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4. Newsletter März 2013 - Marie Meierhofer Institut für das Kind

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ImpressumHerausgeber:<strong>Marie</strong> <strong>Meierhofer</strong> <strong>Institut</strong> für <strong>das</strong> <strong>Kind</strong>Redaktion:Corina Wustmann Seiler, Eliza Spirig MohrLayout/Gestaltung:Claudius NatschFotos:Tandem-Kita Entlisberg ZürichTagesheim Ziegelmatte SolothurnKita Müüsliburg StäfaKita Himugüegeli Bern<strong>Kind</strong>ervilla Chäferfäscht WinterthurTagesheim Dornacherstrasse BaselProjekt «bildungskrippen.ch»Umschlagzeichnungen: Nina Wehrle und Evelyne Laube von itsrainingelephantsBeratung:Heidi Simoni© <strong>2013</strong> <strong>Marie</strong> <strong>Meierhofer</strong> <strong>Institut</strong> für <strong>das</strong> <strong>Kind</strong>


Wie geht es weiter...? – Fortschritte, Resultate und Perspektiven zu den „Bildungs- und Lerngeschichten“ in der SchweizWie geht es weiter...? – Fortschritte, Resultate und Perspektivenzu den „Bildungs- und Lerngeschichten“ in der SchweizEditorialGeschätzte am Projekt Beteiligte und InteressierteMit dem Abschluss der Praxisbegleitung in allen Projektkitasder zweiten Implementierungsphase – derWartekontrollgruppe – im Februar <strong>2013</strong> lassen wir denletzten Meilenstein des Projekts „Bildungs- und Resilienzförderungim Frühbereich“ hinter uns. Der Stein, den<strong>das</strong> MMI gemeinsam mit den beteiligten Kitas ins Rollengebracht hat, bewegt sich allerdings weiter, in der Praxisund bei uns im MMI.In der Praxis wird die Arbeit mit den „Bildungs- undLerngeschichten (BULG)“ fester verankert und im pädagogischenAlltag weiterentwickelt. Das Projekt zeigt inder überwiegenden Zahl der beteiligten Kitas eine nachhaltigeWirkung. Die Wahrnehmung und die Begleitungder <strong>Kind</strong>er haben sich mit der Einführung der BULGverändert, ebenso die Arbeit im Team, der Austausch mitden Eltern, die Gestaltung der Räumlichkeiten und mitall dem auch die Selbstwahrnehmung der ErzieherInnen.Die Veränderungen der letzten drei Jahre mögen teilweisesubtil scheinen. Sie sind aber ausgesprochen bedeutungsvollund entspringen einer grossen Leistung.Wir wissen alle, wie aufwändig und manchmal frustrierendes sein kann, Gewohnheiten zu durchschauen underst recht, sie zu ändern. Vor dieser Aufgabe standen dieKitas bei der Einführung der BULG: Das alltägliche Beobachtenkleiner <strong>Kind</strong>er gehörte bereits vorher zu denKernaufgaben einer/s Fachfrau/Fachmannes Betreuung.<strong>Newsletter</strong> März <strong>2013</strong>Es kann jedoch aus unterschiedlichen Blickwinkeln erfolgen,mehr oder weniger reflektiert verarbeitet werdenund ganz Verschiedenes bewirken. Bei der Implementierungder BULG geht es in erster Linie darum, dieBeobachtungspraxis in eine ressourcen- und bildungsorientierteRichtung zu lenken, und darauf basierend jedes<strong>Kind</strong> auf seinem Bildungsweg bewusst und aufmerksamzu begleiten. Das Hinterfragen eines Kernbereichsder eigenen Arbeit rüttelt an der fachlichen Identität.Dies ist auch den am Projekt beteiligten ErzieherInnenzeitweise nicht anders ergangen. In vielen Kitas warenAnpassungen im Tagesablauf und in der Arbeitsplanungerforderlich. Die Umstellung hat kostbare Zeit undEnergie gekostet. Sie hat phasenweise Verunsicherungbewirkt und kritische Fragen aufgeworfen.Die meisten Teams der Projektkitas haben den skizziertenSchwierigkeiten Stand gehalten und ihren eigenenWeg für die Umsetzung der BULG gefunden. Die Austauschtreffenmit den Kitaleitungen sowie die Berichteaus den Einrichtungen in diesem <strong>Newsletter</strong> zeigen eindrücklich,<strong>das</strong>s sich ein langer Atem gelohnt hat und dieAusrichtung der Arbeit an den BULG die pädagogischeArbeit weiterhin belebt sowie die Qualitätsentwicklungfördert. Die Arbeit mit BULG macht Freude und regt denkreativen Austausch zwischen <strong>Kind</strong>ern, ErzieherInnenund Eltern an.3


Wie geht es weiter...? – Fortschritte, Resultate und Perspektiven zu den „Bildungs- und Lerngeschichten“ in der SchweizIm MMI werden zum einen immer noch wissenschaftlicheFrüchte des Projekts geerntet. Wir werden Sie indiesem und im nächsten Jahr über verschiedene Publikationenzu ausgewählten Themen informieren können.Zum anderen hat der Weg, den wir im Rahmen des Projektszusammen mit 25 Kitas haben gehen können, unszu Anpassungen der Weiterbildungen und Beobachtungsmaterialienzu den BULG angeregt. Die Erfahrungenfliessen in unsere Angebotspakete und Fortbildungen sowiein ein Ergebnis- und Materialienbuch ein, <strong>das</strong> wirvoraussichtlich im Sommer <strong>2013</strong> auflegen werden.Zum Schluss möchte ich diesen letzten „<strong>Newsletter</strong>“zum Projekt „Bildungs- und Resilienzförderung imFrühbereich“ nutzen, allen, die zum Gelingen des Projektsbeigetragen haben, von ganzem Herzen nochmalszu danken:Den <strong>Kind</strong>ern, den ErzieherInnen, den Eltern, den Gruppen-und Kitaleitungen, den Trägerschaften sowie demBULG-Team im MMI und ganz besonders der Projektleiterin,Corina Wustmann Seiler.Ein herzliches Dankeschön für die finanzielle Unterstützungdes Projekts und <strong>das</strong> Vertrauen in die Qualitätunserer Arbeit gebührt an dieser Stelle der Stiftung MercatorSchweiz, der Jacobs Foundation, der HamasilStiftung und dem Schweizerischen Nationalfonds.Heidi SimoniLeiterin <strong>Marie</strong> <strong>Meierhofer</strong> <strong>Institut</strong> für <strong>das</strong> <strong>Kind</strong>4 Bildungs- und Resilienzförderung im Frühbereich


Wie geht es weiter...? – Fortschritte, Resultate und Perspektiven zu den „Bildungs- und Lerngeschichten“ in der SchweizInhaltEditorial .....................................................................................................................................................................Das Projekt „Bildungs- und Resilienzförderung im Frühbereich“ .........................................................Wie kann eine bildungsorientierte Arbeit im Alltag gelingen? – Ergebnisse aus derwissenschaftlichen Analyse der 1. Implementierungsphase (2009–2011) ......................................Stimmen aus der Praxis: Wie läuft die Umsetzung der „Bildungs- und Lerngeschichten“ inder 2. Implementierungsphase (2011–<strong>2013</strong>) aus Sicht der Kitas? Vier Kitaleitungen undTeams berichten ....................................................................................................................................................Was befördert Nachhaltigkeit in der Praxisumsetzung der „Bildungs- und Lerngeschichten“?Ein Einblick in die Arbeit mit den „Bildungs- und Lerngeschichten“ nach drei Jahren ................„Bildungs- und Lerngeschichten“ und Kleinkindpädagogik nach Emmi Pikler – miteinandervereinbar? ...............................................................................................................................................................„Bildungs- und Lerngeschichten“ und „infans-Konzept der Frühpädagogik“:Gemeinsamkeiten und Unterschiede ............................................................................................................Gastbeitrag: Anpassung und Implementierung des „infans-Konzepts der Frühpädagogik“ inKitas der Deutschschweiz – Erfahrungen und Ergebnisse aus dem Projekt„bildungskrippen.ch“ ..........................................................................................................................................Bericht aus der Forschungswerkstatt: Bildungs- und Lernverständnis in der Praxis –Interviews mit pädagogischen Fachkräften und Kitaleitungen ...........................................................Bericht aus der Forschungswerkstatt: Austauschprozesse zwischen <strong>Kind</strong> und ErzieherIn –Erste ausgewählte Ergebnisse aus der Videobeobachtungsstudie ....................................................Bericht aus der Forschungswerkstatt: Qualitätsentwicklung durch systematischeBildungsbeobachtung und -dokumentation? – Ergebnisse aus externen QualitätsmessungenBericht aus der Forschungswerkstatt: „Ich kann etwas bewegen“ – Einschätzungen dereigenen Fähigkeiten in der frühen <strong>Kind</strong>heit: Ergebnisse aus Interviews mit drei- bisfünfjährigen <strong>Kind</strong>ern ............................................................................................................................................Bericht aus der Forschungswerkstatt: Mentale Repräsentationen bei <strong>Kind</strong>ern zwischen dreiund fünf Jahren: Ergebnisse aus Interviews mit drei- bis fünfjährigen <strong>Kind</strong>ern ............................Der „Orientierungsrahmen für frühkindliche Bildung, Betreuung und Erziehung in derSchweiz“ und seine Beziehung zu den „Bildungs- und Lerngeschichten“ ......................................Weiterführende Literaturhinweise ..................................................................................................................Kontakte ...................................................................................................................................................................1555203033374043454951545656<strong>Newsletter</strong> März <strong>2013</strong>5


Wie geht es weiter...? – Fortschritte, Resultate und Perspektiven zu den „Bildungs- und Lerngeschichten“ in der SchweizDie bisherigen Projektnewsletter:Falls Ihnen ein <strong>Newsletter</strong> fehlt, können Sie ihnauf der Webseite www.mmi.ch/bildungsprojekt/newsletter.html downloaden.6 Bildungs- und Resilienzförderung im Frühbereich


Wie geht es weiter...? – Fortschritte, Resultate und Perspektiven zu den „Bildungs- und Lerngeschichten“ in der SchweizDas Projekt „Bildungs- und Resilienzförderung im Frühbereich“Das Forschungsprojekt „Bildungs- und Resilienzförderungim Frühbereich“ hat im Juni 2009 am<strong>Marie</strong> <strong>Meierhofer</strong> <strong>Institut</strong> für <strong>das</strong> <strong>Kind</strong> gestartet. Zieldes Projekts ist es, einen Beitrag zur Förderung, Professionalisierungund Qualitätsentwicklung von Bildungim Frühbereich zu leisten. Im Rahmen des Projektswurde systematische Bildungsbeobachtung und -dokumentationanhand des Verfahrens der „Bildungs- undLerngeschichten (BULG)“ in <strong>Kind</strong>ertageseinrichtungender Deutschschweiz eingeführt und erprobt. Die Praxisimplementierunghilft u.a. zu klären, unter welchenRahmenbedingungen sich die Arbeit mit dem Beobachtungsverfahrenin hiesigen Einrichtungen erfolgreichumsetzen lässt. Dabei wurde <strong>das</strong> Beobachtungsverfahrenan die speziellen Voraussetzungen in deutschschweizer<strong>Kind</strong>ertageseinrichtungen angepasst und modifiziert.Darüber hinaus wurde innerhalb von vier Teilstudien mitunterschiedlichem Fokus die Wirksamkeit der Arbeit mitsystematischer Bildungsbeobachtung und -dokumentationanhand der BULG wissenschaftlich untersucht, z.B. wiesich die Dialoge zwischen ErzieherIn und <strong>Kind</strong>(ern) gestaltenund sich darin <strong>das</strong> Lernen von <strong>Kind</strong>ern anregenlässt, welche Vorstellungen ErzieherInnen und Eltern vonfrüher Bildung und der gemeinsamen Zusammenarbeithaben oder wie die BULG <strong>Kind</strong>er in ihrer Identitätsentwicklungals selbstwirksames <strong>Kind</strong> unterstützenkönnen. Die Forschungsfragen wurden teils vertiefendexplorativund längsschnittlich, teils mit Kontroll- undVergleichsgruppendesign erforscht. Dabei kamen leitfadengestützteInterviews und schriftliche Befragungen derErzieherInnen, Kitaleitungen und Eltern, videogestützteBeobachtungen der ErzieherIn-<strong>Kind</strong>-Interaktionen, Entwicklungstestsund Interviews mit den <strong>Kind</strong>ern sowiestandardisierte Beobachtungen zur Einschätzung der pädagogischenQualität zum Einsatz.Am Projekt nahmen insgesamt 25 <strong>Kind</strong>ertageseinrichtungenaus der Deutschschweiz teil. Die Einführung undUmsetzung der BULG erfolgte in zwei Phasen: Die ersteImplementierungsphase mit 12 Einrichtungen mit 38Gruppen (Interventionsgruppe bzw. A-Kitas) fand imZeitraum von August 2009 bis Dezember 2010 statt. Diezweite Implementierungsphase, an der 12 Einrichtungenbeteiligt sind, die in der ersten Phase als Wartekontrollgruppegalten (B-Kitas), startete ab Januar 2011 unddauert bis Februar <strong>2013</strong> an. Innerhalb der Implementierungerhielten die Einrichtungsteams umfassendeWeiterbildungen (insgesamt 6 Tage) sowie intensivesPraxiscoaching vor Ort (insgesamt 8-12 Begleittage).Die intensive Begleitung in der Praxis diente der Klärungvon Fragen, dem Besprechen von Lerngeschichtenund Beobachtungsanalysen sowie der Beratung in Bezugauf die Anwendung des Verfahrens und auftretenderOrganisationsentwicklungsprozesse (z.B. in Form vonEinzelgesprächen oder Teamsitzungen).Der vorliegende <strong>Newsletter</strong> gibt Erfahrungen und ausgewählteErgebnisse aus dem Projekt wieder.Wie kann eine bildungsorientierte Arbeit im Alltag gelingen – Ergebnisse aus derwissenschaftlichen Analyse der 1. Implementierungsphase (2009–2011)Teil 1: Wie sieht die Praxisumsetzung in Schweizer <strong>Kind</strong>ertageseinrichtungen aus? – Analyse undBeschreibung der Umsetzungsprozesse der „Bildungs- und Lerngeschichten“Julia SteinmetzBeim Betrachten der Umsetzungsprozesse der „Bildungs-und Lerngeschichten (BULG)“ über alle 12Projekteinrichtungen zeigt sich, wie heterogen <strong>das</strong>Verfahren in den einzelnen Einrichtungen realisiertwurde. Gleichzeitig wurde deutlich, <strong>das</strong>s sich die Umsetzungsprozesseauch innerhalb der Einrichtungenstark unterscheiden. Grosse Ähnlichkeiten in den Umsetzungsprozessenfielen insbesondere dann auf, wennalle Gruppen der Projekteinrichtungen – insgesamt 38Gruppen aus 12 Kitas (100%) – miteinander verglichenwurden. Um Charakteristika der verschiedenen Umsetzungsprozessebeschreiben zu können und dabei allenKitas sowie den einzelnen Gruppen gerecht zu werden,wurden die jeweiligen Umsetzungsprozesse auf Gruppenebeneanalysiert und zusammengefasst (nicht aufEinrichtungsebene). Die Beschreibung der Umsetzungund Integration des Beobachtungsverfahrens orientiertsich dabei an den Arbeitsschritten der BULG.Im Vergleich der Gruppen liessen sich bei demArbeitsschritt „Beobachtung und Analyse“ drei Umsetzungsprofileim Verlauf herauskristallisieren:1. regelmässige Umsetzung,<strong>Newsletter</strong> März <strong>2013</strong>7


Wie geht es weiter...? – Fortschritte, Resultate und Perspektiven zu den „Bildungs- und Lerngeschichten“ in der Schweiz2. teils regelmässige und teils unregelmässige Umsetzung(wellenartig),3. unregelmässige Umsetzung (vgl. Tab. 1).Bei allen restlichen Arbeitsschritten der BULG konntenlediglich zwei Umsetzungsprofile unterschieden werden:(1) eine regelmässige und (2) eine unregelmässige Umsetzung.Auf die Umsetzung der BULG-Arbeitsschritte„Dokumentation anhand von sprechenden Wänden“,„Dialog mit dem <strong>Kind</strong>“ und „Dialog mit Eltern“ kannaus Platzgründen nur kurz eingegangen werden.Beobachtung und AnalyseDer erste Arbeitsschritt der BULG erfordert ein regelmässiges,schriftliches und systematisches Beobachtenwellenartige Umsetzung des Beobachtens und Analysierensab. Das bestehende Beobachtungssystem funktionierteauf diesen Gruppen nur vorübergehend. Das Beobachtenfand zeitweise unregelmässig und unsystematisch statt.Nicht alle Mitarbeitenden der Gruppen waren beim Beobachtenregelmässig beteiligt. Bei Personalausfall wurdeteilweise auf <strong>das</strong> Beobachten verzichtet. Die Analyse derBeobachtungen erfolgte nicht immer. Die Kitaleitung partizipiertenur gelegentlich aktiv an der Umsetzung diesesArbeitsschrittes, war jedoch über die Umsetzung auf deneinzelnen Gruppen informiert.Nur ein kleiner Teil an Gruppen (19%) konnte keineregelmässige Umsetzung verwirklichen und den Arbeitsschrittin den Alltag nicht integrieren. Die Mitarbeitendenbeobachteten nur gelegentlich und unstrukturiert. SieArbeitsschritte der BULGRegelmässigeUmsetzungWellenartigeUmsetzungUnregelmässigeUmsetzungBeobachtung und Analyse 47% 34% 19%Kollegialer Austausch 58% 42%Planung und Umsetzung der nächsten Schritte 69% 31%Dokumentation Lerngeschichte 55% 45%Dokumentation Portfolio 87% 13%Tab. 1: Integration der BULG in die Praxis (Analyse auf Gruppenebene)im Alltag und eine anschliessende Analyse der Beobachtungennach fünf Lerndispositionen. Dies war für alleGruppen der Projekteinrichtungen anfangs neu und ungewohnt.Demzufolge war eine regelmässige Umsetzungzu Beginn eine grosse Herausforderung. Die anfänglichenSchwierigkeiten bestanden vor allem darin, die Beobachtungendetailliert und interpretationsfrei zu verfassen.Durch die wiederholte Tätigkeit ist dies einem Grossteilder Kitamitarbeitenden im Zeitverlauf jedoch gut gelungen.Rund die Hälfte aller Gruppen (47%) konnte denArbeitsschritt regelmässig und systematisch durchführenund in den Alltag integrieren. Auf diesen Gruppen bestandein überschaubares Beobachtungssystem, welchesallen Mitarbeitenden der Gruppe zugänglich war. Zudemgab es klare Verantwortlichkeiten für <strong>das</strong> Aktualisierender Beobachtungsunterlagen. Alle Mitarbeitenden derGruppe beobachteten regelmässig und analysierten dieBeobachtungen noch am selben Tag. Während Zeiten mitPersonalausfall wurde reduziert beobachtet. Zudem hattedie Kitaleitung einen aktiven Part an der Umsetzung vonBeobachtung und Analyse.Bei einem Drittel der Gruppen (34%) zeichnete sich einebetrachteten <strong>das</strong> Beobachten eher als Belastung und Mehraufwand,weshalb in schwierigen Zeitperioden als Erstesdarauf verzichtet wurde. Es bestand kein bzw. kein funktionierendesBeobachtungssystem. Nicht alle Mitarbeitendender Gruppen beobachteten. Die Analyse der Beobachtungenerfolgte sehr sporadisch. Während Personalausfallswurde auf <strong>das</strong> Beobachten zumeist ganz verzichtet. Zudemwar die Kitaleitung über die Umsetzung auf den einzelnenGruppen ihrer Kita nur teilweise informiert.Für die Mehrheit der Gruppen ist der Arbeitsschritt„Beobachtung und Analyse“ resümierend zum festenBestandteil der pädagogischen Arbeit geworden. VieleMitarbeitende berichteten von einem deutlichen Mehrwert– für die <strong>Kind</strong>er und <strong>das</strong> Team.Kollegialer AustauschIm kollegialen Austausch besprechen die Mitarbeitendeneiner Gruppe ihre schriftlichen Beobachtungen. Durch<strong>das</strong> Zusammentragen von verschiedenen Eindrückenwird der Blick auf <strong>das</strong> <strong>Kind</strong> facettenreicher. Die grössteHerausforderung lag für die meisten Gruppen darin, diesenArbeitsschritt in die Alltagsstruktur der Gruppe aufzuneh-8 Bildungs- und Resilienzförderung im Frühbereich


