und wir ihn entlassen, ist Kündigung von drei Monaten<br />

festgesetzt, andernfalls läuft der Vertrag von Jahr zu Jahr<br />

weiter.<br />

Balthas Scheuch gelobte feierlich unter Eid, dem allem nachzukommen.<br />

Der Vertrag ist besiegelt und unterschrieben<br />

durch den Grafen Johann Georg von Hohenzollern-Hechingen<br />

(Fürstl. Dom. Arch. Sigm. R50E, No. 6: wörtlich in Lauchertzeigung<br />

Gammertingen Nr. 116 des Jahres 1939).<br />

Der Wortlaut macht klar, daß es sich eigentlich nicht um<br />

einen Jäger im heutigen Sinn handelt, sondern um einen<br />

Förster oder Forstknecht, denn die Jagd, das Hauptvergnü-<br />

DIEGO HÄUSSEL<br />

Das Schulwesen in Hochberg (I)<br />

Am 1. Januar 1975 verlor die bis dahin selbständige<br />

Gemeinde Hochberg Kreis Sigmaringen durch die Gemeindereform<br />

ihre Selbständigkeit und wurde zum Ortsteil der<br />

Gemeinde Bingen. Dies bedeutete das Ende einer politischen<br />

Einheit, die fast 200 Jahre bestanden hatte. Damit wurde<br />

gleichzeitig eine neue Entwicklung eingeleitet, von der heute<br />

noch nicht mit letzter Gewißheit gesagt werden kann, ob sie<br />

wirklich alle Hoffnungen erfüllt, die anfänglich in sie gesetzt<br />

worden war.<br />

Gewissermaßen als Vorläufer dieser Reform dürfte eine<br />

weitere Veränderung gewertet werden, von der hauptsächlich<br />

die kleinen Gemeinden betroffen wurden und die zur damaligen<br />

Zeit viel Staub aufwirbelte: Die Schulreform. Im Jahre<br />

1966 wurde verwirklicht, was schon lange im Gespräch war<br />

und von den Bildungspolitikern mit immer größerem Nachdruck<br />

gefordert wurde: Der Schulentwicklungsplan I der<br />

Landesregierung von Baden-Württemberg trat in Kraft. Er<br />

sah die Bildung von Jahrgangsklassen für die Schüler der<br />

Jahrgänge 5-8 sowie die gleichzeitige Einführung des 9.<br />

Schuljahres vor. Damit war das Urteil über die meisten einund<br />

zweiklassigen Landschulen gesprochen und in den nächsten<br />

Jahren haben viele der kleinen Landgemeinden ihre<br />

24<br />

gen des damaligen Landesherrn, das bekanntlich einen langdauernden<br />

Untertanenstreit erzeugte, war eben Sache des<br />

Herrn.<br />

Anhang: Es handelte sich um den Ahnherrn der heute in<br />

Burladingen sehr zahlreich vertretenen Familie Scheu, freilich<br />

auch Scheich, Scheuch, Scheih, Schoi, Schey oder anders<br />

geschrieben. Das Einkommen des Balthas klingt uns Heutigen<br />

überaus bescheiden, daß man sich sein Fortkommen nur<br />

schwer vorstellen kann. Er benötigte doch auch ein Roß, ein<br />

Feuerrohr oder Büchse, einen Hirschfänger, eine Jagdtasche,<br />

ein Horn und mehr als nur einen Anzug. Von einem Gärtchen<br />

beim Haus ist keine Rede. Und wenn er dann eine<br />

Familie gründete, dann wollten Weib und Kinder auch<br />

verhalten sein! Aber der tüchtige Balthas scheute offenbar<br />

weder Arbeit noch Strapazen. Im Jahre 1636 sind bereits zwei<br />

Balthas Schoi, Vater und Sohn, überliefert, letzterer um 1644<br />

»B. Schey der junge« geheißen. Beim Jahrgericht am 27.<br />

Februar 1645 meldete er seine Kinder an: Hans Ulrich,<br />

Johannes, Hans Jakob, Christian und Anna Maria, damit sie<br />

ins Leibeigenschaftsbuch eingetragen werden konnten.<br />

Johannes und Hans Jakob wurden 1657 als Vierzehnjährige<br />

vereidigt und schon 1653 meldete der junge Balthas wieder<br />

einen gleichnamigen Sohn (III.) an, dann 1658 einen Hans<br />

Kaspar. Der Vater Balthas Sch. II. war 1645 als Neubürger zu<br />

Burladingen vereidigt worden. In die Schlaghändel mit einigen<br />

Lothringischen Soldaten des Jahres 1676 waren u. a. zu<br />

Burladingen auch Jakob, Johannes, jung Balthas und Kaspar<br />

Scheuch verwickelt, kamen aber ohne Strafen davon. Jakob<br />

war 1684 Vogt (Ortsvorsteher!). Als verheiratete Wehrfähige<br />

sind 1676 Christian, Johannes und Konrad Schey, und als<br />

lediger Wehrfähiger obiger Balthas III. Schoy überliefert.<br />

Aus den 1685 beginnenden Kirchenbüchern könnten weitere<br />

Ankömmlinge ersehen werden.<br />

Nebenbei sei angeführt: In Hechingen wird in Forstakten des<br />

F. Archivs zum Jahr 1615 ein Albrecht Schoi genannt, der<br />

wohl zur gleichen Familie gehören dürfte, vielleicht als<br />

Bruder des ersten Balthas Scheuch von 1605. Albrecht kann<br />

wohl als Stammvater der Bisinger Schoy in Frage kommen.<br />

Schule verloren. Die Gemeinde Hochberg wurde zunächst<br />

davon verschont, es gab aber nur deshalb eine Verzögerung<br />

von V2 Jahr, weil die Beförderungsprobleme, die diese<br />

Reform mit sich brachte, nicht auf Anhieb gelöst werden<br />

konnten.<br />

Heute hat Hochberg keine Schule mehr. Nach wechselvollen<br />

Jahren, in denen die Hochberger Kinder verschiedene Schulen<br />

der Umgebung besuchen mußten, scheinen sich nun die<br />

Verhältnisse zu festigen und die Wellen der Erregung zu<br />

beruhigen und in einigen Jahren werden vielleicht das ehemalige<br />

Schulhaus und die Erinnerung der Schüler, die diese<br />

Schule noch besuchten, die einzigen Spuren einer langen<br />

Schulgeschichte dieser Gemeinde sein.<br />

Diese Geschichte soll nochmals in Erinnerung gerufen werden,<br />

es soll jedoch kein wehmütiges Nachtrauern sein,<br />

sondern ein sachliches Resümee dessen, was gewesen ist. Es<br />

wäre nicht gut, das Rad der Geschichte zurückdrehen und<br />

durchgemachte Entwicklungen bremsen zu wollen, es soll<br />

aber auch nicht alles, was war, in Vergessenheit geraten.<br />

Die Gemeinde Hochberg gehörte bis 1806 zur Obervogtei<br />

Jungnau und damit in den Herrschaftsbereich des Fürstentums<br />

Fürstenberg. In diesem Jahr fiel die Herrschaft Jungnau


an Hohenzollern-Sigmaringen, das 1840 die Obervogtei<br />

Jungnau auflöste und Hochberg dem Oberamt Gammertingen<br />

zuteilte.<br />

So ist auch die Geschichte der Schule in Hochberg nicht zu<br />

trennen von der Entwicklung des Schulwesens in diesen<br />

einzelnen Herrschaften. Es war wie überall: Die Schulen<br />

wurden von den Gemeinden nicht besonders gefördert, es<br />

gab keine Schulpflicht, keine Schulhäuser, keine ständigen<br />

Schulmeister, sondern Wanderlehrer, die mal da mal dort<br />

unterrichteten. So ist es nicht verwunderlich, wenn bis zur<br />

Mitte des 17. Jahrhunderts das gesamte Schulwesen sehr im<br />

Argen lag und die einzelnen Regierungen mit strengen Maßnahmen<br />

für eine Besserung sorgen mußten.<br />

Zum ersten Mal wird in den Aufzeichnungen über Hochberg<br />

das Problem Schule im Jahre 1751 erwähnt (Jungnauer Prot.<br />

Nr. 7). Am 2. April dieses Jahres erhält die Gemeinde einen<br />

Strafbescheid und wird zur Zahlung von 3 Gulden verurteilt,<br />

weil »trotz herrschender Verordnung in Hochberg mehrere<br />

Wochen keine Schule mehr gehalten wurde. »Es ist also<br />

anzunehmen, daß auch in Hochberg schon damals in den<br />

Wintermonaten »Schule« gehalten wurde, wenn gerade wieder<br />

jemand für diesen Posten zur Verfügung stand. Aufzeichnungen<br />

darüber habe ich keine gefunden.<br />

Im angesprochenen Falle verteidigte sich die Gemeinde mit<br />

dem Argument, es sei kein Brennholz vorhanden und sie<br />

verlangte von der Herrschaft, sie solle der Schule Holz zur<br />

Verfügung stellen. Der Gemeinde aber wurde aufgetragen,<br />

jeden Schüler zu verpflichten, jedesmal ein Scheit Holz<br />

mitzubringen. Dabei handelt es sich um eine vermutlich<br />

bereits ergangene Anordnung oder zumindest um eine in<br />

anderen Gemeinden geübte Gepflogenheit, die aber von den<br />

Hochberger Bürgern nicht befolgt worden war.<br />

Man scheint aber an höherer Stelle keine Ruhe gegeben zu<br />

haben, denn im Jahre 1759 mußte sich der Gemeinderat<br />

wieder mit dem Problem Schule befassen. Er faßte, vermutlich<br />

gedrängt durch die Obrigkeit, folgenden Beschluß:<br />

- die gesamte Gemeinde erklärte sich »einhellig und verbündlich«<br />

bereit, in Zukunft eine Schule zu unterhalten<br />

und einen tüchtigen Schulmeister anzustellen. Der Unkosten<br />

halber solle es auf folgende Weise gehalten werden:<br />

- Da ein Schulmeister teuer sei, sollen allfordist die ganze<br />

Bauern jed Zweytag, so dann jed Bürger Eintag, und<br />

endlich ein jed so Kinder zur schuhl schickhet, so viel tag<br />

alß Erschuhl Kind hat, demselben die Kost geben und auf<br />

dieße arth solle es bei jedem Umbgang gehalten werden<br />

- Für jedes zur Schule gehende Kind mußten wöchentlich 2<br />

Kreuzer bezahlt werden, die übrigen Kosten für den<br />

Schulmeiter wurden auf die ganze Bürgerschaft umgelegt.<br />

Aus diesem Beschluß ist ersichtlich, daß ein großer Teil der<br />

Kosten für die Schule direkt von den Bürgern getragen<br />

werden mußten, und es ist verständlich, daß es immer wieder<br />

zu Schwierigkeiten kam. Der Lehrer geriet durch diesen<br />

»umbgang« in eine Abhängigkeit, die sich sicherlich auf seine<br />

Arbeit und damit auf das ganze Schulwesen negativ ausgewirkt<br />

hat.<br />

Auf den Bürger kam noch eine andere Belastung zu. Es fehlte<br />

ein Schulhaus und so wurde abwechselnd in den Stuben der<br />

Bauern unterrichtet. Dies hat natürlich auch nicht gerade<br />

dazu beigetragen, die Beliebtheit der Schule zu fördern.<br />

In einer Erhebung des Fürstentums Fürstenberg über die<br />

Schulen in seinem Herrschaftsbereich im Jahre 1775 wird<br />

Hochberg überhaupt nicht erwähnt. Den Grund konnte ich<br />

nicht ermitteln, vielleicht war garade mal wieder kein Lehrer<br />

da. Daß die Schule ganz aufgehoben war, ist unwahrscheinlich,<br />

denn im Jahre 1772 und 1774 stiftete ein Simon Unger<br />

aus Gutenstein je 40 Gulden für »arme Schuhlehr-Kinder«.<br />

Genaueren Aufschluß über die Hochberger Schulverhältnisse<br />

gibt eine Beschreibung der Schulen im Fürstenbergischen aus<br />

dem Jahre 1782.<br />

1. (Frage) Ob ein Schullehrer zu Hochberg sei<br />

(Antwort) Nein, einmal der, einmal der , gegenwärtig<br />

Joseph Glanz<br />

2. (Frage) Wie oft Schule gehalten werde<br />

(Antwort) Nur im Winter 20 Wochen<br />

3. (Frage) Was der Schullehrer für ein Einkommen habe<br />

(Antwort) Wöchentlich 18 Kreuzer, in 20 Wochen 6<br />

Gulden<br />

Aus der Stiftung 2 Gulden<br />

Umbessen 12 Kreuzer<br />

4. (Frage) Wieviel Schulerkinder vorhanden seien<br />

(Antwort) 15 Schulerkinder<br />

5. (Frage) Ob ein Schulhaus vorhanden sei<br />

(Antwort) Kein Schulhaus<br />

6. (Frage) Ob Schulmeister und Meßneramt vereinigt seien<br />

(Antwort) Nicht vereinigt<br />

7. (Frage) Ob eine Vereinigung möglich sei<br />

(Antwort) Wenn ein Bürger zu Hochberg zum Schulhalten<br />

fähig wäre, wie nicht, so würde der Copulation weiter<br />

nichts im Wege stehen<br />

Die schlechten Verhältnisse in Hochberg waren sicher kein<br />

Einzelfall, denn schon kurz nach dieser Erhebung, im Jahre<br />

1784, erließ die Regierung eine Verordnung über das Schulwesen,<br />

um »wegen des schlechten Standes der Schulen«<br />

Verbesserungen zu erreichen. Auf Grund dieser Verordnung<br />

wurden die Lehrer zu einer 4-wöchigen Lehre nach Donaueschingen,<br />

die Hauptstadt des Fürstentums Fürstenberg,<br />

eingeladen »zum Erlernen der Normal-Lehrart.« Diese 4<br />

Wochen gingen auf Kosten der Landeskasse. Wer es in dieser<br />

Zeit nicht schaffte und länger brauchte, mußte die restliche<br />

Zeit auf eigene Kosten leben. Über die Schulzeit wurde in<br />

dieser Verordnung bestimmt, daß in Zukunft das ganze Jahr<br />

Schule gehalten werden soll, wenigstens ab 1. Wintermonat<br />

bis 1. Mai. Im Sommer mußten an allen Sonn- und Feiertagen<br />

nachmittags 2 Stunden gehalten werden.<br />

Am Grundsatz, daß im Winter mehr Schule gehalten wird als<br />

im Sommer, wurde fast ein ganzes Jahrhundert in unserer<br />

Schulgesetzgebung festgehalten. Hier wurden die wirtschaftlichen<br />

Verhältnisse der Bevölkerung berücksichtigt, die ihre<br />

Kinder im Sommer dringend für verschiedene landwirtschaftliche<br />

Arbeiten brauchten, entweder in der eigenen<br />

Landwirtschaft oder aber als Tagelöhner bei den Bauern.<br />

Zwar wurde ab 1804 auch im Sommer 2-3 mal Schule<br />

gehalten, damit das bisher Gelernte während des Sommers<br />

nicht in Vergessenheit gerate, die Schulentlassenen wurden<br />

bis zum 20. Lebensjahr verpflichtet, die Sonntagsschule und<br />

die Christenlehre zu besuchen, immer wieder aber muß die<br />

Regierung die Bevölkerung ermahnen, die Schulordnung<br />

auch einzuhalten. Denn wer den ordentlichen Besuch der<br />

Elementar- oder Werktagsschule, der Sonntagsschule und<br />

der Christenlehre nicht nachweisen konnte, dem wurde die<br />

Bewilligung zur Übernahme eines bürgerlichen Gewerbes<br />

sowie die Heiratserlaubnis nicht erteilt.<br />

Aus der Erhebung über das Schulwesen aus dem Jahre 1782<br />

ist ersichtlich, daß man um diese Zeit schon erwogen hat, den<br />

Schulmeisterdienst mit dem Meßnerdienst zu vereinigen. In<br />

Hochberg hatte 1782 dieses Amt ein Hochberger Bürger<br />

namens Konrad Blum inne. Er erhielt dafür Vi Gulden aus<br />

der »Fabrik« (Heiligenpflege) und von jedem Bürger »ein<br />

Metter Garb zu 20 Garben« im Wert von je 15 Kreuzer.<br />

Vermutlich im Jahre 1791, als der Wanderlehrer Joseph<br />

Glanz entlassen und das Amt des Schulmeisters von einem<br />

Hochberger Bürger übernommen wurde, verknüpfte man<br />

das Schulmeister- und Meßneramt. Nach einer Abrechnung<br />

aus dem Jahre 1799 erhielt der Lehrer für Meßnerdienste 7<br />

Pferchnächte, bei jeder Beerdigung stand ihm für das Läuten<br />

25


der Kirchenglocke 1 Laib Brot zu. Bei den mehr als kargen<br />

Besoldungen der Lehrer war dieses Meßneramt sicherlich ein<br />

willkommener Nebenverdienst. Dies wird später, als das<br />

»Umessen« abgeschafft wurde und der Lehrer nebst freier<br />

Wohnung, Heizmaterial und Gartennutzung ein Gehalt<br />

erhält, ein fester Bestandteil der Besoldung. Die Trennung<br />

des Meßnerdienstes von der Lehrerstelle erfolgte in Hochberg<br />

am 1. 7. 1905, gekoppelt aber blieben Lehrer- und<br />

Organistendienst.<br />

Lehrer in Höchberg<br />

Bis zum Jahre 1776 unterrichteten in Hochberg namentlich<br />

nicht bekannte Wanderlehrer. Vermutlich war dies sehr<br />

unregelmäßig, auch konnte diesen täglich durch den Bürgermeister<br />

aufgekündigt werden, sie selbst konnten auch gehen,<br />

wenn sie genug hatten. Daß hier natürlich keine ersprießlichen<br />

Schulverhältnisse entstehen konnten, ist verständlich.<br />

Vermutlich 1776 übernahm das Amt des Schulmeisters ein<br />

gebürtiger Sigmaringer namens Joseph Glanz. Er scheint sich<br />

mit den Hochbergern gut verstanden zu haben, denn er<br />

wurde erst im Jahre 1791 entlassen.<br />

Ihm folgte ein Bürger aus Hochberg, Anton Blum. Er war<br />

Tagelöhner und betrieb eine kleine Landwirtschaft. Er hatte<br />

sich um das Amt des Schulmeisters und Meßners beworben.<br />

Zur Vorbereitung auf dieses Amt war er den ganzen Sommer<br />

über beim Schulmeister in Inneringen »in der Lehre« und<br />

wurde nach einer Prüfung, die er vor Lehrern der Nachbargemeinden<br />

ablegen mußte, eingestellt. Er war bis 1816 Lehrer<br />

und übergab dann an seinen Sohn Johann Blum, der diese<br />

Tätigkeit bis 1864 ausübte. Während seiner Zeit stabilisierte<br />

sich das Schulwesen in Hochberg, er hat seine Wohnstube<br />

zum Schulhalten zur Verfügung gestellt (die Gemeinde<br />

mußte Miete zahlen), auch fällt in seine Amtszeit der Schulhausneubau<br />

im Jahre 1840. Er war der letzte Lehrer aus der<br />

Bürgerschaft von Hochberg, der noch »in die Lehre« gegangen<br />

war. Nach ihm kamen die nach den neuen Richtlinien<br />

ausgebildeten Lehrer, die aber in der Regel nur sehr kurz in<br />

Hochberg blieben.<br />

Es unterrichteten:<br />

von 1864—1866 Provisor Gustav Ruff<br />

von 1866-1868 Provisor Sauter<br />

von 1868-1869 Provisor Häberle<br />

von 1869-1872 Provisor Ott<br />

von 1872-1874 Provisor Schuler<br />

von 1874-1876 Provisor Vogt<br />

von 1876-1878 Provisor Steinhart<br />

J. WANNENMACHER<br />

von 1878-1881 Lehrer Rapp<br />

von 1881-1882 Provisor Klaiber<br />

1. 9. 1882 - 15. 10. 1890 Lehrer Gustav Bulach<br />

15. 10. 1890 - 1. 5. 1891 Provisor Aber<br />

1. 5. 1891 - 30. 9. 1898 Lehrer Karl Dehner<br />

1. 10. 1898 - 31. 12. 1898 Lehrer Grathwohl<br />

1. 1. 1899 - 31. 10. 1904 Lehrer Ludwig Schmid<br />

1. 11. 1904 - 31. 8. 1905 Lehrer Stehle<br />

1. 9. 1905 - 16. 4. 1909 Lehrer Albin Kramer<br />

20. 4. 1909 - 30. 7. 1910 Lehrer Fritz<br />

(Vertretg. v. Jungnau)<br />

1. 8. 1910 - 31. 3. 1913 Lehrer Hans Hinger<br />

1. 4. 1913 - 1. 8. 1914 Lehrer<br />

Otto Fridolin Amann<br />

2. 8. 1914 - 30. 11. 1914 Lehrer Kleinmann<br />

(Vertr. v. Jungnau)<br />

1. 12. 1914 - 30. 4. 1915 Schulamtsbewerber Koch<br />

1. 5. 1915 - 15. 5. 1915 Lehrer Kleinmann (Vertr.)<br />

28. 5. 1915 - 30. 8. 1915 Lehrer Bernhard Stauß<br />

(Vertr. v. Ver-dorf)<br />

1. 9. 1915 - 30. 10. 1918 Lehrer Apolinar Singele<br />

1. 11. 1918 - 30. 3. 1922 Lehrer Oskar Sauter<br />

1. 4. 1922 - 31. 7. 1922 Lehrer<br />

Johann Wannenma^her<br />

1. 8. 1922 - 31. 3. 1929 Lehrer Franz Arendt<br />

24. 4. 1929 - 8. 5. 1930 Lehrer Josef Hebeisen<br />

8. 5. 1930 - 1. 4. 1935 Lehrer Albert Huber<br />

1. 4. 1935 - 1. 5. 1940 Lehrer Franz Stimmler<br />

1940-1943 Lehrer Michael Stöhr<br />

1943-1945 Lehrer Fritz<br />

(Vertr. v. Jungnau)<br />

Von 1945-1951 war die Schule in Hochberg wegen zu<br />

geringer Schülerzahl aufgehoben, die Kinder besuchten die<br />

Schule in Jungnau.<br />

1. 1. 1951 - 1. 10. 1951 Lehrer Georg Wurzer<br />

1. 10. 1951 - 30. 11. 1954 Lehrerin Ernestine Gödel<br />

1. 12. 1954 - 31. 8. 1955 Lehrer Siegfried Miller<br />

1. 9. 1955 - 19. 11. 1966 Lehrer Diego Häußel<br />

21. 11. 1966 - 31. 7. 1967 Lehrer Bruno Wolfsturm<br />

Danach wurde die Schule in Hochberg aufgelöst. Die Kinder<br />

mußten bis zum Jahre 1968 nach Egelfingen, wo sie an der<br />

dortigen Einklassenschule gemeinsam mit den Kindern aus<br />

Egelfingen unterrichtet wurden. Als dann auch diese Schule<br />

aufgelöst wurde (1968) kamen die Schüler des Jahrgangs 1-4<br />

nach Inneringen, die größeren mußten nach Veringenstadt.<br />

(Fortsetzung folgt)<br />

Aus dem Reichtum und der Vielfalt unserer heimischen Mundart<br />

Das technische Zeitalter hat uns bei der Arbeit und täglichen<br />

Lebensführung manche Erleichterung gebracht. Es hat uns<br />

aber auf der anderen Seite auch viel von Herz und Gemüt<br />

genommen. Vor allem in den zwischenmenschlichen Beziehungen<br />

ist es vielfach frostig und kühl geworden. Stille,<br />

Ruhe, Herzenswärme sind in weitem Umfange geschwunden.<br />

- Der heutige Mensch spürt allmählich diesen großen<br />

seelischen Verlust. Man sucht auf allen Gebieten wieder nach<br />

dem althergebrachten Guten, das neben Geist und Verstand<br />

auch Herz und Gemüter erwärmt und erfreut. Insbesondere<br />

wendet sich der Blick der Menschen wieder den Werten der<br />

Heimat zu. Die Mundart steht hierbei mit an erster Stelle. In<br />

ihr liegt auch die ganze Seele der Heimat. Was den Menschen<br />

innerlich jederzeit bewegte, versuchte er in seiner Sprache<br />

geist- und gemütvoll zum Ausdruck zu bringen.<br />

26<br />

Nachstehend einige Proben aus Rangendingen:<br />

Die Ostereier legten die Kinder ehemals in den »Klemmer -<br />

haufa«. Klemmer hießen die Waldameisen. Die Kinder freuten<br />

sich dann sehr, wenn die Klemmer in großer Zahl über die<br />

Eier krabbelten und die herb duftende Ameisensäure darüber<br />

spritzten. Die Eierschalen, so meinte man, ließen sich darauf<br />

besser lösen. Wenn es lange nicht regnet, wird auch im<br />

Hausgarten alles trocken. Dann muß die Pflanzen<br />

»schbreeza«, d. h. mit Wasser übergießen. Das Kraut (Kohl)<br />

auf dem Krautland aber tut man »b schütta«, = Wasser an die<br />

Wurzeln gießen. Das war einst eine fröhliche Abendbeschäf- •<br />

tigung, die in der Hauptsache den Jugendlichen zufiel.<br />

In der Zeit, als man noch keine Kunstdüngemittel<br />

gebrauchte, nahmen die Insekten oft sehr überhand, und die<br />

Pflanzen litten mitunter nicht wenig Schaden. Der Bauers-


mann bezeichnete die Vielzahl der für ihn schädlichen Insekten<br />

als »Auziefer«. Der Ausdruck wird im übertragenen Sinn<br />

auch für Menschen gebraucht, die nicht viel taugen und<br />

jedermann zur Last fallen. Wenn das Wetter unbeständig ist<br />

und die Sonne sich immer wieder hinter einer Wolke verbirgt,<br />

dann tut d' Sonn »kulaußa«. Man hört dann von Bauersleuten<br />

nicht selten den Ausspruch: »D' Sonn' kulaußet; 's geit<br />

anders Wetter!« Kleine Kinder tragen um den Hals gerne ein<br />

Kettchen mit einer Medaille. Letztere nennt man im Volksmund<br />

a »Deele«. Die gefürchteten Masern heißen in der<br />

Mundart »de raot Sucht«. - Schmerzt ein Finger infolge einer<br />

Verletzung sehr, dann »glotzget« = klopft er. Ein durchtriebener<br />

Kerl, der alle Schliche kennt und auch den Leuten gerne<br />

heimlich einen »Bossa« = Streich spielt, ischt a groaßer<br />

»Schienkel«! - oder a elender »Sieach«. - Hoscht wieder an<br />

»Duck« dao?, fragt der Vater den Sohn, wenn er etwas<br />

Ungeschicktes angestellt hat.<br />

Eine Arbeit, die man nicht so gerne tut und immer wieder<br />

unerledigt vor sich hinschiebt, wird »nausdrichlet«. Auch<br />

wegen Mangel an Geld wird manche Arbeit oder Anschaffung<br />

im Haushalt hinausgeschoben, »nausdrichlet«. Wenn<br />

jemand gestorben ist, so fragt man: »Wenn ischt d' »Leicht«<br />

= Beerdigung? Man geht den Verstorbenen zur »Leicht«.<br />

Eine alte Truhe, die mit der Zeit morsch und brüchig<br />

geworden ist, nennt man eine alte »Trucha«. Dieses Wort<br />

KARL WERNER STEIM<br />

Haigerlocher Zeitungen 1880-1934 (Schluß)<br />

Größeres Format<br />

Mitte September 1919 ging »Der Zoller« als erste <strong>hohenzollerische</strong><br />

Zeitung vom dreispaltigen Umbruch auf den vierspaltigen,<br />

und damit auch auf ein größeres Format, über 193.<br />

Außerdem wurde in Haigerloch eine Agentur eingerichtet,<br />

die Schuhmachermeister Josef Remp übernahm. Austrägerin<br />

der Zeitung in Haigerloch war Maria Kaiser, die die Zeitungen<br />

jeweils am Erscheinungstag um 15 Uhr austrug, während<br />

die durch die Post bezogenen Exemplare in Haigerloch<br />

gewöhnlich erst am folgenden Tag zugestellt wurden. Die<br />

Agentur nahm auch Inserate und Druckaufträge entgegen 194.<br />

Ende August 1926 gab es im Bezirk Haigerloch folgende<br />

Agenturen des »Zoller«: Bietenhausen, Dettlingen, Empfingen,<br />

Gruol, Haigerloch, Hart, Heiligenzimmern, Höfendorf,<br />

Owingen 195. Im Januar 1927 wurden folgende Agenturen<br />

zusätzlich genannt: Betra, Dettingen, Dettensee, Dießen,<br />

Fischingen, Glatt, Imnau und Weildorf 196.<br />

Vom 10. September 1927 an gab »Der Zoller« eine Nebenausgabe<br />

»<strong>Hohenzollerischer</strong> Neckarbote« heraus, die hauptsächlich<br />

im Raum Empfingen verbreitet war (Erstausgabe in<br />

der Hohenz. Heimatbücherei Hechingen).<br />

Im »Dritten Reich«<br />

Schon im Februar 1932 erschien im »Zoller« ein Leitartikel<br />

»Kann ein Christ Nationalsozialist sein?« von Pfarrer H.<br />

Herz 197. Nach der Machtübernahme durch Hitler nahm<br />

»Der Zoller« anstelle des bisherigen Untertitels »Tagblatt für<br />

die Hohenzollerischen Lande und deren Umgebung« vom 3.<br />

Juli 1933 folgenden Titel an: »Katholisches Tagblatt für die<br />

Hohenzollerischen Lande« 198. Schon vom 29. August an<br />

erschien dann wieder der alte Untertitel. Verlag und Redaktion<br />

schrieben dazu: »Unter Bezugnahme auf einen Ministerialerlaß<br />

vom 20. Juli 1933 teilen wir mit, daß wir mit dem<br />

heutigen Tage am Kopfe unserer Zeitung den Untertitel<br />

»Katholisches Tagblatt« fortgelassen haben« 199.<br />

wird im übertragenen Sinn auch für Menschen gebraucht.<br />

Wird im Kaufladen eine Ware etwas zu knapp bemessen, daß<br />

sie gerade noch so hinreicht, dann ist sie »bschnotta« gmessa.<br />

Auch Kleider oder Schuhe, die etwas zu kurz oder zu eng<br />

sind, passet grad no so »bschnotta«. - Ein Mann, der sich<br />

beim Geben immer sehr sparsam zeigt, dees ischt a »bhäber«<br />

Denger. Das Gleiche gilt auch für Frauen. Wenn Kinder beim<br />

Gehen nicht aufpassen und deswegen bald da oder dort<br />

anstoßen, ruft die Mutter mahnend: »Paß auf, was >schieakescht<<br />

denn ällaweil umanander?«<br />

Damit ein junges Bäumchen vom Winde nicht gebrochen<br />

wird, bindet man es an einen »Schtotza« = Pfahl, den man in<br />

die Erde schlägt. Auch zu den Grenzsteinen an den Ackern<br />

und Wiesen schlägt man einen kurzen »Schtoza«, damit man<br />

die »Mark« (Grenzstein) stets gut sehen und leicht finden<br />

kann.<br />

Zum Abschluß noch eine kleine Anekdote aus einer schwäbischen<br />

Dorfschule: Der Herr Vikar gibt Religionsunterricht in<br />

einer Grundschule. Auf einmal sagt er: »Kinder, ich muß<br />

jetzt aufhören, gleich kommt der Pilgerzug zum Papst nach<br />

Rom, und ich will mitfahren.« »Jo«, sagt darauf der kleine<br />

Georg, »no saget Se au an Gruaß vo mir an Babscht und er soll<br />

au a mol zo eis komma.« »Und au an Gruaß vo mir«, rufts<br />

Metzgers Franzel, »er soll au a mol zu eis komma, no metzget<br />

miar a Sau!«<br />

In derselben Nummer wehrte sich »Der Zoller« gegen die in<br />

Umlauf gesetzen Gerüchte, er und die anderen Zentrumszeitungen<br />

Hohenzollerns würden ihr Erscheinen einstellen:<br />

»Nach den Erklärungen, die der Reichskanzler vor dem<br />

Verein deutscher Zeitungsverleger, dem auch die vorgenannten<br />

Zeitungen angehören, angegeben hat, ist das Weitererscheinen<br />

der Zeitungen, die nicht NSDAP-Blätter sind, nicht<br />

in Frage gestellt. Die Erklärung des Reichskanzlers ist maßgebend«<br />

200.<br />

Frei von .parteipolitischer Bindung<br />

Am 6. Juli 1933 veröffentlichte »Der Zoller« folgende Erklärung:<br />

»Die politische Entwicklung in Deutschland hat traditionelle<br />

Verbindungen mit parteipolitischen Anschauungen<br />

aufgehoben. Vorstand und Aufsichtsrat des Hohenz.<br />

Preßvereins haben in Würdigung dieser Tatsache schon unter<br />

dem Datum des 2. Mai ds. Js. eine mit der Zentrumspartei vor<br />

Jahren getroffene Vereinbarung widerrufen und aufgehoben,<br />

durch die der Zoller verpflichtet war, die Politik des Zentrums<br />

zu vertreten. Die am 3. Juli ds. Js. stattgefundene<br />

Hauptversammlung hat die erwähnteEntscheidung des Vorstandes<br />

und Aufichtsrates einmütig gutgeheißen. Frei von<br />

parteipolitischer Bindung wird der Zoller als katholische<br />

Tageszeitung herausgegeben... bereitwillig mitzuarbeiten an<br />

der Neugestaltung unseres deutschen Volkstums und unserer<br />

staatlichen Ordnung...« 201 Die »Hohenz. Blätter« gaben<br />

hierzu einen giftigen Kommentar ab unter der Überschrift:<br />

»Der >Zoller< in der Tarnkappe« 202. Auch sonst versuchte der<br />

»Zoller« eine »geschicktere« Bericherstattung, stets verfolgt<br />

von den denkbar gehässigsten Kommentaren der »Hohenz.<br />

Blätter« wie »Der Idealismus des Zollers« 203 oder »Eine<br />

>Zoller


In der Folge gab es viele weitere Schwierigkeiten, die sogar<br />

den Abonnenten des »Zoller« gemacht wurden 207. Schließlich<br />

fiel »Der Zoller« der »Gleichschaltung der deutschen<br />

Presse« zum Opfer und mußte zum 1. April 1936 sein<br />

Erscheinen einstellen 208.<br />

»Hohenzollerische Landeszeitung«<br />

In Hohenzollern - vor allem im Raum Haigerloch und im<br />

sogenannten »hinteren Bezirk«-war zwischen 1921 und dem<br />

Ende dieser Untersuchung eine Zeitung mit dem Titel<br />

»Hohenzollerische Landeszeitung« vertreten, die freilich in<br />

Horb hergestellt wurde. Es handelte sich um eine Kopfzeitung<br />

der »Horber Chronik« (später »Schwarzwälder Volksblatt«)<br />

aus dem Verlag von Paul Christian in Horb 209.<br />

Die mit Jahresbeginn 1921 herausgekommene Zeitung trug<br />

als Erscheinungsort Sigmaringen. Die »Hohenz. Volkszeitung«<br />

in Sigmaringen kommentierte die Neuerscheinung:<br />

»Da uns bis zur Stunde von einer Neugründung am Ort<br />

nichts bekannt geworden war, so ergab sich bei näherem<br />

Zusehen, daß es sich um einen Ableger der im Unterland mit<br />

einigen Dutzend Exemplaren vertretenen >Horber Chronik«<br />

handelt, die durch den kostenlosen Abdruck der Bekanntmachungen<br />

für die Oberämter Hechingen und Haigerloch ihre<br />

Daseinsberechtigung als ><strong>hohenzollerische</strong>s Organ für Landwirtschaft<br />

und Mittelstand« zu beweisen sucht. Ihre Nachrichten<br />

aus Hohenzollern hat die Horber Chronik bisher<br />

zum größten Teil aus <strong>hohenzollerische</strong>n Blättern bezogen. Es<br />

muß daher abgewartet werden, in wieweit diese Gepflogenheit<br />

von dem Ableger übernommen werden muß. Ohne dem<br />

Kopfblatt der Horber mehr Beachtung schenken zu wollen,<br />

als ihm bei seiner Unbedeutenheit zukommt, muß es doch als<br />

absurd bezeichnet werden, daß sich das württembergische<br />

Blatt als Vertreterin der Interessen der Hohenzollerischen<br />

Landwirtschaft und des Mittelstandes aufzuspielen versucht.<br />

Die <strong>hohenzollerische</strong> Bevölkerung hat es wahrlich nicht<br />

nötig, ihre Interessenvertretung jenseits der Landesgrenze zu<br />

suchen. Nicht recht ersichtlich ist auch, weshalb die neue<br />

Horberin Sigmaringen als Erscheinungsort vortäuscht, da sie<br />

doch von vornherein dazu verurteilt sein wird, ihr kümmerliches<br />

Dasein in einigen Grenzorten des Unterlandes zu beschließen<br />

210.<br />

»Revolverjournalisten«<br />

Auch »Der Zoller« in Hechingen ging kritisch auf die Berichterstattung<br />

der »Hohenz. Landeszeitung« ein und schrieb:<br />

»Die sogenannte >Hohenzollerische LandeszeitungHohenz. Landeszeitung< erscheint, hat sich bisher redlich<br />

bemüht, nach allen Regeln der Kunst zu stänkern und dem<br />

hohenz. Zentrum bei jedem Anlaß in den Rücken zu fallen.<br />

Wir haben dem pseudo-<strong>hohenzollerische</strong>n Blättchen seine<br />

Jugend bisher zu gute gehalten und konnten es begreifen, daß<br />

auch eine Zeitung so etwas wie >Sturm- und Drangperiode«<br />

durchzumachen haben kann. Aber Tollheiten können sich zu<br />

konstanten Gewohnheiten verdichten und gemeingefährlichen<br />

Charakter annehmen - und dann hört schließlich auch<br />

28<br />

die schwäbische Gemütlichkeit auf. Jedenfalls ist das Gebahren<br />

der Zeitung seit ihrem kurzfristigen <strong>hohenzollerische</strong>n<br />

Dasein äußerst merkwürdig und es wird es von Tag zu Tag<br />

mehr. Nachdem in der neuesten Nummer 78 gar die Behauptung<br />

aufgestellt wird, die >Hohenz. Landeszeitung< sei politisch<br />

ein Zentrumsblatts wollen wir doch einmal das Angesicht<br />

dieser holden Sphinx einmal gründlicher lüften. 1. Die<br />

»Hohenzollerische Landeszeitung< ist durchaus kein Zentrumsblatt!<br />

Es ist öde Bauernfängerei und politischer<br />

Geschäftskniff, wenn man sich aus naheliegenden Gründen<br />

in Hohenzollern ein katholische Mäntelchen umhängt. Nie,<br />

aber auch gar nie, hat sich der Verlag Paul Christian in Horb<br />

an die Zentrumsleitung gewandt, um als Zentrumsblatt anerkannt<br />

zu werden... 2. Die 'Hohenzollerische Landeszeitung<<br />

steht dem Zentrum nicht einmal nahe. Im Gegenteil sie<br />

bekämpft es mit Heftigkeit... 3. Was ist denn nun die<br />

'Hohenzollerische Landeszeitung


^ fiobcnjollctifdiß ^<br />

tmtiicsjcitiiiiii<br />

Unabhängiges Tagblatt für deutsches Land und Volk ^ ^<br />

Brsugl^riil: gret £>aul bui$ ïr&aer mena 11:4 JRSJt. 1.50. loin® le Çoiï monatluft W9JÏ 1.90. 3m Oath bflberer Semait bffttbt [etn Vn[pru


