13.07.2015 Aufrufe

Download Linde Technology 1 | 2010 (PDF 3,5 MB) - Linde Gas

Download Linde Technology 1 | 2010 (PDF 3,5 MB) - Linde Gas

Download Linde Technology 1 | 2010 (PDF 3,5 MB) - Linde Gas

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

Ausgabe TITELTHEMA: DIE CO 2 -MANAGERKohlendioxid abtrennenCO#1.2 umwandelnSauberes Rauchgas im KraftwerkRohstoffe von der AlgenfarmElektromobilitätMedizinLebensmittel10 Wasserstoffinfrastruktur rückt näher Heliox hilft bei AtemnotLINDETECHNOLOGYTreibhausgase reduzierenDie grüne SolarzellenproduktionSpezialgase gegen Schädlingeinnovative Technologien für den KlimaschutzDie CO 2 -Manager


LINDE TECHNOLOGY #1.10 // Impressum02ImpressumHerausgeber:<strong>Linde</strong> AGKlosterhofstraße 1, 80331 MünchenTelefon +49.89.35757-01Telefax +49.89.35757-1398www.linde.comRedaktion:Verantwortlich: Dr. Thomas Hagn, <strong>Linde</strong> AG;wissen + konzepte, München#1.10Bildredaktion:Judith Schüller, HamburgLayout:wissen + konzepte, München;Almut Jehn, BremenAnfragen und Bestellungen an:<strong>Linde</strong> AG, KommunikationKlosterhofstraße 1, 80331 Münchenoder thomas.hagn@linde.comDiese Heftreihe sowie weitere Fachberichtestehen unter www.linde.com als <strong>Download</strong>zur Verfügung.Nachdrucke oder elektronische Verbreitungnur mit Zustimmung des Herausgebers. MitAusnahme der gesetzlich zugelassenen Fälle(und bei vollständiger Quellenangabe) ist dieNutzung der Berichte aus „<strong>Linde</strong> <strong>Technology</strong>“ohne Einwilligung des Herausgebers nichtgestattet.ISSN 1612-2224, Printed in Germany – <strong>2010</strong>Bildquellen:Titel: <strong>Linde</strong> // Seite 04/05: Daimler; Getty Images; Hollandse Hoogte/laif, C. Heeb/laif // Seite06/07: Roche/B. Caflisch // Seite 08/09: <strong>Linde</strong>; T. Law/Redux/laif // Seite 10/11: Daimler //Seite 12/13: Daimler; <strong>Linde</strong>; Vattenfall; www.dilight.com // Seite 14: <strong>Linde</strong> // Seite 16: Vattenfall// Seite 18/19: Vattenfall; Picture-Alliance/dpa // Seite 20/21: M. Urban/ddp Images;Corbis // Seite 23: Photo Researchers/Agentur Focus // Seite 24/25: Algenol Biofuels; Douwma/SPL/Agentur Focus // Seite 26/27: Algenol Biofuels; <strong>Linde</strong> // Seite 28: <strong>Linde</strong> // Seite 30/31:<strong>Linde</strong> // Seite 32/33: <strong>Linde</strong> // Seite 35: Getty Images; <strong>Linde</strong> // Seite 37: <strong>Linde</strong> // Seite 39:M. Steinmetz/Visum // Seite 40/41: Getty Images; GFZ // Seite 42/43: B. Solcher/laif // Seite 44/45: Getty Images; <strong>Linde</strong> // Seite 47: Corbis; Getty Images // Seite 48: M. Gonzalez/laif //Seite 50/51: C. Heeb/laif; T. Hauser/laif; Getty Images // Seite 52/53: Polaris/laif; The New YorkTimes/Redux/laif // Seite 54: U. Meissner/laif; <strong>Linde</strong>Klimaschutz durch CO 2 -Management: DasTitelthema dieser Ausgabe zeigt zahlreiche Beispieleinnovativer Technologien, die ein umfassendes,effektives und sicheres Management von Kohlendioxidgewährleisten – und damit zum Schutz derUmwelt und nachfolgender Generationen beitragen.


editorial // LINDE TECHNOLOGY #1.1003EditorialLiebe Leserinnenund Leser,noch immer ist die Weltwirtschaft damit beschäftigt, die Auswirkungen der schwersten Krise seit Jahrzehntenzu bewältigen und das globale Finanzsystem wieder zu festigen. Diese Krise hat gezeigt, dassnicht Wachstum an sich uns ein lebenstaugliches Fundament schafft. Nur ein nachhaltiges und substanziellesWachstum sichert die Zukunft der kommenden Generationen. Deshalb hat der Klimaschutz für unshöchste Priorität. Dabei lautet die Frage nicht, ob wir uns den Klimaschutz leisten können, sondern vielmehr:Kann sich die Weltbevölkerung den Klimawandel leisten?Gefragt sind jetzt echte Innovationen – Produkte und Prozesse, die erneuerbare Energien wirtschaftlichnutzbar machen und den Verbrauch natürlicher Ressourcen deutlich senken. Aber auch Technologien,die helfen, Klima schädigende Emissionen sowie Abfälle zu reduzieren oder ganz zu vermeiden.Das rechnet sich am Ende sowohl ökologisch als auch ökonomisch.Doch trotz aller Anstrengungen zur Förderung erneuerbarer Energien werden die fossilen Energieträgernoch für Jahrzehnte unsere dominierenden Ressourcen bleiben, um die globale Energieversorgungsicherzustellen. Die nahe Zukunft erfordert also auch ein umfassendes, effizientes und sicheresManagement von Kohlendioxid. Dazu trägt unser Unternehmen mit innovativer Technologie schon heutebei, wie das Titelthema dieser Ausgabe mit zahlreichen Beispielen zeigt: Kohlekraftwerke stoßen dankCO 2 -Wäsche weniger Kohlendioxid aus, Solarzellen können klimaschonend produziert werden und CO 2aus Industrieabgasen lässt sich sogar nutzen, um Biotreibstoffe und chemische Basissubstanzen zu erzeugen.Und auch für die Versorgung von Industriezweigen, die auf CO 2 als Rohstoff angewiesen sind, bietenwir umfassende Lösungen. Darüber hinaus treiben wir den Ausbau der Wasserstoffversorgung füreine künftige emissionsarme Mobilität weiter voran: Mit der Initiative „H 2 Mobility“ beispielsweise sindwir einen großen Schritt weiter gekommen auf dem Weg, eine flächendeckende Wasserstoffinfrastrukturin Deutschland einzuführen.Die technologischen Herausforderungen, vor die uns der Klimaschutz stellt, sind so komplex, dasssie nur von qualifizierten Fachleuten bewältigt werden können. Die Ingenieure und Techniker von <strong>Linde</strong>werden dazu ihren Beitrag leisten – beim CO 2 -Management genauso wie bei anderen zukunftsweisendenAnwendungen im Bereich Energie und Umwelt.Ich wünsche Ihnen eine spannende Lektüre.Professor Dr.-Ing. Wolfgang ReitzleVorsitzender des Vorstands der <strong>Linde</strong> AG


LINDE TECHNOLOGY #1.10 // inhalt04_10_16Kraftwerkstechnik: Kohlendioxid abtrennen_42Medizin: Helium-/Sauerstoff-Gemisch hilft bei Atemnot_48Elektromobilität: Wasserstoffinfrastruktur rückt näherLebensmittel: Obsttransporte vor Schädlingen schützen


inhalt // LINDE TECHNOLOGY #1.100503 editorial06 Proteinsynthese im Reinraum08 newsSauerstoffversorgung für die Pharmaindustrie10 Wasserstoff auf vollen TourenIndustrie-Initiative forciert Einführung einer H 2 -InfrastrukturTitelthemaDie CO 2 -ManagerMit innovativen Technologien tragen Ingenieure und Techniker der <strong>Linde</strong> Group dazu bei, den Übergang zu neuen Formender Energieerzeugung und -nutzung so klimaschonend wie möglich zu gestalten.14 CO 2 -Welt im WandelDie Energieversorgung der Zukunft sollfrei sein von Treibhausgas-Emissionen16 Klimaschutz und KohlekraftNeue Technologien für dieCO 2 -Abscheidung22 Minifabriken aus dem MeerKohlendioxid für die Bioethanol-Produktionaus Blaualgen28 Sonnenfänger, extra grünVerbesserte CO 2 -Bilanz bei der Herstellungvon Dünnschicht-Solarzellen34 Sauber durch CO 2 -SchneeUmweltfreundliche Reinigung von MetallundKunststoffoberflächen37 Pipelines für den KlimaschutzCO 2 lässt Gewächshauspflanzen sprießenund füllt leere <strong>Gas</strong>felder38 Eisige EnergiequelleCO 2 statt Methan – Forscher arbeiten am<strong>Gas</strong>e-Tauschhandel unter dem Meer40 Essay: "Energie im System Erde"Prof. Reinhard Hüttl, VorstandsvorsitzenderDeutsches GeoForschungsZentrum GFZ32 Kein Genuss ohne KohlensäureErst CO 2 macht aus Wasser einenspritzigen Durstlöscher42 Per Pipeline ans PatientenbettMedizinisches <strong>Gas</strong>egemisch Heliox hilft bei Atemnot46 Wellenbad in Stickstoff-atmosphäreBleifreies Löten in der Elektronikindustrie48 Obst auf Grosser FahrtSpezialgase schützen Lebensmittel vor Schädlingsbefall52 Sauerstoff für die StahlbrancheIndiens Industrie weiter im Aufwind54 Wellnesskur für den RasenMobile Gewächshäuser sorgen für perfektes Grün im Fußballstadion


LINDE TECHNOLOGY #1.10 // Pharmaanlagen06Bildquelle: Roche / Bruno Caflisch1Pharmaproduktion: UnterReinraumbedingungenstellt F. Hoffman-La Rochein Basel so genanntemonoklonale Antikörperzur Krebstherapie her.Sauerstoffversorgung für die PharmaindustrieProteinsyntheseim ReinraumDie Pharmaindustrie setzt auf Biotechnologie. Experten der <strong>Linde</strong>-KCA-Dresden GmbHhaben ein neues Produktionszentrum geplant, in dem Antikörper für die Krebstherapiehergestellt werden: hochkomplexe Verfahrenstechnik unter sterilen Bedingungen.


Pharmaanlagen // LINDE TECHNOLOGY #1.1007Biotechnologie hilft heilen: Mit modernsten Methoden aus Molekularbiologieund Genetik entwickeln Pharmaforscher wirksame Arzneimittel.Innovative Medikamente werden mithilfe von gentechnischveränderten Zellen hergestellt und ermöglichen völlig neue Therapieansätze.Die biotechnologischen Verfahren zur Anzucht solcher Zellenim industriellen Maßstab erfordern hochkomplexe Anlagen mit aufwendigerSteuerung und Überwachung.Der Pharmakonzern F. Hoffmann-La Roche hat am Stammsitzin Basel, Schweiz, ein neues Produktionszentrum für so genanntemonoklonale Antikörper errichtet, die in der Onkologie bei verschiedenenKrebserkrankungen eingesetzt werden.<strong>Linde</strong>-KCA-Dresden, ein Tochterunternehmen der <strong>Linde</strong> Group, fungierteals Hauptkontraktor für die Planung dieses Neubaus. Diegesamte Proteinproduktion mit mehrstufigen Fermentations- undAufarbeitungsprozessen ist in pharmazeutischen Reinräumen mitdefinierten Luftqualitäten installiert. Zur Fermentation benötigt dieZellproduktion und Proteinsynthese hochreinen Sauerstoff, der mittelsOn-site-Versorgung von der schweizerischen <strong>Linde</strong>-Tochter Pan-<strong>Gas</strong> bereitgestellt wird. Das innovative Projektkonzept des gesamtenProduktionszentrums überzeugte auch die renommierte InternationalSociety of Pharmaceutical Engineering (ISPE) – sie vergab im Jahr2009 die Auszeichnung „Facility of the Year“ für das Projekt.Links:www.linde-kca.comwww.roche.comwww.roche.com/de/biotechnology.htm


LINDE TECHNOLOGY #1.10 // NEWS08n e wsUSA:Biogas-Verflüssiger in BetriebDie weltweit größte Anlage zur Gewinnung von Biogas aus Deponiegasläuft: In den ersten Produktionswochen hat die an eine Mülldeponieangeschlossene Anlage in Kalifornien bereits 750.000 LiterCO 2 -neutrales Biogas erzeugt. Die erneuerbare Treibstoffquelle istdas Projekt eines Joint Ventures von Amerikas größtem Reststoff- undAbfalldienstleistungsunternehmen Waste Management und der <strong>Linde</strong>Group, die Bau und Betrieb der Anlage übernommen hat. Mithilfemodernster <strong>Gas</strong>ereinigungs- und-verflüssigungstechnologie sollentäglich 50.000 Liter Flüssiggas ausdem Deponiegas entstehen. EineMenge, die 300 Mülltransportermit Kraftstoff versorgen kann.Das Biogas aus der Müllhaldeist im Gegensatz zu Erdgas,das via Pipelines angeliefertwird, absolut klimaneutral.Bei seiner Verbrennung wird nurso viel Kohlendioxid freigesetzt,wie das organische Material ausder Mülldeponie vorher aufgenommenhat. Mit weiteren Verflüssigungsanlagenwie diesermöchte Waste Management langfristigseine Treibstoffeffizienzverbessern – bis 2020 um 15 Prozent.„Wir nutzen so wertvolleEnergie aus dem Deponiemüll und entlasten zugleich die Umwelt“,sagt Duane Woods, Senior Vice President von Waste Management’sWestern Group. Auch Pat Murphy, Präsident von <strong>Linde</strong> Nordamerika,ist mit dem Projekt zufrieden: „<strong>Linde</strong> ist stolz, mit dieser Anlageeine saubere und grüne Energie für die Einwohner Kaliforniens zuschaffen.“ Der CO 2 -Ausstoß reduziere sich jährlich um 30.000 Tonnen(s. a. „Müll macht mobil“, <strong>Linde</strong> <strong>Technology</strong> 2/2008).Mobilität:Prof. Dr.-Ing. Wolfgang Reitzle erhält den „Gelben Engel“Wasserstoff als umweltfreundlicher Kraftstoff für Autos – diesemZiel hat sich der Vorstandsvorsitzende der <strong>Linde</strong> AG, Prof. Dr.-Ing.Wolfgang Reitzle, verschrieben. Im Januar hat er bei der ADAC-Preisverleihung des „Gelben Engels“ die Auszeichnung als „Persönlichkeit<strong>2010</strong>“ erhalten. Der deutsche Automobilclub würdigtdamit herausragende Leistungen in den Bereichen Verkehr, Mobilitätund Automobil. Bereits in den 1990er-Jahren ließ Prof. Reitzleerste Prototypen für wasserstoffbetriebene Autos entwickeln. „Ichbin sicher, dass bald Serienfahrzeuge entstehen, die in Ballungsräumenin fünf bis zehn Jahren stark vertreten sein werden“, sagteer bei der Preisverleihung. Damit es dazu komme, seien allerdingsnoch größere Anstrengungen der Industrie nötig (s. a. „Wasserstoffauf vollen Touren“, Seite 10).


NEWS // LINDE TECHNOLOGY #1.1009China:Forschung im Reich der MitteIn Schanghai hat <strong>Linde</strong> das weltweit dritte Zentrum für Forschung undEntwicklung neuer technologischer Verfahren für <strong>Gas</strong>eanwendungengegründet. Damit unterstreicht das Unternehmen seine Stellung inChina und dem gesamten Asien-Pazifik-Raum. Das Technologiezentrumsoll Industrieunternehmen und Forschungsinstituten unter anderemhelfen, zukunftsgerichtete grüne Technologien zu entwickeln.Für das Industriegasegeschäft von <strong>Linde</strong> sind die Länder des Asien-Pazifik-Raums Schlüsselmärkte, die stetig wachsen. „So schnell wiesich diese Region entwickelt, werden die Unternehmen in Zukunftverstärkt nach hochentwickelten und nachhaltigen <strong>Gas</strong>elösungensuchen“, sagt Steven Fang, bei <strong>Linde</strong> verantwortlich für die RegionGreater China. <strong>Linde</strong> hat bereits eine Zusammenarbeit mit NanjingIron and Steel Company (NISCO), Sinopec Research Institute of PetroleumProcessing (RIPP) und der Universität von Tsinghua vereinbart.Unter anderem sind Projekte zur Abwasserbehandlung und Senkungder CO 2 -Emissionen geplant. Auch die Entwicklung von Wasserstofftechnologienfür China wird eine große Rolle spielen.Nachwachsende Rohstoffe:Neues Zentrum schlieSSt EntwicklungslückeWeltweit arbeiten Chemieunternehmen daran, Erdöl durch nachwachsendeRohstoffe zu ersetzen. Damit sie im industriellen Maßstabals Rohstoffquelle dienen können, müssen Pflanzenstoffe aberin konstanter Qualität und zu günstigen Preisen verfügbar sein.Ein neues Chemisch-Biotechnologisches Prozesszentrum (CBP) amChemiestandort Leuna soll bei der Entwicklung nachwachsenderRohstoffe jetzt die Lücke zwischen Labor und industrieller Umsetzungschließen. 23 Industrieunternehmen sowie 15 Universitätenund Forschungseinrichtungen planen, sich an den Projekten zubeteiligen. Die <strong>Linde</strong>-Tochter <strong>Linde</strong>-KCA-Dresden hat den Zuschlagals Generalunternehmer für die Planung, Lieferung und Errichtungder gesamten technischen Anlagen erhalten. Das CBP soll es inZukunft erleichtern, innovative Produkte vom Rohstoff über denBiokatalysator und die Skalierung der benötigten Verfahren bis zurindustriellen Umsetzung zu bringen. <strong>Linde</strong>-KCA-Dresden wird dafürsieben Prozessanlagen errichten. Die ersten davon sollen bereitsim November 2011 an die Fraunhofer-Gesellschaft und ihre Partnerübergeben werden.Deutschland:Wasserstoff für BerlinIn Berlin geht eine neue Wasserstofftankstelle der Clean Energy Partnership(CEP) in Betrieb. <strong>Linde</strong> liefert den Flüssigwasserstoff für dieTankstelle aus Deutschlands einziger industrieller Wasserstoffverflüssigungsanlagein Leuna. Die neue Tankstelle soll langfristig 40 Pkwsowohl mit flüssigem als auch mit gasförmigem Wasserstoff versorgen.Der flüssig angelieferte Wasserstoff wird ohne Nachkühlungin einem von <strong>Linde</strong> entwickelten, superisolierten Tank gespeichert.<strong>Gas</strong>förmiger Wasserstoff wird mittels Elektrolyse vor Ort erzeugt. DerElektrolyseur wird mit Strom aus erneuerbaren Energien betriebenund kann sehr schnell und flexibel an den Bedarf angepasst werden.Gespeichert wird der Wasserstoff in einem neu entwickelten Druckbehälterbei 1.000 bar. Das Betankungssystem kommuniziert sowohlmit der Speicheranlage als auch mit dem Tank des zu befüllendenFahrzeugs – und kann dadurch den jeweils erforderlichen Druck anden Zapfsäulen von 350 oder 700 bar erzeugen. Der überschüssigeWasserstoff betreibt eine Brennstoffzelle, welche die Tankstelle mitEnergie und Wärme versorgt.


