hohenzollerische heimat w 3828 fx - Hohenzollerischer ...
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WILHELM HAASE<br />
100 Jahre Landgericht Hechingen<br />
Am 1. Oktober 1879, also vor 100 Jahren, traten die sogenannten<br />
»Reichsjustizgesetze«, u. a. das Gerichtsverfassungsgesetz,<br />
die Zivilprozeßordnung und die Strafprozeßordnung,<br />
in Kraft. Mit ihnen schuf sich das damals<br />
junge Deutsche Reich eine einheitliche Gerichtsorganisation<br />
und ein einheitliches Verfahren in bürgerlichen<br />
Rechtsstreitigkeiten und in Strafsachen. Die Einführung<br />
eines das ganze Reichsgebiet umfassenden Strafrechts<br />
war 1872 vorausgegangen. Das einheitliche Bürgerliche<br />
Recht sollte ab 1. Januar 1900 folgen. Seit dem 1. Oktober<br />
1879 gibt es in Hechingen ein »Landgericht« und ein<br />
»Amtsgericht« unter diesen Bezeichnungen. Im folgenden<br />
soll der Versuch unternommen werden, Vorgeschichte<br />
und Geschichte des Landgerichts Hechingen auf<br />
dem Hintergrund der staatsrechtlichen Entwicklung<br />
nachzuzeichnen.<br />
Trennung von Justiz und Verwaltung<br />
Das Revolutionsjahr 1848 brachte mit der damals publizierten<br />
Landesverfassung 1 des Fürstentums Hohenzollern-Hechingen<br />
den Anfang einer Entwicklung, die sich<br />
in der Bundesrepublik Deutschland erst in der zweiten<br />
Hälfte unseres Jahrhunderts vollendet hat: Die Trennung<br />
von Justiz und Verwaltung und die Unabhängigkeit<br />
der Richter. In der Höchsten Verfügung vom<br />
14. Juli 1848 heißt 2 es:<br />
»Seine Hochfürstliche Durchlaucht haben durch Höchstes<br />
Reskript vom 13. dieses gnädigst angeordnet, daß<br />
die zugesicherte Trennung der Justiz von der Verwaltung<br />
nunmehr vollzogen werde und daher die Errichtung<br />
eines Oberamtsgerichts als Justizbehörde und eines<br />
Oberamts als Verwaltungsbehörde beschlossen.«<br />
Der Justizrat Werner wurde unter Beibehaltung dieses<br />
Titels zum Oberamtsrichter in Hechingen ernannt. Weitere<br />
Richter wurden berufen. Man muß also davon ausgehen,<br />
daß sie die ersten mit richterlicher Unabhängigkeit<br />
ausgestatteten Richter in Hechingen waren. Denn<br />
§ 20 der Landesverfassung für Hohenzollern-Hechingen<br />
vom 16. Mai 1848 3 besagte:<br />
»Kein Staatsdiener, der ein Richteramt bekleidet, kann<br />
aus irgend einer Ursache ohne richterliches Erkenntnis<br />
seiner Stellung entsetzt, entlassen oder auf eine geringere<br />
Dienststelle versetzt werden.«<br />
Ein Fürstliches Appellationsgericht, bei dem aber die<br />
Trennung von Justiz und Verwaltung noch nicht vollzogen<br />
war, bestand in Hechingen weiter 4 . Gericht der 3.<br />
Instanz war damals nach einem schon älteren Staatsvertrag<br />
5 das Königlich Württembergische Obertribunal in<br />
Stuttgart.<br />
Diese Verhältnisse sollten sich jedoch bald ändern. Wurden<br />
doch schon im März 1850 die beiden Hohenzollernschen<br />
Fürstentümer aufgrund Vertrages vom Dezember<br />
1849 6 mit dem Königreich Preußen vereinigt und die<br />
Preußische Staatsverfassung in den neuen Landesteilen<br />
eingeführt 7 . Das bisherige »Fürstliche Oberamtsgericht«<br />
nannte sich von da ab »Königliches Oberamtsgericht«.<br />
»Königliches Oberamtsgericht«-<br />
Von dieser Äußerlichkeit abgesehen, mußte es der preußische<br />
Staat als seine Aufgabe ansehen, die Verhältnisse<br />
in Hohenzollern den preußischen unter Beachtung der<br />
hiesigen Gegebenheiten anzupassen. So wurden schon im<br />
Juli 1850 8 das Preußische Appellationsgericht in Arnsberg<br />