Kreisausschußmitglied Wallishauser fort. Die beiden Blätter,<br />

die sich auch in dieser Sache wie in Anderem nobel zu<br />

verbrüdern beginnen, wollen meine Angelegenheit nicht zur<br />

Ruhe kommen lassen.. .« 226 Wallishauser nahm seine Tätigkeit<br />

als Miglied des Kreisausschusses, Kommunallandtags<br />

und Landesausschusses wieder auf. »Der Zoller« schrieb<br />

hierzu: »Friedrich Wallishauser hat seit August letzten Jahres<br />

wegen bestimmter Vorkommnisse seine Mandate nicht mehr,<br />

ausgeübt. Wie uns mitgeteilt worden ist, will man sich<br />

innerhalb der >Freien Wählervereinigung« nicht damit zufrieden<br />

geben, daß Friedrich Wallishauser nur auf sein Kreistagsmandat<br />

verzichtet« 227.<br />

Der Streit wurde auch im Jahre 1932 fortgesetzt. Im April<br />

1932 legte Wallishauser seine Mandate zum Kommunallandtag,<br />

Landesausschuß und Kreisausschuß nieder. Uber das<br />

Mandat zur Hechinger Stadtvertretung sagte er nichts aus.<br />

Als Begründung gab er an, nach den Preußenwahlen entspräche<br />

die Zusammensetzung dieser Körperschaften nicht mehr<br />

dem Volkswillen und aus Achtung vor diesem Willen lege er<br />

die Mandate nieder. Die »Hohenz. Blätter« hierzu: »Nun<br />

muß ja sicherlich jedes Ding seinen Namen haben, aber über<br />

diese Begründung kann sich nur >ein allgemeines Schütteln<br />

des Kopfes« erheben.. ,« 228.<br />

Nationalsozialistische Tageszeitung<br />

Seit 1931 hatte die Landeszeitung einen neuen Zeitungskopf,<br />

links neben der Schrift prangte das Hohenzollernwappen.<br />

Der Untertitel lautete: »Unabhängiges Tagblatt für deutsches<br />

Land und Volk« 229. Im folgenden Jahr wurde wieder eine<br />

neue Schrift für den Kopf gewählt, das Wappen war jetzt<br />

rechts 230. Eindeutig stellte sich die Zeitung - spätestens ab<br />

1933 - auf die Seite des Dritten Reiches. 1933 stand zu lesen:<br />

»Die Hohenz. Landeszeitung wird auch künftighin das Sprachrohr<br />

besonders der Hohenz. Bauernschaft sein und bleiben.<br />

Die Behauptungen, die Hohenzollerische Landeszeitung<br />

erscheine nicht mehr, sind unwahr« 231. Von Juli 1933 an<br />

führte die Landeszeitung den Untertitel »Nationalsozialistische<br />

Tageszeitung für Hohenzollern« 232. Täglich wurden im<br />

»Schwarzen Brett« Termine und Bekanntmachungen der<br />

NSDAP veröffentlicht.<br />

»Der Zoller« teilte seinen Lesern mit, die »Hohenz. Landeszeitung«<br />

habe im Zeitungskopf angekündigt, daß sie »NationalsozialistischeTageszeitung<br />

für Hohenzollern, Parteiamt I i -<br />

ches Organ und Amtsblatt sämtlicher Behörden« sei. Es<br />

heiße ferner, die Landeszeitung sei »Mitteilungs- und Veröl -<br />

fentlichungsblatt der Reichs-, Staats- und Gemeindebehörden<br />

in Stadt und Kreis Haigerloch.« Die Geschäftsstelle in<br />

Hechingen sei aufgehoben, dem Redakteur Friedrich Wallishauser<br />

sei gekündigt und Weisung gegeben worden, seine<br />

Tätigkeit für die Landeszeitung einzustellen 233. In der Tat<br />

erschien im Impressum Wallishauser nicht mehr. Es fand sich<br />

nur noch der Eintrag »Hauptgeschäftsstelle NS-Zeituni;<br />

GmbH Horb, Verantwortlich: Fr. Schäfer, Haigerloch« 2,4.<br />

Das Impressum wurde wenige Tage später geändert: »Verantwortlicher<br />

Hauptschriftleiter Ludwig Eduard Fleischmann.<br />

Für Haigerloch: Fr. Schäfer, Haigerloch« 235. Eine<br />

weitere Umgestaltung erfuhr der Zeitungskopf im Juli<br />

19 3 3 236.<br />

»Stunde der Abrechnung gekommen«<br />

In zahlreichen Aufrufen hetzte die »Hohenz. Landeszeitung»<br />

gegen alle Nichtnationalsozialisten, vor allem auch<br />

gegen solche Zeitungen. Im Juli 1933 fand sich folgender<br />

Text: »SA-Mann von Hohenzollern, hinaus mit der schwarzen<br />

und liberalen Presse aus Deinem Haus! Sorge dafür, daß<br />

30<br />

man auch in Hohenzollern merken kann, daß die Stunde der<br />

Abrechnung gekommen ist« 237.<br />

Auch aus ihrer Haltung zum neuen Regime machte die<br />

»Hohenz. Landeszeitung« beispeilsweise mit nachstehender<br />

Eigenanzeige keinen Hehl: »Die Hohenz. Landeszeitung, die<br />

als erste Zeitung Hohenzollerns den nationalen Gedanken in<br />

unermüdlichem, oft schwerem Kampfe in die vielfach anderen<br />

Einflüssen unterlegene Bevölkerung hineingetragen und<br />

damit als erste Zeitung Hohenzollerns dem neuen Deutschland<br />

in unserer <strong>hohenzollerische</strong>n Heimat freie Bahn geschaffen<br />

hat, erscheint als parteiamtlich anerkannte nationalsozialistische<br />

Tageszeitung und wird in ganz Hohenzollern gelesen.<br />

.. Kampforgan für unseren Führer Hitler, als Bauernblatt<br />

zur besonderen Vertretung der bäuerlichen Belange, als<br />

Heimatzeitung für Hohenzollern« 238.<br />

Im gleichen Monat erschienen folgende beiden Anzeigen:<br />

»SA-Männer des Unterlandes! Sorgt dafür, daß in keinem<br />

Hause Eurer Gemeinde mehr eine schwarze oder judenfreundliche<br />

Zeitung gehalten wird! Werbt für Eure NS-<br />

Presse: die Hohenzollerische Landeszeitung« 239. Ferner:<br />

»Die einzige parteiamtlich anerkannte Zeitung im Bezirk<br />

Haigerloch ist die 'Hohenzollerische Landeszeitung«! Alle<br />

amtlichen Anzeigen und Bekanntmachungen für den Bezirk<br />

erscheinen in Zukunft nur noch in der >Hohenzollerischen<br />

Landeszeitung« 240.<br />

Rascher Fall<br />

Trotz ihrer eindeutigen Haltung erlebte die »Hohenz. Landeszeitung«<br />

als NS-Zeitung ein rasches Ende. Warum, war<br />

nicht zu erfahren. Es erscheint denkbar, daß die »Hohenz.<br />

Blätter« - ebenfalls NS-Zeitung - dahinter steckten. Im<br />

Januar 1934 ist im »Zoller« zu lesen: »Die Hohenzollerische<br />

Landeszeitung ist aus dem NS-Presseverband Württemberg-<br />

Hohenzollern ausgeschieden. Sie ist nicht mehr parteiamtliches<br />

Organ der NSDAP. Das Amtsblatt des Bürgermeisteramts<br />

Haigerloch ist jetzt wieder der >Haigerlocher Bote«« 241.<br />

Der »Haigerlocher Bote« mußte freilich wenig später - wie<br />

oben dargestellt - sein Erscheinen einstellen. Einzige NS-<br />

Zeitung im Raum Haigerloch waren dann die »Hohenz.<br />

Blätter«. (Ende)<br />

" »Der Zoller« Nr. 211 v. 15. 9. 1919<br />

1.4 »Der Zoller« Nr. 212 v. 16. 9. 1919<br />

1.5 »Der Zoller« Nr. 199 v. 30. 8. 1926<br />

1.6 »Der Zoller« Nr. 7 v. 11. 1. 1927<br />

1.7 »Der Zoller« Nr. 29 v. 5. 2. 1932 ff.<br />

1.8 »Der Zoller« Nr. 149 v. 3. 7. 1933<br />

1.9 »Der Zoller« Nr. 196 v. 29. 8. 1933<br />

200 Siehe Anmerkung 198<br />

201 »Der Zoller« Nr. 152 v. 6. 7. 1933<br />

202 »Hohenz. Blätter« Nr. 153 v. 7. 7. 1933<br />

203 »Hohenz. Blätter« Nr. 161 v. 17. 7. 1933<br />

204 »Hohenz. Blätter« Nr. 163 v. 19. 7. 1933<br />

205 »Der Zoller« v. 2. 9. 1933<br />

206 »Der Zoller« Nr. 213 v. 20. 9. 1933<br />

207 »Siehe Anmerkungen 237 - 240<br />

208 Dieser Vorgang soll später einmal dargestellt werden.<br />

209 Jahrgänge 1926 - 1933 (mit großen Lücken) in der Hohenz.<br />

Landesbücherei Sigmaringen. Jahrgänge 1931, 1932 in der Hohenz.<br />

Heimatbücherei Hechingen.<br />

210 »Hohenz. Volkszeitung« Nr. 3 v. 5. 1. 1921<br />

211 »Der Zoller« Nr. 13 v. 18. 1. 1921<br />

212 »Der Zoller Nr. 73 v. 31. 3. 1921<br />

213 »Hohenz. Volkszeitung« Nr. 81 v. 9. 4. 1921<br />

214 »Der Zoller« Nr. 88 v. 17./18. 4. 1921<br />

215 Staatsarchiv Sigmaringen Ho 235 P, VIII, D, Nr. 59<br />

216 »Hohenz. Landeszeitung« Nr. 96 v. 27. 4. 1925<br />

217 »Der Zoller« Nr. 235 v. 11. 10. 1926<br />

218 »Hohenz. Volkszeitung« Nr. 8 v. 12. 1. 1927; Staatsarchiv<br />

Sigmaringen Ho 235 P, VIII, D, Nr. 60<br />

219 »Hohenz. Volkszeitung« Nr. 8 v. 12. 1. 1927<br />

220 »Hohenz. Volkszeitung« Nr. 48 v. 28. 2. 1927


221 »Der Zoller« Nr. 229 v. 6. 10. 1927<br />

222 »Der Zoller« Nr. 49 v. 28. 2. 1928<br />

223 »Hohenz. Landeszeitung« Nr. 26 v. 2. 2. 1931<br />

224 »Der Zoller« Nr. 24 v. 30. 1. 1931<br />

225 Siehe Anmerkung 224<br />

226 »Hohenz. Landeszeitung« Nr. 140 v. 22. 6. 1931<br />

227 »Der Zoller« Nr. 82 v. 10. 4. 1931<br />

228 »Hohenz. Blätter« Nr. 101 v. 2. 5. 1932<br />

229 »Hohenz. Landeszeitung« Nr. 173 V. 31. 7. 1931<br />

230 »Hohenz. Landeszeitung« Nr. 15 v. 20. 1. 1932<br />

231 »Hohenz. Landeszeitung« Nr. 137 v. 18. 6. 1933<br />

Buchbesprechungen<br />

»Die Kelten in Baden-Württemberg«<br />

Herausgegeben von Kurt Bittel, Wolfgang Kimmig und<br />

Siegwalt Schiek.<br />

Als drittes landeskundliches Standardwerk nach »Die Römer<br />

in Baden-Württemberg« und »Die Alemannen« ist jetzt »Die<br />

Kelten in Baden-Württemberg« erschienen.<br />

Auf der Grundlage des neuesten Forschungsstandes soll dem<br />

interessierten Laien im allgemeinen Teil eine fundierte Übersicht<br />

vermittelt werden. Das Kapitel, Die Kelten und wir,<br />

bringt u. a. eine interessante Forschungsgeschichte, welche es<br />

in dieser Form noch nie gegeben hat. Weiter wird berichtet<br />

über Geschichte, Staat, Siedlung, Religion, Kulte, Bestattungsbräuche,<br />

Tracht, Bewaffnung, Kunst, Handwerk,<br />

Münzen und schließlich über die Beziehungen der Kelten<br />

zum Mittelmeer, dessen Kulturen uns viel vertrauter sind, als<br />

das, was um die gleiche Zeit bei uns vorhanden war. Dankbar<br />

ist man für die vielen Abbildungen und Rekonstruktionszeichnungen.<br />

Im topographischen Teil des Buches werden von Aalen bis<br />

Zwiefalten alle keltischen Bodendenkmäler, Grabungen und<br />

Funde behandelt. Ausschnitte aus den topographischen Karten<br />

1 :25 000 erleichtern das Auffinden von Bodendenkmälern<br />

im Gelände. 536 Seiten mit 438 Abbildungen, davon 30<br />

in Farbe, Zeittafel, Literaturverzeichnis, ausführliche Orts-,<br />

Namen- und Sachregister. Preis DM 68.- Konrad Theiss<br />

Verlag, Stuttgart. B.<br />

»Barock in Baden-Württemberg« von Volker Himmelein,<br />

Klaus Merten, Wilfried Setzier, Peter Anstett.<br />

Die Barockkunst in einem historisch so heterogenen Gebiet<br />

wie Baden-Württemberg unter einen Hut zu bringen, ist<br />

sicher nicht einfach. Vor allem in Oberschwaben, wo die<br />

Barockzeit mancherorts bis heute andauert, ist man gegenüber<br />

dem »Barockjahr« eher skeptisch. Daß die Gesamtschau<br />

in diesem Buch gelang, ist der Sachkenntnis der Verfasser zu<br />

danken.<br />

Die Einleitung über das Zeitalter des Barock in Baden-<br />

Württemberg zeigt, unter welchen Einflüssen die<br />

Barockkunst in Südwestdeutschland entstand und gibt einen<br />

Überblick über Baumeister und Künstler, welche hier tätig<br />

waren.<br />

Der beschreibende Teil ist gegliedert in »Die Residenzen«,<br />

»Die Klöster« und »Barock in Stadt und Land«. Dieser<br />

Hauptteil des Buches besteht aus Bildern und zugehörigen<br />

Beschreibungen. Dabei ist zu vermerken, daß sowohl Bilder,<br />

wie Text von bester Qualität sind. Ein Lob dem Hubschrauber,<br />

der Fotos ermöglicht, welche auch die Barockbaumeister<br />

entzücken würden. Bilder von Kirchen und Prunkräumen, in<br />

die man glaubt hineingehen zu können, wechseln ab mit<br />

köstlichen Einzelheiten. Bei aller Barockbegeisterung sollte<br />

man die Restauratoren nicht vergessen, denn ohne sie könnte<br />

man vieles überhaupt nicht und anderes nur mit wesentlich<br />

weniger Glanz bewundern.<br />

232 »Hohenz. Landeszeitung« Nr. 2 v. 3. 7. 1933 (Nr. 1 nicht<br />

vorhanden)<br />

233 »Der Zoller« Nr. 149 v. 3. 7. 1973<br />

234 Siehe Anmerkung 232<br />

235 »Hohenz. Landeszeitung« Nr. 5 v. 6. 7. 1933<br />

236 »Hohenz. Landeszeitung« Nr. 9 v. 11. 7. 1933<br />

237 »Hohenz. Landeszeitung« Nr. 10 v. 12. 7. 1933<br />

238 »Hohenz. Landeszeitung« Nr. 13 v. 15. 7. 1933<br />

239 »Hohenz. Landeszeitung« Nr. 14 v. 17. 7. 1933<br />

2,0 »Hohenz. Landeszeitung« Nr. 19 v. 22. 7. 1933<br />

241 »Der Zoller« Nr. 22 v. 27. 1. 1934<br />

Barock in Baden-Württemberg, Konrad Theiss Verlag, Stuttgart.<br />

256 Seiten mit 168 Tafeln, davon 78 in Farbe. Großbildband<br />

im Schuber DM 89.-. B.<br />

Chronik des Truppenübungsplatzes u. der Garnison Heuberg<br />

bei Stetten akM. Hrsg. v. Alfred Wolf, Eigenverlag; Inzigkofen<br />

1980. Klaus Hörter/Manfred Hensel<br />

Mit diesem Buch möchten die Verfasser anläßlich des 70jährigen<br />

Bestehens des Truppenübungsplatzes Heuberg »einen<br />

Beitrag zur örtlichen Geschichte in ihrer Beziehung zur<br />

deutschen Geschichte leisten« (Vorwort, S. 8). Ein<br />

anspruchsvolles Unterfangen, nicht ein »Heimatbuch im<br />

klassischen Sinn« sollte entstehen, denn »mit der Existenz des<br />

Truppenübungsplatzes Heuberg tritt die örtliche Geschichte<br />

in deutsche, selbst europäische Zusammenhänge ein und<br />

spiegelt in lokaler und sehr verdichteter Ausprägung die<br />

tragische Entwicklung der deutschen Geschichte dieses Jahrhunderts«<br />

(Vorwort, S. 7).<br />

Man hätte dem Buch mit Verlaub eine bessere Gliederung<br />

gewünscht, um dieses anspruchsvolle Unterfangen der Autoren<br />

besser zu verdeutlichen. Dennoch läßt sich die Abhandlung<br />

in 2 Hauptteile gliedern; so finden wir in einem 1. Teil<br />

Beiträge zur Ortsgeschichte und Landeskunde rund um den<br />

Heuberg, in einem 2. Teil die eigentliche Chronik entsprechend<br />

dem gewählten Buchtitel.<br />

Volksglaube, Legende, Sage, Mythos werden untersucht in<br />

den Beiträgen zur Dreitrittenkapelle und zur eh. Sebastianskapelle.<br />

Versorgungswirtschaftliche Probleme werden angesprochen<br />

in dem Artikel über die Wasserversorgung auf dem<br />

Heuberg, einem typischen Mangelgebiet im schwäb. Karst.<br />

Volkskunde, Sitte und Brauchtum, besonders die Stettener<br />

Fastnacht in ihrer alemannischen Verwurzelung, werden als<br />

typisch bodenständig herausgearbeitet und dargestellt.<br />

In einem weiteren Exkurs werden die Gemeinden und<br />

Gemeindeteile rund um den Truppenübungsplatz in ihrer<br />

Geschichte und ihrer Beziehung zu diesem Gelände vorgestellt.<br />

Diese Beiträge, die von Mitarbeitern zugeliefert wurden,<br />

sind in ihrer Intention jeweils unterschiedlich angelegt;<br />

die jeweilige Ortsgeschichte muß fragmentarisch bleiben.<br />

Dennoch wird so etwas wie »Schicksalsgemeinschaft um den<br />

großen Heuberg« lebendig.<br />

In einem weiteren Kapitel dieses Teils folgen »Skizzen zur<br />

Geschichte der Heuberglandschaft und des Marktortes Stetten<br />

akM.« und schließlich eine »Kurzchronik« des Marktortes<br />

Stetten akM. mit historischen, kommunalpolitischen und<br />

kirchengeschichtlichen Entwicklungslinien, die doch etwas<br />

mehr als nur eine Kurzchronik abgeben.<br />

Diese <strong>heimat</strong>geschichtliche Abhandlung im 1. Teil macht das<br />

Buch dennoch zu einem »Heimatbuch im klassischen Stil«, in<br />

dem im populärwissenschaftlichen Stil Landeskunde im<br />

31


Verlag: <strong>Hohenzollerischer</strong> Geschichtsverein<br />

Karlstraße 3, 7480 Sigmaringen<br />

W <strong>3828</strong> FX<br />

Postvertriebsstück. Gebühr bezahlt.<br />

Lokalcolorit vermittelt wird. Auf einige Unkorrektheiten<br />

muß allerdings noch hingewiesen werden:<br />

a) S. 19/20 Die Dreibannmarken bildeten die sog. Dreiländergrenze<br />

zwischen Baden, Württ. u. Hohenzollern erst<br />

seit 1810, bzw. richtiger noch seit 1836, als Stetten akM.<br />

unter badische und Frohnstetten unter hohenz. Landeshoheit<br />

kamen.<br />

In der Tat handelt es sich um einen markanten und sehr<br />

alten Grenzpunkt, der 3 Herrschaftsgebiete geschieden<br />

hat, nämlich Württemberg, deshalb die Hirschstangen,<br />

die Herrschaft Straßberg unter Eitelfriedrich von Westerstetten,<br />

deshalb das westerstettische, nicht hohenz. Wappen,<br />

und die Herrschaft Stetten-Hausen, deshalb das H.<br />

Die Buchstaben AP wurden von den Militärs erst später<br />

hinzugefügt. Damit erweist sich die Buchstabenkombination<br />

HAP als Irrläufer. Im übrigen dürfte der Siedlungsname<br />

von Stetten akM. auf diese Bannmarke zurückgehen:<br />

Stetten »an/auf der kahlen/kalten Mark«, woraus<br />

dann später die Geschichte von der erfrorenen Ziege auf<br />

dem kalten Markt wurde.<br />

b) S. 14 Der Bildhauer Schilling aus Straßberg, nicht Straßburg,<br />

schuf die Skulptur des Hl. Sebastian. Die eh.<br />

Sebastianskapelle ist laut Eisele, Patrozinien in Hohenz.,<br />

schon 1619 genannt.<br />

c) S. 61 Um Mißverständissen vorzubeugen muß bei Glashütte<br />

das eh. herrschaftliche Glashütterhofgut gemeint<br />

sein und nicht die Orte Ober- u. Unterglashütte.<br />

d) S. 200 Das alte Kriegerdenkmal wurde abgerissen, die hier<br />

falsche Bildunterschrift gehört zum Bild S. 203.<br />

Ab der Seite 83 wird der eigentliche Hauptteil des Buches<br />

abgehandelt. Die Chronik des Übungsplatzes und der Garnison<br />

wird sehr ausführlich, mit großer Liebe zum Detail und<br />

mit vielen wertvollen, weil dokumentarischen Illustrationen<br />

entfaltet und in den Kontext zur dt. Geschichte des 20.<br />

Jahrhunderts gestellt. Hier wird in der Tat die Lokalgeschichte<br />

zur leidvoll erfahrenen Geschichte der Deutschen,<br />

das Einzelschicksal Symbol für das Gesamtschicksal des<br />

deutschen u. anderer europäischer Völker durch zwei Weltkriege<br />

mit all ihren Begleitumständen u. bitteren Folgen. Der<br />

friedenssichernde Auftrag der Bundeswehr als Rechtsnachfolger<br />

auf dem Heuberg bekommt hier seinen historischen<br />

Auftrag, seine verteidigungspolitische Begründung.<br />

Im einzelnen gliedert sich dieser Teil in folgende Unterthemen:<br />

- Vorgeschichte u. Entstehung eines Übungsplatzes auf dem<br />

Heuberg<br />

HOHENZOLLERISCHE HEIMAT<br />

hrsggbn. vom Hohenz. Geschichtsverein.<br />

Die Zeitschrift »Hohenzollerische Heimat«<br />

ist eine <strong>heimat</strong>kundliche Zeitschrift. Sie will<br />

besonders die Bevölkerung in Hohenzollern<br />

und der angrenzenden Landesteile mit der<br />

Geschichte ihrer Heimat vertraut machen. Sie<br />

bringt neben fachhistorischen auch populär<br />

gehaltene Beiträge.<br />

Bezugspreis: 6,00 DM jährlich.<br />

Konten der »Hohenzollerischen Heimat«:<br />

802507 Hohenz. Landesbank Sigmaringen<br />

12363-707 Postscheckamt Stuttgart<br />

Druck: M. Liehners Hofbuchdruckerei KG,<br />

7480 Sigmaringen, Karlstraße 10.<br />

32<br />

Die Autoren dieser Nummer:<br />

Geistl. Rat Wilhelm Burth<br />

Herrenstraße, 7800 Freiburg<br />

Gerhard Deutschmann<br />

Jägerweg 5, 7471 Straßberg<br />

]oh. Adam Kraus<br />

Erzb. Archivar i. R.<br />

Badstraße 8, 7800 Freiburg<br />

Diego Häußel<br />

Rektor<br />

7487 Gammertingen<br />

Johann Wannenmacher<br />

Schulrat i. R.<br />

7487 Gammertingen<br />

Karl Werner Steim<br />

Tiefental 17, 7453 Burladingen<br />

- Interessenkonflikt um den Lagerstandort<br />

- Errichtung u. Ausbau des Platzes u. des Lagers<br />

- Verhältnis von Gemeinde Stetten u. Lager während des 1.<br />

Weltkrieges<br />

- Ersatzverwendung in der Zeit der Weimarer Republik:<br />

Kindererholungsheim auf dem Heuberg<br />

Mit Beginn des Dritten Reiches folgen dunkle Kapitel:<br />

- Der Heuberg wird Schutzhaftlager<br />

- Die dt. Wehrmacht auf dem Heuberg<br />

- Bewährungseinheit 999<br />

- Die Wlassow-Armee auf dem Heuberg<br />

- Das Rakatenprojekt Natter, der 1. bemannte Rakatenversuch<br />

der Geschichte<br />

- Kriegsende und Nachkriegszeit<br />

Es ist gut so, daß hier der unbeschönigte Versuch gemacht<br />

wurde, ein Stück deutscher Vergangenheit aufzuarbeiten und<br />

zu bewältigen. Hier ist jeder Leser angesprochen, in seiner<br />

Humanität gefordert. Diese Kapitel möchte man jedem Bundeswehrsoldaten,<br />

jedem jungen Menschen zum Lesen empfehlen.<br />

Aus der Nachkriegsgeschichte arbeiten die Autoren 2<br />

Schwerpunkte heraus:<br />

- Die franz. Einheiten auf dem Heuberg<br />

- Die Bundeswehr auf dem Heuberg, 20 Jahre Truppenübungsplatzkommandantur.<br />

Das partnerschaftliche Verhältnis zwischen den verschiedenen<br />

übenden Truppen einerseits u. den Bürgern in Uniform<br />

u. der Garnisonsgemeinde Stetten akM. andererseits wird<br />

heute gepflegt in nationalen und internationalen Veranstaltungen<br />

u. schließlich in der Jumelage zwischen Stetten akM.<br />

und der franz. Gemeinde Montlhery; damit schließt die<br />

Chronik.<br />

Hier wurde der nicht leichte Versuch gemacht, Heimatgeschichte,<br />

Militärgeschichte und deutsche Geschichte in der<br />

Chronik eines Übungsplatzes zu verdichten. Dieses Unterfangen<br />

erscheint trotz der vorgegebenen Schwierigkeiten<br />

gelungen. Daß manche Passagen gedoppelt sind, liegt vermutlich<br />

in der größeren Zahl der Mitarbeiter und der vermutlich<br />

etwas übereilten Schlußredaktion.<br />

Man möchte diesem Buch, zumal es im Eigenverlag eines<br />

Einzelherausgebers erscheint, nicht nur einen großen Leserkreis<br />

unter den <strong>heimat</strong>geschichtlich Interessierten, sondern<br />

vornehmlich in der heranwachsenden Generation wünschen.<br />

Straßberg Gerhard Deutschmann<br />

Schriftleitung:<br />

Dr. med. Herbert Burkarth,<br />

7487 Gammertingen (Telefon 07574/2329)<br />

Die mit Namen versehenen Artikel geben die<br />

persönliche Meinung der Verfasser wieder;<br />

diese zeichnen für den Inhalt der Beiträge<br />

verantwortlich. Mitteilungen der Schriftleitung<br />

sind als solche gekennzeichnet.<br />

Manuskripte und Besprechungsexemplare<br />

werden an die Adresse des Schriftleiters erbeten.<br />

Wir bitten unsere Leser, die »Hohenzollerische<br />

Heimat« weiter zu empfehlen.


HOHENZOLLERISCHE<br />

HEIMAT<br />

Herausgegeben vom<br />

W <strong>3828</strong> FX<br />

Hohenzollerischen Geschichtsverein<br />

31.Jahrgang Nr. 3 / September 1981<br />

Der 1868 erbaute Kursaal in Bad Imnau. Rechts der Fürstenbau, welcher 1872 um zwei Geschosse aufgestockt wurde. Holzstich um 1870,<br />

Druck von Emil Ebner.<br />

ECKART HANNMANN<br />

Der Kursaal von Bad Imnau Ein Werk des Architekten Wilhelm Baeumer<br />

Während gegenwärtig in Deutschland die Kurbäder des 19.<br />

Jahrhunderts, z.T. unterstützt von der Fritz-Thyssen-Stiftung,<br />

mit großem Aufwand wissenschaftlich aufgearbeitet<br />

werden, diskutiert man in Bad Imnau den Abbruch des<br />

einzigen Kursaalgebäudes dieser Zeit im Regierungsbezirk<br />

Tübingen. Ein Abbruchantrag ist gestellt. Wie die Entscheidung<br />

ausgeht, ist gegenwärtig noch nicht zu beurteilen. Das<br />

Landesdenkmalamt versucht mit allen ihm zur Verfügung<br />

stehenden Mitteln, den drohenden Abbruch des als »Kulturdenkmal<br />

von besonderer Bedeutung« eingestuften Gebäudes<br />

abzuwehren. Die Chancen für eine Erhaltung sind ungewiß.<br />

Der Kursaal steht seit Jahren leer, wird hin und wieder als<br />

Lagerraum genutzt und befindet sich, da er überwiegend aus<br />

Holz in Leichtbauweise konstruiert wurde, in einem relativ<br />

schlechten baulichen Zustand, nicht zuletzt auch deshalb,<br />

weil seit Jahren keine normale Bauunterhaltung mehr stattgefunden<br />

hat.<br />

Geschichte des Kurbades<br />

Bad Imnau, heute zur Stadt Haigerloch im Zollernalbkreis<br />

gehörend, liegt malerisch im unteren Teil des Eyachtales.<br />

Schon seit dem 16. Jahrhundert sind die Imnauer Heilquellen<br />

bekannt. Einer der ersten bedeutenden »Kurgäste« soll der<br />

1590 gestorbene Markgraf Jakob III. von Baden-Hochberg<br />

gewesen sein. Anfang des 18. Jahrhunderts erfahren wir<br />

genaueres über den Kurort. Der in Sulz lebende Arzt Dr.<br />

Samuel Caspar, der 1733 auch eine Schrift über den Imnauer<br />

Sauerbrunnen verfaßte, hatte von Fürst Joseph Friedrich von<br />

Hohenzollern-Sigmaringen den Auftrag erhalten, zusammen<br />

mit dem Tübinger Apotheker Gmelin das Heilwasser zu<br />

untersuchen. Diese Untersuchung fiel positiv aus; das Wasser<br />

sei »von angenehmen Geschmacke und recht geistreich«.<br />

Daraufhin ließ der Fürst 1733 den heute noch stehenden, in<br />

späteren Zeiten mehrfach veränderten Fürstenbau errichten.<br />

Das Gebäude war ursprünglich ein langgestreckter zweigeschossiger<br />

Putzbau mit Sandsteingliederungen und Mansarddach.<br />

1872 wurde dieser Bau um zwei zurückgesetzte<br />

Geschosse aufgestockt, so daß über dem ehemaligen Hauptgesims<br />

ein umlaufender Balkon mit einem schmiedeeisernen<br />

Geländer entstand. Die Mitte des elfachsigen, von gequaderten<br />

Lisenen rhythmisierten Baues akzentuiert das reich ausgebildete<br />

Sandsteinportal mit seinem gesprengten Giebel und<br />

dem fürstlichen Alliancewappen. Darunter steht die Inschrift<br />

BENEDICTE FONTES ET OMNIA, QUAE MOV-<br />

ENTUR IN AQUIS DOMINO (Preist den Herrn, ihr<br />

Quellen und alles, was sich im Wasser bewegt). Im Erdgeschoß<br />

weisen die Räume meist Tonnen- oder Kreuzgewölbe<br />

auf. Im Obergeschoß befanden sich neun Zimmer, die dem<br />

Fürsten und seiner Familie vorbehalten waren.<br />

Unter dem Nachfolger des Fürsten Joseph nahmen »Schwelgerei<br />

und Hasardspiel« zu; der Kurbetrieb ging zurück. Erst<br />

Fürst Anton Alois von Hohenzollern kurbelte das Badeleben<br />

Ende des 18. Jahrhunderts wieder an. Er ließ die Quelle<br />

fassen, neue Gebäude, vor allem ein Badehaus, errichten und


Terrassen, Gärten, Wege, Alleen und einen Kurpark anlegen.<br />

Außerdem wurde eine fürstliche Badeverwaltung geschaffen.<br />

Ein 1795 datierter Kupferstich gibt einen relativ genauen<br />

Uberblick. In der Mitte steht beherrschend der Fürstenbau,<br />

seitlich gerahmt von terrassierten Gärten und zu den Bergen<br />

hin abgeschlossen durch eine turmbesetzte Mauer. Davor<br />

entfaltet sich der im Stile eines englischen Landschaftsgartens<br />

angelegte Kurpark, den im Vordergrund zwei Pavillons<br />

flankieren. Ein Ende des 18. Jahrhunderts entstandener<br />

Alternativentwurf, signiert von W. Strack, mit einer auf den<br />

Fürstenbau zuführenden Mittelallee, die zu einem Landschaftspark<br />

führt, wurde wohl wegen seiner heterogenen<br />

Gestaltungsweise nicht realisiert.<br />

1826 ging das Kurbad in Privatbesitz über. Der neue Besitzer,<br />

Franz Hillenbrand aus Augsburg, erweiterte die bauliche<br />

Anlage und erschloß neue Quellen. Trotz Modernisierungen<br />

sank die Zahl der Kurgäste aber von 230 im Jahre 1844 auf 49<br />

im Jahre 1861. Mit Max Frey, der 1862 das Bad für 42650<br />

Gulden kaufte, begann ein neuer Aufschwung. Schon 1862<br />

kamen wieder 107 Gäste, 1872 waren es bereits 1100, darunter<br />

zahlreiche Schweizer, Österreicher, Engländer, Amerikaner<br />

und Russen. In dieser Blütezeit des Bades wurde neben<br />

anderen Gebäuden, etwa einer Kegelbahn, einem Vergnügungshaus<br />

(Tivoli) etc., 1868 auch der Kursaal errichtet. 1888<br />

mußte Frey das Bad wieder verkaufen. Uber eine Reihe von<br />

Zwischenstationen ging das Bad 1917 in den Besitz der<br />

Barmherzigen Schwestern vom Heiligen Kreuz in Hegne<br />

über, die auch heute noch Eigentümer des Stahlbades Imnau<br />

sind.<br />

Der Kursaal<br />

In einer zeitgenössischen Beschreibung zum Kursaal heißt es:<br />

»Im Jahre 1868 wurde der Bau des Kursaales erstellt. Dieses<br />

monumentale Gebäude, eine Hauptzierde von Imnau, welches<br />

den verbindenden Mittelpunkt zwischen Fürstenbau<br />

und Badehaus bildet, erhebt sein beflaggtes Haupt stolz in die<br />

luftige Höhe und bietet schon von ferne den ankommenden<br />

Gästen seinen freundlichen Willkommgruss entgegen. Dieser<br />

Bau wurde nach einem von Prof. Bäumer in Stuttgart, im<br />

italienischen Renaissancestil entworfenen Plane, aufgeführt,<br />

geziert mit passenden allegorischen Ornamenten, und ruht<br />

im Hintergrunde einer Estrade, deren Zutritt durch aufsteigende<br />

Staffeln vermittelt wird, während die Rückfront an die<br />

südlich-westliche Abdachung des Berges sich anlehnt. Im<br />

allgemeinen Ganzen macht der Bau den Eindruck eines<br />

architektonisch abgerundeten in sich harmonisch geflossenen<br />

Werkes, welches in seinem Innern einen Saal von 180'<br />

(Fuß, Anm. d. Red.) Länge, 40' Breite und 28' Höhe birgt,<br />

bestimmt für die gemeinschaftliche Tafel der Kurgäste und<br />

für Tanz. An der Vorderfront des Kursaales befindet sich ein<br />

freier Vorplatz (Vestibulum), von dem gleichen Rauminhalt,<br />

der den Kurgästen theils zum Ergehen im Freien, theils zum<br />

Zechen unter schützendem Gitterdach dient. Am 15. Juni<br />

1868 wurde dieser Kursaal mit einer besonderen Feierlichkeit<br />

eröffnet.« Bis auf die fehlende Ausstattung und die nicht<br />

mehr ursprüngliche Ausmalung ist der Kursaal fast unverändert<br />

erhalten. Den 52 m langen und lim tiefen eingeschossigen<br />

Baukörper deckt ein flachgeneigtes Satteldach. Die<br />

gesamte Konstruktion besteht weitgehend aus Holz und<br />

ausgeriegeltem Fachwerk. Auch das Dach weist eine einfache<br />

Bretterschalung auf, abgedichtet mit Bitumenbahnen. Zum<br />

Kurpark hin öffnet sich der Bau in großen aneinandergereihten<br />

und leicht gestelzten Rundbogenfenstern mit reicher<br />

Sprossengliederung. Lediglich die Kopfenden mit Eingängen<br />

in die Nebenräume sind geschlossen. Die ursprünglich vorgesehenen<br />

hier anstoßenden niedrigeren Flügelbauten wurden<br />

offenbar niemals ausgeführt.<br />

Besonders aufwendig ist der triumphbogenartig konzipierte<br />

34<br />

Haupteingang in der Mitte gestaltet. Er tritt leicht aus der<br />

Gebäudeflucht vor. Hermen flankieren die von einem Akroteriengiebel<br />

überdachte relativ kleine Tür. Die beiden Bogenzwickel<br />

schmücken Rosetten und Stabwerk, Motive, die sich<br />

in ähnlicher, nur vereinfachter Form in den Zwickeln der<br />

Rundbogenfenster wiederholen.<br />

Die Rundbogenfenster korrespondieren im Innern mit entsprechend<br />

gestalteten, allerdings geschlossenen Rundbogenarkaden<br />

an der Rückwand, deren Pfeiler auf einer<br />

kassettierten Täfelung aufsitzen und korinthische Kapitelle<br />

aufweisen. Den großen Saal unterteilt in Höhe des Mitteleinganges<br />

quer eine doppelte Bogenstellung. Die Nebenräume<br />

an den Kopfenden sind eingeschossig. Darüber befinden sich<br />

Emporen. Der Dachstuhl ist offen. Eisenbänder, die aus<br />

laubsägeartig durchbrochenen, reichverzierten Konsolen<br />

heraustreten und an einer aus dem First kommenden Stange<br />

mittig aufgehängt sind, unterstützen die Queraussteifung.<br />

Den First selber akzentuieren ähnlich wie die Konsolen<br />

gestaltete durchbrochen gearbeitete hölzerne Zierformen.<br />

Der Kursaal von Bad Imnau orientiert sich hinsichtlich seiner<br />

stilistischen Haltung, wie schon der zitierte Zeitgenosse<br />

feststellte, am »italienischen Renaissancestil«. Er ist eines der<br />

wenigen und für unser Gebiet frühesten Zeugnisse der Neurenaissance,<br />

die sich im Tübinger Bereich erst kurz vor der<br />

Jahrhundertwende durchsetzte (vgl. z. B. die 1891 errichtete<br />

Unversitätsnervenklinik in Tübingen; Denkmalpflege in<br />

Baden-Württemberg, 8. Jahrgang 1979, Heft 1, S. 1-7), den<br />

sich hier hartnäckig haltenden Nachklassizismus also erst<br />

verhältnismäßig spät überwand. Darüber hinaus ist der<br />

Imnauer Bau eines der wenigen Kurgebäude des 19. Jahrhunderts,<br />

die diese Neurenaissancerichtung der Architektur verkörpern.<br />

Die meisten vergleichbaren Gebäude, etwa Weinbrenners<br />

1821/22 gebautes Kurhaus in Baden-Baden, Thourets<br />

Kursaal in Bad Cannstatt von 1825 bis 1827 oder der nach<br />

einem Entwurf Schinkels 1822 bis 1827 von Cremer gebaute<br />

Elisenbrunnen in Aachen zeigen dagegen rein klassizistische<br />

Formen. Andere später errichtete Bauwerke, die mit dem<br />

Kurbetrieb zusammenhängen, wie die Neue Trinkhalle von<br />

Heinrich Hübsch in Baden-Baden, 1839 bis 1842 errichtet,<br />

Thourets 1836 bis 1847 in Wildbad gebautes Graf-Eberhards-<br />

Bad oder das dortige König-Karls-Bad von 1895 sind mit dem<br />

Imnauer Kursaal nicht ganz vergleichbar, weil Bauaufgabe<br />

und Zweckbestimmung unterschiedlich sind.<br />

Aber noch in weiteren Punkten unterscheidet sich der<br />

Imnauer Kursaal von anderen. Einmal erinnert er aufgrund<br />

der Reihung großer Rundbogenfenster - die meisten anderen<br />

Kursäle weisen als Front offene Säulenstellungen auf- eher an<br />

ein Orangeriegebäude. Der in Form eines Triumphbogens<br />

gestaltete Mittelrisalit läßt zum andern Anklänge an die<br />

Bahnhofsarchitektur des 19. Jahrhunderts, bei der der<br />

Triumphbogen als Eingangszone ein beliebtes Motiv darstellt,<br />

erkennen. Dieser Eindruck verstärkt sich noch im<br />

Innern, insbesondere was die Konstruktion des offenen<br />

Dachstuhles betrifft, die beinahe wörtlich von gleichzeitigen<br />

Bahnsteigüberdachungen übernommen zu sein scheint. Es<br />

wäre zweifellos vermessen, das kleine und bescheidene Dorf<br />

Bad Imnau mit den großen und weithin berühmten Bäderstädten<br />

zu vergleichen. Hinsichtlich der künstlerischen Qualität<br />

der Architektur braucht der Imnauer Kursaal jedoch<br />

kaum Vergleiche zu scheuen. Die Unterschiede liegen nicht<br />

so sehr im qualitativen Maßstab, sondern mehr in der Art und<br />

Weise der Bauausführung, d. h. der Materialwahl begründet.<br />

Während die Kurgebäude der großen Bäder massiv gebaut<br />

wurden, mußte man in Bad Imnau auf die billigere Ausführung<br />

in Holz zurückgreifen. Und dieser billigeren Bauweise<br />

ist es jetzt vor allem zuzuschreiben, daß große Erhaltungsprobleme<br />

bestehen.<br />

Eine weitere Gefahr droht dem Kursaal durch geplante


Erweiterungsbauten. Versuche, den Kursaal in diese Bauten<br />

zu integrieren, sind bislang fehlgeschlagen. Auch eine Versetzung<br />

in den Kurpark wurde bereits erwogen, aus finanziellen<br />

Gründen jedoch wieder verworfen. Angesichts des baulichen<br />

Zustandes würde eine eventuelle Versetzung wohl einem<br />

Neubau gleichkommen. Außerdem bereitet die heute geforderte<br />

ganzjährige Nutzung dieses ursprünglich nur für den<br />

Sommerbetrieb konzipierten Gebäudes fast unlösbare Probleme<br />

was Heizung, Wärmedämmung etc. betrifft.<br />

Der Architekt<br />

Abschließend noch ein Wort über den Architekten des<br />

Kursaales, Wilhelm Baeumer, der, wie viele andere Architekten<br />

des 19. Jahrhunderts, heute zu Unrecht in Vergessenheit<br />

geraten ist. Baeumer wurde 1829 in Ravensburg geboren und<br />

starb in Straßburg 1895. Ausgebildet wurde er am Polytechnikum<br />

in Stuttgart und an der Ecole des Beaux-Arts in Paris,<br />

»wo er mehrere Medaillen und Preise erhielt«. Als knapp<br />

Dreißigjähriger folgte er einem Ruf an das Stuttgarter Polytechnikum.<br />

Besonders verdient machte er sich hier um die<br />

Förderung des Kunstgewerbes und die 1869 unter seiner<br />

Leitung entstandene Kunstgewerbeschule. Bei einem Architekturwettbewerb<br />

für den Nordwestbahnhof in Wien wurde<br />

ihm der erste Preis zuerkannt. Daraufhin siedelte er 1870<br />

nach Wien über, stellte 1873 den Bahnhof fertig und kam im<br />

darauffolgenden Jahr wieder nach Stuttgart zurück. Die<br />

Anklänge an Motive der Bahnhofsarchitektur, die beim<br />

Kursaal zu beobachten sind, rühren zweifellos aus Baeumers<br />

gleichzeitiger Beschäftigung mit dem Wiener Bahnhofsbau<br />

her.<br />

Später ging Baeumer als Vorstand an die Baugewerbeschule<br />

nach Karlsruhe. Aus gesundheitlichen Gründen mußte er<br />

diese Tätigkeit nach fünf Jahren wieder aufgeben. Er gründete<br />

dann eine Kunstgewerbeschule in Bad Freiersbach. 1884<br />

siedelte er nach Straßburg über, wo er als Architekt und<br />

Privatdozent an der dortigen Universität bis zu seinem Tode<br />

wirkte. Baeumer fand neben seiner Lehrtätigkeit und praktischen<br />

Arbeit als Architekt auch immer wieder Zeit zu<br />

Veröffentlichungen. Außerdem war er Mitherausgeber der<br />

international verbreiteten kunstgewerblichen Zeitschrift<br />

»Gewerbehalle«. Leider gibt es bislang über diesen sicherlich<br />

nicht unbedeutenden Architekten des späten 19. Jahrhunderts<br />

keine zusammenfassende Darstellung seiner offenbar<br />

sehr vielseitigen Tätigkeit. In einer allgemeinen Charakteristik<br />

heißt es lediglich: »In der Mehrzahl der ersten Stuttgarter<br />

Bauten zeigte sich Baeumer sehr entschieden von den Eindrücken<br />

seines Pariser Aufenthaltes bestimmt; seine spätere<br />

Richtung geht mehr auf italienische Renaissance mit gräzisierenden<br />

Details, übrigens immer noch hier und da mit Anklängen<br />

an die alt- und neufranzösische Schule.« Baeumers<br />

besondere Vorliebe für die Renaissance zeigt auch seine 1869<br />

erschienene Veröffentlichung über »Das ehemalige Lusthaus<br />

in Stuttgart als Monument des früheren Renaissancestils« und<br />

natürlich nicht zuletzt der Kursaal von Bad Imnau.<br />

Aus »Denkmalpflege in Baden-Württemberg«, Nachrichtenblatt des Landesdenkmalamtes, Nr. 3, 1981. Die Schriftleitung bedankt sich bei<br />

