Kubus Export [pdf, 6 MB] - GB* Gebietsbetreuung Stadterneuerung

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34 alles sein? Andererseits die Aversion des Verbundenen mit dem wirklich bürgerlichen Gedanken, kleinbürgerlichen oder großbürgerlichen Gedanken. Ich war im Alter von 8 bis 13 viel im Theater und es war für mich immer sehr unbefriedigend, weil das Geschichten oder Operetten waren (das war in Linz, was sicherlich auch etwas ausmacht). Wir waren eine bürgerliche Familie, ich habe mit meiner Mutter vierhändig Klavier gespielt, das hat alles ziemlich gut funktioniert und ich muss zum Spaß sagen: Mit 11 war ich einmal im Theaterstück, das ich überhaupt nicht kapiert habe. Ich saß da oben auf meinem Sitz und habe überhaupt keine Ahnung gehabt, was da passiert. Ich habe nichts gewusst. Meine Mutter hat mich dann abgeholt und gefragt, wie es war und ich sagte Ihr, dass ich nichts kapiert hätte. Sie meinte „das gibt´s nicht“ es sei doch dieses oder jenes Stück gewesen. Ich habe nichts verstanden. Meine Mutter hat dann nachgeschaut und ist draufgekommen, dass der Spielplan geändert wurde und das war Torquato Tasso. Und das konnte ich ja nicht verstehen mit 11 oder 12 Jahren. Das war unmöglich, aber das hat mir am besten gefallen. Dieses Unverständliche, dass das so hängen bleibt, das hat mir von den ganzen Theaterstücken dann am besten gefallen. Aber man muss schon sagen, hauptsächlich war es doch das Interessante, Entdeckungen zu machen. EK: Sie arbeiten ja ganz stark konzeptuell. Also ausgehend von dem, wie sich Konzepte realisieren lassen und manchmal hat man das Gefühl, dass sich dieses Konzeptuelle dann verschränkt mit den Konkreten, dass es hier eine Verbindung gibt oder ein Aufeinandertreffen. Ganz besonders ist mir das bei einer Arbeit von Ihnen mit dem Titel „Schriftzug“ hängengeblieben, die mich unglaublich angesprochen hat. Da würde ich gerne noch mal nachfragen, was es mit diesem Konkreten auf sich hat, das man in ein Konzept verwandelt und umgekehrt. Also wie diese Verhältnisse zueinander wirksam werden. VE: Die Arbeit „Schriftzug“ hat sehr stark zu tun mit meinen Überlegungen zu Sprache oder Schrift, und wenn man das so erzählt, fragt man sich: Wie setze ich das jetzt um? Ein Schriftzug ist ein Schriftzug am Papier. Aber wenn ich das Wort „Schriftzug“ auf einen Zug schreibe, ist es ein Schrift-Zug. Ein Zug ist kein Blatt Papier aber es ist eine Fläche, auf die man geschrieben hat und auf der sowieso auch andere Dinge stehen. Aber es ist ein mobiles Exponat, eine mobile Ausstellung kann man sagen. Weil dieser Zug – das war Wien-Venedig – fährt jetzt durch alle Bahnhöfe durch und bleibt immer stehen, man kann das immer wieder lesen, man hat immer diesen Präsentationsraum einerseits und andererseits ist die Botschaft zwischen den Orten unleserlich. Das ist wie beim Telefon. Ich spreche hinein und die andere Person hört mich woanders, aber was dazwischen ist, ist eine Auflösung. Ich meine damit alle anderen Transportmittel, auch digitale etc. Da ist eine Auflösung dazwischen, es ist aber vorhanden. Und beim Telefon ist ja die Stimme auch vorhanden, nur in anderer Form. Daher die Überlegung der Arbeit „Schriftzug“. Bei vielen meiner Arbeiten kommen ganz verschiedene Dinge dazu. Ein Konzept natürlich, dann wie ich mit dem Konzept umgehe, soll es räumlich sein, es ist jetzt in dem Sinne räumlich. Der Schriftzug ist am Papier eben aber im Buch ist er dann wieder räumlich, weil er dann eine Seite ist und das Buch selbst wieder eine Räumlichkeit hat. Diese Überlegungen kommen hier zusammen. EK: Jetzt sind wir sozusagen hier in einem sehr ausgesetzten Raum in der Stadt, mit der Stadt im Ohr. Sie haben gerade diesen Zug beschrieben, der von Ort zu Ort fährt, von Stadt zu Stadt und das, was dazwischen passiert. Jetzt würde ich gerne von der Bewegung dazwischen noch mal in die Stadt kommen und was sich tut zwischen Stadt und ihrem Körper und unterschiedlichen Medien, die mit diesem Stadtraum in ein Verhältnis treten. Ich denke, dass in einer Reihe von Arbeiten von ihnen, das in ganz unterschiedlicher Weise miteinander zu tun bekommt oder sozusagen auch mit dem, wie man sich aussetzt. Ich habe das Gefühl, dass ganz viel ihrer Arbeiten damit zu tun hat, was es bedeutet, an die Grenze von Verletzbarkeit, von Verletzlichkeit in diesem Raum einer Stadt, zu gehen.

