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Thesen Dr Ruffing - Justitia et Pax

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Handout Fachgespräch 23. Juni 2009Prekäre Männlichkeit und riskante Mobilität von Frauen.Oder: Was hat Gender mit Migration zu tun? - Impulse aus der Forschung<strong>Dr</strong>. Andreas <strong>Ruffing</strong>, Fulda1. Der Begriff gender bezeichn<strong>et</strong> im Englischen das soziale Geschlecht, also „diesozialen und kulturellen Aspekte der Geschlechterdifferenz“ (ImpulspapierGeschlechtergerechtigkeit und weltkirchliches Handeln der Deutschen Kommission<strong>Justitia</strong> <strong>et</strong> <strong>Pax</strong>, 2004) im Unterschied zum biologischen Geschlecht (engl. sex), dasdie angeborenen biologischen Unterschiede zwischen Frauen und Männernbezeichn<strong>et</strong>. In den aktuell geführten Debatten um Geschlechterrollen und einegeschlechtergerechte Politik hat sich der Begriff gender als Analyseinstrument zurUntersuchung gesellschaftlicher Geschlechterverhältnisse fest <strong>et</strong>abliert. SeineVerwendung in der Wissenschaft allerdings ist keineswegs eindeutig.2. „Während für Wissenschaftler/-innen, die sich der Psychoanalyse und demPoststrukturalismus verpflicht<strong>et</strong> fühlen, gender vor allem eine Analysekategorie zurUntersuchung von Identität, Sprache und symbolischer Ordnung ist, interessierensich historisch und ideologiekritisch ausgericht<strong>et</strong>e Wissenschafter/-innen in ersterLinie für die Machtverhältnisse, die ideologischen Strukturen sowie die sozialen undkulturellen Auswirkungen, die durch Gender-Markierungen in der Gesellschafthervorgerufen werden.“ (Inge Stephan, 2000).3. Über Bedeutung und Reichweite der Gender-Kategorie wird kontrovers diskutiert.Eine extreme und heftig kritisierte Position stellt die radikalkonstruktivistischeTotalisierung des Gender-Begriffes durch Judith Butler dar. Hier wird „Geschlecht“immer als durch Sprache erzeugte soziale Konstruktion und Ergebnis diskursiverPraxis verstanden. Die Unterscheidung von sex und gender ist damitgegenstandslos. Sex ist immer schon gender.4. Im Gegensatz dazu ist für den Gebrauch des Begriffes in kirchlichenZusammenhängen (z.B. im Impulspapier „Geschlechtergerechtigkeit undweltkirchliches Handeln“) die Unterscheidung von sex und gender kennzeichnend.„Diese Unterscheidung anerkennt die Wirkmächtigkeit der Sprache bzw. derdiskursiven Praxis nicht nur hinsichtlich der Interpr<strong>et</strong>ation von Wirklichkeit, sondernauch hinsichtlich der S<strong>et</strong>zung neuer Wirklichkeit durch das performative,schöpferische Vermögen der Sprache.“ (Saskia Wendel, 2005)5. Der Mainstream sozialwissenschaftlicher Forschung geht davon aus, dass dasbiologische Geschlecht sozial überformt ist und Geschlechterbilder undGeschlechterarrangements daher ausschließlich eine soziale Konstruktion darstellen.Dagegen erheben sich vereinzelt Stimmen (z.B. P<strong>et</strong>er Döge, 2009), die dieMöglichkeit der Wechselwirkung von Biologischem und Sozialem anmahnen und sichdabei auf die Begründer der sozialkonstruktivistischen Sichtweise selber berufen:„Biologische Faktoren beschränken die gesellschaftlichen Möglichkeiten desEinzelnen. Aber die gesellschaftliche Welt, die vor jedem Einzelnen ist, beschränktauch das, was für den Organismus biologisch möglich wäre.“ (P<strong>et</strong>er Berger / ThomasLuckmann)6. Gender hilft zu erkennen, dass biologische Unterschiede zwischen Frauen undMännern gesellschaftliche Benachteiligungen nicht rechtfertigen können. AlsAnalysekategorie ist sie daher notwendig für kirchliches Handeln, das sichtheologisch am Leitbild der Gottebenbildlichkeit orientiert, „worin sich alle