Herrn Dr. Hannmann für die Genehmigung zum Nachdruck.<br />

WOLFGANG IRTENKAUF<br />

Meinrad von Au und der »Meister von Meßkirch«<br />

Zur Geschichte des Umbaus der Martinskirche Meßkirch um 1770<br />

Die umfangreichen Fakten bezüglich des Umbaus der St.<br />

Martinskirche zu Meßkirch in den 70er Jahren des 18.<br />

Jahrhunderts sind klar. Bauherr war der seit 1762 regierende<br />

Fürst Joseph Wenzel zu Fürstenberg (f 1783), dem eine<br />

besondere Vorliebe für die Künste, vor allem die Musik - er<br />

selbst war ein vortrefflicher Klavier- und Cellospieler -<br />

nachgerühmt wird. Auch seine Gemahlin stammte aus einem<br />

damals künstlerisch äußerst aktiven Geschlecht, den Grafen<br />

von Waldburg (es war Josepha Gräfin und Reichserbtruchsessin<br />

von Waldburg-Scheer-Trauchburg, t 1782).<br />

Wie bei allen Bauwerken ließ man sich auch hier von verschiedenen<br />

Seiten Kostenvoranschläge machen. Dabei zeigt es<br />

sich, daß sich die Berechnungen des Gesamtumbaus auf rund<br />

11000 Gulden einpendelten. Dies war der Stand im Frühjahr<br />

1771. Bis zum Frühjahr des kommenden Jahres sollten die<br />

Pläne so weit verfestigt sein, daß man mit den Umbauarbeiten<br />

beginnen konnte.<br />

Das Überraschende, wenn nicht sogar Verwunderliche, liegt<br />

in der Bestellung des Sigmaringer (Hof-)Malers Meinrad von<br />

Au (Aw, Ow) als »sachlicher« Leiter des Umbaus (der<br />

»geistliche« war der damalige Dekan und Stadtpfarrer Johann<br />

Georg Keller), denn mit von Au erkor man einen Maler und<br />

keinen Architekten (eine Parallele findet sich in der<br />

Barockisierung der Benediktinerabtei Wiblingen bei Ulm, die<br />

Januarius Zick anvertraut wurde). Als er mit diesem<br />

anspruchsvollen, seine Fähigkeiten (scheinbar) überschreitenden<br />

Auftrag bedacht wurde, war er genau 60 Jahre alt. Von<br />

Au hat in seinem ganzen Leben nie nach Aufträgen gieren<br />

müssen, sie fielen ihm als einem der vielbeschäftigsten Maler<br />

Süddeutschlands gleichsam in den Schoß. Da er zudem noch<br />

viele Jahre als Stadtschultheiß von Sigmaringen sich der<br />

Allgemeinheit und ihren Problemen widmete, mochte die<br />

Arbeitslast ihn oft gedrückt haben. Zwei Jahre nach seiner<br />

Meßkircher Bestallung sollte er darüber hinaus noch eine<br />

Gastwirtschaft (den »Ochsen« in Sigmaringen) übernehmen.<br />

Noch zwei Jahrzehnte waren ihm in seinem reichen Leben<br />

vergönnt (Meinrad von Au starb am 3. Januar 1792).<br />

Der Meßkircher Auftrag vom Frühjahr 1771 kam nicht von<br />

heute auf morgen. Schon 1769, also zwei Jahre zuvor, findet<br />

sich von Au zu einer Besichtigung der aus den Jahren nach<br />

1526 stammenden Martinskirche mit dem Fürstlich Fürstenbergischen<br />

Baudirektor Franz Josef Salzmann aus Donaueschingen<br />

ein. Keller hatte beim Fürsten einen Umbau angeregt;<br />

die Kirche entsprach schon lange nicht mehr dem Geist<br />

der Barock- oder gar Rokokozeit. Salzmann war selbst ein<br />

Kind der Stadt Meßkirch, denn hier war er am 3. März 1724<br />

als Sohn des 1756 verstorbenen Maurermeisters Jakob Salzmann<br />

und seiner Gemahlin Agnes Baurin im sogenannten<br />

Salzmannhaus hinter dem »Löwen« geboren worden. Im<br />

Gegensatz zum Vater, der als »guter, eherlicher Mann«<br />

eingestuft wird, allerdings mit der wesentlichen Einschränkung:<br />

»in seiner Arbeit sehr schlecht«, erklimmt der junge<br />

Salzmann nach drei Gesellenjahren beim Vater und vier<br />

Wanderjahren, die ihn in »Reißen und Zeichnen ... perfec-<br />

35


tioniert« machten, rasch die Stufen einer steilen Karriere, die<br />

ihn zum Baudirektor am Hofe in Donaueschingen führte.<br />

Man kann nun fragen, warum Salzmann als Kind dieser Stadt<br />

nicht selbst am Umbau der Martinskirche interessiert war.<br />

Ein Blick in Salzmanns berufliche Verpflichtungen macht<br />

jedoch deutlich, daß er wegen seiner ständigen Amtsüberlastung<br />

dies nicht zu leisten imstande war. Er beschäftigte stets<br />

»Hilfsarbeiter«, die er sich in der Fürstenbergischen Herrschaft<br />

zusammensuchte. Woher er Meinrad von Au (so gut)<br />

kannte, weiß man nicht. Auf alle Fälle war von Au weit über<br />

den engeren zollerischen Bereich, aus dem er stammt, hinaus<br />

bekannt.<br />

Von Au lieferte Salzmann einen Riß in der Hoffnung, die<br />

Pfarrkirche möchte man ihm zur Barockisierung überlassen.<br />

Die Kosten - und das war für Salzmanns Entschluß entscheidend-<br />

setzte er im Voranschlag auf 9000 Gulden an. Das war<br />

Salzmann zu viel (nicht gesagt ist dabei, ob er vielleicht von<br />

Au »drücken« wollte oder ob er tatsächlich an überhöhte<br />

Forderungen bzw. Voranschläge dachte). Doch von Au ließ<br />

nicht davon ab, sondern erklärte, er müsse auf seiner Forderung<br />

beharren, denn so viel und eben nicht weniger koste der<br />

geplante Umbau (das »Kirchgebäu, das geführt werden<br />

soll«).<br />

Der entscheidende Vertrag zwischen von Au und der Regierung<br />

in Donaueschingen kam am 26. Juli 1770 zustande. Die<br />

Fürstenbergische Regierung band sich an von Au, der »Mahlerey<br />

künstler« und des »Bauwesens wohl Verständiger« (?),<br />

der die Kirche »auf zierlichste Art und Stil«, also im Stile des<br />

Rokoko und seiner Verfeinerung, herrichten soll. Wichtig für<br />

unsere Fragestellung ist, daß von Au auch alle inwendige<br />

Arbeit aufgebürdet wird.<br />

Unter welch leichtsinnigen Voraussetzungen der Vertrag<br />

geschlossen worden war, beleuchtet die Tatsache, daß man<br />

bei der Schadensfeststellung, die eigentlich hätte vorausgehen<br />

müssen, feststellen mußte, die Kirche sei wegen ihrer großen<br />

Schäden neu aufzuführen. Hier mußte von Au passen. Zwar<br />

waren im Äußeren »nur« der alte Dachstuhl abzutragen und<br />

neu zu bedecken, aber das kostete mit den inneren Veränderungen<br />

doch erheblich viel mehr Geld als gedacht. Jetzt<br />

handelte man offensichtlich an von Au vorbei, denn die<br />

Donaueschinger Regierung bat den in Altshausen ansässigen<br />

Baumeister und -direktor Franz Anton Bagnato (1731-1810),<br />

sich mit den neu aufgetretenen Problemen als eine Art<br />

»Gegengutachter« auseinanderzusetzen. Bagnato war »fortschrittlicher«<br />

als von Au, denn dessen geplante Stukkaturen<br />

lehnte er nicht nur wegen der Kosten ab. Er sprach sich für<br />

eine maßvollere, »billigere« Stukkatur aus.<br />

Von Au wähnte in Bagnato, dem Berufsarchitekten, mit<br />

Recht einen Widersacher. Auf eine von der Regierung angeregte<br />

Besprechung der Kontrahenten Mitte Juli 1771 reagierte<br />

er nicht. Man wäre dabei zu diesem Zeitpunkt gerne mit<br />

Bagnato in Kontakt und Kontrakt gekommen, denn er stellte<br />

das Verdienst der Maurer- und Zimmererarbeit als fromme<br />

Gabe der Meßkircher Pfarrkirche in Aussicht. Warum er<br />

trotz der verständlichen Protektion von Dekan Keller nicht<br />

zum Zuge kam, ist unklar. Ende Februar 1772 wurde er<br />

formell wieder ausgeladen. Der Fürst schaltete sich persönlich<br />

ein, um Bagnatos inzwischen laut gewordenen Vorwürfen<br />

zu begegnen: er könne und wolle sein Wort nicht<br />

brechen, das er längere Zeit zuvor (ohne dies allerdings<br />

Bagnato kundgetan zu haben!) dem Hüfinger Maurermeister<br />

Franz Xaver Fritschi (Fritsche) gegeben habe. Dieser wiederum<br />

war von Au als »rechte Hand« vorgeschlagen worden<br />

(was ein späteres leichtes Zerwürfnis jedoch nicht ausschloß).<br />

Von Au mußte finanziell etwas zurückstecken, denn man<br />

handelte ihm 200 Gulden an seinem Verding ab.<br />

In der Zwischenzeit hatte sich von Au mit der Innenausstattung<br />

der Kirche beschäftigt, die ihm niemand strittig gemacht<br />

36<br />

hatte. Jetzt war sein Partner nicht mehr nur der Dekan,<br />

sondern das Bezirksamt Meßkirch. So wird der folgende<br />

Schriftverkehr hauptsächlich von dieser Außenstelle der Fürstenbergischen<br />

Regierung geführt.<br />

Meinrad von Au tat während dieser Zeit das, was Hermann<br />

Ginter (in der »Badischen Heimat« 21, 1934, Seite 130ff.) so<br />

formuliert hat: Er habe es vor allem verstanden, »die Ausstattung<br />

eines ganzen Kirchenraums auf einen voll- und wohlklingenden,<br />

harmonischen Gesamteindruck umzustimmen.<br />

.. Denn nicht nur die eigentlichen Decken- und Altargemälde<br />

pflegten damals auf die Kirchenmaler zurückzugehen,<br />

sondern die farbige Haltung und Stimmung des ganzen<br />

Kirchenraums mit seiner Stimmung überhaupt«.<br />

Mit diesen Ereignissen war das Jahr 1772 angebrochen. Der<br />

Hüfinger Maurermeister Fritschi hatte nach Bagnatos Zwischenspiel<br />

seine Entwürfe für die Stukkaturen angefertigt, die<br />

aber von Au als unschicklich und grob ablehnte. So suchte er<br />

nach einem anderen Mitarbeiter, den er in dem aus dem<br />

vorarlbergischen Schnifis stammenden Johann Jakob<br />

Schwarzmann (1729-1784) fand. Von Au mochte sich bei<br />

dieser Wahl an seine einstige Zusammenarbeit mit Schwarzmann<br />

in Pfullendorf, Wald und Sigmaringen erinnert haben.<br />

Es galt also lediglich, die alte Berufsfreundschaft wieder zum<br />

Leben zu erwecken.<br />

In diesen Tagen und Wochen eines Neuanfangs, der sich<br />

hauptsächlich um die Innenausstattung drehte, war die Frage<br />

unausweichlich geworden, was mit der bisherigen »alten«<br />

Ausrüstung der Kirche zu geschehen habe. Für die Lösung<br />

dieser Frage bezog von Au später von der Fachwelt posthume<br />

Prügel, da, wie wir ja seit langem wissen, die meisten Altäre<br />

der Martinskirche von dem immer noch namenlosen »Meister<br />

von Meßkirch« um 1538 geschaffen worden waren. Von Au<br />

wurde aufgefordert, Bericht zu erstatten, was damit zu<br />

geschehen habe. Dazu nun die eine Stelle aus einem Aufsatz<br />

von Joseph L. Wohleb, einem der besten Kunstkenner<br />

Fürstenbergischer Geschichte: Meinrad von Au habe die<br />

Lebensarbeit dieses Meisters »durcheinanderwirbeln« können.<br />

So und ähnlich, z. T. mit stärkeren Worten, lautet<br />

vielfach die Kritik am Vorhaben des Meinrad von Au.<br />

Um den Hintergrund der Frage verstehen zu können muß<br />

man aus der Zeit um 1770 heraus urteilen. Für die Künstler<br />

von damals waren frühere Zeiten alles andere als unantastbar.<br />

In einem Schriftsatz, der auf diese Frage Bezug hat, wird<br />

knapp und bündig geurteilt (20. Juli 1773): die Gotik sei eine<br />

»barbarische Zeit« gewesen. Um 1770 war man stolz auf die<br />

»Aufklärung« und die (vermeintliche) Befreiung des Menschen<br />

von seiner »selbstverschuldeten Unmündigkeit«<br />

(Kant). Wie wollte man da das Kulturerbe verflossener<br />

Zeiten, gar jenen, die mit der Barbarei gleichzusetzen waren,<br />

bewahren oder erhalten?<br />

So taugten, im Jargon dieser Zeit, Altäre höchstens dazu,<br />

nämlichen Dorfkirchen oder Kapellen eine Aufpolierung zu<br />

geben, dort erfüllten sie, wenn überhaupt, noch einen gewissen<br />

Zweck. In einem ähnlich gelagerten Fall, dem Neubau der<br />

Benediktiner-Klosterkirche Neresheim, konnte ich einmal<br />

fast das gesamte Mobiliar der alten Kirche im Umfeld von<br />

Neresheim ermitteln. Was beim besten Willen auch »auf dem<br />

Lande« nicht mehr für tauglich befunden wurde, wanderte in<br />

den Kunsthandel über alte Kirchenböden oder Pfarrhäuser.<br />

Oft fanden diese Absteiger später den Weg in die Museen aller<br />

Erdteile. Gerade unser »Meister von Meßkirch« bietet ein<br />

Paradebeispiel für diese Art der Zerstreuung. Was allenfalls<br />

noch zählte, war die artistische Feinheit dieser Meister, so,<br />

wenn es 1765 in einem Verzeichnis der Malereien im Meßkircher<br />

Schloß von einem alten Kästchen heißt: »innerhalb sehr<br />

fein gemalt«.<br />

Im Grunde waren 1772 alle beteiligten Umbau-Künstler von<br />

Meßkirch auf die gleiche künstlerische Grundhaltung einge-


schworen, die das Alte nicht mehr gelten ließ. Von Au mußte<br />

sich als erster der Mitarbeiter auf diese Frage einlassen, denn<br />

wohin mit den alten Altären? Wahrscheinlich zu Anfang des<br />

Jahres 1772 ging deshalb eine Anfrage des Bezirksamts<br />

Meßkirch an die Regierung nach Donaueschingen.<br />

An der Spitze des Bezirksamts stand Josef Anton Roman<br />

Gebele, ein gebürtiger Wolfacher. Er war ein Generationsgenosse<br />

von Aus (1716-1793). Gebele hatte nach dem Studium<br />

in Freiburg sich in Fürstenbergische Dienste auf Schloß<br />

Heiligenberg begeben. 1754 wurde er Hofrat in Meßkirch. Er<br />

titulierte sich »Herr zu St. Martin«, d. h. er übte die Rechte<br />

des Patronatsherren über die Kirche im Auftrag seines Fürsten<br />

aus.<br />

Die Regierung in Donaueschingen bezog sich in ihrer Antwort<br />

auf die Meßkircher Anfrage am 20. Februar 1772 auf den<br />

Vertrag mit von Au, worin ja alles geregelt sei. Der Hochaltar<br />

solle von ihm in Fresko gemacht werden, das neue Altarblatt<br />

»auf Leinwand mit Ohlfarben« gemalt. Nun folgt der entscheidende<br />

Satz: »Wohin nun aber das dermahlige seiner<br />

Mahlerey halber berühmte und kostbare Altar-Blatt verwendet<br />

und warumen dieses nicht auf dem Hochaltar belassen<br />

werden solle? darüber habt Ihr demnächst den gehorsamsten<br />

Bericht zu erstatten.«<br />

In diesem Satz sind zwei Dinge angesprochen, die beachtlich<br />

sind:<br />

1. eine künstlerische Wertung des Altars: Er ist berühmt,<br />

d. h. er mußte damals im Bewußtsein einer künstlerischen<br />

Öffentlichkeit lebendig sein, und kostbar, d. h. er stellt<br />

einen nicht abzuschätzenden Wert dar, und<br />

2. warum kann man dieses Altarblatt nicht wie bisher auf<br />

dem Hochaltar belassen - offenbar hatte man einen Vorschlag<br />

des Meßkircher Bezirksamts zur Hand, der auf<br />

Versetzen oder gar auf totale Entfernung lautete.<br />

In der geschickt eingefädelten Fragestellung des Amts kann<br />

man vielleicht sogar eine indirekte Stellungnahme für den<br />

Verbleib des Altarblattes an seinem bisherigen, so markanten<br />

Standort herauslesen.<br />

Offenbar ließ sich von Au zwei Monate Zeit, bis er sich<br />

hierzu äußerte. Der Fürstenbergische Oberamtsrat Rappenegger<br />

in Meßkirch berichtet von einem Gespräch mit dem<br />

Maler am 23. April 1772, wonach von Au erklärte, das alte<br />

Hochaltarblatt könne nach dem Umbau nicht mehr dort<br />

eingebaut werden, wo es bisher war. Er, von Au, schätze<br />

zwar den »innern Werth« des Gemäldes, aber das Blatt sei für<br />

den neuen (man darf hinzufügen: viel bombastischeren)<br />

Hochaltar um zehn bis zwölf Schuh zu kurz. Das Altarblatt<br />

erfordere nämlich eine Größe von 18 bis 20 Schuh. Wenn<br />

seine, von Aus Meinung, nicht respektiert werde, dann wolle<br />

er mit dem Hochaltar überhaupt nichts mehr zu tun haben.<br />

Dies war eine auftrumpfende und daher recht deutliche<br />

Sprache!<br />

Um die in Donaueschingen gestellte Frage zu beantworten,<br />

schlägt von Au (immer zitiert nach dem Bericht Rappeneggers)<br />

vor, das Gemälde »in einen Nebenaltar an der Wand des<br />

Langhauses« zu übertragen, wobei von Au ein Kunst-Credo<br />

abgibt, wenn er wertet: mehr zur Ersparung der Kosten »als<br />

aus vorzüglicher aestimation« für das Gemälde des »Meisters<br />

von Meßkirch«. Damit hat von Au die Katze aus dem Sack<br />

gelassen. Er, der Künstler, konnte sich zu keiner Hochschätzung<br />

des Altargemäldes aus dem 16. Jahrhundert aufraffen.<br />

Meinrad von Au war hier ganz das Kind seiner Zeit des 18.<br />

Jahrhunderts.<br />

Nur um Gleichheit bzw. Symmetrie zu erhalten, schlug von<br />

Au vor, die »vordem Gemähide« des bisherigen Hochaltares<br />

(die anderen Altarblätter) auf den gegenüberliegenden<br />

Nebenaltar zu versetzen.<br />

Barocker Seitenaltar mit dem Dreikönigsbild des Meisters von Meßkirch.<br />

Martinskirche in Meßkirch.<br />

Dieser Argumentation verschloß sich die Fürstliche Regierung<br />

in Donaueschingen nicht, sondern lenkte ein. Am<br />

16. Mai 1772 heißt es, man solle es bei der Erklärung des<br />

Malers »bewenden« lassen, d. h. seinen Vorschlägen folgen.<br />

Es kann daher keine Rede davon sein, daß es die Regierung,<br />

Salzmann oder gar der kunstverständige Fürst war, der auf<br />

eine Rettung des alten Hochaltars bedacht war, sondern man<br />

verschloß sich dem Nützlichkeitsdenken von Aus nicht, dem<br />

man freie Hand ließ. Daß seine Altarbilder im Langhaus zu<br />

dem jetzt nach dort versetzten Teil des einstigen Hochaltars,<br />

dem Dreikönigsbild, nicht korrespondierte, hat Hermann<br />

Ginter vermerkt: »Etwas bescheidener sind von Aus Ölbilder<br />

der einzelnen Altäre..., gehaltlich und formell himmelweit<br />

entfernt von dem unendlich kostbaren Bild des Meisters von<br />

Meßkirch, mit dem sie das harte Schicksal ungerechterweise<br />

in Reih und Glied gestellt hat.«<br />

Geschichtslegende ist allerdings, wenn Ginter resümiert, nur<br />

durch »behördliche Nötigung« sei von Au veranlaßt worden,<br />

das alte Altarblatt im Kirchenraum aufzunehmen - das<br />

Gegenteil war der Fall gewesen: die Behörde ließ von Au<br />

gewähren, sie hatte ihm grünes Licht in dieser Sache erteilt!<br />

Es war Karl Obser, der im Jahre 1918 Dokumente veröffentlicht<br />

hat, die auf dieses Altarblatt Bezug nehmen. Er glaubte,<br />

alle einschlägigen Akten vor sich zu haben (sie wurden 1907<br />

anläßlich einer Aktenausscheidung vom Großherzoglichen<br />

Bezirksamt Meßkirch dem Generallandesarchiv Karlsruhe<br />

übereignet). Obser hatte es damals unterlassen, im Fürstlich<br />

Fürstenbergischen Archiv in Donaueschingen - was ja naheliegend<br />

gewesen wäre - nachzuschauen, ob die dortigen<br />

Meßkircher Aktenbestände etwas zur Ergänzung seiner<br />

Arbeit hätten beitragen können. So entging ihm auch ein<br />

umfangreiches Schriftstück (Reskript) vom 19. Juli 1773.<br />

Um den Sachstand bezüglich unseres Meister-Gemäldes<br />

beurteilen zu können, muß man bedenken, daß inzwischen<br />

ein volles Arbeitsjahr verflossen war. Die Erhaltung des<br />

Bildes war gesichert, doch die Frage nach dem Wie und Wo<br />

war wohl kontrovers geblieben. Der Maler scheint damit<br />

37


nicht fertiggeworden zu sein oder aber wollte er sich bei der<br />

endgültigen Entscheidung auf breite Zustimmung stützen.<br />

Um den »Fremdkörper« stilistisch in die »neue« Kirche<br />

einbringen zu können, wurde dem linken Nebenaltar, in den<br />

man das Dreikönigsbild einfügte, eine zeitgenössische Form<br />

verpaßt. Die aber verursachte allerlei Schwierigkeiten.<br />

Das Technische zuerst: Das »auf Holz gemahlte Altar-<br />

Blättel« war 5 Zoll zu kurz und 3 Zoll zu breit, d. h. sowohl<br />

zu groß als auch zu klein. Auch sollten in den Altar noch<br />

Reliquien eingelegt werden, was zur »bedächtlichen Überlegung«<br />

führte, wie man solchem Übel abhelfen könnte. Eines<br />

muß in diesem Stadium herausgestellt werden: man kapitulierte<br />

nicht vor den Schwierigkeiten oder nahm sie gar als<br />

erwünschte Gelegenheit zum Anlaß, das Altarblatt aus der<br />

Kirche zu verbannen. Es ging ja noch dazu um die Vorstellung<br />

von Aus, auch den auf der anderen Langhausseite<br />

befindlichen Nebenaltar mit einem Teil des alten Hochaltars<br />

zu versehen.<br />

Jetzt mußte sich die Behörde zu Wort melden, die in einem<br />

Um- und Einbau (zurecht) neue Kosten witterte. Um ja nicht<br />

den Verdacht aufkommen zu lassen, man habe etwas versäumt,<br />

erklärte das Bezirksamt (Gebele hat unterschrieben),<br />

man habe eine Untersuchung eingeleitet, »was denn Schuld<br />

an diesen unbrauchbaren Altären« habe. Mit dieser Einschätzung<br />

der »unbrauchbaren Altäre« war ein Salto mortale<br />

geschlagen worden, denn von einer Schuld war bislang<br />

nirgendwo die Rede. Jetzt wurde ein Sündenbock für nicht<br />

begangene Sünden gesucht und natürlich auch gefunden.<br />

Alles blieb an von Au hängen, denn er hatte vor Jahresfrist,<br />

gleichgültig aus welchen Gründen, für einen Verbleib eines<br />

Teils des alten Hochaltars votiert. Ihn zwang man nun zu<br />

einer Entschuldigung, die folgenden Inhalts war: er habe vom<br />

Schreiner falsche Altarmaße (für den Nebenaltar) erhalten,<br />

somit nicht ahnen können, welche Schwierigkeiten auftreten<br />

würden. Hier habe er auf Treu und Glauben gehandelt, »aber<br />

theils ex errore (aus Irrtum) unzulänglich gewesen, theils aber<br />

von dem Schreiner und Bildhauer nicht ganz verstanden<br />

worden«. Nachdem auf diese Weise an von Au knapp der<br />

Kelch vorübergegangen war, heißt der Weisheit letzter<br />

Schluß, ein Jeder wolle eben »auf des andern Conto unschuldig<br />

sein«.<br />

Dies scheint für Donaueschingen das Signal gewesen zu sein,<br />

um von dem Vorhaben eines zweiten Nebenaltars mit Einbau<br />

DIEGO HÄUSSEL<br />

Das Schulwesen in Hochberg (II)<br />

Das Schulhaus in Hochberg<br />

Bis 1840 hatte Hochberg kein eigenes Schulhaus. Die Kinder<br />

wurden anfänglich abwechselnd in den Stuben der Bauern<br />

unterrichtet, Lehrer Johann Blum hat dann seine Stube für<br />

den Dauergebrauch zur Verfügung gestellt. Sein Haus, es<br />

stand gegenüber dem Gasthaus Kreuz, wurde deshalb unter<br />

den alten Hochbergern noch lange das alte Schulhaus<br />

genannt. Diese Initiative des Lehrers scheint auch der Grund<br />

dafür zu sein, warum in Hochberg so lange mit einem<br />

Schulhausneubau gezögert wurde.<br />

Bei meinen Nachforschungen habe ich jedoch entdeckt, daß<br />

die Gemeinde schon im Jahre 1788 ein Schulhaus bauen<br />

wollte. Welchen Stellenwert das Schulwesen im Denken der<br />

damaligen Bevölkerung hatte, ist aus diesem Plan ersichtlich.<br />

Er wurde gezeichnet von Maurermeister Waltz aus Jungnau,<br />

auch die Baukostenberechnung stammt von ihm. Der Plan<br />

zeigt neben der Außenansicht des einstöckigen Hauses auch<br />

den Grundriß. Er beinhaltet eine Schulstube, eine Hirten-<br />

38<br />

eines Teils aus dem alten Hochaltargemälde Abstand zu<br />

nehmen. Von Au mußte (wohl in Eile) fünf Skizzen zu neuen<br />

Altarblättern entwerfen. Am 29. November 1773 teilt man<br />

aus Meßkirch mit, die Skizzen würden folgen. Es sollte<br />

thematisch zur Anbetung der Weisen (alt) die dazu passende<br />

Aufopferung Mariens im Tempel (neu) korrespondieren:<br />

»Sollten diese Scützen den gnädigsten Beyfall erhalten«, so<br />

bitte man um Nachricht. Sie fanden Beifall - der Altar von<br />

Aus wurde angefertigt, das Altarteil des »Meisters von Meßkirch«<br />

blieb auf der Strecke.<br />

Wenig später sollte es in einer regierungsamtlichen Stellungnahme<br />

nörgelnd heißen, die Nebenaltäre seien »übel außgefallen«.<br />

Kräftiger hätte die Kritik und Unzufriedenheit an<br />

Meinrad von Au und seinem Werk in Meßkirch nicht ausfallen<br />

können.<br />

Damit war auch das Ende des Altarwerks des »Meisters von<br />

Meßkirch« eingeläutet. Bis auf das Dreikönigsbild war der<br />

große Rest Abstellware geworden. Georg Tumbült hat 1930<br />

den Verbleib der Tafeln in aller Welt nachgewiesen. Eine<br />

Bestandsaufnahme, die Altgraf Christian Salm nach dem<br />

letzten Krieg durchgeführt hat, gibt folgendes Bild: In<br />

Donaueschingen (Fürstliche Sammlungen) befinden sich<br />

anteilmäßig die meisten Bilder vom Altar der Martinskirche<br />

in Meßkirch. Einzelteile besitzen: Berlin (West), Staatliche<br />

Museen; Den Haag, Kunstmuseum; Karlsruhe, Kunsthalle;<br />

München, Alte Pinakothek; Philadelphia, Sammlung Johnson;<br />

St. Gallen, Bischöfliche Sammlung; Warschau, Kunstmuseum,<br />

und Zürich, Privatsammlung. Einen zeichnerischen<br />

Entwurf zum Altar bewahrt das Kunstmuseum in Basel<br />

auf.<br />

Quellen und Literatur:<br />

Akten im Bestand Ecclesiastica Meßkirch im F. F. Archiv Donaueschingen;<br />

Karl Obser: Zur Geschichte des Dreikönigsaltars in<br />

Meßkirch, in: Zeitschrift für die Geschichte des Oberrheins 72,1918,<br />

581-595; Georg Tumbült: Meßkircher Kunstwerke in deutschen und<br />

außerdeutschen Museen, in: Bodensee-Chronik 19, 1930, Nr. 9;<br />

Horst Sauer: Die Erneuerung der Stadtkirche zu Meßkirch in der 2.<br />

Hälfte des 18. Jahrhunderts, in: Schriften des Vereins für Geschichte<br />

des Bodensees und seiner Umgebung 62, 1935, 15-58; Auguste<br />

Wagner-Würz: Meinrad von Aw. 1936; Karl Siegfried Bader und<br />

Alexander v. Platen: Das Große Palatinat des Hauses Fürstenberg.<br />

1954, S. 110.<br />

stube, die Küche und den Geißenstall. Man wollte also auch<br />

gleichzeitig das Problem der Hirtenwohnung lösen und hatte<br />

für ihn deshalb eine Kammer neben der Schulstube vorgesehen.<br />

Die Frage der Lehrerwohnung wurde so gelöst: Es solle<br />

in Zukunft nur ein lediger Lehrer angestellt werden, er könne<br />

dann zusammen mit dem Hirten wohnen.<br />

Der Kostenvoranschlag ohne Fuhr und Handfronen sah<br />

folgendermaßen aus:<br />

Maurer Material 54 Gulden<br />

Arbeit 46 Gulden<br />

Zimmer Material 64 Gulden<br />

Arbeit 25 Gulden<br />

Glaser 10 Gulden<br />

Schlosser 9 Gulden<br />

Schreiner 3 Gulden<br />

211 Gulden


Vom Amte wurde der Bau befürwortet, da Hochberg großen<br />

Eifer im Schulhausbau zeige, was großen Wohlgefallen ausgelöst<br />

habe. Da aber der damalige Schulfond das Geld nicht<br />

aufbringen konnte, wurde der Bau 2 Jahre zurückgestellt mit<br />

der Auflage, den Unterricht so lange in den Privatstuben<br />

fortzuführen.<br />

Dieses Schulhaus aber wurde nie gebaut.<br />

Im Jahre 1840 wurde das ehemalige Schul- und Rathaus in<br />

Hochberg gebaut und im Jahre 1841 eingeweiht. Von diesen<br />

Feierlichkeiten existiert ein Ölgemälde, das lange im Schulzimmer<br />

hing und später auf der Bühne aufbewahrt wurde. Es<br />

zeigt eine Gesamtansicht Hochbergs vom »Burren« aus, das<br />

Schulhaus ist gut sichtbar und ragt über alle anderen Gebäude<br />

hinaus.<br />

Auf diesem Bild ist folgende Inschrift verzeichnet:<br />

Schulhausbau 1840 Einweihung 1841<br />

Unter Fürst Carl von Hohenzollern-Sigmaringen,<br />

und Fürst Egon von Fürstenberg als Grundherr,<br />

Papst Gregor XVI, Erzbischof Ignaz, Pfarrer<br />

Geistlicher Rat und Regierungsrat F. Engel, Kaplan<br />

Sebastian Brik, Amtsvorstand beim Bau Brucker, z. Zt.<br />

V. Gebele, Ortsvorstand beim Bau J. Mors, z. Zt.<br />

Josef Mayer, Schullehrer Johann Blum, Schulkommissär<br />

Schmid,<br />

Familienzahl 26 Bürgerzahl 19<br />

Werktagsschüler 19 Wiederholungsschüler 9<br />

Christenlehrpflichtige 17<br />

Gesamtseelenzahl 141<br />

Im Erdgeschoß waren das Schulzimmer und der Holzschopf<br />

untergebracht, im Obergeschoß das Ratszimmer und die<br />

Lehrerwohnung (3 Zimmer und Küche).<br />

Diese Wohnung wurde bis 1882 kaum gebraucht, da der<br />

Lehrer Johann Blum in seinem Haus wohnen blieb und nach<br />

seiner Zurruhesetzung im Jahre 1864 nur ledige Lehrer in<br />

Hochberg waren. Als dann der erste verheiratete Lehrer mit<br />

Familie kam, wurde die Wohnung bald zu klein. Es mußten<br />

die ersten Umbauten getätigt werden.<br />

So wurde 1884 der Holzschopf im unteren Stockwerk zum<br />

Ratszimmer ausgebaut und dies ist es auch geblieben bis zur<br />

Auflösung der Gemeinde im Jahre 1975. Das Zimmer im<br />

oberen Stockwerk aber wurde der Lehrerwohnung zugeschlagen.<br />

Für das Holz wurde an die Schule ein neuer Schopf<br />

angebaut. Eine weitere Vergrößerung der Lehrerwohnung<br />

wurde im Jahre 1935 vorgenommen, als hinter die Küche eine<br />

Waschküche angebaut wurde. Beide Bauten, Holzschuppen<br />

und Waschküche, wurden im Jahre 1956 abgerissen, als nach<br />

der Renovierung des Schulsaales an den rückwärtigen Teil der<br />

Schule eine Pausenhalle mit Toiletten für Lehrer und Schüler,<br />

Bad für den Lehrer und eine Garage angebaut wurde. Im<br />

Jahre 1958 wurde die Halle dann noch verglast und so<br />

verfügte die Gemeinde über eine beachtliche schulische Anlage.<br />

Übrigens wurde beim Bau der Pausenhalle der Bauplan mit<br />

eingemauert, wie man es manchmal bei markanten Bauwerken<br />

gerne tut. Hier war es allerdings keine Absicht, sondern<br />

ein Versehen. Der Baumeister legte bei Feierabend den Plan<br />

in einen Hohlblockstein, um ihn am anderen Morgen gleich<br />

zur Hand zu haben. Als er kam, war der besagte Stein schon<br />

verarbeitet und mit ihm der Plan. Schade, daß die ganze<br />

Anlage, die seit 1967 nicht mehr für schulische Zwecke<br />

gebraucht wird, momentan in keinem guten Zustand ist.<br />

Erfreulich ist, daß bei einer Renovierung vor einigen Jahren<br />

das Wahrzeichen der Schule, eine Tafel über der Eingangstür,<br />

erhalten blieb und renoviert wurde.<br />

»Der Anfang der Weisheit ist die Furcht Gottes« diese Worte<br />

aus dem Buch Jesus Sirach hatten die Schüler von Hochberg<br />

seit vielen Jahrzehnten beim täglichen Schulbesuch vor<br />

Augen, und manchen mag dieser Spruch ins Leben hinausbegleitet<br />

haben.<br />

Aus dem Schulleben:<br />

Einen Einblick in den Schulalltag vermittelt uns die Schulchronik,<br />

die im Jahre 1883 angelegt wurde und in der die<br />

Lehrer die wichtigsten Ereignisse des Schuljahres eingetragen<br />

haben. Über manche Sorgen und Nöte der Lehrer vor 100<br />

Jahren lächeln wir heute. Auffallend waren die jährlich<br />

wiederkehrenden Feiern, in denen ein politisches Ereignis<br />

gefeiert wurde, aber nicht durch einen schulfreien Tag,<br />

sondern Schule und Gemeinde feierten gemeinsam. So wurde<br />

alljährlich im März das Geburtsfest des deutschen Kaisers<br />

Wilhelm I. gefeiert. Wir entnehmen der Schulchronik: »Auch<br />

an diesem Tag wurde die Feierlichkeit von der Schule begangen.<br />

Mittags um Vi! Uhr versammelten sich die Schüler in der<br />

Schule. Vor dem Schulhaus wurden sie in 2 Gliedern aufgestellt.<br />

Darauf wurde das Lied angestimmt: »Kennt ihr das<br />

Land der Eichenwälder« und der Zug bewegte sich nach dem<br />

Wirtshaus hin, die Schulfahne wurde vorausgetragen. In dem<br />

Wirtshaus angekommen, und nach dem die Kinder ihre<br />

Plätze eingenommen hatten, wurden die Feierlichkeiten<br />

durch einen Vortrag des Lehrers Gustav Bulach eröffnet. In<br />

dem Vortrage suchte der Lehrer den Kindern zwei Bürgerpflichten<br />

bekannt und lieb zu manchen aus der Betrachtung<br />

des Dichterwortes:<br />

Eine Null blieb ich nicht gern auf Erden,<br />

ach, die Welt hat deren schon so viel!<br />

Meinen Zeitgenossen lieb zu werden,<br />

das ist mein vorgestecktes Ziel.<br />

Die beiden Tugenden sind: Strebsamkeit, Gemeinsinn. Im<br />

Anschluß an die Rede wurde ein »Hoch« auf seine Majestät<br />

den deutschen Kaiser und König von Preußen Wilhelm<br />

Lausgebracht. Den Kindern wurde Bier und Brot gegeben.<br />

Patriotische Lieder und Vorträge wechselten miteinander ab.<br />

Nach einem Verweilen von ungefähr 2 Stunden wurden die<br />

Kinder entlassen. Alles war gut gestimmt. An der Feierlichkeit<br />

beteiligten sich außer Bürgermeister, Lokalschulvorstand,<br />

Gemeinderechner beinahe alle Einwohner des Ortes.<br />

Jährlich am 2. September wurde in allen Schulen die »Sedansfeier«<br />

abgehalten zur Erinnerung an die Schlacht bei Sedan.<br />

Besonders beliebt waren um die Jahrhundertwende die<br />

Christbaumfeiern, die alljährlich in der Schule abgehalten<br />

wurden, vorausgesetzt, es übernahm jemand die Kosten. Es<br />

gab nämlich immer Geschenke (Schürzen, Hosenträger,<br />

Schreibmaterial, Halstücher, Griffel).<br />

Jeweils vermerkt sind in der Chronik auch die jährlich<br />

durchgeführten Prüfungen, denen sich die Schule unterziehen<br />

mußte und bei denen Vertreter der Schulbehörde, der<br />

Geistliche der Gemeinde als Schulvorstand, Bürgermeister,<br />

Gemeinderäte sowie auch verschiedene Eltern anwesend<br />

waren. Manchmal gab es zur Belohnung für die Kinder Wurst<br />

und Brot.<br />

Daß sich der Lehrer früher nicht nur seiner pädagogischen<br />

Arbeit widmen konnte, sondern nebenher noch allerlei Dinge<br />

zu übernehmen hatte, zeigt ein Eintrag aus dem Jahre 1885.<br />

Neben dem Mesneramt hatte der Lehrer auch die gemeindeeigene<br />

»Baumschule« zu versorgen. In diesem Jahr wurde ihm<br />

die Bezahlung des Geldes (6,85 M) für diese Tätigkeit streitig<br />

gemacht mit der Behauptung, er habe nicht genügend getan.<br />

Der Lehrer mußte sogar die königliche Regierung in Sigma-<br />

39


ingen bemühen, die die Gemeinde dann zur Zahlung des<br />

Geldes verurteilte.<br />

Vermutlich hängt die nachfolgende Entscheidung des<br />

Gemeinderates über die Weiterführung der Fortbildungsschule<br />

mit diesem Rechtsstreit zusammen: Diese Schule war<br />