LINDE TECHNOLOGY #1.10 // Wasserstoff10Industrie-Initiative forciert Einführung einer H 2 -InfrastrukturWasserstoff aufvollen TourenGut ein Jahrhundert nach Erfindung des Autos wird die Mobilität neu definiert. Bei allenKonzepten geht es derzeit vor allem darum, die Kosten schnell in den Griff zu bekommen.Wasserstoff hat dabei gute Chancen: Mit innovativer Technologie helfen <strong>Linde</strong>-Ingenieure,den Infrastrukturaufbau für die H 2 -Mobilität auch wirtschaftlich darzustellen.Autor: Michael KömpfBildquelle: Daimler AG11Green Mobility – eines der Schlagworte für dieses Jahrhundert. Abernoch kämpfen – zumindest beim Individualverkehr – zahlreiche Konzepteum die Krone: reine Batterieautos, Brennstoffzellenantrieb, Verbrennungsmotorenfür Biotreibstoffe, Wasserstoff oder synthetischerSprit. Noch ist nicht klar, wohin die Reise geht. Die Autoindustriesteht an einer ähnlichen Kreuzung wie vor rund hundert Jahren, alsdampfgetriebene Wagen gegen Stromautos, Otto- und Dieselmotorenins Rennen gingen um die erfolgreichste Antriebstechnik – das Ergebnisist bekannt. Diesmal, so sehen es viele Experten, wird sich wohlweniger eine einzige Technologie als Heilsbringerdurchsetzen. Vielmehr werden die unterschiedlichenAnsätze jeweils ihr individuelles Anwendungsfeldfinden: Stadtbusse brauchen andereKonzepte als der Schwerlast-Fernverkehr oder dieindividuelle Freizeitmobilität in der Stadt oder aufdem Land.Politik und Wirtschaft setzen große Hoffnungenin die Elektromobilität: Serienreife Batterieautos sollen schonin diesem Jahr über die Straßen rollen, aber viele Baustellen sindauch dann noch zu beheben: Für Herausforderungen wie Reichweite,Kosten und Infrastruktur stehen noch keine umfassenden Lösungenbereit. Neben reinen stromgetriebenen Fahrzeugen gewinnt inSachen Elektromobilität auch die Brennstoffzelle wieder zunehmendan Bedeutung – und damit auch der Wasserstoff: „In einer emissionsarmenElektromobilität werden wasserstoffbetriebene Autos einewichtige Rolle spielen. Die Konzepte der reinen Batterieautos und derBrennstoffzellenfahrzeuge ergänzen sich sehr gut und werden jeweilsihre individuelle Anwendung finden“, sagt Markus Bachmeier, LeiterBrennstoffzelleund Batterieergänzen sichim Auto bestens.Hydrogen Solutions bei <strong>Linde</strong>. Er muss es wissen: Als Maschinenbauingenieurund Betriebswirt war er selbst lange Jahre in der Autoindustrietätig, bevor er 2008 die Aufgabe bei <strong>Linde</strong> übernahm.Und die Aktivitäten der Autobauer geben ihm recht: Mitte2009 unterzeichneten Daimler, Ford, General Motors, Honda, Hyundai,Kia, Renault, Nissan und Toyota eine gemeinsame Absichtserklärungfür die kommerzielle Einführung von Brennstoffzellenfahrzeugen abdem Jahr 2015. „Die Umsetzung der H 2 -Antriebe ist <strong>2010</strong> kein Themamehr. Jetzt geht es um die Wirtschaftlichkeit. Die Vielzahl der einzelnenModelle, die die Autoindustrie weltweitbereits auf die Straße schickt, ist schon fast nichtmehr zu überschauen“, sagt beispielsweise BettinaMayer, Chefredakteurin des Wirtschaftsmagazins„Automobil Produktion“.Bereits Ende 2009 startete die Produktioneiner Kleinserie der Mercedes-Benz B-KlasseF-Cell. Der erste unter Serienbedingungen gefertigteBrennstoffzellen-Pkw von Mercedes-Benz schafft mit seinem700-bar-Wasserstofftank im Sandwichboden eine Reichweite vonrund 400 Kilometern. Sein Elektromotor liegt in Sachen Leistung aufdem Niveau eines Zwei-Liter-Benzinmotors und der Brennstoffzellenantriebverbraucht auf Diesel-Äquivalent umgerechnet rund dreiLiter Kraftstoff auf 100 Kilometer. Die ersten der insgesamt 200 Fahrzeugewerden derzeit an Kunden in Europa und den USA übergeben.Mercedes-Entwicklungsvorstand Thomas Weber erwartet bis zumJahr 2020 marktfähige Preise: „Wenn wir mehr als hunderttausendStück bauen, wird die Brennstoffzelle nicht mehr kosten als ein Hightechdieselmit Elektrohybrid“, sagte er der Süddeutschen Zeitung.


Wasserstoff // LINDE TECHNOLOGY #1.1011Saubere Mobilität: Mit Brennstoffzelleund Wasserstoff legt der erste unterSerienbedingungen von Mercedes-Benzgebaute B-Klasse F-Cell pro Tankfüllungrund 400 Kilometer zurück.


LINDE TECHNOLOGY #1.10 // Wasserstoff12H 2 in Innenstadtlage: Mitten inder Hamburger Hafencity baut Vattenfallauf engstem Raum eine neueWasserstoff-Tankstelle, die vollständigin die bestehende Architektur integriertsein wird (großes Bild). IonischeKompressoren sorgen dort für denHochdruckwasserstoff. Mit innovativerTechnologie werden auch Fahrzeugean der neuen Tankstelle in Stuttgart(rechts oben) und im <strong>Linde</strong> HydrogenCenter in Unterschleißheim beiMünchen (rechts unten) versorgt.693 Kilometer mit einer TankfüllungAuch Honda lässt Wasserstofffahrzeuge bereits seit längerem über dieStraßen rollen: In Kalifornien wird der mit einem 100 Kilowatt starkenElektromotor bestückte FCX Clarity schon seit Sommer 2008 als Leasingmodellangeboten – Reichweite pro Tankfüllung: rund 460 Kilometer.Und auch die Entwicklungsingenieure von BMW, die am Verbrennungsmotormit Wasserstoff arbeiten, sehen H 2 langfristig als dieAlternative für nachhaltige, individuelle Mobilität. Der Konzern konzentriertsich nach eigenen Angaben auf die Entwicklung des Technologiesprungs„Kryodruckspeicher“ und die Weiterentwicklungder H 2 -Motorentechnik.Japan forciert ebenfalls die H 2 -Technologie:So will Toyota beispielsweise 2015 ein Hybridautomit Brennstoffzelle auf den Markt bringen. Dafürstartete der Konzern in den USA ein groß angelegtesProgramm: Mehr als 100 Toyota FCHV-adv sollen inden kommenden drei Jahren zunächst in New Yorkund Kalifornien von privaten Unternehmen, Universitätenund Regierungsbehörden genutzt werden –und das mit einer beachtlichen Reichweite: Bei einem auf Anfragedes US-Energieministeriums durchgeführten Feldversuch schaffte derFCHV-adv mit einer Tankfüllung stattliche 693 Kilometer.Ein Erfolg, dem weitere Taten folgen müssen: „Der Aufbaueiner umfangreichen Tankstelleninfrastruktur ist jetzt der entscheidendenächste Schritt“, so Irv Miller, Vice President EnvironmentalDeutschlandist Beim ThemaWasserstoffVorreiter fürganz europa.and Public Affairs bei Toyota Motor Sales USA. Das sieht auch <strong>Linde</strong>-Manager Bachmeier so: „In den vergangenen rund zehn Jahren habenwir uns vor allem um die technische Machbarkeit gekümmert. Dieist mittlerweile gelöst. Die Herausforderung – nicht nur für <strong>Linde</strong> –besteht jetzt darin, die Investitionskosten wie auch die Gesamtkostenentlang der kompletten Wasserstoffproduktions- und Distributionskettesystematisch zu senken.“Erste Wasserstoff-Infrastrukturzentren, wie die im Rahmen derClean Energy Partnership (CEP) errichteten Tankstellen in Berlin undHamburg, haben sich bereits etabliert. „Deutschlandist damit klarer Vorreiter in Europa“, so Bachmeier.Und diese Rolle will die Industrie-Initiative„H 2 Mobility“ weiter ausbauen. Erstmals haben sichzahlreiche Großunternehmen aus unterschiedlichenBereichen gemeinsam dem Thema Wasserstoff verpflichtet:Neben <strong>Linde</strong> beteiligen sich bereits Daimler,EnBW, OMV, Shell, Total, Vattenfall und dieNationale Organisation Wasserstoff- und Brennstoffzellentechnologie(NOW) – und weitere Partnersind gerne gesehen. Mit vereinten Kräften will man den Aufbaueiner flächendeckenden Infrastruktur zur Versorgung mit Wasserstoffin Deutschland prüfen, um die Serienfertigung von Elektrofahrzeugenmit Brennstoffzelle voranzutreiben. Die „H 2 Mobility“-Initiativesieht zwei Phasen vor. In Phase I untersuchen die Mitglieder Optionenfür den bundesweiten Aufbau eines Wasserstofftankstellen-Netzes


Wasserstoff // LINDE TECHNOLOGY #1.1013Wasserstoff zugrunde legen, dann kommen wir bereits heute in dieNähe der Dieselkosten“, so der Betriebswirt. „Bei steigendem H 2 -Bedarf werden die Kosten weiter sinken.“In Hamburg will man auch ein Konzept für die nachhaltigeErzeugung von Wasserstoff testen: Die Elektrolyse zur Produktion desWasserstoffs wird mit einem Windstromprofil gespeist: „Man simuliertalso die Zyklen, mit denen eine Windkraftanlage Energie liefert“,erklärt Bachmeier. „Grüner Wasserstoff“ ist ebenfalls ein wichtigesThema mit dem sich <strong>Linde</strong> Hydrogen Solutions beschäftigt. Dazu verfolgtman viele Ansätze: „Wir sprechen mit Herstellern von Windkraftanlagenebenso wie mit Firmen aus der Solarbranche“, so Tomforde.sowie die Entwicklung eines gemeinsamen, wirtschaftlich tragfähigenGeschäftskonzepts. Bis 2011 will man bis zu 25 zusätzliche Wasserstoff-Tankstellen errichten.Neue Kryopumpe für HochdruckwasserstoffBereits heute bieten die <strong>Linde</strong>-Ingenieure zwei leistungsfähige undhocheffiziente Technologien für die Betankung von Hochdruckwasserstoff:Den ionischen Verdichter und eine neu entwickelte Kryopumpe,die flüssig vorliegenden Wasserstoff in gasförmigen Hochdruckwasserstoffumsetzt. Die Pumpe soll Anfang 2011 in einer Wasserstoff-Tankstelle des CEP-Projekts in Berlin ihre Leistungsfähigkeit im hartenAlltagstest unter Beweis stellen. Auch in Hamburg, neben Berlin diezweite Wasserstoff-Hauptstadt in Deutschland, wird die H 2 -Technologieweiter voran getrieben: So baut Vattenfall mitten in der Hafencityeine moderne H 2 -Tankstelle auf engstem Raum, die vollständig in diebestehende Architektur integriert sein wird – hier kommen die ionischenKompressoren zum Einsatz.„Ein Beispiel dafür, dass unsere H 2 -Konzepte auch in zentralerInnenstadtlage marktreif sind“, erklärt Henning Tomforde, verantwortlichfür Marketing und Marktentwicklung bei <strong>Linde</strong> HydrogenSolutions. Eine der Grundvoraussetzungen, um Wasserstoff in SachenWirtschaftlichkeit zu trimmen, ist für Tomforde die Auslastung einerTankstelle: „Der Kilopreis ist entscheidend.“ Ein B-Klasse F-Cell beispielsweiseverbraucht rund ein Kilogramm H 2 auf 100 Kilometer.„Wenn wir einen derzeitigen Preis von etwa acht Euro pro KilogrammH 2 aus biogenen Rohstoffen<strong>Linde</strong> forscht auch selbst an einer Reihe innovativer Verfahren, umWasserstoff aus biogenen Rohstoffen herzustellen. Ein Beispiel ist dieDemonstrationsanlage zur Produktion von Wasserstoff aus Glycerin,die der Konzern derzeit am Chemiestandort Leuna errichtet. Rohglycerin,das bei der Biodieselproduktion anfällt, ist für die Herstellung vonWasserstoff besonders geeignet. Der dort hergestellte „grüne“ Flüssigwasserstoffsoll unter anderem Busse und Pkw in Berlin und Hamburgversorgen. „Wenn ein Brennstoffzellenauto mit diesem regenerativerzeugten H 2 angetrieben wird, emittiert es 90 Prozent wenigerCO 2 als ein Dieselfahrzeug. Und selbst wenn man konventionell hergestelltenWasserstoff mit Erdgas als Basis verwendet, reduzierensich die Emissionen im Vergleich zu Diesel bereits um 30 Prozent“,so Bachmeier. Für eine flächendeckende Versorgung in Deutschlandgeht <strong>Linde</strong> derzeit von 1.000 Tankstellen aus. „Das wäre ausreichend,um das Henne-Ei-Problem zwischen dem notwendigen Infrastrukturaufbauund einer Serienproduktion von Wasserstoffautos zu lösen“,so der <strong>Linde</strong>-Ingenieur, der die technologischen Voraussetzungendafür bereits gegeben sieht. Bachmeier: „Der Fortschritt ist enorm.Noch vor einigen Jahren waren Betankungszeiten von sieben Minutendas Ziel. Heute füllen wir den B-Klasse F-Cell in knapp drei Minuten.Und der schafft damit 400 Kilometer.“ Sagt es, nimmt den Tankstutzenund versorgt das Wasserstoffauto für die nächste Fahrt.LINK:www.linde.com/hydrogen


LINDE TECHNOLOGY #1.10 // Die Co 2 -Manager14Die co 2 -managerKlimaschutz und KohlekraftNeue Technologien zur Kohlendioxidabscheidung16Sauber durch co 2 -SchneeUmweltfreundliche Reinigung von MetallundKunststoffoberflächen 34Minifabriken aus dem MeerKohlendioxid für die Bioethanol-Produktionaus Blaualgen 22Neue Pipelines für den KlimaschutzCO 2 lässt Gewächshauspflanzen sprießen undfüllt leere <strong>Gas</strong>felder 37Sonnenfänger, extra grünVerbesserte CO 2 -Bilanz bei der Herstellungvon Dünnschicht-Solarzellen 28Eisige EnergiequelleForscher arbeiten am <strong>Gas</strong>e-Tauschhandelunter dem Meeresspiegel 38Saubere Zukunftim Blick:Die CO 2 -Managerder <strong>Linde</strong> Groupzeigen Wege auffür den verantwortungsvollenUmgang mitKohlendioxid.Kein Genuss ohne KohlensäureErst CO 2 macht aus Wasser einen spritzigenDurstlöscher 32Energie im System ErdeEssay: Prof. Reinhard Hüttl, VorstandsvorsitzenderGeoForschungsZentrum GFZ 40


Die Co 2 -Manager // LINDE TECHNOLOGY #1.1015CO 2 -Welt im WandelDie Energieversorgung der Zukunft soll frei von Treibhausgas-Emissionen sein. Mit innovativen Technologien zum CO 2 -Managementtragen die Ingenieure und Techniker der <strong>Linde</strong> Group schon heutedazu bei, den Übergang zu neuen Formen der Energieerzeugung und-nutzung so klimaschonend wie möglich zu gestalten.Kohlenstoff ist der Grundstoff für unser Dasein: Ohne ihn gäbe es keinorganisches Leben auf der Erde. Das Element ist zentral für die Energieversorgungvon Tieren und Pflanzen. Dennoch: Der Klimawandelfordert ein Ende des Kohlenstoff-Zeitalters – weltweit suchen Wissenschaftlernach Alternativen zur Verbrennung von Öl, Kohle und <strong>Gas</strong>.Doch trotz aller Anstrengungen zur Förderung erneuerbarer Energienwerden die fossilen Energieträger wohl noch für Jahrzehnte die dominierendenRessourcen bleiben, um die globale Energieversorgungsicherzustellen.Der Übergang zu regenerativen Energiequellen und einer klimaschonendenMobilität erfordert also vor allem ein sicheres undkosteneffizientes CO 2 -Management. Kohlekraftwerke beispielsweisebelasten das Klima. Aber <strong>Linde</strong>-Ingenieure tragen bereits heute dazubei, dass die Kraftwerke deutlich weniger Kohlendioxid ausstoßenals bisher: mit innovativen Ansätzen zur Verringerung der CO 2 -Emissionenüber Verfahren zur Abscheidung aus dem Rauchgas bis hin zurSpeicherung der klimaschädlichen <strong>Gas</strong>e.Aber nicht nur die reine Reduzierung der Treibhausgas-Emissionensteht auf der Agenda der CO 2 -Manager von <strong>Linde</strong> ganz oben.Ihr Ziel ist auch die umweltschonende, vorteilhafte Nutzung derTreibhausgase, die bei Industrieprozessen unweigerlich heute nochals Abgas anfallen. Oder die Optimierung von Distributionswegen fürCO 2 -Mengen, die beispielsweise die Lebensmittelindustrie zwingendbenötigt.Das Titelthema dieser Ausgabe zeigt vielfältige Beispiele wiedie CO 2 -Manager von <strong>Linde</strong> dafür sorgen, dass Treibhausgase reduziert,sicher gespeichert oder sogar umweltschonend genutzt werden können– weltweit und kosteneffizient.


LINDE TECHNOLOGY #1.10 // Kraftwerkstechnik16Saubermacher:In der Vattenfall-PilotanlageSchwarze Pumpe hilftdas Oxyfuel-Verfahren beider CO 2 -Abscheidung.


Titelthema: Die Co 2 -ManagerKraftwerkstechnik // LINDE TECHNOLOGY #1.1017Neue Technologien für die CO 2 -AbscheidungKlimaschutz undKohlekraftTrotz aller Anstrengungen zur Förderung erneuerbarer Energien: Fossile BrennstoffeBildquelle: VattenfallAutor: Bernd Müller11bleiben noch für Jahrzehnte die wichtigsten Ressourcen für die weltweiteEnergieversorgung. Aber Kohlekraftwerke fast ohne CO 2 -Ausstoß rücken in greifbare Nähe.Mehrere Konzepte sind in der Erprobung, die meisten setzen auch auf Know-howvon <strong>Linde</strong>-Ingenieuren: Neue Ansätze zur Verringerung der CO 2 -Emissionen helfen dabeiebenso wie effiziente Verfahren zur CO 2 -Abscheidung aus dem Rauchgas.So richtig will sie keiner mehr haben, aber weltweit geht es auchnicht ohne: Das Image der Kohle ist im Keller. Denn in Kesseln verheiztund durch Schornsteine gejagt, trägt das schwarze Gold erheblichzum Kohlendioxidausstoß und damit zum Klimawandel bei. DieZahlen des Weltklimarats IPCC klingen dramatisch: Seit 2000 ist derCO 2 -Ausstoß durch Verfeuern fossiler Brennstoffe jedes Jahr um dreieinhalbProzent gestiegen, nicht zuletzt aufgrund der Entwicklung inChina – dort geht jede Woche ein neues Kohlekraftwerk ans Netz.Die Deutsche Energieagentur dena hat errechnet, dass in Deutschlandbis 2030 eine Energielücke von fast 12.000Megawatt installierter Kraftwerksleistung klafftund Deutschland um den Bau neuer, mit fossilenBrennstoffen befeuerter Kraftwerke nicht herumkommenwird. Soll die Energielücke geschlossenwerden, wären rund zwölf zusätzliche Großkraftwerkenötig. Damit dürfte sich der Energiemix inDeutschland, wo Kohle etwa ein Viertel der Primärenergiedeckt, noch weiter in Richtung Kohleverschieben. Statt weniger wird also in den nächstenJahrzehnten mehr Kohlendioxid in die Luft geblasen – wenn nichtTechnologien zum Einsatz kommen, die das verhindern. Und diesewerden gerade erprobt. Kraftwerksbetreiber fassen sie unter demBegriff Carbon Capture and Storage (CCS) zusammen. Die Idee: DasKohlendioxid,fast so rein,dass man damitMineralwassersprudeln könnte.CO 2 wird im Kraftwerk vor oder nach der Verbrennung abgetrenntund unter die Erde gepresst, zum Beispiel in ehemalige Erdgaslagerstättenoder in salzlaugehaltiges Gestein, wo es Jahrtausende eingeschlossenbleiben soll.Wie sich das klimaschädliche <strong>Gas</strong> im Kraftwerk sammelnlässt, wird zurzeit im Industriepark in Schwarze Pumpe in Brandenburguntersucht, wo der Energiekonzern Vattenfall eine Pilotanlagebetreibt. Dort spielt man im Kleinen durch, wie CCS bei Großkraftwerkeneinmal funktionieren soll. Die Anlage verfeuert pro Stunde5,2 Tonnen Braunkohle und erzeugt dabei neunTonnen CO 2 , bei einer Leistung von 30 Megawatt.Das CO 2 wird aufbereitet und ist dannfast so rein, dass man damit sogar Mineralwasseraufsprudeln könnte – in einer Stunde einganzes Schwimmbad. Doch weil so viel Wasserniemand trinken kann, wird das CO 2 verflüssigtund soll dann in Tankwagen in die Altmarksüdlich von Salzwedel gefahren und in einnahezu erschöpftes Erdgasfeld in 3.500 MeterTiefe gepresst werden. Dort unten dient es dem französischen BetreiberGDF Suez als Förderhilfe. Eine andere Speichervariante untersuchtdas GeoForschungsZentrum Potsdam im brandenburgischenKetzin, wo das Klimagas in 600 Meter Tiefe in ein salines Aquifer –