Wie geht es weiter...? – Fortschritte, Resultate und Perspektiven zu den „Bildungs- und Lerngeschichten“ in der Schweizmen. Da bereits vor der Implementierung der BULG vieleSitzungen im Kitaalltag bestanden, war es schwierig, Zeitgefässefür den kollegialen Austausch zu finden. EinemGrossteil der Gruppen ist dies dennoch über den Zeitverlaufgelungen. Dabei haben sich gruppenübergreifendeOrganisationsstrategien gut bewährt. Diese ermöglichendie Durchführung des kollegialen Austauschs und eine paralleleBetreuung der <strong>Kind</strong>er durch andere Gruppen derEinrichtung. Eine weitere Schwierigkeit für die Gruppenbestand darin, den kollegialen Austausch mit allen Mitarbeitendeneiner Gruppe durchzuführen. Durch die Vielzahlan Teilzeitmitarbeitenden in Deutschschweizer Kitas wardies für manche Gruppen nicht leicht zu organisieren.Nichtsdestotrotz haben sich einzelne Gruppen kreativeLösungen einfallen lassen, um allen Mitarbeitenden dieTeilhabe an den Gesprächen zu ermöglichen. RotierendesPersonal bei der Teilnahme am kollegialen Austausch, diegenaue Protokollierung der besprochenen Themen odertelefonische Konferenzen haben sich dabei als besonderserfolgreich erwiesen.Die Mehrheit der Gruppen (58%) konnte diesen Arbeitsschrittregelmässig im Alltag umsetzen. In der Regelfand dieser alle zwei Wochen mit allen Mitarbeitendender jeweiligen Gruppe statt und war fest in der Monatsplanungder Gruppe bzw. Kita verankert. Er dauerte imDurchschnitt eine Stunde. In dieser Stunde wurden inden meisten Fällen die Beobachtungen von zwei <strong>Kind</strong>ernbesprochen. Bei Personalausfall, in Ferien- undEingewöhnungszeiten wurde der kollegiale Austauschwie gewohnt oder in einer reduzierten Form durchgeführt.Die Kitaleitung nahm am kollegialen Austauschder Gruppen regelmässig teil.Die anderen Gruppen der Projekteinrichtungen (42%)hatten bei der Integration des kollegialen AustauschesSchwierigkeiten. Auf diesen Gruppen konnte keineregelmässige Umsetzung im Zeitraum der Implementierungbeobachtet werden. Die Umsetzung erfolgtesprunghaft und reichte von „temporär“, „regelmässig“über „gelegentlich“ bis hin zu „keiner Umsetzung“. DieDurchführung des kollegialen Austauschs wurde von diesenGruppen kurzfristig geplant und war nicht fest in dieMonatsplanung der Gruppe integriert. Nicht allen Mitarbeitendender Gruppe war es möglich, am kollegialenAustausch teilzunehmen. Bei Personalausfall, in FerienundEingewöhnungszeiten wurde auf die Durchführungdes kollegialen Austauschs verzichtet. Die Kitaleitungnahm sporadisch oder gar nicht am kollegialen Austauschder Gruppen teil.Die Befragung aller Mitarbeitenden an den Abschlussveranstaltungenin den Einrichtungen präsentiert vor<strong>Newsletter</strong> März <strong>2013</strong>allem die Vorteile, die sich durch die Umsetzung des kollegialenAustauschs ergeben:• Endlich Zeit, um über die <strong>Kind</strong>er zu reden• Ein <strong>Kind</strong> bewusst in den Fokus nehmen• Der individuelle Blick auf <strong>das</strong> <strong>Kind</strong> wird facettenreicher• Ressourcen und Stärken der <strong>Kind</strong>er stehen im Vordergrund• Jede/jeder Teilnehmende hat beim kollegialen Austauschdieselben Kompetenzen• Austausch mit allen Mitarbeitenden der Gruppe.Die Nachteile bei der Umsetzung des kollegialen Austauscheswurden – auch von den Gruppen ohne Integration– kaum erwähnt. Dies zeigt, <strong>das</strong>s der kollegiale Austauschgrundsätzlich auf allen Gruppen als bereichernd und förderlichfür die pädagogische Arbeit empfunden wird.Planung und Umsetzung „nächster Schritte“Bei der Planung der „nächsten Schritte“ wird gezieltdarüber entschieden, wie <strong>das</strong> einzelne <strong>Kind</strong> in seinen Bildungsprozessenweiter begleitet und unterstützt werdenkann. Sie werden von den Mitarbeitenden der Gruppeanhand der Beobachtungen und Analysen im kollegialenAustausch gemeinsam geplant. Alle Projektgruppenhaben die Planung der nächsten Schritte im kollegialenAustausch durchgeführt. Manchen Gruppen fiel esam Anfang schwer, die Planung an den Interessen undKompetenzen des <strong>Kind</strong>es und nicht an dessen Defizitenauszurichten. Bei den meisten Gruppen fand einUmdenken statt, vor allem durch die Nutzung der Lerndispositionenals Hilfsmittel bei der Planung der nächstenSchritte.Die Mehrheit der Gruppen (69%) haben die Planungund Umsetzung der nächsten Schritte in ihren Alltag integrierenkönnen. Nächste Schritte wurden anhand derschriftlichen Beobachtungen, deren Analysen und der Erkenntnisseaus dem kollegialen Austausch regelmässig,ressourcenorientiert und von allen Mitarbeitenden derGruppe gemeinsam geplant und umgesetzt. Zudem bestandenauf diesen Gruppen funktionierende Hilfsmittel,welche die Umsetzung von geplanten nächsten Schrittenerleichtern und begünstigen (z.B. Schiefertafeln, laminierteAufzeichnungen, farbige Zettel).Bei einem knappen Drittel der Gruppen (31%) konntekeine regelmässige Umsetzung der nächsten Schrittebeobachtet werden. Nächste Schritte wurden unregelmässig,teilweise nicht ressourcenorientiert und nicht vonallen Mitarbeitenden der Gruppe gemeinsam geplant undumgesetzt. Bei der Planung der nächsten Schritte domi-9


Wie geht es weiter...? – Fortschritte, Resultate und Perspektiven zu den „Bildungs- und Lerngeschichten“ in der Schweiznierten neben den schriftlichen Beobachtungen und derenAnalysen oft subjektive Alltagsbeobachtungen. Zudembestanden keine oder keine funktionierenden Hilfsmittelzur Umsetzung von nächsten Schritten.Die grösste Herausforderung war jedoch nicht die Planung,sondern die Umsetzung von geplanten nächstenSchritten, da diese oft in Vergessenheit geriet. MancheGruppen integrierten die Umsetzung in <strong>das</strong> Tagesgeschehenund handelten spontan aus der Situation heraus.Andere planten die Umsetzung sequenzartig in denWochenablauf ein. Darüber hinaus konnte beobachtetwerden, <strong>das</strong>s mehrere Gruppen auch <strong>Kind</strong>er in die Planungder nächsten Schritte einbezogen. Dies geschahentweder durch direktes Fragen der <strong>Kind</strong>er, was sieals Nächstes tun möchten, oder die geplanten nächstenSchritte wurden den <strong>Kind</strong>ern vorgeschlagen, um derenMeinung einzuholen.Dokumentation anhand der LerngeschichteDie Lerngeschichten werden direkt für <strong>das</strong> <strong>Kind</strong> geschriebenund haben <strong>das</strong> Ziel, dem <strong>Kind</strong> seine Lernprozessewertschätzend zu spiegeln und mit ihm darüber in einenDialog zu treten. Bei der Umsetzung des Arbeitsschritts„Schreiben von Lerngeschichten“ bestand die Herausforderungfür die Mitarbeitenden darin, Bezug zu denLerndispositionen herzustellen und diese in der Lerngeschichtekindgerecht wiederzugeben. So sind vor allemam Anfang viele liebevolle und wertschätzende Briefe andie <strong>Kind</strong>er entstanden, die eine Beobachtungssituationdetailliert beschrieben. Die Lern- und Bildungsprozesseder <strong>Kind</strong>er wurden in diesen Lerngeschichten jedochkaum reflektiert. Erst mit der Zeit nahm die Qualität derLerngeschichten zu. Da in Deutschschweizer Kitas vermehrtjüngere <strong>Kind</strong>er betreut werden, musste die Formder Lerngeschichte für <strong>das</strong> Alter von Kleinstkindernangepasst werden. Von der klassischen Lerngeschichte(schriftlich beschriebene Beobachtungssituationen ineiner Briefform) verschob sich der Fokus vermehrt aufFoto-Lerngeschichten. Ein wesentlicher Aspekt ist dabei,<strong>das</strong>s Kleinstkinder durch die Foto-Lerngeschichten dieerlebten Situationen nicht nur akustisch, sondern auchbildlich miterleben können. Zahlreiche Mitarbeitende betonten,<strong>das</strong>s <strong>das</strong> Nacherzählen der Foto-Lerngeschichteviel authentischer ist als <strong>das</strong> starre Vorlesen eines geschriebenenTextes. Zudem handelt es sich dabei um eineForm, die den <strong>Kind</strong>ern durch Bilderbücher vertraut ist.Über die Hälfte der Gruppen (55%) setzte <strong>das</strong> Schreibenvon Lerngeschichten regelmässig um. Im kollegialenAustausch legten die Mitarbeitenden fest, wer <strong>das</strong> Schreibenübernahm. Nach jedem kollegialen Austauschentstanden zwei Lerngeschichten – je eine für die besprochenen<strong>Kind</strong>er. Die Mitarbeitenden dieser Gruppenwechselten sich beim Schreiben der Lerngeschichtenab. Durchschnittlich benötigten sie 30-40 Minuten für<strong>das</strong> Verfassen einer Lerngeschichte. Zeitfenster für <strong>das</strong>Schreiben von Lerngeschichten wurden auf den Gruppenauf verschiedene Weise eingeplant. Bestehende Bürozeitender Mitarbeitenden wurden gerne dafür genutzt.Einige Gruppen planten direkt nach dem kollegialenAustausch eine Stunde Zeit ein, in der sie abwechselnddie Lerngeschichten schrieben. Bei einzelnen Gruppenentschied die Gruppenleitung spontan, wann Zeitressourcenim Alltag bestanden. Die Kitaleitung beteiligtesich aktiv am Prozess dieses Arbeitsschrittes.Der restliche Teil der Gruppen (45%) konnte <strong>das</strong> Schreibenvon Lerngeschichten nicht in den Alltag integrieren.Bei einem Grossteil dieser Gruppen fand keine regelmässigeUmsetzung des kollegialen Austauschs statt.Typisch für diese Gruppen war, <strong>das</strong>s <strong>das</strong> Schreiben vonLerngeschichten sporadisch stattfand. Auf den meistenGruppen bestanden keine geplanten, regelmässigenZeitfenster, die für <strong>das</strong> Verfassen von Lerngeschichtenreserviert wurden. Zudem konnte auf den Gruppen beobachtetwerden, <strong>das</strong>s lange Zeitspannen zwischen demkollegialen Austausch und dem Entstehen der Lerngeschichtebestanden. Dies erschwerte es den <strong>Kind</strong>ern, diewiedergegebene Situation in der Lerngeschichte nachzuvollziehen.Ausserdem wurden nicht alle Mitarbeitendender Gruppe beim Schreiben der Lerngeschichten einbezogen.Die Kitaleitung nahm nur gelegentlich bzw. garnicht am Prozess dieses Arbeitsschrittes teil.Dokumentation anhand des PortfoliosDas Portfolio ist eine Sammlung der Arbeiten undLerngeschichten des <strong>Kind</strong>es, die seine Anstrengungen,seine Fortschritte, seine Kompetenzen und Fähigkeitenanschaulich dokumentiert. Die Kitamitarbeitendenunterstützen die <strong>Kind</strong>er bei dem Dokumentationsprozess.Alle Gruppen der Projekteinrichtungen haben sichfür die Umsetzung des Portfolios entschieden. Bei derGestaltung des Portfolios haben sie viel Kreativität bewiesen.Ein ko-konstruktiver Umgang zwischen <strong>Kind</strong>ernund Mitarbeitenden bei der Einführung des Portfoliosstellte sich als sehr förderlich für die spätere Beziehungder <strong>Kind</strong>er zu ihren Portfolios dar. Nur in wenigen Kitaskonnte beobachtet werden, <strong>das</strong>s die <strong>Kind</strong>er keinen Bezugzu ihrer persönlichen Mappe entwickeln konnten. DiePartizipation der <strong>Kind</strong>er bei der Gestaltung der Portfoliosverlief in den meisten Gruppen sehr erfolgreich. Es gabjedoch auch Unsicherheiten, vor allem bei der Mitgestal-10 Bildungs- und Resilienzförderung im Frühbereich


Wie geht es weiter...? – Fortschritte, Resultate und Perspektiven zu den „Bildungs- und Lerngeschichten“ in der Schweiztung am Portfolio bei Säuglingen und Kleinstkindern.Mitarbeitende von Kleinstkindgruppen gingen daraufhinden Kompromiss ein, <strong>das</strong>s sie in den ersten Lebensmonatender <strong>Kind</strong>er eher über sie dokumentieren – in derHoffnung, <strong>das</strong>s sie später davon profitieren können.Fast alle Gruppen (87%) setzten <strong>das</strong> Portfolio kindgerechtund ressourcenorientiert um. Das Portfolio konntesich schnell in den Alltag der Gruppen integrieren undwurde zu einem ständigen Begleiter für die <strong>Kind</strong>er. Jedes<strong>Kind</strong> erhielt sein eigenes, persönliches Portfolio. DieMitarbeitenden sahen sich als UnterstützerInnen bei derGestaltung der Portfolios und überliessen den <strong>Kind</strong>erneinen grossen Entscheidungsfreiraum. Die Portfolios warenso platziert, <strong>das</strong>s jedes <strong>Kind</strong> einen uneingeschränktenZugang zu diesen hat. Die Mitarbeitenden gingen mit denPortfolios sehr respektvoll um: Sie fragten die <strong>Kind</strong>er, obsie die Portfolios anschauen dürfen. Die <strong>Kind</strong>er warensehr stolz auf ihre Portfolios und präsentierten diese sehrgerne den Eltern und Besuchern. Viele Mitarbeitendeäusserten ihr Staunen darüber, wie fürsorglich und verantwortungsvolldie <strong>Kind</strong>er (vor allem die Kleinstkinder)mit ihren Portfolios umgehen.Bei einer Minderheit der Gruppen (13%) konnte keineIntegration des Portfolios in den Alltag festgestellt werden.Auf diesen Gruppen bekamen nicht alle <strong>Kind</strong>er eineigenes Portfolio. Auch war die Einführung der Portfoliosnicht kindgerecht gestaltet, so <strong>das</strong>s es für <strong>Kind</strong>erschwierig war, den Sinn ihrer „persönlichen Mappe“nachzuvollziehen. Die <strong>Kind</strong>er konnten nur sehr wenigoder gar nicht an der Gestaltung des Portfolios partizipieren.Die Aufbewahrung der Portfolios war auf denGruppen nicht kindzentriert. Meistens hatten die <strong>Kind</strong>erkeinen direkten Zugriff darauf (z.B. im Büro der Kitaleitung,in einem zugeschlossenen oder für <strong>Kind</strong>er zu hohenRegal) und mussten die Mitarbeitenden zuerst fragen, umihr Portfolio anschauen zu können.Dokumentation anhand der „sprechenden Wände“„Sprechende Wände“ – auch Wanddokumentation genannt– dokumentieren die Lernprozesse aller <strong>Kind</strong>erin der Kita und stellen eine Informationsgrundlage fürEltern und andere Interessierte dar. Obwohl die Wanddokumentationden Projekteinrichtungen als freiwilligeDokumentationsform angeboten wurde, haben sich vieleGruppen für die Umsetzung entschieden. Auffälligist aber, <strong>das</strong>s die Mehrzahl der Gruppen keine Integrationin den Alltag erreichen konnte. Es kann vermutetwerden, <strong>das</strong>s die Priorität in der Umsetzung auf die beidenanderen Dokumentationsformen „Schreiben vonLerngeschichten“ und „Portfolio“ gelegt wurde. Die<strong>Newsletter</strong> März <strong>2013</strong>Wanddokumentationen präsentierten sich auf unterschiedlicheArt und Weise in den Einrichtungen: z.B.Zeichnungen und Bastelwerke der <strong>Kind</strong>er oder fotografischdokumentierte Ausflüge, Aktionen und Festein der Einrichtung. Repräsentativ waren meistens Fotodokumentationen.Diese sind bei <strong>Kind</strong>ern, Elternund Mitarbeitenden sehr beliebt. Viele Mitarbeitendeberichteten, <strong>das</strong>s die <strong>Kind</strong>er sich vermehrt vor den Fotodokumentationenaufhalten, die dargestellten Situationennacherzählen und so häufiger in einen Austausch mit anderen<strong>Kind</strong>ern und den Mitarbeitenden treten.Dialog mit dem <strong>Kind</strong>Die BULG bieten eine Vielzahl an Möglichkeiten, ineinen Dialog mit dem <strong>Kind</strong> zu treten. Sowohl die Beobachtungenals auch die Dokumentationen anhand vonLerngeschichten, Portfolios und „sprechenden Wänden“können für den Austausch genutzt werden. Es zeigtesich, <strong>das</strong>s die Beobachtungen im Gegensatz zu denLerngeschichten nur teilweise für den Austausch mitden <strong>Kind</strong>ern verwendet wurden. Die Mitarbeitendenberichteten, <strong>das</strong>s <strong>das</strong> Vorlesen der Lerngeschichten einerder Höhepunkte der BULG sind. Allerdings erwiessich die Umsetzung – wie bereits bei den vorhergehendenArbeitsschritten – zu Beginn oft als schwierig. DieZeit des Vorlesens und die damit verbundene 1:1-Interaktionmusste in einigen Gruppen zeitlich eingeplant undin der Agenda notiert werden. Andere Gruppen suchteneher spontan im Alltag Zeit zum Vorlesen der Lerngeschichten.In allen Gruppen wurden die geschriebenenLerngeschichten dem <strong>Kind</strong> wiedergegeben. Es zeichnetensich jedoch unterschiedliche Wirkungen ab, je nachdem,ob die Lerngeschichte „nur“ vorgelesen wurde oder obauch ein Gespräch mit dem <strong>Kind</strong> daraus entstand. In 1/3der Gruppen fand ein reger Austausch anhand des Portfoliosstatt. Zum grössten Teil nahmen die <strong>Kind</strong>er ihrePortfolios selbstständig aus den Regalen, schauten diesean und zeigten sie anderen <strong>Kind</strong>ern, Mitarbeitenden undEltern. Somit kamen die meisten Impulse für Dialoge anhanddes Portfolios von den <strong>Kind</strong>ern selbst.Dialog mit ElternDer Austausch mit den Eltern stellt einen wichtigen Eckpfeilerder BULG dar. Dabei steht im Vordergrund, denEltern die Lernfortschritte und Lernprozesse ihres <strong>Kind</strong>esaufzuzeigen und eine „Bildungs- und Erziehungspartnerschaft“zwischen Kita und Familie aufzubauen. DasThema „Dialog mit den Eltern“ wurde im zweiten Weiterbildungsblockmit den Kitamitarbeitenden behandelt.Eine umfassende Integration des Arbeitsschrittes trat bei11