JOHANN ADAM KRAUS<br />

Das Rätsel Bettmauer an der Laudiert<br />

Der im Jahre 1958 verstorbene um die Heimatkunde hochverdiente<br />

Forscher Michael Walter aus Grosselfingen, Regierungsdirektor<br />

in Karlsruhe, hat uns außer vielen anderen<br />

Arbeiten auch 1955 den Aufsatz geschenkt »Glaube und<br />

Kirche in den Ortsnamen von Hohenzollern«In der<br />

Gegend von Veringenstadt stieß er in Güterbeschrieben von<br />

1544 und 1575 auf die Bezeichnung »Eine halbe Jauchert<br />

Acker in Bettmauer« 2. Aber er mußte zugeben: »Die genaue<br />

Lage der Flur läßt sich nicht mehr angeben, da nähere<br />

Hinweise fehlen, und die Namen heute nicht mehr gebraucht<br />

werden.« Zum Glück hat sich dies inzwischen durch zwei<br />

neuere Funde geändert.<br />

Der Flurname Bettmauer hat nichts mit Ruhebett oder<br />

Bachbett zu tun, sondern mit »beten« (schwäbisch »beatta«),<br />

bezeichnet also eine Mauer bzw. einen Bau, in dem gebetet<br />

wird, also Kapelle oder Kirche. (In Ringingen hieß die<br />

heutige [später erweiterte] Marienkapelle im 15. Jahrhundert<br />

»Bildenhüslin«.) Walter konnte nun nachweisen, daß es<br />

anderwärts neben »Bettmauer« die viel ältere Form »Betbur«<br />

gibt. Das alte Wort Bur hatte im Althochdeutschen die<br />

Bedeutung Haus und ist in Norddeutschland noch<br />

gebräuchlich in »Vogelbauer«. Auch die Sieldungswörter<br />

Beuren und Beuron hängen damit zusammen. Betbur ist<br />

somit ein Bethaus oder eine Kapelle. Der gelehrte Ohlenschlager<br />

hielt allerdings die Form Bettmauer für einen festen<br />

Platz oder eine Lagermauer 3.<br />

Wohl aus sprachlichen Gründen scheint bei uns im Süden<br />

früh statt Bur, das unverständlich wurde, »Mur« oder Mauer<br />

gebraucht worden zu sein. Nach Walter gibt es im Badischen<br />

allein fünf alte Belege: a) 1319 Betbur, heute Betberg bei<br />

Seefelden-Müllheim, b) ca. 1360 »Kapelle Betburg« bei Tiengen-Waldshut<br />

(wobei das Schluß-G wohl auf einen Hörfehler<br />

zurückgeht), c) Bethbur 1297, heute Betberg bei Leibertingen.<br />

d) Bettmur bei Villingen, e) die Flur Bettmauer (auf der<br />

Karte) bei Heinstetten auf dem Heuberg. Uber Bethbur bei<br />

Leibertingen schrieb schon im Jahre 1890 Karl Theodor<br />

Zingeler 4. Er sagt da u. a.: »In der Schweiz kommt eine ganze<br />

Anzahl Lokalitäten mit dieser Bezeichnung vor, auch im<br />

Elsaß, in Lothringen, Rheinland, Westfalen sind sie nachzuweisen.«<br />

Michel R. Buck kennt 5 unterm Jahr 1111 ein<br />

Betepur, jetzt Bettberg, mit der Bedeutung Bethaus, Kapelle;<br />

er gibt freilich den Standort nicht an. Nach Zingelers Ausführungen<br />

hat der schweizerische Professor Dr. Meyer von<br />

Knonau 6 in Bettbur eine ehemalige Kultstätte der Alamannen<br />

vermutet, »die manchmal in Nähe eines heiligen Baumes<br />

stand. Und da sich mehrfach römische Überreste in der Nähe<br />

solcher als Bethbur bezeichneten Plätze vorfinden, so liegt<br />

die Möglichkeit nahe, daß die Alamannen solche Stellen für<br />

ihren heidnisch-germanischen Kultus errichteten oder beibehielten.«<br />

Die aus dem Wort »bur« abgeleiteten Vermutungen können<br />

jedoch leicht in die Irre gehen, da alte Beweise fehlen. Walter<br />

vermochte jedenfalls mehr als zwei Dutzend solcher Stätten<br />

Betbur oder Betmur zusammenzutragen. Ein neuerer Forscher<br />

meinte zum Thema, daß es sich um ursprünglich<br />

hölzerne (später steinerne) kleine Bethäuser gehandelt haben<br />

könne, wie sie früher wohl an Missionswegen entlang angelegt<br />

worden seien 7.<br />

Beweise für diese Ausführungen aus der Zeit der Missionie-<br />

40<br />

zur Weiterbildung der Schulentlassenen gedacht und war<br />

ebenfalls eine Einnahmequelle der Lehrer. Sie mußte aber<br />

jährlich vom Gemeinderat erneut genehmigt werden und war<br />

in Hochberg öfters ein Zankapfel zwischen Lehrer und<br />

Gemeinde.<br />

rung des 7. bis 9. Jahrhunderts werden sich jedoch kaum<br />

erbringen lassen. Könnte Betbur nicht einfach eine Feldkapelle<br />

bezeichnet haben, wie sie noch vielfach bis zur Zeit des<br />

Josefinimus bestanden? Klärung könnten nur genauere Forschungen,<br />

will sagen: Garbungen, bringen.<br />

Was nun den von Walter bei Veringenstadt vermuteten Platz<br />

Bettmauer von 1544/1575 angeht, so ist dessen Lage durch ein<br />

Einkommensverzeichnis der Michaelspflege Veringendorf<br />

vom Jahre 1444 8 näher zu bestimmen. Es heißt darin: »Ein<br />

Acker in Stetten an Bettmur.«<br />

Die bekannte Flur Stetten (ehemalige Wohnstätte!) findet<br />

sich 600 m nördlich von Veringendorf, wo mitten im einst<br />

sicher sumpfig gewesenen Tal der Lauchert der mäßig hohe<br />

Stettener Berg 9 zwischen Landstraße und der Hohenzollerischen<br />

Landesbahn zu sehen ist.<br />

Auf diesem Bergle scheint es heute nur Wiesen, aber keine<br />

Acker zu geben. Es wäre wichtig zu wissen, ob dies auch<br />

früher der Fall war und der genannte Acker auf dem Bergle<br />

gelegen haben könnte. Immerhin hätte diese Anhöhe mit<br />

ihrem einst sie umgebenden Graben früher eine ideale Befestigung<br />

oder Fliehburg dargestellt, zumal sich auf dem Scheitel<br />

(von der Eisenbahn aus deutlich zu sehen) ein Wall<br />

abzeichnet.<br />

Die Ansiedlung Stetten selbst hat schwerlich im nassen<br />

Wiesengrund rings um den Berg gestanden, sondern vermutlich<br />

westlich vom Bergle, wo wohl auch die ehemalige<br />

Kapelle anzunehmen wäre. Ernsthafte und gewissenhafte<br />

Forschung von Fachleuten würde vielleicht Näheres zutage<br />

fördern können.<br />

Nachträglich gelang dem Herausgeber unseres Blattes, Herrn<br />

Dr. med. Herbert Burkarth, ein zweiter und sehr wichtiger<br />

Fund: Der Heimatforscher Sebastian Locher schrieb vor etwa<br />

120 Jahren in seinen »Materialien zur Geschichte von Veringen«<br />

10, Seite 439: »Die Berchtoldinger (als Vorgänger der<br />

Veringer Grafen) schenkten im J. 786 ein Gut zu Veringendorf<br />

ans Kloster Reichenau, vermutlich die Kelen (Kelenhof).<br />

Auf Stetten (also dem Bergle) können die Gebäude des<br />

Klosterhofes gestanden haben. Man findet noch Mauerreste<br />

und die Betmauer.« Dr. Burkarth bemerkt dazu: »Die Betmauer<br />

scheint demnach damals (vor ca. 120 Jahren) noch<br />

allgemein bekannt gewesen zu sein!« Somit wäre unsere Frage<br />

endgültig gelöst! Eine Kapelle hat der Klosterhof sicher<br />

gehabt!<br />

Anmerkungen<br />

1 Hohenzollerische Jahreshefte 1955, 9-47.<br />

2 Ebenda, Seite 31-32.<br />

3 Wie Note 1, Seite 32, mit Anmerkung Nr. 44.<br />

4 Geschichte des Klosters Beuron 1890, Seite 84—85.<br />

5 Oberdeutsches Flurnamenbuch 1880, Neuauflage 1931.<br />

6 Alamannische Denkmäler in der Schweiz: 19. Band der »Mitteilungen<br />

der antiquarischen Gesellschaft Zürich«.<br />

7 Walter: Seite 32, mit Bezug auf Dr. Helmut Weigel: »Siedlungen<br />

und Kirche an der oberen Tauber etc.«, dazu Walters Note Nr. 51.<br />

8 »Hohenzollerische Heimat« 1970, 57.<br />

9 Edmund Bercker, Die Kirchenpatrozinien im Krs. Sigmaringen<br />

1967, 160.<br />

10 Heute im Besitz von Bürgermeister Stefan Fink, Veringenstadt.<br />

Kopien im Sigmaringer Staatsarchiv und in der Hohenz. Heimatbücherei<br />

Hechingen.


JOHANN WANNENMACHER<br />

Die Mundart eine heile Welt, echt und wahr!<br />

Im Gegensatz zur Schriftsprache, die mitunter etwas<br />

Abstraktes an sich hat, spricht der Dialekt Erkenntnisse und<br />

das, was an Gefühlen unser Herz bewegt, mit viel größerer<br />

Unmittelbarkeit und Lebendigkeit aus als jene. Jedes Wort<br />

hat eine Verbindung mit Gescheh- und Erlebnissen - meist<br />

aus der Jugendzeit, mit Orten, Menschen, Tieren und der<br />

ganzen <strong>heimat</strong>lichen Landschaft. Die dadurch oft unbewußt<br />

geschaffene tiefe Innerlichkeit im Gemütsleben ist ein wertvolles<br />

Stück Heimat und lebenslang nicht mehr verlierbar. Es<br />

ist deswegen wohl wert, daß wir die Mundart schützen,<br />

pflegen und für deren Erhaltung Sorge tragen. Sie gibt dem<br />

Menschen Halt, das Gefühl der Geborgenheit und kulturelle<br />

Wirkungskraft.<br />

Nachstehend aus Rangendingen einige mundartliche Ausdrücke,<br />

die meist mit vielseitigen örtlichen Erlebnissen aller<br />

Art und starkem Heimatgefühl verbunden sind.<br />

»Heb seil Meggele Brot uff«, sagt die Mutter zum Kind, wenn<br />

ihm von seinem Stück Brot ein kleiner Teil auf den Boden<br />

gefallen ist. »A Meggele« ist in der Mundart immer ein kleiner<br />

Teil von einem Ganzen, im Gegensatz zum Moggel oder<br />

Muggel, der immer ein großes, dickes Stück darstellt.<br />

A Hampfel (Handvoll) ist die Menge, die man mit eingebogener<br />

Hand gerade umfassen kann. Da hört man beispielsweise:<br />

»Gib mir a Hampfel Beera, a Hampfel Nüsse, a Hampfel<br />

Schnitz« u. dergleichen. Hausöhre sagte man ehemals ausschließlich<br />

zum Hauseingang. Dort standen immer einige<br />

Sachen, die man nicht nach oben in die Wohnung nehmen<br />

wollte, oder die man ständig zur Hand haben mußte. Die<br />

Hausöhre hatte früher in den meisten bäuerlichen Anwesen<br />

nur einen Lehmboden. - Holgle nennt man in der Mundart<br />

die Heiligenbildchen, an denen besonders kleine Kinder<br />

Gefallen fanden, und die sie gerne im Gebetbüchlein aufbewahrten.<br />

- Wenn man bei einer Arbeit sehr viel Mühe, Zeit<br />

und Kraft aufbringen muß, um sein Ziel zu erreichen, dann<br />

hat man sich schwer verleida müssa. Ist jemand geistig oder<br />

körperlich nicht ganz einsatzfähig, aber doch gutwillig und<br />

recht, dann soll man die betreffende Person nicht quälen,<br />

sondern sie »so aane komma lau«, das heißt, sie so nehmen,<br />

JOSEF MÜHLEBACH<br />

Die Vinzentinerinnen in Hohenzollern<br />

Am 24. April 1581 ist er als drittes von sechs Kindern in Pouy<br />

in der Gascogne geboren, Vinzenz von Paul, den man das<br />

Genie der Nächstenliebe genannt hat. Das Jahr 1981, als 400.<br />

Gedenkjahr der Geburt des Heiligen, ist Anlaß gewesen, das<br />

Lebenswerk dieses Anwaltes der Armen und Notleidenden,<br />

der 1625 die Kongregation der Barmherzigen Schwestern<br />

gegründet hat, in der Kirche weltweit zu würdigen, und so<br />

mag es auch berechtigt sein, dem Wirken der Vinzentinerinnen<br />

in Hohenzollern, soweit das Quellenmaterial es zuläßt,<br />

ein dankbares Gedenken zu widmen.<br />

wie sie ist, ihren guten Willen und ihre gute Gesinnung<br />

anerkennen und achten. In dem »aane komma lau« wird die<br />

individuelle Behandlung des Menschen vorausgesetzt und<br />

verwirklicht.<br />

Eine Ware, die man kaufen will, muß man erst fisediera, d. h.<br />

gut prüfen und untersuchen. Dasselbe ist auch notwendig bei<br />

zugestellten Paketen. Deren Inhalt wird genau fisediert und<br />

kontrolliert. Das Wort »fisediera« kommt vom Französischen<br />

»visiter« = besuchen und hat in der Mundart seine<br />

besondere Bedeutung erhalten.<br />

»Dos ischt no seileg« (= hart, schwer), hört man bedauernd,<br />

wenn einem anderen etwas Schweres zugestoßen ist, wie<br />

Krankheit, Todesfall, Hausbrand, Verlust von Hab und Gut<br />

und dergleichen. »Was knieferescht denn so lang a sellem Brot<br />

romm?«, fragt die Mutter das Kind, das allzulange an einer<br />

harten Brotkruste herumnagt, anstatt diese in ein Getränk zu<br />

tunken und aufzuweichen. Der Brotlaib lag früher in der<br />

Tischschublade, und an heißen Sommertagen wurde das Brot<br />

mitunter recht hart und trocken. Das Wort »kniefera« =<br />

nagen, bohren, ziehen, langweilig in dieser Art bei einer<br />

Sache verweilen, wird vielseitig gebraucht.<br />

Die epileptischen Anfälle heißen in der Mundart s'Falleg<br />

Waeh (Weh). Diese Krankheit, bei der ein Mensch plötzlich<br />

umfällt und oft eine Zeit bewußtlos ist, war immer sehr<br />

gefürchtet. Eine Frauensperson, die bei all ihrem Tun und<br />

Lassen durchtrieben, egoistisch, pfiffig und wendig ist, ischt a<br />

agschlages Luader. Ein Kind, das nicht einmal eine Weile<br />

ruhig auf einer Bank oder einem Stuhl sitzen bleiben kann,<br />

sondern unruhig überall hin und her rennt, an allem zieht und<br />

dreht, ischt a Gischbel. Dieselbe Bezeichnung müssen sich<br />

auch Erwachsene gefallen lassen, die alles zu leicht nehmen,<br />

unruhig und ungenau sind, von einem Ast auf den anderen<br />

hüpfen und dazu noch eine gewisse Hochnäsigkeit an den Tag<br />

legen.<br />

Die Mundart trägt und prägt die Vielfalt, den geistigen und<br />

seelischen Gehalt unserer Muttersprache. Sie schafft Geborgenheit<br />

und Heimatbewußtsein, was in unserer derzeit vielfach<br />

so unruhigen Welt oft so schmerzhaft vermißt wird.<br />

Die Schwestern im Fürst-Carl-Landeskrankenhaus<br />

Wenn wir vom Umfang des Wirkungsbereichs der Vinzentinerinnen<br />

in Hohenzollern ausgehen, müssen wir gerechterweise<br />

mit deren Tätigkeit im Fürst-Carl-Landeskrankenhaus<br />

in Sigmaringen beginnen. Die Anstalt hieß nach ihrer Gründung<br />

1847 Landesspital, dann 1857 Fürst-Carl-Landesspital,<br />

1928 Landeskrankenhaus (Fürst-Carl-Landesspital), dann<br />

endgültig 1936 Fürst-Carl-Landeskrankenhaus.<br />

Schon 1847 ist nach langwierigen Verhandlungen von der<br />

Fürstlich Hohenzollernschen Landesregierung und dem<br />

41


Mutterhaus der Kongregation der Barmherzigen Schwestern<br />

vom hl. Vinzenz von Paul in Straßburg ein Vertrag abgeschlossen<br />

worden, nach dem die Kongregation dem Landesspital<br />

drei Schwestern für den Krankenpflegedienst und die<br />

Hauswirtschaft zur Verfügung stellte. Schon bald nach der<br />

Eröffnung des Spitals hat sich ein verstärkter Bedarf an<br />

Schwestern ergeben. Nach entsprechenden Änderungen des<br />

Vertrages waren es 1854 fünf Schwestern, 1897 17 und später<br />

bis zu 40 Schwestern, die von der Kongregation im Landesspital<br />

eingesetzt wurden. Später trat an die Stelle des letzten<br />

Vertrages im Jahre 1859 ein solcher mit dem Mutterhaus in<br />

Heppenheim an der Bergstraße von 1927. Das Mutterhaus in<br />

Heppenheim ist, nachdem Straßburg - mit Elsaß-Lothringen<br />

- nach dem Ersten Weltkrieg französisch wurde, 1927 für das<br />

deutsche Gebiet der Kongregation neu errichtet worden.<br />

Nach dem alten wie nach dem neuen Vertrag wurden die<br />

Pflegedienste wie die Arbeiten in der Hauswirtschaft überwiegend<br />

von den Kongregationsschwestern besorgt.<br />

Aus dem Wirken der Oberinnen des Krankenhauses verdient<br />

die Errichtung der Schwester-Theodul-Stiftung im Jahre<br />

1872 eine besondere Würdigung. Die Stiftung der weitsichtigen,<br />

für die Not der Mitmenschen aufgeschlossenen Oberin<br />

Theodul war in einer Zeit, als es vor Bismarck noch keine<br />

Sozialversicherung gab und die Not, vor allem bei der älteren<br />

Generation vielfach recht groß war, viel geholfen. Sie diente<br />

der Sammlung von Unterstützungsgeldern für alte, bedürftige<br />

ehemalige Pflegekräfte und für arme Patienten, eine<br />

segensreiche Einrichtung, die aus der Sicht der damaligen Zeit<br />

hoch eingeschätzt werden muß. Als dann gegen Ende des<br />

vorigen Jahrhunderts allgemein die Sozialversicherung<br />

(Krankenversicherung, Unfallversicherung - Invalidität -<br />

und Altersversicherung) eingeführt wurde, konnte die<br />

Schwester-Theodul-Stiftung aufgelöst werden.<br />

In der »Festschrift zur Jubelfeier des Fürst-Carl-Landesspitals<br />

1847-1897« ist dem Wirken der Vinzentinerinnen unter<br />

Hervorhebung des sehr guten Einvernehmens zwischen der<br />

Schwesternschaft und den Verwaltungsorganen folgendes<br />

hohe Lob zuerkannt worden: »Es ist ein Akt der Gerechtigkeit,<br />

öffentlich zu konstatieren, daß das Fürst-Carl-Landesspital<br />

seine bisherige segensreiche Wirksamkeit sowohl als<br />

seinen Aufschwung in Beziehung auf Frequenz und finanzielle<br />

Bedeutung großenteils dem Wirken der Barmherzigen<br />

Schwestern verdankt.«<br />

Als nach dem Zweiten Weltkrieg der Schwesternnachwuchs<br />

auch bei den inzwischen eingesetzten Schwestern des Deutschen<br />

Roten Kreuzes stark zurückging, mußte die Entwicklung<br />

zwangsläufig dahin führen, daß mit der Eröffnung des<br />

neuen Kreiskrankenhauses im Februar 1979 der Einsatz der<br />

Kongregationsschwestern ganz aufhörte. Die wenigen<br />

Schwestern, die noch im Dienst waren, wurden vom<br />

Michaelstift und vom Josefinenstift übernommen. Die selbstlose,<br />

opfervolle und unermüdliche Tätigkeit der Schwestern<br />

vom frühen Morgen bis in den späten Abend - man möchte<br />

sagen »rund um die Uhr« - oft ein ganzes Leben lang, sichert<br />

den Schwestern die Dankbarkeit unzähliger Patienten.<br />

Das Josefinenstift<br />

1875 wurde die Eisenbahnlinie von Sigmaringen in das<br />

Donautal nach Beuron gebaut. Von den Bahnarbeitern, meist<br />

Italiener, berichtet die städtische Chronik Sigmaringen, daß<br />

die Gastarbeiter bei jedem Wetter, bei Sturm und Regen<br />

kochen mußten. Fürstin Josefine von Hohenzollern gründete<br />

in der Erkenntnis der Notlage der Arbeiter im Jahre 1875 eine<br />

Volksküche, in der man Suppen und Speisen verabreichte.<br />

Die Leitung der Volksküche wurde einer Schwester aus dem<br />

Fürst-Carl-Landesspital der Kongregation des hl. Vinzenz<br />

von Paul übertragen. Bald wurde der Tätigkeitsbereich der<br />

Volksküche in der Weise erweitert, daß nicht nur an die<br />

42<br />

italienischen Arbeiter, sondern auch allgemein an bedürftige<br />

Leute Speisen ausgegeben wurden. Die Küche war anfangs in<br />

verschiedenen Gebäuden der Stadt untergebracht, weitete<br />

sich aber derart aus, daß für sie eine Rechtsgrundlage gesucht<br />

werden mußte. Die Volksküche beschäftigte bei einer Ausweitung<br />

ihrer Aufgaben bis zu 30 Mädchen, die in der<br />

Hauswirtschaft ausgebildet wurden. Die zuständigen Stellen<br />

entschieden sich dafür, daß die Volksküche in ein Stift, das<br />

Josefinenstift, umgewandelt und die Trägerschaft dem<br />

Mutterhaus der Kongregation des hl. Vinzenz von Paul<br />

übertragen werden sollte. Dabei war man sich einig, daß die<br />

Zahl der Zöglinge aus Gründen einer guten Leistungsfähigkeit<br />

auf 25 beschränkt werden sollte. Nach der Übernahme<br />

des Josefinenstifts - im Volksmund allgemein »Klösterle«<br />

geheißen - durch die Kongregation lag die Verwaltung in den<br />

Händen des Provinzialmutterhauses in Heppenheim an der<br />

Bergstraße. Die Tätigkeit in der Mitwirkung der Schwester<br />

Oberin des Landesspitals war nunmehr abgelaufen. Inzwischen<br />

hatte sich auch die Tätigkeit der Vinzentinerinnen auf<br />

drei Hauptaufgaben ausgeweitet:<br />

1) Weiterführung der Volksküche<br />

2) Bildung eines Haushaltungsbetriebes mit Haushaltsschule<br />

3) Aufnahme von Pfründnern.<br />

Gerade die Haushaltungsschule wurde ein wichtiger Faktor<br />

der Einrichtung.<br />

Bei der vorwärtsdrängenden Entwicklung ergab sich die<br />

Notwendigkeit, ein neues Gebäude für die Anstalt zu errichten.<br />

So kam es zum 1. April 1884 zum Erwerb des heutigen<br />

Gebäudes des Josefinenstifts. 1934 kaufte das Mutterhaus für<br />

die Pensionäre der Anstalt das Schäfer'sche Haus oberhalb<br />

des Josefinenstiftes. 1936 konnte auch das Geschäfts- und<br />

Wohnhaus des Kaufmannes Friedrich Frick in der Antonstraße<br />

hinzugekauft werden. Trotz der räumlichen Entwicklung<br />

und der zahlreichen Neuerungen konnte der Raumbedarf<br />

den erhöhten Anforderungen nicht mehr genügen. Die<br />

Zeit drängte nach einer umfassenden Umgestaltung des Stiftes.<br />

So kam es zu dem großen, völlig neugestalteten Bau eines<br />

Altenheimes mit Pflegeheim neben dem bescheidenen Wohnhaus.<br />

Der Neubau des Altenheimes wurde 1972 bis 1973<br />

ausgeführt, im April 1973 bezogen und im Juni 1973 eingeweiht<br />

und offiziell eröffnet. Eine Entwicklung, die der<br />

Kongregation der Vinzentinerinnen zur Ehre gereicht 1.<br />

Das St. Michaelstift<br />

In unserer Schau auf das Wirken der Vinzentinerinnen in<br />

Sigmaringen verdient das St. Michaelstift eine eindrucksvolle<br />

Würdigung. Dabei steht allerdings zunächst die Vorgeschichte<br />

der baulichen Vorgängerin des Stiftes im Vordergrund.<br />

Wenn vom Michaelstift die Rede ist, erinnert man sich zuerst<br />

an die interessante geschichtliche Vergangenheit dieses denkwürdigen<br />

Erdenfleckens zwischen der Brauerei Zoller-Hof<br />

und dem Anstieg zum Klosterweg von der Gorheimer Straße<br />

aus. Die freundliche ansprechende Lage hat in der Vergangenheit<br />

immer wieder die Aufmerksamkeit der Heimatfreunde<br />

auf sich gezogen. Es muß um die Mitte des vorigen<br />

Jahrhunderts gewesen sein, als es Mode war, auch in nichtalpinen<br />

Regionen »schweizerisch« zu bauen. Damals übernahm<br />

ein reicher Mann namens Teufel aus dem Besitz des<br />

Kaufmanns Dopfer vom Hohenzollerischen Bataillon dessen<br />

»Hütte«, wie Dopfer es nannte, eben dieses ursprüngliche<br />

Schweizer Häuschen, von der Bevölkerung »Chalet«<br />

genannt. Zwei Pavillons gaben dem das Chalet umgebenden<br />

Gartengelände einen natürlichen, reizvollen Dekor. Jener<br />

Herr Teufel war offenbar sehr reich und weitgereist. Das<br />

Haus mußte prachtvolle Teppiche, Gemälde, Skulpturen und<br />

Möbel besessen haben. (Fortsetzung folgt)


JOHANN ADAM KRAUS<br />

Nächtlicher »Spuk« auf dem Heufeld<br />

Nach Bericht der Zimmerischen Chronik vom Jahr 1560 war<br />

es, auch nach Erlösung des Ringinger Schloßgeistes Kleinhans<br />

Schwelher, rings um den Ort und Heufeld »nicht ganz<br />

geheuer«. Sind doch dem Meßkircher Kaplan Hans Spindler<br />

auf dem Weg nach Salmendingen im Dunkeln vor Angst »die<br />

Haare gen Berg gangen und haben ihm den Huet ufgehebt« 1!<br />

Anders verhielt es sich freilich im Kriegsjahr 1944. Da<br />

erreichte mich im Januar fern im französischen Städtchen<br />

Guingamp in der Bretagne, wo ich im Büro des Oberstarztes<br />

Dr. Kopp als Mitglied der San. Kompanie 266 unter Feldpost<br />

56991 arbeitete, ein Brief der Kinder meines Bruders Klemens.<br />

Es war ein Bericht aus der Heimat Ringingen, die<br />

damals in den Schrecken und Überraschungen feindlicher<br />

Flieger in krassem Gegensatz zu meiner friedlichen Lage<br />

stand. Das Schreiben fiel mir beim Kramen in Dokumenten<br />

aus jener unruhigen Zeit wieder in die Hand. Es lautet:<br />

»Ringingen, den 8. Januar 1944. Lieber H. Vetter! Wir haben<br />

gerade ein Päcklein fertiggemacht, das Nachbars Josef<br />

Emele 2 nach Frankreich mitnehmen will. Heutnacht waren<br />

die englischen Flieger wieder hier. Sie haben mit Fallschirmen<br />

Männer abgesetzt auf Alt-Egert 3. Meinen Vater hat man um<br />

halbdrei Uhr aus dem Bett geholt und die Landwacht mußte<br />

ausrücken. Auch die Soldaten von der »Stellung« 4 draußen<br />

waren alarmiert, wie die Landwacht von Salmendingen. Die<br />

Abgesetzten haben sich gewehrt, einem wurde das Nasenbein<br />

durchschossen, so daß man ihn fangen konnte. Die anderen<br />

Abgesprungenen sind dagegen entkommen. Wie viele es<br />

waren, weiß man noch nicht. Unser Vater ist den ganzen Tag<br />

beim Suchen dabei. Einer der Engländer hat ihm und dem<br />

Steffelseffer ins Gesicht geleuchtet, doch geschah nichts. Die<br />

Fallschirme brachten mit den Männern auch Koffer und<br />

Schachteln mit Fleisch, Brot, Lebensmittelmarken und<br />

Papiergeld. Sie sollen sogar schwäbisch gesprochen haben.<br />

Man vermutet, sie hätten die (Luftabwehr-)Geräte auf dem<br />

Heufeld 5 in die Luft sprengen wollen, denn Sprengstoff<br />

hatten sie dabei. Christian (mein Bruder) wird noch weiter<br />

berichten über den Vorfall. Hoffentlich kommt das Päckle<br />

gut und schnell an. Viele Grüße von uns allen. Thea.«<br />

Mein Neffe Christian fügte auf Sonderblatt bei: »Als erstes:<br />

Glückliches Neues Jahr! Ich hörte heut Nacht die Flieger<br />

schon um halbzwei und schaute schnell aus dem Fenster. Sie<br />

flogen ganz niedrig über das Dorf hinweg. Etwas später<br />

wurde heftig an unser Fenster geklopft. Der Polizei (Gemeindediener)<br />

rief: Mein Vater müsse sofort aufstehen und mitziehen.<br />

Feindliche Soldaten seien mit Fallschirmen abgesprungen.<br />

Als sich die Männer gesammelt hatten, liefen sie Salmendingen<br />

zu, denn in dieser Richtung müsse die Absprungstelle<br />

sein. Da hörten sie denn auch bald schießen und fanden<br />

ziemlich bald einen mächtigen Fallschirm und dabei Koffer<br />

und Pakete. An der Stelle hatten schon Soldaten (wohl von<br />

der »Stellung« 3) einen Gefangenen gemacht, aber andere<br />

waren entkommen. Die Zahl derselben weiß man nicht. Der<br />

Mann hatte einen Nasenschuß und war bewußtlos. Man<br />

brachte ihn nach Salmendingen aufs Rathaus, der Vater ging<br />

auch mit. Der Mann hatte Zivilkleider an, einen nicht allzuschönen<br />

Hut auf dem Kopf und Tücher um die Füße<br />

gewickelt. Auch einen Wehrpaß, Soldbuch, Entlassungs-<br />

schein aus Karlsruhe, Eisernes Kreuz I. und II. Klasse, fünf<br />

Hemden und Krägen, dazu Berge von Lebensmittelkarten<br />

und Geld. Um Vi 6 Uhr, meinte unser Vater, es habe einer<br />

vom Monk (-Berg) und ein anderer vom Köbele (beide bei<br />

Salmendingen) heruntergeblinkt. Um 6 Uhr kam ein Mann<br />

zu uns ins Haus und gab mir den Auftrag, ich müsse die<br />

Koffer usw. holen, worauf ich die Pferde anspannte und<br />

losfuhr in Richtung Salmendingen. Unterwegs mußte ich ein<br />

Militärauto rausziehen, das im Schnee stecken geblieben war.<br />

Als ich an die Stelle kam, waren auch schon Militärwagen von<br />

der (Trochtelfinger) Haid da und nahmen die Koffer mit.<br />

Darin seien, hieß es, Sprengmaterial, Handgranaten, Spaten,<br />

Munition, Schuhe, Stoppuhr und noch einige Kleider. Gegen<br />

Morgen mußte unser Vater mit dem Steffelseffer nach Salmendingen<br />

hinein. Unterwegs zündete ihnen einer ins<br />

Gesicht. Der Seffer ging zurück um Verstärkung zu holen.<br />

Unser Vater blieb hinter einem Wehrstein sitzen. Aber nach<br />

einer Weile war vom Feind nichts mehr zu sehen oder spüren.<br />

Heute mußte nun alles, was laufen kann, auf die Suche, aber<br />

alles war vergebens: man fand niemand mehr. Auch die<br />

Kriminalpolizei war gleich dagewesen. Den Entkommenen<br />

muß man doch finden können, denn er mußte seinen Koffer<br />

mit allem zurücklassen, hat keinen Proviant und keine<br />

Schuhe. Die Koffer waren so schwer, daß ein Mann schwer<br />

daran zu schleppen hat. Dazu kam noch ein kleinerer und<br />

einige Schächtele, wie es scheint, alles von einem Fallschirm.<br />

Und es sollen doch zwei niedergegangen sein. Eben kam der<br />

Vater und sagte, der Gefangene sei ums Jahr 1933 (als<br />

Hitlergegner) aus Deutschland weggegangen, vielleicht ein<br />

Kommunist. An Geld wurden 5000 Mark gefunden und dazu<br />

ein Funkapparat. Es grüßt Dich nun Christian.«<br />

In einem Schreiben vom 13. Januar 1944 ist von Thea<br />

nachgetragen: »Der verunglückte Abspringer soll vor etwa 10<br />

Jahren aus Stuttgart-Feuerbach, weil mit der Partei nicht<br />

einverstanden, nach England gegangen sein. Man hat auch<br />

noch zwei vergrabene Fallschirme gefunden«.<br />

Im März darauf bekam ich Urlaub und konnte die Heimat<br />

besuchen. Wieder haben Männer des Dorfes die Gegend<br />

gegen Melchingen-Stetten durchsucht, denen ich mich neugierig<br />

anschloß. Es sei wieder einer vom Flugzeug abgesprungen.<br />

Aber wir fanden nichts, auch keinerlei Spuren im<br />

Schnee. Damals konnte ich noch nicht ahnen, daß ich die gute<br />

Mutter nicht mehr sehen würde, sondern im September als<br />

amerikanischer Kriegsgefangener über England-Schottland<br />

nach Amerika fahren würde und erst im Mai 1946 zurückkomme.<br />

Aber in der Heimat hieß es dann: den Gürtel enger<br />

schnallen!<br />

1 Hohenz. JHeft 1961, 71 f.<br />

2 J. Emele, ein lieber Altersgenosse und Jugendkamerad, der leider<br />

aus dem Krieg nicht mehr heimkehrte.<br />

3 Alt-Egert, Flur gegen Salmendingen an der Markungsgrenze.<br />

4 Die »Stellung«, eine militärische Anlage mit Besatzung und ca. 200<br />

Blitzmädels: Hohz. JHeft 1961, 182 f.<br />

5 Die verschiedenen Geräte auf dem Heufeld sind beschrieben: Note<br />

3.<br />

43


CASIMIR BUMILLER<br />

Zur Christianisierung der Vornamen<br />

Thesen und Erläuterungen<br />

In der Nr. 3/1980 dieser Zeitschrift hatte ich einen Artikel<br />

»Zur Christianisierung der Vornamen in der Grafschaft<br />

Zollern« veröffentlicht. In Nr. 2/1981 schrieb Herr Geistl.<br />

Rat W. Burth eine Entgegnung in scharfer Form. Da diese<br />

Entgegnung möglicherweise berechtigt war, aber vor allem,<br />

weil Herr Burth seine vernichtende Kritik auf sachlichen<br />

Unrichtigkeiten aufbaut, sehe ich mich genötigt, in aller<br />

Kürze meine Thesen zu stützen und zu erläutern.<br />

Verwirrung?<br />

1. Soweit meine Untersuchung quantitativ vorging, war sie<br />

rein sprachgeschichtlich/namengeschichtlich angelegt. Ich<br />

hatte definiert, was ich unter »Christianisierung« verstehen<br />

wollte - das Eindringen hebräisch-griechisch-lateinischer<br />

Namen in den Vornamenschatz des deutschen Sprachraums -<br />

und eine Deutung bewußt zurückgestellt. Sofern im Mittelalter<br />

deutsche Namen wie Konrad bewußt in Anlehnung an<br />

Heilige gegeben waren, zeigt dies nur, daß die Bauern sich<br />

zunächst solchen Heiligennamen zuwandten, die germanische<br />

Etymologie hatten. Ob sich jedoch alle bäuerlichen<br />

Konrads nach dem heiligen Bischof nannten, ist erstens nicht<br />

zu erweisen und zweitens auch unwahrscheinlich. Deshalb<br />

mußte ich mögliche deutsche Heiligennamen aus meiner<br />

quantitativen Untersuchung herausnehmen. Burth braucht<br />

mir also keine Unterlassung bzw. sprachgeschichtlich/geistesgeschichtliche<br />

Verwirrung vorzuwerfen, wo ich diese<br />

Einschränkung der Arbeit deutlich lesbar vorangestellt habe.<br />

2. Die Tatsache, daß im 14. Jahrhundert massenhaft fremdsprachliche<br />

Namen in unseren Sprachraum eindringen, erfordert<br />

unsere Aufmerksamkeit. Auch wenn Burth sagt, diese<br />

Namen seien schon lange keine fremden mehr gewesen - aus<br />

der biblischen Geschichte, aus Predigten und Heiligenleben<br />

waren sie längst jedem Bauern bekannt -, muß man doch<br />

fragen, warum sie erst jetzt in großem Maßstab den Kindern<br />

gegeben wurden und nicht etwa schon im 11. Jahrhundert,<br />

wo sie auch »schon lange« bekannt waren. Es ist doch wohl<br />

ein beträchtlicher psychologischer Unterschied, ob ich<br />

fremdländische Namen aus der Literatur kenne, oder ob ich<br />

sie bewußt meinen Kindern gebe; dies setzt eine Veränderung<br />

psychologischer und ideologischer Strukturen in meinem<br />

Innern voraus, ich identifiziere mich mit dem Namen. In<br />

diesem Zusammenhang ist es auch nicht unerheblich, daß<br />

ungefähr parallel zur Annahme christlicher Vornamen eine<br />

zweite Entwicklung ablief, die die persönliche Identität der<br />

Menschen betraf: die Entstehung der Familiennamen, ein<br />

Phänomen, dessen Zusammenhang m. W. noch nicht untersucht<br />

ist.<br />

Die Urkunden des Dominikanerinnenklosters Stetten (UDS)<br />

3. Meine namengeschichtlichen Befunde fußten für das Spätmittelalter<br />

hauptsächlich auf dem Bickelsperg'schen Lagerbuch<br />

von 1435 und auf den Urkunden des Klosters Stetten für<br />

das 14. Jahrhundert 1. Ich behauptete, die Christianisierung<br />

der Vornamen beginnt im Bereich der Grafschaft Zollern<br />

zwar schon im 13. Jahrhundert, aber eine Öffnung der<br />

breiten Massen (damit meine ich hauptsächlich städtische<br />

Unterschichten und die ländliche Bevölkerung) für die neuen<br />

Namen erfolgte erst nach 1350. Dies kritisiert Burth mit zwei<br />

Argumenten:<br />

- Man muß in Rechnung stellen, daß viele deutsche Namen<br />

christliche Bedeutung haben (Konrad, Adelheid, Mechthild),<br />

und da viele Menschen schon vor 1350 so getauft<br />

waren, erscheint dieses Datum nicht mehr als Grenze.<br />

44<br />

Wer A sagt, muß auch B sagen; so ging es jedenfalls der Schriftleitung mit der<br />

Kontroverse um den Aufsatz von Casimir Bumiller zur Christianisierung der<br />

Vornamen. Es ist klar, daß die nachfolgende Erwiderung von Herrn Bumiller<br />

auf die Ausführungen von Herrn Geistl. Rat Burth sich nicht mehr auf dem<br />

Boden der »Heimatgeschichte« bewegt. Auch wird manchem Leser die<br />

Angelegenheit zu »hoch« sein. Trotzdem möchten wir die Geschichte zu einem<br />

hoffentlich guten Ende bringen, denn es wurden bisher doch recht interessante<br />