LINDE TECHNOLOGY #1.10 // Kraftwerkstechnik18Titelthema: Die Co 2 -ManagerLuftzerlegungSchaltanlagengebäudeCO 2 -AnlageKesselhaus E-Filter Rauchgasreinigungsanlagenein mit gesättigter Salzlauge gefülltes Sandgestein – gepresst wird.Die Testanlage in Schwarze Pumpe arbeitet nach dem Oxyfuel-Prinzip– einem von drei möglichen Konzepten für ein CO 2 -armes Kraftwerk.Ein Luftzerleger entfernt vor dem Kessel den Stickstoff aus der Luft,die Kohle verbrennt also mit einem Sauerstoff-CO 2 -Gemisch. Vorteil:Das Rauchgasvolumen ist kleiner, weil der Stickstoff fehlt, die hoheTemperatur ermöglicht einen hohen Wirkungsgrad und das CO 2 lässtsich leicht abtrennen.4.600 Tonnen Sauerstoff pro TagDas Kleinkraftwerk dient indes nur als Sprungbrett für größere Projekte.Den nächsten Schritt plant Vattenfall in Jänschwalde in Brandenburg,wo mit sechs Kohlekraftwerksblöcken à 500 Megawatt daszweitgrößte Kraftwerk Deutschlands steht. Dort soll bis 2015 ein Oxyfuel-Kraftwerkmit mindestens 250 Megawatt Leistung gebaut werden.Pro Tag benötigt man dort dann 4.600 Tonnen Sauerstoff, undes fallen 5.650 Tonnen CO 2 an. Jänschwalde ist eines von sechs Projekten,die die EU im Rahmen des CCS-Programms mit insgesamt 1,05Milliarden Euro fördert. Vattenfall erhält für Jänschwalde 180 MillionenEuro – es ist das einzige Projekt in Deutschland. Von den siebenProjekten in der EU setzen zwei auf das Oxyfuel-Verfahren undeines auf das IGCC-Konzept (Integrated <strong>Gas</strong>ification Combined Cycle),das nahezu beliebige kohlenstoffbasierte Brennstoffe in einem vorgeschaltetenVergasungsprozess für eine <strong>Gas</strong>turbine aufbereitet und dasheute schon in chemischen Anlagen zum Einsatz kommt. Die übrigenProjekte arbeiten mit dem Post-Combustion-Verfahren, holen das CO 2also erst nach der Verbrennung aus dem Rauchgas.<strong>Linde</strong> bewirbt sich um einige der geförderten EU-Projekteals Partner. Noch ist nicht entschieden, wo der Konzern zum Zugekommen wird, doch Dr. Gerhard Beysel, der bei <strong>Linde</strong> Engineering inMünchen die Geschäftsentwicklung für Luftzerlegungsanlagen leitet,ist optimistisch: „Dank der Partnerschaft mit Vattenfall in SchwarzePumpe haben wir uns einen technologischen Vorsprung erarbeitet.“Ein Beispiel sind die Lastwechselversuche, die <strong>Linde</strong> in derTestanlage gefahren hat. Große kryogene Luftzerlegungsanlagen inder chemischen Industrie oder der Stahlherstellung liefern eine kontinuierlicheMenge Sauerstoff, indem sie Luft stark abkühlen und verflüssigenund durch Verdampfen bei unterschiedlichen Siedepunktentrennen – wie bei der Alkoholdestillation. Die Leistung eines Kraftwerksschwankt aber mit der Energienachfrage, was bei herkömm-


Titelthema: Die Co 2 -ManagerKraftwerkstechnik // LINDE TECHNOLOGY #1.1019Oxyfuel für Schwarze PumpeSauberer mit sauerstoffAuf dem Gelände des Industrieparks Schwarze Pumpe hat VattenfallEurope eine Pilotanlage zur CO 2 -Abscheidung nach dem Oxyfuel-Verfahren in unmittelbarer Nähe zum Kraftwerk Schwarze Pumpe errichtet.Die Vattenfall-Pilotanlage wird mit Braunkohle befeuertund verfügt über eine thermische Leistung von 30 MW. Die Anlage erzeugtkeinen Strom, sondern stellt indirekt Prozessdampf für Anlagenim Industriepark Schwarze Pumpe zur Verfügung.Technologische Basis ist das Oxyfuel-Verfahren: Dabei wird Kohle ineiner Atmosphäre aus reinem Sauerstoff und CO 2 verbrannt. Das dabeientstehende Rauchgas ist deshalb nicht mit Stickstoff aus der Luftverdünnt und besteht primär aus CO 2 und Wasserdampf. Der Wasserdampfwird mit geringem Aufwand auskondensiert, sodass einhochkonzentrierter CO 2 -Strom übrig bleibt. Das CO 2 kann dann verdichtetund zu einem Speicher transportiert werden.Alle Prozesse im Blick:Ein Mitarbeiter der Vattenfall-Pilotanlage überprüftdie Anzeigen einzelner Prozessschritte.Mit den in Schwarze Pumpe gewonnenen Ergebnissen und Erkenntnissensoll später am Standort Jänschwalde eine Demonstrationsanlagemit einer thermischen Leistung von etwa 250 MW geplant und gebautwerden. Durch dieses Kraftwerk soll die hier verwendete Technologiezur großtechnischen Serienreife geführt werden.Pilotanlage unter Kontrolle:Mit moderner Prozessleittechnik lässt sich dasOxyfuel-Verfahren genau verfolgen.100.000 KubikmeterSauerstoffpro Stundeper Luftzerlegung.lichen Anlagen, die mit Luft beschickt werden, bisher kein Themawar. Bei Oxyfuel-Kraftwerken muss die Sauerstoffproduktion dagegender Stromerzeugung folgen, sonst verpufft zuviel des wertvollen<strong>Gas</strong>es ungenutzt. „Die Lastwechsel haben funktioniert und warensogar schneller als erwartet“, so Beysel. Die Maßnahmen erstreckensich über das gesamte Design der Anlage, auch die Prozessleittechnikwurde bescheunigt.Die Luftzerlegung bei tiefen Temperaturenist seit vielen Jahrzehnten ausgereift undwürde selbst für große Oxyfuel-Kraftwerke ausreichendeMengen Sauerstoff liefern. Ein Strangerzeugt bis zu 100.000 Kubikmeter Sauerstoffpro Stunde. Doch die Sauerstofferzeugung hatauch Nachteile: Bisherige Kalkulationen hattenergeben, dass die Sauerstoffproduktion ineinem Oxyfuel-Kraftwerk ein Drittel der Investitionskosten verschlingtund sogar fast ein Viertel des eigenen Energiebedarfs der Anlage.Die insgesamt bis zu zehn Prozentpunkte, die der Wirkungsgraddurch CCS sinkt, gehen damit zu einem erheblichen Teil auf dasKonto der Sauerstoffversorgung. Deshalb hat man für diese Anwendung,bei der kein hochreiner Sauerstoff benötigt wird, das Verfahrenskonzeptder kryogenen Luftzerlegung so angepasst, dass eineEnergieeinsparung von rund 25 Prozent gegenüber konventionellenVerfahren erreichbar wird.Die Kraftwerksbetreiber hoffen aber auch auf neue Prozesse,die Sauerstoff mit geringerem Energie- und Kostenaufwandliefern sollen. Andernfalls würde die Umrüstung moderner Kraftwerkeauf CCS-Technologie den Kraftwerksparkin Deutschland auf das Wirkungsgradniveau der1960er-Jahre zurückwerfen. Hoffnung gibt derso genannte CAR-Prozess. Das Kürzel steht fürCeramic Autothermal Recovery. Dabei wird Luftbei Temperaturen von 600 bis 800 Grad Celsiusdurch ein Bett aus Perowskit-Pellets geleitet.Perowskit – eine Klasse gemischter Metalloxidewie etwa LSCF, das Oxide von Lanthan, Strontium, Kobalt und Eisenenthält – nimmt bei dieser Hitze erstaunlich große Mengen Sauerstoffauf, während der Stickstoff und die anderen Spurengase ungehindertvorbeiströmen. Ist der Sauerstoffspeicher in den Mineralien voll, wirdCO 2 oder Dampf durch das Bett geleitet, das den Sauerstoff heraus-


LINDE TECHNOLOGY #1.10 // Kraftwerkstechnik20Titelthema: Die Co 2 -Managerlöst und in die Brennkammer des Kraftwerks führt. CAR hat einigeVorteile: Es arbeitet bei niedrigem Druck und die Sauerstoffproduktionlässt sich feinfühlig regeln. Nachteil: Wegen der hohen Temperaturbraucht auch CAR zusätzliche Energie, die ein Brenngas liefernmuss, das der Luft beigemischt wird und das den thermischen Prozessaufrecht erhält.In einem Projekt des Department of Energy der USA hat<strong>Linde</strong> 2006 eine CAR-Testanlage gebaut, die 0,7 Tonnen Sauerstoffpro Tag liefert. Die Versuche ergaben, dass der Energiebedarf etwa30 Prozent geringer ausfällt als bei einem kryogenen Luftzerleger –die Investitionskosten wären sogar um die Hälfte niedriger. Doch diegeplanten Demokraftwerke mit CO 2 -Abtrennung müssen auf dieseVorteile erst einmal verzichten, denn bei der Sauerstoffausbeutehat die Testanlage die gesetzten Ziele nicht erreicht. Statt zwei Prozentnahm das Perowskit nur 0,5 Prozent seines Gewichts an Sauerstoffauf – zu wenig für einen großtechnischen Einsatz. Zwar ließesich die Sauerstoffmenge erhöhen, dann allerdings auf Kosten derMaterialstabilität und Lebensdauer. Die geplante zweite Phase desProjekts, der Bau einer Anlage mit zehn Tonnen Sauerstoff pro Tagund Kopplung mit einem Kohlebrenner, wurde deshalb 2008 vorerstgestoppt. „Wir sind vom Potenzial des CAR-Verfahrens nach wie vorüberzeugt, haben aber festgestellt, dass bei der Materialzusammensetzungnoch weitere Grundlagenforschung nötig ist“, erläutert KrishKrishnamurthy, verantwortlich für Energie-Innovationen in der InnovationManagement Abteilung von <strong>Linde</strong>. Diese Aktivitäten laufennun unter anderem an der University of Arizona und bei den Herstellerndes Perowskits.Post-Combustion-Verfahren im TestOxyfuel-Kraftwerke, die Kohle mit reinem Sauerstoff verbrennen, sinddie hohe Schule der CO 2 -Reduzierung. Doch nicht alles, was technischmachbar ist, wird sich durchsetzen. Dem Ansatz von Oxyfuelund IGCC, bei dem die CO 2 -Abtrennung schon vor der Verbrennungansetzt, steht der klassische Post-Combustion-Ansatz entgegen, beidem das Kohlendioxid nach der Verbrennung abgetrennt wird. Vorden Schornstein wird ein Rauchgaswäscher geschaltet, der das CO 2aus dem Abgas herausholt. Ein wichtiger Vorteil: Am Kraftwerk undam Verbrennungsprozess ändert sich nichts, auch ältere Anlagen lassensich nachrüsten. Tests mit dem Post-Combustion-Verfahren findenseit einem halben Jahr in Niederaußem in Nordrhein-Westfalen statt,wo der Energieversorger RWE ein 1.000-Megawatt-Kohlekraftwerkbetreibt. Für den Test wirdein kleiner Teil des Abgases, der einem Zwei-Megawatt-Kraftwerk entspricht, abgezweigt unddurch einen Wäscher geleitet. In einer Trennsäulesteigt das Rauchgas nach oben, währendvon oben eine Flüssigkeit herunterrieselt.Die enthält Amin, ein chemischer Verwandtervon Ammoniak, das große Mengen CO 2 einfängt. In einem zweitenTurm wird das CO 2 mit Dampf wieder aus der Flüssigkeit ausgetrieben.Die Flüssigkeit ist wieder sauber und gelangt in dem geschlossenenKreislauf zurück in den Wäscher. Die Waschflüssigkeit in Niederaußemliefert die BASF, die <strong>Linde</strong>-Tochter <strong>Linde</strong>-KCA-Dresden hatdie Waschanlage nach den Vorgaben des Chemiekonzerns gebaut. ImCO 2 -Abtrennungaus Rauchgasenhilft bei derErdöl-Förderung.Januar <strong>2010</strong> haben beide Unternehmen vereinbart, die Technologiezur Abtrennung von CO 2 aus Rauchgasen gemeinsam zu vermarkten –insbesondere im Nahen und Mittleren Osten, wo das CO 2 zur Ausbeutungvon Erdölfeldern benötigt wird. Um auch andere Kraftwerke mitder Post-Combustion-Wäsche bestücken zu können, ist <strong>Linde</strong> mit MitsubishiHeavy Industries eine Projektpartnerschaft eingegangen. Derjapanische Konzern hat eine eigene Technologieentwickelt, die auf einer anderen Waschflüssigkeitberuht und die <strong>Linde</strong> in den ausgeschriebenenKraftwerksprojekten in der EU anbietenwird. Für beide CO 2 -Waschverfahren gilt: Sie verbrauchenwegen der Regeneration der Waschflüssigkeitmit heißem Dampf viel Energie, derWirkungsgrad des Kraftwerks sinkt wie bei Oxyfuelum etwa zehn Prozent. „Wir haben noch viel Arbeit vor uns“,so Dr. Bernd Holling, bei <strong>Linde</strong>-KCA-Dresden Leiter der Geschäftsentwicklungfür Chemie- und <strong>Gas</strong>anlagen.Mit Pre-Combustion, Oxyfuel und Post-Combustion haben dieKraftwerksbauer die Wahl zwischen drei Strategien für die CO 2 -Reduzierungim Kraftwerk. Weil alle drei Verfahren Vor- und Nachteile


Titelthema: Die Co 2 -ManagerKraftwerkstechnik // LINDE TECHNOLOGY #1.1021Sicher transportieren und speichern:Kohlendioxid aus dem Rauchgas, das in SchwarzePumpe anfällt, wird per Lkw in die 400 Kilometerentfernte Altmark geschafft und dort in einnahezu ausgebeutetes Erdgasfeld verpresst.haben, liegt der Gedanke nahe, sie so zu kombinieren, dass die Nachteileverschwinden und nur die positiven Effekte übrig bleiben. Genaudiesen Ansatz verfolgt RWE npower in England. Statt die Kohle wiein einem Oxyfuel-Kraftwerk mit einem Gemisch aus CO 2 und Sauerstoffzu verbrennen, nutzt dieser Ansatz ein Gemisch aus Luft undSauerstoff, um den Stickstoffanteil zu verringern, nicht jedoch vollständigaus der Luft zu entfernen. Weil dadurch im Abgas kein reinesCO 2 vorliegt, muss dieses von den restlichen <strong>Gas</strong>en über eine Wäschegetrennt werden. Betreiber künftiger Kraftwerke müssten also zweiAnlagen errichten, die Sauerstoffanlage und den Wäscher. „Berechnungenzeigen aber, dass diese Kombination in bestimmten FällenVorteile haben kann durch geringeren Energieverbrauch und größereFlexibilität“, so Krishnamurthy. <strong>Linde</strong> arbeitet eng mit RWE npowerzusammen, um den Prozess zu optimieren.Technologien zur CO 2 -Abscheidung können also einen wichtigenBeitrag leisten, um den Klimawandel zu zügeln, eine Alternativezu regenerativer Energieerzeugung sind sie dennoch nicht. Dennwegen des Wirkungsgradverlusts muss mehr Kohle verfeuert werden,was nicht im Sinne einer nachhaltigen Energiewirtschaft ist. Außerdemsind CO 2 -freie Kraftwerke bestenfalls CO 2 -arm, denn fünf biszehn Prozent des Kohlendioxids aus der Verbrennung gelangen dochin die Atmosphäre – „andernfalls wäre der Aufwand viel zu hoch“,so Bernd Holling. CCS gilt deshalb unter Experten nur als Brückentechnologie– und ist dennoch unverzichtbar. Das sieht auch ManfredVolker Haberzettel, Konzernbevollmächtigter für Technik, Öffentlichkeitsarbeitund Politik beim Energieversorger EnBW so: „Die Abscheidungund Lagerung von CO 2 ist zwar eine Vergeudung von Ressourcen,aber global gesehen ohne Alternative.“Links:www.vattenfall.com/en/ccs/index.htmwww.encapco2.org/CECD/encap_sp5_fitch.pdf


LINDE TECHNOLOGY #1.10 // Algen22Titelthema: Die Co 2 -ManagerCO 2 als Basis für die Bioethanol-Produktion aus BlaualgenMinifabrikenaus dem MeerAlgen haben besondere Eigenschaften, mit denen sie wichtige Beiträge zum Klimaschutzleisten können: Beispielsweise nutzen Cyanobakterien, auch Blaualgen genannt, CO 2und Sonnenlicht. Daraus produzieren sie Kohlenhydrate, Lipide und Aminosäuren und – inbesonderen Fällen – Bioethanol als Treibstoff und wertvollen Rohstoff für die chemischeIndustrie. <strong>Linde</strong>-Ingenieure entwickeln gemeinsam mit Algenspezialisten von Algenol BiofuelsTechnologien, um die grünen Zellfabriken optimal mit CO 2 -Kraftfutter zu versorgen.Autorin: Caroline ZörleinBildquelle: Photo Researchers / Agentur Focus2 1Die blau-grünen Zellen sind mikroskopisch klein, atmen am liebstenKohlendioxid und trinken Salzwasser. Sauerstoff bedeutet nur störendenAbfall. Cyanobakterien, besser bekannt als Blaualgen, lebendavon, das Treibhausgas CO 2 zu schlucken – und das schon seitmehr als 3,5 Milliarden Jahren: Als die Meeresbakterien die Ozeanebesiedelten und mittels Sonnenenergie Photosynthese betrieben,veränderten sie die <strong>Gas</strong>hülle der Erde entscheidend: Pausenlos perltenSauerstoffbläschen aus den unzähligen Zellenund pusteten nach und nach die Atmosphäremit Sauerstoff auf. Fast jedes zweite Sauerstoffatom,das wir einatmen, verdanken wir den grünenZellfabriken.Forscher interessieren sich heute vorallem für das Innerste der Zellen, ihren Stoffwechsel.Biotechnologen haben Hefe- und Bakterienzellensowie Pilze längst als nützliche, winzigeChemiefabriken entlarvt. Mit biochemischenKatalysatoren, den Enzymen, können sie zahlreicheSubstanzen bilden: Grundstoffe für die chemische Industrieund Treibstoffe, Bausteine für Medikamente oder Nährstoffe undVitamine für Futtermittel. Auch Cyanobakterien, die sowohl im Wasserals auch an Land leben, sind für die Industrie interessant. Wissenschaftlerdes Unternehmens Algenol Biofuels untersuchen undtrainieren beispielsweise den Stoffwechsel der Zellen und regen siealgenfarmenkönnten riesigemengen co 2aufnehmenund bioethanolproduzieren.dazu an, Bioethanol zu produzieren. Der Alkohol soll dann als Kraftstoffoder Rohstoff für die chemische Industrie dienen.Der Vorteil der grünen Minifabriken: Sie brauchen lediglicheine salzige Nährstoffbrühe, Sonnenlicht und CO 2 zum Leben.„Jedes Kohlenstoffatom einer Algenzelle stammt aus dem CO 2 derLuft, das sich zu einem gewissen Anteil im Meerwasser löst undvon der Alge aufgenommen wird“, erklärt Dr. Mathias Mostertz, Bioverfahrenstechnikerund Green Power Managerbeim Innovation Management der <strong>Linde</strong> AG. Umdie Cyanobakterien in sehr großer Menge zu kultivieren,müssen die Lebensbedingungen optimalsein: Sie schwimmen in so genannten Photobioreaktoren.Ihre Nahrung bekommen sie aus derLuft – angereichert mit Kohlendioxid. „Das zusätzlicheKohlendioxid-Futter wirkt bei den Blaualgenwie Dünger“, so Mostertz.Weltweit beschäftigen sich mehr als 150Firmen mit dem Thema Biotreibstoffe aus Algen.Ihre Vision: Weitläufige Algenfarmen kultivieren die Minifabriken inMeerwasser und produzieren den wertvollen Treibstoff. „Die Kohlendioxid-Mengen,die solche Algenfarmen später einmal benötigenwerden, sind immens. Solche Farmen sollen bis zu 20.000 Hektargroß sein und könnten etwa zwei Drittel des CO 2 -Ausstoßes eines1.000-Megawatt-Kraftwerks umsetzen“, so Mostertz.


