hohenzollerische heimat w 3828 fx - Hohenzollerischer ...
hohenzollerische heimat w 3828 fx - Hohenzollerischer ...
hohenzollerische heimat w 3828 fx - Hohenzollerischer ...
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
WALTHER FRICK<br />
Ein Wunder namens ZIP<br />
Investitionsgelder retten <strong>heimat</strong>liche Kleinodien<br />
Was heute unter dem Namen ZIP - Zukunfts-Investitionsprogramm<br />
geschieht, im Verein mit ähnlichen Investitionen<br />
unter den Titeln „Dorf- und Stadtsanierung"<br />
und „Strukturverbesserung schwacher Räume", mutet<br />
wie ein Wunder an. Plötzlich ist Geld da und zwar in<br />
Fülle, um geradezu haufenweise Vorhaben zu verwirklichen,<br />
an denen Heimatfreunde und Denkmalspflege bisher<br />
schier verzweifelten. Es ist nämlich selbst den Lesern<br />
der Tageszeitungen bisher nur vereinzelt aufgegangen,<br />
daß unter diesen Titeln sich nicht nur „moderne" Projekte<br />
finden, also Kläranlagen, Ringsammler, Wasserversorgungen<br />
und dergleichen, sondern daß mit solchen<br />
Geldern „altes Glump" wieder hergestellt wird. Abbruchreife<br />
Häuser von wertvoller Bausubstanz, Hindernisse<br />
für den Straßenbau noch gestern, Innenstadt-Häuser<br />
ohne Wasserspülung und Bäder, jetzt stehen sie<br />
plötzlich ganz vorne in der Liste des Erhaltenswerten<br />
und zu Schützenden und es ist das Geld da, sie wirklich<br />
zu retten.<br />
Wir wollen die beiden Hauptgründe - oder was wir<br />
vielleicht irrtümlich dafür halten - nur streifen: der<br />
eine ist, daß endlich die Idee in die breite Öffentlichkeit<br />
gedrungen ist, daß man alte Häuser und ganze Ortsteile<br />
erhalten muß, wenn man das erhalten will, was man<br />
heute Lebensqualität nennt. Der zweite Grund aber ist<br />
eine weitgehende Sättigung des Baumarktes; vor allem<br />
gibt es kaum noch öffentliche Gebäude zu erstellen, bei<br />
gleichzeitig (noch!) vollen Kassen von Bund und Ländern.<br />
So sind diese Programme entstanden. Wir wollen<br />
im Nachfolgenden ein paar Beispiele erwähnen, die im<br />
heutigen - größeren - Kreis Sigmaringen die Aufmerksamkeit<br />
auf sich ziehen. Fangen wir mit Pfullendorf<br />
an. Dort ist vor kurzem der „Schellenberger Hof"<br />
zu einem Gymnasium umgestaltet worden. Dieser einstige<br />
Adelssitz, der in seiner frühesten Bausubstanz in die<br />
Stauferzeit zurückgeht, war zuletzt ein liederlich verkommenes<br />
Herrenhaus aus dem 18. Jahrhundert und gehörte<br />
einst dem bekannten Adelsgeschlecht der Schellenberg,<br />
das im Linzgau saß. Zugleich aber hat Pfullendorf<br />
zwei weitere historische Gebäude zu Gymnasien gemacht,<br />
das graue und das weiße Kloster. Das sind zwei<br />
einstige Frauenklöster, die ihren Namen der Farbe der<br />
Ordensgewänder verdanken: grau waren Tertiarinnen,<br />
weiß Dominikanerinnen. Natürlich hätte Pufllendorf irgendwo<br />
am Stadtrand ein modernes Allerweltsgebäude<br />
von neuem Gymnasium bauen können, aber Stadtrat und<br />
Lehrerschaft waren sich einig darin, die Unbequemlichkeit<br />
in Kauf zu nehmen, die die Entfernung mit sich<br />
bringt: die Klöster liegen nahe beisammen, aber zum naturwissenschaftlichen<br />
Unterricht müssen die Schüler 200<br />
Meter weit zum Schellenberger Hof gehen. - Ihm benachbart<br />
wird derzeit das Obere Tor renoviert, Prachtstück<br />
eines mittelalterlichen Tors, würdiger Schmuck einer<br />
gewesenen Reichsstadt. Das „Bindhaus" ist derzeit<br />
an der Reihe (so genannt, weil dort die Küfer arbeiteten),<br />
und ebenso entsteht aus einer alten Gred, einem<br />
Getreidemagazin, jetzt ein Bürgersaal.<br />
Ein Prachtstück in dieser Hinsicht ist bekanntlich<br />
Veringenstadt geworden. Eben jetzt hat der Kreis Sigmaringen<br />
zu den bisherigen staatlichen Investitionen<br />
noch einen Betrag gegeben zur Renovierung der Stadtmauer.<br />