VE: Es ist vielleicht so, weil sie sagen Verletzbarkeit oder die Grenze der Verletzbarkeit, das ist natürlich ein ganz wichtiges Moment, aber es gibt auch noch die Frage: Wie verschiebt man die Grenzen? Man geht nicht nur an die Grenzen und will sie bewältigen, sondern man fragt sich, wie man sie verschieben kann, um etwas zu zeigen. Ich habe schon sehr früh angefangen mit dem urbanen Raum zu arbeiten, z.B. das Tapp- und Tastkino, das in sich eine kleine Kinoarchitektur ist, in der ein Film präsentiert wird. Das Kino ist ein Gebäude und ich bin mit meinem Körper die Trägerin des Gebäudes. Ich gehe damit in die Stadt, in den urbanen Bereich, ich gehe zu anderen Gebäuden. Man sieht das beim Tapp- und Tastkino nie, dass das eigentlich dahinter steckt. Ich trage eine Architektur mit mir, auch in der Stadt. Das Tapp- und Tastkino ist nur bei der ersten Präsentation bei einem Filmfestival gezeigt worden, da habe ich für Ping Pong einen Preis bekommen und das wollte ich nicht. Und das Tapp- und Tastkino war an dem Tag gerade fertig und ich wollte das zeigen. Sonst ist es immer im öffentlichen Raum aufgeführt worden, es hätte keinen Sinn gemacht, es in einem Galerieraum zu zeigen. Jetzt wird es natürlich historisiert und die Kunstgeschichte holt jeden ein und jetzt ist es ein Objekt, das bei einer Ausstellung steht. Dem kann man sich jetzt verweigern und sagen “man zeigt es nie mehr wieder her oder eben doch”. Trotzdem war die Intention immer, dass es im urbanen Raum, im öffentlichen Raum ist, weil das Kino auch ein öffentlicher Ort ist. Und der Film, der dort gespielt wird, ist auch für die Öffentlichkeit zugänglich, wie es auch im Kino der Fall ist. Später waren meine Körperkonfigurationen sehr wichtig, dass ich meinen Körper eingepasst habe in das urbane Bild, in das Stadtbild. Die Titel waren immer so was wie „Zufügung“, „Einfügung“, „Aufbeugung“. Und wenn man das ganz genau verfolgen würde – es gibt 60 Titel bei dieser Arbeit – hat es immer irgendwas mit einem psychischen Zustand zu tun gehabt. Aber ich will jetzt nicht sagen, dass ich es mir von dort genommen hätte, aber es war so meine Sache, dass das urbane dominant ist. Der Stadtraum ist dominant, mein Körper ist dominant. Die Stadt und ich tragen auch beide eine Psyche mit uns. Wir haben auch einen psychischen Zustand. Ich will der Stadt nichts reininterpretieren aber sie hat ein Gesicht, sie hat eine Emotion, das wird natürlich gesteuert und so. So sind diese Titel entstanden und das waren immer so kleine Skulpturen. Skulpturen möchte ich auch nicht sagen, weil das gar nicht mit einem skulpturellen Ausdruck zu tun hatte, weil ich mich ja eigentlich dagegen gewehrt habe, das als Skulptur zu bezeichnen. Weil für mich war der Skulpturbegriff ganz ein anderer als die Anpassung oder nur ganz kurz den Körper einzubringen und dann das Foto zu machen. EK: Wie haben Sie diese Arbeiten für sich selber bezeichnet? Weil Sie gesagt haben Skulptur auf keinen Fall? VE: Es waren Externalisierungen meiner inneren Zustände, also Konzept, ja. Ein kurzes Beispiel zu meinem Kulturbegriff: Das war „adjungierte Dislokationen“, das habe ich als Film gemacht, als Performance und es gibt auch eine Installation dazu. Es war mir wichtig, dieses Thema auf den drei Ebenen zu zeigen, und wenn ich jetzt nur die Installation beschreibe, das sind 2 Kameras, die Rücken an Rücken stehen, in einem Raum, der so groß sein kann wie dieser. Es sind 3 Wände, die eine Wand hat schräge Striche, dann gerade Striche und dann noch einmal anders schräge. Also wenn sie die Kameras drehen und es sind 8 Monitore, dann wird das Bild übertragen, dass sich die schwarz-weißen Striche immer so in einer Bewegung übertragen. Zuerst gerade, dann sinken sie runter, weil sie schräg sind und dann sind sie waagrecht. Also zuerst gerade, schräg und dann waagrecht. Und das war für mich eine skulpturelle Arbeit, weil nicht die Kameras die Skulptur waren, weil sonst hätte man sagen können: Genau das ist die Skulptur. Um jede Statue kann man rundherum gehen, bei mir war der Umgebungsraum die Skulptur. Und was dann im Monitorbild drinnen gewesen ist, war für mich die Skulptur, und nicht das, was im Zentrum ist. Das ist ein ganz konträrer Skulpturbegriff. EK: Und wie haben Sie den für sich entwickelt oder sozusagen zu einer Definition vorangetrieben? 35