CO 2 -Fresser: Cyanobakterien,auch Blaualgen genannt,schlucken Kohlendioxid undatmen Sauerstoff aus.Algen // LINDE TECHNOLOGY #1.1023


LINDE TECHNOLOGY #1.10 // Algen26Titelthema: Die Co 2 -ManagerAlgenfarm in derWüste: Die riesigenAlgenfarmender Zukunft könnenin Regionen entstehen,die für einenormale Landwirtschaftnicht nutzbar sind.Die Computersimulationzeigt die geplanteTestanlage füreine Algenfarmin der Sonora-Wüstein Mexiko.gen benötigen Reinigen und Komprimieren der Kraftwerksabgase?Wie lassen sich die Bioreaktoren effizient mit <strong>Gas</strong> beliefern – ohnegroßen Druckverlust für die Pipelinesysteme? „Das ist ein höchstiterativer Prozess“, sagt der <strong>Linde</strong>-Manager. „Die meisten Technologienfür die einzelnen Schritte sind zwar vorhanden, aber fürdas Algenprojekt müssen wir die Prozesse optimieren und anpassen“,so Mostertz.CO 2 dauerhaft bindenDas Ziel der Algenexperten: Sie wollen jährlich bis zu neun Liter Ethanolpro Quadratmeter produzieren. „In unseren derzeitigen Testanlagenliegt die Ausbeute bislang bei gut 5,6 Liter pro Quadratmeterim Jahr“, erklärt Woods. „Durch die Zusammenarbeit mit <strong>Linde</strong> versprechenwir uns eine kostengünstige Versorgung mit CO 2 . Damitre duzieren wir nicht nur die Treibhausgase in der Atmosphäre, sondernliefern auch einen nachhaltigen Rohstoff für Biokraftstoffe unddie grüne Chemie“, so der Algenol-CEO. Ethanol als Kraftstoff zu verwenden,hat zwei Vorteile: Durch das Verfahren wird nicht nur CO 2 ,das bei der Verbrennung entsteht, recycelt und zu Treibstoff umgewandelt.Sondern es lässt sich eine vergleichbare Menge fossilerBrennstoffe ersetzen. Das bedeutet eine negative CO 2 -Bilanz. Und:Ethanol auch als Baustein für die Kunststoffproduktion zu verwenden,führt zu einer dauerhaften Bindung des Treibhausgases, bis das Plastikverbrannt wird.Vor allem die Vorteile der Blaualgen gegenüber der Biospritproduktionaus Getreide sind unschlagbar: Sie fressen nicht nur mehr Kohlendioxidaus der Atmosphäre, sondern produzieren auch mehr Ethanol.Maispflanzen schaffen beispielsweise 0,37 Liter Ethanol pro Quadratmeter.Zudem stehen die Algenfarmen nicht in Konkurrenz zu Nahrungsmitteln.Und da kein Frischwasser benötigt wird, lassen sichFlächen nutzen, die für normale Landwirtschaft ungeeignet sind: EineTestanlage für eine Algenfarm ist beispielsweise in der Sonora-Wüstein Mexiko, an der Grenze zu den Vereinigten Staaten, geplant. Zwarsind die Cyanobakterien nur ein Puzzlestück im Kampf gegen den Klimawandel,aber schon einmal haben sie geholfen, das Leben auf derErde zu revolutionieren.LINKS:www.algenolbiofuels.comwww.ucmp.berkeley.edu


Titelthema: Die Co 2 -ManagerInterview // LINDE TECHNOLOGY #1.1027Kurzinterview„Wir sind sehr erfahreneCO 2 -Manager“Energie, Mobilität, Gesellschaft – der Klimawandel erfordert nicht nur andere Technologien,sondern echte Innovationen, etwa beim CO 2 -Management. „<strong>Linde</strong> <strong>Technology</strong>“ sprach mitDr. Andreas Opfermann, Leiter Innovation Management der <strong>Linde</strong> Group.1Was versprechen Sie sich von Kooperationen wie mit der Algenol Biofuels LLC?Hier verbinden wir die Bereiche Energie/Ressourcen mit dem Klimaschutz. Wenn wir es schaffen,solche Projekte hinsichtlich Technologie und Wirtschaftlichkeit zu realisieren, ist diesnicht nur ein Beitrag zu Ressourcenschonung und Klimaschutz, es eröffnet uns auch großeneue Märkte. Wir verfügen ja bereits über vielfältige Erfahrungen im klassischen Einsatz vonCO 2 als Industriegas wie auch im CO 2 -Handling im Bereich Klimaschutz. Ein Beispiel ist dasOCAP-Projekt (Anm. d. Red.: siehe Seite 37).1Wird es weitere solcher Kooperationen geben?Die Welt von heute ist so komplex geworden, dass bei großen Neuentwicklungen die Zusammenarbeitmit Partnern das beste Vorgehen darstellt. Wir haben ein klares Profil und unsereKernkompetenzen, doch wir wollen diese Stärken gemeinsam mit unterschiedlichen Partnernauf neue Bereiche wie Energie und Klimaschutz ausdehnen. Auch künftig werden wir strategischund gleichzeitig flexibel auf die veränderten Umstände – gerade im Bereich Energie –reagieren. Dabei kann <strong>Linde</strong> auf einen einmaligen Erfahrungsschatz rund um das Thema CO 2 -Management bauen. Wir sind sehr erfahrene CO 2 -Manager.1Was zeichnet <strong>Linde</strong> beim CO 2 -Management besonders aus?Auf diesem Gebiet kann <strong>Linde</strong> seine Stärke in der Kombination zwischen <strong>Gas</strong>es Division undEngineering Division besonders einsetzen. Im Bereich <strong>Gas</strong>e sind wir der weltweit größte CO 2 -Versorger. Für unsere Engineering Division ist das Management von Megaprojekten einebesondere Stärke. Und gerade diese Kombination schafft technologisch und wirtschaftlichinnovative Ansätze, die wir für so ambitionierte Vorhaben wie Carbon Capture and Storage(CCS), „Green Mobility“ und alternative Energieerzeugung benötigen. Die meisten Klimaschutz-Projektesind ja getrieben durch technologische Entwicklungen auf den Gebieten, aufdenen wir seit vielen Jahren schon stark sind, weltweit agieren und gemeinsam mit Kooperationspartnernforschen – Beispiel Wasserstoff als Treibstoff.1Wie schätzen Sie denn das Thema Wasserstoff künftig ein?Nach wie vor äußerst positiv. In den vergangenen Jahren haben wir enorme Fortschritteerzielt. Brennstoffzellenfahrzeuge bieten alle Vorteile einer elektrischen Mobilität kombiniertmit großer Reichweite und schneller Betankung. Jetzt geht es darum, die Kosten entlang derkompletten Produktions-, Distributions- und Nutzungskette für H 2 kontinuierlich zu senkenund Wasserstoff so für eine breite Anwendung als Treibstoff zu öffnen. Und die Voraussetzungendafür waren noch nie so gut wie heute.


LINDE TECHNOLOGY #1.10 // Solarzellen28Spanische Stromfabrik:Die Solarzellen für denParque de Solar Arnedo inSpanien wurden mithilfevon <strong>Linde</strong>-<strong>Gas</strong>en produziert.


TitelThema: Die Co 2 -ManagerSolarzellen // LINDE TECHNOLOGY #1.1029Verbesserte CO 2 -Bilanz von Dünnschicht-SolarzellenSonnenfänger,extra grünBildquelle: <strong>Linde</strong> AGAutor: Tim Schröder11Der Boom der Solarindustrie wurde zwar von der Wirtschaftskrise gebremst, dennochentstehen weltweit neue Produktionsstätten für Photovoltaik-Module. Aber es gilt, die CO 2 -Bilanzbei der Herstellung der Solarmodule weiter zu verbessern. <strong>Linde</strong>-Ingenieure fanden jetzteinen Weg, das extrem klimaschädliche Treibhausgas Stickstofftrifluorid (NF 3 ) zu ersetzen – unddamit die Ökobilanz von modernen Dünnschicht-Solarmodulen signifikant zu verbessern.Photovoltaik ist eine der charmantesten Energieformen. SteigendeWirkungsgrade und sinkende Fertigungskosten machen die Modulezudem auch dort rentabel, wo die Sonne selten scheint. Die Dünnschichttechnologie,eine Material sparende und damit kostengünstigeAlternative zu den klassischen Photovoltaik-Anlagen, soll jetztdie Preise weiter purzeln lassen. Die herkömmlichen Module habenein Herz aus dem Halbleitermaterial Silizium, das man auch für Computerchipsbenötigt. In Fabriken wird das Silizium aber meist aufwendigaus großen Blöcken zu 150 Mikrometer dicken Scheiben,den Wafern, gesägt. Anschließend setzt man ausmehreren Wafern die Module zusammen. DochSilizium ist teuer und deshalb gilt: Wer Siliziumspart, spart Geld.Genau das will man mit der Dünnschichttechnologieerreichen. Bei diesem Verfahren werdenSilizium und andere Halbleitermaterialien ineiner Vakuumkammer verdampft und auf einerGlasplatte zu einer hauchdünnen Schicht abgeschieden. Ganze einbis zwei Mikrometer dick ist diese lichtempfindliche Siliziumhaut –und damit 100-mal dünner als beim klassischen Wafer. In den vergangenenJahren haben mehr als 30 Firmen weltweit das Silizium-Dünnschichtverfahren zur Reife und immer mehr Module auf denMarkt gebracht. Noch ist die Anlagentechnik jung, der Ausstoß geringund der Preis für ein Modul daher nicht viel niedriger als der einesklassischen Wafer-Moduls. Doch das Potenzial ist enorm: Die euro-Dünnschicht-Technologie fürkostengünstigeSolarzellen.päische Vereinigung der Photovoltaik-Industrie EPIA in Brüssel gehtin einer optimistischen Studie davon aus, dass die Photovoltaik imJahr 2020 europaweit 12 Prozent des Strombedarfs liefern kann. DieDünnschichttechnologien sollen dazu dann immerhin bereits ein Drittelbeisteuern.Als regenerative Energiequelle trägt die Photovoltaik natürlichauch dazu bei, den Ausstoß des Klimagases Kohlendioxid (CO 2 )zu reduzieren. Doch es gibt etwas, das den Glanz der jungen Dünnschichttechniktrübt: Für die Herstellung braucht man in den meistenFällen Stickstofftrifluorid (NF 3 ) – ein besondersklimaschädliches Treibhausgas, dessen „Global-Warming-Potential“ rund 17.000-mal größer istals das von Kohlendioxid. Niemand hatte zunächstdamit gerechnet, als es Mitte der 1990er-Jahre imgroßen Stil in der Fertigung von Computerchips,später in der Produktion von TFT-Flachbildschirmenund schließlich in der DünnschichtphotovoltaikEinzug hielt. Heute weiß man, dass sich etwa 16 Prozent derjährlich produzierten 6.000 Tonnen NF 3 in der Atmosphäre anreichern– Tendenz steigend. Wo und wie das NF 3 aus den Industrieanlagenentweicht, ist noch weitgehend ungeklärt. Die US-amerikanischeUmweltschutzbehörde EPA aber hat Alarm gegeben und dieSubstanz in ihre Liste der besonders problematischen Treibhausgaseaufgenommen, und in Deutschland untersucht das Umweltbundesamtderzeit in einer Studie, welche Gefahr von NF 3 im Detail ausgeht.


LINDE TECHNOLOGY #1.10 // Solarzellen30TitelThema: Die Co 2 -ManagerUmweltfreundlicher ReinigungsprozessDie Aufregung um das gefährliche Treibhausgas ist groß, obwohl es inder Photovoltaik-Produktion eigentlich nur eine Statistenrolle spielt,denn: NF 3 ist ein schnödes Reinigungsmittel, mit dem man die Vakuumkammereiner Dünnschichtanlage säubert. Beim Bedampfen setzensich das Silizium und die anderen Halbleitermaterialien nicht nurauf den Glasplatten, sondern auch an den Wänden der Kammer ab.Diese Verunreinigungen stören den fein abgestimmten Aufdampfprozessund müssen deshalb permanent entfernt werden. Hat maneine Glasplatte bedampft, folgt der Reinigungsschritt. Das Stickstofftrifluoridwird in die Kammer gepresst. In Sekundenschnelle reißendie reaktionsfreudigen Fluor-Atome das Siliziumvon den Kammerwänden. Es bildet sich Siliziumtetrafluorid-<strong>Gas</strong>,das einfach abgepumpt wird.Der nächste Aufdampfvorgang kann starten.„Bis vor Kurzem gab es in der Dünnschichttechnologiekeine umweltfreundlicheAlternative“, sagt Andreas Weisheit von <strong>Linde</strong>Electronics, einem Unternehmen der <strong>Linde</strong> AG.Doch im vergangenen Jahr hat der Ingenieur mitseinem Team gemeinsam mit den deutschenDünnschichtphotovoltaik-Firmen Malibu und Masdar PV den Durchbruchgeschafft. Die Kooperationspartner haben zwei Pilotanlagen inBetrieb genommen, die anstelle von NF 3 mit dem gänzlich klimaneutralenFluor (F 2 ) arbeiten. Normalerweise kostet die Umstellung einerAnlage auf ein umweltfreundlicheres Verfahren Geld – aber nicht indiesem Fall: „Wir konnten zeigen, dass der Herstellungsprozess nichtnur umweltfreundlicher, sondern sogar kostengünstiger und schnellergeworden ist“, erklärt Weisheit. Die Firma Malibu, ein Joint-Venture des Energieversorgers E.ON und des Baubedarf-ProduzentenSchüco, hat ein eigenes Forschungslabor, in dem neue TechnologienKlimaneutralesFluor ersetztzukünftigTreibhausgase inder Produktion.entwickelt werden. Hier wurde eine der neuen Pilotlinien installiert.<strong>Linde</strong> lieferte dafür die Kernkomponente: Einen Fluor-Generator, mitdem direkt vor Ort – also On-site – reines Fluor für die Vakuumkammer-Reinigungerzeugt wird.„Die Technik ist etabliert. Seit etwa zehn Jahren liefert <strong>Linde</strong>solche Geräte für Reinigungsprozesse an die Computerchip-Industrie“,so Weisheit. Seit fünf Jahren stehen außerdem den Herstellernvon TFT-Flachbildschirmen besonders große Fluor-Generatoren zurVerfügung, die pro Jahr bis zu 100 Tonnen Fluorgas zur Vakuumkammer-Reinigungliefern. Natürlich sind die Anforderungen einer Dünnschichtphotovoltaik-Anlageim Detail anders: „Zu unseren Aufgabengehörte es, den Fluor-Generator an die neuenErfordernisse anzupassen, sodass er sich leicht indie Produktionslinie integrieren ließ“, sagt Weisheit.Die Ergebnisse können sich sehen lassen:Unter realistischen Produktionsbedingungen liefertdie Fertigungslinie mitsamt Beschichtung undReinigung Dünnschichtelemente von gewohnterQualität. Mehr noch: Dank des Fluor-Generatorsarbeitet die Anlage deutlich schneller als bisher.Der Grund dafür ist, dass reines Fluor chemischreaktiver ist. Die einzelnen Fluoratome sind im gasförmigen F 2 -Molekül,das zwei Atome enthält, deutlich lockerer aneinander gebundenals im NF 3 -Molekül. Die Atome im F 2 -Molekül trennen sich schonbei geringer Energiezufuhr in einzelne geladene Fluor-Ionen auf, diedann mit den Silizium-Ablagerungen an den Vakuumkammer-Wändenreagieren. „Die Geschwindigkeit der Dünnschichtproduktion wirdvon ihrer wichtigsten Komponente, dem Beschichtungsprozess mitsamtder nachgeschalteten Reinigung bestimmt“, sagt Weisheit. „DaF 2 effizienter arbeitet, wird der ganze Herstellungsprozess schneller.Unsere Tests zeigen, dass sich die Reinigungszeit halbiert undHightechfür Sonnenstrom:In Spaniens ersterFabrik für Dünnschicht-Solarzellen setzt manbei der Fertigungder 2,2 mal 2,6 Metergroßen Solarmoduleauf Stickstoff,Wasserstoff und dasklimaneutrale Fluor.


TitelThema: Die Co 2 -ManagerSolarzellen // LINDE TECHNOLOGY #1.1031Der Weg zum sauberen ReinigungsmittelMit dem F 2 -Generator kann Fluor (F 2 ) für Reinigungsprozesse direkt vor Ort erzeugt werden: Als Fluorquelle dient Fluorwasserstoff (HF), der in einerElektrolysezelle in seine Bestandteile zerlegt wird. Das F 2 -<strong>Gas</strong> strömt dann in ein Reinigungssystem, das mit Natriumfluorid-Salz gefüllt ist. So werdeneventuelle HF-Reste herausgefiltert. Dann wandert das F 2 zu einem Kompressor, der das <strong>Gas</strong> auf einen moderaten Arbeitsdruck (ca. 1,5 bar) verdichtet.Ein Puffergefäß sorgt dafür, dass auch bei kurzfristig hohem Bedarf genug F 2 zur Verfügung steht.WasserstoffFluor zurProduktionElektrolysezellePufferbehälterFluorwasserstoff Reinigungssystem Kompressordamit die gesamte Produktion um zehn Prozent verkürzen kann.“Die Experimente an der Pilotanlage zeigen, dass man für die Ionisierungdes reinen Fluor etwa 60 Prozent weniger Energie benötigt als fürStickstofftrifluorid.Meilenstein in Sachen UmweltschutzAuch Masdar PV aus Ichtershausen hat bereits eine Pilotanlage mitF 2 -Generator aufgebaut: „Mit dieser Anlage erreichen wir nicht nurdas zurzeit beste Kosten-Nutzen-Verhältnis. Mit diesem neuen Ansatzsetzen wir außerdem einen Meilenstein in Sachen Umweltschutz“,sagt Rainer Gegenwart, Geschäftsführer von Masdar PV. Denn Fluorist ein chemisch sehr reaktives und korrosives Element, das mit vielenverschiedenen Substanzen reagiert. Die Sicherheitsansprüchean Anlagen, in denen Fluor verwendet wird, sind hoch. Erschwerendkommt aber noch hinzu, dass Fluor als <strong>Gas</strong> in der Regel untereinem relativ hohen Druck von etwa 30 bar gelagert wird. Am Einsatzortwird es über Druckregler auf einen Arbeitsdruck von etwa1,5 bar entspannt. „Ein solches System bedarf vieler Ventile undDruckregler“, sagt Weisheit. „Das sind neuralgische Punkte, an denenes zu Lecks kommen kann.“Bei den F 2 -Generatoren ist man einen anderen Weg gegangen.Das Fluor wird nicht als komprimiertes <strong>Gas</strong> unter hohem Druckangeliefert. Stattdessen stellt die Anlage ihr F 2 selbst her. In einemFass lagert flüssige Fluorwasserstoffsäure (HF). Je nach Bedarf wirdein Teil der Säure zu einer angeschlossenen Elektrolysekammergeleitet, in der die Säure durch elektrischen Strom in die BestandteileWasserstoff (H 2 ) und Fluor zerlegt wird. In einem Reinigungsmodulwird das entstehende Fluorgas gesäubert, anschließend miteinem Kompressor auf einen Arbeitsdruck von 1,5 bar verdichtetund schließlich in die Beschichtungsanlage eingeleitet. Damit immerausreichend F 2 bereit steht, verfügt die Anlage über einen Puffertank.Alle Komponenten sind in einem großen Anlagenschrank eingebautund können so leicht in bestehende Prozesse integriert werden.„Natürlich bleibt ein gewisser Installationsaufwand wie etwadie Anpassung der Beschichtungsanlagen-Software“, sagt Weisheit.Doch der ist überschaubar. Zumal <strong>Linde</strong> Electronics als Betreiber desF 2 -Generators die nötigen Installationsarbeiten übernimmt. Dennochzögern andere Dünnschicht-Hersteller, die Technik einzusetzen. „DieBranche ist jung. Produktive Anlagen laufen meist erst seit wenigenJahren“, so Weisheit. Eine Veränderung des Ablaufs komme für mancheneiner Störung gleich. Doch Weisheit und seine Kollegen habenbereits mit anderen Herstellern Kontakt aufgenommen. Die US-FirmaApplied Materials etwa, einer der weltgrößten Hersteller von Halbleitermaterialien,war an einigen der Experimente mit den Pilotanlagenbeteiligt. Aber noch will man abwarten, ob sich die Fluor-Generatorenbewähren. „Derzeit besteht die Herausforderung darin, die Technik zuqualifizieren, um andere zu überzeugen“, sagt Weisheit.Vom bisherigen Erfolg beflügelt, hat <strong>Linde</strong> gemeinsam mitMalibu und Masdar PV bereits neue Produktionslinien in beidenUnternehmen aufgebaut. Diese sollen jetzt Dünnschicht-Solarzellenim Routinebetrieb herstellen. Es zeichnet sich bereits ab, dass auchdie großen Anlagen erheblich effizienter arbeiten als ihre Vorgänger.Weisheit: „Wer eine klimafreundliche Produktion umweltfreundlicherDünnschicht-Solarzellen wünscht, wird sich früher oder später vomNF 3 verabschieden müssen.“Links:www.recyclingportal.euhttp://linde-electronics.com