Wie geht es weiter...? – Fortschritte, Resultate und Perspektiven zu den „Bildungs- und Lerngeschichten“ in der Schweizeinigen Gruppen nach mehreren Monaten, bei den meistenjedoch erst am Ende der Implementierung ein. Vorallem Elterngespräche anhand von BULG wurden erstzum Ende intensiver angegangen. Die meisten Einrichtungenbefinden sich bei diesem Arbeitsschritt immernoch in einem Entwicklungsprozess.Abschliessend muss darauf hingewiesen werden, <strong>das</strong>sdie Kontinuität der Umsetzung der einzelnen Arbeitsschrittenichts über die Qualität von deren Durchführungaussagt. Das Mass der Qualität muss vielmehr einzelnenMitarbeitenden zugeschrieben werden. Für die Beschreibungdieser Qualität müsste jedoch auf Personenebeneeingegangen werden, was den Rahmen des vorliegendenBerichts sprengen würde.Teil 2: Was hat sich bewährt? – Analyse und Beschreibung von Einflussgrössen in der Praxisumsetzungder „Bildungs- und Lerngeschichten“Corina Wustmann SeilerIn den verschiedenen Projekten zu den „Bildungs- undLerngeschichten (BULG)“ in Deutschland haben sichals Voraussetzungen für die Integration des Beobachtungsverfahrensin den pädagogischen Alltag folgendeAspekte als bedeutsam erwiesen (vgl. Deutsches Jugendinstitute.V., 2007; Moritz et al., 2011; Pohl, Rosenauer &Zipperle, 2009; Weltzien, 2009; Weltzien & Viernickel,2008):• Bereitschaft und Motivation des Teams, sich auf dieBULG einzulassen (Innovationsfähigkeit des Teams)• Teamarbeit und Selbstdisziplin• Dialogische Haltung im Kontakt mit den KollegenInnen,<strong>Kind</strong>ern und Eltern• Unterstützung des Teams durch die Kitaleitung (Zielorientierungder Kitaleitung)• Ausreichend „kinderfreie“ Arbeitszeit zur Auswertungder Beobachtungen und zum kollegialenAustausch• Mindestausstattung an technischen Geräten und Materialien,die für eine gute Bildungsdokumentationerforderlich sind.Darüber hinaus konnten die Grösse der Einrichtung und dieKontinuität des Personals, gute Kommunikationsstrukturenzwischen Elternschaft und Team sowie funktionierende,verbindliche Mechanismen der Arbeitsorganisation imTeam als einflussreich identifiziert werden.Für die vorliegende Analyse der Implementierungsprozesseder BULG in Deutschschweizer Kitas wurde einqualitatives und statistisch-quantitatives methodischesVorgehen umgesetzt. Ziel war es, bedeutsame Faktorenfür eine gelingende oder erschwerende Praxisumsetzungder BULG explorieren und beschreiben zu können. Hierfürwurden die einzelnen Arbeitsschritte der BULG sowieorganisatorische Merkmale und Rahmenbedingungender Einrichtungen und Gruppen genauer betrachtet. Wiebereits beschrieben, verlief die Umsetzung der BULG inallen Projekteinrichtungen und Gruppen unterschiedlich.Ein Vergleich zwischen den Einrichtungen und Gruppenzeigt, <strong>das</strong>s es Faktoren gibt, welche bei der Mehrheitder Gruppen die Umsetzung der Arbeitsschritte grundsätzlichbegünstigen oder hemmen. Einerseits gibt esdabei Merkmale, welche sich auf die Umsetzung allerArbeitsschritte auswirken und in den meisten Gruppendokumentiert werden konnten. Andererseits sind Umsetzungsbedingungenzu finden, welche jeweils nurfür einzelne Arbeitsschritte bedeutsam sind und sichspezifisch in Abhängigkeit zu den strukturellen Rahmenbedingungender Gruppen bzw. Einrichtungen äussern.Aus Kapazitätsgründen werden im Folgenden nur dieallgemeinen – nicht arbeitsschrittspezifischen – Faktorendargestellt.Begünstigende FaktorenFörderliche Faktoren für eine gelingende Praxisumsetzungder BULG in Deutschschweizer Kitas sind:• ein gemeinsamer Entscheid zur Einführung und Integrationder BULG durch <strong>das</strong> gesamte Team – einegemeinsame Bereitschaft zu Veränderungen,• ein strukturierter Beobachtungsplan, der für <strong>das</strong> Gruppenteamflexibel und jederzeit einsehbar ist,• eine involvierte, engagierte und motivierte Kitaleitung(aktive Beteiligung und Unterstützung bei derUmsetzung der BULG auf den Gruppen),• genügend und klar definierte kinderfreie Zeit für diepädagogische Arbeit (festgelegte Bürozeiten, Sitzungenausserhalb der Betreuungszeit),• motivierte und aktive Kitamitarbeitende,• eine verantwortliche Person für die Umsetzung derBULG auf der Gruppe (muss nicht die Gruppenleitungsein),• eine intensive Kooperations- und Kommunikationskulturim Team (z.B. auch gruppenübergreifendeZusammenarbeit, verbindliche Absprachen),• technisches Material und Knowhow (Computer, Drucker,Fotokamera).12 Bildungs- und Resilienzförderung im Frühbereich


Wie geht es weiter...? – Fortschritte, Resultate und Perspektiven zu den „Bildungs- und Lerngeschichten“ in der SchweizHemmende FaktorenErschwerende Faktoren für die Umsetzung der BULG inDeutschschweizer Kitas sind:• fehlende Zeitgefässe für die Umsetzung der einzelnenArbeitsschritte, fehlende kinderfreie Arbeitszeiten,• chronische Personalengpässe,• andere Prioritäten (z.B. andere Projekte) und unvorhersehbare(belastende) Ereignisse für die Kita,• viele Teilzeitkinder,• viele Teilzeitmitarbeitende,• ein eher „traditionelles“ Bildungsverständnis („Angebotspädagogik“– Initiative für Lernprozesse liegt beiden Erwachsenen).Gruppen bzw. Mitarbeitende, welche die BULG vonAnfang an als „Mehraufwand“ erleben, haben es schwieriger,Lösungen für eine gelingende Praxisumsetzung zufinden, obwohl sie grundsätzlich dieselben Ressourcenzur Verfügung haben wie andere. Sie sind weniger bereit,ihren pädagogischen und organisatorischen Alltagumzustrukturieren, da sie die Umsetzung von Beginn anals Belastung empfinden. Wenn nicht alle Mitarbeitendenhinter dem Entscheid zur Einführung der BULG stehen,wirkt sich dies für die Integration des Verfahrens ungünstigaus. Kommen zusätzlich Gefühle der Überforderungdurch zu viele Neuerungen im Arbeitsalltag hinzu, fällt<strong>das</strong> Engagement bei den Mitarbeitenden entsprechendgering(er) aus. Das gesamte Team – insbesondere dieGruppenleitungen – müssen von Anfang an motiviertsowie gegenüber der Einführung und Arbeit mit demVerfahren positiv eingestellt sein. Eine ausführliche Vorbereitungund gute Absprachen zwischen Kitaleitung,Team und Trägerschaft im Vorfeld sind dazu wichtigeStartbedingungen.Ausschlaggebende MerkmaleWeiterführende quantitativ-statistische Datenauswertungenzeigen, <strong>das</strong>s die Umsetzungsqualität der BULGsich je nach Einrichtungsgrösse unterscheidet: Demnachhaben es kleine Einrichtungen (1-2 Gruppen) schwieriger,<strong>das</strong> Beobachtungsverfahren in ihre pädagogischenAbläufe und Organisationsstrukturen zu verankern alsmittelgrosse (3-4 Gruppen) und grosse Kitas (ab 5 Gruppen).Die Ursachen dafür liegen an den oftmals geringerenpersonellen, materiellen und zeitlichen Ressourcen vonkleinen Kitas. Umgekehrt haben es kleine Einrichtungenaber häufig einfacher, den Informations- und Kommunikationsflussuntereinander im Gesamtteam, z.B. über„nächste Schritte“, aufrecht zu erhalten. Als bedeutsamsteEinflussgrössen für die Integration der BULG in den<strong>Newsletter</strong> März <strong>2013</strong>pädagogischen Alltag haben sich <strong>das</strong> Engagement derGruppenmitarbeitenden, die aktive Unterstützung derKitaleitung sowie gute strukturelle Rahmenbedingungender Gruppe (Kontinuität der Leitung, personelleRessourcen, mehrheitlich Vollzeitkinder und Vollzeitmitarbeitende)erwiesen. Die technische Ausstattung derGruppen und Einrichtungen spielt im Vergleich eine untergeordneteRolle.FazitIn den Auswertungen zeigt sich, <strong>das</strong>s die BULG gut inden deutschschweizer Kitaalltag integriert werden können– vorausgesetzt,1) die Mitarbeitenden und die Kitaleitung sind motiviertund engagiert und übernehmen aktiv Verantwortung,2) die Einrichtungsteams sind bereit, neue Wege zu gehen,ihren pädagogischen Alltag umzustrukturierenund gemeinsam nach Lösungen für umsetzbare Organisationsstrukturenzu suchen,3) die strukturellen Rahmenbedingungen der Einrichtungenlassen eine stetige und nachhaltige Umsetzungim Alltag zu (durch wenig Personalfluktuation, wenigPersonalmangel, geringen Anteil an Teilzeitkindernund -mitarbeitenden, wenig unvorhersehbare Ereignisseund Notfälle).Die Einführung und regelmässige Umsetzung der BULGsind nicht zum „Nulltarif“ erhältlich, sondern bedürfenauf Seiten der Kitateams gemeinsamer Vorbereitungenund Absprachen sowie eines festen Willens und ausreichenderSelbstdisziplin. Die Arbeit mit den BULG birgtHerausforderungen, mit denen die beteiligten Kitas bzw.Gruppen im Verlauf unterschiedlich umgegangen sind:Gemeinsam müssen Zeitressourcen für <strong>das</strong> Beobachtender <strong>Kind</strong>er, für den Austausch darüber im Gruppenteamsowie für <strong>das</strong> Schreiben der Lerngeschichten gefundenund verbindlich festgelegt werden. Kleine Kitas gelangenhier schneller an ihre Grenzen als mittelgrosse undgrosse Einrichtungen. Die Ergebnisse knüpfen damit andie Forschungserkenntnisse aus Deutschland an, in denensich vergleichbare Merkmale als Erfolgsfaktoren fürdie Praxisumsetzung der BULG erwiesen haben.LiteraturDeutsches Jugendinstitut e.V. (DJI)(2007). Abschlussberichtdes Projekts „Bildungs- und Lerngeschichten als Instrumentzur Konkretisierung und Umsetzung des Bildungsauftragsim Elementarbereich”. München: DJI (URL: http://www.dji.de/bildung-lerngeschichten/BuLG_Abschlussbericht.pdf, 15.1.<strong>2013</strong>).13


Wie geht es weiter...? – Fortschritte, Resultate und Perspektiven zu den „Bildungs- und Lerngeschichten“ in der SchweizMoritz, M., Müller, G., Pohl, A., Prömm, M. & Zipperle, M.(2011). Evaluation der Einführung des Verfahrens der Bildungs-und Lerngeschichten in Einrichtungen des StuttgarterEltern-<strong>Kind</strong>-Gruppen e.V. Bericht des <strong>Institut</strong>s für Erziehungswissenschaft,Universität Tübingen zur ersten undzweiten Implementierungsrunde Juni 2009 / August 2010.Tübingen: Eigenverlag (URL: http://www.stuttgarter-ekg.de/index.php?id=127, 15.1.<strong>2013</strong>).Pohl, A., Rosenauer, M. & Zipperle, M. (2009). Evaluationder Implementierung des Verfahrens der Bildungs- undLerngeschichten in Einrichtungen des Stuttgarter Eltern-<strong>Kind</strong>-Gruppen e.V. Bericht des <strong>Institut</strong>s für Erziehungswissenschaft,Universität Tübingen Februar 2009. Tübingen:Eigenverlag (URL: http://www.stuttgarter-ekg.de/index.php?id=127, 15.1.<strong>2013</strong>).Weltzien, D. (2009). BeobAchtung und ErziehungsPartnerschaft:Abschlussbericht der wissenschaftlichen Begleitung.Herausgegeben vom Protestantischen KirchenbezirkLudwigshafen. Ludwigshafen: Eigenverlag.Weltzien, D. & Viernickel, S. (2008). Einführung stärkenorientierterBeobachtungsverfahren in <strong>Kind</strong>ertageseinrichtungen– Auswirkungen auf die Wahrnehmung kindlicher Interessen,Dialogbereitschaft und Partizipation. In K. Fröhlich-Gildhoff, I. Nentwig-Gesemann & R. Haderlein (Hrsg.),Forschung in der Frühpädagogik (S. 203-234). Freiburg i.Br.: FEL Verlag Forschung – Entwicklung – Lehre.Die <strong>Kind</strong>er spielen nun „Einander Beobachten“. (Erzieherin)Teil 3: Was hat sich verändert? – Analyse und Beschreibung von Entwicklungen und Neuerungenim pädagogischen Alltag durch die „Bildungs- und Lerngeschichten“Eliza Spirig MohrAm Ende der Implementierung fand in allen zwölfProjekteinrichtungen ein Abschlussabend mit dem Gesamtteamstatt, an welchem Veränderungen durch dieArbeit mit den „Bildungs- und Lerngeschichten (BULG)“erfragt und zusammengetragen wurden. Dieser Artikelzeigt zusammenfassend auf, was sich aus der Sicht der Kitamitarbeitendenim Alltag verändert hat. Die Frage nachden Veränderungen wurde den Kitamitarbeitenden anhandeines „offenen“ Fragebogens gestellt. Aus den zahlreichenAussagen konnten fünf Kategorien herauskristallisiertwerden, welche im Folgenden beschrieben werden:1. Strukturell-organisatorische Veränderungen2. Veränderungen in der pädagogischen Alltagsgestaltung3. Veränderungen im Team<strong>4.</strong> Veränderungen in der Bildungs- und Erziehungspartnerschaftzwischen Kita und Eltern5. Veränderungen für die <strong>Kind</strong>er.1. Strukturell-organisatorische VeränderungenDreiviertel aller Projekteinrichtungen haben sich zumzeitlichen Aufwand geäussert. So wurde Zeit benötigt,um die einzelnen Arbeitsschritte der BULG sorgfältig zuplanen und durchzuführen. Im Projektverlauf musstenTagesstrukturen geändert werden, damit die einzelnenArbeitsschritte in den Alltag integriert werden konnten(z.B. der kollegiale Austausch). Der Zeitaufwandwurde von den Einrichtungsteams unterschiedlich wahrgenommen:Die Mehrheit der Einrichtungen empfandden zusätzlichen Zeitaufwand als lohnenswert. Für einigewar er eine weitere organisatorische und planerischeHerausforderung oder Belastung („der Alltag sei bereitsgenug gefüllt“). Zeitweise wurde er auch als Stress empfunden(z.B. indem anfangs Lerngeschichten zuhause inder Freizeit geschrieben wurden). Einzelne Gruppen fandenes schwierig, gute und nachhaltige Zeitgefässe fürden kollegialen Austausch zu finden. Andere Gruppenhingegen haben erstaunt festgestellt, <strong>das</strong>s die Zeit für denkollegialen Austausch ohne zusätzlichen Zeitaufwandstrukturell möglich ist und gut in den Alltag integriertwerden konnte.2. Veränderungen in der pädagogischen AlltagsgestaltungDie Mehrheit der Einrichtungen stellte einen stärker ressourcenorientierten,ganzheitlichen Blick auf <strong>das</strong> <strong>Kind</strong>fest. Sie nehmen <strong>das</strong> einzelne <strong>Kind</strong> stärkenorientierterwahr. Dies führt dazu, <strong>das</strong>s sich die Kitamitarbeitendenden <strong>Kind</strong>ern näher fühlen und durch den intensiverenAustausch und die individuelle Zuwendung eine tiefereBeziehung zu ihnen aufbauen können.a) BeobachtenObwohl <strong>das</strong> Beobachten in den pädagogischen Alltag ge-14 Bildungs- und Resilienzförderung im Frühbereich