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alles sein? Andererseits die Aversion des Verbundenen mit dem wirklich bürgerlichen Gedanken, kleinbürgerlichen oder<br />

großbürgerlichen Gedanken. Ich war im Alter von 8 bis 13 viel im Theater und es war für mich immer sehr unbefriedigend, weil<br />

das Geschichten oder Operetten waren (das war in Linz, was sicherlich auch etwas ausmacht). Wir waren eine bürgerliche<br />

Familie, ich habe mit meiner Mutter vierhändig Klavier gespielt, das hat alles ziemlich gut funktioniert und ich muss zum<br />

Spaß sagen: Mit 11 war ich einmal im Theaterstück, das ich überhaupt nicht kapiert habe. Ich saß da oben auf meinem Sitz<br />

und habe überhaupt keine Ahnung gehabt, was da passiert. Ich habe nichts gewusst. Meine Mutter hat mich dann abgeholt<br />

und gefragt, wie es war und ich sagte Ihr, dass ich nichts kapiert hätte. Sie meinte „das gibt´s nicht“ es sei doch dieses oder<br />

jenes Stück gewesen. Ich habe nichts verstanden. Meine Mutter hat dann nachgeschaut und ist draufgekommen, dass der<br />

Spielplan geändert wurde und das war Torquato Tasso. Und das konnte ich ja nicht verstehen mit 11 oder 12 Jahren. Das war<br />

unmöglich, aber das hat mir am besten gefallen. Dieses Unverständliche, dass das so hängen bleibt, das hat mir von den<br />

ganzen Theaterstücken dann am besten gefallen. Aber man muss schon sagen, hauptsächlich war es doch das Interessante,<br />