LINDE TECHNOLOGY #1.10 // Kohlensäure32Erst CO 2 macht aus Wasser ein prickelndes GetränkKein Genuss ohne KohlensäureOhne Kohlensäure müsste man auf sprudelnde Getränke verzichten. Das Geschäft mit Kohlendioxidist zwar stabil, schwankt saisonal aber erheblich. Um die Kunden in der Getränkeindustrie auch imSommer optimal beliefern zu können, hat <strong>Linde</strong> ein ausgeklügeltes CO 2 -Versorgungssystem aufgebaut.Es gilt als Klimakiller Nummer eins, aber ganz ohne CO 2 hätte dasLeben weniger Frische: Cola schmeckte fad, frisch gezapftes Pils wäreohne Pep und die prickelnde Erfrischung von Mineralwasser nach demSport gäbe es auch nicht. Denn Kohlendioxid reagiert mit Wasser oderanderen Flüssigkeiten zu Kohlensäure und bringt so die Ausgangsstoffezum Sprudeln und Blubbern. Aber die so genannte Getränkekarbonisierunghat noch andere Vorteile: „Das Verfahren stabilisiertauch die Kunststoffflaschen sowie Getränkedosen und verhindertdie Oxidation. Es sorgt also für längere Haltbarkeiten der abgefülltenFlüssigkeiten“, erklärt Klaus Brandl von der <strong>Linde</strong> <strong>Gas</strong>es Division. Prinzipiellgilt: Je höher der CO 2 -Gehalt in Cola oder Wasser, umso mehrbizzelt es und umso haltbarer sind die Getränke. Der Kohlendioxid-Gehalt unterliegt auch geografischen Unterschieden: „Asiaten undAmerikaner mögen mehr Kohlensäure als Europäer“, so Brandl.Leihgabe aus der chemischen IndustrieWie viel CO 2 in den einzelnen Getränken enthalten ist, hängt vonder Rezeptur der Hersteller ab. Das meiste Kohlendioxid dafür stammtaus der chemischen Industrie. Dort fällt das <strong>Gas</strong> bei Syntheseprozessenals Nebenprodukt an. Etwa bei der Ammoniaksynthese, also beider Erzeugung von Stickstoffdünger sowie bei der Ethylenoxid- undWasserstoffproduktion. Während das von Braunkohle-Kraftwerkenerzeugte CO 2 aufgrund seiner Zusammensetzung und Verschmutzungzur weiteren wirtschaftlichen Nutzung schlecht geeignet ist, wird dasRoh-Kohlendioxid aus den oben genannten Anwendungen und Verfahrenin speziellen Anlagen gereinigt und verdichtet. „Wir produzierenaber nicht zusätzliches Kohlendioxid, sondern leihen uns dasProzessgas aus und nutzen es“, erklärt Brandl die Vorteile der Rückgewinnung,„und verzögern so die CO 2 -Emission zeitlich.“ Ein kleiner


1TitelThema: Die Co 2 -ManagerKohlensäure // LINDE TECHNOLOGY #1.1033Autorin: Heidi WahlBildquelle: <strong>Linde</strong> AG1KohlensäurestabilisiertPET-Flaschen,sorgt fürSpritzigkeitund längereHaltbarkeit.Teil des von <strong>Linde</strong> gelieferten <strong>Gas</strong>es kommt aus natürlichen Quellen,während der überwiegende Teil aus Prozesskohlensäure stammt.Unter dem Markennamen Biogon ® versorgt <strong>Linde</strong> allein diedeutschen Getränkehersteller jährlich mit über 160.000 Tonnen flüssigemKohlendioxid in höchster Lebensmittelqualität. Der jährlichePro-Kopf-Konsum an Getränken in Deutschland liegt relativ konstantbei rund 750 Litern. Rund 90 Prozent davon werden in Deutschlandproduziert und abgefüllt. Rund 50 Prozent aller in Deutschland konsumiertenGetränke enthalten Kohlensäure. Davon entfallen auf Biereknapp zehn Milliarden Liter, auf kohlensäurehaltiges Wasser gut elfMilliarden Liter und rund 9,5 Milliarden Liter auf andere karbonisierteErfrischungsgetränke.Konstanter Geschäftsverlauf bei GetränkeherstellernDas Geschäft der Getränkehersteller verläuft seit Jahren recht konstant.<strong>Linde</strong>-Kunden aus diesem Segment verzeichneten sogar einenkontinuierlichen Wachstumskurs. „Im Gegensatz zur Halbleiter- oderStahlindustrie“, berichtet Brandl. Die Getränkeindustrie kämpft miteinem ganz anderen Problem, den Jahreszeiten: Im Sommer trinkendie Leute deutlich mehr Limo, Bier und Mineralwasser als in den Wintermonaten.Brandl: „Es gibt einen Sommerpeak in diesem zyklischen1<strong>Gas</strong>e für gesunde Getränke:Der überwiegende Teil desKohlendioxids, das <strong>Linde</strong> an dieGetränke- und Lebensmittelindustrieliefert, stammtaus chemischen Prozessenund wird in speziellen Anlagengereinigt und verflüssigt –damit Mineralwasser sprudelt.Geschäft.“ In den kalten Monaten verbrauchen die Kunden etwa800.000 Tonnen Flüssigkohlendioxid, in der heißen Jahreszeit müssenVertrieb und Logistik oft innerhalb weniger Tage weitere 200.000 bis400.000 Tonnen für spritzige Getränke in Europa bereitstellen.„Wir starten bereits zu Beginn des Sommers damit, die Tanksvorzufüllen und die Routen für die Betankung der Kunden zu optimieren,sodass die Fahrzeugflotte rechtzeitig bei den Getränkeherstellernankommt – und zwar ohne Umwege, die Geld kosten und zusätzlichesund unnötiges CO 2 beim Transport freisetzen würden“, so der 44-jährigeWirtschaftsingenieur. Das gesamte Supply-Chain-Management– von der Produktion über das Kundentankmanagement mit Datenfernübertragungbis zu einzelnen Flaschen für <strong>Gas</strong>tronomiebetriebe –läuft im Sommer auf Hochtouren.Sichere CO 2 -Versorgung auch im SommerpeakUm die Kapazitäten an den Bedarf der Getränkeindustrie anzupassen,die firmeneigene Flexibilität zu erhöhen und die Versorgungssicherheitfür Kunden auch bei Sommerpeaks zu gewährleisten,synchronisiert und vernetzt <strong>Linde</strong> derzeit seine 19 europäischen Rückgewinnungsstätten.Außerdem baut <strong>Linde</strong> momentan drei weitere CO 2 -Reinigungs- und -Verflüssigungsanlagen: im bayerischen Gendorf, inRouen (Frankreich) und in Jurong Island (Singapur). Das Werk in Rouensoll im ersten Halbjahr <strong>2010</strong> fertig sein. „Mit diesem Standort verbessernund sichern wir insbesondere unser westeuropäisches Kundenversorgungsnetzwerk.Damit gewinnen wir bis zu 70.000 Tonnen mehrpro Jahr“, erklärt Brandl. In Rouen wird Rohgas aus der Düngemittelproduktionweiterverarbeitet. In Gendorf dient die Ethylenoxidproduktionals Ausgangsverfahren für eine sichere und stabile CO 2 -Rückgewinnung;die Anlage geht voraussichtlich im zweiten Halbjahr <strong>2010</strong>in Betrieb. „Mit Rouen und Gendorf kommen wir in Europa auf eineKapazität von deutlich über eine Million Tonnen. Nur so können wireventuelle Engpasssituationen oder den Sommerpeak optimal fürunsere Kunden absichern“, erklärt Brandl. Mit dem Werk in JurongIsland wird <strong>Linde</strong> seine Position auch in Asien weiter ausbauen. InSingapur werden Anfang 2011 die ersten Kohlendioxidtanks gefüllt.Brandl: „Um für unsere Kunden einen optimalen CO 2 -Lieferservicezu gewährleisten, ohne beim Sommerpeak in Lieferproblemezu geraten, ist es für uns entscheidend, in Rückgewinnungsanlagenfür CO 2 in Kundennähe zu investieren, das CO 2 -Netzwerk logistischoptimal zu verbinden und höchste CO 2 -Qualitätskriterien für die Verwendunginsbesondere im Lebensmittelbereich sicherzustellen.“ EineKombination für eine frische Getränkezukunft: Damit Soda weiterhinkräftig sprudelt und das Bier in der Kneipe gezapft werden kann.Links:www.waterquality.de/hydrobio.hw/2CHEM.HTMwww.linde-gas.dewww.food.wi.tum.de/downloads/BWLdGetr.pdf


LINDE TECHNOLOGY #1.10 // Trockeneis34Titelthema: Die Co 2 -ManagerBessere Ökobilanz durch <strong>Linde</strong>-ReinigungsverfahrenStrahlend sauber mit CO 2 -SchneeKohlendioxid ist für spezielle Prozesse in der Industrie inzwischen ein unentbehrlicherHelfer geworden: In Form von tiefkalten Schneepartikeln reinigt CO 2 beispielsweiseKunststoff- oder Metalloberflächen vor der Lackierung besonders effektiv. Das neuartige<strong>Linde</strong>-Verfahren „CRYOCLEAN ® snow“ ist zudem klimafreundlicher und wirtschaftlicherals konventionelle Methoden.Autor: Frank FrickBildquelle: Getty Images11Manchmal schneit es auch in Industriehallen: Fast mit Schallgeschwindigkeitschießen Strahlen aus winzigen Schneekristallen auszwei Düsen, die sich am Arm eines Roboters über ein Kunststoffteilbewegen. Erkennen kann man diesen Strahl aus Luft und gefrorenemKohlendioxid nur als weiß-bläuliches Schimmern, das sich inNichts auflöst. Dabei reißen die winzigen CO 2 -Schneeteilchen Staubund Schmutz von der Oberfläche des Kunststoffteils,das später einmal ein Kühlergrill werden soll und aufdem Weg in die Lackiererei ist. Dort könnten die Verunreinigungenauf der Oberfläche dazu führen, dass derLack nicht richtig haftet und beispielsweise hässlicheBlasen entstehen. Deshalb muss der Kühlergrill zuvorgereinigt werden – eine Aufgabe, die der Roboter mithilfedes CO 2 -Schneestrahls in wenigen Sekundenperfekt bewältigt.Täglich 5.000 Kühlergrills reinigenDie Reinigungsanlage, die täglich von rund 5.000 Kühlergrillsdurchlaufen wird, steht in einer Produktionshalleder Bolta Werke GmbH, rund 20 Kilometer vonNürnberg entfernt. CRYOCLEAN ® snow heißt das Verfahren,entwickelt mit der Hilfe von <strong>Linde</strong>-Ingenieuren. Pro Jahrbenötigt die Anlage mehrere Hundert Tonnen CO 2 . Das verwendeteKohlendioxid wird aber nicht extra erzeugt. „Es fällt als wertvollesNebenprodukt in industriellen Prozessen an und würde normalerweiseungenutzt in die Atmosphäre gelangen“, erläutert Rolf Heninger,Leiter des Segmentes „Plastics & Cryo“ bei <strong>Linde</strong> <strong>Gas</strong>. Ein Beispielfür einen solchen Prozess, bei dem CO 2 unvermeidbar anfällt, ist dieCO 2 aus derchemischenindustrienutzen undautoteilereinigen –ganz ohneorganischeLösemittel.Herstellung von Ammoniak. Auf diesem Grundstoff der chemischenIndustrie beruhen zahllose Produkte: vom Düngemittel über Textilfasernund Lacken bis hin zu antibakteriell wirkenden Medikamenten.Die bisher dominierende Alternative zur neuartigen CO 2 -Schneedusche – das Abwaschen der Kunststoffbauteile mit Wasser,allenfalls mit flüssigem Reinigungsmittel gemischt – sieht nurauf den ersten Blick klimafreundlicher aus. „Powerwash“heißt ein entsprechendes Verfahren, bei demKunststoffbauteile vor einer Lackierung automatisiertgereinigt werden. „Hinsichtlich Klima- und Umweltschutzist CRYOCLEAN ® snow gegenüber dem Powerwash-Verfahrenim Vorteil“, sagt Heninger. Denn beiPowerwash durchläuft ein Bauteil bis zu vier verschiedeneDuschen: Die erste säubert mit 60 GradCelsius warmem, reinigungsmittelhaltigem Wasser.Dann folgen Durchgänge mit herkömmlichem unddemineralisiertem Wasser. Verbliebene Feuchtigkeitund Waschmittelrückstände werden anschließendweggeblasen. Danach muss das Bauteil vorder Lackierung meist noch eine halbe Stunde lang bei80 Grad Celsius getrocknet werden. „Das Heizen desWassers und des Ofens, das Abkühlen, Reinigen und Rezirkulieren desWassers – all das kostet Energie, die heute weltweit zum großen Teilaus Erdgas und Kohle stammt, und bei deren Verbrennung CO 2 freiwird“, so Heninger. Hinzu komme der Verbrauch von Wasser, Ionentauscherharzenfür die Demineralisierung und Reinigungschemikalien.Rechnet man dies alles in die Öko-Bilanz, dann steht das „Abwaschen“gar nicht mehr so sonderlich „grün“ da.


trockeneis // LINDE TECHNOLOGY #1.1035Sauber ohne Lösemittel: Mit CRYOCLEAN® snowlassen sich Autoteile vor dem Lackieren effizient undbesonders wirtschaftlich reinigen. Das Trockeneis-Verfahren säubert die Bauteiloberflächen in einemeinzigen Arbeitsgang und macht organische Lösemittelüberflüssig. Im Vergleich mit konventionellenReinigungsverfahren lassen sich so bis zu39 Prozent Kosten sparen.Falsch wäre es allerdings auch, aus dem Einsatz von recyceltem Kohlendioxidbeim CRYOCLEAN ® -snow-Verfahren zu schließen, dassdiese Reinigungsmethode absolut CO 2 -neutral ist. „Selbstverständlichbenötigt man Energie, um das CO 2 aus den industriellen Quellenabzutrennen, zu verflüssigen und schließlich an seinen Einsatzortzu bringen“, erklärt Heninger. Die Höhe der CO 2 -Emission hängtunter anderem von der Länge des Transportweges ab und davon, obder eingesetzte Strom wie in Deutschland überwiegend aus Kohlekraftwerkenstammt, oder ob etwa wie in Frankreich viele Atomkraftwerkeim Einsatz sind. Für Deutschland liegen die zusätzlichen Emissionenpro Kilogramm eingesetztem Kohlendioxid im Bereich von etwa200 Gramm. „Dieses Ergebnis muss man nun noch auf die gereinigteFläche beziehen und dann mit dem Wert für das Powerwash-Verfahrenvergleichen“, erläutert Heninger. Aus diesem Vergleich gehtdas <strong>Linde</strong>-Verfahren eindeutig als Klimasieger hervor. Abgesehen vonder Klimarelevanz vermeidet CRYOCLEAN ® snow auch den Einsatzorganischer Lösemittel in den Waschflüssigkeiten.Wirtschaftlich und platzsparendWeiterer Vorteil: „Die Reinigung erfolgt in einem einzigen Schritt undbeansprucht wenig Raum“, sagt CRYOCLEAN ® -Projektleiter MartinBlanke. Die vielen Dusch- und Trockenzonen der Powerwash-Anlagebenötigen dagegen viel Platz. Vor allem aber ist CRYOCLEAN ® snowwirtschaftlicher. Das bestätigt auch das Fraunhofer-Institut für Produktionsanlagenund Konstruktionstechnik (IPK), Berlin. Währenddes zweijährigen Verbundprojekts „SchneeLack“, gefördert vom Bundesministeriumfür Wirtschaft und Technologie, wurden die beidenVerfahren direkt miteinander verglichen. Ergebnis: „Dabei waren die


LINDE TECHNOLOGY #1.10 // trockeneis36Titelthema: Die Co 2 -ManagerSauber mit TrockeneisDas CRYOCLEAN ® -snow-System hat ein grundsätzlich neues Funktionsprinzip: Die Trockeneispartikel für die Reinigung werden direkt für denaugenblicklichen Bedarf produziert. Durch das Einspeisen von flüssigem CO 2 in eine speziell ausgelegte Schneekammer werden besonders feste Trockeneispartikelerzeugt und sofort mit Druckluft auf die zu reinigende Oberfläche geschossen: Der Schmutz versprödet, die Haftung lässt nach.CO 2 -SchneepartikelFlüssiges CO 2Pressluftniedrige Geschwindigkeithohe GeschwindigkeitDüsenbewegungSchmutzVorratstankDruckerhöhungssystemfür CO 2Cryoclean ® snowSteuerungermittelten Kosten pro Bauteil für das Powerwash-Verfahren um biszu 39 Prozent höher als für die CO 2 -Schneestrahlreinigung“, berichtenMartin Bilz und Simon Motschmann vom IPK in einer Fachzeitschrift.Heninger und sein Team bei <strong>Linde</strong> taxieren, dass speziell die Investitionskostenbei CRYOCLEAN ® snow um 75 Prozent niedriger liegenals bei einer Powerwash-Anlage. „Und auch, was die Betriebskostenbetrifft, ist unser Verfahren normalerweise günstiger“, so Heninger.Blanke ergänzt: „Außerdem entfällt der große Aufwand für Wasseraufbereitungund Reinigungsmittel-Handling.“Für die CO 2 -Schneedusche wird zunächst flüssiges Kohlendioxidaus einem Tank oder aus Flaschen in eine spezielle Strahlvorrichtungeingespeist. Dort dehnt sich die Flüssigkeit aus und kühltsich dabei ab. In Sekundenbruchteilen entstehen dadurch feste, minus78 Grad Celsius kalte Schneepartikel mit einem Durchmesser vonein bis 100 Mikrometer. Der Strahlvorrichtung wird außerdem nochDruckluft zugeführt. Mithilfe einer Düse beschleunigt diese den CO 2 -Schnee, wobei die erzielte Geschwindigkeit die Reinigungswirkungbeeinflusst.Schmutz wird spröde – Haftkraft sinktZwei der Effekte, auf denen die Säuberung beruht, sind mechanischerNatur: Die CO 2 -Partikel übertragen ihren geschwindigkeitsabhängigenImpuls auf die Oberfläche des jeweiligen Bauteils und entfernendadurch Verunreinigungen. Hinzu kommt noch die Kraft desDruckluftstroms. Allerdings spielt auch ein Temperatureffekt einewichtige Rolle: Durch die Kälte des festen Kohlendioxids versprödetdie Verschmutzung, die sich dann mechanisch leichter zerstörenlässt. Außerdem kühlt die Verschmutzung mehr ab als das Bauteil undschrumpft dabei stärker. Durch die entstehenden Spannungen gehtdie Oberflächenhaftung verloren.Treffen die festen Schneepartikel auf die Bauteiloberfläche, wandelnsie sich direkt in gasförmiges CO 2 um. Bei diesem Vorgang, auch Sublimationgenannt, vergrößert sich das Volumen des Kohlendioxidsschlagartig und es entsteht eine kleine Druckwelle. Auch sie hilft,den Schmutz von der Oberfläche loszureißen.Weitere Einsatzgebiete erschließenMittlerweile setzen zahlreiche Kunststoffverarbeiter auf CRYOCLEAN ®snow: Gereinigt werden neben Kühlergrills beispielsweise Autostoßfänger,hochwertige Pflanzgefäße und Staubsaugergehäuse. DieIndustrie setzt das Verfahren auch für metallische Bauteile ein undentfernt mit ihm beispielsweise Schmauchspuren, die beim Schweißenvon Stoßdämpfern entstanden sind. Schließlich befreit der CO 2 -Schnee auch Gussformen, mit denen Aluminiumbauteile gefertigtwerden, von Trennmittelresten und anderen Verunreinigungen. „Trotzder zahlreichen existierenden Anwendungen sind die Möglichkeitendes Schneestrahlens längst nicht ausgeschöpft“, sagt Heninger.Er ist überzeugt, dass sich das Reinigungsverfahren auch für weitereMaterialien und für die Vorbereitung von Bauteilen fürs Kleben oderSchweißen eignet. Gegenwärtig arbeiten er und sein Team daran, dieReinigungswirkung des automatisierten Schneestrahlens zu erhöhenund damit weitere Einsatzgebiete zu erschließen.LINK:www.linde-gas.com