In Veringenstadt kam der glückliche Umstand<br />
hinzu, daß der Lauchertal-Verkehr durch die Umge-<br />
14<br />
hungsstraße weggenommen wurde; das hat der Freude<br />
der Bürger mächtigen Auftrieb gegeben, ihre Häuser<br />
nach einem gemeinschaftlichen Fahrplan farbig zu malen.<br />
Auch sind ganze Häuser hinten abgebrochen - nur<br />
die Fassade an der Hauptstraße blieb stehen - und neu<br />
aufgeführt worden, natürlich in genau denselben Abmessungen<br />
und mit dem gleichen Dach. Veringenstadt gilt<br />
inzwischen landesweit als ein geglücktes Beispiel, eine<br />
wirkliche kleine Stadt wieder erstehen zu lassen, wie sie<br />
einmal war. Wenn diese Zeilen den Leser erreichen, wird<br />
in Veringenstadt-Hermentingen noch etwas ganz Neues<br />
hinzugekommen sein: eine Gedenkstätte für den Heiligen<br />
Gallus. Die Gallus-Quelle in Hermentingen soll der Legende<br />
nach ihren Namen davon haben, daß der erste<br />
Alemannen-Apostel hier eine Zeitlang gelebt haben soll,<br />
ehe er sich am Bodensee niederließ, wo aus seiner Klostergründung<br />
die heutige Stadt Sankt Gallen erstand.<br />
Die Gallusquelle versorgt heute Balingen, Bitz und andere<br />
hochgelegene Gemeinden auf der Zollernalb mit Wasser.<br />
Für die Gedenkstätte vorgesehen ist eine Statue des<br />
Heiligen und eine kleine Anlage; und weil es so geschickt<br />
daneben steht, wird auch ein altes Gemeindebackhaus<br />
gleich mit renoviert.<br />
Oder in Mengen, um ein Letztes zu nennen: 80 Prozent<br />
der Bausubstanz der Altstadt steht unter Denkmalsschutz,<br />
und was in den letzten Jahren geleistet wurde,<br />
sieht jeder, der durch die Hauptstraße und ihre Parallelstraßen<br />
fährt. Derzeit kommt eine einstige Kerzengießerei<br />
an die Reihe, eigentlich ein Gartenhaus von nur fünf<br />
mal fünf Metern Grundriß, zweistöckig. Auch dazu gibt<br />
der Landkreis einen Zuschuß. - Die Reihe könnte über<br />
Dörfer hinweg fortgesetzt werden, es ZIP-t überall, und<br />
immer mehr Bürgermeister begreifen die Chance, über<br />
Dorfsanierungs- und Investitionsmittel ihren Gemeinden<br />
nach jahrzehntelanger Neuerungssucht wieder zu ihrem<br />
wahren, gewachsenen Gesicht zu verhelfen.<br />
„Dr Semmris^Krätten"<br />
Meine Nachbarin stammt aus einem Dorf bei Tübingen<br />
und ist schon vielfache Großmutter, hat auch alle Hoffnung<br />
- denn sie ist erst um sechzig - auch noch Urenkel<br />
zu sehen. Und sie stammt aus ländlicher Umgebung;<br />
dies vorweg, weil diese Umstände ein wenig das Thema<br />
beleuchten. Sie kam dieser Tage zu mir, weil sie irgendwo<br />
gehört habe, in Ablach gäbe es einen Korbmacher,<br />
und ob das stimme, denn sie brauche einen Semmris-<br />
Krätten. - Immer auf dem Sprung, aus einem kaum<br />
oder nie gehörten schwäbischen Wort den Kern herauszuschälen,<br />
ließ ich mir erzählen: der Korb muß aus ungeschälten<br />
Weidenruten sein, wie einst ein Holzkorb fürs<br />
Brennholz, nur mit etwas größerem Durchmesser und<br />
dafür mit etwas weniger hohen Seitenwänden. Die Frau<br />
konnte mir nicht sagen, woher der Name kommt, aber<br />
ich meine, darin steckt nichts anders als der oder das<br />
Simmri, das uns so oft als Hohlmaß in alten Urkunden<br />
auch auf diesen Seiten begegnet. Wieviele Male hat Herr<br />
Pfarrer Kraus bisher schon dieses Wort zitiert, wenn irgend<br />
eine Abgabe in Naturalien in Simmri aufgezählt<br />
wurde, vor allem Getreide. Meine Nachbarin braucht<br />
keine Naturalabgaben zu bezahlen, selbstverständlich;<br />
sie will den Korb ihrem Sohn nach Berlin schicken, der<br />
hat darum gebeten: „Wisset Se, der sammlet halt au so<br />
alts Glump, dees machetem Fraid!" Wichtiger war mir,<br />
daß die Frau mir erzählte, daß noch in ihrer Jugend, in<br />
den zwanziger Jahren, in der Tübinger Gegend das<br />
Simmri - sie spricht es als Semmre oder Semmris aus -