Wie geht es weiter...? – Fortschritte, Resultate und Perspektiven zu den „Bildungs- und Lerngeschichten“ in der Schweizhört, war es für drei Viertel der Einrichtungen anfangsneu, sich bewusst Zeit zum regelmässigen, systematischenBeobachten zu nehmen und diese fest einzuplanen.Die Mehrheit der Teams betonte, <strong>das</strong>s sich neben derQuantität auch die Qualität des Beobachtens veränderthat: Sie seien geübter und die Wichtigkeit des wertfreienBeobachtens sei ihnen bewusster geworden. Hinzukommt, <strong>das</strong>s die Analyse der Beobachtungen mit einemanderen Fokus umgesetzt wird: Eine Kitamitarbeitendehatte es als die „Lerndispositionenbrille“ bezeichnet.Die Intensität der Beobachtungen veränderte sich durchden regelmässigen Austausch der verschiedenen Blickwinkelim Gruppenteam: Man nehme genauer undfacettenreicher wahr. Eine persönliche Perspektivenerweiterungbeim Beobachten konnte festgestellt werden.Jedes <strong>Kind</strong> wird regelmässig beobachtet und intensiverwahrgenommen. Durch die Planung des Beobachtenswird sichergestellt, <strong>das</strong>s jedes <strong>Kind</strong> – entsprechend seinerPräsenzzeit – beobachtet wurde. Auch ruhige <strong>Kind</strong>erbekommen mehr Beachtung im Gruppengeschehen.b) Förderung/UnterstützungDie Kitamitarbeitenden stellten eine bessere Förderungdes einzelnen <strong>Kind</strong>es fest. Ein zentraler Bestandteil derpädagogischen Arbeit mit den BULG wird in der Umsetzungder „nächsten Schritte“ für jedes <strong>Kind</strong> gesehen.Im kollegialen Austausch werden die nächsten Schrittemeistens in die Agenda eingeschrieben. Viele Mitarbeitendeschilderten bereits während der Praxisbegleitung,<strong>das</strong>s sich durch die Planung und Umsetzung der nächstenSchritte für ein <strong>Kind</strong> und damit durch die Distanzierungvon der Planung und Umsetzung der Aktivitäten für alle<strong>Kind</strong>er der Blick für die individuellen Interessen undKompetenzen der <strong>Kind</strong>er geschärft habe.c) LernkulturDie Arbeit mit Lerndispositionen war für alle Kitamitarbeitendenzu Beginn ein neues Konzept. Mit derAnalyse der Beobachtungen sind die Lernschritte der<strong>Kind</strong>er für sie nun viel besser ersichtlich. Bereits in derPraxisbegleitung wurde berichtet, <strong>das</strong>s die individuellenLernstrategien der <strong>Kind</strong>er jetzt besser wahrgenommenwerden und sie so gezielter in ihren weiteren Bildungsprozessenunterstützt werden können. So hat sich eineLernkultur auch in Alltagssituationen etabliert.d) Arbeitsinstrument als Hilfe für LernendeEinige Einrichtungen haben die BULG als hilfreiche Unterstützungfür die Anleitung der Lernenden genutzt.<strong>Newsletter</strong> März <strong>2013</strong>e) DokumentationDie visuelle Darstellung von Erlebnissen und Lernprozessender <strong>Kind</strong>er war für viele Einrichtungen neu. DieKitamitarbeitenden stellten einen bewussteren Umgangmit Fotos an den Wänden und in den Portfolios fest. Dafürmusste Platz geschaffen werden (z.B. ein Regal fürdie Portfolios, Magnetwände für die Wanddokumentationen),was zum Teil zu Raumveränderungen geführt hat.3. Veränderungen im TeamDie Mehrheit der Einrichtungen hat sich zu Veränderungenin der Teamzusammenarbeit geäussert. DerAustausch untereinander wird jetzt als gezielter, fachlicher,regelmässiger und intensiver wahrgenommen. Diemeisten Teams erleben den Austausch als positiver undtransparenter im Vergleich zu vorher; auch werden dieGespräche aus verschiedenen Blickwinkeln als bereicherndempfunden. Im Alltag finden häufiger Pausen-,Tür- und Angelgespräche statt, in welchen kurz über<strong>das</strong> Lernen der <strong>Kind</strong>er und die eigene Haltung reflektiertwird. Ein Drittel der Einrichtungsteams empfindetdie Gleichbehandlung aller Teammitglieder in der Umsetzungder Arbeitsschritte als sehr positiv. Dass dieHierarchie in der Funktion auf der Gruppe (PraktikantInnen,Lernende, Ausgebildete, Gruppenleitungen) keinezentrale Rolle spielt, wurde hauptsächlich im kollegialenAustausch sichtbar, da dort alle Erfahrungen und Blickwinkelzu einem <strong>Kind</strong> von Bedeutung sind. Zudem wirdder Austausch zwischen den Gruppen einer Einrichtungals intensiver und häufiger erlebt. Eine zuvor nicht praktizierteTeamkooperation wurde miteinander erprobt.<strong>4.</strong> Veränderungen in der Bildungs- und Erziehungspartnerschaftmit ElternEltern scheinen aus Sicht der Kitamitarbeitenden dieTransparenz durch die Lerngeschichten zu schätzen. DieKitamitarbeitenden erhalten mehrheitlich positive Rückmeldungenvon den Eltern, was sie für die Arbeit mit denBULG motiviert. Die Hälfte der Einrichtungen bemerkte,<strong>das</strong>s die Eltern ihre pädagogische Arbeit mehr schätztenund die Zusammenarbeit zwischen ihnen gewachsen sei.Einrichtungen und Gruppen, welche die Lerngeschichtenals Grundlage für <strong>das</strong> Elterngespräch nutzen, erachtendie Gespräche als gut strukturiert. Sie wissen jetzt genauer,was sie den Eltern über ihr <strong>Kind</strong> mitteilen können.Durch den intensiven kollegialen Austausch ist auch dieVorbereitung der Elterngespräche einfacher, da sich dieInteressen des einzelnen <strong>Kind</strong>es bereits im gemeinsamenGespräch herauskristallisieren. Auch die kurzen Tür- undAngelgespräche während Bring- und Abholsituationen15


Wie geht es weiter...? – Fortschritte, Resultate und Perspektiven zu den „Bildungs- und Lerngeschichten“ in der Schweizerscheinen den Kitamitarbeitenden tiefgründiger: DerAustausch über <strong>das</strong> Wohlbefinden des <strong>Kind</strong>es (z.B. wases gegessen hatte, wann es geschlafen hatte, neben wemes im Kreisli gesessen hatte) wird mit Gesprächen über<strong>das</strong> Lernen und die Interessen der <strong>Kind</strong>er – zum Teil anhandder Wanddokumentationen oder neu geschriebenenLerngeschichten – ergänzt.5. Veränderungen für die <strong>Kind</strong>erDie Hälfte der Einrichtungen berichtete, <strong>das</strong>s die <strong>Kind</strong>erStolz und Freude am „Beobachtet werden“ und am eigenenPortfolio zeigen. Die Kitamitarbeitenden stellen eineStärkung des Selbstvertrauens der <strong>Kind</strong>er fest, weil siesich freier fühlen, ihre eigenen Ideen im Spiel zu verwirklichenund selbstbewusster von sich zu erzählen. Sichbewusst Zeit zu nehmen für ein einzelnes <strong>Kind</strong>, wird vonder Hälfte der Einrichtungen als bereichernd empfunden.Es sei „luxuriös“, sich diese intensiven Interaktionsmomentemit einem <strong>Kind</strong> einzuplanen. Die Beziehungzum einzelnen <strong>Kind</strong> wird tiefgründiger und der Zugangerleichtert. Man kann sich den Gedankengängen der <strong>Kind</strong>erbesser annähern. Auch werden jetzt <strong>Kind</strong>er, die sonstim Alltag eher „untergehen“, besser wahrgenommen. Die<strong>Kind</strong>er erhalten mehr Freiraum und Mitbestimmung. DieEinrichtungen berichteten, <strong>das</strong>s sie jetzt ihre Tagesabläufeflexibler gestalten und weniger für die <strong>Kind</strong>er planen.Aktivitäten werden mehr auf der Basis der Interessen der<strong>Kind</strong>er geplant. In Konfliktsituationen wird später eingegriffenund die <strong>Kind</strong>er werden ermuntert, zuerst selbstnach Lösungen zu suchen. Die Sichtweise der <strong>Kind</strong>erwird häufiger akzeptiert und sie dürfen eigene Wünschestärker einbringen. Die <strong>Kind</strong>er übernehmen Verantwortungfür ihr Portfolio und entscheiden selbst, was sie insPortfolio einordnen wollen. Durch die Portfolios undsprechenden Wände findet mehr Kommunikation unterden <strong>Kind</strong>ern statt: Die Dokumentationsformen bietenden <strong>Kind</strong>ern neue Gesprächsmöglichkeiten und förderndie Gemeinschaft.FazitNeben dem als negativ empfundenen zeitlichen Mehraufwandsind die festgestellten Veränderungen durch dieBULG durchwegs positiv: Die Beziehungsqualität undHäufigkeit der Interaktionen im Dreieck <strong>Kind</strong>-Kitamitarbeitende-Elternhat zugenommen und wird im Tenorals Gewinn bewertet. Die Beziehungen unter den <strong>Kind</strong>ernund in den Teams sind intensiver. Die Erwachsenenkönnen neue Zugänge zu den kindlichen Lebensweltenerschliessen. Damit verändert sich auch <strong>das</strong> Verhältniszu den Eltern: Gemeinsam tragen sie zum gelingendenBildungsprozess und zur Stärkung des einzelnen <strong>Kind</strong>esbei. Wie Kitas mit dem Veränderungsprozess umgehenund mit welcher Motivation und Bereitschaft <strong>das</strong> Teamund die Kitaleitung die Umsetzung realisieren, ist – wiebereits dargestellt – ein nicht zu unterschätzender Faktorund für die Bildungsarbeit grundlegend. Das „Wie“im Veränderungsprozess ist eine Frage, welche uns Implementiererinnenbei der Begleitung oft beschäftigt hat,und welche auch eng mit dem Aspekt der Nachhaltigkeitin Zusammenhang steht.Stimmen aus der Praxis: Wie läuft die Umsetzung der „Bildungs- und Lerngeschichten“ in der 2.Implementierungsphase (2011-<strong>2013</strong>) aus Sicht der Kitas? Fünf Kitaleitungen und Teams berichtenErfahrungen der letzten 1½ Jahre in der Kita Himugüegeli BernRegula Bühler, KitaleiterinIch habe die Arbeit als Betriebsleiterin in der Kita Himugüegelizu dem Zeitpunkt übernommen, als die„Bildungs- und Lerngeschichten (BULG)“ eingeführtwurden. Es war für mich eine besondere Erfahrung, ander Weiterbildung zu erleben, mit wie viel Begeisterungund Motivation <strong>das</strong> Himugüegeli-Team <strong>das</strong> Thema angepackthat. Nun ist ein Jahr vergangen, die BULG sindTeil unserer Arbeit, unseres pädagogischen Ansatzes geworden.Folgende spannende Erfahrungen konnten wirbis jetzt damit sammeln: Das Informieren der Elternüber die Zusammenhänge der Lerngeschichten für die<strong>Kind</strong>er und <strong>das</strong> Gestalten ihrer Ordner, welche die Elternan einem Elternabend oder individuell für ihr <strong>Kind</strong>übernommen haben, war sehr kooperativ und von viel Interesseund Unterstützung seitens der Eltern geprägt. DieArbeit mit den <strong>Kind</strong>ern hat bewirkt, <strong>das</strong>s wir die <strong>Kind</strong>erbesser kennen lernen. Wir haben durch die Lerngeschichteneinen direkten Bezug zur Entwicklung im Lernen deseinzelnen <strong>Kind</strong>es und halten die Interessen, Fortschritteund Veränderungen fest.Die <strong>Kind</strong>er geniessen die Situationen, in welchen siebeobachtet werden. Sie sind stolz, <strong>das</strong>s sie Ziel unseresungeteilten Interesses sind. Wir machen die Erfahrung,<strong>das</strong>s sie an Selbstsicherheit gewinnen. In der Arbeit mitden <strong>Kind</strong>ern hat sich verändert, <strong>das</strong>s wir den Fokus vielstärker auf die individuellen Fähigkeiten und Entwick-16 Bildungs- und Resilienzförderung im Frühbereich


Wie geht es weiter...? – Fortschritte, Resultate und Perspektiven zu den „Bildungs- und Lerngeschichten“ in der SchweizBeobachtungBeobachtunglungsmöglichkeiten jedes einzelnen <strong>Kind</strong>es richten. DieAngebote, die wir individuell im Zusammenhang miteiner Lerngeschichte unterbreiten, sind sehr oft für dieanderen <strong>Kind</strong>er auch interessant und herausfordernd.Die Arbeit im Team, <strong>das</strong> heisst zum Beispiel beimkollegialen Austausch, stellt immer wieder eine Herausforderungdar. Es braucht Disziplin, die Vorarbeiten fürdie einzelnen geplanten Lerngeschichten konzentriertin den Gruppenteams anzugehen. Es braucht manchmalauch den Mut, einen vorgegebenen Ablauf sinnvoll zuverändern. Nach wie vor ist die grundlegende Motivationdes Himugüegeli-Teams, mit den BULG und den damitverbundenen Zusammenhängen jedem <strong>Kind</strong> mit seinenInteressen und Eigenheiten gerecht werden zu können.Austausch mit dem <strong>Kind</strong> anhand von BeobachtungErfahrungen der letzten 1½ Jahre in der Kita Theodor BaselEvelyn Mühlfriedel, HeimleiterinDie familea Kita Theodor hat im Mai 2011 mit demProjekt „Bildungs- und Lerngeschichten (BULG)“ begonnen.Das Team und ich haben die hochprofessionellenund sorgfältigen Weiterbildungen und Inputs durch <strong>das</strong>MMI sehr genossen. Für diesen Rückblick habe ich michan <strong>das</strong> Team gewandt und wollte wissen, wie sich die pädagogischeArbeit für die Einzelnen verändert hat. DieSpringerin meinte spontan: „Es sind die kleinen Veränderungen,die ich in den Gruppen antreffe, wie bei denKleinkindern, wo nun kleinere Krüge auf dem Tisch stehen,damit die <strong>Kind</strong>er selber eingiessen können“. EineGruppenleiterin bemerkte, <strong>das</strong>s es spannend und entlastendsei, wenn <strong>das</strong> gesamte Gruppenteam beobachte und<strong>Newsletter</strong> März <strong>2013</strong>interpretiere. So kämen verschiedene Sichtweisen zusammenund ergänzten sich. Sie erzählte auch, wie einDreijähriger in seiner Lernsituation seine Wichtigkeit erfassteund stolz meinte: „Gäll, <strong>das</strong> isch wäge minere Idee.“Eine andere Erzieherin meinte, <strong>das</strong>s ihr die <strong>Kind</strong>er durch<strong>das</strong> Beobachten und die Dialoge über die Lerngeschichtenemotional näher gekommen seien. Die Lernenden imTeam schätzen die verschiedenen Blickwinkel und <strong>das</strong>ssie sich am kollegialen Austausch auf der Gruppe beteiligenkönnen. Am Elternabend ist unsere Vorstellung derBULG auf reges Interesse und Wertschätzung bei den Elterngestossen.Aus der Sicht der Kitaleiterin schätze ich <strong>das</strong> sich stän-17


Wie geht es weiter...? – Fortschritte, Resultate und Perspektiven zu den „Bildungs- und Lerngeschichten“ in der Schweizdig Erneuernde bei den BULG. Mit jedem kollegialenAustausch und jeder neuen Lernsituation wird auch diePädagogik im Gruppenteam reflektiert und weiter entwickelt.Im kollegialen Austausch wird <strong>das</strong> Team durchdie klaren Fragestellungen und die Strukturierungzum Wesentlichen hingeführt. Mit der Beteiligung desgesamten Gruppenteams werden dessen ganze Ressourcengenutzt. Zudem schätze ich den grossen Raum fürGestaltung und Kreativität, welchen die BULG den einzelnenErzieherInnen bietet. Meine Rolle als Leiterinsehe ich beim Begleiten und Unterstützen des Teams, damitdie Methode sich im Alltag festigt. Wenn ich in eineKleinkindgruppe komme und fünf Kleinkinder in ihrenOrdnern (Portfolio) blätternd am Boden sitzen sehe, denkeich spontan, <strong>das</strong>s diesen <strong>Kind</strong>ern später der Umgangmit Büchern leicht fällt. Wenn wieder irgendwo ein Seilmit einer eigenartigen Konstruktion hängt, weiss ich,<strong>das</strong>s die <strong>Kind</strong>er für eine selbstgewählte Aufgabe Lösungengefunden, sie ihr Spiel damit fantasievoll weiterentwickelt haben und ihnen von den ErzieherInnen dernötige Raum dazu gegeben wurde.Hin und wieder stöhnen die Erziehenden, wenn sie dieBeobachtungen, den kollegialen Austausch und <strong>das</strong>Schreiben der Lerngeschichten planen müssen. Sie suchendann nach dem „Machbaren“, was zum Teil vom„Idealen“ abweicht. Auch meinte ein Gruppenleiter, <strong>das</strong>sdie BULG zwar die Struktur, aber nicht die Garantie bieten,<strong>das</strong>s ein <strong>Kind</strong> auch wirklich ressourcenorientiertwahrgenommen wird. So braucht es im Team <strong>das</strong> Engagementjeder und jedes Einzelnen, damit die BULGim Alltag kontinuierlich und lebendig umgesetzt werdenkönnen.Mein Fazit: Es ist ein grosser organisatorischer Aufwand,welcher sich aus pädagogischer Sicht aber enormlohnt! Auch im Rückblick würden wir uns wieder für dieBULG-Methode entscheiden.Die Eltern sind beeindruckt, wie genau wir jedes einzelne <strong>Kind</strong> wahrnehmen.(Erzieherin)Erfahrungen der letzten 1½ Jahre in der KiTa Zauberburg ZürichNina Wettenschwiler, KitaleiterinViel Theorie, gute Anregungen, aber auch grosse Fragezeichen,was die Integration der „Bildungs- undLerngeschichten (BULG)“ in unseren Kita-Tagesablaufanbelangt, nahmen wir von der ersten internen Weiterbildungmit. Für uns stand vor allem <strong>das</strong> Organisieren des„kollegialen Austausches“ an erster Stelle. Die empfohlenenRichtlinien, während zweier Wochen zwei <strong>Kind</strong>erzu beobachten und jede zweite Woche eine stündlicheSitzung über diese <strong>Kind</strong>er zu halten, hätten wir nurmühsam im Kitaalltag umsetzen können. Erfolgreichzeigte sich die Änderung, den kollegialen Austausch wöchentlichdurchzuführen. Auch bei Personalengpässenoder Eingewöhnungen gibt es immer eine halbe Stunde,um die Beobachtungen über ein <strong>Kind</strong>, die währendzwei Wochen durchgeführt wurden, zu besprechen unddie „nächsten Schritte“ festzulegen. Somit eliminiertenwir auch <strong>das</strong> Computerproblem. Denn nur eine Lerngeschichtezu tippen, braucht weniger Zeit, womit sichauch die Computerengpässe umgehen lassen.Nach einer sechsmonatigen Testphase analysierten wirunseren Umsetzungsprozess in unserer Einrichtung: Soerkannten wir u.a. Verbesserungspotential beim Schreibender Lerngeschichten, die oft zu lang sind und zuviele verschiedene Situationen beschreiben. Ebenfallsunbefriedigend war für uns, <strong>das</strong>s die „nächsten Schritte“zwar umgesetzt, aber nicht evaluiert werden. Unser Zielist es, einen Weg zu finden, die nächsten Schritte füralle Beteiligten transparenter zu machen. Gleichzeitigbeschäftigt uns, wie wir die Eltern über neue Lerngeschichtenihres <strong>Kind</strong>es gut informieren können. DieWanddokumentationen in der Garderobe werden vonEltern und <strong>Kind</strong>ern sehr geschätzt und immer wieder angeschaut.Deshalb entschieden wir, in der Garderobe dienächsten Schritte zu visualisieren. Wir halten die Situation,bei der die nächsten Schritte bei einem <strong>Kind</strong> geradeumgesetzt werden, mit einem Foto fest und hängen esan unsere „Inspirationswand“. Mit diesem Foto möchtenwir <strong>das</strong> Interesse der Eltern wecken und auf die neueLerngeschichte ihres <strong>Kind</strong>es hinweisen. Zudem wird <strong>das</strong><strong>Kind</strong> in seinem Tun nochmals bestärkt sowie <strong>das</strong> Gefühlbei ihm gefördert, ein wichtiges Mitglied der Gruppe zusein. Abschliessend wird <strong>das</strong> Foto mit dem <strong>Kind</strong> zur passendenLerngeschichte im Portfolio-Ordner hinzugefügt.Das gesamte Team steht nach wie vor hinter dem Ansatzder BULG und ist gespannt, welche weiteren Prozesse inunserer Einrichtung ausgelöst werden.18 Bildungs- und Resilienzförderung im Frühbereich