Titelthema: Die Co 2 -ManagerOCAP // LINDE TECHNOLOGY #1.1037CO 2 für Gewächshäuser und <strong>Gas</strong>felderNeue Pipelines fürden KlimaschutzDie Hälfte der CO 2 -Emissionen einer Ölraffinerie wirdin niederländischen Gewächshäusern zur Förderungdes Pflanzenwachstums genutzt. Jetzt will man dasCO 2 auch in leere Erdgasfelder leiten.Das Klimagas Kohlendioxid ist längst zum Kassenknüller geworden –zumindest in der Gegend um Rotterdam: Die CO 2 -Emissionen einerdort angesiedelten Shell-Raffinerie sind in den Sommermonatenschlicht ausverkauft. „Seit fünf Jahren liefern wir das <strong>Gas</strong> an Gewächshausbesitzer,die damit das Wachstum ihrer Pflanzen beschleunigenund verbessern“, sagt Hendrik de Wit von <strong>Linde</strong>, der das Joint Venturevon <strong>Linde</strong> <strong>Gas</strong> Benelux und der Bauunternehmengruppe Volker-Wessels OCAP (Organisches CO 2 für die Assimilation in Pflanzen) leitet.Durch ein Rohrleitungsnetz von rund 300 Kilometern Länge strömt das<strong>Gas</strong> von der Raffinerie in Hunderte Treibhäuser. Jedes Jahr werden somehr als 350.000 Tonnen Kohlendioxid wiederverwertet. „Und dieGewächshausbetreiber lassen ihre <strong>Gas</strong>öfen kalt, mit denen sie sonstextra Kohlendioxid erzeugen“, berichtet de Wit. Damit werden Emissionenvermieden, die einer westeuropäischen Stadt mit 150.000 Einwohnernentsprechen. Ein weiterer, deutlich kleinerer Teil des Kohlendioxidswird zudem ganzjährig von <strong>Linde</strong> verflüssigt und vor allem andie Lebensmittelindustrie vertrieben.Autorin: Andrea HoferichterBildquelle: <strong>Linde</strong> AG1280.000Tonnen CO 2pro Jahrspeichern.1NordseeWestlandSüd-HollandDelfgauwNord-HollandB-DriehoekWilgenleiTreibhausgas:CO 2 aus einerÖlraffinerie soll viaPipeline vor derniederländischenKüste in leerenErdgasfeldern gespeichertwerden.Bislang versorgtein bestehendesRohrnetzwerkbereits HunderteGewächshäuserund lässt dort diePflanzen sprießen.Allerdings ebbt die Nachfrage nach dem Düngergasdrastisch ab, wenn der Winter Einzug hält. „Inden kälteren Monaten beheizen die Betriebe ihre Gewächshäusermit <strong>Gas</strong>öfen und produzieren so ihr eigenesKohlendioxid“, sagt de Wit. Dann verpufft der Kohlendioxidausstoßder Raffinerie nahezu vollständig in dieAtmosphäre. Das wollen die OCAP-Partner jetzt ändernund den Kohlendioxidüberschuss in leere Erdgasfelder südöstlich vonRotterdam bringen. Eine sehr nahe liegende Idee – im doppelten Sinn:„Die Felder sind nicht einmal 20 Kilometer von der Raffinerie entfernt“,erklärt de Wit. Jedes Jahr könnten sie rund 280.000 TonnenKohlendioxid aufnehmen, und das fast 30 Jahre lang. Wenn in dreiJahren noch ein zweites Feld zur Verfügung steht, steigt die Aufnahmekapazitätsogar auf 400.000 Tonnen. Die Rolle von OCAP: Das Kohlendioxiddurch neue Pipelines zu den ehemaligen Erdgasfeldern zuleiten und es mit Kompressoren für die Lagerung zu verdichten.Zurzeit arbeiten die Verantwortlichen allerdings nicht nuran technischen und baulichen Details ihres Vorhabens. Sie müssenauch an der Akzeptanz feilen. „Die unterirdische Kohlendioxidspeicherungist vielen Menschen einfach etwas unheimlich“,räumt de Wit ein. Mit Informationsveranstaltungen wolleman diese Ängste lösen. Schließlich sei Kohlendioxid weder giftignoch brennbar wie das Methan, das ehemals in den Feldern lagerte.De Wit geht davon aus, dass spätestens 2013 erstmals Kohlendioxidin die leeren Felder strömt und er hat bereitsneue Lagerstätten im Visier: „Langfristig könnte unserPipeline-Netz auch für eine Offshore-Speicherung vonKohlendioxid erweitert werden“, so de Wit. Mehr Speicherkapazitätenkönnten auch deshalb bald gebrauchtwerden, weil es bei einem Kohlendioxid-Lieferantenallein nicht bleiben soll. „Wir wollen künftig auch dieGewächshausbetreiber beliefern können, die im Sommerbisher leer ausgingen“, erklärt de Wit. Schon 2011 wolle OCAPdeshalb eine Bioethanol-Fabrik in das Verteilernetz einbinden, dasjedes Jahr rund 200.000 Tonnen Kohlendioxidabgas liefert. „Allerdingswarten wir noch auf die Genehmigung von Fördermitteln“, sagtde Wit. Sobald diese erteilt ist, wollen sie die Anlage anschließen.Dann werden bei Rotterdam gut 20 weitere Rohrkilometer für denKlimaschutz verlegt.Link:www.turf.msu.edu


LINDE TECHNOLOGY #1.10 // Methanhydrat38Titelthema: Die Co 2 -Manager<strong>Gas</strong>e-Tauschhandel unter dem MeeresspiegelEisige EnergiequelleWärmere Ozeane lassen nicht nur die Polkappen schmelzen. Auch Methaneis, das in riesigenMengen im Meeresboden lagert, taut – und bedroht das Klima. Zusammen mit Partnernentwickelt <strong>Linde</strong> Technologien, um das Treibhausgas zur energetischen Nutzung sicher ausden submarinen Quellen zu bergen und gleichzeitig CO 2 aus Kraftwerken zu speichern.Autorin: Caroline ZörleinBildquelle: Marc Steinmetz / Visum11Unter dem Meeresboden tickt eine Zeitbombe: Methanhydrat. Derzeitnoch in einem Eiskäfig gefangen ist das <strong>Gas</strong> stabil. Dafür sorgender hohe Druck am Grund der Ozeane und die niedrigen Temperaturen.Doch der Klimawandel erwärmt die Meere. Wenn das in porösenSedimenten festgefrorene Methan aus den Ozeanen sprudelt, könntedies den Klimawandel immens beschleunigen. Denn im Vergleich zuKohlendioxid ist das Treibhausgas Methan etwa 23-mal so schädlich.Der Klimakiller entweicht zwar auch aus Rindermägen und Mülldeponien,die weitaus größten Vorkommen aber lagern im flachen, küstennahenMeeresboden, den Schelfregionen sowie inden Permafrostböden.Riesige Methanvorkommen weltweitAber Methan hat nicht nur Schattenseiten: So schädlichdas <strong>Gas</strong> in der Atmosphäre ist, so nützlich ist es alsEnergiequelle. Erdgas besteht zum größten Teil aus demfarb- und geruchlosen Methan. Verbrennt man es, sinddie CO 2 -Emissionen viel geringer als beim Verfeuernvon Kohle und Erdöl. Über den Globus verteilt vermuten Geowissenschaftlerund Meeresforscher riesige Vorkommen an Methaneis, die sichfür die Energieversorgung nutzen ließen. Allerdings kann man den methanhydrathaltigenSchlamm und größere Methaneis-Brocken nicht einfachaus dem Wasser ziehen. An der Luft ist der Druck zu gering und dieTemperaturen zu hoch: Das Methan befreit sich mit Knistern, Knackenaus seinem eisigen Käfig. Blitzschnell entweicht es in die Atmosphäre.Aber nicht nur die Instabilität des Hydrats macht eine Nutzungdes Methans schwierig. Auch die Sedimente reagieren empfindlich,wenn sich das <strong>Gas</strong> verflüchtigt. „Beim Übergang von festem zuMethan imMeeresbodensoll durchCO 2 ersetztwerden.gasförmigem Methan kommt es zu einer knapp 170-fachen explosionsartigenVolumenvergrößerung“, sagt Dr. Christoph Windmeier,Verfahrenstechniker in der Forschung und Entwicklung bei <strong>Linde</strong>.Passiert das im großen Maßstab, können gewaltige Erdmassen abrutschen:Das geschah vor 8.000 Jahren bei der so genannten Storegga-Rutschung an der norwegischen Küste. Die 20 Meter hohe Flutwelleschwappte bis nach Schottland – die Zerstörungskraft eines solchenTsunamis hätte auch heute dramatische Auswirkungen.Wie man die Methanhydrate als Energiequelle nutzbarmachen könnte, ohne die Sedimente zu destabilisieren,erarbeiten Forscher aus Wissenschaft und Wirtschaft.Unter dem Projektnamen SUGAR (Submarine<strong>Gas</strong>hydrat-Ressourcen) fördert das deutsche Bundesministeriumfür Wirtschaft und Technologie sowiedas Bundesministerium für Bildung und Forschungmit 13 Millionen Euro Technologien zur Gewinnungder Hydrate. 30 Partner aus Wirtschaft und Wissenschaftbeteiligen sich – ihr Ziel: Technologien zu entwickeln,um Methan aus maritimen Hydraten zu fördern. Im Gegenzugsoll Kohlendioxid aus Kraftwerken und anderen industriellen Anlagenim Meeresboden gespeichert werden. „Seit Mitte 2008 arbeitenwir zusammen mit unseren Projektpartnern unter der Federführungdes Kieler Leibniz-Instituts für Meereswissenschaften zusammen“,erklärt Dr. Robert Eckl, Projektleiter in der Verfahrenstechnischen Entwicklungbei <strong>Linde</strong>. „Unser Part in diesem Forschungsprojekt ist es,Technologien für die Produktion, die Pelletierung und den Transportdes Methanhydrats von der Offshore-Plattform zu entwickeln“,sagt Eckl.


Methanhydrat // LINDE TECHNOLOGY #1.1039Methanhydrat: Energie im KäfigDie tatsächlichen Vorräte der energiereichenMethaneis-Klumpen lassensich nur schätzen. Wissenschaftlernehmen an, dass die weltweitenMethanhydrat-Reservoire eine größereEnergiequelle darstellen alssämtliche bekannten Lagerstätten vonKohle, Öl und Erdgas zusammen.Das energiereiche Eis enthält Methanund Wasser – im Verhältnis eins zusechs. Wie in einem kristallinen Käfig,einem so genannten Clathrat, umhüllenWassermoleküle das Methan.Die <strong>Gas</strong>hydrate bilden sich nur beihohem Druck – ab etwa 50 bar – undniedrigen Temperaturen von zweibis vier Grad Celsius. Lässt der Drucknach oder wird es wärmer, kann dasMethan aus seinem eisigen Käfig verdampfen.Das <strong>Gas</strong> lässt sich entzündenund das „Eis“ scheint zu brennen.Das Ziel ist letztlich, das eine <strong>Gas</strong> gegen das andere auszutauschen:Anstatt Methan soll dann ein CO 2 -Molekül im Eiskäfig gehalten werden.Der Vorteil: Das Kohlendioxid-Pendant ist wesentlich stabiler.Dieser <strong>Gas</strong>austausch würde nicht nur die Sedimente schonen, sondernCO 2 ließe sich als Hydrat-Komplex auch sicher speichern. Der„einfache“ Tauschhandel ist aber ein kompliziertes Unterfangen: DieProjektpartner müssen detailliert herausfinden, wo lohnenswerteHydrat-Lagerstätten vorhanden sind und die Gestein- und Sedimentstrukturcharakterisieren.Je nach Menge: Pipeline oder SchiffstransportDenn längst nicht alle Methanhydrat-Depots kommen in Frage: „Umdie geologischen Formationen nicht zu destabilisieren, lassen sich nurMethaneis führende Schichten nutzen, die unter ausreichend dickenSedimenten lagern“, sagt Eckl. Die größten Methanhydrat-Vorkommenfinden sich an den Kontinentalrändern: „An den Schelfregionenist zum einen ausreichend hoher Druck vorhanden, zum anderen istdie Temperatur aufgrund der geothermischen Aktivität der Erde nochgering“, erklärt Windmeier.Beim SUGAR-Projekt soll CO 2 in den Meeresboden gepresstund über eine zweite Bohrung gasförmiges Methan auf einer Offshore-Plattformgefördert werden. Nach diesem Prozessschritt kommendie <strong>Linde</strong>-Experten ins Spiel. „Ob sich beispielsweise eine Pipelineoder eher eine Verflüssigung des Methans lohnt, entscheidet dieEntfernung zur Küste“, sagt Eckl. Aber auch die Kapazität der Quellen,also die mögliche <strong>Gas</strong>fördermenge, spielt eine große Rolle.„Gerade bei kleineren und mittleren Mengen pro Bohrung bietet sich– im Gegensatz zu Pipelines oder dem Verflüssigen – der so genanntePellettransport an“, erklärt Eckl. Dabei soll das zu Tage geförderte<strong>Gas</strong> direkt wieder in Methaneis überführt werden. Wie Schneebällein Kapselform ließen sich die <strong>Gas</strong>hydrate dann einfach per Containerverschiffen.Der Vorteil dieses Ansatzes: Der Kühlaufwand der Pellets istbei minus 20 Grad Celsius wesentlich geringer als beispielsweisebeim Verflüssigen des Methans. Denn dazu wären etwa minus 160Grad Celsius notwendig. Die Pelletproduktion spart bis zu einem Drittelan Energie. „Allerdings“, gibt Windmeier zu Bedenken, „schlepptman eine ganze Menge Wasser mit. Denn auf ein Methanmolekülkommen sechs Wassermoleküle. Und diesen zusätzlichen Arbeitsaufwandmüssen wir in unserer Bilanz berücksichtigen.“ Deswegen prüfendie <strong>Linde</strong>-Experten geeignete Technologien und entwickeln Konzepte,die sich auf großtechnische Maßstäbe – wie im SUGAR-Projektanvisiert – übertragen lassen.Und auch für andere Rohstoffquellen ist der effiziente Transportvon Methanhydrat-Pellets interessant: „Wenn klassische <strong>Gas</strong>feldernur noch geringe Förderraten haben, lohnt sich meist keinePipeline. Hier könnte eine Technologie, die flexibel einsetzbar ist,eine praktische Lösung sein“, sagt Eckl.LINK:www.sugar-projekt.de


LINDE TECHNOLOGY #1.10 // Essay40Titelthema: Die Co 2 -ManagerEssayEnergie im System Erde –der Weg zur NachhaltigkeitUnser Energiesystem muss nachhaltig umgebaut werden, umden Energiebedarf einer wachsenden Weltbevölkerungdecken zu können. Übergangstechnologien wie die geologischeSpeicherung von Kohlendioxid könnten uns helfen, Zeit zugewinnen, sagt Professor Dr. Dr. h.c. Reinhard Hüttl, Vorstandsvorsitzenderdes Deutschen GeoForschungsZentrums GFZ.Geoforscher: Professor Dr. Dr. h. c. Reinhard Hüttl leitet dasGeoForschungsZentrum Potsdam und ist unter anderemwissenschaftlicher Berater der Hightechstrategie Klimaschutz des deutschenBundesministeriums für Bildung und Forschung (B<strong>MB</strong>F).Die Herausforderung für die Forschung ist gewaltig. Bei einem nichtunwahrscheinlichen Wachstum der Spezies Mensch auf neun Milliardenbis zum Jahr 2050 müssen wir rational mit unserem Planetenumgehen. Das Rohstoff- und Platzproblem der nächsten Generationenlässt sich nur dann verträglich lösen, wenn wir unsere damitverbundenen, unvermeidlichen Eingriffe in das System Erde zumindestansatzweise verstehen.Und besonders das Thema „Energie“ muss uns deshalb alle angehen.Denn es ist offensichtlich, dass der heutige ungebremste Rohstoff-und Energieverbrauch langfristig nicht möglich sein wird. DenGeowissenschaften kommt dabei eine Schlüsselrolle zu, denn die unszur Verfügung stehende Energie – konventionell oderregenerativ – stammt aus dem System Erde. Ein Blickauf die Energiebilanzen der Industrieländer zeigt,welch geringe Energieeffizienz wir uns bis heuteleisten. Effizientere Verwendung der Energie ist diebeste Möglichkeit, Energie zu sparen.Die Forschung zum Thema Energie am DeutschenGeoForschungsZentrum GFZ umfasst einenweiten Bereich. Wie bilden sich Lagerstätten energetischerRohstoffe, wo finden sie sich, welche tektonischenProzesse liegen dem zugrunde? Was ist Geothermie? SindMethanhydrate oder <strong>Gas</strong> aus Schiefergestein künftige Energiequellen?Wohin mit dem CO 2 ? Neuere Schätzungen gehen davon aus,Effizienzsteigern: Derbeste weg,Energiezu sparen.dass „brennendes Eis“, also <strong>Gas</strong>hydrate, eine zukünftige Energiequellesein könnte, die quantitativ noch entschieden größer ist als diegesamten Erdölvorräte. Diese Methanhydrate bilden sich bei hohemDruck und niedrigen Temperaturen vor allem in den marinen Sedimentenan den Kontinenthängen. Solche Hänge sind aber potenziellinstabil. Es besteht bei Förderung durchaus die Möglichkeit von untermeerischenHangrutschungen. Die aufgrund natürlicher Prozesse ausgelösteStoregga-Rutschung am Kontinentalschelf von Norwegen voretwa 8.000 Jahren erzeugte einen gewaltigen Tsunami. Die Geowissenschaftenuntersuchen derzeit diese Zusammenhänge, um Risikoabschätzungenvornehmen zu können.Fest steht: Nach allen seriösen Berechnungenwerden fossile Brennstoffe zumindest in absehbarerZukunft noch einen wesentlichen Bestandteil derWeltenergieversorgung darstellen. Damit sind unvermeidlicherhebliche CO 2 -Emissionen verbunden, diezur Klimadynamik beitragen. Im brandenburgischenKetzin untersucht das GFZ an einem weltweit einzigartigenForschungsstandort, ob sich Kohlendioxidin den Poren eines salzwasserführenden Sandsteinsin etwa 650 Metern Tiefe speichern lässt. Mit demweltweit umfangreichsten Überwachungssystem für ein solches Forschungsprojektwird direkt am Ort der Injektion beobachtet, wie sichdas Kohlendioxid unterirdisch verhält.


1Titelthema: Die Co 2 -ManagerEssay // LINDE TECHNOLOGY #1.1041Bildquelle: Getty ImagesEine weitere mögliche Deponie für die geologische Speicherung vonCO 2 sind weitgehend leergeförderte Erdöl- oder Erdgas-Lagerstätten.Im CLEAN-Projekt in der Altmark untersuchen GFZ-Wissenschaftlerdieses Verfahren. Die Speicherung von CO 2 in solchenFormationen hat zugleich den Vorteil, dass dieKohlenwasserstoffe in den Lagerstätten durch denmit der CO 2 -Injektion erhöhten <strong>Gas</strong>druck besser ausgefördertwerden können.Allerdings handelt es sich hier noch nichtum industriell anwendbare Verfahren zur geologischenCO 2 -Speicherung. Viele Fragen sind noch zubeantworten: Verstehen wir die physikalischen, chemischen,biologischen Prozesse bei der Speicherung?Können wir Ausbreitung und Verhalten des Kohlendioxidsim Untergrund überwachen? Können wir die Vorgänge quantitativmodellieren? Wie rein muss das injizierte CO 2 sein? Was passiertmit den verdrängten Tiefenfluiden? Können wir die Speicherkapazitätenabschätzen und bewerten? Und mit welcher Sicherheit sindLeckagen auszuschließen?Zumindest für große Punktquellen wie Kraftwerke, Zement-,Stahl-, Zucker- und Papierindustrie und Petrochemie wäre die Abtrennungund geologische Speicherung von CO 2 ein Weg zu einer Minderungder CO 2 -Atmosphärenbelastung. Sollte sich dieser Weg alsgangbar erweisen, wäre damit ein Reservoir gefunden, in dem sichÜbergangstechnologienhelfen, Zeitzu gewinnenbeim Systemumbau.beträchtliche Mengen dieses Treibhausgases speichern ließen, undzwar weltweit. So könnte sich über diese Technologie vor allemeine Option für die sich entwickelnden Volkswirtschaften Asiens undAfrikas eröffnen, denn diese Gesellschaften werdennoch auf längere Zeit ihre einheimischen Kohlevorrätenutzen.Energie ist die Schlüsselgröße für die Entwicklungmoderner Gesellschaften und ihrer jeweiligenwirtschaftlichen Strukturen. Eine nachhaltige und nurauf regenerativen Quellen beruhende Energieversorgungwird sich global nicht in wenigen Jahren aufbauenlassen. Zur Zeit basieren über 80 Prozent derWelt-Energieversorgung auf fossilen Energieträgern.Übergangstechnologien wie die geologische Speicherungvon Kohlendioxid können uns helfen, Zeit zu gewinnen, umden notwendigen Umbau des Energiesystems zu bewerkstelligen.LINKs:www.gfz-potsdam.dewww.clean-altmark.org