(Westfalen) in gewissem Umfange in Zivilsachen<br />
50<br />
zum Gericht 2. Instanz, das Preußische Obertribunal in<br />
Berlin zum Gericht 3. Instanz für die »Hohenzollerischen<br />
Lande«, wie die amtliche Bezeichnung damals lautete,<br />
bestellt. Das Appellationsgericht in Hechingen bestand<br />
indes daneben bis zum 31. Dezember 1851 weiter.<br />
Am 1. Januar 1852 9 trat nämlich in Hohenzollern die<br />
Gerichtsorganisation in Kraft, wie sie Preußen seit dem<br />
1. April 1848 hatte, freilich mit einigen, die besondere<br />
Lage Hohenzollerns berücksichtigenden Abänderungen.<br />
Aus dem Oberamtsgericht Hechingen wurde das Kreisgericht<br />
Hechingen. Dies war jedoch bedeutend mehr, als<br />
nur der Austausch einer Bezeichnung. Die frühere Residenz<br />
Hechingen wurde Sitz dieser das ganze <strong>hohenzollerische</strong>-Gebiet<br />
umfassenden Gerichtsbehörde. So fand man<br />
einen Ausgleich dafür, daß die frühere Residenz Sigmaringen<br />
das Regierungspräsidium erhielt. Schon damals<br />
war der Sitz einer Staatsbehörde für eine Stadt eine bedeutende<br />
Sache.<br />
Zum ersten Kreisgerichtsdirektor in Hechingen wurde<br />
der Kreisgerichtsrat Fischer aus Coesfeld in Westfalen<br />
berufen, der dieses Amt bis zum Beginn seines Ruhestandes<br />
im Jahre 1869 versehen hat. Im Dezember 1851 wies<br />
ihn das Preußische Justizministerium an 10 :<br />
». . . Sie haben sich angesichts dieses nach den Hohenzollernschen<br />
Landen hinzubegeben, um, womit Sie hiermit<br />
zugleich beauftragt werden, die nötigen Vorbereitungen<br />
zu der am 1. Januar k. J. durch Sie zu bewirkenden Installierung<br />
der Gerichtsbehörden schleunigst zu treffen.«<br />
Im übrigen wurden »in den Hohenzollernschen Landen<br />
vorgefundene Beamte« dem Kreisgericht bzw. den Kreisgerichtsbehörden<br />
zugewiesen, darunter der bereits erwähnte<br />
Justizrat Werner aus Hechingen. Der neue<br />
Kreisgerichtsdirektor muß für damalige Verhältnisse (die<br />
Bahn erreichte Hechingen erst viel später) schnell gereist<br />
sein, der vom Justizministerium im Sommer 1851 nach<br />
Hechingen zu diesem Zweck entsandte Staatsanwalt<br />
Gieseke aus Potsdam gute Vorarbeit geleistet haben.<br />
Denn nach einer am 27. Dezember 1851 veröffentlichten<br />
Bekanntmachung 11 des Kreisgerichtsdirektors Fischer bestand<br />
das Kreisgericht für die Hohenzollernschen Lande<br />
aus<br />
»1.) dem Kreisgerichtskollegium zu Hechingen<br />
2.) aus folgenden, von dem Kreisgerichte ressortierenden<br />
Kommissionen<br />
a) einem Einzelrichter zu Gammertingen<br />
b) einem Einzelrichter zu Wald<br />
c) zweien Einzelrichtern zu Sigmaringen.«<br />
Hofgericht Sigmaringen aufgehoben<br />
Damit entfiel u. a. auch das bisherige Hofgericht zu Sigmaringen.<br />
Zu dem unmittelbaren Kreisgerichtsbezirk gehörten<br />
die Oberamtsbezirke Hechingen, Haigerloch und<br />
Glatt, ferner aus dem Oberamt Trochtelfingen die Ortschaften<br />
Salmendingen, Melchingen und Ringingen. Für<br />
verschiedene Orte war die Abhaltung von Gerichtstagen<br />
vorgesehen. Bürgernähe war also schon damals gefragt.<br />
Man denke auch an die damaligen, mit den heutigen<br />
nicht vergleichbaren Verkehrsverhältnissen. Insgesamt<br />
wohnten in den Hohenzollernschen Landen und damit<br />
im gesamten Bezirk des Kreisgerichts damals rund<br />
67 000 Seelen 12 .<br />
An dieser Einteilung ist auffällig, daß es für das gesamte<br />
Unterland des früheren Fürstentums Hohenzollern-Sigmaringen<br />
nur das Kreisgerichtskollegium in Hechingen