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Andreas Föhr Totensonntag

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Hauptscharführer Kieling betrachtete die achtzig Gestalten,die er aus Gründen, die nicht einmal er selbstkannte, immer noch bewachte und durch das bayerischeVoralpenland trieb. Sie stammten aus Nebenlagerndes KZ Dachau. Kieling hatte keine Eile. Er warkeiner von den Lauten. Keiner, der die Häftlingezusammenbrüllte und vor versammelter Mannschaftverprügelte oder erschoss. Er sagte wenig. Und was ersagte, war leise. Er sagte »mitkommen« so, dass manes kaum verstehen konnte. Und dann ging er miteinem Häftling hinters Haus oder irgendwohin, woman ihn nicht sehen konnte. Ein Schuss – und Kielingkam zurück. Allein.Frieda wusste nicht, ob Kieling sie erkannt hatte.Selbst wenn, hätte er vermutlich nichts gesagt. Sie warensich sechs Jahre nicht begegnet, und so, wie sieaussah, hätte ihre Mutter sie nicht erkannt. Vor vierTagen war er plötzlich aufgetaucht, beim Abmarschaus Allach. Sie waren einige Tausend gewesen undHunderte von Bewachern. Er war immer in ihrer Nähegeblieben. Das mochte Zufall sein oder weil er fürihren Abschnitt zuständig war. Als sie die russischenHäftlinge zurückgelassen hatten, war er immer nochdageblieben. Und als die anderen beschlossen, vorWaakirchen im Wald zu übernachten, hatte er sich mitseinem Vorgesetzten gestritten und war mit achtzigFrauen weitermarschiert. Sie sollten nach Tirol, hatteeiner gesagt. Wozu? Keiner wusste es. Es war auchnicht klar, ob die SS es wusste. Niemand schien indiesen Tagen irgendetwas zu wissen. Das hielt aberniemanden davon ab zu töten. Das war zur Routinegeworden und ging wie von selbst immer weiter.Schneeflocken fielen Frieda in den Kragen und schmol-9

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