Handout Fachgespräch 23. Juni 2009Prekäre Männlichkeit und riskante Mobilität von Frauen.Oder: Was hat Gender mit Migration zu tun? - Impulse aus der Forschung<strong>Dr</strong>. Andreas <strong>Ruffing</strong>, Fuldaweitergehenden Überlegungen zu einer Gerechtigkeit zwischen den Geschlechternverankern können“ (Impulspapier Geschlechtergerechtigkeit und weltkirchlichesHandeln).7. Als Analysekategorie, die nach „Wert, der Funktion und den Konsequenzen vonDifferenzierungen, Polarisierungen und Hierarchisierungen in historischen, sozialen,politischen und kulturellen Kontexten“ fragt (Inge Stephan, 2000), überschneid<strong>et</strong> undverknüpft sich gender mit weiteren Differenzkategorien (Ethnizität, Klasse, Alter,Bildung, sexuelle Orientierung <strong>et</strong>c.). Ziel ist es dabei, „Veränderungen im Blick aufmehr Gerechtigkeit, auf bessere Zugangs- bzw. B<strong>et</strong>eiligungsmöglichkeiten undgerechtere Verteilung der Güter herbeizuführen“. (Marianne Heimbach-Steins, 2009)8. So profitieren Männer mit Migrationshintergrund resp. in Migrationsprozessengegenüber Migrantinnen zunächst von ihrer dominanten Position als Mann imGeschlechterverhältnis. Dennoch können sie wie diese von Ausgrenzung undMarginalisierung b<strong>et</strong>roffen sein, die mit ihrer <strong>et</strong>hnisch-kulturellen Zugehörigkeit, mitsozialen Faktoren <strong>et</strong>c. zusammenhängen.9. (Arbeits)migrationsprozesse haben Auswirkungen auf die Vorstellungen undEntwürfe von Männlichkeit und Weiblichkeit der Migranten und Migrantinnen. Siebeeinflussen zugleich die Geschlechterbeziehungen der Gemeinschaften, in denendiese Menschen leben. Im Zuge der globalen Migrationsbewegungen erfolgenpermanent Konstruktionen und Rekonstruktionen von Geschlechtlichkeit. Der Grunddafür liegt in der konkr<strong>et</strong>en Ausgestaltung der Geschlechterbeziehungen und derGeschlechterkulturen, die von Land zu Land kulturelle, religiöse, <strong>et</strong>hnische,regionale, historische usw. Unterschiede aufweisen können.10. Notwendig ist daher eine genauere B<strong>et</strong>rachtung der Orte, an denen inMigrationsprozessen solche Konstruktionen und Rekonstruktionen erfolgen. Fragenin diesem Zusammenhang können z.B. sein (in Anlehnung an Elisab<strong>et</strong>h Aufhauser,2000):Welche Geschlechterbeziehungen und Geschlechterkulturen prägenHerkunfts- oder Einreiseland?Welche sozialen, kulturellen und religiösen Erwartungen richten sich imHerkunfts- und Einreiseland an Männlichkeit und Weiblichkeit?Wie spiegelt sich die Geschlechterkultur an konkr<strong>et</strong>en „Migrationsorten“ wider( z. B. Einwanderungsstellen, Vermittlungsagenturen, Migrationsn<strong>et</strong>zwerke,Migrationspolitik und -forschung <strong>et</strong>c,) ?In welcher Weise sind der öffentliche und private Raum geschlechtlichkonnotiert?Wie wirkt Migration auf die Geschlechterbeziehungen am Herkunftsort zurück?

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