Wie geht es weiter...? – Fortschritte, Resultate und Perspektiven zu den „Bildungs- und Lerngeschichten“ in der SchweizErfahrungen der letzten 1½ Jahre im Tagesheim Ziegelmatte SolothurnJudith Cotting, KitaleiterinAls so genannte Kontrollkita (Gruppe B) konnten wirdie interne Weiterbildung für die „Bildungs- und Lerngeschichten(BULG)“ Ende Januar 2011 beginnen. Wirwaren alle sehr neugierig, gespannt und voller Tatendrang.Im Februar haben wir dann die ersten Beobachtungendurchgeführt. Zu Beginn war noch etwas Unsicherheitwahrzunehmen, was sich dann mit mehr Übung in einsicheres und professionelles Tun entwickelte. Die grosseHerausforderung dabei war, herauszufinden, wie vieleBeobachtungen pro Woche durchgeführt werden können,ohne zu einer grossen Belastung für <strong>das</strong> Team zu werden.Wir haben in unserer <strong>Institut</strong>ion zwei Beobachtungsteams.Ein Team beobachtet über zwei Wochenein <strong>Kind</strong>. In dieser Zeit findet auch der kollegiale Austauschstatt. An den Teamsitzungen berichten Erziehendevon den Ergebnissen aus dem kollegialen Austausch, die„nächsten Schritte“ werden auf einer Liste festgehaltenund sind so jederzeit und übersichtlich nachzusehen. Dasganze Team ist informiert, welches die nächsten Schrittedes <strong>Kind</strong>es sind und wo seine Potentiale liegen. Auf dieseWeise können dann die weiteren pädagogischen Massnahmenrecht schnell umgesetzt werden.Die ressourcenorientierte Beobachtung ist wertschätzend,macht Freude und führt uns zu einem sicheren undprofessionellen Handeln. Die gemeinsame interne Schulungzeigt sich als grosser Vorteil. Alle Erziehenden sindauf demselben Erfahrungs- und Wissensstand. Als Kitaleiterinsehe ich die Freude und den Stolz der <strong>Kind</strong>er,wenn sie beobachtet werden und wenn sie ihre Lerngeschichtenin den Händen halten. Immer wieder nehmensie ihre Portfolios aus dem Regal und wollen hören, wasdarin steht. Sie erinnern sich gerne an diesen Moment, andem sie beim Lernen beobachtet wurden. Sie dürfen diePortfolios auch mit nach Hause nehmen und ihren Elternzeigen.Wie äussern sich die Mitarbeiterinnen zu den Erfahrungenmit den BULG? „Die BULG sind ein wichtigerBestandteil im Tagi-Alltag geworden. Es vergeht kaumein Tag, an dem nicht mindestens ein <strong>Kind</strong> seinen Ordnernimmt und hineinschaut. Ich glaube, <strong>das</strong>s den <strong>Kind</strong>ernauch <strong>das</strong> Beobachtet-Werden gefällt und <strong>das</strong>s sie gerneim Mittelpunkt stehen. Wenn ich einem <strong>Kind</strong> <strong>das</strong> Beobachteteerzähle, erlebe ich oft, <strong>das</strong>s auch andere <strong>Kind</strong>erstill werden und interessiert zuhören. Und <strong>das</strong> beobachtete<strong>Kind</strong> scheint stolz darauf zu sein. Das vermittelt dem<strong>Kind</strong> ein gutes Selbstwertgefühl. Für mich persönlich istes eine weitere lehrreiche Erfahrung in meinem Beruf,weil konsequent <strong>das</strong> Ressourcenorientierte betrachtetwird. Tagtäglich stelle ich an mir und auch an meinenKolleginnen fest, <strong>das</strong>s eher <strong>das</strong> negative Verhalten der<strong>Kind</strong>er kritisiert wird und <strong>das</strong> Loben manchmal zu kurzkommt. Umso wichtiger finde ich daher die Lerngeschichten,weil dort nur auf <strong>das</strong> geachtet wird, was <strong>das</strong><strong>Kind</strong> lernt und welche Potenziale es hat. Was wiederumdem <strong>Kind</strong> zugute kommt und es darin bestärkt. Ebensoempfinde ich den intensiven Austausch mit den Kolleginnenals Bereicherung. Man vertieft sich gemeinsam in einThema, tauscht sich aus und erarbeitet eine Geschichtefür <strong>das</strong> <strong>Kind</strong>. So kann eine festere Teamzusammenge-<strong>Kind</strong> mit seinem Portfolio<strong>Newsletter</strong> März <strong>2013</strong>Austausch mit dem <strong>Kind</strong> anhand von Beobachtung19


Wie geht es weiter...? – Fortschritte, Resultate und Perspektiven zu den „Bildungs- und Lerngeschichten“ in der Schweiz<strong>Kind</strong>er mit ihren Portfolioszend bei den Elterngesprächen aus. Die Eltern freuensich über die festgehaltenen Situationen. Die zusätzlichzu unserer Arbeit gestalteten Wanddokumentationen zeigenden <strong>Kind</strong>ern und Eltern auf, woran wir in der Kitatäglich arbeiten.Das regelmässige und gezielte Beobachten der <strong>Kind</strong>erhilft jedem Teammitglied, <strong>das</strong> <strong>Kind</strong> besser zu verstehen.Für jeweils zwei Wochen richten wir unsere Augenauf zwei <strong>Kind</strong>er und achten darauf, <strong>das</strong>s jedes <strong>Kind</strong>drankommt. Damit die Beobachtungen im Alltag nichtvergessen werden, haben wir auf jeder Gruppe ein Forhörigkeitentstehen. Ich glaube, <strong>das</strong>s wir seit Beginn derBeobachtungen auch im Alltag eine differenziertereWahrnehmung entwickelt haben. Das Beobachten fälltjetzt auch leichter als noch am Anfang. Wir haben alleRoutine bekommen.“ (Erzieherin)„Ich kann bei jeder Beobachtung sehen, welche Fortschritteein <strong>Kind</strong> macht, was es erreicht hat durch unsereUnterstützung und welche positiven Eigenschaften ein<strong>Kind</strong> hat. Durch den Blick auf die Stärken sieht man ein<strong>Kind</strong> mit anderen Augen. Normalerweise sind es ja meistdie negativen Dinge, die wir uns einprägen oder welchewir zuerst entdecken. Im Team findet der regelmässigeAustausch mit dem Fokus auf die Stärken der <strong>Kind</strong>erstatt. Wir überlegen uns gemeinsam weitere Schritte für<strong>das</strong> einzelne <strong>Kind</strong> und führen diese dann durch. Die <strong>Kind</strong>ersind für diese Arbeit so dankbar und zeigen jeweilsihre Lerngeschichten ganz stolz den Eltern und anderen<strong>Kind</strong>ern. Sie schätzen es, wenn wir uns die Zeit nehmen,sie zu beobachten, und können es bis zum nächstenMal kaum erwarten. Die Eltern schätzen wiederum, waswir machen, und haben so einen Einblick in eine Momentaufnahmedes Alltagsgeschehens bei uns und ihrem<strong>Kind</strong>. Die Rückmeldungen sind ausnahmslos positiv. DieVeränderungen bei uns kann man von Beobachtung zuBeobachtung, von Austausch zu Austausch sehen. DieGrundeinstellungen verändern sich und <strong>das</strong> Angebot fürdie <strong>Kind</strong>er wird anhand ihrer Stärken ausgewählt. Wir arbeitenviel fokussierter.“ (Erzieherin)Fazit: Seit wir mit den BULG arbeiten, wird mir bewusst,<strong>das</strong>s wir auch als <strong>Institut</strong>ion und Team in einem Lernprozesssind. Wir lernen von den <strong>Kind</strong>ern, wie sie die Weltsehen und erleben. Wir passen entsprechend die Lernumgebunganhand der nächsten Schritte an und überprüfen,ob diese richtig gewählt wurden. <strong>Kind</strong>er denken und planendie Prozesse mit. Die Partnerschaft zwischen <strong>Kind</strong>und Erziehenden ist am Wachsen.Ich habe ein <strong>Kind</strong> beobachtet, <strong>das</strong> sonst sehr zurückhaltend und ruhigist und kaum etwas sagt. Als ich ihm jedoch seine Lerngeschichtevorgelesen habe, hat es gestrahlt und richtig Freude gehabt. So habeich <strong>das</strong> <strong>Kind</strong> noch nie erlebt. Ich habe eine ganz andere Seite vonihm kennengelernt. (Lernende)Erfahrungen der letzten 1½ Jahre in der <strong>Kind</strong>ervilla Chäferfäscht WinterthurJacqueline Schoch, KitaleiterinSeit gut anderthalb Jahren werden bei uns in der Kita regelmässig„Bildungs- und Lerngeschichten (BULG)“geschrieben. Diese sind für die <strong>Kind</strong>er sowie <strong>das</strong> Personalsehr bereichernd. Wenn die <strong>Kind</strong>er ihren „Ordner“mit den gesammelten Geschichten, Fotos und Zeichnungenzeigen dürfen, sind sie mit Stolz und Freude erfüllt.Der Dialog mit den <strong>Kind</strong>ern während dem Erzählen derLerngeschichten vertieft die Beziehung zwischen den<strong>Kind</strong>ern und den Erzieherinnen. Da wird zusammengelacht und die Situationen nochmals durchlebt. DieLerngeschichten wirken sich ebenfalls sehr unterstüt-20 Bildungs- und Resilienzförderung im Frühbereich


Wie geht es weiter...? – Fortschritte, Resultate und Perspektiven zu den „Bildungs- und Lerngeschichten“ in der SchweizWas fördert Nachhaltigkeit in der Praxisumsetzung der „Bildungs- und Lerngeschichten“? EinEinblick in die Arbeit mit den „Bildungs- und Lerngeschichten“ nach drei JahrenNachhaltig mit „BULG“ arbeiten? Was braucht es dazu? – Beiträge der beteiligten AkteureEliza Spirig MohrDie Integration der „Bildungs- und Lerngeschichten(BULG)“ im Kitaalltag braucht Zeit. Die meisten Kitashaben einige Monate benötigt, um die Arbeitsschritteauf Gruppenebene im Alltag zu integrieren. Mit demAbschluss der Begleitung durch <strong>das</strong> MMI ist ein ersterSchritt getan. Auch nach der Einführung und Begleitungdurch <strong>das</strong> MMI läuft der Umsetzungs- und Veränderungsprozessin den Kitas weiter, wie Kitaleitungen berichten.Die ursprünglich konzipierte Form der Umsetzung desVerfahrens wird dabei in den meisten Teams weiterentwickeltund verändert.Bei der praktischen und organisatorischen Umsetzungder BULG-Arbeitsschritte im Kitaalltag spielen die Kitamitarbeitendeneine wichtige Rolle (Beobachten,Lerngeschichten, Dialog im Team, mit <strong>Kind</strong>ern und Elternetc.). Sie leisten die unmittelbare Arbeit mit dem <strong>Kind</strong>.Auch der Kitaleitung fallen viele strategische Aufgabenzu. Um Veränderungsprozesse aktiv mitzugestalten,sind ein sensibler Umgang und eine verantwortungsvolleSteuerung vonnöten. Von entscheidender Bedeutungist dabei, wie alle Veränderungen, welche durch die Bildungsarbeitim Kitaalltag entstehen, kommuniziert undorganisiert werden (BULG-verantwortliche Personen aufden Gruppen benennen, Zeitgefässe für den kollegialenAustausch einplanen, neue Haltung reflektieren, entscheiden,wie die Lerngeschichten für Elterngespräche genutztwerden, Umgang mit unmotivierten Mitarbeitenden etc.).Neben den zwei genannten Ebenen – Kitaleitung undKitamitarbeitende – ist auch die Trägerschaft als dritteAkteurin im Bildungsmanagement gefordert (Sicherungder Finanzierung, Organisationsentwicklung, Qualitätsmanagement).Bildungsmanagement in Kitas bedeutet,Bildungsprozesse anzuregen, zu begleiten und zu unterstützen,damit die angestrebte Bildungsqualität in derPraxis verwirklicht werden kann (Behse-Bartels, 2010).Erfahrungen bei der Implementierung der BULG zeigen,<strong>das</strong>s ein günstiges Zusammentreffen der drei Organisationsebenen– Kitamitarbeitende, Kitaleitung undTrägerschaft – abgestimmt auf die spezifische Situationin jeder Kita, eine gute Grundlage für die Umsetzungder BULG bietet. Will eine gute Bildungsarbeit beibehaltenwerden, sind alle Ebenen gefordert, kontinuierlichdranzubleiben, also „standzuhalten“ und den Prozessgemeinsam weiterzuentwickeln. Kitas tragen demnachselber zur nachhaltigen Wirkung des Verfahrens bei. Folgendwerden Beispiele zum Beitrag der Kitaleitungenbeschrieben:• Eltern an Eintrittsgesprächen über die Arbeit mitBULG informieren• Die Arbeit mit BULG in <strong>das</strong> pädagogische Konzeptintegrieren• BULG in Gesamtteamsitzungen thematisieren (Reflexion:was läuft gut, was fehlt?)• Der Bildungsarbeit „eine Stimme geben“: Reflexionssitzungenunter Gruppenleitungen und Mitarbeitendenermöglichen• Zeitgefässe für die Bildungsarbeit zur Verfügungstellen und eventuell Bürozeiten institutionalisieren(kollegialer Austausch, Lerngeschichten schreiben)• Verantwortliche Person für BULG-Umsetzung auf jederGruppe auswählen• Als Kitaleitung am kollegialen Austausch teilnehmen(dem Team Interesse signalisieren)• Kitamitarbeitende in Fortbildungskurse und Treffenzum Erfahrungsaustausch mit Kitamitarbeitenden ausanderen Einrichtungen ans MMI schicken.Jede Kita bzw. jede Gruppe hat andere Anliegen, Interessenund Ressourcen, sich in Bezug auf die BULG weiterzu vertiefen. Bei einigen steht z.B. <strong>das</strong> Thema „Bildungs-und Erziehungspartnerschaft“ an – sie möchtenElterngespräche anhand der BULG verfeinern. Anderewollen die „nächsten Schritte“ noch besser im Alltagintegrieren oder ihre grundlegende Haltung zum <strong>Kind</strong> reflektieren.Kitamitarbeitenden bieten sich viele Möglichkeiten, dienachhaltige Umsetzung zu unterstützen. Dazu einigeBeispiele:• Die <strong>Kind</strong>er und Eltern auf die Portfolios und Lerngeschichtenhinweisen und sie an Elternabendenanimieren, den Ordner mitzugestalten• Neue <strong>Kind</strong>er über <strong>das</strong> Beobachten aufklären• Die <strong>Kind</strong>er ermuntern, ein geliebtes Gemälde oderWerk in ihr Portfolio zu heften und den Ordner anzuschauen• Sich Zeit nehmen für Gespräche mit den <strong>Kind</strong>ern.22 Bildungs- und Resilienzförderung im Frühbereich


Wie geht es weiter...? – Fortschritte, Resultate und Perspektiven zu den „Bildungs- und Lerngeschichten“ in der SchweizBei der Verankerung der BULG erhalten dieKitas Unterstützung vom MMI. Im Rahmen des MMI-Dienstleistungsangebotes werden seit Herbst 2011Fortbildungsveranstaltungen zur Vertiefung und zum Erfahrungsaustauschrund um die BULG angeboten, umdie Qualität der Umsetzung aufrechtzuerhalten und weiterzuentwickeln.Der Erfahrungsaustausch bietet dieMöglichkeit der Vernetzung mit Gleichgesinnten – Bildungsarbeitmit BULG verbindet. So können Tipps undAnregungen von anderen mitgenommen, aber auch weitergegebenwerden. Grundsätzlich bieten NetzwerkeUnterstützung, um sich bei herausfordernden Situationengegenseitig zu stabilisieren und neue Impulse zu erhalten.„Vernetzt-Sein“ fördert gegenseitige Stärke (vgl.Fialka, 2010). Voraussetzung dafür ist aber die Motivationaller Beteiligten.BULG-Fortbildung:1. Vertiefungskurse (Themen zu BULG)2. Einführungskurse für neues Personal3. Veranstaltungen zum Erfahrungsaustausch mit anderenEinrichtungen<strong>4.</strong> Zusätzliche Weiterbildungstage und Coaching nachBedarf.Neben den Fortbildungsangeboten bieten wir folgendeweitere Dienstleistungen an:• Kitas als Konsultationskitas empfehlen und vernetzen(wir verwalten und vermitteln entsprechende Kontaktdaten)• Kitas über aktuelle Weiterentwicklungen im Frühbereichinformieren (z.B. Informationsveranstaltungenzum Orientierungsrahmen)• Einladung zu Tagungen und Fachveranstaltungen• Weiterbildungsangebote für Kitas, welche sich neufür BULG interessieren.Kita als lernende OrganisationDie nachhaltige Arbeit mit BULG funktioniert, wenn <strong>das</strong>Team und die Kitaleitung bereit bleiben für Veränderungenund Selbstreflexion, wenn sie Freude beim Schreibenvon Lerngeschichten entwickeln und einen unmittelbarenpädagogischen Nutzen in der Umsetzung der einzelnenArbeitsschritte erkennen. Die ressourcenorientierte Haltungmuss für alle sinnstiftend sein und Halt geben. Wieauch Robyn Lawrence (2012) über Erfahrungen in Neuseelandberichtet, müssen die Erwachsenen Interesse ander Umsetzung, Freude am Lernen und an der Beziehungzeigen und motiviert sein, eigene Ressourcen einzubringen.<strong>Newsletter</strong> März <strong>2013</strong>Diese Aussagen bestätigt auch der Leitgedanke desChange-Managements: Tiefgreifende Veränderungendürfen nicht einfach angeordnet und durchgezogenwerden, sondern müssen bewusst gelenkt und gesteuertwerden. Change-Management meint Strategien, wieVeränderungen und Umstrukturierungsprozesse begleitetund angeregt werden (Fialka, 2011). Idealerweise werdenMitarbeitende von Anfang an mit einbezogen, dennsie können dadurch den Wandel besser akzeptieren. Nurwenn Mitarbeitende die Veränderungen mittragen undsich motiviert einbringen, wenn sie bereit dazu sind, Interesseund Engagement zu zeigen, ist der gemeinsameLernprozess im Sinne von lebenslangem Lernen möglich.Im Idealfall entwickeln Kitamitarbeitende eineLeidenschaft für <strong>das</strong> Lernen und sie begreifen sich dabeials Teil der Einrichtung und damit als „lernende Organisation“(ebd., 2011). Ebert (2010) bezeichnet die Kitatreffend als Haus des Lernens für alle Menschen, die einund aus gehen. Erwachsene sind immer Vorbilder für die<strong>Kind</strong>er – wenn die Kitamitarbeitenden Freude am Lernenausstrahlen, färbt sich <strong>das</strong> auf die Motivation der <strong>Kind</strong>erab. Abschliessend dazu ein passendes Zitat von MahatmaGandhi: „Sei selbst die Veränderung, die du in der Weltsehen willst“.Ein Blick über die Schweizer Grenze hinaus zeigt, <strong>das</strong>seine „erfolgreiche Implementierung stärkenorientierterBeobachtungskonzepte im Sinne einer nicht nur technischbzw. formal korrekten Anwendung, sondern einerVeränderung hin zu einer kindorientierten, entwicklungsunterstützendenAlltagsgestaltung, Dialog- undPartizipationskultur“ (Weltzien & Viernickel, 2012,S. 85) einen institutionellen Rahmen benötigt, der sich„durch Innovationsfähigkeit und Zielorientierung auszeichnet“(ebd.).LiteraturBehse-Bartels, G. (2010). Kooperatives Bildungsmanagementim Kita-System – die Lösung der (neuen) Bildungsaufgabenkann nur gemeinsam gelingen. URL: http://www.kindergartenpaedagogik.de/206<strong>4.</strong>html(15.1.<strong>2013</strong>).Ebert, S. (Hrsg.)(2010). Bildungsort Kita. Leben – Lernen –Arbeiten. <strong>Kind</strong>ergarten heute: Die Kita als lernende Organisation.Freiburg: Herder, 2-5.Lawrence, R. (2012). ... im Wandel – von Implementierungzu Nachhaltigkeit. Referat an der Fachtagung „Mit denBildungs- und Lerngeschichten aus Neuseeland unterwegsin <strong>Kind</strong>ertageseinrichtungen in Baden-Württemberg“des Kommunalverbandes für Jugend und Soziales Baden-Württemberg und der Stadt Reutlingen, Sozialamt, Tagesbetreuungfür <strong>Kind</strong>er. Reutlingen, 2<strong>4.</strong>-25. September 2012.23