Fragen angeschnitten.<br />

- Die UDS, auf denen ich meine Aussagen aufbaute, hält er<br />

ohnehin für nicht geeignet, um soziologisch differenzierte<br />

Aussagen zu machen, da sie aus ihrer spezifischen Charakteristik<br />

als Stiftungsurkunden sowieso nur besitzende<br />

Kreise repräsentiert.<br />

4. These: Die UDS sind als Quelle für unsere Fragestellung<br />

durchaus geeignet, und sie bestätigen meine Aussage: eine<br />

allgemeine Öffnung der Bevölkerung für die neuen Namen<br />

findet erst nach 1350 statt, nachdem führende oder gehobene<br />

Bevölkerungsschichten sich schon seit dem hohen Mittelalter<br />

nach Heiligennamen nennen.<br />

Die UDS verzeichnen etwa 700 Personennamen der Grafschaft<br />

Zollern aus der Zeit zwischen 1300 und 1400, das ist<br />

keine kleine Basis. Man kann also ablesen, wann wo fremde<br />

Namen erstmals auftreten. Eine soziologische Aufschlüsselung<br />

sollen sie allerdings nach Burth nicht zulassen? -<br />

Schauen wir uns doch eine typische solche Urkunde an:<br />

Nr. 62 - 1327 Nov. 16<br />

Ritter Burkart von Tierberg verkauft sein Gut zu Schlatt<br />

ans Kloster Stetten. Das Gut bauen Brüli und der Müller<br />

zu Weiler. Bürgen: Ritter Volkart von Owe und Konrad<br />

Schenk von Stauffenberg.<br />

Die Urkunde repräsentiert verschiedene Personengruppen:<br />

a) Käufer/Verkäufer (oder Stifter/Empfänger), b) Bürgen (oft<br />

auch zusätzlich Zeugen). Alle diese Gruppen gehören zu<br />

denen, die etwas haben, also zur besitzenden Klasse: in der<br />

Hauptsache Ortsadel, Ministerialen, städtische Bürger, ausnahmsweise<br />

auch einmal Großbauern vom Land. Bürgen und<br />

Zeugen sind in der Regel der Schicht entnommen, der der<br />

Stifter/Verkäufer angehört: also wieder dem Adel bis herab<br />

zur dörflichen Ehrbarkeit. Nun verzeichnen die Urkunden<br />

aber in der Regel noch eine weitere Personengruppe - und<br />

gerade sie hat Burth übersehen -: c) die Bauern, die auf den<br />

verkauften/gestifteten Gütern sitzen. Es sind also alle gesellschaftlichen<br />

Schichten, die die Grafschaft bevölkerten, in den<br />

Urkunden vertreten, und soziologische Differenzierungen<br />

sind sehr wohl möglich. Die Charakterisierung, die Burth<br />

von den Stiftungsurkunden gibt, stellt nur eine Teildefinition<br />

dar, weil sie ein wichtiges Merkmal unterschlägt, und ist nur<br />

geeignet, die Leser, die unsere Kontroverse verfolgen, zu<br />

meinem Schaden irrezuführen.<br />

Das angeführte Beispiel ist im übrigen kein Einzelfall. Nach<br />

diesem Muster sind 109 von 281 Urkunden aus der Zeit<br />

zwischen 1300 und 1370 angelegt. In diesen 109 Urkunden<br />

werden rund 190 Bauern namentlich genannt, davon rund<br />

130 bei ihrem Vornamen. Im selben Zeitraum sind in dieselben<br />

Urkunden Namen von 267 Grundbesitzern eingegangen<br />

(148 Adlige und 119 Bürgerliche). Niemand wird abstreiten<br />

wollen, daß dabei die 130 Bauernnamen zu einem soziologischen<br />

Vergleich antreten können. Sucht man nämlich jetzt<br />

unter all diesen Personen nach christlichen Namen (und ich<br />

meine jetzt solche mit fremdsprachlicher Etymologie), dann<br />

finden sich unter den 130 bäuerlichen Vornamen ganze 5 (ca.<br />

4%), unter den Grundbesitzern dagegen 45 (ca. 17%). Selbst<br />

wenn wir die deutschen Namen, die möglicherweise als<br />

Heiligennamen zu interpretieren sind, dazu addieren (Konrad,<br />

Adelheid, Mechthild usw.), dann erhöht sich zwar der<br />

Prozentanteil auf beiden Seiten noch einmal, aber der Vorsprung<br />

von Adel/Bürgertum gegenüber den Bauern bleibt<br />

ungefähr erhalten. Deshalb besteht kein Grund dazu, meine<br />

These, die Sitte, christliche Taufnamen zu geben, sei von<br />

niederem Adel/Ministerialität/Patriziat ausgegangen und


dann zeitlich versetzt sozial nach unten weitergegeben worden,<br />

umzuwerfen.<br />

Der >Schwarze Tod< 1347—1451<br />

5. Ich hatte vorgeschlagen, die Erklärung dieses Phänomens<br />

nach Besitzenden (Adel/Patriziat) und besitzlosen Unterschichten<br />

(hauptsächlich Bauern) zu trennen. Während die<br />

ersteren als die neue kulturtragende Gruppe diesen Brauch<br />

christlicher Namensgebung bewußt und aktiv propagiert<br />

haben, scheint das flache Land diese Sitte erst nach 1350<br />

massenhaft übernommen zu haben, und zwar unter einem<br />

von außen kommenden Einfluß, den ich im 'Schwärzen Tod<<br />

der Jahre 1347-1351 vermutet habe. Burth versucht diese<br />

These lächerlich zu machen: Vier Jahre könne keinen solchen<br />

Wandel verursacht haben.<br />

Welche kurz- und langfristigen Wirkungen hatte der Atombomben-<br />

Abwurf der Amerikaner über Japan 1945, welche<br />

Wirkungen der Sechs-Tage-Krieg zwischen Israel und Ägypten,<br />

welche Wirkungen die Schlacht von Solferino? Welche<br />

Wirkungen hatte der Erste Weltkrieg, der »nur« vier Jahre<br />

dauerte? Der Schwarze Tod herrschte auch nur vier Jahre<br />

über Europa, aber die Frage ist doch nicht, wie lange diese<br />

Epidemie dauerte, sondern wie intensiv die Pest auf soziale<br />

Verhältnisse und psychische Strukturen eingewirkt hat. Nun<br />

weisen zwar alle Autoren darauf hin, daß man die Seuche von<br />

1347-51 nicht allein sehen darf, sondern in die Reihe der<br />

zahlreichen Hungersnot-Seuche-Ketten des 14. und 15. Jahrhunderts<br />

stellen muß (Hungersnot um 1315, Pest um 1350,<br />

weitere Pestumzüge 1356, 1365, 1369/70, 1380, Hungersnot<br />

1438, Pest 1450 und 1460/62 3; für die Grafschaft Zollern sind<br />

zusätzlich belegt das Erdbeben von 1348, die Dürre und das<br />

Viehsterben von 1362, das Erdbeben und die Verwüstungen<br />

von 1372 4. Dennoch weisen alle Autoren darauf hin, und<br />

auch den zeitgenössischen Chronisten war dies bewußt, daß<br />

die Pest von 1347-51 aus allen anderen Seuchen qualitativ<br />

herausragt. Die Wirkungen waren so verheerend, daß sie nur<br />

noch mit denen des 30jährigen Krieges vergleichbar sind -<br />

und das in »nur« vier Jahren. Die Bevölkerungen Europas<br />

wurden im Schnitt um ein Drittel dezimiert, davon abhängig<br />

entstand eine langanhaltende Agrarkrise - Umwandlung der<br />

Landwirtschaft - Veränderung der soziologischen Struktur<br />

auf dem Land - stärkere Beziehungen Stadt/Land (Durchsetzung<br />

der Geldwirtschaft) - negative Auswirkungen auf kleine<br />

Grundherrschaften - Förderung der großen Herrschaften zu<br />

Landesfürstentümern 5. Dies sind nur die längerfristigen<br />

sozialen, wirtschaftlichen und politischen Auswirkungen.<br />

Was geschah aber mit den Menschen in diesen vier Jahren<br />

psychologisch? Es entstand eine ungeheure Angst, und zwar<br />

eine zweifach überlagerte: die Angst, geliebte Personen zu<br />

verlieren, selbst von der Pest befallen zu werden und nichts<br />

dagegen tun zu können, und dann die Angst, diese Epidemie<br />

sei eine Strafe Gottes für begangene Sünden. Dies förderte ein<br />

Bußbedürfnis, eine Unterwerfung unter Gottes nicht mehr<br />

genau erkennbaren Willen, die Formen annahm, welche<br />

selbst der Kirche übersteigert erschienen. Die Kirche wurde<br />

vielfach nicht mehr als Mittlerin vor Gott anerkannt, und<br />

selbst eine große Anzahl Priester lief zu den Geißlern über.<br />

Geißlerumzüge, Judenmorde (!), Bußfertigkeit, fromme Stiftungen<br />

waren die direkten Auswirkungen der Pest 6. Heiligenkulte,<br />

die natürlich schon seit Jahrhunderten gepflegt<br />

wurden, erfuhren direkt im Anschluß an die Pest einen<br />

mächtigen und sichtbaren Aufschwung, und wenn die christliche<br />

Namengebung im Zusammenhang mit der Heiligenverehrung<br />

steht, was wohl unbestritten ist, dann stellt die Pest<br />

von 1347-51 den Katalysator für die Öffnung breiter Volksmassen<br />

für die fremden Namen dar, denn während Adlige<br />

und Bürger Kapellen, Spitäler usw. stiften konnten, hatten<br />

die Bauern und Handwerker meist nur die Möglichkeit, zu<br />

Heiligen zu wallfahrten oder ihren Kindern Namen entspre-<br />

chender Heiliger zu geben, um sie vor weiteren zu erwartenden<br />

Epidemien, sprich Gottesurteilen zu bewahren. Dies war<br />

der äußere Zwang, dem die Bauern (deshalb in Anführungszeichen)<br />

»freiwillig« nachgaben 7.<br />

Burths Erklärung für die Durchsetzung christlicher Namengebung<br />

6. Für den Aufschwung echtreligiösen Lebens im 14. Jahrhundert<br />

führt Burth das Wirken der Franziskaner und Dominikaner,<br />

hier besonders der Mystiker an. Diese Feststellung<br />

hört sich unseren monokausal geschulten Ohren so richtig<br />

und plausibel an, daß man schon gar nicht mehr nachzuhaken<br />

wagt. Dennoch: Hat denn je in der Geschichte geistiges<br />

Einwirken auf Menschen (Predigt, verbale Erziehung, Propaganda<br />

usw.) direkt und ohne weiteres Ergebnisse gezeitigt?<br />

Verhaltensänderungen und Anschauungswandel stellen sich<br />

doch erst ein, wenn sich etwas in den materiellen Lebensgrundlagen<br />

verändert, was die Interessen und Einsichten<br />

verschiebt, oder wenn direkter oder indirekter Zwang ausgeübt<br />

wird. Die Preußen haben im 13. Jahrhundert nicht<br />

deswegen das Christentum angenommen, weil ihnen das<br />

Wort Gottes gepredigt wurde; ihre Naturreligion entsprach<br />

ihren agrarischen und sozialen Lebensverhältnissen viel besser,<br />

und sie unterwarfen sich dem Deutschen Orden doch nur<br />

unter dem Eindruck der »Schwertmission«, ohne ihre aus<br />

ihnen herausgewachsene Religion im Mittelalter jemals ganz<br />

aufzugeben. Oder: viele Beamte des Dritten Reichs sind nur<br />

deshalb »Nazis« geworden, weil ihnen Berufsverbot oder<br />

Schlimmeres gedroht hätte, nicht weil ihnen Goebbels'<br />

Geschwätz besonders imponierte. Oder: der Wandel unserer<br />

Bevölkerung hin zu mehr Umweltbewußtsein rührt nicht<br />

daher, daß Grüne und anders Farbige Vorträge halten und<br />

Broschüren verteilen, sondern daher, daß immer mehr Menschen<br />

sichtbar vor Augen tritt, welches Schindluder wir<br />

bisher mit der Natur getrieben haben: Umweltgruppen sind<br />

nur die Sprachrohre dieses Bewußtseins. Und das 14. Jahrhundert<br />

wurde nicht religiöser, weil Franziskaner und Dominikaner<br />

predigten, sondern weil vielen Menschen die Auswüchse<br />

geheuchelter Religiosität zum Himmel schrien; Bettelorden<br />

und Mystiker prangern nur an, was viele empfinden,<br />

sie sind nicht etwa die erklärende Ursache, sondern ihr<br />

Entstehen selbst ist erklärungsbedürftig.<br />

7. Die Mystik entstand aus einem Protest gegen unechte<br />

religiöse Motive und Handlungen (Simonie, Pfründenhäufung,<br />

Verweltlichung des Klerus) in der Amtskirche und in<br />

den Klöstern. Die Mystiker gebärdeten sich aber nicht sozialrevolutionär<br />

wie etwa die Kirchenkritiker Wicliff und Hus,<br />

sondern zogen sich auf ihre innere Begegnung mit Gott<br />

zurück. Diese Methode der Gottessuche versuchten sie in<br />

Schriften und Predigtreisen in deutscher Sprache dem Volk<br />

(was immer das sei) zu vermitteln. Nehmen wir an, der sei.<br />

Seuse (1295-1366), der gerade in den Jahren vor der großen<br />

Pest auf Predigtreise ging, hätte auch in Stetten/Hechingen<br />

gesprochen, was würde das erklären? Arno Borst, den Burth<br />

zitiert 8, beschreibt ja nicht nur das unablässige Wirken<br />

Seuses, sondern auch seine für ihn frustrierende Wirkungslosigkeit.<br />

Seine untergeordneten Brüder fanden ihn lächerlich,<br />

und die Kirchenleitung hielt Teile seiner Lehre für ketzerisch.<br />

(Es ist auch nicht so, daß sein Name »noch heute einen guten<br />

Klang« hätte, wie Burth schreibt, sondern eigentlich erst<br />

heute, da er doch erst in diesem Jahrhundert aus der Versenkung<br />

geholt wurde.) Was hätte dieser aufrichtige Mann mit<br />

seinen guten Absichten also mit einem Auftritt vor den<br />

<strong>hohenzollerische</strong>n Bauern bewirken können? In der Regel<br />

hörten die Menschen Predigten von dritt- und viertklassigen<br />

Priestern, deren Bildung und Ausbildung miserabel war und<br />

deren Lebenswandel oft nicht dem entsprach, was sie erzählten<br />

9. Und sie predigten die Furcht vor Gottes Strafe, weil sie<br />

selbst genügend Grund hatten, sie zu fürchten. Übrigens<br />

45


sprachen auch die Mystiker nicht nur von »Gottesminne«;<br />

Burth unterschlägt, daß diese Gottesliebe im System des<br />

mystischen Denkens ja gerade Gottes Zürnen vorbeugen<br />

sollte. Also auch hier die Angst vor Gottes Zorn. Wenn also<br />

die Mystik hier als miterklärender Faktor herangezogen<br />

werden kann, dann insofern, als sie im Chor mit anderen<br />

Predigern die Saat auswarf, die dann beim nächsten existenzbedrohenden<br />

Anlaß aufgehen sollte. Und dieser Anlaß war<br />

immer schon hier und da eine lokale Hungersnot, ein Erdbeben<br />

oder eine Seuche, zuletzt aber, alle Schichten, alle<br />

Regionen und Länder gleich betreffend, die große Pest um<br />

1350.<br />

Religiöse Vertiefung?<br />

8. Als Beispiel für echtreligiöse Vertiefung im 14. Jahrhundert<br />

führt Burth die Mystik an. Damit hat er recht; sie ist<br />

allerdings auch das einzige Beispiel. Die Mystik ist insofern<br />

religiöse Vertiefung, als sie den Blick nach innen wendet,<br />

somit den Gottesbegriff und die Gottessuche abstrakter faßt.<br />

Sie nimmt damit bestimmte Spielarten des Protestantismus<br />

vorweg. Die zweite Protestbewegung gegen Verweltlichung<br />

und Falschheit des Klerus (Ockham, Wicliff, Hus) stellt sich<br />

zwar ähnlich wie die Mystiker in ihrer Kirchenkritik abseits<br />

der Kirche, geht aber nicht in die Tiefe und nicht in die<br />

Abstraktion, sondern kann sogar in ihren Sozialrevolutionären<br />

Lehren auf Bauern und Kleinbürger wirken (Hussitenkriege)<br />

und nimmt so auf ihre Weise ebenfalls die Reformation<br />

vorweg. Die Amtskirche schließlich ist - wenn vertieft -<br />

dann in ihre konkreten Verwaltungsaufgaben, sonst aber in<br />

belanglose Diskussionen. Und der niedere Klerus, der den<br />

Sittenverfall der Amtskirche ausnützt, hat in aller Regel<br />

schon gar keine Tiefe mehr 10.<br />

Und die »Volksfrömmigkeit« der breiten Massen? Ich sehe<br />

keinen besonderen Einfluß der Mystiker auf das Frömmigkeitsgebaren<br />

der Bauern, schon gar keinen monokausalen,<br />

wie Burths Formulierungen andeuten. Wenn die Mystik<br />

gewirkt hat, dann auf bestimmte Gruppen aus Patrizier-,<br />

Bürger- und Adelskreisen, hier wiederum besonders auf<br />

Frauen 11 - gebildete Frauen waren es ja auch, die die Mystik<br />

begründet hatten. Die Volksfrömmigkeit dagegen korrespondiert<br />

viel eher und viel direkter mit den Lehren und<br />

Angeboten der offiziellen Kirche und entspricht ihr im<br />

Niveau. Es geht dabei um sehr konkrete, sinnliche und<br />

handfest materielle Interessen 12, in der das ewige Leben<br />

gegen Geld portionsweise ausgegeben wird.<br />

Die »Volksfrömmigkeit«, die durch alle Handbücher geistert,<br />

steht für die religiöse Vertiefung des 14./15. Jahrhunderts,<br />

dabei erhebt sich doch erst die Frage, wie religiös im<br />

christlichen Sinn dieses »Volk« war; ist die christliche<br />

Namengebung, die hier anhebt, überhaupt Kennzeichen<br />

christlicher Religiosität? Was wissen wir überhaupt von<br />

diesem »Volk«, das vielleicht 80% der Bevölkerung ausmachte,<br />

mit dem sich aber noch kaum jemand näher befaßt<br />

hat?<br />

Zur Zivilisation des Abendlandes 13<br />

9. Die Entwicklung der abendländischen Gesellschaften ist<br />

gekennzeichnet von einer zunehmenden Ausgrenzung der<br />

Natur aus dem Lebensraum, den wir ihr abgetrotzt haben,<br />

die geordneten und kontrollierten Verhältnisse dieses<br />

Lebensraums wie auch den Lebensraum selbst nennen wir<br />

Zivilisation. Wir schotten uns gegen die äußere Natur durch<br />

Ortsetter und noch mehr durch Stadtmauern ab. Innerhalb<br />

der Mauern sind wir kultiviert, draußen droht die Wildnis.<br />

Nicht nur die äußere Gestaltung des öffentlichen Lebens<br />

nimmt zivile Formen an, auch das Verhalten, das Fühlen und<br />

Empfinden der Menschen wird nach und nach »gesittet«,<br />

»beherrscht«, »zivilisiert«. Auch die innere Natur wird<br />

zuerst ausgegrenzt und dann eingedämmt. Äußerungen der<br />

46<br />

menschlichen Natur, voran die Sexualität, werden verdrängt.<br />

Aggressive Haltungen werden dem Ideal nach gebändigt. Die<br />

ersten »Knigge« der höfischen Gesellschaft entstehen im<br />

Hochmittelalter; in ihnen wird erstmals kodifiziert, was uns<br />

noch als höflich (d. i. >höfisch


Elemente wurden den Menschen unter dem Eindruck der<br />

harten Strafandrohung zwar nach und nach als sündhaft<br />

bewußt, dennoch hielten sich heidnisch-religiöse Handlungen<br />

und Denkansätze in breiten Kreisen und in vielen Regionen<br />

bis ins 16. und 17. Jahrhundert. Der italienische Müller<br />

Menocchio benutzt christliche Namen, Denkmuster und<br />

Terminologien, um den staunenden Klerikern seine heidnisch-phantheistische<br />

Weltanschauung dazulegen (wofür er<br />

im Jahr 1600 verbrannt wird) 16. Die Bewohner einer bayerischen<br />

Gemeinde des 17. Jahrhunderts wählen aus dem Angebot<br />

christlicher Vornamen solche aus, deren Legende und<br />

Funktionen den Bedürfnissen ihrer agrarischen Existenz am<br />

nächsten kommen und die noch die gleichen sind wie im<br />

frühen Mittelalter 17. Die wenigen Untersuchungen zu diesem<br />

Problem geben erst einen kleinen Einblick, aber sie deuten die<br />

Spitze eines Eisbergs an, vor allem zeigen sie, wie fraglos wir<br />

bisher mit dem Wort »Volksreligiosität« umgegangen sind.<br />

12. Wozu dieser ausladende Exkurs, wo es doch nur um die<br />

Vornamen der Grafschaft Zollern im Spätmittelalter geht? Es<br />

geht darum, vereinfachende Deutungen historischer Abläufe,<br />

wie sie Burth vorschlägt, zu vermeiden 18. Nach ihm entstand<br />

im 14. Jahrhundert in den Menschen (in allen Schichten<br />

gleichermaßen) ein Bedürfnis echter religiöser Erneuerung.<br />

Dieses Bedürfnis drückt sich in den verschiedensten Frömmigkeitsbezeugungen<br />

aus und findet seinen Niederschlag<br />

u. a. in der Zunahme christlicher Vornamen. Zu erklären ist<br />

diese Religiosität durch das Wirken der Bettelorden und der<br />

Mystik. Dies ist eine Beschreibung, wie sie nur noch in<br />

Handbüchern der Kirchengeschichte und (leider auch) in<br />

Schulbüchern zu finden ist; Geschichte ist so verkürzt auf die<br />

einfachsten Denkmuster monokausaler Verknüpfung. Kein<br />

Wort über den sozialen und wirtschaftlichen Rahmen des<br />

Spätmittelalters, keine Frage nach mitbeeinflussenden Faktoren,<br />

kein Blick für gleichzeitig ablaufende Entwicklungen,<br />

die ebenfalls Gegenstand der Kirchengeschichte sind. Ist<br />

denn die »Volksfrömmigkeit« mit ihren Wallfahrten,<br />

Reliquien, Stiftungen, Bruderschaften usw. usw. schon alles,<br />

was die Krichengeschichte des Spätmittelalters ausmacht?<br />

Wenn man die Handbücher der Kirchengeschichte betrachtet:<br />

ja. Geht es nach ihnen, dann hat etwa die Entstehung des<br />

Hexenwahns nichts mit der Kirche zu tun: entsprechende<br />

Kapitel fehlen 19. Betrachtet man dagegen Quellensammlungen<br />

zum Hexenglauben 20, dann wird schnell deutlich, daß er<br />

ein wichtiges Problem der Kirchengeschichte ist. Auch Hexenglaube<br />

und -Verfolgung als eine Form spätmittelalterlicher<br />

Frömmigkeit: die Kehrseite der Medaille 21. Es geht nur<br />

darum zu zeigen, was Wappen und Zahl miteinander zu tun<br />

haben.<br />

Wappen und Z.ahl machen die Medaille<br />

13. Daß es sich um zwei Seiten einer Medaille handelt, zeigt<br />

sich zunächst in der Parallelität der Entwicklung. In derselben<br />

Zeit, in der sich christliche Namengebung massenhaft<br />

durchsetzt, erfolgt auch die Erweiterung des Ketzerprozesses<br />

zum Hexenprozeß. Zum andern sind dieselben kirchlichen<br />

Autoritäten, die den Hexenglauben propagieren, die eifrigsten<br />

Förderer frommer Kulte. Das prominenteste Beispiel am<br />

Abschluß beider Entwicklungen sind die beiden Dominikaner-Inquisitoren<br />

für Deutschland Institoris und Sprenger:<br />

zum einen fördern sie erneut den Marienkult, zum andern<br />

setzen sie endgültig die Hexenverfolgung durch (1487). Man<br />

braucht nicht Freud gelesen zu haben, um den zugrundeliegenden<br />

psychischen Mechanismus dieser Polarität zu erkennen:<br />

die beiden Dominikaner strengster asketischer Haltung<br />

spalten die reale Frau, die ihnen in Köln über den Weg läuft,<br />

auf in die hehre, untadelige, geschlechtslose (jungfräulich<br />

gebärende) und deshalb makellose Himmelsfürstin, die zu<br />

verehren ist, und in das niedrige, Männer verführende »Gefäß<br />

der Sünde«, das immer schon potentielles Werkzeug des<br />

Höllenfürsten ist. Die Verdrängung der eigenen Sexualität<br />

forderte nun die »Verdrängung« der Frau schlechthin, die<br />

einen an die Sexualität erinnerte. Die gewaltsame Unterdrükkung<br />

menschlicher Natur im Innern verwandelte sich in<br />

Aggression nach außen, das innere Feuer der verdrängten<br />

Begierde wurde zum Feuer der Scheiterhaufen.<br />

14. Wir haben es mit zwei scheinbar ganz verschiedenen<br />

Dingen zu tun: zum einen mit einer positiven Erneuerung<br />

religiösen Lebens, zum andern mit einer religiös motivierten<br />

Verfolgung von Menschen, deren Beschreibung als »Ausrutscher«<br />

der Geschichte auf die >Giftschränke< der Bibliotheken<br />

verwiesen wird. Wenn es sich bei beiden Entwicklungen um<br />

die dialektisch zusammenhängenden Seiten einer einzigen<br />

Medaille handeln soll, dann müssen wir den gemeinsamen<br />

Ursprung beider aufdecken, und wir haben ihn bereits<br />

genannt. Das christliche Abendland hatte seine innere und<br />

äußere Natur verdrängt und mit ihr die Naturreligion der<br />

germanischen Bauern. Nun existiert aber so etwas wie ein<br />

»psychologischer Energieerhaltungssatz«. Man kann nicht<br />

Energien, die die menschliche Existenz mitkonstituieren und<br />

-definieren, einfach ausschalten. Man kann sie unterdrücken<br />

und verdrängen - mit der Folge, daß sie in einer Kompromißformel<br />

wiederkehren oder ganz unkenntlich auf anderem<br />

Gebiet ihr Unwesen treiben oder sonst unter irgendeiner<br />

Narrenkappe hervorlugen und uns foppen. Man kann auch<br />

nicht kompromißlos bäuerliche Naturreligion ausrotten,<br />

solange sich die bäuerliche Existenzweise im Wesen nicht<br />

verändert. Nach der Psychoanalyse kehrt das Verdrängte im<br />

Verdrängenden immer in irgendeiner Weise wieder. Und so<br />

ist dem kritischen Auge im Frömmigkeitsgebaren des Spätmittelalters<br />

überall der heidnische Kern sichtbar, wenn er<br />

auch im christlichen Gewand auftritt. Warum sollte die<br />

Anbetung eines germanischen Hausdämons wegen eines<br />

Hexenschusses Aberglaube sein, die Anbetung des hl. Blasius<br />

wegen eines Blasenleidens (St. Blasius ist selbstverständlich<br />

neben den Halsleiden auch für die Blase zuständig, auch<br />

wenn es Herr Burth nicht wahrhaben will 22) dagegen eine<br />

christliche Gebärde? Der Bauer gewöhnt sich mit der Zeit<br />

gerne an die neuen Namen, wenn er die alten Verhaltensweisen<br />

beibehalten darf.<br />

15. Nicht anders wie mit der bäuerlichen Religion verhält es<br />

sich auch mit der inneren Natur. Alles Geschlechtliche war<br />

verteufelt worden, und man benutzte die dämonisierten<br />

Gestalten der alten Götter, um diesem Teufel jene Fratzen zu<br />

geben, die wir an den Kapitellen und Friesen der romanischen<br />

Kirchen finden. Die Sexualität, die erst in der Verdrängung<br />

zum Teufel wird, wird uns eines Tages aber in Gestalt der<br />

Schlange oder eines anderen Tieres heimsuchen. Die Kirchengemälde<br />

des späten 14. und frühen 15. Jahrhunderts<br />

stellen diese Unwesen eindrucksvoll dar. Schließlich aber<br />

erkennt man den Teufel gar nicht mehr im eigenen Leib, man<br />

projiziert ihn nach außen: auf die Frau. So tritt in den<br />

Gemälden des 15. und 16. Jahrhunderts die Versuchung meist<br />

in Gestalt von Frauen auf (Darstellungen des hl. Antonius).<br />

Von der Aggression, in die sich die verdrängte Sexualität<br />

verwandelt hat, sind jetzt besonders solche Frauen betroffen,<br />

die sich geschlechtliche Freizügigkeit erlaubten und/oder<br />

altes Wissen um die geheimen Dinge in der Natur bewahrt<br />

haben. Sie ergeben so das Bild der spätmittelalterlichen Hexe.<br />

Aber es kam nicht gleich und selbstverständlich zur Hexenverfolgung;<br />

der Hexenglaube verkehrte erst im 15. Jahrhundert<br />

eine alte kirchliche Regel endgültig in ihr Gegenteil.<br />

Während der Canon Episcopi, der die Haltungen von Regino<br />

von Prüm (907) und Burkard von Worms (um 1020)<br />

bestimmte, vorsah, daß der Hexenglaube im Volk ausgerottet<br />

werden sollte (wer daran glaubte, sollte büßen, wer andere als<br />

Hexen bezichtigte, wurde bestraft), wird seit dem 13. Jahr-<br />

47


Verlag: <strong>Hohenzollerischer</strong> Geschichtsverein<br />

Karlstraße 3, 7480 Sigmaringen<br />

W <strong>3828</strong> FX<br />

Postvertriebsstück. Gebühr bezahlt.<br />

hundert der Klerus zunächst vom Teufelsglauben (Ketzerverfolgung)<br />

und seit dem späten 14. Jahrhundert mehr und mehr<br />

vom Hexenwahn eingeholt (wer nicht an die Existenz der<br />

Hexen glaubte, wurde jetzt bestraft). In der Bulle Innozenz'<br />

VIII. »Summis desiderantes« wurde dann die Hexenverfolgung<br />

von höchster Stelle sanktioniert (ob es sich dabei im<br />

kanonistischen Sinn um ein Dogma handelte, ist mir in<br />

diesem Fall gleichgültig, da die Bulle doch 250 Jahre lang wie<br />

ein Dogma wirken konnte) 23.<br />

Wenn wir von der Frömmigkeit des Spätmittelalters reden,<br />

dann müssen wir auch diese ganz und gar unfromme<br />

Geschichte miteinbeziehen; sie ist die dialektische Kehrseite<br />

der Medaille. Und in diesen Gesamtzusammenhang muß<br />

auch die Christianisierung der Vornamen gestellt werden,<br />

auch wenn es sich nur um den Befund eines so kleinen<br />

Territoriums wie der Grafschaft Zollern handelt. Aus diesem<br />

Zusammenhang heraus konnte ich formulieren, daß sich die<br />

Kirche und Gesellschaft des Spätmittelalters im Gewand<br />

christlicher Namen zu einem ganz unheiligen Kreuzzug<br />

aufmachte. Wir müssen beides zusammen sehen. Denn wenn<br />

wir eine Münze finden, gehören uns Wappen und Zahl, wir<br />

können nicht die schmutzigere Häfte einfach liegenlassen.<br />

Anmerkungen<br />

1 F. Haug/J. A. Kraus: Die Urkunden des Dominikanerinnenklosters<br />

Stetten im Gnadental. In: Beilage zum Hohenz. Jahresheft<br />

1955 ff.<br />

2 In den Nr. 159 u. 160, 189, 250, 274, 278.<br />

3 W. Abel: Die Wüstungen des ausgehenden Mittelalters. Stuttgart<br />

31976, S. 90 ff.<br />

4 Chronik der Stadt Hechingen.<br />

5 Hierzu ist Abels Buch (s. Anm. 3) die grundlegende Lektüre.<br />

6 B. I. Zaddach: Die Folgen des Schwarzen Todes (1347-51) für den<br />

Klerus Mitteleuropas. Stuttgart 1971, S. 70 ff.<br />

7 Wenn Burth in diesem »freiwillig« eine Verdächtigung sieht,<br />

entspricht dies eher seinen Projektionen als meinen Absichten.<br />

Andererseits wäre ja der Verdacht, die Kirche hätte direkten<br />

Zwang ausgeübt, nicht allzu weit hergeholt, oder?<br />

8 A. Borst: Mönche am Bodensee. Sigmaringen 1978, S. 246ff.<br />

9 Braun: Der Klerus des Bistums Konstanz im Ausgang des Mittelalters.<br />

Münster 1938, S. 48, 79ff., llOff.<br />

10 Romano/Tenenti: Die Grundlegung der modernen Welt. Spätmittelalter,<br />

Renaissance, Reformation (= Fischer Weltgeschichte Bd.<br />

12), S. 80 ff.<br />

11 Wie Anm. 8.<br />

12 Romano/Tenenti, a.a.O., S. 105.<br />

13 Vor allem N. Elias: Uber den Prozeß der Zivilisation. Soziogenetische<br />

und psychogenetische Untersuchungen. 2 Bde. Frankfurt<br />

1976 (stw 158/159).<br />

HOHENZOLLERISCHE HEIMAT<br />

hrsggbn. vom Hohenz. Geschichtsverein.<br />

Die Zeitschrift »Hohenzollerische Heimat«<br />

ist eine <strong>heimat</strong>kundliche Zeitschrift. Sie will<br />

besonders die Bevölkerung in Hohenzollern<br />

und der angrenzenden Landesteile mit der<br />

Geschichte ihrer Heimat vertraut machen. Sie<br />

bringt neben fachhistorischen auch populär<br />

gehaltene Beiträge.<br />

Bezugspreis: 6,00 DM jährlich.<br />

Konten der »Hohenzollerischen Heimat«:<br />

802507 Hohenz. Landesbank Sigmaringen<br />

12363-707 Postscheckamt Stuttgart<br />

Druck: M. Liehners Hofbuchdruckerei KG,<br />

7480 Sigmaringen, Karlstraße 10.<br />

48<br />

Die Autoren dieser Nummer:<br />

HERRM/FRAU/FRAEULE IN 12 00 1605<br />

12 13<br />

2EK.ORN HEINZ<br />

AMTSRAT<br />

KARLSTRASSE 18<br />

7480 SIGMAHINGEN 1<br />

Dr. Eckart Hannmann<br />

LDA Bau- und Kunstdenkmalpflege<br />

Schönbuchstraße 14<br />

7400 Tübingen-Bebenhausen<br />

Dr. Wolfgang Irtenkanf<br />

An der Lehmgrube 35, 7257 Ditzingen<br />

Diego Häußel, 7487 Gammertingen<br />

Pfr.J. A. Kraus, Erzbisch. Archivar i. R.<br />

Badstraße 8, 7800 Freiburg<br />

Johann Wannenmacher, Schulrat d. R.<br />

Eichertstraße 9, 7487 Gammertingen<br />

Josef Mühlebach, Landesverw.rat a. D.<br />

Leopoldstraße 41, 7480 Sigmaringen<br />

Casimir Bumiller<br />

Freiburger Straße 5, 7801 Norsingen<br />

14 Diese Forschung geht vor allem von Frankreich aus. J. Le Goff:<br />

Culture cléricale et traditions folkloriques dans la civilisation<br />

mérovingienne. In: Annales ESC XXII (1967); Hauteclocque:<br />

Agriculture et réligion. In: Annales ESC XXIII (1968).<br />

15 Hermening: Superstitio. Göttingen 1979.<br />

16 C. Ginzburg: Der Käse und die Würmer. Die Welt eines Müllers<br />

um 1600. Frankfurt 1979.<br />

17 Hörger: Agrarische Grundlagen und Dorfreligion. In: Zs. d.<br />

Bayer. Landesgesch. 36 (1976).<br />

18 Burth sah in den Ausführungen meines Aufsatzes unter Kap. 5 nur<br />

noch einen »Rundschlag«, dessen Polemik ihm aufstieß, während<br />

er der Sache nicht folgen konnte. Hier scheint also offensichtlich<br />

die Schwachstelle meiner Arbeit zu liegen, eine Kritik, die ich<br />

vollständig annehme. Deshalb die ausführlichen Erläuterungen.<br />

19 Stellvertretend für alle jüngeren Handbücher der Kirchengeschichte<br />

z. B. Die Kirche in ihrer Geschichte. Hrsg. v. K. D.<br />

Schmidt und E. Wolf. Bd. II (1. Teil): B. Möller: Spätmittelalter.<br />

Göttingen 1966.<br />

20 J. Hansen: Quellen und Untersuchungen zur Geschichte des<br />

Hexenwahns und der Hexenverfolgung im Mittelalter. Bonn 1901<br />

(Neudruck Hildesheim 1963).<br />

21 In diesem Sinn auch W. Andreas: Deutschland vor der Reformation.<br />

Eine Zeitenwende. Stuttgart'1959, S. 196 ff. In diesem Werk<br />

ist übrigens bereits vieles von dem formuliert, was ich gesagt habe.<br />

In dem Zusammenhang könnte noch auf das Meisterwerk von /.<br />

Huizinga: Herbst des Mittelalters. Stuttgart 91965, hingewiesen<br />

werden, der besonders eindrücklich die aus einer Quelle gespeiste<br />

Polarität der spätmittelalterlichen Frömmigkeit beschreibt (Kap.<br />

XII-XIV).<br />

22 W. Andreas, a. a. O., S. 160; Hörger, a. a. O.<br />

23 Beängstigend ist das literarische Schweigen der Kirche zu dieser<br />

ihrer Geschichte, weil damit eben nichts bewältigt wird. Sie<br />

praktiziert hier eine mehrfach überlagerte Verdrängung: Zunächst<br />

verdrängte sie einen Teil der menschlichen Natur, dan verdrängte<br />

- sprich vernichtete - sie jene, die dieser Verdrängung widerstanden,<br />

und heute verbannt sie die Geschichte dieser Verfolgung<br />

obendrein aus ihren Handbüchern.<br />

Mit Wirkung vom 1.4. 1981 ist Herr Dr. Kaufhold von seiner<br />

langjährigen, verdienstvollen Tätigkeit als Direktor der<br />

Fürstl. Hofbibliothek und derFürstl. Sammlungen altershalber<br />

entbunden worden.<br />

Als seinen Nachfolger hat Friedrich Wilhelm Fürst von<br />

Hohenzollern Herrn Peter Kempf, Sigmaringen, bisher wissenschaftlicher<br />

Mitarbeiter beim Staatsarchiv in Sigmaringen,<br />

mit der Leitung und Verwaltung der Fürstl. Hofbiliothek<br />

sowie der Fürstl. Sammlungen bestellt.<br />

Beide Einrichtungen bleiben im bisherigen Umfang für die<br />

Allgemeinheit nutzbar.<br />

Schriftleitung:<br />

Dr. med. Herbert Burkarth,<br />

7487 Gammertingen (Telefon 07574/2329)<br />

Die mit Namen versehenen Artikel geben die<br />

persönliche Meinung der Verfasser wieder;<br />

diese zeichnen für den Inhalt der Beiträge<br />

verantwortlich. Mitteilungen der Schriftleitung<br />

sind als solche gekennzeichnet.<br />

Manuskripte und Besprechungsexemplare<br />

werden an die Adresse des Schriftleiters erbeten.<br />

Wir bitten unsere Leser, die »Hohenzollerische<br />

Heimat« weiter zu empfehlen.


HOHENZOLLERISCHE<br />

HEIMAT<br />

Herausgegeben vom<br />

W <strong>3828</strong> FX<br />

Hohenzollerischen Geschichtsverein<br />

31. Jahrgang Nr. 4 / Dezember 1981<br />

Besuch des Kaisers Wilhelm II. in Sigmaringen am 22. September 1910. SM in der Kutsche, Bürgermeister Dr. Reiser spricht die<br />

Begrüßungsworte, hinter ihm der Stadtrat. Ganz links im Bild das alte Rathaus. Für die Überlassung der Fotos Herrn H. J. Dopfer herzlichen<br />