LINDE TECHNOLOGY #1.10 // HELIOX42Medizinisches <strong>Gas</strong>egemisch erleichtert die AtmungPer Pipeline ansPatientenbettIm St. Peter’s Hospital in Chertsey, Großbritannien, wird das <strong>Gas</strong>egemisch Heliox überein Rohrleitungssystem direkt auf die Intensivstation geliefert. Heliox wird eingesetzt, umPatienten mit schweren Atemwegsverlegungen die Atmung zu erleichtern.Autor: Michael KömpfBildquelle: Bertram Solcher / laif2 1Bevor <strong>Gas</strong>e oder <strong>Gas</strong>egemische für medizinische Anwendungen inden Handel kommen, müssen sie als Medikament zugelassen sein.Im Rahmen des Zulassungsprozesses muss die Herstellerfirma nachweisen,dass das Produkt sicher und wirksam ist, und dass bei derHerstellung, Handhabung, Abgabe an die Patienten und Bewerbungdieser <strong>Gas</strong>e die Bestimmungen des Arzneimittelgesetzes eingehaltenwerden. Dokumentierte, randomisierte klinische Studien, in denendas <strong>Gas</strong> an Freiwilligen erprobt wird, sind Teil des Zulassungsprozesses.Das <strong>Gas</strong>egemisch Heliox 21 (79 Prozent Helium, 21 Prozent Sauerstoff)von <strong>Linde</strong> Healthcare besitzt eine pharmazeutische Zulassungin Großbritannien, Nordirland und Australien.Heliox 21: Ein<strong>Gas</strong>egemischaus 79 ProzentHelium und21 ProzentSauerstoff.Zum jetzigen Zeitpunkt ist Heliox in denrestlichen Ländern der Welt noch nicht zugelassen.Das liegt daran, dass entweder die Zulassungnoch nicht beantragt wurde oder, dass denzuständigen Stellen des jeweiligen Landes Nachweisefehlten, um die Zulassung zu erteilen. InLändern ohne Zulassung entscheidet der behandelndeArzt in eigener Verantwortung, ob Helioxeingesetzt wird.Das Arzneimittelgesetz untersagt <strong>Linde</strong>und allen <strong>Linde</strong>-Mitarbeitern, außerhalb Großbritanniens, Nordirlandsund Australiens aktiv für den Gebrauch von Heliox zu werben.Es ist jedoch nicht verboten, zu erläutern, wie es von Ärzten in Großbritannieneingesetzt wird. Ein Beispiel ist Dr. Ian White: Der Intensivmedizineram St. Peter’s Hospital in Chertsey, Großbritannien, istvon Heliox überzeugt. Für ihn ist die Behandlung mit Heliox inzwischenRoutine. Von den rund 500 Patienten, die jedes Jahr auf seineIntensivstation kommen, werden ein bis zwei pro Woche mit Helioxbehandelt. Manche bekommen das <strong>Gas</strong>egemisch nur für einige Stundenverabreicht, andere bis zu zehn Tage – je nachdem, wie gut siesich erholen, und wie lange sie auf eine Unterstützung zur Erleichterungder Atmung angewiesen sind.Den Flaschenwechsel sparenSeit kurzem können auch Dr. White und seine Assistenten ein wenigaufatmen. Bisher mussten sie die Zehn-Liter-Zylinder, in denen das<strong>Gas</strong>egemisch an die Betten der Patienten transportiertwurde, von Hand austauschen. Manche Patientenbenötigen 24 Flaschen pro Tag. Seit Mitte 2009ist das ständige Wechseln von Hand jedoch nichtmehr notwendig, denn es wurde eine Pipeline installiert,die das <strong>Gas</strong>egemisch direkt bis zum Patientenbettleitet.Die Pipeline endet direkt auf der Intensivstation,genau dort, wo das <strong>Gas</strong> gebraucht wird, umzum Beispiel einen Patienten im Status Asthmaticuszu behandeln, das heißt während einer lang andauerndenAsthmaattacke, bei der die übliche Medikation des Patientennicht anspricht. Bei einer Asthmaattacke verkrampfen sich die Muskelninnerhalb der Bronchien, sodass die verbrauchte Luft kaum nochaus der Lunge entweichen kann. Die Schleimhäute der Atemwegeentzünden sich, schwellen an und beginnen, einen zähen Schleim zuproduzieren, der das Atmen stark erschwert. Asthmaattacken hören


Intensivmedizin: Patienten,die unter Atemnot leiden, brauchenschnell Hilfe. Auf der Intensivstationdes St. Peter’s Hospital in Großbritannienhilft das <strong>Gas</strong>egemischHeliox bei der <strong>Linde</strong>rung.Heliox // LINDE TECHNOLOGY #1.1043


LINDE TECHNOLOGY #1.10 // Heliox44nicht von selbst, also ohne Behandlung, auf und wenn die üblichenMedikamente nicht ansprechen, entwickelt der Patient starke Angstgefühle.Krämpfe machen das Atmen schwer„Vom Patienten wird dieser Angstzustand als sehr bedrohlich empfunden“,sagt der Intensivmediziner Timothy Gould vom Bristol RoyalInfirmary in Bristol, Großbritannien. „Wenn die Bronchialkrämpfeheftiger werden, können selbst Asthmasprays oder eine Sauerstofftherapiekaum noch etwas ausrichten. Denn um zu wirken, müssen dieMedikamente erst einmal in die Lunge gelangen. Die Bronchialkrämpfewährend einer Asthmaattacke machen das Atmen jedoch sehr anstrengendund ermüden den Patienten sehr schnell, sodass die Wirkstoffekeine Chance bekommen, ihre Wirkung zu entfalten“, so Gould.Er und einige andere Ärzte haben jetzt herausgefunden, dassstatt Extra-Luft oder Sauerstoff das <strong>Gas</strong>egemisch Heliox verabreichtwerden kann. „Die Wirkung ist wirklich erstaunlich“, sagt Dr. Gould.„Schon nach den ersten paar Atemzügen geht es den Patienten sichtlichbesser. Dank Heliox können Sauerstoff und gasförmige Medizinauch bei starken Bronchialkrämpfen effektiv in die Lunge ein- undwieder ausgeatmet werden. Der Patient wirkt sofort angstfrei, da erauf einmal wieder viel freier atmen kann. Diese Therapie wurde inunserem Krankenhaus inzwischen so zur Routine, dass wir auf unsererIntensivstation jetzt viel weniger Asthmatiker beatmen als vor derAnwendung von Heliox. Nach mehreren Stunden haben sich die meistenPatienten so weit erholt, dass sie wieder normal atmen können.Wenn sie aufgrund ihres schlechten Zustands weitere Beatmungbrauchen, führen wir über ein Beatmungsgerät weiter Heliox zu, bisdie Bronchialkrämpfe auf konventionelle Therapien ansprechen.“Helium ist nach Wasserstoff das chemische Element mit dergeringsten Dichte. Wird es, wie bei Heliox, mit 21 Prozent Sauerstoffgemischt, hat das <strong>Gas</strong> nur ein Viertel der Dichte normaler Luft. Aufgrunddieser physikalischen Eigenschaft strömt das <strong>Gas</strong> mit deutlichgeringerem Widerstand durch eine Verengung der Atemwege undlässt sich auch vier Mal leichter ein- und ausatmen. „Genau diesephysikalische Eigenschaft ist für Asthmatiker entscheidend“, erklärtGould. „Bei ihnen ist die Lunge nämlich sehr wohl in der Lage, Sauerstoffaufzunehmen, das Problem ist aber zum einen, dass sie nichtkräftig genug einatmen können. Zum anderen haben sie Schwierigkeitenbeim Ausatmen, da sich die Bronchien bei einem schwerenAsthmaanfall stark verkrampfen und dabei so eng werden, dass dieverbrauchte Luft kaum noch entweichen kann. Vergeblich versucht


Heliox // LINDE TECHNOLOGY #1.1045Heliox kann helfen, den Zustandbei Patienten mit Atemnot zustabilisieren, um damit Zeit zugewinnen für andere Therapien.1Zentrale Versorgung:Über ein Rohrleitungssystem – demersten dieser Art in Großbritannien –gelangt das <strong>Gas</strong>egemisch Heliox vonseinem Lagerort in einem anderen Teildes Krankenhauses direkt zur Intensivstation.Dadurch wird auf der Stationkostbarer Platz gespart. Dank derneuen Pipeline steht das <strong>Gas</strong>egemischnun jederzeit zur Verfügung, und aufden Stationen müssen keine Flaschenmehr ausgewechselt werden. Helioxist ein gebrauchsfertiges Mischgasaus 79 Prozent Helium und 21 ProzentSauerstoff. Es erleichtert Patientenmit schweren Atemwegsverlegungendie Atmung.der Körper dann, das als Abfallprodukt beim Stoffwechsel entstehendeKohlendioxid aus dem Körper zu entfernen. Mit Heliox dagegenkann die verbrauchte Luft die Lunge wieder leichter verlassenund damit Platz für frischen Sauerstoff schaffen.“Zeit gewinnen für andere TherapienGanz ähnlich reagiert der Körper mitunter auf implantierte Stents –fingernagelgroße Röhrchen, die in die Lunge eingebracht werden,um Patienten das Atmen zu erleichtern. Diese Stents werden bei Patienteneingesetzt, deren Atemwege durch eine chronische Entzündungbeschädigt und bei denen Teile der Lunge vom <strong>Gas</strong>austauschabgeschnitten sind. Wie nach einer Tumoroperation sind die Bronchiennach einer solchen Implantation häufig so stark verengt, dassdie Betroffenen kaum noch Luft bekommen. „Wenn dies der Fall ist,beatmen wir auch diese Patienten mehrere Stunden lang mit Heliox“,sagt Gould und macht dabei eines deutlich: „Das <strong>Gas</strong> selbst heilt dieKrankheit nicht. Es hilft uns aber, den Zustand des Patienten zu stabilisieren.Damit gewinnen wir wertvolle Zeit, in der andere Therapienanfangen können zu wirken.“Wie kostbar diese „hinzugewonnene“ Zeit sein kann, hatGould vor einigen Jahren bei der Behandlung einer 17-jährigen Patientinerlebt. Durch eine Krankheit namens Wegener-Granulomatosewar ihr Lungengewebe massiv beschädigt. In ihre Lunge hatte manbereits einen Stent eingesetzt, doch innerhalb eines Jahres war dasGewebe um das Röhrchen so stark gewuchert, dass das Röhrchenfast komplett geschlossen war. „Der Schock kam, als wir sie an einenormale Beatmungsmaschine anschließen mussten“, erinnert sichGould. „Es half nicht mehr. Das <strong>Gas</strong> kam einfach nicht mehr aus ihremKörper heraus.“ Die entscheidende Wende brachte Heliox. Ab diesemMoment konnte die junge Patientin wieder atmen und die Ärztekonnten endlich beginnen, das Gewebe um den Stent herum so zuoperieren, dass die Öffnung des Röhrchens wieder groß genug war.Sieben Tage lang inhalierte das Mädchen ausschließlich das <strong>Gas</strong>egemisch.LINK:www.ashfordstpeters.nhs.uk


LINDE TECHNOLOGY #1.10 // Elektronikproduktion46Bleifreies Löten in der ElektronikindustrieWellenbad inStickstoff-AtmosphäreElektronik besteht nicht nur aus Mikrochips. Platinen in Flachbildschirmen oder MP3-Playernsind auch bestückt mit Widerständen, Kondensatoren und Spulen. <strong>Linde</strong>-Technologie sorgt dabeifür eine optimale Lötverbindung – bleifrei, kostengünstig und dauerhaft.Autor: Frank FrickBildquelle: Corbis; Getty Images1163/37 – so nennen die Fachleute ein Metallgemisch, mit dem dieMenschheit seit 5.000 Jahren lötet. Es besteht aus 63 Prozent Zinnund 37 Prozent Blei. Trotz vieler Bemühungen einen Ersatz zu finden,hatte sich bis zum Jahr 2003 noch kein alternativer Materialmixdurchgesetzt. Dennoch war damals klar: die Ära des Bleis im Lötmittelwürde auf jeden Fall zu Ende gehen – unabhängig davon, obes eine perfekte Alternative geben würde. Die Europäische Unionveröffentlichte die „Richtlinie zur Beschränkung gefährlicher Stoffein Elektro- und Elektronikgeräten“. Weil immer mehr elektronischeGeräte in unseren Alltag einzogen und schließlichim Abfall landeten, wurde das Blei darin ebensowie andere Schwermetalle und Flammschutzmittelzu einer wachsenden Gefahr für Umwelt und Gesundheit.Satellitenausfall wegen LötfehlerDer vorgeschriebene Bleiverzicht stellte die Elektronikindustrievor neue Herausforderungen: Bei manchenbleifreien Lötmitteln mit hohem Zinngehalt bestehtdie Gefahr, dass sich ein haarfein verzweigtes Zinnkristallin der Lötverbindung ausbildet. Ein solcher„whisker“, wie Fachleute ihn nennen, soll beispielsweise 1998 für denAusfall des Satelliten „Galaxy 4“ verantwortlich gewesen sein: In Nordamerikafunktionierten 40 Millionen Pagers – kleine Geräte für Funkrufdienste– schlagartig nicht mehr.Außerdem besitzen bleifreie Lote deutlich höhere Schmelztemperaturenals die traditionelle 63/37-Mischung. Aber die Hitzemacht empfindlichen elektronischen Bauteilen zu schaffen. Wegensolcher Probleme gibt es zum Beispiel für die Raumfahrt oder für dieMit Stickstofflassen sichDie fehlerbeim bleifreienLötenum die Hälftereduzieren.Medizintechnik bis heute Ausnahmen vom generellen Bleiverbot inElektrogeräten. Aufgeschmolzene, bleifreie Lote haben unter normalenVerarbeitungsbedingungen zudem eine andere Oberflächenspannungals bleihaltige und benetzen ihre Unterlage schlechter. Aber ihrVerhalten lässt sich mithilfe einer Stickstoffatmosphäre deutlich verbessern.„Deshalb hat die Umstellung auf bleifreie Lote dazu geführt,dass der Stickstoff für den Lötprozess enorm wichtig geworden ist“,erklärt Werner Reiss, Experte bei <strong>Linde</strong> <strong>Gas</strong> für das Industriesegment„Heat Treatment and Electronic Packaging“. Dennnur, wenn sich das geschmolzene Lot gut ausbreitetund kontaktfähig ist, lässt sich eine zuverlässige Verbindungzwischen elektronischem Bauteil und Leiterplattesicher herstellen.Beim so genannten Reflow-Verfahren, mitdem oberflächenmontierbare Bauelemente – surfacemounted devices, kurz SMD genannt – automatisiertgelötet werden, kann der Stickstoff beispielsweiseden „Grabsteineffekt“ weitgehend verhindern. Dieserwird durch lokal unterschiedliche Oberflächenspannungenim flüssigen Lot hervorgerufen: Das elektronischeBauteil mit seinen zwei Anschlüssen hebt sich auf der einenSeite von der Leiterplatte ab, während es auf der anderen Seite einsinkt.Dadurch sieht der Kondensator oder der elektronische Widerstandwie ein Grabstein aus und ist mangelhaft nur noch an einerStelle angelötet. „Bei einem anderen wichtigen Verfahren, dem Wellenlöten,zeigen Untersuchungen aus der Praxis, dass eine Stickstoffatmosphäredie Rate der fehlerhaften Lötverbindungen mehr als halbierenkann“, sagt <strong>Linde</strong>-Experte Reiss.


Elektronikproduktion // LINDE TECHNOLOGY #1.1047Elektronik ohne Makel:Durch fehlerhafte Lötverbindungenkönnen elektronischeBauteile auf Platinenvon Mobiltelefonen oderMP3-Playern ausfallen. Miteinem neuartigen <strong>Linde</strong>-Lötverfahren können vieledieser Fehler vermiedenwerden. Das reduziert denAusschuss, der sonst inder Qualitätskontrolle aussortiertwerden muss.Mobiltelefone und MP3-Player lötenDie Industrie setzt das Reflow-Löten bevorzugt dann ein, wenn esum Mobiltelefone, MP3-Player und Co. geht. Das Wellenlöten spieltdagegen vor allem bei der Durchsteckmontage von Bauelementenfür langlebigere Elektronik beispielsweise in Autos, Industrieanlagen,oder Waschmaschinen eine Rolle. Dabei werden die Drahtanschlüsseder elektronischen Bauteile durch die Kontaktlöcher der Leiterplattegesteckt. Die so entstandene Baugruppe wird vorgeheizt und dannmit einem gewissen Abstand über einen Behälter mit flüssigem Lothinweggeführt. Eine Pumpe erzeugt in diesem rund 270 Grad Celsiusheißen Lotbad zwei Wellen, die bis in die Kontaktlöcher auf der Platineschwappen. Anschließend wird die Baugruppe über eine Rampehinausbefördert und kühlt dabei in kontrollierter Weise ab – fertigsind die Lötverbindungen.<strong>Linde</strong> hat dafür ein System entwickelt, mit dem sich Wellenlötmaschinen,die zuvor an Luft arbeiteten, auf Stickstoff umrüsten lassen:Solderflex ® LIS (für: local inerting system) besteht aus einer Haube,die in das Lötbad eintaucht, einer <strong>Gas</strong>führung mit drei Einspeisestellenund einer <strong>Gas</strong>steuertafel. „Diese einfache Installation miteiner raffinierten Stickstoffeinspeisung verbessert die Lötqualitäterheblich“, sagt Reiss. Zudem verringert das System auch deutlichdie Menge der so genannten Krätze – eine Mischung aus Zinnoxid,Lot und Verunreinigungen, die als Abfall regelmäßig aus demLotbad abgeschöpft werden muss. Durch die geringere Krätzebildungreduziert sich auch der Zinnverbrauch um mindestens 60 Prozent undzugleich auch der Reinigungs- und Wartungsaufwand: „Bezogen aufeinen Einschicht-Betrieb übersteigen die dadurch erzielten Einsparungentypischerweise schon etwa fünf Monate nach der Umrüstungdie Kosten für Solderflex ® LIS und den eingesetzten Stickstoff“, soReiss.Bereits bei der Vermarktung von Solderflex ® LIS hat <strong>Linde</strong>eng mit der SEHO Systems GmbH aus dem unterfränkischen Kreuzwertheimzusammengearbeitet. Inzwischen umfasst die strategischePartnerschaft mit diesem weltweit führenden Lötmaschinenherstellerfür die Elektronikindustrie nicht nur die Umrüstung bestehenderSysteme, sondern auch die Entwicklung von Innovationen für Anlagen,die mit Stickstoff betrieben werden. „Durch diese Partnerschafterhalten wir auch Zugang zu einem Kundenstamm, der für uns als<strong>Gas</strong>elieferant sehr interessant ist“, so Reiss. Denn: Gute Kontakte sindnicht nur in elektronischen Geräten bedeutsam.LINKS:www.seho.dehttp://linde-electronics.com


LINDE TECHNOLOGY #1.10 // Vapormate48Bananendampfer: Für den Export werdenBananen in Kühlschiffe verfrachtet,um damit den natürlichen Reifungsprozesszu stoppen. So gelangen aber auchSchädlinge in die Laderäume der Frachter.