Wie geht es weiter...? – Fortschritte, Resultate und Perspektiven zu den „Bildungs- und Lerngeschichten“ in der SchweizWanddokumentationWanddokumentationWanddokumentationWanddokumentationBeobachtungsübersichtBULG-Flyer<strong>Newsletter</strong> März <strong>2013</strong>25


Wie geht es weiter...? – Fortschritte, Resultate und Perspektiven zu den „Bildungs- und Lerngeschichten“ in der SchweizWanddokumentationBeobachtungsübersichthat, meint sie: „Der Blick auf <strong>das</strong> <strong>Kind</strong>. Die individuellenInteressen des <strong>Kind</strong>es sind noch stärker ins Zentrumgerückt. Insbesondere auch der regelmässige Austauschim Team trägt dazu bei, <strong>das</strong> einzelne <strong>Kind</strong> mit all seinenBedürfnissen gezielt wahrzunehmen.“In letzter Zeit habe sich ausserdem zunehmend einWandel von der Elternzusammenarbeit hin zu einer „Erziehungs-und Bildungspartnerschaft“ vollzogen. Sowerden die Eltern in der Müüsliburg etwa regelmässigüber die geplanten nächsten Schritte für ihr <strong>Kind</strong> informiertund setzen diese teilweise auch selbst zu Hause um.Lachend erzählt die Kitaleiterin, wie eine Mutter spontanentschieden hat, mit ihrer Tochter ins Mutter-<strong>Kind</strong>-Singenzu gehen, nachdem im Entwicklungsgespräch zumAusdruck gekommen ist, <strong>das</strong>s <strong>das</strong> Mädchen im Momentsehr gerne singt und sich für Musik interessiert.Nach einem spannenden Rundgang durch die drei Gruppenund einem anregenden Gespräch mit Monika Kappelerverabschiede ich mich wieder von der Kita Müüsliburg.Was bleibt, ist der Eindruck einer innovativen Kita, der esgelungen ist, die BULG in ihren Alltag zu integrieren, unddie bereit ist, sich stetig weiterzuentwickeln.Ein Besuch in der Tandem-Kita EntlisbergDoris FreiIm obersten Stockwerk des stattlichen Gebäudes des<strong>Kind</strong>erhauses Entlisberg liegen die Räumlichkeiten derTandem-Kita. Die Kleinstkinder auf der Gruppe Eisbärensind eben fertig mit dem Znüni-Essen, als mich KarolineFranzen, die Kitaleiterin, durch die Gruppe führt. Inverschiedenen Räumen stechen mir farbenfrohe Wanddokumentationenins Auge, welche gut geschützt durchPlexiglasscheiben auf <strong>Kind</strong>erhöhe aufgehängt sind. Ichbin gerade dabei, einige Fotos genauer zu betrachten, alssich der darauf abgebildete Bub interessiert nähert. „Schaumal, hier konntest du noch nicht laufen“, wendet sich KarolineFranzen an ihn. Gebannt schaut der Kleine auf dieFotos, zeigt mit dem Finger darauf und schaut sich einesnach dem anderen genau an. Solche Situationen sind keineSeltenheit, berichtet die Leiterin: „Es ist schön zu sehen,wie die <strong>Kind</strong>er die Fotos immer wieder betrachten undsich dabei oftmals spannende Gespräche entwickeln“.Als wir unseren Rundgang bei der Gruppe Sommervögelfortsetzen, begrüsst uns bereits in der Garderobe eineSchar <strong>Kind</strong>er, welche sich für einen Ausflug auf den Veloplatzbereit macht. Ganz selbstverständlich wird nebenSonnencreme, Getränk und Notfallapotheke auch ein lee-26 Bildungs- und Resilienzförderung im Frühbereich


Wie geht es weiter...? – Fortschritte, Resultate und Perspektiven zu den „Bildungs- und Lerngeschichten“ in der Schweizrer Beobachtungsbogen von der Erzieherin eingepackt.Gut möglich, <strong>das</strong>s sich draussen eine günstige Gelegenheitergibt, ein <strong>Kind</strong> zu beobachten.Aber nicht nur bei den Fachpersonen gehören die „Bildungs-und Lerngeschichten (BULG)“ längst zum Alltag.Auch für die <strong>Kind</strong>er ist es nichts Ungewohntes mehr,wenn sie von einer Erzieherin beobachtet werden oderihnen eine neue Lerngeschichte vorgelesen wird. „Besondersbegeistert sind sie von ihren Portfolios“, erzähltKaroline Franzen. Vor dem Mittagessen wird deshalbtäglich Zeit eingeplant, um zu zeichnen, einzuordnen,Fotos aufzukleben oder auch einfach, um sich über dievielen, im Portfolio dokumentierten Erlebnisse und Arbeitenauszutauschen.Austausch mit dem <strong>Kind</strong>BeobachtungsübersichtWanddokumentationEin Mädchen erlaubt mir mit sichtlichem Stolz, seinPortfolio anzuschauen. Beim Durchblättern bekommeich nicht nur einen Eindruck davon, was <strong>das</strong> <strong>Kind</strong> in derKita alles erlebt, sondern auch davon, was ihm gefälltund wichtig ist. So sind etwa die meisten Fotos von farbigenZeichnungen umrahmt oder wurden mit der Scherezurechtgeschnitten und anschliessend aufgeklebt. Auf ei-<strong>Newsletter</strong> März <strong>2013</strong>nigen Bildern sind Familienmitglieder abgebildet. Auchder Text eines Liedes ist abgeheftet.Dass die BULG so selbstverständlich Teil des Kitaalltagssind, war nicht immer so, erzählt mir Karoline Franzen.Die Umsetzung des Verfahrens sei ein Prozess, der nochlange nicht abgeschlossen sei und bei dem auch immerwieder Hürden überwunden werden müssten. Nicht nurdie grosse Anzahl eingeschriebener <strong>Kind</strong>er stelle <strong>das</strong>Team vor Herausforderungen, sondern auch die Organisationdes kollegialen Austausches erwies sich zu Beginnals schwierig. „Erst mussten die bestehenden Sitzungsstrukturenneu überdacht und angepasst werden. Nurso schafften wir es, <strong>das</strong>s der kollegiale Austausch heuteregelmässig durchgeführt werden kann“, berichtet die Kitaleiterin.Vor allem zu Beginn der Implementierung seies manchen Mitarbeitenden auch nicht einfach gefallen,einen Gewinn für den pädagogischen Alltag in der Umsetzungdes Verfahrens zu sehen. Erst mit der Zeit habeein Sinneswandel stattgefunden. „Heute sind die Erleichterungbei der Vorbereitung auf die Elterngespräche, dieFreude der <strong>Kind</strong>er an ihren Portfolios und Lerngeschichtensowie die positiven Rückmeldungen der Eltern einegrosse Bereicherung für uns“, meint Karoline Franzenmit Begeisterung in der Stimme. Die grösste Veränderungsieht sie aber in der Haltung des gesamten Teams.Der Blick für <strong>das</strong> einzelne <strong>Kind</strong> habe sich geschärft und27


Wie geht es weiter...? – Fortschritte, Resultate und Perspektiven zu den „Bildungs- und Lerngeschichten“ in der Schweizes stünden nicht mehr die Defizite, sondern die Stärkenim Vordergrund. Dies führe dazu, <strong>das</strong>s den <strong>Kind</strong>ern heutemehr zugetraut und die Zeit mit jedem einzelnen <strong>Kind</strong>bewusster genutzt werde. „Für uns sind die BULG nichtmehr aus dem Kitaalltag wegzudenken“, sagt KarolineFranzen zum Schluss unseres Gesprächs.Nach meinem Besuch bin ich nicht nur beeindruckt vondem, was <strong>das</strong> Team bereits alles erreicht hat, sondernauch überzeugt, <strong>das</strong>s die Kita den Weg, den sie vor dreiJahren mit dem MMI eingeschlagen hat, mit viel Ausdauer,Zielstrebigkeit und Freude weiterverfolgen wird.BeobachtungBeobachtungBeobachtung<strong>Kind</strong> mit seinem PortfolioEinmal hatten wir von einem <strong>Kind</strong> zwei spannende Beobachtungenund wir konnten uns nicht entscheiden, aus welcher eine Lerngeschichteentstehen soll. Also haben wir einfach zwei Lerngeschichtengeschrieben und <strong>das</strong> <strong>Kind</strong> hat sich riesig darüber gefreut. Es war unglaublichstolz, <strong>das</strong>s es zwei Lerngeschichten auf einmal bekommenhat. (Miterzieherin und Gruppenleitung)28 Bildungs- und Resilienzförderung im Frühbereich


Wie geht es weiter...? – Fortschritte, Resultate und Perspektiven zu den „Bildungs- und Lerngeschichten“ in der SchweizDrei Jahre „Bildungs- und Lerngeschichten“ in der Praxis: Was hat sich nach Abschluss der 1.Implementierungsphase in der Praxis bewährt, was hat sich verändert? – Zwei Kitaleitungen berichtenim InterviewInterview mit Ulrike Kleefeld, Leiterin der <strong>Kind</strong>erkrippe Zypresse in ZürichDas Gespräch ist in einer gekürzten und leicht veränderten Form wiedergegeben. Das Interview führte Doris Frei.Die <strong>Kind</strong>erkrippe Zypresse besteht aus einer Gruppe, inder <strong>Kind</strong>er im Alter von drei Monaten bis fünf Jahrenbetreut werden. Das Team wurde von Oktober 2009 bisNovember 2010 in <strong>das</strong> Beobachtungsverfahren der „Bildungs-und Lerngeschichten (BULG)“ eingeführt undbei der Umsetzung in der Praxis begleitet. Frau Kleefeldberichtet im Interview, wie die Umsetzung der BULG inihrer Einrichtung heute aussieht, eineinhalb Jahre nachAbschluss der Begleitung durch <strong>das</strong> MMI.Sie arbeiten nun bereits seit drei Jahren mit den „Bildungs-und Lerngeschichten“. Wie hat sich die Arbeitmit dem Verfahren seit Abschluss der Implementierungvor eineinhalb Jahren verändert?Wir sind bei der Umsetzung der BULG sicherer geworden;<strong>das</strong> Verfahren hat seinen festen Platz bei uns imAlltag gefunden. Am Anfang brauchte es viel Organisation,um die BULG in den Alltag zu integrieren. Heuteist es keine Frage mehr, ob man für die Umsetzung Zeithat oder nicht. Man hat Zeit dafür. Während der Begleitungdurch <strong>das</strong> MMI konnten wir eine gute Basis für dieUmsetzung der BULG aufbauen. Nach Abschluss derImplementierung ist es uns gelungen, diese Basis nochzu festigen.<strong>Newsletter</strong> März <strong>2013</strong>Was hat sich in der Praxis in Bezug auf die „BildungsundLerngeschichten“ besonders bewährt?Das ganze Verfahren hat sich bewährt. Für die <strong>Kind</strong>ersind besonders die Portfolios sehr wertvoll. Zu Beginnhat es etwas Zeit gebraucht, bis sie ihre Ordner selbstständignutzten. Dies hängt sicher auch damit zusammen,<strong>das</strong>s wir am Anfang kaum mit Fotos gearbeitet haben.Inzwischen fotografieren wir sehr viel, was die Portfoliosfür die <strong>Kind</strong>er attraktiver macht. Oftmals erzählensie sich gegenseitig beim Anschauen, was sie alles erlebthaben. Auch für die Eltern sind die Fotos spannend. Sosehen sie darauf etwa den Gesichtsausdruck ihres <strong>Kind</strong>es,welcher in Worten nur schwer zu beschreiben ist.Besonders bewährt hat sich zudem, <strong>das</strong>s wir die <strong>Kind</strong>erimmer dann zum Beobachten einplanen, wenn ein Elterngesprächbevorsteht. Die BULG sind bei uns festerBestandteil der Elterngespräche geworden. Auch für <strong>das</strong>Team ist die Umsetzung des Verfahrens eine Bereicherung.Alle verfolgen <strong>das</strong> gleiche Ziel und stehen in einemständigen Austausch miteinander. Dies bringt <strong>das</strong> Teamnäher zusammen.Gibt es Dinge, die sich weniger bewährt haben, oder dieSie heute anders machen würden?Nein. Zusammen mit der Begleitung vom MMI konntenwir die Umsetzung des Verfahrens gut auf unseren Betriebanpassen. Alles, was bei Abschluss der Implementierungvorhanden war, hat dann auch Bestand gehabt. Es ist einPaket, <strong>das</strong> für uns stimmig ist. Dies ist wahrscheinlichauch der ausschlaggebende Grund dafür, <strong>das</strong>s wir immernoch mit dem Verfahren arbeiten.Wo liegen Ihrer Meinung nach die Herausforderungenbei der Arbeit mit den „Bildungs- und Lerngeschichten“?Die grösste Herausforderung war es, <strong>das</strong> Verfahren mitden vorhandenen Zeitressourcen in den Alltag zu integrieren.Wir mussten uns beispielweise überlegen, wiewir den kollegialen Austausch organisieren, damit <strong>das</strong>ganze Team daran teilnehmen kann. Uns war es wichtig,<strong>das</strong>s auch die Lernenden am Austausch dabei seinkönnen, weshalb wir diesen nicht tagsüber durchführenwollten. Als wir beschlossen, <strong>das</strong>s wir den kollegialenAustausch ausserhalb der Kita-Öffnungszeiten verankern,gab es zu Beginn schon auch Diskussionen. Heuteist es selbstverständlich, <strong>das</strong>s der Austausch jeweils amMittwochmorgen vor der Öffnung der Kita stattfindet.Wenn dies aus irgendeinem Grund nicht geht, steht auchder Dienstagabend zur Verfügung. So können wir denAustausch regelmässig durchführen und es ist allen klar,<strong>das</strong>s bis dahin auch alle Beobachtungen vorhanden seinmüssen.Hat es in den letzten drei Jahren Phasen gegeben, indenen die Umsetzung der „Bildungs- und Lerngeschichten“unterbrochen wurde?Nein. Wir haben es konstant durchgezogen. Dies hatsicher auch damit zu tun, <strong>das</strong>s die BULG für uns eineWichtigkeit haben. Wir sind der Meinung, <strong>das</strong>s jedes<strong>Kind</strong> es verdient, Lerngeschichten zu erhalten. Es wäreungerecht, nur weil wir gerade eine turbulente Zeit ha-29


Wie geht es weiter...? – Fortschritte, Resultate und Perspektiven zu den „Bildungs- und Lerngeschichten“ in der Schweizben, einzelne <strong>Kind</strong>er nicht zu beobachten. In strengenZeiten kann es aber mal vorkommen, <strong>das</strong>s wir weniger<strong>Kind</strong>er pro Monat beobachten als sonst.Planen Sie auch „nächste Schritte“ für die <strong>Kind</strong>er?Ja, <strong>das</strong> machen wir auch. Ich glaube, die <strong>Kind</strong>er geniessen<strong>das</strong> sehr. Manchmal kommt es vor, <strong>das</strong>s nächste Schrittenicht nur einmalig durchgeführt werden, sondernauf Nachfrage der <strong>Kind</strong>er erhalten bleiben. So habenwir beispielsweise einmal als nächsten Schritt einenGesprächskreis geplant. Dieser hat sich dann weiterentwickeltund ist heute fester Bestandteil unseres Alltags.Uns ist es wichtig, die Rückmeldungen der <strong>Kind</strong>er aufzunehmenund Dinge erneut anzubieten, die ihnen Spassgemacht haben. Einem Mädchen, welches gerne mit verschiedenenMaterialien arbeitet, haben wir zum Beispielangeboten, ein Kleisterbild zu gestalten. Das Mädchenhat sich gewünscht, dieses ohne die anderen <strong>Kind</strong>er malenzu können und hat dies sehr genossen. Die anderen<strong>Kind</strong>er haben <strong>das</strong> natürlich gesehen und wollten auchsolche Bilder machen. Deshalb haben wir ein paar Tagespäter dieses Angebot wiederholt.Hat sich der Austausch mit den <strong>Kind</strong>ern durch die „Bildungs-und Lerngeschichten“ verändert?Es hat sich sowohl der Austausch mit dem <strong>Kind</strong> als auchder Austausch über <strong>das</strong> <strong>Kind</strong> verändert. Der Austauschüber <strong>das</strong> <strong>Kind</strong> ist intensiver geworden und man hat <strong>das</strong>Gefühl, die <strong>Kind</strong>er besser zu kennen. Dies führt dazu,<strong>das</strong>s sie auch mehr von sich preisgeben. Insbesonderedann, wenn man mit ihnen die Beobachtungen oder dieLerngeschichten bespricht, erzählen sie sehr viel.Was trägt Ihrer Meinung nach dazu bei, <strong>das</strong>s sich die„Bildungs- und Lerngeschichten“ nachhaltig im Alltagverankern?Ich denke, in erster Linie ist es die Überzeugung, <strong>das</strong>s esetwas Gutes ist, was man tut. Gerade in Phasen, wo beispielsweisePersonalmangel herrscht, ist es wichtig, nichtmit den BULG runterzufahren oder aufzuhören, sonderneher zu überlegen, ob es andere Sachen gibt, welche indieser Zeit zu einer Entlastung führen könnten. Wir sindein Elternverein und können beispielsweise die Elternanfragen, ob sie für uns kochen könnten.Was würden Sie Kitas, die neu mit den „Bildungs- undLerngeschichten“ arbeiten, mit auf den Weg geben?Sie sollen sich Zeit nehmen und sich nicht abschreckenlassen von dem Aufwand, den die BULG auf den erstenBlick mit sich bringen. Es braucht viel Arbeit – auch, umsich selbst klar zu werden, wie man zu dem Verfahrensteht. Ich würde allen empfehlen, es einfach auf sich zukommenzu lassen und ein für die eigene Kita passendesund realisierbares Modell der Umsetzung zu finden. Diesbraucht Zeit und einige Dinge, die ausprobiert werden,müssen auch wieder verworfen oder angepasst werden.Wir haben sehr gute Erfahrungen mit den BULG gemacht,weshalb wir auch immer noch mit dem Verfahrenarbeiten. Ich bin dankbar, <strong>das</strong>s wir an dem Projekt desMMI teilnehmen konnten.Interview mit Beate Hechmi, Leiterin des Tagesheimes Dornacherstrasse in BaselDas Gespräch ist in einer gekürzten und leicht veränderten Form wiedergegeben. Das Interview führte Doris Frei.Das Tagesheim Dornacherstrasse in Basel hat vier Gruppenund betreut auch Hortkinder. Das Team wurde vonOktober 2009 bis im November 2010 in <strong>das</strong> Beobachtungsverfahrender „Bildungs- und Lerngeschichten (BULG)“eingeführt und bei der Umsetzung in der Praxis begleitet.Frau Hechmi berichtet im Interview, wie die Umsetzungder BULG in ihrer Einrichtung heute aussieht, eineinhalbJahre nach dem Abschluss der Begleitung durch <strong>das</strong> MMI.Sie arbeiten nun bereits seit drei Jahren mit den „Bildungs-und Lerngeschichten“. Wie hat sich die Arbeitmit dem Verfahren seit Abschluss der Implementierungvor eineinhalb Jahren verändert?Sicherlich haben wir an Routine gewonnen. Die Umsetzungdes Verfahrens benötigt nicht mehr so viel Zeit undfällt uns leichter als früher. Während der Implementierungwar es ganz wichtig, <strong>das</strong>s die vorgegebenen Strukturen beider Umsetzung des Verfahrens eingehalten wurden. Heutegehen wir flexibler damit um. Die Mitarbeitenden habenauch eigene Ideen entwickelt. So hält eine Mitarbeiterinzum Beispiel die ersten Wörter eines <strong>Kind</strong>es im Portfoliofest. Solche Dinge bereiten dem Team viel Freude.Heute ist es für uns zudem ganz normal, <strong>das</strong>s nicht mehrnur bei dem <strong>Kind</strong> etwas geschrieben oder fotografiert wird,welches laut Beobachtungsplan gerade im Fokus steht. Beiallen <strong>Kind</strong>ern werden jederzeit besondere Momente festgehalten.Das Team achtet auch viel mehr darauf, was esfotografiert. Es geht nicht mehr darum, einfach ein hübschesFoto zu haben, sondern der Blick wird gezielt auf<strong>das</strong> Lernen gerichtet.30 Bildungs- und Resilienzförderung im Frühbereich