30 Jahre Heimatpflege.<br />

Die »Hohenzollerische Heimat« an der Schwelle zum vierten Jahrzehnt<br />

Der Hohenzollerische Geschichtsverein kann sich zu den<br />

ganz seltenen Vereinen zählen, die neben einem reichen<br />

Programm an Vortrags- und Exkursionsveranstaltungen<br />

ihren Mitgliedern und Beziehern zwei periodische Publikationen<br />

bieten: die als Jahresgabe bestimmte »Zeitschrift für<br />

Hohenzollerische Geschichte« und die »Hohenzollerische<br />

Heimat«.<br />

Die »Hohenzollerische Heimat« erschien im 1. Jahrgang mit<br />

der 1. Nummer im Januar 1951, seither folgten Quartal für<br />

Quartal jährlich vier Hefte. Es ist dies als hervorragende<br />

Leistung anzusprechen, fanden sich doch in den zurückliegenden<br />

drei Dezennien immer wieder Schriftleiter und Autoren,<br />

die unentgeltlich und uneigennützig die Geschäfte der<br />

Redaktion erledigten oder ihre Aufsätze beisteuerten.<br />

Der Verein übernahm die Trägerschaft, weil er sich über den<br />

Rahmen der Geschichte im engeren Sinne hinaus der Heimatpflege<br />

des Zollerlandes verpflichtet fühlte und fühlt. Dekan<br />

Nikolaus Maier umriß im Januar 1951 als seinerzeitiger<br />

Vorsitzender die Aufgaben und zählte als Bereiche auf, die zu<br />

behandeln seien: »Bodenfunde, Erdfälle, Geschichte und<br />

Kunst, alles, was für die Natur und Kultur unseres Landes<br />

von Interesse ist«. Es war also an ein Programm der Heimatpflege<br />

und der Landeskunde gedacht.<br />

Druck und Verlag, also auch das wirtschaftliche Risiko,<br />

übernahm Druckereibesitzer Sebastian Acker in Gammertingen.<br />

Dies wurde von der Buchdruckerei Acker über zwei<br />

Jahrzehnte durchgehalten.<br />

Mit Respekt darf man feststellen, daß allen Widrigkeiten zum<br />

Trotz dieses Programm eingehalten worden ist. Dies ist in<br />

erster Linie den Schriftleitern zu verdanken. Volle 15 Jahre<br />

bis Ende 1965 trug der Schulmann Josef Wiest die Geschäfte<br />

der Schriftleitung, ihm folgten zunächst seine Berufskollegen<br />

Fritz Schoder (1966—1967) und Gerhard Deutschmann<br />

(1968-1969), dann als Redaktionsausschuß ab 1970 Konrek-


tor Hubert Deck und der Journalist Walther Frick. Zu diesen<br />

beiden gesellte sich ab 1972 als neuer Schriftleiter Dr. med.<br />

Herbert Burkarth, der diese Aufgabe noch immer trägt, in<br />

den letzten Jahren allein bzw. von kundigen Helfern wie<br />

Pfarrer Manfred Hermann oder Karl Werner Steim unterstützt.<br />

Wer weiß, wie selten heutzutage ehrenamtliche Verpflichtungen<br />

übernommen werden, der kann nur mit Dank die<br />

Leistungen all der genannten und ungenannten Betreuer<br />

unserer Publikation würdigen. Solchen Dank haben sich auch<br />

die Autoren verdient. Wer die Hefte der vergangenen Jahrzehnte<br />

durchblättert, stößt auf manchen bekannten Namen<br />

längst Verstorbener. Michael Walter, Albert Waldenspul,<br />

Maximilian Schaitel oder Johannes Maier wären zu nennen.<br />

Wenigstens zwei Autoren aus dem ersten Jahrgang erfreuen<br />

sich noch heute ihrer Schaffenskraft, es sind dies Johann<br />

Adam Kraus und Josef Mühlebach, bald stießen andere<br />

Verfasser hinzu, ohne daß es möglich wäre, sie hier namentlich<br />

zu nennen und zu würdigen.<br />

Es wird einmal reizvoll sein, die Verfasser aus der »Hohenzollerischen<br />

Heimat« zu erfassen und soziologisch zu gliedern.<br />

Man wird dabei auf Bildungskreise stoßen, die einst die<br />

Landeskunde und Heimatpflege getragen, heute sich aber fast<br />

OTTO H. BECKER<br />

ganz daraus zurückgezogen haben; Pfarrer und Lehrer fallen<br />

dabei als erste auf.<br />

Aus den vielen behandelten Themen ließen sich ebenfalls<br />

zeittypische Gruppierungen bilden, wenn etwa der Häufigkeit<br />

der Artikel über Geologie, Pflanzenwelt oder Namenskunde<br />

nachgespürt würde. Sicher ergeben sich dabei Wechselbeziehungen<br />

zwischen der Autorenschaft und den Wissenszweigen.<br />

An diesen Fragestellungen mag sichtbar werden,<br />

daß eine Zeitschrift wie die »Hohenzollerische Heimat«<br />

selbst zur Forschungsgrundlage werden kann. Im Vordergrund<br />

aber muß die Würdigung des Dienstes an der jeweiligen<br />

Gegenwart stehen. Wie es der Name ausdrückt, ist es hier<br />

ein Dienst an der Heimat im Sinne der umfassenden Heimatpflege.<br />

Dafür sollte man dem Hohenzollerischen Geschichtsverein<br />

als Träger, vor allem aber den uneigennützigen Betreuern,<br />

Helfern und Autoren die gebührende Anerkennung<br />

zollen, aber wohl keinem mehr als Pfarrer Johann Adam<br />

Kraus, der mit beispiellosem Engagement und bewundernswerten<br />

Sachkenntnissen jahraus jahrein Artikel beigesteuert<br />

und die »Hohenzollerische Heimat« auch sonst nachhaltig<br />

gefördert hat.<br />

Mögen sich auch in Zukunft Organisatoren wie Autoren<br />

finden, die unsere »Hohenzollerische Heimat« fortsetzen<br />

und tragen. Dr. Gregor Richter<br />

Die Errichtung und Enthüllung des Fürst-Leopold-Denkmals in Sigmaringen<br />

Am 22. September 1910 wurde das Fürst-Leopold-Denkmal<br />

in Anwesenheit Kaiser Wilhelms II. feierlich enthüllt. Die<br />

Erinnerung an dieses denkwürdige Ereignis vor nunmehr 71<br />

Jahren, aber auch die derzeitige Erneuerung des Pflasters auf<br />

dem vorderen Leopoldplatz geben Anlaß, die Baugeschichte<br />

des Monuments hier kurz darzulegen.<br />

Einer verbreiteten Meinung entgegen ging die Initiative zum<br />

Bau dieses Denkmals nicht vom fürstlichen Hof, sondern von<br />

der Sigmaringer Bürgerschaft aus. Schon unmittelbar nach<br />

dem Ableben des Fürsten Leopold von Hohenzollern am 8.<br />

Juni 1905 beschlossen die Stadträte und Stadtverordneten,<br />

dem Andenken des Verstorbenen in seiner Residenzstadt ein<br />

würdiges Denkmal zu setzen. Die Ausführung des Vorhabens,<br />

die Planung und künstlerische Gestaltung sowie die<br />

Finanzierung übertrugen die Sigmaringer Stadtväter einem<br />

' gewählten Komitee.<br />

Das Gremium setzte sich aus zahlreichen Persönlichkeiten<br />

des In- und Auslands zusammen, unter ihnen der Fürstliche<br />

Hofkammerpräsident Graf Adelmann von Adelmannsfelden,<br />

der Fürstliche Hofmarschall von Brandis (später Freiherr<br />

von Wangenheim), Amtsgerichtsrat Dr. Beizer, Direktor<br />

der Spar- und Leihkasse Dopfer, Fabrikant Levi aus<br />

Hechingen, der Kölner Oberbürgermeister Becker und der<br />

Minister der rumänischen Krondomänen, Kalindero. Vorsitzender<br />

des Komitees war der Sigmaringer Stadtbürgermeister<br />

Dr. Reiser; als Schriftführer fungierte der Fürstliche Archivdirektor<br />

und Hofrat Dr. Zingeler.<br />

Die erforderlichen Mittel zum Bau des Monuments sollten<br />

durch Spenden erbracht werden. Der Aufruf, den das Komitee<br />

zu diesem Zweck erließ, lautete:<br />

Als in den Abendstunden des 8. Juni 1905 die Trauerkunde<br />

durch Deutschland lief: Fürst Leopold von Hohenzollern ist<br />

verschieden, da erfaßte Tausende und Abertausende ein<br />

überwältigender Schmerz, der die Lippen zucken machte und<br />

manches Auge, dem Tränen fremd geworden, feucht werden<br />

ließ. Warum diese herbe Trauer? Weil niemand der leutseli-<br />

50<br />

gen Liebenswürdigkeit des Fürsten, die ihm alle Herzen<br />

gewonnen, ohne tiefe Rührung gedenken konnte. Weil die<br />

Saat, die seine Güte und opferfreudige Nächstenliebe ausgestreut,<br />

nun so plötzlich schnittreif geworden. Weil alle sich<br />

bewußt, daß uns ein leuchtendes Beispiel genommen war in<br />

dem unvergeßlichen Fürsten, der, auf des Landes Wohlfahrt<br />

unablässig bedacht, allen Berufszweigen gerne jede mögliche<br />

Förderung gewährte; der, für das Gute und Schöne warm<br />

empfindend, als ein werktätiger Gönner für Wissenschaft<br />

und Kunst sich erwies; der in Betätigung seines echt frommen<br />

Sinnes das offene Bekenntnis der eigenen religiösen Überzeugung<br />

einte mit edler Hochachtung der Anschauung Andersdenkender;<br />

der in freudiger Hingabe an Kaiser und Reich<br />

stets zu jedem Opfer bereit war und der in jenen für die<br />

Wiedergeburt Deutschlands überaus folgeschweren Tagen,<br />

wo Spanien ihm wiederholt die Königskrone angetragen, aus<br />

Liebe zum Vaterlande so hochherzig gehandelt hat. Da<br />

entspricht es denn einem wahren Herzensbedürfnisse, dem<br />

Andenken Weiland Seiner Königlichen Hoheit des Fürsten<br />

Leopold Dankbarkeit zu zollen durch ein würdiges Standbild<br />

in seiner Residenzstadt Sigmaringen. Und so hat sich das<br />

unterzeichnete Komitee die Aufgabe gestellt, diesen allseitigen<br />

Wunsch der Verwirklichung entgegen zu führen. Wir<br />

wenden uns daher an die so überaus zahlreichen Verehrer des<br />

hochseligen Fürsten und in erster Linie an alle diejenigen, die<br />

Gutes von ihm empfingen, hoch und niedrig, Gemeinden<br />

und Körperschaften, um durch Beiträge die Errichtung eines<br />

Denkmals zu verwirklichen, das des hohen Verblichenen<br />

würdig, der Nachwelt Zeugnis geben soll von dem Wirken<br />

und Walten des edelsten Fürsten für die Größe unseres<br />

Vaterlandes, für die Wohlfahrt der Armen und Bedrängten,<br />

dessen vorbildliches Beispiel für alle Zeiten gesegnet bleiben<br />

möge!«<br />

Dem Ansehen und den Sympathien, die Fürst Leopold in<br />

allen Gesellschaftskreisen genoß, war es vor allem zuzuschreiben,<br />

daß die Spendenaufrufe, die Wohltätigkeitsveranstaltungen<br />

wie Konzerte und Liederabende, die das rührige


Komitee veranstaltete, eine für die damalige Zeit ungeheure<br />

Summe von insgesamt 87474 Mark für den Denkmalfond<br />

erbrachten.<br />

Größere Beiträge spendeten u.a.:<br />

Einwohnerschaft von Sigmaringen 10310 M<br />

I. K. H. der Frau Fürstin Antonie<br />

von Hohenzollern 10000 M<br />

S. K. H. Fürst Wilhelm von Hohenzollern 5 000 M<br />

S. K. H. Kronprinz Ferdinand von Rumänien 2 000 M<br />

S. M. König Karl von Rumänien 1200 M<br />

S. M. Kaiser Wilhelm II. 1000 M<br />

J. K. H. H. Großherzog und Großherzogin<br />

von Baden 1000 M<br />

S. K. H. Fürst von Monaco 807 M<br />

Hohenz. Kommunallandtag 2000 M<br />

Stadtgemeinde Sigmaringen 1 000 M<br />

Künstlerverein Rheinland und Westfalen 1 000 M<br />

Stadtverordnete der Stadt Düsseldorf 1 000 M<br />

Beiträge von Rumänien 2272 M<br />

Uber die künstlerische Gestaltung des Denkmals sollte ein<br />

Wettbewerb entscheiden. Am 15. November 1906 beschloß<br />

das Komitee, für die ersten drei Preise 2000, 1000 und 500<br />

Mark auszusetzen. Die Bedingungen, am 22. Februar 1908<br />

beschlossen, bestanden vor allem darin, daß die Kosten<br />

50000 Mark nicht überschreiten durften und die Entwürfe im<br />

Zeitraum vom 1. Mai bis 1. September eingereicht sein<br />

mußten. Völlige Freiheit wurde den Künstlern jedoch bezüglich<br />

der plastischen Ausarbeitung des Denkmals als auch der<br />

architektonischen Ausgestaltung des Platzes zugesichert.<br />

An der Konkurrenz nahmen viele anerkannte deutsche<br />

Künstler und Architekten teil. Die eingereichten Entwürfe<br />

boten Büsten und Standbilder des Verstorbenen in allen nur<br />

denkbaren Ausführungen und möglichem künstlerischen<br />

Beiwerk an, auch die Errichtung von griechischen Tempelchen,<br />

Pavillons und allegorischen Figuren wurde vorgeschlagen.<br />

In der lebhaften Diskussion, die im Komitee und bei<br />

Hofe entbrannte, wurden jedoch alsbald die Entwürfe von<br />

Prof. Johannes Boese, Berlin, und von Prof. Emanuel von<br />

Seidl, München, favorisiert.<br />

Prof. Emanuel von Seidl, nach dem Tode des fürstlichen<br />

Baumeisters de Pay mit dem Wiederaufbau des Sigmaringer<br />

Schlosses beauftragt, riet im Hinblick auf die Persönlichkeit<br />

des Fürsten Leopold von einer figürlichen Statue Abstand zu<br />

nehmen und schlug u. a. die Errichtung eines Pavillons mit<br />

der Büste des Fürsten und vorgelagertem Bassin vor. Das<br />

Ensemble sollte in Anlehnung an den damaligen Kavaliersbau<br />

im Bereich des heutigen Fürst-Wilhelm-Baus erfolgen,<br />

wodurch nach Meinung des Architekten der Schloßkomplex<br />

seinen harmonischen und endgültigen Abschluß gefunden<br />

hätte. Dieser auch städtebaulich interessanten Lösung stellte<br />

der Kontrahent, Prof. Boese, den Entwurf eines Reiterstandbilds<br />

auf hohem Postament entgegen.<br />

Die Entscheidung des Komitees fiel bekanntlich zugunsten<br />

von Prof. Boese aus. Wie der Beschluß im einzelnen zustande<br />

gekommen ist, konnte anhand der amtlichen Dokumente<br />

nicht geklärt werden. Es scheint jedoch so gewesen zu sein,<br />

daß das Eintreten des Fürsten Wilhelm von Hohenzollern für<br />

das Reiterdenkmal die Beschlußfassung des Gremiums maßgeblich<br />

beeinflußt hat.<br />

Noch schwieriger als die Frage der künstlerischen Gestaltung<br />

des Monuments gestaltete sich die Standortfrage. So wurden<br />

der sogenannte Kinderspielplatz gegenüber der heutigen<br />

Fürstlich Hohenzollernschen Elektrozentrale, die Karlstraße,<br />

der Brenzkoferberg, der Josefsberg, der Platz vor der<br />

Hedinger Kirche und auch der damalige Karlsplatz (heute<br />

Leopoldplatz) als mögliche Standorte für das zu errichtende<br />

Fürst-Leopold-Denkmal diskutiert. Das Komitee gelangte<br />

Einweihung des Leopold-Denkmals. Beiderseits Tribünen mit Festgästen.<br />

Vor dem Denkmal eine Trachtengruppe, gegenüber vor der<br />

Einfahrt des Prinzenbaues der Kaiser-Pavillon.<br />

im Laufe des Frühjahrs 1908 zu der Überzeugung, daß der<br />

sogenannte Kinderspielplatz zusammen mit dem sogenannten<br />

Emele'schen Haus, das sich im fürstlichen Besitz befand,<br />

für die Situierung des Denkmals am geeignetsten sei. Im<br />

Februar 1908 kam eine Einigung zustande. Fürst Wilhelm<br />

genehmigte den Abbruch des Emele'schen Hauses und stellte<br />

dem Komitee den Platz unentgeltlich zur Verfügung. Das<br />

Denkmalkomitee seinerseits erklärte sich dazu bereit, zu den<br />

Kosten der Freilegung des Denkmalplatzes 15000 bis 20000<br />

Mark beizusteuern.<br />

Mit dem Preisträger des Denkmalwettbewerbs, Prof. Johannes<br />

Boese, wurde im Januar 1909 ein Vertrag geschlossen; er<br />

sah vor, daß der Künstler »die gewissenhafte und künstlerische<br />

Herstellung des Fürst-Leopold-Denkmals nach Maßgabe<br />

des seinerzeit eingereichten preisgekrönten Entwurfs<br />

unter der Berücksichtigung der seitens des Komitees<br />

gewünschten Abänderungen sowie die Aufstellung dieses<br />

Reiterdenkmals auf dem gewählten Platz einschließlich der<br />

Fundamentierung, der Aufstellung des Gerüstes und des<br />

Transportes des Denkmals übernimmt«. Ferner wurde festgelegt,<br />

daß der Fürst in ruhiger Haltung als General in<br />

Interimsuniform mit den Orden des Eisernen Kreuzes und<br />

des Großkreuzes des Roten Adlerordens mit Mütze und<br />

hohen Stiefeln auf einem schreitenden Pferde darzustellen sei.<br />

Hinsichtlich der Abmessungen und Ausführungen des Denkmals<br />

bestimmte der Vertrag: »Das Reiterstandbild erhält die<br />

Größe von ca. 4,20 m; der Sockel wird ca. 5 m hoch, so daß<br />

die Gesamthöhe einschließlich einer Anrampung von ca. 70<br />

cm ca. 10 m ergibt. Das Postament wird in Dolomitstein<br />

ausgeführt und zwar die äußeren Flächen grob gestakt und<br />

chariert nach Maßgabe des übersandten Probewürfels. Dasselbe<br />

erhält an der Stirnseite die Aufschrift<br />

Leopold<br />

Fürst von Hohenzollern<br />

in erhabenen lateinischen Buchstaben aus echter Bronce. Das<br />

Reiterstandbild wird in echter Bronce (93 % Kupfer und 7%<br />

Zinn) hergestellt. Die Gußstärke beträgt zwischen 8 mm und<br />

15 mm im Durchmesser und wird in angemessener und<br />

sorgfältiger Weise befestigt werden. Herr Prof. Boese übernimmt<br />

die Garantie von fünf Jahren für die Solidität der<br />

Ausführung«.<br />

Die Kosten für das Denkmal einschließlich aller Transportund<br />

Reisekosten wurden auf insgesamt 50000 Mark festgesetzt.<br />

Prof. Boese mußte sich außerdem dazu verpflichten,<br />

die Arbeiten so voranzutreiben, daß die Enthüllung des<br />

Denkmals am 22. September 1910 erfolgen konnte.<br />

Die Probleme waren damit noch lange nicht aus der Welt<br />

geschafft. Die Gemüter wurden jetzt von der Frage bewegt,<br />

ob der ausgewählte Platz östlich des Schloßkomplexes für das<br />

51


geplante Reiterdenkmal vorteilhaft sei. Bedenken für eine<br />

solche Situierung hatte vor allem Emanuel von Seidl geäußert.<br />

Schließlich ließ man ein Modell des Denkmals auf Rollen<br />

anfertigen, das auf dem Gelände hin- und herbewegt werden<br />

konnte.<br />

Das Ergebnis des Experiments war eindeutig. Das Komitee<br />

stellte auf seiner Sitzung am 24. März 1909 fest, daß das<br />

geplante Reiterdenkmal nicht in die Umgebung des Schlosses<br />

passe, wie die Aufstellung der Kulisse auf dem Kinderspielplatz<br />

ergeben habe. Einstimmig wurde sodann der Verlagerung<br />

des Denkmals auf den Karlsplatz zugestimmt. Die<br />

anderen, früher diskutierten Standorte waren aus finanziellen<br />

Gründen und künstlerischen Erwägungen bereits abgelehnt<br />

worden.<br />

Die Situierung des Denkmals auf dem Karlsplatz machte die<br />

Versetzung der 1869 dort aufgestellten Büste von Fürst Karl<br />

von Hohenzollern-Sigmaringen notwendig. Das Komitee<br />

schlug vor, das Fürst-Karl-Denkmal auf das zuvor für das<br />

Denkmal des Fürsten Leopold von Hohenzollern vorgesehene<br />

Gelände beim Schloß zu überführen, und machte das<br />

Angebot, die dafür erforderlichen Mittel zu übernehmen.<br />

Der Vorschlag des Komitees wurde gebilligt und 1910 durch<br />

einen Vertrag zwischen der Stadtverwaltung und der fürstl.<br />

Verwaltung abgesichert. Die Errichtung des Fürst-Leopold-<br />

Denkmals auf dem vorderen Karlsplatz war vom Komitee<br />

bereits am 3. Juli 1909 beschlossen worden. Die Neuanlage<br />

des Karlsplatzes nach den Plänen von Emanuel von Seidl mit<br />

einem Kostenaufwand von 11 500 Mark fand am 11. Dezember<br />

1909 die Bewilligung des Gremiums.<br />

Die Arbeiten an dem Denkmal und auf dem Karlsplatz gingen<br />

danach zügig voran. Die Errichtung des Postaments für das<br />

Denkmal übernahm die Firma »Marmor-, Granit- und Syenit-Industrie<br />

von Gebrüder Pfister's Nachfolger B. Pfister«<br />

aus Rohrschach und Friedrichshafen. Die Pflasterung des<br />

vorderen Karlsplatzes nach den Entwürfen von Emanuel von<br />

Seidl besorgte die Firma »Johann Odorico« aus München.<br />

Fertiggestellt wurden auch die beiden Ehrentribünen links<br />

und rechts des Denkmals sowie der Kaiserpavillon in der<br />

Nische des Prinzenbaues, so daß die Enthüllung des Denkmals<br />

termingerecht am 22. September 1910 erfolgen konnte.<br />

Eine angemessene Würdigung dieses für die Stadtgeschichte<br />

so bedeutsamen Ereignisses würde den hier gesteckten<br />

Rahmen sprengen. Einen Eindruck davon vermag die offizielle<br />

»Ordnung für die Enthüllung des Denkmals Weiland<br />

Seiner Königlichen Hoheit des Fürsten Leopold von Hohenzollern<br />

am 22. September 1910« für den Vormittag zu<br />

vermitteln:<br />

9 Uhr Vormittags:<br />

In der Erlöserkirche Hedingen stille Messe, welcher<br />

nur Mitglieder der Fürstlichen Familie beiwohnen.<br />

Von 11 Uhr 30 ab:<br />

Versammlung der höchsten Herrschaften und geladenen<br />

Gäste im Kaiserpavillon vor dem Portal des<br />

Prinzenbaues.<br />

11 Uhr 50:<br />

Ankunft Seiner Majestät des Kaisers und Königs.<br />

Begrüßung am Bahnhof durch Seine Hoheit des Fürsten<br />

Wilhelm und die Prinzen-Söhne.<br />

Anwesend ist nur das Gefolge und Hofmarschall Graf von<br />

Spee.<br />

Fahrt zum Denkmalplatz.<br />

Empfang Seiner Majestät des Kaisers im Pavillon (Prinzenbau)<br />

durch die anwesenden Fürstlichkeiten.<br />

Enthüllungsfeier:<br />

Fanfaren-Marsch.<br />

Lied der Sigmaringer Gesangvereine.<br />

Rede des Stadtbürgermeisters Dr. Reiser.<br />

52<br />

Feierliche Enthüllung des Denkmals.<br />

Festhymne mit Musikbegleitung.<br />

Ansprache Seiner Hoheit des Fürsten.<br />

Besichtigung des Denkmals.<br />

Besuch Seiner Majestät bei ihrer Königlichen Hoheit der Frau<br />

Fürstin Leopold.<br />

Die anwesenden Fürstlichkeiten und geladenen Gäste<br />

begeben sich unterdessen nach dem Fürstlichen Schloß und<br />

versammeln sich im goldenen und schwarzen Salon, bzw. im<br />

Altdeutschen Zimmer und Königszimmer. Die Einladungskarten<br />

ergeben für jeden Geladenen das Nähere.<br />

Fahrt Seiner Majestät des Kaisers und Seiner Hoheit des<br />

Fürsten vom Prinzenbau aus durch die Antonstraße und<br />

Marktstraße nach dem Marktplatz.<br />

Offizielle Begrüßung vor dem Rathaus durch die Stadtverordneten.<br />

Vorbeimarsch der Hohenzollernschen Kriegervereine vor<br />

Seiner Majestät dem Kaiser. Allhöchstwelche vor dem Fürst<br />

Carl-Antonsdenkmal Aufstellung nehmen«.<br />

Es schlossen sich die Galatafel in der Portugiesischen Galerie<br />

und im Ahnensaal und Cercle im goldenen und schwarzen<br />

Salon an. Nachmittags war eine Spazierfahrt des Kaisers mit<br />

Besuch der neuerbauten Unteroffiziersvorschule vorgesehen.<br />

Die tausendköpfige Menge, die sich vor dem Schloß und auf<br />

den Straßen versammelt hatte, um Seine Majestät noch einmal<br />

zu sehen, wurde enttäuscht. Der Kaiser, der die Nacht durch<br />

von Wien nach Sigmaringen gefahren war, sagte die Fahrt ab<br />

und zog sich nach der Tafel in seine Gemächer zurück.<br />

Ein weiterer Höhepunkt des denkwürdigen Tages bildete die<br />

Verleihung des Prädikats »Königliche Hoheit« an Seine<br />

Hoheit den Fürsten Wilhelm von Hohenzollern durch den<br />

anwesenden Kaiser. Seine Majestät verlieh außerdem hohe<br />

Orden und Auszeichnungen an Mitglieder des fürstlichen<br />

Hauses sowie an Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens.<br />

Unter den Ausgezeichneten befand sich auch Stadtbürgermeister<br />

Dr. Reiser; er wurde von Seiner Majestät mit dem<br />

Roten Adlerorden vierter Klasse dekoriert. Seine Königliche<br />

Hoheit Fürst Wilhelm von Hohenzollern zeichnete Prof.<br />

Johannes Boese mit dem Ehrenkreuz zweiter Klasse aus.<br />

Um 7 Uhr 15 fand eine Tafel in der Portugiesischen Galerie<br />

statt. Zu der Veranstaltung sangen die Sigmaringer Gesangvereine<br />

Männerchor und Frohsinn im Schloßhof schwäbische<br />

Volkslieder. Eine Schloßbeleuchtung und Illuminierung des<br />

Denkmalplatzes und der Unteroffiziersvorschule gaben dem<br />

festlichen Tag einen glänzenden Abschluß. Die Abreise<br />

Kaiser Wilhelms II. war auf 9 Uhr festgesetzt.<br />

Das Denkmalkomitee hatte eine große Aufgabe bewältigt;<br />

vor allem aber hatte es mit den ihnen anvertrauten Spenden<br />

vorbildlich gewirtschaftet. Der Überschuß des Denkmalfonds<br />

in Höhe von 2537,75 Mark wurde der Stadt Sigmaringen<br />

mit der Verpflichtung übergeben, aus den daraus fließenden<br />

Zinsen für die Unterhaltung und Reinigung des Denkmalplatzes<br />

zu sorgen. Das Denkmal wurde gleichfalls der<br />

Stadt übereignet.<br />

Mit der nunmehr abgeschlossenen Erneuerung der Bepflasterung<br />

des Leopoldplatzes, des früheren Karlsplatzes, hat die<br />

Stadt Sigmaringen zu erkennen gegeben, daß sie die ihr von<br />

dem Denkmalkomitee auferlegten Pflichten ernst nimmt.<br />

Quellennachweise:<br />

Staatsarchiv Sigmaringen, Depositum 1 (Stadtarchiv Sigmaringen),<br />

Akten Nr. 72, 73<br />

Staatsarchiv Sigmaringen Depositum 39 (Fürstl. Hohenz. Haus- und<br />

Domänenarchiv), NVA 15458, 15459, 13643, 13646, 13689, 30240<br />

Fotos aus dem Besitz von Herrn Hans-Joachim Dopfer, Sigmaringen.


OTTO WERNER<br />

Das Radio<br />

Am 22. September 1939 wurde verfügt, daß Rundfunkgeräte<br />

in jüdischen Haushaltungen sichergestellt werden. Im Rathaus<br />

Hechingen wurden daraufhin 11 Rundfunkgeräte untergestellt.<br />

Darunter befand sich auch ein Blaupunkt W 77 Nr.<br />

8630 (ohne Zusatzgerät), das von Therese Schäffler, der<br />

»arischen« Hausangestellten des jüdischen Lehrers i. R. und<br />

Rabbinatsverwesers Leon Schmalzbach in Hechingen, Goldschmiedstraße<br />

18, stammte. Am 24. September 1939 schrieb<br />

sie aus der Medizinischen Klinik Tübingen, in der sie sich<br />

aufhielt, folgenden Brief an das Bürgermeisteramt Hechingen:<br />

»Wie mir Herr Schmalzbach heute mitteilte, wurde<br />

gestern bei ihm ein Rundfunkapparat beschlagnahmt. Dieser<br />

Radio-Apparat ist mein Eigentum und wurde mir vor mehreren<br />

Monaten von Herrn Schmalzbach geschenkt. Seit mehreren<br />

Monaten ist dieser Apparat auf den Namen Therese<br />

Schäffler bei der Post angemeldet. Ich besitze eine<br />

Schenkungs-Urkunde. Ich teile Ihnen dies mit und ersuche<br />

um beste Verwahrung, bis ich den Apparat meinen Verwandten<br />

übergebe. Therese Schäffler.«<br />

In Vertretung des Bürgermeisters antwortete Herr Stauß am<br />

2. Oktober: ». ..teile ich Ihnen mit, daß der am 23.9.1939<br />

beschlagnahmte Rundfunkapparat bei der Kreisstadt<br />

Hechingen sichergestellt ist. Höhere Stellen werden über die<br />

weitere Verwendung entscheiden.«<br />

Es verflossen eineinhalb Jahre; nichts wurde entschieden.<br />

Schließlich gab am 29. April 1941 Therese Schäffler einen<br />

Antrag auf Auslieferung des Rundfunkapparates beim Bürgermeisteramt<br />

Hechingen zur Niederschrift, der an den<br />

Landrat weitergeleitet wurde. Auf diesen Antrag wurde mit<br />

Verfügung vom 8. Mai 1941 (Pol. 1004) der Bescheid erteilt,<br />

»daß die Einziehung des Rundfunkgerätes nach den ergangenen<br />

Weisungen seinerzeit zu Recht ist. Wenn die Antragstellerin<br />

Eigentumsrecht an dem Gerät hatte, hätte sie dieses<br />

seinerzeit geltend machen müssen und nicht erst jetzt nach 20<br />

Monaten«. Dies teilte ihr der Bürgermeister mit Schreiben<br />

vom 15. Mai 1941 weisungsgemäß mit.<br />

Therese Schäffler aber hatte noch eine Durchschrift ihres<br />

damaligen Schreibens aus der Klinik und das Antwortschreiben<br />

des Bürgermeisteramts aufbewahrt, die sie nun beim<br />

Landratsamt vorlegte. Der zuständige Beamte des Landratsamts<br />

(Schirmer) übersandte diese als Anlage mit Schreiben<br />

vom 29. Mai 1941 dem Herrn Bürgermeister in Hechingen, in<br />

dem es heißt: »Therese Schäffler legt die beiden Anlagen vor.<br />

Demnach hat sie s. Zt. auf ihr Eigentumsrecht hingewiesen.<br />

Ich ersuche um Mitteilung, was daraufhin von dort aus<br />

veranlaßt worden ist.«<br />

OTTO WERNER<br />

Nachweis einer weiteren Synagoge in Hechingen<br />

Bislang war bekannt, daß in Hechingen drei Synagogen<br />

bestanden haben:<br />

- Graf Jos Niklas verkaufte 1546 den Juden für 50 Pfund<br />

Heller ein Haus, das zur Judenschule d. h. Synagoge eingerichtet<br />

wurde. (Vgl. J. Cramer, Die Grafschaft Hohenzollern.<br />

1400-1850. Stuttgart. Verlag von Karl Kirn. 1873. S.<br />

206)<br />

- Einige Jahre nachdem fast alle Juden aufgefordert worden<br />

Der Stellvertreter des Bürgermeisters legte das Schreiben<br />

urschriftlich mit zwei Anlagen dem Landrat am 24. Juni 1941<br />

wieder vor. »Eine Entscheidung«, so schreibt er, »über den<br />

seinerzeit gestellten Antrag liegt bei mir nicht vor. Ich<br />

vermute, daß er urschriftlich dem Herrn Landrat bzw. der<br />

Geheimen Staatspolizei Außendienststelle Sigmaringen vorgelegt<br />

wurde. Das Rundfunkgerät war mit der laufenden Nr.<br />

11 des Verzeichnisses aufgeführt.«<br />

Daraufhin gab der Beamte des Landratsamts folgenden<br />

Bescheid an das Bürgermeisteramt Hechingen: »Betr. Rundfunkapparat<br />

Therese Schäffler. Nach dem Ihnen übersandten<br />

Erlaß der Geheimen Staatspolizei - Staatspolizeileitstelle<br />

Stuttgart vom 22. September 1939 - IIB2 - 2245/39 Ziffer 4 -<br />

war zu prüfen und urkundlich nachzuweisen, daß der im<br />

jüdischen Haushalt aufgestellte Radioapparat Eigentum der<br />

Schäffler war. Dieses ist anscheinend gegenüber der dortigen<br />

Dienststelle geschehen.<br />

Ich ersuche, sich mit der militärischen Dienststelle, an die<br />

s. Zt. die Apparate abgegeben worden sind, in Verbindung zu<br />

setzen, ob nicht die Möglichkeit besteht, den Apparat wieder<br />

zu bekommen. Meiner Dienststelle gegenüber ist ein urkundlicher<br />

Nachweis nicht erfolgt.«<br />

In einer Stoffsammlung für die Chronik der Stadt Hechingen<br />

(SAH API 5640 Ortschronik) ist für das Jahr 1941 von<br />

Amtmann i. R. Ritter unter »Besondere Vorkommnisse«<br />

vermerkt: »Ende November 1941 wurden sämtliche Hechinger<br />

Juden im Alter bis zu 63 Jahren (Männer, Frauen und<br />

Kinder) über Haigerloch nach Stuttgart überführt, wo sie im<br />

Gelände der Reichsgartenschau zusammengezogen und von<br />

wo sie nach dem Osten überführt wurden. Sie durften für jede<br />

Person nur 50 RM bares Geld mitnehmen, wohl aber ihr<br />

gesamtes Werkzeug (z. B. auch Nähmaschinen), weil sie sich<br />

im Osten selbst ernähren müssen. Das zurückgelassene Vermögen<br />

wurde vom Reich beschlagnahmt, die Wohnungen<br />

vom Finanzamt versiegelt. Von den Möbeln wurden die<br />

besseren Stücke ausgesondert. Sie sollen für zurückgeführte<br />

Volksdeutsche verwendet, der Rest versteigert, der Erlös<br />

vom Reich verwaltet und gelegentlich darüber verfügt<br />

werden.«<br />

Unter den o. g. Deportierten befand sich auch Leon Schmalzbach.<br />

Bei der Versiegelung der Wohnungen heißt es im<br />

Protokoll des Bürgermeisteramts Hechingen vom 27.<br />

November 1941: »Wohnung Schmalzbach, Hohenberger-<br />

Straße 9 - Wohnungseinrichtung übereignet an die Haushälterin<br />

Therese Schäffler, arische Haushälterin des Genannten.<br />

Die Übereignung ist durch besondere Urkunden nachgewiesen.<br />

Versiegelung war nicht möglich.«<br />

waren, ins Getto in den fürstlichen Kasernen in der Friedrichstraße<br />

außerhalb der Stadt zu ziehen, gestattete Fürst Joseph<br />

Wilhelm von Hohenzollern-Hechingen den Juden in einem<br />

Schutzbrief vom 29. März 1754 (StAS Ho 1 C II 6f Nr. 8.)<br />

»auf der Friederichs-Straßse, jedoch auf ihre eigene Kosten,<br />

eine Synagoge, worzu ihnen ein zulänglicher Platz ohnentgeltlich<br />

eingeraumet werden wird, auffrichten und darinn<br />

ihre jüdische Ceremonien außüben dörffen«. (Zitiert nach<br />

Maren Kuhn-Rehfus: Das Verhältnis von Mehrheit zu Min-<br />

53


derheit am Beispiel der Juden in Hohenzollern. In: ZHG. 14.<br />

Band. 1978. S. 24) Diese geräumige Synagoge wurde 1761<br />

erbaut und erst 1870 wieder abgebrochen. Aus der Egler-<br />

Ehrenberg'schen »Chronik der Stadt Hechingen« wissen wir,<br />

daß unter dem fürstlichen Wappen ein Gebet für das Fürstenpaar,<br />

dessen Anverwandte, Räte und Beamte stand. Darin<br />

hieß es: »Du wollest ihr Leben verlängern in Frieden, Sie vor<br />

Ohnglückh und Traurigkeit behüten und ihnen den Gewalt<br />

geben über ihre Feinde, auch ihnen alle Gnade und Barmherzigkeit<br />

erzeigen und ihre Herzen und Gedanken neigen,<br />

damit sie auch uns armen Kindern Israel gnädig und barmherzig<br />

sein mögen.« Durch die Kaserne, den Bau einiger Häuser<br />

und der Synagoge entstand ein Hof, der ein Viereck bildete,<br />

und nur von Israeliten bewohnt war.<br />

- 1775 erlangten die Juden gegen hohe Zahlung einen neuen<br />

Schutzbrief auf 25 Jahre. Noch im selben Jahr bauten sie<br />

neben dem 1761 in der Friedrichstraße errichteten Tempel die<br />

Synagoge in der Oberstadt. Die Straße, in der die Synagoge<br />

stand, hieß hinfort Judengasse. Die Synagoge wurde 1852 neu<br />

instandgesetzt und am 23. Dezember durch den Rabbiner Dr.<br />

Samuel Mayer feierlich eröffnet. Im Jahre 1881 erhielt sie eine<br />

neue Fassade. In der Nacht vom 9. auf 10. November 1938<br />

wurde sie durch Reutlinger und Hechinger SA-Leute unter<br />

Anleitung von Parteifunktionären demoliert. Die Stadt<br />

Hechingen hat während des Naziregimes die Synagoge in ihr<br />

Eigentum übernommen und als sakrales Gebäude ungenützt<br />

in Obhut behalten. Nach dem Zusammenbruch 1945 mußte<br />

die Stadt die Synagoge im Wege der Restitution an die<br />

JOSEF MÜHLEBACH<br />

Schwäblishausen<br />

Ein Gang durch die Geschichte des Dorfes<br />

Bei der Kreisreform für Baden-Württemberg aufgrund des<br />

Gesetzes vom 26. Juli 1971 ist u. a. die badische Teilgemeinde<br />

Schwäblishausen, die bis dahin zum Landkreis Überlingen<br />

gehört hatte, mit der Gemeinde Zell am Andelsbach und der<br />

Stadt Pfullendorf in den Landkreis Sigmaringen eingegliedert<br />

worden. Die Gemarkungen von Zell und Schwäblishausen<br />

ragen von Süden her wie ein Keil in den Raum des Landkreises<br />

Sigmaringen hinein, gesäumt von den Orten Mottschieß<br />

im Osten, Hausen am Andelsbach im Norden und Ettiswei-<br />

Ier mit Otterswang im Westen. Die Zuordnung von Schwäblishausen<br />

in den Landkreis Sigmaringen ist für das Dorf ein<br />

geschichtlich so bedeutsames Ereignis, daß es berechtigt ist,<br />

aus diesem Anlaß einen Gang durch die Geschichte des<br />

Dorfes zu machen; von den frühen Anfängen bis zur Gegenwart.<br />

Die Zeit der Gaugrafschaften.<br />

Niederer Ortsadel in Schwäblishausen<br />

Das schwäbische Stammesgebiet zerfiel seit der Besitznahme<br />

durch die Schwaben in eine Anzahl von Bezirken, in denen<br />

ein ursprünglich aus dem Volke gewählter, später (vielleicht<br />

seit dem Untergang des Schwäbischen Herzogtums 748) vom<br />

54<br />

Kultusvereinigung Württemberg und Hohenzollern zurückgeben.<br />

Diese hat die Synagoge verkauft. Seitdem wird sie<br />

gewerblich (als Lagerraum) genutzt. Sie droht zu verfallen.<br />

Neben diesen bisher bekannten Synagogen läßt sich nunmehr<br />

eine weitere Synagoge in Hechingen nachweisen: die Stiftssynagoge<br />

in der Münz. Sie war für die Hechinger jüdische<br />

Gemeinde während der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts<br />

von größter Wichtigkeit, ja sie war für sie nahezu unentbehrlich.<br />

In der Gemeindesynagoge in der Judengasse wurden -<br />

wie in allen Synagogen der damaligen Zeit - die Plätze durch<br />

Kauf erworben. Jeder Eigentümer durfte »auf seinem Stande«<br />

stehen. Hatte nun ein Familienvater mehrere Söhne, so<br />

konnten sich nicht alle auf den einen Stand setzen oder<br />

stellen; hatte er kein Vermögen, so konnte er einen Stand für<br />

200-300 Gulden nicht erkaufen. Überdies war die schon 1775<br />

erbaute Synagoge im Platzangebot für die inzwischen bedeutend<br />

angewachsene, vergrößerte Gemeinde sehr beschränkt.<br />

Die Stiftssynagoge war daher die Zuflucht aller Israeliten, die<br />

in der Gemeindesynagoge keinen oder wenig Platz hatten.<br />

Zumal an den Sabbat- oder Festtagen war diese oft übervoll.<br />

(1842 war jeder vierte Einwohner der Stadt mosaischen<br />

Glaubens.) So war es ein Segen, daß die Kaula'sche Rabbinatssitftung,<br />

das Lehrhaus in der Münz, auch eine Synagoge<br />

umfaßte. (Diese Mitteilung verdanke ich dem Material, das<br />

mir freundlicherweise von »The Central Archives for the<br />

History of the Jewish People« in Jerusalem zur Verfügung<br />

gestellt wurde. - Inv. Nr. 1014/4)<br />

König des Frankenreiches bzw. Deutschlands ernannter<br />

belehnter Vorstand, ein Graf, die öffentliche Gewalt ausübte.<br />

Diese Bezirke tragen in der Zeit, die uns durch geschichtliche<br />

Zeugen und Urkunden erschlossen sind und die im wesentlichen<br />

mit den ersten Jahrzehnten des achten Jahrhunderts<br />

beginnt, als landschaftliche, nach geschichtlichen Merkmalen<br />

gebildete Namen, teils von den Namen ihrer Grafen abgeleitete<br />

Benennungen. Für unseren Raum ist hierfür ein typisches<br />

Beispiel der Linzgau, der seinen Namen von dem Flüßchen<br />

Linz ableitet. Für den Linzgau gehen die urkundlichen<br />

Aufzeichnungen in das achte Jahrhundert zurück. Eine Zeitspanne<br />

später tritt anstelle des Namens Linzgau die Bezeichnung<br />

Grafschaft Heiligenberg, eine Entwicklung, die erkennen<br />

läßt, daß die Grafschaft Heiligenberg mit dem Linzgau<br />

identisch ist 1. Die Entstehung der Siedlung Schwäblishausen<br />

kann so in die Anfänge der Geschichte der Grafschaft Heiligenberg<br />

verlegt werden 2. Zur Linzgau-Grafschaft gehörte<br />

ursprünglich auch der Süden des Kreisgebietes Sigmaringen<br />

unter dem Grafen von Buchhorn, in dessen Gebiet die Grafen<br />

Ramsberg-Pfullendorf eine eigene Herrschaft besaßen, die<br />

sich nördlich in die Goldineshuntare hineinschob.


