hohenzollerische heimat w 3828 fx - Hohenzollerischer ...
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Gedanken, daß das Haus im Jahre 1979 noch am gleichen<br />
Platz stehen könnte, kam ich zunächst allerdings<br />
nicht. Die Kirche liegt an der östlichen Seite des Dorfes.<br />
Die heutige, 1955 erbaute Kirche hat am gleichen Platz<br />
mindestens zwei Vorgängerinnen. 1467 bekam der Kettenacker<br />
Pfarrer Johannes Klötzlin die Genehmigung,<br />
für seine ruinöse Kirche zu sammeln. Ob damals eine<br />
neue Kirche gebaut, oder die alte Kirche renoviert wurde,<br />
ist nicht bekannt. Die Kirche, welche 1955 abgerissen<br />
wurde, stammte aus dem Jahr 1628 (An diese Datierung<br />
kann ich nicht recht glauben, da um diese Zeit, im Dreißigjährigen<br />
Krieg, bitterste Not herrschte. Wer sollte damals<br />
eine neue Kirche bauen?). Ich möchte eher annehmen,<br />
daß die Kirche in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts<br />
entstand. 1955 wurde diese Kirche abgebrochen<br />
und die heutige Kirche gebaut. Um die Kirche befindet<br />
sich auch heute noch der Kirchhof. Kirche, Kirchhof<br />
und Pfarrhaus lagen in den Dörfern meistens auf einem<br />
Grundstück. Tatsächlich lag direkt am Kirchhof ein<br />
Haus, das alle Merkmale eines alten Pfarrhauses aufwies.<br />
Es war das Wohnhaus des Landwirtes Jakob Volk<br />
(Dorfname „der hintere Gluitz").<br />
Dieses Haus unterschied sich von den alten Häusern des<br />
Dorfes vor allem dadurch, daß es keinen Stall hatte. Es<br />
war offensichtlich nicht als Bauernhaus gebaut worden.<br />
Das Erdgeschoß war ziemlich niedrig und hatte nur nach<br />
der Hofseite hin Fenster. Das Treppenhaus war eng und<br />
die Räume im Obergeschoß ebenfalls ziemlich klein. Das<br />
Haus lag an einem rechteckigen Hof. Am der Friedhofmauer<br />
befindet sich ein Stallgebäude und dem Wohnhaus<br />
gegenüber eine Scheuer. Der jetzige Besitzer ließ das<br />
Haus im März 1979 abbrechen, um ein neues Wohnhaus<br />
zu erstellen. Herr Botho Walldorf aus Gammertingen<br />
sah beim Abbruch zu und schrieb seine Beobachtungen<br />
nieder:<br />
Das Haus befand sich etwa 20 m gegenüber dem Westportal<br />
der 1955 abgebrochenen Pfarrkirche St. Martin.<br />
Es diente bis kum Abbruch als Wohnhaus und war in einem<br />
verhältnismäßig guten baulichen Zustand.<br />
Keller: Rechts vom Hauseingang geht man eine Treppe<br />
hinunter und kommt in einen geräumigen gewölbten<br />
Keller aus Bruchsteinmauerwerk. Der Keller liegt an der<br />
Ostseite des Hauses.<br />
Erdgeschoß: Die Decke des Erdgeschosses wird längs von<br />
einem mächtigen Eichenbalken durchbogen (Querschnitt<br />
etwa 40 cm). Der Balken ruht auf 3, etwa 1 m hohen<br />
Ständern, die auf einem Steinsockel stehen. Die Ständer<br />
und der Balken sind die tragenden Teile des Hauses, das<br />
sonst kein Fundament hat. Die Außenmauern des Erdgeschosses<br />
sind etwa 80 cm stark und aus Bruchsteinen aufgeführt.<br />
Die Zwischenräume der Ständer wurden, vielleicht<br />
später, mit Ziegeln ausgemauert. In die westliche<br />
Außenmauer wurde ein Abort eingebaut. Ein Raum im<br />
Erdgeschoß (links von der Haustüre) wurde jetzt und<br />
wohl schon längere Zeit früher, als Küche benützt. An<br />
der Ostseite über dem Keller sind zwei Räume, die sich<br />
wohl noch ganz im alten Zustand befinden. Über die ursprüngliche<br />
Verwendung der Räume im Erdgeschoß ist<br />
nichts bekannt. Wahrscheinlich dienten sie als Abstellräume,<br />
vielleicht auch als Kleintierställe. Auf dem großen<br />
Tragebalken, der das Haus längs durchzieht, befinden<br />
sich im Abstand von ca. 80 cm Deckenbalken, welche<br />
an der Hofseite etwa 30 cm überstehen. Die Balkenköpfe<br />