Entdeckungen zu machen.<br />

EK: Sie arbeiten ja ganz stark konzeptuell. Also ausgehend von dem, wie sich Konzepte realisieren lassen und manchmal hat<br />

man das Gefühl, dass sich dieses Konzeptuelle dann verschränkt mit den Konkreten, dass es hier eine Verbindung gibt oder<br />

ein Aufeinandertreffen. Ganz besonders ist mir das bei einer Arbeit von Ihnen mit dem Titel „Schriftzug“ hängengeblieben,<br />

die mich unglaublich angesprochen hat. Da würde ich gerne noch mal nachfragen, was es mit diesem Konkreten auf sich hat,<br />

das man in ein Konzept verwandelt und umgekehrt. Also wie diese Verhältnisse zueinander wirksam werden.<br />

VE: Die Arbeit „Schriftzug“ hat sehr stark zu tun mit meinen Überlegungen zu Sprache oder Schrift, und wenn man das so<br />

erzählt, fragt man sich: Wie setze ich das jetzt um? Ein Schriftzug ist ein Schriftzug am Papier. Aber wenn ich das Wort<br />

„Schriftzug“ auf einen Zug schreibe, ist es ein Schrift-Zug. Ein Zug ist kein Blatt Papier aber es ist eine Fläche, auf die man<br />

geschrieben hat und auf der sowieso auch andere Dinge stehen. Aber es ist ein mobiles Exponat, eine mobile Ausstellung<br />

kann man sagen. Weil dieser Zug – das war Wien-Venedig – fährt jetzt durch alle Bahnhöfe durch und bleibt immer stehen,<br />

man kann das immer wieder lesen, man hat immer diesen Präsentationsraum einerseits und andererseits ist die Botschaft<br />

zwischen den Orten unleserlich. Das ist wie beim Telefon. Ich spreche hinein und die andere Person hört mich woanders, aber<br />

was dazwischen ist, ist eine Auflösung. Ich meine damit alle anderen Transportmittel, auch digitale etc. Da ist eine Auflösung<br />

dazwischen, es ist aber vorhanden. Und beim Telefon ist ja die Stimme auch vorhanden, nur in anderer Form. Daher die Überlegung<br />

der Arbeit „Schriftzug“. Bei vielen meiner Arbeiten kommen ganz verschiedene Dinge dazu. Ein Konzept natürlich,<br />

dann wie ich mit dem Konzept umgehe, soll es räumlich sein, es ist jetzt in dem Sinne räumlich. Der Schriftzug ist am Papier<br />

eben aber im Buch ist er dann wieder räumlich, weil er dann eine Seite ist und das Buch selbst wieder eine Räumlichkeit hat.<br />

Diese Überlegungen kommen hier zusammen.<br />

EK: Jetzt sind wir sozusagen hier in einem sehr ausgesetzten Raum in der Stadt, mit der Stadt im Ohr. Sie haben gerade<br />

diesen Zug beschrieben, der von Ort zu Ort fährt, von Stadt zu Stadt und das, was dazwischen passiert. Jetzt würde ich<br />

gerne von der Bewegung dazwischen noch mal in die Stadt kommen und was sich tut zwischen Stadt und ihrem Körper und<br />

unterschiedlichen Medien, die mit diesem Stadtraum in ein Verhältnis treten. Ich denke, dass in einer Reihe von Arbeiten<br />

von ihnen, das in ganz unterschiedlicher Weise miteinander zu tun bekommt oder sozusagen auch mit dem, wie man sich<br />

aussetzt. Ich habe das Gefühl, dass ganz viel ihrer Arbeiten damit zu tun hat, was es bedeutet, an die Grenze von Verletzbarkeit,<br />

von Verletzlichkeit in diesem Raum einer Stadt, zu gehen.

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