Die ersten urkundlichen Aufzeichnungen über Schwäblishausen<br />

gehen in die Zeit von 1071 bis 1080, also in die zweite<br />

Hälfte des 11. Jahrhunderts, zurück. Damals hat ein Adliger<br />

Wolfrad de Wilare Besitzungen in Swaberichshusen dem<br />

Kloster Petershausen übereignet 3. Die nächste Nennung<br />

erfolgte am 16. Januar 1251 als Sweberichshusen. Nach einem<br />

am 16. Januar 1251 in Heiligenberg abgeschlossenen Vertrag<br />

tauschte Graf Berthold von Heiligenberg Gelände an das<br />

Kloster Salem gegen ein sumpfiges Land, das zwischen dem<br />

Kloster und dem Dorf Leustetten lag. Als Zeuge des Vertragsabschlusses<br />

wird u. a. Hugo de Sweberichshusen<br />

genannt 4. Damit ist schon für die Zeit von 1071 bis 1251 das<br />

Vorkommen eines niederen Dorfadelsgeschlechtes für<br />

Schwäbiishausen nachgewiesen. In den folgenden Jahren<br />

häufen sich die Nennungen des Ortsadelsgeschlechtes vor<br />

allem als Zeugen bei damals üblichen Rechtsgeschäften.<br />

Die vorstehend angeführten Rechtsgeschäfte fanden ihre<br />

Fortsetzung u. a. in einem Kaufvertrag zwischen dem Grafen<br />

Wolfrad dem Jüngeren von Veringen und dem Kloster Salem<br />

vom 1. April 1262. Hier wird als Zeuge Hugo de Sweberichshusen<br />

genannt 5. Am 14. Mai 1263 genehmigte Graf Ulrich<br />

von Helfenstein die Schenkung eines Gutes zu Hausen (am<br />

Andelsbach) durch die Laienschwester Hailwig, seine<br />

Hörige, an das Kloster Salem. Als Zeuge erscheint hier Ulrich<br />

de Swaberichshusen 6.<br />

Am 20. Juni 1463 verkauft Jacob Sutor, Vogt zu Salmannsweiler,<br />

einen Hof zu Sweberichshausen als Lehen der Herrschaft<br />

Österreich, ferner ein Haus mit Garten, Burgstall und<br />

Wiese um 12 fl. an Junker Hanns Gremiich zu Zustorf 7.<br />

Diese Daten gelten nur als Beispiele für die damaligen<br />

Rechtsgeschäfte und erheben keinen Anspruch auf lückenlose<br />

Darstellung der Beziehungen des Dorfes Schwäblishausen<br />

zu Vertragspartnern des Einzuggebietes.<br />

Bis zum 18. Jahrhundert kommen für unser Dorf folgende<br />

Schreibweisen vor:<br />

Swabirichhusin (Hausen des Swabirich)<br />

Swaebrishusin<br />

Swabirichishusin<br />

Swebirichishusin<br />

Sweblisshausen.<br />

Änderungen in den Hoheitsrechten<br />

vom 17. bis 19. Jahrhundert<br />

Im 17. Jahrhundert gehörte Schwäbiishausen, das in der<br />

Grafschaft Sigmaringen, also außerhalb der Grafschaftsgrenzen<br />

von Heiligenberg lag, zur Grafschaft Heiligenberg.<br />

Heiligenberg war schon 1277 von den Grafen Heiligenberg<br />

an die Grafen von Werdenberg und nach deren Aussterben<br />

1533 an die Grafen von Fürstenberg gekommen. Bis 1276 war<br />

das Kloster Petershausen hier begütert, das damals das Dorf<br />

an Fürstenberg überließ. Die Reichsgrafschaft Fürstenberg<br />

endete 1806, als die Region badischer Oberhoheit unterstellt<br />

wurde. Das Amt Heiligenberg blieb aber für Schwäblishausen<br />

bestehen, bis im Jahre 1843 das Bezirksamt Pfullendorf<br />

zuständig wurde.<br />

Pestzeiten im 16. Jahrhundert<br />

In den vorstehend aufgezeigten Zeitabschnitt fallen die<br />

Geschehnisse des 16. Jahrhunderts mit den unheilvollen<br />

Pestzeiten. Eben dieses 16. Jahrhundert war für Schwäblishausen<br />

eine Zeit voller Drangsale und Nöte. In den Jahren<br />

1518, 1541 und 1567 hatte - so berichtet die Chronik - die<br />

Pest, auch der Schwarze Tod genannt, den Ort und die<br />

Umgebung heimgesucht und verheert. Leichenfeierlichkeiten<br />

hörten auf. Die Leichen wurden auf Karren auf den<br />

Friedhof in Zell am Andelsbach geführt. Der ganze Ort soll<br />

bis auf eine Person ausgestorben gewesen sein. Die Hütten<br />

und Höfe glichen ausgebrannten Ruinen. Wölfe und Füchse<br />

wohnten darin. Dornen wuchsen durch die leeren Fensteröffnungen<br />

8.<br />

Unruhen<br />

wegen Allmendeberechtigungen im 19. Jahrhundert<br />

Große Unruhen, wenn auch nicht so verheerender Art wie im<br />

16. Jahrhundert, hat es in den Jahren von 1831 bis 1834 in<br />

Schwäbiishausen wegen der Ansprüche der Gemeindeangehörigen<br />

auf Bürgergabholz und Beteiligung an der Allmende<br />

gegeben. Hier standen sich in der Gemeinde zwei Parteien<br />

gegenüber: 15 Söldner auf der einen und fünf Bauern auf der<br />

anderen Seite. Söldner waren Häusler, Kleingütler, Taglöhner<br />

- ohne Hof -. Die Bauern beanspruchten mehr Gabholz<br />

als die Söldner. Zur Schlichtung des Streites fand am 1.<br />

Februar 1833 eine Gemeindeversammlung in Schwäblishausen<br />

statt, auf der mit mehr als zwei Drittel Stimmenmehrheit<br />

gleiche Gabholzverteilung beschlossen wurde. Damit waren<br />

die Bauern nicht zufrieden und begehrten, daß auch die<br />

Allmende, in deren Besitz die Söldner seien, gleichteilig unter<br />

alle Bürger verteilt werde. Nachdem sowohl das Bezirksamt<br />

Heiligenberg wie auch die Seekreisregierung in Konstanz in<br />

die Streitigkeiten eingeschaltet wurden, entschied das badische<br />

Innenministerium in Karlsruhe, die vorgeschlagene<br />

Änderung der Bürgergabholzberechtigung werde nicht<br />

genehmigt, solange die benachteiligten Bauern im Allmendegenuß<br />

nicht gleichgestellt seien. Ein Recurs findet nicht statt.<br />

Mit der Aufhebung der Allmende und der Gabholzberechtigung<br />

in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts hat die Streitigkeit<br />

für Schwäbiishausen ein Ende gefunden.<br />

Die Entwicklung des Dorfes bis in die Gegenwart<br />

Schwäbiishausen gehörte, wie oben ausgeführt, bis 1806 zur<br />

Fürstenbergischen Reichsgrafschaft Heiligenberg, kam in<br />

jenem Jahr unter badische Oberhoheit unter Zuordnung zum<br />

standesherrlichen Amt Heiligenberg bis 1813 und wieder<br />

1824 bis 1843. 1813 bis 1824 und nach 1843 war für das Dorf<br />

das Bezirksamt Pfullendorf zuständig. 1935 wurde Schwäblishausen<br />

dem Bezirksamt Uberlingen zugeteilt, 1939 kam<br />

an die Stelle des Bezirksamtes der Landkreis Überlingen. Das<br />

Dorf, bis 1936 eine selbständige Gemeinde, wurde eben im<br />

Jahr 1936 als Teilgemeinde der Gemeinde Zell eingegliedert.<br />

Das Dorf Schwäbiishausen, rechts des Andelsbaches an der<br />

Straße Pfullendorf-Hausen-Krauchenwies gelegen, hatte,<br />

mit einer Gesamtfläche von 232 Hektar, im Jahr 1825 111, im<br />

Jahr 1933 113 und im Jahr 1980115 Einwohner. Kirchlich wie<br />

schulisch gehört Schwäbiishausen von jeher zu Zell.<br />

Für die Gemarkung Schwäbiishausen sind katasteramtlich<br />

und nach den neuesten topographischen Karten folgende<br />

Flurnamen ausgewiesen:<br />

Birkhof, Burgstall, Eichhalden, Hürsten, Im Krähen, Im<br />

oberen Ried, Im Letten, Leimgasse, Im Resch, Katzenfeld,<br />

Kleineschle, Sedel, Stock, Unterried, Viehgasse.<br />

Anmerkungen<br />

1 »Die Gaugrafschaften im Wirtenbergischen Schwaben«. Von<br />

Franz Ludwig Baumann, Kohlhammer Verlag, Stuttgart 1879.<br />

2 »Heiligenberg in Schwaben«. Von C. B. A. Fickler, Druck von C.<br />

Mochburg, Carlsruhe 1853.<br />

3 Fürstberg. Urk. B. Bd. V Nr. 63.<br />

4 Sal. Urk. Bd. 1, S. 301, und Fürstb. Urk. B. Bd. 5 Nr. 155.<br />

5 Sal. Urk. B. Bd. 1, S. 410.<br />

6 Sal. Urk. B. Bd. 1, S. 423.<br />

7 Fürstenb. Urk. B. Bd. VI Nr. 273.<br />

8 L. Haizmann, »Der Amtsbezirk Pfullendorf«. Kommissionsverlag<br />

Wagner, München 1936.<br />

55


JOHANN ADAM KRAUS<br />

Aus vergangener Zeit<br />

Geschlaipfte Pflüge und andere vergessene Dinge<br />

Wenn man Gemeindeordnungen des 16. Jahrhunderts aus<br />

unserer Gegend durchgeht, wie sie z.B. Andreas Räch 1974<br />

besprach', findet man darin längst verschwundene und nicht<br />

mehr verstandene Begriffe und Sachen. Da ist z. B. die Rede<br />

von »geschlaipften Pflügen«, mit denen man durch bestimmte<br />

Eschwege fahren durfte. Anton Birlinger erklärte s. Zt. diesen<br />

Ausdruck als »umgelegte, in die Höhe etwas angehobene<br />

Pflüge, damit die Erde nicht verletzt werde«. Dies besagt<br />

jedoch nur etwas für den, der bereits Bescheid weiß. So<br />

erlebten wir Älteren die Pflüge noch, bevor sie mit modernen<br />

Schleppern oder Traktoren verbunden durch einen Hebeldruck<br />

hochgehoben werden konnten. Aber vor 40-50 Jahren<br />

benötigte man eine Schlaife (Schloifa) zum Nachschleppen<br />

des nicht benutzten Pfluges. Sie bestand in zwei kräftigen,<br />

etwa 12 cm starken und je nach Länge des Pfluges (die<br />

hölzernen waren ehemals viel länger als die neueren aus<br />

Eisen) 2,20-2,50 m langen Stangen, die am Ende im Winkel<br />

von etwa 45 Grad aneinander befestigt waren. Man schob<br />

vom Pflugkarren her von rechts die eine Stange der Schloifa<br />

zwischen Sech (Pflugmesser) und Schar nach hinten hinein,<br />

während die andere himmelwärts zielte. Dann wurde der<br />

Pflug von hinten her angelupft und nach links gelegt, daß der<br />

linke Griff (Goitza) auf den zur Erde hinuntergedrehten<br />

Schloifafuß zw. Stange zu liegen kam, der Schloifakopf aber<br />

auf den Grindel (Pflugbaum) zu liegen kam. Die nun waagrecht<br />

liegende Schloifa berührte nur mit beiden Enden den<br />

Boden, so daß man sie samt dem drauf liegenden Pflug (mit<br />

Karren voraus) wegschleppen konnte, ohne die Erde wesentlich<br />

aufzureißen. Nur beim Fahren auf geschotterten Wegen<br />

rissen natürlich die beiden Schloifa-Enden den Schotter<br />

auseinander. Man versah daher gelegentlich die Stangenenden<br />

je mit einem kleinen Rädchen. Unseren jetzt geteerten Wegen<br />

hätten die uralten »Schloifana« nichts anhaben können. Sie<br />

haben sie aber nicht mehr erlebt.<br />

Amtmann hieß bei uns 1545 der Ortsvorsteher, im Fürstenbergischen<br />

seit 1584 dann Schultheiß, im Zollerischen bis<br />

1904 Vogt. Die Strafverfolgung gestohlenen Holzes ging in<br />

Ringingen 1530 »bis auf die Aesem (Ase)«, einem Holzgestell<br />

vor dem Ofenloch zum Aufbeigen des Holzvorrates. Die<br />

Morgenweide hieß »uochta«, das Weidegebiet Auchtert. Die<br />

Auchtenwies heißt heute Hautenwies! Baind, heute noch eine<br />

Ortschaft bei Ravensburg, bedeutet einen (Flecht-)Zaun um<br />

ein Grundstück: »ist umbunden von ainem zune.« Wer gegen<br />

die Eehäftinen oder Ortsgesetze verstieß und Schaden im<br />

Feld machte, mußte diesen »bekören« oder »wagen«, d. h. er<br />

riskierte Strafe. Breunfueter meinte den Abfall beim Dreschen.<br />

(Ob unser »Brietz« = Gebrühtes dazu gehört?) Das<br />

Dorf Bitz und die Flur »die Bitze« (Bützin) entstanden aus<br />

»bi zuna« = beim Zaun. Dieser Dorfzaun hieß auch Etter, oft<br />

aus geflochtenen Gerten oder aus Hecken oder Stecken<br />

bestehend als Grenze gegen die Feldflur. Zum Hinausfahren<br />

benötigte man Lucken mit »angehenktem Gatter« oder einem<br />

Falltor (heute noch Flurname am Melchinger Ortsrand!).<br />

Furch oder Fürchtle hieß der von den Ringinger Talwiesen<br />

kommende Lauchertzufluß. Das Gemeinmerk meint eine<br />

Allmende für alle Dorfbewohner zugängliche Weide. Wie<br />

genügsam unsere Vorfahren um 1530 waren, zeigt eine<br />

Ringinger Bemerkung: Man darf auf den Gewanden (Pflugwenden<br />

= Anwanden) hinaus »wandeln mit einem Krug<br />

Wasser zu dem Pflug«. Lauchen (Laachen) sind Grenzzeichen<br />

an Bäumen oder Steinen. Das Lai (Leech, Läch, Lee; in<br />

Jungingen Lair als Mehrzahl!) bedeutet Grabhügel. Ein<br />

Fußweg oder Stig durch den Zaun wurde durch ein Stigel<br />

oder Steigbrett gesichert, daß Kleinvieh (Gänse usw.) nicht<br />

56<br />

hinauslaufen konnte. Vom »Maß« im Sinne von Längenmaß<br />

unterschied man »das Meß« oder Hohlmaß. Statt Lehenbauer<br />

sagte man noch 1530 »Maier«, aus dem der Familienname<br />

Maier (Meier, Mayer, Meyer, Majer) wurde. Der Hausmaier<br />

der Frankenkaiser war Vorsteher des königlichen Hauswesens<br />

(maior = der Größere, der Vorgesetzte). Der Pfroad<br />

bezeichnet eine (Näh-)Ahle. Riegen (= rügen) verstand man<br />

als »bestrafen«. Ein Runs (heute noch in Freiburg Runz) zeigt<br />

einen Wasserlauf an, wo Wasser rinnt. So hieß im 16. Jh. der<br />

Ringinger große Entwässerungsgraben, der jetzt kanalisiert<br />

ist, und lebt fort im »Wasserrau(n)s« als Flurname. »Schwaig<br />

halten« nannte man 1530 in Ringingen das Recht der Herrschaft,<br />

300 Schafe auf die Weide zu treiben. Die Schwaighäuser<br />

standen vordem auf den beiden Hofstätten unter der<br />

Burgruine auf dem Nehberg. Oben hinter dem großen<br />

Graben lag östlich der »Hintere Vorhof« mit Mauer und<br />

Graben umgeben.<br />

Die Staig meint einen steilen Fahrweg, ein Stig jedoch, wie<br />

oben gesagt, einen Fußweg (heute noch in Flurnamen Steig<br />

gesprochen, also mit spitzem ei). Die Staig wurde in der<br />

Mundart zu Stoig. Wiesenbesitzer auf dem Heufeld durften<br />

beim Mähen und Heuen nur 2 Zugstücke »auf dem Seinen<br />

spannen«. Das heißt, die Tiere wurden an den Vorderfüßen<br />

leicht gefesselt um das Weglaufen zu verhindern und so auf<br />

dem eigenen Grundstück »gespannt«. Von diesem Spannen<br />

kommt nach Prof. Schnetz der langumstrittene Flurname<br />

Espan oder Aispan. Das anlautende E ist der Rest des<br />

althochdeutschen ewa = Gesetz, das auch in Ehe und Ehehalten<br />

(Gesinde), Eehäfte (Dorfrechte) steckt. Der Satz: »es ist<br />

keine stete Muetung« von 1545 bedeutet wohl: »es wird nicht<br />

ständig verlangt«, sondern nur von Zeit zu Zeit. Stumpen<br />

verstand man bei uns im 16. Jh. als Stämme (von Bäumen).<br />

Trieb bzw. Triebwege sind nach dem Viehaustrieb benannt.<br />

Das Gelände hat man nach 1867 in »Bürgerteile« zerlegt.<br />

Untergang hieß das Feldgericht, Untergänger die Aufseher<br />

über Marken und Grenzen. Die Getränksteuer hieß Umgelt<br />

oder Ungelt, indem die verbrauchten Ohme (Hohlmaß)<br />

berechnet wurden. Die Witmark von 1530 scheint Holzmark<br />

oder Holzgebiet zu bedeuten, in dem jeder seine zum Garbenbinden<br />

nötigen Widen holen konnte. Althochdeutsches<br />

witu bedeutet Holz. Dazu gehört wohl auch die Langwid, die<br />

Verbindungsstange zwischen Vorder- und Hinterwagen. Das<br />

Ringinger Wyssengäßle hatte seinen Namen vom 1392<br />

genannten Anwohner Wyß oder Weiß (Haus 99). Die Zunstellinen<br />

bedeuteten den Verlauf der Zäune um Dorf und<br />

Felder.<br />

Die Ringinger sog. »Viehwaid« nördlich des Heufelder Kreuzes,<br />

warimj. 1530 35 Mannsmad groß (ca. 16,54 ha), hat aber<br />

1516 laut Urkunde noch nicht bestanden. Offenbar hat man<br />

die verschiedenen Grundstücke mehrerer Besitzer zusammengelegt<br />

und zahlte ihnen pro Mannsmad 3 Kreuzer 2, die<br />

auf das Weidevieh umgelegt wurden. Um 1750 war diese<br />

Abgabe weggefallen. Nach Aufhören des Viehaustriebs 1867<br />

hat Ringingen die »Viehwaid« als Allmendstücke ausgegeben,<br />

seit etwa 10 Jahren aber wieder zusammengezogen und<br />

in großen Stücken verpachtet.<br />

Anmerkungen<br />

1 Hohenzollerische Heimat 1974, 18 f. Abschriften des Dorfrechttextes<br />

übergab er den Heimatbibliotheken.<br />

2 Zum Beweis, daß nicht die Gemeinde Salmendingen diesen Zins<br />

der »Viehwaid«, sondern die früheren Besitzer bekamen, geht aus<br />

einer Zollerischen Erneuerung von 1545/65 (Arch. Donaueschingen)<br />

hervor, die sowohl Herr Räch, als auch ich bisher übersehen<br />

haben.