Vapormate // LINDE TECHNOLOGY #1.1049Spezialgase-Mischung schützt Lebensmittel vor SchädlingsbefallBildquelle: Miquel Gonzalez / laifAutor: Hubertus Breuer11Obst auf groSSer FahrtFrüchte und Getreide werden um den halben Globus transportiert. Häufig mit an Bord:Insekten, die mit der Fracht in Schiffsbäuche gelangen. Mit einer Spezialgase-Mischung könnendie Schädlinge bekämpft werden – umweltschonend und besonders effektiv.Blinde Passagiere sind nie gerne gesehen – erst recht nicht, wennsie sich an der Ladung gütlich tun: Bakterien, Milben, Schaben, Motten,Spinnen, Mäuse oder Ratten können ganze Schiffsladungen mitBananen, Sojabohnen oder Mangos unbrauchbar machen. Und weilexotische Früchte, Nüsse oder Getreidesorten heute um die halbeWelt verschifft werden, ist das Problem umsodrängender. Allein der globale Handel für Bananensoll <strong>2010</strong> beispielsweise 14,3 Millionen Tonnenbetragen, so die Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisationder Vereinten Nationen.Unter den zahlreichen Schiffen, die denphilippinischen Hafen Davao auf der Insel Mindanaoallwöchentlich verlassen, ist ein Frachter,der Neuseeland ansteuert. In seinen gekühltenFrachträumen: frisch geerntete, fast noch grüneCavendish-Bananen. Im Zielhafen angekommen, wurden die Früchtefrüher auf 18 Grad Celsius erwärmt und zusätzlich mit Cyanwasserstoffbegast – und damit gegen Schädlinge wie Spinnmilben oder Schmierläusebehandelt. Doch die notwendige Maßnahme hatte einen Nachteil:Cyanwasserstoff ist hochgiftig und durch das Aufwärmen derBananen verkürzte sich ihre Haltbarkeit um drei Tage.Frisch und unbeschadetmussdie vitaminreichefracht im Zielhafenankommen.Schädlinge sind ein globales Problem für Farmer und Konzerne, diemit Agrargütern handeln: Teilweise wurden Käfer sogar nach ihrerbevorzugten Speise benannt: Insektenforscher kennen beispielsweiseBrot-, Tabak-, Linsen-, Erbsen-, Bohnen- oder Reismehlkäfer. Und dielängste Zeit war der Mensch den gefräßigen Winzlingen gegenüberweitgehend machtlos. Chinesen verwendetenKalk und Holzasche gegen Vorratsschädlinge, imTalmud wird gar empfohlen, Getreide, Salz undStaub beizumischen. Im 20. Jahrhundert schließlichmachten sich Forscher und Erfinder daran,den Plagen mit einer ganzen Batterie an Bekämpfungsmittelnden Garaus zu machen: mitCyanwasserstoff, dem giftigen Salz, SchweinfurterGrün gegen Kartoffelkäfer, mit Kälteverfahren,die allerdings die Zellstruktur zerstören odersogar mit Bestrahlung. Die erfolgreichste Erfindung war 1932 Methylbromid– auch „Brommethan“ genannt. Dieses <strong>Gas</strong> war effektiv, billig,einfach einzusetzen und bald in der Industrie weit verbreitet.Doch dann entdeckten Wissenschaftler, dass Methylbromidschädlich für die Ozonschicht ist. 1987 beschloss die internationaleGemeinschaft im so genannten Montrealer Protokoll, ozonschädi-


LINDE TECHNOLOGY #1.10 // Vapormate50Vapormateeignet sich überalldort, wo frischewaren transportiert,gelagert oderverarbeitet werden –von Getreide überBananen bis zu Tabakund Kakao.Paradies für Schädlinge: Bananen werden zwar grüngeerntet und dann um die halbe Welt transportiert,aber für Schädlinge wie die Spinnmilbe (unten) sinddie unreifen Früchte ein Leckerbissen – über den sie aufden langen Seereisen liebend gerne herfallen.gende Chemikalien allmählich zu reduzieren und letztlich abzuschaffen.Das verschaffte einem anderen <strong>Gas</strong> zur Schädlingsbekämpfungin Getreidesilos und auf Frachtern große Popularität: Phosphin. Dochauch dieser Wirkstoff hat einige Haken: Er ist giftig, und die Behandlungvon Früchten oder Getreide dauert mehrere Tage. Und in Australienund Asien haben die Insekten inzwischen teilweise Resistenzengegen das Mittel entwickelt. Nach dem Wegfall von Methylbromid undden Problemen mit Phosphin ist der Bedarf an effektiver Schädlingsbekämpfungsehr groß.Die Dole Food Company – weltgrößter Anbieter von frischemObst, Gemüse und Schnittblumen – begann im Jahr 2002 nach Alternativenzu suchen. Man beschloss, an einem Pilotversuch teilzunehmen:Gemeinsam mit CSIRO, der nationalen australischen Wissenschaftsbehörde,hat die damalige BOC – heute <strong>Linde</strong> – ein Schädlingsbekämpfungsgasentwickelt: Vapormate – ein Gemisch aus Kohlendioxidund Ameisensäureethylester. Erste Labortests führte die Organisationerfolgreich an Getreide durch. Das neuseeländische Institut fürAgrarpflanzen und Nahrungsmittel testete das <strong>Gas</strong> außerdem beiÄpfeln, Callalilien und Zwiebeln gegen Schädlinge wie Fransenflüglerund Blattläuse. Dole wagte dann das erste, kommerzielle Projekt– mit Erfolg. Das Verfahren wird seither bei dem Handelskonzerneingesetzt.<strong>Gas</strong>e-Schutzhülle für Ananas und Co.„Vapormate wirkt rasch, gründlich und es gibt keine bekannten Resistenzen“,sagt Lex van Leeuwen, der für die weltweite Kommerzialisierungneuer Begasungsmittel von <strong>Linde</strong> zuständig ist. Das Gemischwird verflüssigt in Stahlflaschen geliefert – der aktive Wirkstoff ist17 Prozent Ameisensäureethylester, auch Ethylformiat genannt, derRest Kohlendioxid. Die Substanz kommt in vielen Pflanzen vor und istsogar als Nahrungszusatzstoff zugelassen. In Reinform ist sie leichtentflammbar, doch in der richtigen Mischung mit Kohlendioxid nicht.Das Kohlendioxid dient zudem als Treibgas, um das Ethylformiat ineinem Nebel mikrometerkleiner Aerosolteilchen zu verbreiten. Wennsie verdampfen, hüllen sie Getreide, Bananen oder Ananas gleichmäßigein. Das <strong>Gas</strong> greift das Atmungssystem der Insekten an, was seinerasche Wirksamkeit erklärt. Bei Getreide dauert eine Behandlung nur24 Stunden, bei Obst und Gemüse in abgeschlossenen Räumen reichensogar vier Stunden. Gefährliche Rückstände bleiben nicht, denn:Vapormate zerfällt zu Ameisensäure und Ethanol – Substanzen, diein der Natur ohnehin vorkommen.Damit ist Vapormate ideal für die Schädlingsbekämpfungbei Früchten und anderen Agrarprodukten. Selbst Tabak könnte davonprofitieren. Denn bevor der auf die Weltmärkte kommt, wird er verarbeitetund lagert für längere Zeit. Dann sind die Blätter besondersanfällig für Schädlinge wie Raupen der Kakaomotte und Larven desTabakkäfers.Vapormate lässt sich zudem überall einsetzen, wo frischeWaren transportiert, gelagert oder verarbeitet werden: in Farmsilos,bei der Quarantänebehandlung importierter Früchte in Lagerhallenoder sogar kurz nach der Ernte, noch vor der Verschiffung.So entwickelte Willy Bayerl, bei <strong>Linde</strong> zuständig für neue Spezialgase-Anwendungen,im Auftrag des Dole-Konzern ein Vapormate-Dosierungssystem. Keine leichte Aufgabe, denn in einer Bananen-


Vapormate // LINDE TECHNOLOGY #1.1051Blinde Passagiere in der Ananas: In den meisten Herkunftsländern wird das Obst für den Transport zwar noch von Hand verpackt. Die für das bloße Auge meistunsichtbaren Schädlinge gelangen aber gut versteckt auf den Früchten bis in die Transportcontainer.plantage herrschen widrige Umstände: hohe Luftfeuchtigkeit, Staubund Hitze. Die Bemühungen blieben nicht unbemerkt: Im Jahr 2007erreichte Vapormate das Finale bei dem Wettbewerb um einenLandwirtschafts- und Unternehmenspreis der National Australia Bankin der Kategorie „Technologie und Innovationen“.Zerfall in natürliche BestandteileBisher ist das neuartige <strong>Linde</strong>-Schädlingsbekämpfungsmittel Vapormatein Australien, Neuseeland und Israel zugelassen. Genehmigungsverfahrenlaufen derzeit in Korea, Brasilien, Kenia, den VereinigtenStaaten, auf den Philippinen und in Südafrika. Der Prozess nimmtin jedem Land etwa zwei bis drei Jahre in Anspruch. Und <strong>Linde</strong> istdabei, auch in anderen Ländern tätig zu werden. In den Empfängerstaatender exportierten Produkte muss Vapormate dagegen nichtregistriert sein, denn bis zur Ankunft der Früchte ist das <strong>Gas</strong> längst inseine natürlichen Bestandteile zerfallen.Dabei ist Vapormate nicht das einzige <strong>Gas</strong> von <strong>Linde</strong>, dasdie Nachfolge von Schädlingsbekämpfungsmitteln wie Methylbromidund Phosphin antreten will. Es gehört zu einer Gruppe von Envirosolgenannten <strong>Gas</strong>en, die in den nächsten Jahren auf den Markt kommensollen. Ihnen allen ist gemein, dass flüssiges Kohlendioxid zur Vermischungund als Treibgas dienen kann. Eines dieser Mittel ist „Sterigas“mit dem Wirkstoff Ethandinitril, das vor allem Schädlinge in Erdeund Holz bekämpfen soll. Ein anderes ist „Cosmic“ mit Kohlenoxidsulfid,das für Getreide geeignet ist und gegen Insekten wirkt. Beidesind bislang nur im Labor getestet worden, aber <strong>Linde</strong> hat bereits dieersten Pilotprojekte initiiert. Sie ergänzen glänzend Vapormate, dasdabei hilft, dass Kiwis, Orangen und Ananas auch künftig ohne Schädlingsbefallfrisch und knackig in die Supermarktregale kommen.Link:www.linde-gas.com


LINDE TECHNOLOGY #1.10 // Indien52Indiens Industrie weiter im AufwindSauerstoff für die StahlbrancheIndiens Wirtschaft wächst noch immer enorm schnell. Und Stahl-, Auto- und Computerindustriebrauchen <strong>Gas</strong>e wie Sauerstoff, Stickstoff und Argon. Um den steigenden Bedarf zu decken,baut <strong>Linde</strong> mehrere hochmoderne Luftzerlegungsanlagen auf dem Subkontinent. Die größteentsteht in Jamshedpur – im nordöstlichen Bundesstaat Jharkhand.Jamshedpur ist gesegnet: Die moderne indische Industriestadt liegt ineinem Gebiet mit einer Fülle an Bodenschätzen wie Eisenerz, Kohle,Mangan, Bauxit und Kalk. Die Metropole im nordöstlichen BundesstaatJharkhand gehört mit seinen rund 1,6 Millionen Einwohnern zuden eher kleineren unter den 35 Millionenstädten Indiens. GegründetAnfang des 20. Jahrhunderts von Jamshedji Tata,beherbergt die Stahlstadt auch die Tata Iron and SteelCompany – kurz TISCO. Das Werk ist Indiens ältesteund größte Stahlproduktionsstätte und belegt einviele Quadratkilometer großes Areal mitten im Stadtzentrum:Hochöfen, Schornsteine und ein Gewirr ausFörderbändern und Rohren beherrschen das Bild. DieTata Gruppe hat auch den größten Teil der öffentlichen Infrastrukturerrichten lassen und kümmert sich noch heute um fast alle kommunalenAufgaben vom Straßenbau bis zur Schulverwaltung. Außerhalbder Industrieviertel ist Jamshedpur eine grüne Stadt voller Alleen,Parks und Gärten – mit hoher Lebensqualität und einem StandardStahl ist dasRückgrat derindischenWirtschaft.weit über dem indischen Durchschnitt. In Sachen Stahl ist JamshedpurIndiens unangefochtene Nummer eins. Aber neben der Stahlindustrieflorieren auf dem Subkontinent auch Informationstechnologieund die Pharmaindustrie. Besonders groß ist das Wachstum derindischen Automobilindustrie: Die Branche erzielte in den letzten JahrenZuwachsraten zwischen 15 und 25 Prozent. Vorallem die Nachfrage im Inland trägt zu Steigerungenbei. Der führende Fahrzeughersteller Indiens ist TataMotors. Mit dem Tata Nano, dem billigsten Auto derWelt, will das Unternehmen auch europäische Märkteerobern. Stahl ist also das Rückgrat der indischenWirtschaft. Es gibt sogar ein eigenes Stahlministerium.1947, als Indien die Unabhängigkeit erlangte, betrug die Stahlproduktiongerade eine Million Tonnen pro Jahr. Heute ist Indien mit55 Millionen Tonnen pro Jahr (Stand 2008) der fünftgrößte Stahlproduzentder Welt. Experten rechnen mit einem anhaltenden Wachstumvon etwa sechs Prozent pro Jahr. Nun will Tata Steel sein Werk in


1Indien // LINDE TECHNOLOGY #1.1053Stahl in Indien: rosige AussichtenDer jährliche Pro-Kopf-Verbrauch von Stahlerzeugnissenin Indien liegt mit rund 40 kg weitunter dem internationalen Durchschnitt von200 kg. Je nach Konjunkturentwicklung soll erkünftig zwischen acht und 15 Prozent jährlichzulegen, so eine Schätzung der Indian StainlessSteel Development Association (ISSDA).Um den wachsenden Stahlhunger stillen zukönnen, müssen die indischen Hersteller ihreKapazitäten erheblich ausbauen. Bereits heutesind die Werke etwa zu 90 Prozent ausgelastet,so die WirtschaftsförderungsgesellschaftGermany Trade & Invest. Laut dem indischenStahlministerium soll sich der jährliche Ausstoßbis 2020 auf knapp 300 Millionen Tonnen steigern– Investitionsbedarf: rund 180 Mrd. Euro.Wachstumsmotor: Die Autoindustrie sorgt in Indien für steigende Stahlnachfrage.Kleinwagen haben auf diesem riesigen Markt besonders gute Chancen.Autorin: Ute KehseBildquellen: Polaris / laif; The New York Times / Redux / laif1Jamshedpur weiter ausbauen und die Stahlproduktion auf zehn MillionenTonnen pro Jahr verdoppeln. Mit der Erweiterung treibt Tata Steeldas Wachstum der indischen Stahlindustrie an.Kohlenstoff aus Roheisen entfernenFür seine Produktionserweiterung lässt Tata Steel aber nicht nur neueHochöfen in den Himmel wachsen, sondern auch eine gigantischeKühlmaschine bauen: <strong>Linde</strong> wird bis 2012 auf dem Gelände des Stahlwerkseine neue, hochmoderne Luftzerlegungsanlage errichten – diegrößte ihrer Art in Indien. Insgesamt 2.550 Tonnen Luft pro Tag solldie Anlage in riesigen Rektifikationssäulen verflüssigen und dabei dieHauptbestandteile Stickstoff, Sauerstoff und Argon voneinander trennen.Für die Stahlherstellung braucht Tata vor allem den Sauerstoff.Das <strong>Gas</strong> wird in das geschmolzene Roheisen geblasen, um den darinenthaltenen Kohlenstoff zu entfernen.„<strong>Linde</strong> verfügt über große Kompetenz und Erfahrung beimBau und Betrieb von Luftzerlegungsanlagen“, sagt Hemant Nerurkar,Geschäftsführer von Tata Steel. „Das und die starke lokale Präsenzmachen <strong>Linde</strong> zu einem starken Partner für unser Stahlwerk in Jamshedpur.“In Indien sind Tata und <strong>Linde</strong> bereits seit mehr als 50 JahrenPartner. Zusätzlich zum Bau der neuen Anlage übernimmt <strong>Linde</strong> auchdrei bestehende Luftzerlegungsanlagen mit vergleichsweise geringenKapazitäten, die Tata Steel bislang selbst genutzt hatte. <strong>Linde</strong>betreibt bereits zwei ältere Luftzerlegungsanlagen in Jamshedpur undwird das Stahlwerk nun langfristig mit knapp 3.400 Tonnen Sauerstoff,3.300 Tonnen Stickstoff und 41 Tonnen Argon pro Tag versorgen. „Wirmüssen den Anforderungen unserer Kunden kontinuierlich mit innovativenTechnologien begegnen“, sagt Srikumar Menon, Geschäftsführerder <strong>Linde</strong>-Aktivitäten in Indien. „Das Jahr <strong>2010</strong> ist ein wichtigerMeilenstein für uns. Denn seit 75 Jahren besteht eine erfolgreichePartnerschaft mit der Industrie in Indien. Und wir freuen uns über dieGelegenheit, die starke Partnerschaft mit Tata in Jamshedpur weiterausbauen zu können.“285 Millionen Euro investiertAngesichts des wachsenden Bedarfs engagiert sich <strong>Linde</strong> nicht nur inJamshedpur, sondern auch in anderen Landesteilen Indiens. Allein inden vergangenen drei Jahren hat der Technologiekonzern 285 MillionenEuro auf dem Subkontinent investiert. In der Nähe der ProvinzhauptstadtDehradun im Norden entsteht derzeit beispielsweise eineweitere neue Luftzerlegungsanlage. Im Westen Indiens, im BundesstaatMaharashtra, investiert <strong>Linde</strong> in eine Anlage, die 500 TonnenFlüssiggase pro Tag produziert. Damit kräftigt <strong>Linde</strong> seine Stellung alsführender Anbieter von Flüssig- und Flaschengasen für die indischeIndustrie: „Mit unseren Engineering-Lösungen sind wir in einer gutenPosition, um die wachsenden Anforderungen von Stahlherstellern,Raffinerien und der Petrochemie in Indien zu erfüllen“, so <strong>Linde</strong>-VorstandsmitgliedDr. Aldo Belloni.Links:www.tatasteel.comwww.steel.nic.inwww.gtai.de


LINDE TECHNOLOGY #1.10 // FussballGras54CO 2 lässt das Gras wachsenWellnessKurfür den rasenKälte und Schatten setzen das Gras in mancheneuropäischen Fußballstadien unter Dauerstress.Mit Kunstlicht und Kohlendioxid aus mobilenGewächshäuern bringen <strong>Linde</strong>-Ingenieure dasGrün in den Arenen wieder in Bestform –so schnell, dass man dabei zusehen kann.Auswärtsspiel heißt Ruhepause: Wenn die Kicker des FC Groningennicht im eigenen Stadion spielen, beginnt es über dem Rasen dort zuleuchten. Das Licht stammt von vier wohnzimmergroßen Folienhäusernauf Rädern, in denen Pflanzenlampen für Licht und Wärme sorgenund die dem Gras im Stadion eine Extraportion Kohlendioxid verabreichen.Die neue Rasentherapie ist ein Garant für dichtes Grün mitkräftigen Wurzeln – und eine patentierte Entwicklung von <strong>Linde</strong> <strong>Gas</strong>Benelux. „Kohlendioxid und Licht beschleunigen die Photosyntheseund damit das Wachstum des Rasens“, sagt einer der Erfinder, PeterKrabbendam von <strong>Linde</strong> <strong>Gas</strong> Benelux. Und die Abwärme der Lampensorgt für Temperaturen, die etwa acht bis zehn Grad über der Außentemperaturliegen. „Unter diesen Bedingungen wächst der Rasenselbst im Winter um bis zu einen Zentimeter am Tag“, berichtet derIngenieur. So schnell, dass man ihm buchstäblich dabei zusehen kann.„ SeeGrow“ haben die <strong>Linde</strong>-Ingenieure deshalb ihr System getauft.Mit den neuen Treibhäusern können Stadionbetreiber nichtnur frostigen Temperaturen trotzen, sondern auch dem Schatten einSchnippchen schlagen. „Das ist vor allem in modernen Arenen einProblem“, berichtet Krabbendam. „Dort sind die Zuschauerränge sohoch und steil, dass kaum noch Sonne aufs Spielfeld kommt.“ Dasgelte vor allem für Stadien in nord- und mitteleuropäischen Ländern,in denen die Sonne eher flach einstrahlt. Dann verkümmert der verschatteteRasen mitunter so stark, dass er alle drei bis vier Monateneu angelegt werden müsse. Eine aufwendige und vor allem teureProzedur. „Eine Neusaat kann bis zu 125.000 Euro kosten“, so der<strong>Linde</strong>-Ingenieur.Die Methode, das Pflanzenwachstum mit Licht und Kohlendioxidanzukurbeln, ist nicht neu: „Gerade in Holland haben wir eineMenge Erfahrungen mit dieser Methode“, bekräftigt Krabbendam.Dennoch seien die „SeeGrow“-Gewächshäuser einzigartig, denn siesind auf die besonderen Anforderungen der Fußballwelt zugeschnitten.„Sie müssen mobil sein und platzsparend gelagert werden können“,erklärt Krabbendam. Deshalb fallen sie deutlich kleiner ausAutorin: Andrea HoferichterBildquelle: Ursula Meissner / laif; <strong>Linde</strong> AG2 1als etwa Treibhäuser für Tomatenplantagen. Sie stehen zudem aufRädern, und das mit Folie bespannte Metallgestänge der Häuserlässt sich zusammenschieben wie der Blasebalg eines Akkordeons.Um ein ganzes Fußballfeld zu behandeln, werden die Folienzelte miteiner automatisierten Seilwinde immer wieder auf dem Platz versetzt.„Arbeitet man mit vier Gewächshäusern wie der FC Groningen, dauertes eine gute Woche, bis die gesamte Rasenfläche wieder in Schussist“, berichtet Krabbendam.<strong>Linde</strong>s Treibhäuser auf Rädern sorgen nicht nur in den Niederlandenfür perfekten Fußballrasen, sondern auch im HampdenPark Stadion im schottischen Glasgow, dort allerdings zunächst nurzur Probe. Doch Krabbendam hält einen Platzverweis für wenig wahrscheinlichund rechnet fest mit einem gelungenen Einstieg in eineLiga Großbritanniens. Auch in anderen Ländern hat er schon geeigneteStadien fest im Visier und berichtet: „Die Liste der interessiertenFußballclubs wird immer länger.“ Bei der WM in Südafrika brauchtman auf die Technik allerdings nicht zurückzugreifen, denn: „Lichtund Sonne gibt es dort ja im Überfluss“, so Krabbendam.Link:www.turf.msu.edu


Hinter jeder hervorragendenLeistung stehen Menschenmit Ambition.Diese Alpha-Olefi n-Anlage wurde mit dem Know-how der <strong>Linde</strong> Group errichtet.Sie produziert nach einem neuartigen Verfahren einen speziellen Kohlenwasserstoff.Damit lassen sich Reißfestigkeit und Elastizität moderner Kunststoffe gezieltoptimieren. Ein weiteres Beispiel dafür, wie wir als eines der weltweit führenden<strong>Gas</strong>e- und Engineeringunternehmen mit annähernd 48.000 Mitarbeitern in mehrals 100 Ländern innovative Ideen entwickeln, die die Grenzen des Machbarenerweitern. Heraus ragende Ingenieurkunst, absolute Zuverlässigkeit und derAntrieb, mit Technologien und Innovationen neue Maßstäbe zu setzen, unterstützenuns dabei, richtungweisende Schritte in eine lebenswerte Zukunft zu machen.


Herausgeber<strong>Linde</strong> AGKlosterhofstraße 180331 MünchenTelefon +49.89.35757-01Telefax +49.89.35757-1398www.linde.com

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!