Wie geht es weiter...? – Fortschritte, Resultate und Perspektiven zu den „Bildungs- und Lerngeschichten“ in der SchweizAuch die Lerngeschichten haben sich weiter entwickelt.Früher schrieben wir ausufernd lange Geschichten.Manchmal dachten wir viel zu weit und wollten mit einerLerngeschichte <strong>das</strong> ganze <strong>Kind</strong> beschreiben. Heute sind dieLerngeschichten kürzer und prägnanter geworden und werdennoch mehr mit Fotos dokumentiert. Wir konzentrierenuns stärker auf den Moment. Wie reichhaltig solche einzelnenMomente sind, haben wir erst mit der Zeit realisiert.Als die Begleitung des Teams durch <strong>das</strong> MMI beendet war,mussten wir uns überlegen, wie wir mit den BULG weiterarbeitenwollten. Ich hatte <strong>das</strong> Gefühl, <strong>das</strong>s die BULGwieder aus dem Alltag verschwinden würden, wenn wirjetzt nicht dranblieben. Dies war für mich auch der Moment,um zu überlegen, was es von meiner Seite herbraucht, um die Arbeit mit den BULG im Alltag fortzuführenund für uns weiterzuentwickeln. Deshalb führenwir regelmässig Sitzungen zu BULG durch, an denen ichmich beim Team erkundige, wo es mit der Umsetzung desVerfahrens gerade steht und wo es meine Unterstützungbraucht. Zudem decke ich bei Personalausfällen auch malauf der Gruppe ab, damit der kollegiale Austausch trotztenSchritten“ und den Lerngeschichten etwas zu dem <strong>Kind</strong>zurückfliesst.Mit dem Portfolio haben wir auch etwas Materielles, <strong>das</strong>wir dem <strong>Kind</strong> mit auf seinen Lebensweg geben könnenund <strong>das</strong> einen Teil unserer Arbeit sichtbar macht. Wenn wirfrüher ein Album zum Abschied geschenkt haben, so war<strong>das</strong> immer eine Momentaufnahme. Das Portfolio dagegenzeigt einen Entwicklungsverlauf und gibt dem <strong>Kind</strong> dieMöglichkeit, auf sein Lernen in der Kita zurückzuschauen.Wo liegen Ihrer Meinung nach die Herausforderungenbei der Arbeit mit den „Bildungs- und Lerngeschichten“?Die grösste Herausforderung liegt in den Rahmenbedingungen,welche die Umsetzung der BULG zum Teilerschweren. Dazu gehören etwa die vielen Teilzeitkinderund die eingeschränkten Zeitressourcen. Zudem nehmendie generellen Anforderungen, welche an uns als Kita gestelltwerden, stetig zu. Neben der Auseinandersetzungmit der frühkindlichen Bildung wurden auch Themen wieSprachförderung oder Ernährung an uns herangetragen.Beobachtung<strong>Kind</strong> mit seinem Portfoliodem durchgeführt werden kann. Damit will ich dem Teamauch die Bedeutung signalisieren, welche <strong>das</strong> Verfahren fürmich für unsere Einrichtung hat.Was hat sich in der Praxis in Bezug auf die „BildungsundLerngeschichten“ besonders bewährt?Bewährt hat sich auf jeden Fall, <strong>das</strong>s wir jedes einzelne<strong>Kind</strong> beobachten. Dadurch sind wir im Alltag viel sensiblergeworden. Die Art und Weise, wie wir auf <strong>das</strong> einzelne<strong>Kind</strong>, aber auch auf die Gruppenprozesse schauen, hat sichverändert. Wertvoll ist für uns zudem, <strong>das</strong>s mit den „nächs-<strong>Newsletter</strong> März <strong>2013</strong>Hat es in den letzten drei Jahren Phasen gegeben, indenen die Umsetzung der „Bildungs- und Lerngeschichten“unterbrochen wurde?Nein, Unterbrüche hat es keine gegeben. Aber es gabimmer mal wieder intensive Zeiten, wie etwa bei Lagervorbereitungen,wo wir zum Beispiel die AnzahlBeobachtungen etwas reduziert haben. Besonders beimjährlichen Personalwechsel kann es auch vorkommen,<strong>das</strong>s der kollegiale Austausch mal ausfällt. Die Regelmässigkeitder Umsetzung unterscheidet sich aber auchstark zwischen den einzelnen Gruppen.31


Wie geht es weiter...? – Fortschritte, Resultate und Perspektiven zu den „Bildungs- und Lerngeschichten“ in der SchweizWorauf führen Sie diese Unterschiede zwischen denGruppen zurück?Es gibt ganz individuelle Arten, wie Menschen auf etwasNeues zugehen. Manche mögen <strong>das</strong> Schreiben, mancheweniger. Manche zweifeln, ob sie dies gut können, manchefinden es gar nicht nötig und stellen <strong>das</strong> Verfahren ansich in Frage. Wie die BULG umgesetzt werden, hängtstark mit der Haltung der Personen zusammen, welcheauf der Gruppe arbeiten. Es braucht die Bereitschaft, sichzu verändern und weiterzuentwickeln.Ich konnte mitverfolgen, wie einige Mitarbeiterinnendurch die Umsetzung des Verfahrens angeregt wurden,ihre Arbeit zu reflektieren und sich dadurch weiterentwickelten.So lässt beispielsweise eine Mitarbeiterin,welche früher oft vorgefertigte Bastelarbeiten mit den<strong>Kind</strong>ern gemacht hat, diesen heute viel mehr Raum undachtet nicht mehr so sehr auf <strong>das</strong> Ergebnis. Dies ist einesehr schöne Entwicklung.Haben Sie Themen im Zusammenhang mit den „Bildungs-und Lerngeschichten“, mit denen Sie und IhrTeam sich noch stärker auseinandersetzen möchten?Wir möchten in Zukunft gerne die BULG noch verstärktfür die Elterngespräche nutzen. Manche Mitarbeitendebevorzugen aber noch immer <strong>das</strong> alte Raster für Elterngespräche.Ich wünschte mir, <strong>das</strong>s sie den Mut entwickelnwürden, die BULG als Grundlage zu verwenden. Auchsonst stellen wir uns immer wieder die Frage, wie wir dieEltern noch stärker einbinden und teilhaben lassen können.Damit wollen wir uns noch intensiver auseinandersetzen.Was würden Sie Kitas, die neu mit den „Bildungs- undLerngeschichten“ arbeiten, mit auf den Weg geben?Die BULG bereichern den Alltag definitiv. Es ist aberkein einfacher Weg. Es braucht Geduld und Ausdauerund es gibt auch Phasen, in denen man denkt, <strong>das</strong>ses nicht klappt. Umso mehr empfehle ich allen durchzuhalten,denn heute möchte ich die BULG in unsererEinrichtung nicht mehr missen.Was ich anderen <strong>Institut</strong>ionen, die mit BULG arbeitenwollen, auch mitgeben möchte, ist die Anregung, geradeauch mit <strong>Kind</strong>ern, die immer wieder „anecken“, bewusst<strong>das</strong> Portfolio anzuschauen – ihnen damit die Botschaftzu geben: „Du bist wichtig, du bist von Bedeutung, dukannst etwas“. Wir haben die Erfahrung gemacht, <strong>das</strong>sdiese Bestärkung für die <strong>Kind</strong>er sehr bedeutsam ist und<strong>das</strong>s dadurch wunderschöne Augenblicke mit dem einzelnen<strong>Kind</strong> entstehen.„Bildungs- und Lerngeschichten“ und Kleinkindpädagogik nach Emmi Pikler – miteinander vereinbar?Franziska Pomeranets„Respekt und Achtsamkeit“ – <strong>das</strong> sind die wichtigstenBegriffe in der so gennanten „Piklerpädagogik“ (vgl.Richarts, 2006; Gosen & Wettich, 2009). Bei den „Bildungs-und Lerngeschichten (BULG)“ geht es um <strong>das</strong>„Beobachten“ – ein Begriff, in dem die Worte „Beachten“und „Achten“ mit enthalten sind (Kazemi-Veisari, 2004).Bereits hier lassen sich Parallelen zwischen BULG und Piklererahnen. Doch hinter diesen Worten steckt mehr: Siesind sinnbildlich für eine Haltung dem <strong>Kind</strong> gegenüber, beidem die Kleinsten nicht als Objekt, sondern als Subjekt,als kompetente Lernende, angesehen und auch als solcherespektiert werden. Inhaltlich haben die beiden Konzeptesehr unterschiedliche Schwerpunkte. Piklers Pädagogikkann in folgende Aspekte zusammengefasst werden:• Beziehungsvolle, kooperative Pflege• Freie/autonome Bewegungsentwicklung/-erziehung• Ermöglichung der Eigenständigkeit im Spiel• Sichere, aber Herausforderungen bietende Umgebungsgestaltung(vgl. Gutknecht, 2011; Gosen &Wettich, 2009).Dagegen sind die BULG ein Verfahren, bei dem die individuellen,kindlichen Bildungsprozesse beobachtet,dokumentiert und begleitet werden (vgl. Leu et al., 2007).Wie können nun diese beiden Konzepte miteinander vereinbartwerden? Schnell lassen sich Gemeinsamkeitenfinden, wovon einige im Folgenden beschrieben werden.BildungsverständnisEin zeitgemässes Bildungsverständnis geht von denSelbstbildungsprozessen eines <strong>Kind</strong>es aus. Von Geburtan eignet sich <strong>das</strong> <strong>Kind</strong> aktiv seine Umwelt an, ganzheitlichund mit allen Sinnen. Dieses Bildungsverständnis istHintergrund der BULG (vgl. Leu et al., 2007, S. 36ff.). Inden Schriften von Emmi Pikler lassen sich Parallelen inBezug auf die Themen „Bildung und Lernen“ finden. Soschreibt sie Folgendes: „Unsere Aufgabe ist, <strong>das</strong> <strong>Kind</strong> soviel als möglich allein ausprobieren zu lassen. Das wirklichwertvolle Wissen, welches <strong>das</strong> <strong>Kind</strong> und später derErwachsene im Leben gut gebrauchen kann, ist <strong>das</strong>, wases selbst ausprobiert, erarbeitet hat“ (Pikler, 1982, S. 75).32 Bildungs- und Resilienzförderung im Frühbereich


Wie geht es weiter...? – Fortschritte, Resultate und Perspektiven zu den „Bildungs- und Lerngeschichten“ in der Schweiz<strong>Newsletter</strong> März <strong>2013</strong>Bei den BULG steht der Prozess des Lernens im Vordergrund,die Frage nach dem „Wie?“, weniger <strong>das</strong> Ergebnis.Emmi Pikler sieht dies ähnlich: „Jedoch wichtiger als<strong>das</strong> Resultat ist die Methode. Dieser Prozeß des Lernensspielt eine sehr wichtige Rolle im ganzen späteren Lebendes Menschen. Durch die Art der Entwicklung gelangtder Säugling selbständig, mit geduldiger, ausdauernderArbeit, mit Sammlung seiner ganzen Aufmerksamkeitzu seinem Können“ (ebd., S. 35). Sie beschreibt weiterhin,<strong>das</strong>s <strong>das</strong> <strong>Kind</strong> u.a. <strong>das</strong> Lernen lernt: „Er lernt sichselbständig mit etwas zu beschäftigen, an etwas Interessezu finden, zu probieren, zu experimentieren. Er lerntSchwierigkeiten zu überwinden. Er lernt die Freude unddie Zufriedenheit kennen, die der Erfolg – <strong>das</strong> Resultatseiner geduldigen, selbständigen Ausdauer – für ihn bedeutet“(ebd., S. 35).In ihrem Erziehungsratgeber „Friedliche Babys – zufriedeneMütter“ betont Emmi Pikler, wie wertvoll es für<strong>Kind</strong>er sei, wenn sie ihr Wissen über ihre Hände und Augensammeln und eigene Erfahrungen machen. Es sei vorallem bedeutsam, <strong>das</strong>s Erwachsene bei Schwierigkeitenoder Herausforderungen den <strong>Kind</strong>ern nicht vorschnellhelfen: „Ein <strong>Kind</strong>, <strong>das</strong> durch selbständige Experimenteetwas erreicht, erwirbt ein ganz andersartiges Wissen,als eines, dem die Lösung fertig geboten wird“ (ebd., S.73). Die richtige Lösung zu finden, kann sehr langwierigund mühsam sein. Pikler bezeichnet es als „Forschungsarbeit“.Doch die Belohnung dafür ist die Freude und derStolz des <strong>Kind</strong>es, wenn es alleine, ohne fremde Hilfe, zurLösung gelangt ist (vgl. ebd., S. 74).Piklers Beschreibungen von <strong>Kind</strong>ern als Forscher undEntdecker erinnern sehr stark an die Lerndispositionender BULG, welche Margaret Carr als „Fundament für lebenslangesLernen“ (Leu et al., 2007, S. 49) bezeichnet.Auch hier wird davon ausgegangen, <strong>das</strong>s ein Mensch lernt,indem er interessiert, engagiert ist und bei Schwierigkeitenbzw. Herausforderungen standhält. Verbindungen zuden beiden letzten Lerndispositionen – „Sich ausdrückenund mitteilen“ sowie „An einer Lerngemeinschaft mitwirkenund Verantwortung übernehmen“ – lassen sichbei Pikler indirekt vor allem bei der Beschreibung derPflege ableiten. An dieser Stelle finden die meisten Interaktionenzwischen einem Säugling bzw. Kleinstkind undder Bezugsperson statt, welche kooperativ und respektvollverlaufen sollen (vgl. Gutknecht, 2011).Damit sich jedoch die verschiedenen Lerndispositionenzeigen können, sind bestimmte Grundvoraussetzungennotwendig, welche in dem Eisberg-Modell nachCarr dargestellt sind (vgl. Leu et al., 2007, S. 50 f.). Somuss <strong>das</strong> <strong>Kind</strong> sich zugehörig und wohl fühlen, es sollteMöglichkeiten zum Explorieren und Kommunizierenhaben sowie partizipieren dürfen. Ähnliches lässt sichauch in der Pikler-Pädagogik finden: „Eine der wesentlichenVoraussetzungen dafür, <strong>das</strong>s sich ein <strong>Kind</strong> mitFreude bewegt, selbstständig spielt und seine Umgebungmit Interesse und Ausdauer erkundet, ist Geborgenheit“(Gossen & Wettich, 2009, S. 10).Ein Bildungsverständnis geht auch immer mit einemspezifischen Bild vom <strong>Kind</strong> einher, welches Gosen undWettich (2009) in Bezug auf Emmi Pikler mit folgendenWorten zusammenfassen: „Der Säugling wird von Anfangan als vollwertiger, verständiger, reaktionsfähigerund aktiver Mensch gesehen“ (S. 8).Haltung – <strong>das</strong> <strong>Kind</strong> als Subjekt„Da <strong>das</strong> <strong>Kind</strong> nicht mehr als Objekt erzieherischen Handelns,sondern als aktives Subjekt gesehen wird, wirdauch im Umgang mit ihm der gleiche Respekt als erforderlicherachtet, der in der Begegnung zwischenErwachsenen selbstverständlich ist. Dies beinhaltet, dieWürde auch des kleinsten <strong>Kind</strong>es sowie seinen Eigensinn,seinen eigenen Willen, ernst zu nehmen. Respektvor dem <strong>Kind</strong> bedeutet aber auch aufgrund seiner Abhängigkeitvom Erwachsenen Respekt vor seinenBedürfnissen“ (Richarts, 2006, S. 30f). Mit diesen Wortenbeschreibt Richarts (ebd.) die wesentlichsten Aspekteder Haltung von Emmi Pikler. Das <strong>Kind</strong> ist einerseits einuns ausgeliefertes Wesen, welches unserer Fürsorge bedarf.Andererseits ist ein <strong>Kind</strong> auch ein Mensch, welcherRechte, Wünsche, Instinkte und Interessen hat, die wirals Erwachsene respektieren müssen (vgl. Pikler, 1982,S. 87). Die Würde des <strong>Kind</strong>es und die Achtsamkeit, diewir den Kleinsten entgegen bringen, sind die zentralenAspekte der Pikler-Pädagogik. Gleichzeitig untermauernsie auch <strong>das</strong> Vorgehen im Rahmen der BULG. Denn einwichtiges Kernelement des Verfahrens ist, <strong>das</strong>s bei jedemArbeitsschritt der Dialog mit dem <strong>Kind</strong> gesucht bzw. <strong>das</strong><strong>Kind</strong>, je nach Entwicklungstand, mit einbezogen wird.Am deutlichsten wird dies bei den Arbeitsschritten Beobachtungund Dokumentation:• Beobachtung: „Bereits zu Beginn einer Beobachtungwird <strong>das</strong> <strong>Kind</strong> als Interaktionspartner ernstgenommen, indem es gefragt wird: ‚Darf ich dir beimSpielen zuschauen?’. Wenn die Fachkraft mit einersolchen Frage auf <strong>das</strong> <strong>Kind</strong> zukommt, nutzt sie dieBeobachtung als Interaktionsanlass und bringt dem<strong>Kind</strong> zugleich Wertschätzung entgegen. Darüber hinausvermittelt sie ihm, <strong>das</strong>s es selbstbestimmt handelnkann – <strong>das</strong> <strong>Kind</strong> hat durchaus die Möglichkeit, Neinzu sagen“ (Weltzien, 2009, S. 105).33