JOHANN ADAM KRAUS<br />

Namen unserer Vorfahren vor 1200 Jahren<br />

Es dürfte bekannt sein, daß Familien- oder Zunamen bei uns<br />

erst seit dem 11. bis 13. Jahrhundert gebräuchlich wurden<br />

und gelegentlich noch bis ins 16. Jahrhundert wechseln<br />

konnten. Hochadelige begannen kurz nach der Jahrtausendwende<br />

»von« ihren Wohnsitzen benannt zu werden, z. B.<br />

lesen wir: 1061 Burkart und Wezel (= Werner!) von Zolorin<br />

(= Zollern). Ältere Urkunden kennen nur Vor- oder Taufnamen,<br />

was man sich heute eigentlich kaum mehr vorstellen<br />

kann. Aus zwei in schlechtem Latein verfaßten Dokumenten<br />

des schweizerischen Klosters St. Gallen aus den Jahren 772<br />

und 773 geht hervor: Ein hochbegüterter Herr Roadho<br />

(Rodachu, Ruodhus) schenkt an die dem Kloster gehörige<br />

Kirche St. Gallus in Willmandingen (bei Salmendingen) viele<br />

Güter und Dienstleute. Das eine Mal sind es acht Häuser,<br />

zwölf Hofgüter und zweiunddreißig Dienstboten oder<br />

Untergebene, das andere Mal elf Hofgüter und zweinundvierzig<br />

Dienstleute, darunter jeweils ganze Familien mit<br />

erwachsenen Kindern 1. Die aufgeführten Namen sind teils<br />

keltischer, teils germanischer Herkunft und klingen uns<br />

ziemlich ungewohnt. Offenbar hat der Schreiber, ein Priester<br />

Hubertus, die größte Mühe gehabt, die Namen nach dem<br />

Gehör aufzunehmen und niederzuschreiben, wie die Unterschiede<br />

der beiden Schriftstücke zeigen. Somit ist nicht<br />

absolut sicher, ob beide Mal andere oder nur gleichnamige<br />

Leute in anderer Schreibart gemeint sind. Ferner bleibt sehr<br />

fraglich, ob alle Genannten in Willmandingen wohnten, das<br />

damals schwerlich ein umfangreicher Ort war. Vielmehr<br />

scheint möglich, daß ein Teil der geschenkten Güter und<br />

Menschen in der nächsten Umgebung zu suchen sind, z. B.<br />

im unfern gelegenen Ringingen, das einen Hof mit Kapelle<br />

und Gallenbühl des Klosters St. Gallen besaß, die allerdings<br />

im 15. Jahrhundert der Pfarrei Truchtelfingen bei Ebingen<br />

zugeschlagen waren und ebenfalls St. Gallen gehört hatten 2.<br />

Die merkwürdigen Namen, die unten alphabetisch folgen,<br />

führten schon zur Vermutung, die Namensträger seien von<br />

den Franken, die seit 496 Herren über die um 240 eingewanderten<br />

Alemannen ins bisher von Römern besetzte Keltenland<br />

regierten, aus der Gegend der Seine bei Paris auf unsere<br />

Alb zwangsweise umgesiedelt worden. Dies bleibt jedoch so<br />

lange zweifelhaft, als man um 770 sonst in der weiteren<br />

Umgegend keinerlei größere Namengruppen kennt. Könnten<br />

nicht Reste der früheren keltischen Bevölkerung des<br />

dritten Jahrhunderts (wie man es im Schwarzwald vermutet)<br />

sich unter den neuen Herren Alemannen und Franken erhalten<br />

haben?<br />

Die erste Urkunde des ohne Zweifel christlichen Roadho<br />

wollte man so verstehen, als habe er selber die Galluskirche in<br />

Willmandingen erbaut. Doch erweckt das fehlerhafte Latein<br />

schwere Zweifel, und daher haben schon frühere Gelehrte<br />

(z. B. in dem gedruckten Codex Traditionum von St. Gallen)<br />

HANS LANDENBERGER<br />

Geschichtliches aus der Pfarrei Grosselfingen<br />

Bis zum Jahre 1471 hatte Grosselfingen keine eigene Pfarrei.<br />

Die Gemeinde war kirchlich ein Filial der Nachbargemeinde<br />

Weilheim und dort eingepfarrt. Im Ort selbst war eine<br />

einfache Kapelle. Als deren Patron wird im Jahre 1395<br />

urkundlich der hl. Johannes der Täufer genannt. Diese<br />

nur von einer Schenkung von Dienstboten, also von Vermehrung<br />

der kirchlichen Einkünfte geredet 3. Über die soziale<br />

Stellung der geschenkten Leute kann man nur Vermutungen<br />

anstellen, ob sie wohlsituierte Knechte oder rechtlose Hörige<br />

waren, die immerhin auf den genannten Höfen ihre sichere<br />

Existenz hatten. Darf man etwa als Vergleich den heutigen<br />

Übergang einer Fabrik samt den zugehörigen Arbeitern an<br />

einen neuen Herrn beiziehen?<br />

Über den Stand des Stifters Ruotah, der mit einem Kreuzlein,<br />

wie die anderen schreibuntüchtigen Zeugen, unterzeichnete,<br />

ist nichts festzustellen. Sie sind offenbar Herren! Ihre<br />

Namen: Bleon, Issinbert, Welando, Warilando, Leutbero,<br />

Ermenberto, Waninco, Hisinberto, Hemulberto, Crimperto,<br />

Teutberto und Varilando. Vom erstgenannten Bleon<br />

wissen wir aus der Notiz des sogenannten Codex Laureshamensis<br />

(Lorsch bei Worms), daß er 4 mit seinem Sohn Otto im<br />

Jahre 772 dem Kloster Lorsch unter dem Abt Gundland in<br />

der Burichingamark Güter schenkte, und zwar in Burladingen,<br />

Megingen (dabei: das spätere Maygingen bei Flur Gassen),<br />

Merioldingen (heute Flur zwischen Stetten und Meldungen:<br />

Mertingen), Melchingen selbst, Willmandingen,<br />

Genkingen und Gauselfingen 4.<br />

Die beiden Urkunden von St. Gallen bringen folgende Personennamen:<br />

Adtane, Agde, Ahalagde, Ahicono, Altmanno,<br />

Amulfrede, Aricarno, Arichiso, Arnaldo, Autmanno, Benzone,<br />

Berfridane, Bettone, Bleon, Blitilde = Plitilde, Collane,<br />

Crimperto, Ermenberto, Frahusindtane, Haghico,<br />

Mahulberto, Hamulfrid, Haricarno, Haridyso, Hariman,<br />

Hinolobe, Hisinberto, Huraldo, Huttone, Issinbert, Leube,<br />

Leubine, Leupagde, Leupaldo, Leutberto, Leutnig, Lietillone,<br />

Lobehagde, Lollane, Motra, Moterane, Radbergane,<br />

Ricario, Rigtrude, Roadho (Ruodhaus, Rodahu), Rodulfo =<br />

Ruodulfo, Ruodnig = Rodnig, Rotmanno = Routmanno,<br />

Tancrado, Tehudtrude = Teutdrude, Teutulfo, Teutcario,<br />

Teutberto, Tradulfo, Trudulfo, Trudlinde, Uraldo, Uttono,<br />

Valdulfo = Waldulfo, Varilando = Warilando, Varlindoe,<br />

Visculfo, Volfagde, Volkmaro = Wolmaro, Vollkamanno,<br />

Volmann, Waldulfo, Waninco, Warilando, Weland, Wolfhagde,<br />

Wolflinde.<br />

Wenn schon die Namen der damaligen Albbewohner so<br />

fremdartig klingen, wie wäre uns dann erst deren Sprache<br />

vorgekommen? Leider sind aus unserer engeren Gegend<br />

keine Überreste bekannt.<br />

Anmerkungen<br />

1 Wartmann, Urkundenbuch von St. Gallen 1,65 und 68.<br />

2 Hohenz. JHeft 1957, 36 f.<br />

3 Heimatbuch von Willmandingen 1972 bzw. »Der Burichingagau«<br />

von A. Dreher 1957, 185 f.<br />

4 Wirtenb. UB 4,413. Ein Foto dieses Eintrages findet sich im<br />

»Heimatbuch Burladingen« von 1961, Seite 136a.<br />

Kapelle war so gut fundiert, daß sie einen eigenen Pfarrer zu<br />

sustentieren fähig gewesen wäre. Diese Tatsache, aber auch<br />

der Umstand der großen Entfernung Grosselfingens von<br />

Weilheim erregten den Wunsch der Kapelle zu Grosselfingen<br />

die Rechte einer Pfarrkirche zu verleihen. Der Pfarrer von<br />

57


Weilheim bezog jedoch einige Einkünfte aus den Grosselfinger<br />

Kapellen-Requien. Die von dem damaligen Ortsherrn<br />

Konrad von Bubenhofen gegebene Zusicherung, den Pfarrer<br />

von Weilheim zu entschädigen und das Gehalt des Pfarrers<br />

von Grosselfingen ergänzen zu wollen, schafften die Voraussetzungen<br />

zur Errichtung einer eigenen Pfarrei.<br />

Am 28. Juli 1471 erteilte der Päpstliche Legat für Deutschland,<br />

Kardinal Leipius, dem Bischof Hermann zu Konstanz<br />

die Vollmacht, die Kapelle in Grosselfingen zur Pfarrkirche<br />

zu erheben. Mit Urkunde vom 15. März 1472 wurde Grosselfingen<br />

selbständige Pfarrei. Eberhard Schiegh von Balingen<br />

(Pfarrer von 1472 bis 1488) wurde am 12. März 1472 durch<br />

Konrad von Bubenhofen als Pfarrer präsentiert. Im Jahre<br />

1537 werden Johannes der Täufer und der hl. Hubertus als<br />

Kirchenpatrone erwähnt. Aus einem Visitationsbericht über<br />

die Landpfarreien der Grafschaft Hechingen ist die Verarmung<br />

der Pfarrei Grosselfingen zu schließen, es wurde um<br />

Überlassung des Kleinzehnten und eines Teiles des Großzehnten<br />

nachgesucht.<br />

Außer der zur Pfarrkirche erhobenen Kapelle war eine solche<br />

bei der Hainburg. In der Hainburg-Kapelle wirkte im Jahre<br />

1470 Heinrich Vögeli von Rosenfeld als Kaplan, sie gehörte<br />

zur Pfarrei Owingen. Auch beim Schloß der Herren von<br />

Bubenhofen am Ende des heutigen Schloßkellerweges war<br />

eine Kapelle. Vom Jahre 1534 stammt die Erlaubnis des<br />

Bischofs zur Celebration in der »capella- castri« zu Grosselfingen.<br />

Die Hainburg-Kapelle war im Genuß des Kleinzehnten<br />

von Grosselfingen. Gräfin Franziska von Hohenzollern<br />

hat am 14. August 1616 den Kleinzehnten, d. h. die Zehntabgaben<br />

vom Obst und allem, was in Krautgärten und den<br />

Almendäckern wächst, der neuen Pfarrei Grosselfingen überlassen.<br />

Unter Pfarrer Johann Georg Sehr (von 1673 bis 1718) entstand<br />

anstelle der zur Pfarrkirche erhobenen Kapelle im Jahre<br />

1703 eine neue Kirche. Diese wurde an den damaligen<br />

wuchtigen Turm angebaut. Der Turm hatte 2 m dicke<br />

Mauern, Schießscharten und einen Treppengiebel und ein<br />

ehrwürdiges Alter von 400-500 Jahren, er könnte ursprünglich<br />

ein Verteidigungs-Bollwerk gewesen sein. Die neue<br />

Kirche wurde laut Inschrift zu Ehren der Heiligsten Dreifaltigkeit,<br />

der Seligsten Jungfrau Mutter Gottes Maria wie auch<br />

des hl. Hubertus Kirchenpatron errichtet. Johannes der<br />

Täufer ist als Kirchenpatron vom hl. Hubertus abgelöst<br />

worden.<br />

Vom 9. Februar 1706 datiert die im Original noch vorhandene<br />

Stiftungsurkunde für die Bruderschaft des Ehrsamen<br />

Narrengerichts zu Grosselfingen, geschrieben und mit Petschaft<br />

versehen von Pfarrer Johann Georg Sehr. In der<br />

Ortsmitte, am Eingang zum Marktplatz, steht die Wendelins-Kapelle,<br />

diese wurde von Bürgermeister Christian<br />

Pflumm im Jahre 1737 an Stelle des bereits im Jahre 1530<br />

urkundlich erwähnten »Bilderhäusle« erbaut. Stadtpfarrer<br />

Johann Martin Fischer aus Hechingen hat am 25. September<br />

1738 darin die erste hl. Messe gelesen. Am 12. August 1784<br />

gestattet der Konstanzer Weihbischof Wilhelm Josef Leopold<br />

von Baaden, daß in der den hl. Dreikönig geweihten Hainburgkapelle<br />

das Messopfer dargebracht werden darf. Die<br />

Hainburgkapelle und die Kapelle beim Schloß der Herren<br />

von Bubenhofen sind Opfer der Zeit geworden.<br />

In dem Bericht des Ortspfarrers Sebastian Haid von Hechingen<br />

(von 1794 bis 1817) vom 9. Januar 1797 wird der<br />

baufällige Zustand der Pfarrkirche geschildert. Das heute<br />

noch vorhandene Hochaltarbild, eine Kreuzigungsszene von<br />

Fidelis Wetz von 1806, ist eine Stiftung von Pfarrer Sebastian<br />

Haid, dessen Grabmal befindet sich heute auf der Rückseite<br />

der heutigen Pfarrkirche. Einem Bittgesuch der Gemeinde<br />

Grosselfingen vom 12. November 1851, nachhaltig unter-<br />

58<br />

stützt von Pfarrer Paul Koler von Jungingen (von 1845 bis<br />

1859), ist die dringend notwendige Erbauung einer neuen<br />

Pfarrkirche in Grosselfingen zu entnehmen. Die daraufhin<br />

angestellten vielfältigen Recherchen, welche sich bis zum<br />

Jahre 1856 hinzogen, haben ergeben, daß die vermeintliche<br />

Baupflicht des Fürstenhauses von Hohenzollern, im Zusammenhang<br />

mit dem Großzehnten nicht nachzuweisen war.<br />

Der Kleinzehnte ist durch Rezeß vom 11. Januar 1864 mit<br />

einer Rente in Höhe von 257 Gulden 12 Kreuzer jährlich zu<br />

Gunsten der Pfarrei Grosselfingen abgelöst worden. Die<br />

Ablösung endete im Jahre 1918. Unter Pfarrer Heyse (von<br />

1860 bis 1886), dem nachmaligen Stadtpfarrer von Hechingen,<br />

wurde mit der Reparatur und der Erweiterung der<br />

Pfarrkirche begonnen.<br />

Der bei der Pfarrkirche liegende Friedhof ist aufgrund obrigkeitlichen<br />

Drängens auf den Galgenrain verlegt worden.<br />

Pfarrer Heyse plante eine Friedhofskapelle und hat vor<br />

seinem Wegzug nach Hechingen 1000 Mark zum Kapellenfond<br />

gestiftet. Am 11. August 1889 erfolgte deren Grundsteinlegung<br />

und am 20. Juni 1891 die Einweihung durch<br />

Pfarrer Eugen Maier aus Gruol (von 1889 bis 1899). Diesem<br />

ist auch die Aufgabe zugefallen, die infolge der angewachsenen<br />

Seelenzahl zu klein gewordene Pfarrkirche zu vergrößern.<br />

Im Jahre 1894 wurde der Chorbogen herausgebrochen<br />

und ein Querschiff angebaut, so daß der Grundriß der Kirche<br />

eine Kreuzesform erhielt. Am 17. September 1897 konsekrierte<br />

Weihbischof Dr. Justus Knecht Altar und den erweiterten<br />

Kirchenraum.<br />

Von 1900 bis 1929 war Pfarrer Stanislaus Fechter von Hart<br />

Seelsorger der Gemeinde Grosselfingen. Anläßlich dessen<br />

25jährigen Ortsjubiläums ist die Friedhofskapelle renoviert<br />

worden. Dem unvergeßlichen »Stanes«, wie er weitum<br />

bekannt war, darf eine warmherzige Würdigung angefügt<br />

werden. Er war ein frommer Priester, eine überragende<br />

Persönlichkeit, freigebig und Helfer bei Krankheiten, ein<br />

orgineller und freimütiger Gesellschafter. Während seines<br />

priesterlichen Wirkens wurde das Kinderheim erbaut, welches<br />

er mit persönlichen Spargroschen finanziell förderte. Er<br />

ging am 17. November 1929 in die kleinere Pfarrei Weildorf,<br />

blieb aber mit seinen Grosselfinger Pfarrkindern in enger<br />

persönlicher Verbindung. Im gottbegnadeten Alter von 86<br />

Jahren ging am 5. Februar 1950 seine Seele zum Schöpfer<br />

zurück.<br />

Am 29. Dezember 1929 ist Pfarrer Stephan Haug von Neufra<br />

in die Pfarrei Grosselfingen investiert worden. Das Pfarrhaus,<br />

ein altes Bauernhaus, wurde am 20. Oktober 1931 ein<br />

Raub der Flammen. An der gleichen Stelle entstand ein<br />

stattliches neues Pfarrhaus. Das alte Schulhaus am Marktplatz,<br />

welches die politische Gemeinde der Kirchengemeinde<br />

kostenlos überlassen hat, ließ er zu einem katholischen<br />

Gemeindehaus umbauen. Die Wohnsiedlung in »Unter<br />

Lauen«, für rund 30 Familien, entstand unter seiner Regie.<br />

Weil die Pfarrkirche nicht mehr alle Kirchenbesucher der auf<br />

1400 Einwohner angewachsenen Gemeinde fassen konnte<br />

und weil offensichtlich die alte Pfarrkirche zum modernen<br />

Pfarrhaus nicht paßte, ist bereits im Jahre 1937 die unabwendbare<br />

Aufgabe eines Kirchenneubaues auf Pfarrer Stephan<br />

Haug zugekommen. Die politischen Verhältnisse<br />

zwangen ihn aber zum Zuwarten. Kaum waren die mit der<br />

Währungsreform vom Juni 1948 entstandenen finanziellen<br />

Schwierigkeiten überwunden, wurde der bekannte Kirchenbauarchitekt<br />

Hans Lütkemeier aus Rottenburg mit der Planung<br />

des Kirchenneubaues beauftragt.<br />

Dem überraschenden Entschluß lag ein bauliches Gutachten<br />

zu Grunde, welches die Baufälligkeit der Pfarrkirche als<br />

Folge von Erdbeben zum Inhalt hatte. Die alte Pfarrkirche<br />

samt dem ca. 500 Jahre alten Glockenturm mußte der neuen<br />

Kirche weichen, es erfolgte deren Abbruch. Am 27. August


1950 wurde der erste Spatenstich für den Kirchenneubau<br />

getan. Am ersten Maisonntag 1951 erfolgte die Grundsteinlegung<br />

in Anwesenheit von Abt Konrad Winter aus Weingarten.<br />

Für das Mauerwerk sind die alten Natursteine vom<br />

Abbruch der Kirche und des Turmes verwendet worden. Am<br />

13. August 1951 konnte Richtfest gefeiert werden. Pfarrer<br />

Stephan Haug war unermüdlich, legte selbst Hand mit an, wo<br />

es not tat. Obwohl schwer herzleidend, erstieg er mehrmals<br />

das Baugerüst. Beim Abstieg von der Baugerüstleiter erlitt er<br />

am 3. Oktober 1951 einen Herzanfall, der seinen Tod zur<br />

Folge hatte. Ungemein schwer traf sein plötzlicher Tod die<br />

Kirchengemeinde.<br />

Dekan Josef Vogler aus Boll regelte die besorgniserregende<br />

Finanzlage und führte die im Zusammenhang mit dem Kirchenneubau<br />

unaufschiebbaren Geschäfte weiter. Am 12.<br />

Dezember 1951 konnte er diese dem neuen Pfarrherrn Erwin<br />

Vogel von Göggingen übergeben. Die feierliche Investitur<br />

von Pfarrer Erwin Vogel hat am 23. Dezember 1951 stattgefunden.<br />

Von ihm wurde mit Energie und Sachkenntnis der<br />

Kirchenneubau zu Ende geführt. Schon am 23. März 1952 ist<br />

die neue Kirche von Dekan Josef Vogler benediziert worden.<br />

54 Sonntage diente der Saal im katholischen Gemeindehaus<br />

als Notkirche. Beachtlich hoch waren die finanziellen Beiträge<br />

und Stiftungen der Einwohnerschaft. Auch das Fürstenhaus<br />

von Hohenzollern leistete einen Kostenbeitrag in<br />

J. GRONER<br />

Der Pfullendorfer Minorit Johann Ludwig Ungelehrt,<br />

gen. »a Musis«, 1599-1662 (I)<br />

Jugend und früher Aufstieg<br />

Zu den bedeutenden Männern, die aus der ehemaligen<br />

Reichsstadt Pfullendorf stammen, gehört ohne Zweifel auch<br />

Johann Ludwig Ungelehrt. Er wurde dort am 8. August<br />

1599 1 geboren. Johann Schupp gibt als Vater den Zimmermann<br />

Melchior Ungelehrt an und läßt ihn am Gaisbühl, einer<br />

Seitengasse im oberen südöstlichen Teil der Stadt, im Haus<br />

Nr. 4 heutiger Zählweise geboren sein 2. Von diesem Haus ist<br />

nichts mehr vorhanden, man findet an seiner Stelle augenblicklich<br />

nur einen leeren Platz. Wie der Lebensweg des<br />

kleinen Johann weiterging, läßt sich nur vermuten. Wahrscheinlich<br />

brachte ihm einer von den städtischen Lehrern<br />

Lesen und Schreiben bei, vielleicht schickte ihn sein Vater,<br />

der die höhere Berufung seines Sohnes erkannte, auf die<br />

Lateinschule an der Stadtmauer hinter der spitälischen Kornscheuer<br />

3. Schon früh muß der Knabe mit den Minoriten in<br />

Verbindung gekommen sein, was keine Schwierigkeit darstellte,<br />

befand sich doch im benachbarten und mit Pfullendorf<br />

freundlich verbundenen Überlingen ein größeres Minoritenkloster<br />

(heute städtisches Altersheim). Kurzum, mit 14<br />

Jahren, damals nichts Außergewöhnliches, trat er in Villingen<br />

ins Franziskanerkloster ein 4, in jenes Haus an der Westmauer<br />

der alten Zähringerstadt 5, in dem er später schicksalhafte<br />

Monate verbringen sollte.<br />

Bei der Einkleidung erhielt der Novize den Ordensnamen<br />

Ludwig. Ungelehrt zeichnete jedoch immer auch mit seinem<br />

Taufnamen. Eubel behauptet, der junge Mann habe seinen<br />

ausgefallenen Familiennamen 6 bald in »Amusius« (»Musenloser«)<br />

verwandelt 7, als ob die griechischen Musen, von<br />

denen Klio und Kalliope für Gelehrsamkeit zuständig waren,<br />

bei ihm nichts zu suchen gehabt hätten. Abgesehen davon,<br />

daß dies bei Ungelehrt nicht zutraf, sollte sich auch sein<br />

lateinischer Name eines Tages in eine angemessenere Form<br />

Form von 100 Festmeter Bauholz. Am 16. Mai 1953 vollzog<br />

Erzbischof Wendelin Rauch in hochfeierlicher Weise die<br />

Weihehandlung. Patronatsherr Fürst Friedrich von Hohenzollern,<br />

Prinz Franz Josef von Hohenzollern, viele Geistliche<br />

aus dem Kapitel, zahlreiche Vertreter der Behörden und die<br />

Einwohnerschaft haben an den Feierlichkeiten teilgenommen.<br />

Im März 1956 ist an der rückwärtigen Wand des Kirchenschiffs<br />

eine Gedenktafel für 97 Tote und Vermißte des 2.<br />

Weltkriegs der Gemeinde Grosselfingen angebracht worden,<br />

sie ist eine Arbeit des hier be<strong>heimat</strong>eten Kunstschreiners<br />

Adolf Lorch. Auf Initiative von Ortspfarrer Erwin Vogel<br />

sind für den 42,5 Meter hohen Glockenturm neue Glocken<br />

angeschafft worden, sie entstanden in der Heidelberger<br />

Glockengießerei und wurden aus Spenden finanziert. Dem<br />

neuen Geläute liegt das Te-Deum-Motiv zu Grunde. Die<br />

Glockenweihe durch Dekan Geistlichen Rat Eugen Wessner<br />

von Jungingen ist am 23. Oktober 1977 erfolgt. Nach 30<br />

Jahren segenreichen Wirkens resignierte Pfarrer Erwin Vogel<br />

und verzog am 4. September 1979 nach Aasen bei Donaueschingen.<br />

Als 55. Geistlicher der Namensliste der Pfarrei<br />

Grosselfingen übernahm am 26. September 1979 Pfarrer<br />

Robert Huber von Gengenbach die Seelsorge in der Pfarrei<br />

Grosselfingen. Am 27. April 1980 hat dessen feierliche<br />

Investitur stattgefunden.<br />

wenden. Der Orden schickte den begabten jungen Mann zum<br />

Studium auf die Karlsuniversität nach Prag, wo er mit dem<br />

theologischen Doktoratsexamen abschloß, um dann in Wien<br />

vom Ordensgeneral Giäcomo Montanari da Bagnacavallo in<br />

einer feierlichen Zeremonie mit dem Doktorhut geschmückt<br />

zu werden 8. Anschließend fand Ungelehrt in der Seelsorge<br />

Verwendung. Hierbei entfaltete er vor allem auch seine<br />

rednerische Begabung, die ihm rasch zu großem Ansehen in<br />

der Provinz verhalf. Müller-Tschan preist ihn in seinen<br />

Provinzialbiographien 9 als »ersten Prediger der Provinz«.<br />

Seine Intelligenz, seine Art, mit Menschen umzugehen, seine<br />

Energie und Ordenstreue, wohl auch noch im besonderen die<br />

auf dem bevorstehenden Wahlkapitel zur Annahme vorliegenden<br />

neuen Konstitutionen Urbans VIII., die eine kluge<br />

und willensstarke Persönlichkeit für ihre Durchsetzung verlangten,<br />

bewog die Kapitulare in Luzern am 23. September<br />

1628, den erst 29jährigen Johann Ludwig Ungelehrt für die<br />

nächsten 3 Jahre zum Provinzial zu wählen.<br />

Sorge des Provinzials für die Wissenschaft<br />

Neben den normalen Pflichten eines Provinzials machte sich<br />

Ungelehrt nicht geringe Sorge um die wissenschaftliche Bildung<br />

des Ordensnachwuchses, ein wahres Problem, nachdem<br />

das Generalstudium in Straßburg durch die Reformation<br />

1526 verloren gegangen war. Die Provinz hatte in jener Zeit<br />

sowieso schwere Verluste an Personal und Häusern erlitten,<br />

nahm nun zwar trotz der bösen Verhältnisse (30jähriger<br />

Krieg) und immer wieder vorkommenden Absprüngen zu<br />

den Kapuzinern 10 einen relativ erfreulichen Aufschwung,<br />

doch die Frage der wissenschaftlichen Fundierung der<br />

Ordengemeinschaft und damit ihre geistige und geistliche<br />

Zukunft war immer noch nicht gelöst. Man half sich, so gut es<br />

59


ging, selbst, oder schickte die Studenten zu den Jesuiten (/.. ß.<br />

in Würzburg) in die Schule, was für die skotistisch denkenden<br />

Franziskaner natürlich gewisse Schwierigkeiten mit sich<br />

brachte. Die trostlose Zeit vom Eintritt Schwedens in den<br />

30jährigen Krieg, der dann auch den deutschen Teil der<br />

Straßburger Provinz heimsuchte, bis zum Westfälischen<br />

Frieden war ohnedies für das intellektuelle Leben wenig<br />

zuträglich, und wegen des spärlichen Nachwuchses während<br />

dieser Jahre brauchte man sich eigentlich kein übermäßiges<br />

Kopfzerbrechen zu machen. Erst nach Kriegsende blühte das<br />

Studium in den einzelnen größeren Häusern (Uberlingen,<br />

Villingen, Konstanz, Würzburg, Freiburg, Luzern, Solothurn<br />

u. a.) wieder auf, doch da hatte sich Ungelehrt sozusagen<br />

schon auf sein Altenteil nach Solothurn zurückgezogen<br />

11.<br />

Die bittere Pflicht des kaiserlichen Restitutionsedikts<br />

Eine sauere Arbeit wartete auf den jungen Provinzial nach<br />

dem Erlaß des Restitutionsedikts Ferdinands II. vom 6. März<br />

1629, nach dem u. a. die den Katholiken nach 1552 entrissenen<br />

Klöster von den protestantischen Ständen zurückgegeben<br />

werden mußten. Ungelehrt hatte nun mit den maßgeblichen<br />

Obrigkeiten endlose und aufreibende Verhandlungen<br />

zu führen, doch die 18 Rückgewinnungsversuche 12 endeten<br />

zumeist negativ. »Überall wurde er zurückgewiesen« (Esslingen),<br />

»ohne jedes Ergebnis« (Frankfurt), »erhielt nichts<br />

ausser guten Worten und unzähligen Versprechungen«<br />

(Konstanz), so oder ähnliche Bescheide mußte er einstecken.<br />

Dabei scheiterte die Rückgabe nicht immer nur am Widerstand<br />

der etwa protestantisch gewordenen Städte, sondern<br />

auch an der Weigerung von Bischöfen, die inzwischen andere<br />

vorzogen, (z. B. Jesuiten) oder wegen Quertreibereien in der<br />

»eigenen Familie«, d. h. von Seiten der Observanten Franziskaner<br />

oder der Kapuziner. Vor allem eben diese »mit den<br />

langen Kapuzen« versuchten im Ungestüm eines neuentdeckten<br />

franziskanischen Bewußtseins (OFMCap gegründet<br />

1528) den Minoriten insbesondere die Frauenkonvente abzujagen,<br />

wie z. B. das Klarissenkloster Wittichen im Schwarzwald:<br />

»Die Kapuziner setzten alles in Bewegung, um das<br />

Beichtvateramt dieses Klosters zu erlangen unter dem Vorwand<br />

der Reformation, in Wahrheit jedoch wegen des größeren<br />

Vorteils, der ihnen winkte, weil sie sich reichlichere<br />

Almosen sowohl aus diesem Kloster als auch aus der Umgebung<br />

versprachen« 13. Ihrer zähen Zielstrebigkeit gelang es<br />

schließlich auch, die Franziskanerinnen von Ungelehrts Heimatstadt<br />

Pfullendorf den Minoriten zu entreißen und unter<br />

ihre Jurisdiktion zu bringen. »1707 fielen sie von den Konventualen<br />

ab und liefen zu den Kapuzinern über«, heißt es<br />

lapidar bei Tschan 14. Nur mit dem Tertiarinnenkloster Deißlingen<br />

b. Tuttlingen war Ungelehrt ein Erfolg beschieden,<br />

und in der Reichsstadt Augsburg konnte ein eigenes, von<br />

Ungelehrt inspiriertes kaiserliches Dekret die wenigstens<br />

teilweise Rückgabe des Minoritenklosters erwirken, allerdings<br />

mit einem protestantischen Zwischenakt nach der<br />

Eroberung und Besetzung der Stadt durch die Schweden<br />

(1632-1634). Doch mit dem Westfälischen Friedensvertrag<br />

ging der Konvent wieder und endgültig verloren 15. Und so<br />

hatte auch hier wie für alle anderen Fälle das 1630 offiziell<br />

angeordnete Gebet zum hl. Antonius um die Wiedererlangung<br />

der verlorenen Klöster nichts genützt 16. Ein kleiner<br />

Trost war dem geplagten Provinzial jedoch beschieden: für<br />

das auf dem ehemaligen Burghügel Werthenstein entstandene<br />

Muttergottesheiligtum suchte der Rat von Luzern eine<br />

Ordensgemeinschaft zur Betreuung der Wallfahrer. Nachdem<br />

die Jesuiten und Kapuziner abgelehnt hatten, erging das<br />

Angebot an die Minoriten, und der Provinzial Ungelehrt griff<br />

zu. Am 25. Mai 1631 wurde in Anwesenheit des Nuntius von<br />

Luzern feierlich der Grundstein für das neue Kloster gelegt,<br />

das die bereits bestehende große Wallfahrtskirche aus dem<br />

Anfang des Jahrhunderts kunstvoll umschließen sollte. Die<br />

60<br />

Anlage gehört, nach mannigfachen Erweiterungen und<br />

Abänderungen, auch heute noch »zu den originellsten Werken<br />

der nachmittelalterlichen schweizerischen Architektur«<br />

17.<br />

Reform der Frauenklöster<br />

Besondere Aufmerksamkeit widmete Ungelehrt den<br />

Frauenklöstern, die seiner Aufsicht unterstanden. Dabei<br />

ergab sich einmal die Aufgabe, die Klöster überhaupt für den<br />

Minoritenorden zu erhalten, eine Sache, die vor allem in der<br />

Schweiz wegen der Minoritenfeindlichkeit der Nuntiatur<br />

äußerst prekär war (den Minoriten waren nur noch 3 ganze<br />

Frauenklöster verblieben: Bremgarten, Muotathal und Solothurn,<br />

und diese wären ohne den Einsatz von Ungelehrt<br />

ebenfalls verloren gegangen 18). Dazu versuchten eben damals<br />

ganz allgemein die Kapuziner in ihrem hochgestochenen<br />

Reformeifer, die Franziskanerinnen den Minoriten abspenstig<br />

zu machen und sie unter ihre Lebensweise und Jurisdiktion<br />

zu beugen 19. Bei diesen Manövern entstand in den<br />

Frauengemeinschaften nicht selten eine üble Parteiung, bis<br />

sich eines Tages die Mehrheit pro oder contra Wechsel<br />

entschieden hatte oder der Konvent endgültig auseinander<br />

gesprengt war. Ein Beispiel für solchen Reformzwist bietet<br />

auch das Franziskanerinnenkloster Pfullendorf, dem Ungelehrt<br />

als Sohn dieser Stadt natürlich besonders zugetan war.<br />

Er hatte seine Heimat auch nach dem Aufstieg zum Provinzialat,<br />

das ihm immerhin die Rechtsbefugnisse eines Bischofs<br />

über die zahreichen Minoritenklöster im Gebiet des gesamten<br />

alemannischen Raumes, ja bis über Frankfurt hinaus, übertrug,<br />

auch sonst nicht vergessen. Berard Müller 20 vermerkt<br />

z. B. ausführlich, daß sich am 23. September 1629 der Rat der<br />

Stadt Pfullendorf »nachdrücklich« bei Ungelehrt bedankte,<br />

weil es ihm gelungen war, beim kaiserlichen Kriegskommissar<br />

Johann Adolf Wolfstier eine Senkung der auferlegten<br />

Kriegskontribution von 1000 Gulden auf die Hälfte zu<br />

erwirken und den monatlichen Beitrag von 300 auf 100<br />

Gulden herabzudrücken 21. Für die Franziskanerinnen seiner<br />

Heimatstadt hatte der Provinzial im November 1630 anläßlich<br />

seines Besuches in Pfullendorf die Erlaubnis erwirkt, in<br />

ihrer neuen Kapelle von 1598 (heute Geschäftsräume der<br />

»Stadtapotheke«) das Allerheiligste aufzubewahren. Der<br />

Stadtpfarrer Anton Bregenzer und auch der Bischof von<br />

Konstanz wollten dies zwar verhindern, und der Streit<br />

hierüber dauerte schon seit Mai des Jahres. Doch mit dem<br />

Nuntius von Luzern Ciriaco Rocci im Rücken setzte sich<br />

Ungelehrt schließlich durch 22.<br />

Obwohl die Kapuziner von Meßkirch aus in Pfullendorf<br />

pastorierten, ist zu Lebzeiten Ungelehrts kein Versuch von<br />

dieser Seite bekannt, die dortigen Schwestern ins Kapuzinerlager<br />

hinüberzuziehen. Später wurde es allerdings anders.<br />

»Sehr frech erhoben sich diese Schwestern gegen die Anordnungen<br />

ihres Provinzialoberen und die ganze Provinz.<br />

Dahinter staken die bitter feindseligen Kapuziner, die sie mit<br />

dem abgefeimten und berüchtigten Vorwand der kapuzinischen<br />

Reform von unserer Provinz loszureißen versuchten.«<br />

Die Sache kam schließlich zur Entscheidung vor die römische<br />

Behörde, die zugunsten der Minoriten und ihr altes Recht<br />

entschied, doch die Pfullendorferinnen pfiffen darauf (»provincialem<br />

et decretum contumaciter respuerunt«). Das alles<br />

spielte sich ab zwischen 1701 und 1703. Vier Jahre später<br />

hatten die »zipfeligen Habichte« gesiegt 23.<br />

Nicht zuletzt bei seinen Reformbemühungen in den<br />

Frauenklöstern stellte Ungelehrt seine mit hoher Klugheit<br />

gepaarte Autorität unter Beweis. Er setzte nicht einfach<br />

rigoros die Idealvorstellungen der Konstitutionen Urbans<br />

VIII. (absolute Weltabgeschiedenheit, lateinisches Chorgebet,<br />

• Schleier) durch, sondern dosierte seine konkreten<br />

Anordnungen je nach der wirtschaftlichen und geistig-geistlichen<br />

Lage der einzelnen Häuser. War das Kloster zu arm,


konnte es also nicht leben von dem, was es etwa an zinsbaren<br />

Gütern besaß oder was die Neueintretenden als »Aussteuer«<br />

mitbrachten, so kam für Ungelehrt absolute Klausur nicht in<br />

Frage. Die Schwestern mußten hinausgehen können, um das<br />

Lebensnotwendige hereinzuschaffen. Und denen, die<br />

bescheideneren Geistes waren, konnte man auch nicht einfach<br />

das, lateinische Brevier aufzwingen, sollte das Gebet<br />

nicht in Wortgeplapper ausarten. So brauchten im Franziskanerinnenkloster<br />

Pfullendorf nur die vier Begabteren das<br />

große Stundengebet im Chor zu verrichten 24, während die<br />

übrigen nach alter Sitte mit Vaterunsern und Rosenkranz das<br />

Ihre taten. In Gorheim-damals franziskanisches Frauenkloster<br />

- sah Ungelehrt vollständig vom Stundengebet ab 25,<br />

während in Bregenz-Thalbach und Muotathal das Bildungsniveau<br />

für alle das große lateinische Breviergebet zuließ 26.<br />

In der Klausurfrage für Muotathal (»Von dem schloß der<br />

clausur«) nimmt Ungelehrt geradezu eine riskante Haltung<br />

ein. Trotz der Androhung allerschärfster Zeit- und Höllenstrafen<br />

durch das Konzil von Trient, betont er in seinen<br />

»Ordinationes«, wolle er die vorgeschriebene Klausur vorderhand<br />

nicht einführen, die miserablen Wohnverhältnisse 27<br />

und die Armut der Schwestern ließen das vernünftigerweise<br />

einfach nicht zu. Auch andere Verordnungen in diesen<br />

»Ordinationes« zeugen von seinem ausgewogenen Urteil. So<br />

sollen z. B. Schmausereien mit fremden Leuten aufhören, nur<br />

mit den nächsten weiblichen Verwandten wird gemeinsames<br />

Essen gestattet. Mehr als 14 bis 15 km weit sollten sich die<br />

Schwestern nicht vom Kloster entfernen - genügend Strecke<br />

für Arbeit und Spaziergänge im abgelegenen Muotathal!<br />

Strengstens wird verboten, mit Außenstehenden über innere<br />

Angelegenheiten des Hauses zu sprechen; wer kennt nicht die<br />

Folgen von solch üblem Wäschewaschen! Man liest auch<br />

folgenden Satz: »In der Forderung der Einkünfte soll man<br />

mehr Fleiß und Ernst brauchen«, ein Beweis dafür, daß der<br />

GERHARD DEUTSCHMANN<br />

Das Amtshaus in Straßberg<br />

Vom 11. April 1880 datiert ein Kaufvertrag zwischen dem<br />

Fürstl. Rentamt Sigmaringen namens seiner Königlichen<br />

Hoheit des Fürsten Carl Anton von Hohenzollern und der<br />

Gemeinde Straßberg, vertreten durch deren gesetzliche<br />

Organe, den Gemeinderat und den Bürgerausschuß. In diesem<br />

Vertrag verkauft und überläßt der Fürst von Hohenz.-<br />

Sigmaringen der Gemeinde<br />

das Amtshaus, ferner Scheune, Gefängnis, Schweinestall,<br />

Bienenstand, Hofraum, Mauer, Waschhaus mit Backofen,<br />

Gemüsegärten, insgesamt 45a21 m 2 zum Preis von<br />

13000 M.<br />

Damit geht das sog. Amtshaus in das Eigentum der Gemeinde<br />

über.<br />

Erbaut wurde dieses repräsentative Gebäude im Jahre 1745<br />

als sog. >Neues Schloß« von dem zumindest in Oberschwaben<br />

bekannten Deutschordensbaumeister Johann Kaspar<br />

Bagnato (1696-1757). Auftraggeber und Bauherr war die<br />

Fürstäbtissin Maria Karolina von Königsegg-Rotenfels,<br />

1742-1774 Äbtissin des gefürsteten freiweltlichen Damenstiftes<br />

Buchau. Das eh. Benediktinerinnenkloster geht zurück<br />

bis ins 9. Jh, wo die Urenkelin Karls d. Großen und Tochter<br />

Ludwig des Deutschen, die selige Irmengard Äbtissin des<br />

karolingischen Reichsklosters war. Das Kloster übte über<br />

Straßberg und die Nachbarorte Frohnstetten und Kaiseringen<br />

die geistliche Herrschaft aus, vor 1625 durch Vasallen<br />

Mann aus Pfullendorf mit beiden Füßen auf dem Boden<br />

stand, auch auf dem Boden wirtschaftlicher Notwendigkeiten.<br />

Die »Ordinationes« von Muotathal sind auch von Ungelehrts<br />

Sekretär, seinem Landsmann Dr. theol. Gabriel Meyer (um<br />

1600 in Pfullendorf geboren, zweimal Provinzial, öfters<br />

Guardian, 1660 oder etwas später im Klarissenkloster Paradies<br />

bei Schaffhausen gestorben 28), unterschrieben und blieben<br />

in Kraft bis 1935, also genau 316 Jahre!<br />

Exhumationen<br />

Sein Amt als Provinzial bzw. sein Kontakt mit Frauenklöstern<br />

trug Ungelehrt noch ein paar sehr ausgefallene, doch<br />

damals für sich und den Orden hohes Ansehen verschaffende<br />

Aufträge ein. Dreimal bat man ihn nämlich, die Leichname<br />

von heiligmäßigen Franziskanerinnen zu erheben. Der interessanteste<br />

Fall dabei ist die Exhumation der Luitgard von<br />

Wittichen (1291-1348), jener frommen Bauerntochter, die in<br />

Wittichen, im allerhintersten Schwarzwald bei Kaltbrunn<br />

abseits der Kleinen Kinzig eine franziskanische Gemeinschaft<br />

gegründet hatte und dort im Ruf der Heiligkeit gestorben<br />

war. Nun baten die Nonnen, die Gebeine ihrer Stifterin zu<br />

erheben 29, natürlich in der Hoffnung, damit einen Heiligsprechungsprozeß<br />

in Gang zu bringen, der allerdings noch<br />

heute auf sich warten läßt. Nach getaner Arbeit fand Ungelehrt<br />

den Fall so bedeutsam, daß er sich mit Luitgard näher<br />

beschäftigte und auf der Grundlage von Aufzeichnungen<br />

ihres Seelenführers, des Pfarrers Berthold von Bombach, eine<br />

Lebensbeschreibung verfaßte, die 1636 als hübsches Oktavbändchen<br />

in Fribourg herauskam 30. Auf den letzten Seiten<br />

schildert Ungelehrt die Exhumierung fast so exakt wie ein<br />

Kriminalmediziner ohne allen Wunderschmu.<br />

(Fortsetztung folgt)<br />

bzw. Lehnsherrn, dann bis zur Säkularisierung im Jahre 1803<br />

in eigener Regie.<br />

Im Zuge der klösterlichen Selbstverwaltung aber auch der<br />

barocken Selbstdarstellung weltlicher u. geistlicher Herrschaften<br />

kam es auch in Straßberg zu zwei bedeutenden<br />

Bauten: die Kirche St. Verena (1742) und das >Neue Schloß«<br />

(1745), als Pendant zum >Alten Schloß«, der Burg über dem<br />

Tal, deren älteste Teile ins 11. Jh zurückreichen und die heute<br />

noch das Wahrzeichen der Gemeinde darstellt.<br />

Das Gebäude ist ein dreigeschossiger verputzter Bruchsteinbau<br />

in den Maßen 27,50 m x 14,30 m. Das Mansardendach ist<br />

gewalmt und mit Biberschwänzen eingedeckt. Die Schauseite<br />

nach Süden ist durch 9, die Schmalseiten sind durch 4<br />

Fensterachsen gegliedert. Die drei Fenster-Mittelachsen und<br />

die Ecken sind mit vorgeputzten Pilastern in Quadermarmorierung<br />

gerahmt. Uber dem Erdgeschoß verläuft über drei<br />

Seiten ein schmales Gurtgesims. Sämtliche Fenster haben eine<br />

barocke Ummalung mit verschiedenen Muschelwerkmotiven;<br />

im Erdgeschoß und im 2. Stockwerk in grau gehalten, im<br />

1. Stockwerk in der Farbe >caput mortuum«. Diese Bemalung<br />

wurde 1937 ergänzt bzw. nach alten Vorlagen erneuert, sie<br />

gibt dem stattlichen Gebäude ein sehr dekoratives Äußeres.<br />

Fast sämtliche Räume und Flure haben bzw. hatten Stuckdecken<br />

mit Bändel- und Muschelwerkmotiven, mit Rocaillen<br />

und Tier- und Pflanzenornamenten. Besonders schön ist jene<br />

im jetzigen Sitzungssaal des Gemeinderates. Als historisches<br />

61


Detail erinnert im schmiedeeisernen Oberlichtgitter über<br />

dem Haupteingang das Königegg'sche Wappen an die<br />

Erbauerin: der Wappenschild ist nach rechts schräg geweckt<br />

in gold und rot vor gekreuztem Schwert und Bischofsstab mit<br />

grünem Laubzweig gerahmt, darüber auf dem Schildhaupt<br />

eine Krone in gold und rot.<br />

Nach der Säkularisation diente das >Neue Schloß« weiterhin<br />

als Amtshaus für die nachfolgenden Herrschaften: 1803-1835<br />

Thum und Taxis, 1835 Langenstein-sches Rentamt Stetten<br />

a.k.M., 1836-1849 Fürstenhaus Hohenz.-Sigmaringen, ab<br />

1849 Preußen-Hohenz. Lande. Bis zum 18. Jan. 1854 war<br />

Straßberg Sitz eines fürstlichen Oberamtes und das barocke<br />

Schloß Amtssitz eines Oberamtmanns. Nach dessen Auflösung<br />

und Zuordnung zum preußischen Oberamt Gammertingen<br />

diente das repräsentative Gebäude bis zum Kauf durch<br />

die Gemeinde im Jahre 1880 reinen Wohn- und Mietzwecken.<br />

Die Gemeinde richtete 1889 im 1. Stockwerk eine 2-klassige<br />

Schule ein, die später im Erdgeschoß um ein 3. Schulzimmer<br />

erweitert wurde. Das Erdgeschoß nahm damals zunächst eine<br />

sog. Kleinkinder-Bewahranstalt, ein Ratszimmer und ein<br />

Arbeitszimmer für den Bürgermeister auf. Die rückwärtigen<br />

Räume dienten als Arrest. Im 2. Obergeschoß wurden zwei<br />

Lehrerwohnungen eingerichtet. Diese Einteilung blieb mit<br />

unwesentlichen Veränderungen bis 1963, als eine neue<br />

JOSEF MÜHLEBACH<br />

Die Vinzentinerinnen in Hohenzollern (Schluß)<br />

Auf Teufel folgten drei andere Besitzer, und fast wäre es zum<br />

Bau eines Schlosses gekommen. Zunächst wohnte Baurat<br />

Leibbrand hier, damals Leiter des Hohenzollerischen Landesbauamtes.<br />

Nach ihm lebte hier Prinz Carl von Hohenzollern.<br />

Er hätte anstelle des Chalets oder daneben gerne ein<br />

Schloß gebaut, eine Planung, die jedoch von der Verwaltung<br />

des Hohenzollerischen Fürstenhauses nicht gebilligt wurde.<br />

Schließlich erwarb die Kongregation des hl. Vinzenz von<br />

Paul in Heppenheim 1919 durch Vermittlung des Münchener<br />

Bankdirektors Michael Kloppenstetter, dessen Tochter<br />

Oberin im Josefinenstift war, das schmucke Chalet mitsamt<br />

dem ihm angegliederten kleinen landwirtschaftlichen<br />

Betrieb. Die reizvolle Lage des Baues diente der Kongregation<br />

zunächst als Heim für zurruhegesetzte eigene Schwestern<br />

und als Ferienhaus für erholungsbedürftige Schwestern.<br />

Hohen Anforderungen konnte aber das Heim nicht genügen,<br />

und so entschloß sich die Kongregation mit Rücksicht auf das<br />

lockende Gelände zum Neubau eines Altenheimes, das allen<br />

neuzeitlichen Anforderungen entsprechen sollte. Der anstelle<br />

des Chalet erstellte Neubau konnte nach zweijähriger Bauzeit<br />

am 29. Mai 1963 als »St. Michaelstift« bezogen werden. Das<br />

Haus, von Schwestern der Kongregation des hl. Vinzenz von<br />

Paul betreut, dient als Altenheim für Männer und Frauen,<br />

allerdings überwiegend für bejahrte Frauen 2.<br />

Vinzentinerinnen in Hechingen<br />

Am 20. Januar 1854 kamen die ersten Vinzentinerinnen aus<br />

Straßburg nach Hechingen, um dort segensreich zu wirken.<br />

Die städtische Kranken-, Armen- und Altenpflege ist mit<br />

dem Namen dieser Barmherzigen Schwestern vom hl. Vinzenz<br />

von Paul eng verbunden, und zwar im Gutleuthaus, im<br />

Krankenhaus St. Elisabeth, im Pfründehospital, im Altersheim<br />

Eugenienstift, im Fürstin-Eugenien-Kinderhaus und im<br />

ehemaligen Marienheim.<br />

1. Schon im Jahr 1798 war im ehemaligen Siechen- und<br />

62<br />

8-klassige Schule im eh. Amtsgarten bezogen werden konnte.<br />

Das Untergeschoß nimmt jetzt die Amtszimmer des Bürgermeisteramtes<br />

ein. Im 1. Stockwerk ist ein geräumiger Sitzungssaal<br />

nebst Notariat, einem Schulraum und einer Lehrerwohnung<br />

eingerichtet. Das 2. Stockwerk dient nach wie vor<br />

Wohnzwecken. Im Jahre 1980 jährte sich zum 100. Mal der<br />

Ubergang des eh. Neuen Schlosses bzw. Amtshauses als<br />

Schul- und Rathaus an die Gemeinde Straßberg. Zusammen<br />

mit dem Schulgebäude aus dem Jahr 1963 und der Turnhalle<br />

an der Südseite und der Kath. Pfarrkirche und dem Kath.<br />

Gemeindehaus an der Nordseite besitzt die Gemeinde Straßberg<br />

ein repräsentatives Gemeindezentrum von historischer<br />

Bedeutung.<br />

Literatur<br />

Barock in Oberschwaben. Ausstellungskatalog. Weingarten 1963.<br />

Gerh. Deutschmann: Wirtschaft u. Brauchtum der Gemeinde Straßberg<br />

in ihrem Wandel. Straßberg 1963 (maschinenschriftlich).<br />

Die Kunstdenkmäler Hohenzollerns. Hersg. Walter Genzmer. Bd 2<br />

Kreis Sigmaringen. Stuttgart 1948.<br />

Gemeindearchiv Straßberg. Abteilung A/22.<br />

J. A. Kraus: Zur Herrschaft Straßberg an der Schmeie. In: Hohenz.<br />

Jahreshefte 19. Gammertingen 1959.<br />

Bildmaterial<br />

Kopie aus den Umbauplänen von 1889. Gemeindearchiv.<br />

Gutleuthaus, dem heutigen »Klösterle« in der Gutleuthausstraße,<br />

durch Fürstin Maria Theresia für Arme und Gebrechliche<br />

ein Krankenhaus eingerichtet worden, in welches 1854<br />

Schwestern vom Straßburger Allerheiligenkloster einzogen.<br />

Im Volksmund erhielt dieses Haus den Namen »Spitäle«.<br />

2. 1863 verlegten die Schwestern ihre Tätigkeit von diesem<br />

Bau in das Krankenhaus an der Herrenackerstraße. Dort war<br />

durch die großherzige Stiftung der Fürstin Eugenie<br />

(1807-1847), der Stiefenkelin Napoleons, selber eine barmherzige<br />

Schwester auf dem Fürstenthron, eine für die Vinzentinerinnen<br />

geeignete Wirkungsstätte geschaffen worden. Mit<br />

der testamentarischen Stiftung konnte das 1835 von Medizinalrat<br />

Dr. Koller, einem hochangesehenen Förderer öffentlicher<br />

Belange, gabaute Schwefelbad in ein Krankenhaus<br />

umgewandelt werden. So entstanden aus den Baderäumen<br />

Ehemaliges Chalet in Sigmaringen.


jetzt Operations- und Wöchnerinnenräume. Die Schwestern<br />

richteten eine Kapelle ein, erwarben später den Gasthof »Zur<br />

Traube« und den Stadthof dazu und entwickelten diese<br />

Anlage zum heutigen stattlichen Belegkrankenhaus mit<br />

Alten- und Pflegeheim, dem St. Elisabethenkrankenhaus,<br />

welches neuerdings eine Dialysestation für nierenoperierte<br />

Kranke dazubekam. Den Gesamtkomplex mit 107 Betten<br />

betreut die kirchliche Verwaltung der Erzdiözese Freiburg.<br />

3. Ebenfalls seit 1863 wirkten die Schwestern im Pfründehospital<br />

neben der Spittelkirche. Diese ließ Graf Eitelfriedrich<br />

IV. im Jahre 1602, zusammen mit Mitteln seiner Tante, der<br />

Erbtruchsessin von Waldburg, »zu seinem und seiner Familie<br />

Seelenheil« für zwölf »unbescholtene Leib- und Hausarme«<br />

neben dem damaligen Lustgarten erbauen. Auch hier arbeiteten<br />

die Schwestern in aller Stille, Bescheidenheit und in<br />

unermüdlichem Opfermut für Alte und Gebrechliche, und in<br />

der ersten Hälfte dieses Jahrhunderts übernahmen sie die<br />

Hauskrankenpflege der Stadt. Seit 1973 beherbergt dieses<br />

Pfründehospital die von weiten Kreisen der Bevölkerung<br />

getragene Sozialstation.<br />

4. Später konnten die Alten im Altersheim Eugenienstift in<br />

der Gammertinger Straße wohnen. Auch hier leisteten Vinzentinerinnen<br />

seit 1863 Samariterdienste, nachdem der Bau<br />

durch die testamentarische Stiftung von Fürstin Eugenie<br />

ermöglicht worden war.<br />

5. Schon zu Lebzeiten ließ Fürstin Eugenie die erste Kinderbewahranstalt<br />

Süddeutschlands 1839 in der Heiligkreuzstraße<br />

erbauen. Die Barmherzigen Schwestern waren auch<br />

hier verpflichtet und betreuten liebevoll Generationen von<br />

Kindern und verköstigten sie. Viele der Ärmsten fanden hier<br />

Mutterpflege. Neuerdings sind dort die Schwestern durch<br />

weltliche Kräfte ersetzt. Die Trägerschaft des Kindergartens<br />

hat die katholische Kirchengemeinde.<br />

6. Zuletzt sei noch das Wirken von Vinzentinerinnen im<br />

Marienheim beim Spittel genannt, wo bis vor einigen Jahren<br />

noch Ausspeisungen erfolgten.<br />

Mit Recht konnte Stadtpfarrer Baur 1954 bei der Hundert-<br />

Jahr-Feier des Wirkens der Vinzentinerinnen in Hechingen<br />

feststellen: »Die Barmherzigen Schwestern haben in Bescheidenheit<br />

und mit Hingabe die Geschichte der Caritas in der<br />

Stadt Hechingen geschrieben.« Heute wirken sie nur noch in<br />

geringer Zahl im Eugenienstift und im Krankenhaus St.<br />

Elisabeth.<br />

Sonstige Niederlassungen<br />

Neben diesen Anstalten und Heimen in Sigmaringen und<br />

Hechingen zeichnet sich im Wirken der Kongregation eine<br />

sichtbare Streuung der Stationen im <strong>heimat</strong>lichen Bereich ab,<br />

von denen allerdings manche Niederlassung schon der Vergangenheit<br />

angehört.<br />

Im Jahre 1850 wurde von der Leitung der Kongregation in<br />

Straßburg das kleine Spital in Haigerloch übernommen. Im<br />

Jahre 1924 hat die Stadt Haigerloch das damals neu erbaute,<br />

aber erst im Rohbau vollendete St. Josefshaus der Provinz<br />

Buchbesprechungen<br />

Bilderatlas zur Württembergischen Geschichte, herausgegeben<br />

von Eugen Schneider im Auftrag der Württembergischen<br />

Kommission für Landesgeschichte. Unveränderter Nachdruck<br />

der Ausgabe von 1913. Verlag Weidlich, Frankfurt/<br />

Main.<br />

Das Buch ist vor fast siebzig Jahren erstmals erschienen. Daß<br />

es heute kaum veraltet ist, mag an der Qualität seiner Autoren<br />

liegen. Dr. Eugen Schneider, Direktor des Königlichen<br />

Heppenheim als Eigentum übertragen. Nach seiner Vollendung<br />

wurde das Haus als Lungenheilstätte eingerichtet, seit<br />

1973 besteht das Josefshaus als Altenheim, Träger ist das<br />

Mutterhaus in Heppenheim.<br />

In Straßberg wurde 1880 ein Arbeiterinnenheim und eine<br />

Kleinkinderschule eröffnet. Die Einrichtung besteht noch<br />

heute als ambulante Krankenpflegestation und Kindergarten,<br />

Träger ist die Gemeinde Straßberg.<br />

1914 hat die Kongregation in Frohnstetten eine Kinderkrippe<br />

eingerichtet. Nach dem Ersten Weltkrieg übernahmen die<br />

Schwestern die ambulante Krankenpflege und den Kindergarten.<br />

Leider mußte die Station wegen Nachwuchsmangels<br />

aufgegeben werden.<br />

Nach der Errichtung der Heppenheimer Provinz wurden die<br />

Stationen Neufra 1923 und Trochtelfingen 1928 mit ambulanter<br />

Krankenpflege, Nähschule und Kindergarten übernommen.<br />

Dazu zählen mit gleichen Aufgaben Langenenslingen<br />

und Wilflingen. Leider besteht von diesen Stationen nur<br />

noch Langenenslingen. Träger ist die politische Gemeinde<br />

Langenenslingen.<br />

Schließlich sei noch daran erinnert, daß vier Vinzentinerinnen<br />

aus Heppenheim von etwa 1924 bis 1941 in der Privatklinik<br />

Dr. Karl Schilling an der Josefinenstraße in Sigmaringen,<br />

im heutigen Gästehaus Gmeiner, als Pflege- und Haushaltsschwestern<br />

tätig waren. Ebenfalls als Haushaltsschwestern<br />

wirkten Vinzentinerinnen im Fidelishaus in der Fidelisstraße<br />

in Sigmaringen.<br />

Eine Aufgabe besonderer Art wuchs der Kongregation zu, als<br />

ihr im Jahre 1854 die Mitbetreuung der Insassen der Besserungs-<br />

und Arbeitsanstalt Hornstein (1818-1869) übertragen<br />

wurde. Allerdings wurde die Frauenabteilung des Landesgefängnisses<br />

schon 1856 nach Habsthal verlegt. Diese Einrichtung<br />

in Habsthal bestand bis 1874.<br />

Die Gründung der kleinen Häuser in Hohenzollern war für<br />

die Entwicklung der Kongregation von großer Wichtigkeit,<br />

erwies sich doch diese Region über einen Zeitraum von über<br />

hundert Jahren als überaus fruchtbar für den Schwesternnachwuchs.<br />

Dabei kommt dem Josefinenstift und dem ehemaligen<br />

Landeskrankenhaus vorrangige Bedeutung zu.<br />

Wenn wir das umfangreiche Wirken der Kongregation des hl.<br />

Vinzenz von Paul in unserem Raum in Erinnerung bringen,<br />

so bietet sich zuerst und vor allem der Leitgedanke »Caritas«<br />

an. Caritas hat es in der Kirche immer gegeben. Der hl.<br />

Vinzenz von Paul hat sie im großen Stil organisiert, und die<br />

Schwestern der Kongregation haben sie bis auf den heutigen<br />

Tag mit beispielhafter Hingabe verwirklicht. Dafür gebührt<br />

ihnen unser bleibender Dank.<br />

Anmerkungen<br />

1 Birgit Robbers, »Die Wohlfahrtsstiftungen des Hauses Hohenzollern-Sigmaringen<br />

im 19. Jahrhundert unter besonderer Berücksichtigung<br />

des Josefinenstiftes« 1968. Landesbücherei Sigmaringen.<br />

2 Walther Frick, »Sigmaringer Flurnamen. Das Chalet«, Südkurier<br />

Sigmaringen vom 24. 3.1981, Nr. 69.<br />

Staatsarchives, hatte Dr. Peter Goeßler und Dr. Julius Baum<br />

als Mitarbeiter. Man staunt, was damals z. B. schon an<br />

römischen Funden vorhanden war. Vor allem die Fotografien<br />

von Städten und Gebäuden zeigen vieles, was inzwischen<br />

verloren ging oder verändert wurde. Wer sich für Landesgeschichte<br />

interessiert, wird an diesem Standardwerk seine<br />

Freude haben. Was die Technik der Reproduktion anbelangt,<br />

so kann man eigentlich nur sagen, daß es besser nicht mehr<br />

geht. B.<br />

63


Verlag: <strong>Hohenzollerischer</strong> Geschichtsverein<br />

Karlstraße 3, 7480 Sigmaringen<br />

W <strong>3828</strong> FX<br />

Postvertriebsstück. Gebühr bezahlt.<br />

Willy Baur, »Liebes Altes Hohenzollern«. Verlag Glückler,<br />

Hechingen, DM 12,50.<br />

»Romantische Geschichten« so lautet der Untertitel dieses<br />

kleinen Buches. Es sind fünf Geschichten, welche im alten<br />

Hohenzollern spielen, in Hechingen, in Sigmaringen und im<br />

Laucherttal. Alles Geschichten aus längst vergangenen Zeiten,<br />

in romantischer Verklärung. Willy Baur ist als Dichter<br />

längst bekannt. Er versteht es, den Leser mit viel Wissen in<br />

die Zeit zu führen, in welcher die jweilige Geschichte sich<br />

abspielt. Alles ist spannend und mit hintergründigem Humor<br />

erzählt.<br />

Der Verlag hat das Büchlein hübsch ausgestattet, mit passenden<br />

Zeichnungen und einem farbigen Einbandbild. Nicht nur<br />

als besinnliche Lektüre, auch als kleines, <strong>heimat</strong>verbindendes<br />

Geschenk ist das Buch sehr geeignet. B.<br />

Württembergisches Hausbuch - Altwürttemberg in<br />

Geschichten, Liedern und Gedichten mit vielen alten Bildern.<br />

Erschienen in der Bibliothek Rombach in Freiburg.<br />

Preis 24,80 DM, 640 Seiten.<br />

Der Band setzt die Reihe der regionalen Hausbücher der<br />

Bibliothek Rombach fort. Erschienen sind bisher: Badisches<br />

Hausbuch, Bayrisches Hausbuch und Fränkisches Hausbuch.<br />

Das Württembergische Hausbuch knüpft bewußt an die<br />

Tradition der alten Kalenderbücher an. Das ehemalige Herzogtum<br />

und spätere Königreich Württemberg wird wieder<br />

lebendig in mundartlichen und hochdeutschen Erzählungen<br />

und Gedichten, in Sagen und Schwänken. Dazwischen gibt es<br />

Auszüge aus alten Oberamtschroniken und Reisebeschreibungen<br />

(z. B. Eine Fahrt nach Hechingen von Fr. W. Waiblinger).<br />

Wo es notwendig ist, werden am Schluß eines<br />

Beitrages die heute nicht mehr gebräuchlichen Wörter<br />

erklärt. Gewürzt wird das ganze mit einer Reihe von schwäbischen<br />

Kochrezepten. Alle Gebiete des Landes sind in dem<br />

Buch gleichmäßig berücksichtigt. So befassen sich mehrere<br />

Geschichten mit den ehemaligen Reichsstädten, auch Hohenzollern<br />

ist mit einigen Beiträgen vertreten.<br />

Bei den Verfassern gesellen sich zu den großen schwäbischen<br />

Klassikern wie Schiller, Hölderlin, Mörike, Schubart und<br />

Uhland auch volkstümliche Erzähler wie Auerbach, Isolde<br />

und Hermann Kurz und Ottilie Wildermuth. Die vielen<br />

HOHENZOLLERISCHE HEIMAT<br />

hrsggbn. vom Hohenz. Geschichtsverein.<br />

Die Zeitschrift »Hohenzollerische Heimat«<br />

ist eine <strong>heimat</strong>kundliche Zeitschrift. Sie will<br />

besonders die Bevölkerung in Hohenzollern<br />

und der angrenzenden Landesteile mit der<br />

Geschichte ihrer Heimat vertraut machen. Sie<br />

bringt neben fachhistorischen auch populär<br />

gehaltene Beiträge.<br />

Bezugspreis: 6,00 DM jährlich.<br />

Konten der »Hohenzollerischen Heimat«:<br />

802507 Hohenz. Landesbank Sigmaringen<br />

12363-707 Postscheckamt Stuttgart<br />

Druck: M. Liehners Hofbuchdruckerei KG,<br />

7480 Sigmaringen, Karlstraße 10.<br />

64<br />

Die Autoren dieser Nummer:<br />

Dr. Otto H. Becker<br />

Gustav-Bregenzer-Straße 4<br />

7480 Sigmaringen<br />

Gerhard Deutschmann<br />

Jägerweg 5, 7471 Straßberg<br />

Prof. Dr. J. Groner<br />

Adolf-Kolping-Str. 17, 7798 Pfullendorf<br />

Joh. Adam Kraus, Erzb. Archivar i. R.<br />

Badstraße 8, 7800 Freiburg<br />

Hans Landenherger<br />

Hainburgstraße 22, 7451 Grosselfingen<br />

Otto Werner, Rektor<br />

Friedrich-List-Straße 55<br />

7450 Hechingen<br />

Josef Mühlebach, Landesverw.rat a. D.<br />

Leopoldstraße 41, 7480 Sigmaringen<br />

Bilder, alte Zeichnungen (z.B. von Richter) und Stiche,<br />

ergänzen die Beiträge stimmungsvoll. Leider ist vor allem bei<br />

den Stichen die Wiedergabequalität nicht so gut, aber besseres<br />

Druckpapier hätte sich auf den Buchpreis ausgewirkt. Am<br />

Ende des Buches befinden sich Daten zur Geschichte Württembergs,<br />

eine Karte, ein ausführliches Quellenverzeichnis,<br />

ein Verzeichnis der Illustratoren, Stichworte zu den Autoren<br />

mit jeweils einer kurzen Biographie und ein Ortsregister.<br />

R. B.<br />

Wochenblatt für das Fürstenthum Sigmaringen.<br />

Reproduktion des ersten Jahrgangs 1809.<br />

Als älteste Zeitung in Hohenzollern erschien seit 1809 das<br />

Wochenblatt für das Fürstentum Sigmaringen. Herausgeber<br />

waren der Inhaber der Hofbuchdruckerei Bartholomäus<br />

Herder und sein Bruder Andrä. Das Blatt war keineswegs<br />

eine Zeitung im heutigen Sinn. Das heißt, daß aktuelle<br />

Nachrichten überhaupt nicht erschienen, sondern nur Landesverordnungen,<br />

amtliche Bekanntmachungen und<br />

»gemeinnützige Aufsätze«. Die-Fürstlichen Ämter sowie<br />

Pfarrer und Ortsbehörden bekamen das Blatt zugestellt.<br />

Wahrscheinlich wurde es auch von Privatleuten bezogen. Der<br />

Bezugspreis von einem Gulden halbjährlich war übrigens<br />

nicht ganz billig.<br />

Das Fürstentum Hohenzollern-Sigmaringen gehörte damals<br />

zum Rheinbund von Napoleons Gnaden. Gerade im Fürstentum<br />

hatte man allen Grund, Napoleons Genie zu preisen,<br />

denn ohne Napoleon wären die Hohenzollerischen Fürstentümer<br />

von ihren Nachbarn verschluckt worden. So hatte man<br />

nun selbst einiges sich einverleibt, kloster- und reichsritterschaftliche<br />

Gebiete. 1809 war das erst drei Jahre her, und das<br />

Wochenblatt hat sicher einiges zum Zusammenwachsen des<br />

Fürstentums beigetragen. Wirtschaftlich waren die Zeiten<br />

schlecht, die Franzosenkriege dauerten nun schon über ein<br />

Jahrzehnt. So ist es kein Wunder, daß fast in jeder Nummer<br />

von Gantsachen berichtet und vor Landstreichern und Dieben<br />

gewarnt wird. Ein besonderes Anliegen, das im Wochenblatt<br />

mehrfach erwähnt ist, war das Schulwesen. Hier hatte<br />

man gegenüber den Nachbarländern einiges aufzuholen.<br />

Druck und Reproduktion des Nachdruckes besorgte E.<br />

Glückler, Hechingen. Das Heft ist zum Preis von 6,50 DM in<br />

den Buchhandlungen erhältlich.<br />

Schriftleitung:<br />

Dr. med. Herbert Burkarth,<br />

7487 Gammertingen (Telefon 07574/2329)<br />

Die mit Namen versehenen Artikel geben die<br />

persönliche Meinung der Verfasser wieder;<br />

diese zeichnen für den Inhalt der Beiträge<br />

verantwortlich. Mitteilungen der Schriftleitung<br />

sind als solche gekennzeichnet.<br />

Manuskripte und Besprechungsexemplare<br />

werden an die Adresse des Schriftleiters erbeten.<br />

Wir bitten unsere Leser, die »Hohenzollerische<br />

Heimat« weiter zu empfehlen.

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