weisen Spuren alter roter Farbe auf und wurden in neuerer<br />
Zeit verändert.<br />
24<br />
Obergeschoß: Das Obergeschoß enthält vier Räume. Die<br />
südliche Mauer, sowie die nicht tragenden Zwischenwände,<br />
bestehen aus Fachwerk, ausgeriegelt mit Haselnußfaschinen<br />
und Lehm. Darauf befanden sich mehrere Putzschichten.<br />
Zwei kleinere Fenster nach der Kirche hin<br />
waren zugemauert. Sie dürften noch aus der Erbauungszeit<br />
stammen. Das Fachwerk zeigt überall eine alte rote<br />
Farbschicht („Ochsenblut"). Es ist später mit Nägeln<br />
und einem Drahtgeflecht versehen und verputzt worden.<br />
Da es sich um handgeschmiedete Nägel handelt, muß der<br />
Verputz schon im 18. oder frühen 19. Jahrhundert angebracht<br />
worden sein. Auch die untere Putzschicht war bemalt.<br />
Dachstuhl: Die Dachsparren, welche ganz von Rauch<br />
geschwärzt sind, weisen alle 20 cm durchgehende, ca.<br />
2 cm starke Löcher auf. Sie sollen (nach mündlicher<br />
Überlieferung) zum Befestigen von Strohbüscheln für<br />
das Strohdach gedient haben. Dabei soll die Frage offen<br />
bleiben, ob die mittelalterlichen Pfarrhäuser wie die<br />
Bauernhäuser mit Stroh gedeckt waren, oder ob ein späterer<br />
Besitzer das Haus mit Stroh deckte. Auch die Frage,<br />
ob das Haus kaminlos war, wofür die stark geschwärzten<br />
Dachsparren sprechen, läßt sich nicht entscheiden.<br />
Sicher erscheint aber, daß auch die städtischen<br />
Häuser in Gammertingen im 15. Jahrhundert kaminlos<br />
waren.<br />
Da auch im 18. Jahrhundert die Pfarrhäuser der Umgebung<br />
nach einem einheitlichen Schema gebaut wurden,<br />
ist die Annahme berechtigt, daß das ehemalige Pfarrhaus<br />
von Kettenacker eine Anschauung davon gibt, wie ein<br />
dörfliches Pfarrhaus im ausgehenden Mittelalter aussah.<br />
Wir kennen die Erbauungszeit nicht, sondern nur das<br />
Jahr, in dem es verkauft wurde. Es ist durchaus möglich,<br />
daß das Haus schon im 15. Jahrhundert gebaut<br />
wurde. Die Pfarrhäuser von Gammertingen und Neufra<br />
aus dem 18. Jahrhundert sind noch vorhanden, werden<br />
aber nicht mehr als Pfarrhäuser benützt. Das Pfarrhaus<br />
von Feldhausen wurde um 1960 abgebrochen; es war<br />
ähnlich gebaut. Typisch ist eine große Diele mit einer<br />
breiten Eichentreppe, welche dem Haus eine gewisse<br />
Würde verlieh. Der »hauswirtschaftliche« Bereich war<br />
im Erdgeschoß, das Amtszimmer, Wohn- und Schlafräume<br />
des Pfarrers befanden sich im Obergeschoß. Demgegenüber<br />
nimmt sich das alte Kettenacker Pfarrhaus recht<br />
bescheiden aus. Es hatte nur einen bewohnbaren Raum<br />
im Erdgeschoß, in dem sich vermutlich auch früher<br />
schon die Küche befand. Der Pfarrer hatte 4 Zimmer<br />
zur Verfügung, von denen nur eines nach heutigen Begriffen<br />
wohnlich war.<br />
Um den Wert des Pfarrhauses richtig einzuschätzen,<br />
muß man es jedoch mit den damaligen Bauernhäusern<br />
vergleichen. Diese waren ebenerdige Holzbauten. Die<br />
Fußböden bestanden aus gestampftem Lehm. Durch die<br />
kleinen Fenster kam kaum Licht in das Innere der Räume,<br />
die zudem ständig vom Herdfeuer verraucht waren.<br />
Demgegenüber war das Pfarrhaus doch ein stattliches,<br />
zweistöckiges Haus, das einen Wohnwert hatte, welcher<br />
mit den damaligen städtischen Bürgerhäusern zu vergleichen<br />
ist.<br />
Quellen: Türkensteuerlisten des Herzogtums Württemberg im<br />
Hauptstaatsarchiv Stuttgart. Urbarium sämtlicher Gotteshäuser<br />
in den Herrschaften Gammertingen und Hettingen von<br />
1547 im Fürstl. Archiv Sigmaringen. J. Wiest, Geschichte der<br />
Stadt Gammertingen. Die Kunstdenkmäler Hohenzollerns,<br />
Bd. II.