Wie geht es weiter...? – Fortschritte, Resultate und Perspektiven zu den „Bildungs- und Lerngeschichten“ in der Schweiz• Dokumentation: Die Lerngeschichte sowie <strong>das</strong> Portfoliogehören dem <strong>Kind</strong>. Wie bei Eigentum einesErwachsenen, so wird auch beim Eigentum der <strong>Kind</strong>erein achtungsvoller Umgang gepflegt: Das <strong>Kind</strong>wird gefragt, wenn jemand sein Portfolio anschauenmöchte. Was in <strong>das</strong> Portfolio hinein kommt, wird gemeinsammit dem <strong>Kind</strong> ausgewählt, besprochen undeingeordnet. Somit ist <strong>das</strong> <strong>Kind</strong> an der Entscheidungbeteiligt, was und wie dokumentiert werden soll (vgl.Leu et al., 2007, S. 143ff.).Rolle des ErwachsenenDie Erwachsenen bzw. die Bezugspersonen des <strong>Kind</strong>eswerden sowohl bei Pikler als auch bei den BULG als Bildungs-und Entwicklungsbegleiter angesehen, welcheaufmerksam und verlässlich sein sollen (vgl. Gosen &Wettich, 2009; Leu et al., 2007). Richarts (2006) schreibtüber die Ansichten von Emmi Pikler wie folgt: „Die Aufgabendes Erziehenden bestehen nicht darin, <strong>das</strong> <strong>Kind</strong>anzuleiten, zu formen und zu belehren, sondern <strong>das</strong> <strong>Kind</strong>zu begleiten und für seine Bedürfnisse zu sorgen“ (S.30). Somit sei <strong>das</strong> Ziel von Erziehung, „günstige Bedingungenfür die Entwicklung des <strong>Kind</strong>es zu schaffen“(ebd., S. 31). Auch im Rahmen der BULG wird davonausgegangen, <strong>das</strong>s <strong>Kind</strong>er kompetente und erfahrene Erwachsenebrauchen, die sie unterstützen, herausfordernund weiterbringen. Weiterhin benötigen <strong>Kind</strong>er eine anregungsreicheLernumgebung (vgl. Leu et al. 2007).Gleiches findet man in der Pikler-Pädagogik: „WichtigeAufgabe der Erwachsenen ist es weiterhin, eine dem Alterund Entwicklungsinteresse der <strong>Kind</strong>er entsprechendevorbereitete Umgebung für Bewegung, Spiel und Pflegezu schaffen“ (Gossen & Wettich, 2009, S. 12).Beobachtung und pädagogisches HandelnDie BULG sind ein Beobachtungs- und Dokumentationsverfahren,bei dem es darum geht, die kindlichenBildungs- und Lernwege zu verstehen und die <strong>Kind</strong>erentsprechend zu unterstützen (vgl. Leu et al., 2007).Auch Emmi Pikler schenkt der Beobachtung grosse Bedeutung– sowohl im familiären als auch institutionellenKontext. In erster Linie geht es darum, durch Beobachtungdie <strong>Kind</strong>er kennen zu lernen. Pikler (1982) betont,<strong>das</strong>s es schon bei ganz kleinen Säuglingen Vieles gibt,was man beobachten und wahrnehmen kann.Das Pikler-<strong>Institut</strong>, auch bekannt als „Lóczy“, ist ein vonEmmi Pikler gegründetes Säuglings- und <strong>Kind</strong>erheimin Budapest. Hier hat jedes <strong>Kind</strong> eine Hauptbetreuerin,welche die Entwicklung des <strong>Kind</strong>es mit zusätzlicherAufmerksamkeit beobachtet (vgl. Richarts, 2006). Esgibt vier verschiedene Arten von Beobachtung bzw. Dokumentationim „Lóczy“:• Tägliche Beobachtungen• Monatliche Zusammenfassung• Tonaufnahmen• Grafische Darstellung der Entwicklung.Beobachtungen werden grundsätzlich aufgezeichnet –einerseits für Forschungszwecke, andererseits jedochhauptsächlich für die Betreuungsperson selbst, um nachträglichden Verlauf der Entwicklung des <strong>Kind</strong>es, seineneu angeeigneten Fähigkeiten sowie auch Wiederholungenbestimmter Verhaltensweisen zu studieren. Dietäglichen Beobachtungen drehen sich um gesundheitlicheund pflegerische Themen. Die monatlichen Zusammenfassungenbeinhalten dagegen ein breiteres Spektrum,welches verschiedene Entwicklungsbereiche, <strong>das</strong> Verhaltenbzw. Gewohnheiten des <strong>Kind</strong>es und Bereiche derPflege umfassen. Die Tonaufnahmen werden in regelmässigenAbständen durchgeführt und dienen dazu, diesprachliche Entwicklung des <strong>Kind</strong>es zu besprechen bzw.zu verfolgen sowie <strong>das</strong> eigene Sprechen der Betreuerinnenmit den <strong>Kind</strong>ern zu reflektieren. Bei der grafischenDarstellung der Entwicklung halten die Betreuerinnendie Aktivitäten der <strong>Kind</strong>er in einer Tabelle fest, welche indie Bereiche Bewegungserziehung, Verhalten währendder Pflege, Entwicklung der Augen-Hand-Koordinationund der Manipulations- und Spieltätigkeit sowie Entwicklungder Lautgebung und des Sprechens unterteiltsind.Im Gegensatz zu den Beobachtungen nach Pikler werdenbei den BULG offene Beobachtungen durchgeführt.Die Analyse der Beobachtungen richtet sich nach denInteressen und Lernprozessen des <strong>Kind</strong>es und ist ressourcenorientiert.In beiden Konzepten ist folglich <strong>das</strong>regelmässige Beobachten von zentraler Bedeutung, derFokus der Beobachtungen, also was beobachtet wird, jedochverschieden.In ihrem Elternratgeber beschreibt Emmi Pikler (1982),wie die Auswahl bzw. <strong>das</strong> Bereitstellen des Spielmaterialserfolgen soll: „Beobachten wir, ob es überhaupt Lustzum Spielen hat, und wenn ja, wie es spielen möchte.Was kann und was möchte es mit dem Spielzeug anfangen?Jedes <strong>Kind</strong> spielt mit den einzelnen Spielsachenanders. Diese Unterschiede sind manchmal nur gering,jedoch wesentlich. [...] Sehen wir, daß er sich gern mitetwas beschäftigt, so geben wir es ihm täglich immerwieder. Bei der Auswahl neuer Spielsachen versuchenwir den Geschmack und <strong>das</strong> Interesse des <strong>Kind</strong>es zu berücksichtigen.Wir geben ihm nicht Spielsachen, weil34 Bildungs- und Resilienzförderung im Frühbereich


Wie geht es weiter...? – Fortschritte, Resultate und Perspektiven zu den „Bildungs- und Lerngeschichten“ in der Schweizwir gerne damit spielen würden. Beobachten wir: Wasinteressiert <strong>das</strong> <strong>Kind</strong>? und richten wir uns danach. Gebenwir ihm Material, damit es seinen Neigungen gemäßneue Erfahrungen erwirbt“ (S. 70). In diesem Zitat wirddeutlich, <strong>das</strong>s die Grundlage des pädagogischen Handelnsvon Eltern die Beobachtung und <strong>das</strong> individuelleInteresse des <strong>Kind</strong>es ist. Genau den gleichen Ansatz vertretendie BULG, deren Kernelement u.a. die Planungder „nächsten Schritte“ ist.Fazit„Eine KiTa ist noch keine Pikler-Einrichtung, nur weil siePikler-Bewegungselemente oder den Pikler-Wickelaufsatzverwendet“ (Gosen & Wettich, 2009, 14). Ebensoarbeitet eine Kita noch lange nicht mit BULG, wenn sienette Briefe an die <strong>Kind</strong>er schreibt und wenn Ordner mitFotos und Zeichnungen der <strong>Kind</strong>er im Regal stehen. ImWesentlichen geht es um die pädagogische Haltung undReflexion, welche nicht punktuell in einzelnen Bereichenoder Handlungsabläufen beantwortet werden kann,sondern sich im Bild vom <strong>Kind</strong> und der gesamten Alltagsgestaltungmit <strong>Kind</strong>ern verankert. Somit lassen sich diezwei Konzepte, auch wenn sie unterschiedliche Entstehungshintergründeund Schwerpunkte haben, doch sehrgut miteinander vereinbaren bzw. gegenseitig ergänzen,wenn die pädagogische Haltung jeweils übereinstimmt.LiteraturDavid, M. & Appell, G. (1995). Lóczy. Mütterliche Betreuungohne Mutter. München: Cramer-Klett und Zeitler.Gosen, A. von & Wettich, N. (2009). Jedes <strong>Kind</strong> hat sein eigenesZeitmaß. Zur Kleinkindpädagogik Emmi Piklers. <strong>Kind</strong>ergartenheute, 5, 8-1<strong>4.</strong>Gutknecht, D. (2011). Die Säuglings- und Kleinkindpädagogiknach Pikler. In C. Mischo, D. Weltzien & K. Fröhlich-Gildhoff (Hrsg.), Beobachtungs- und Diagnoseverfahren inder Frühpädagogik (S. 79-84). Köln, Kronach: Carl Link.Kazemi-Veisari, E. (2004). <strong>Kind</strong>er verstehen lernen. Wie beobachtenzu Achtung führt. Seelze-Velber: Kallmeyer.Leu, H. R., Flämig, K., Frankenstein, Y., Koch, S., Pack, I.,Schneider, K. & Schweiger, M. (2007). Bildungs- und Lerngeschichten:Bildungsprozesse in früher <strong>Kind</strong>heit beobachten,dokumentieren und unterstützen. Weimar, Berlin: verlag<strong>das</strong> netzRicharts, S. (2006). Respekt und Achtsamkeit als pädagogischeHaltung. Die Kleinkindpädagogik Emmi Piklers. InT. Eckmann (Hrsg.), Respekt und Achtsamkeit. Vier Beiträgezu einer sozialästhetischen Praxis (S.13-92). Bochum:projekt verlag.Pikler, E. (1982). Friedliche Babys – zufriedene Mütter. PädagogischeRatschläge einer <strong>Kind</strong>erärztin. Freiburg, Basel,Wien: Herderbücherei.Weltzien, D. (2009). Über die Beobachtung zum Dialog mitdem <strong>Kind</strong>. In S. Viernickel (Hrsg.), Beobachtung und Erziehungspartnerschaft(S. 98-120). Berlin, Düsseldorf: CornelsenVerlag.„Bildungs- und Lerngeschichten“ und „infans-Konzept der Frühpädagogik“: Gemeinsamkeitenund UnterschiedeCorina Wustmann SeilerIn den letzten Jahren wurden für den frühpädagogischenBereich verschiedene Beobachtungsinstrumenteund -verfahren entwickelt, die jeweils <strong>das</strong> Ziel der Förderungkindlicher Bildungs- und Entwicklungsprozesseverfolgen. Bei den bestehenden Beobachtungsverfahrenkann zwischen hoch strukturierten, statusorientiertenund weniger strukturierten, prozessorientierten Beobachtungsverfahrenunterschieden werden (vgl. z.B. Mischo,Weltzien & Fröhlich-Gildhoff, 2011; Viernickel, 2009).Letztere nehmen insbesondere die Lernaktivitäten, Handlungsmusterund Selbstbildungsprozesse der <strong>Kind</strong>er inden Blick. Gegenstand ihrer Beobachtung sind die alltäglichenTätigkeiten von <strong>Kind</strong>ern und deren Interpretation.Prozessorientierte Beobachtungsverfahren sind ressourcenorientiertangelegt und zielen auf die Stärkung der<strong>Newsletter</strong> März <strong>2013</strong>individuellen Potentiale der <strong>Kind</strong>er. Sie gehen nicht voneiner wünschenswerten Normalentwicklung, sondernvon der Heterogenität der <strong>Kind</strong>er in ihren Bildungs- undEntwicklungsverläufen aus. Ihre Tradition steht in einerqualitativen, hermeneutisch-phänomenologischenPerspektive. Prozessorientierte Beobachtungsverfahrenberuhen auf freien, offenen Beobachtungen, die wertfreiverschriftlicht (nicht standardisiert) und im kollegialenAustausch reflektiert werden. Der Austausch im Teamsowie der Dialog mit dem <strong>Kind</strong> und den Eltern habeneinen grossen Stellenwert. Partizipationsorientierungund Ko-Konstruktion lassen sich bei diesem Typ vonBeobachtungsverfahren als Kern festhalten. Die „Bildungs-und Lerngeschichten (BULG)“ (Leu et al., 2007)und <strong>das</strong> „infans-Konzept der Frühpädagogik“ (Andres &35


Wie geht es weiter...? – Fortschritte, Resultate und Perspektiven zu den „Bildungs- und Lerngeschichten“ in der SchweizLaewen, 2012) gehören beide zu dieser Gruppe von frühpädagogischenBeobachtungsverfahren.Exkurs: infans-Konzept der FrühpädagogikDas „infans-Konzept der Frühpädagogik“ wurde vomBerliner <strong>Institut</strong> infans im Rahmen verschiedener Projektevon 2002 bis 2010 in enger Verzahnung mit der Praxisentwickelt und in zahlreichen <strong>Kind</strong>ertageseinrichtungenin den Bundesländern Brandenburg und Baden-Württembergerprobt (ebd.). Das infans-Konzept besteht aus fünfzirkulären Modulen, die als Arbeitsschritte des Verfahrensverstanden werden: (1) Erziehungs- und Handlungszieleformulieren und reflektieren, (2) <strong>Kind</strong>verhalten beobachtenund fachlich reflektieren, (3) Themen zumuten undThemen beantworten, (4) Bildungs- und Erziehungsprozessedokumentieren, (5) Bedingungen des Gelingensund die Vernetzung nach aussen. Für die Beobachtungund Dokumentation der kindlichen Bildungsprozessesind mehrere Instrumente im Einsatz, wie z.B. der Beobachtungsbogen„Bildungsinteressen/Bildungsthemender <strong>Kind</strong>er“, der Beobachtungsbogen „Bildungsbereicheund Zugangsformen des <strong>Kind</strong>es“ und <strong>das</strong> „Soziogramm“(Position des <strong>Kind</strong>es in der Gruppe). Das Herzstück desinfans-Konzepts bildet <strong>das</strong> „Individuelle Curriculum“, inwelchem pädagogische Ziele für <strong>das</strong> <strong>Kind</strong> und die Einrichtungmiteinander verknüpft und gemeinsam im Teamfestgelegt werden. Ein solches Curriculum entsteht fürjedes <strong>Kind</strong> ca. 2 mal pro Jahr.Im Folgenden werden Gemeinsamkeiten und Unterschiedezwischen den beiden Beobachtungsverfahren – BULGund infans-Konzept – im Überblick dargestellt. Grundsätzlichzeigt sich, <strong>das</strong>s beide Verfahren viele Ähnlichkeitenaufweisen, sich inhaltlich und strukturell in ihren Profilenund Umsetzungen aber auch voneinander unterscheiden.Die Überschneidungen überwiegen jedoch.GemeinsamkeitenAls Gemeinsamkeiten können insbesondere ihre prozessorientierte,individualisierte und wertschätzendeAnlage, ihr zugrunde liegendes Bildungsverständnisund ihr Beobachtungsgegenstand hervorgehoben werden(siehe oben). So sind bei beiden Verfahren die Auffassungenvon frühen Bildungsprozessen identisch. BeideVerfahren zielen darauf ab, Bildungs- und Lern-„Wege“von <strong>Kind</strong>ern zu erfassen und zu „verstehen“. Auch betonensie jeweils die Verankerung von regelmässigerund systematischer Beobachtung, Dokumentation undkollegialer Beratung als Basis für pädagogische Planungen.Der kollegiale Diskurs, die fachliche Reflexionund Kooperation im Gruppenteam werden als zentralerAnker für die Umsetzung des Verfahrens in der Praxiserachtet. Sie ermöglichen erst eine facettenreiche, mehrperspektivischeSichtweise auf die Bildungsprozesse der<strong>Kind</strong>er sowie eine Kontinuität in der Anwendung desVerfahrens. Sowohl bei den BULG als auch beim infans-Konzeptwerden für jedes <strong>Kind</strong> ein Portfolio sowieaktuelle Wanddokumentationen in den Kitas angelegt.Das Sichtbarmachen der pädagogischen Arbeit nachaussen hat bei beiden Verfahren einen grossen Stellenwert.UnterschiedeUnterschiede zwischen den beiden Beobachtungsverfahrenlassen sich in ihrer Schwerpunktsetzung sowiein ihrem methodischen Ausgangspunkt finden. So setzt<strong>das</strong> infans-Konzept zu Beginn expliziter an der Organisationsentwicklungder Kita als <strong>Institut</strong>ion an.Ausgangspunkt des infans-Konzepts ist die Ist-Analysevon Material und Ausstattung der Kita, die Überprüfungdes Zeitmanagements (u.a. mit Hilfe von Zeiterfassungsbögen)und der Gruppensysteme der Einrichtung(Anpassung hin zu einer „offenen“ bzw. „teiloffenen“Arbeit) sowie die gemeinsame Erarbeitung und Festlegungvon Erziehungs- und Handlungszielen im Team.Diese beinhalten die kollektive Reflexion der pädagogischenHaltung (jedes Einzelnen und der Einrichtungals Ganzem). Erst danach startet die Beobachtung der<strong>Kind</strong>er. Bei den BULG wird die Organisationsentwicklungzwar ebenfalls angestossen, sie ist aber nicht direktTeil des Verfahrens. Sie wird eher als impliziter Prozessverstanden, der sich durch die Integration von systematischerBildungsbeobachtung und -dokumentation in denpädagogischen Alltag ergibt. Durch die gemeinsamenBeobachtungserkenntnisse kann es z.B. zu Veränderungenin der Ausstattung und Raumgestaltung der Kitakommen. Eine Umgestaltung der Räume ist jedoch imGegensatz zum infans-Konzept (sog. „Bildungsinseln“)nicht kategorisch vorgesehen. Ausgangspunkt der BULGist die Beobachtung des einzelnen <strong>Kind</strong>es. Aus dieserergeben sich Anhaltspunkte zur Reflexion der pädagogischenHaltung sowie zur Festlegung von „nächstenSchritten“ (vgl. Abb. 1).Die BULG setzen ihr Gewicht stärker auf den Dialog mitdem <strong>Kind</strong> und die Teilhabe bzw. Stärkung des <strong>Kind</strong>es inseinem Selbstbild als „kompetenter Lerner“. Dies äussertsich beispielsweise in den niedergeschriebenen Lerngeschichtenfür <strong>das</strong> <strong>Kind</strong> (welche als „Türöffner“ für denAustausch mit dem <strong>Kind</strong> über seine Lernschritte gedachtsind) sowie in der Umsetzung des Portfolios. So wird <strong>das</strong>36 Bildungs- und Resilienzförderung im Frühbereich


Wie geht es weiter...? – Fortschritte, Resultate und Perspektiven zu den „Bildungs- und Lerngeschichten“ in der SchweizPortfolio bei den BULG ausdrücklich als Medium für dieHand des <strong>Kind</strong>es verstanden, an dessen Entwicklung undGestaltung <strong>das</strong> <strong>Kind</strong> aktiv beteiligt ist (Dokumentationnicht über, sondern mit dem <strong>Kind</strong>). Im BULG-Portfoliowerden keine Beobachtungsbögen und Reflexionender Mitarbeitenden, sondern die Lerngeschichten für <strong>das</strong><strong>Kind</strong> dokumentiert. Die Beobachtungsbögen werden separatfür die Hand der Mitarbeitenden aufbewahrt. Beiminfans-Konzept gilt <strong>das</strong> Portfolio in erster Linie als Arbeitsinstrumentder Mitarbeitenden, in welchem alleBeobachtungen, Auswertungen und Reflexionen zu dem<strong>Kind</strong> gesammelt werden.existieren. Das infans-Konzept versteht sich von seinerDefinition als „Bildungs- und Erziehungskonzept“und bezieht konsequenter als die BULG die Seite der„Erwachsenen“ mit ein. Das Verfahren nimmt die Gesamtheitdes pädagogischen Handelns in einer Kita, dieganze Einrichtung als lernende Organisation, in den Blick(was sich bis zur Konzeption der Einrichtung durchzieht)und setzt damit eher bei den „grösseren Prozessen“ – derMakroebene – an. Ein solches Vorgehen kann für einegemeinsame Team- und Organisationsentwicklung sowiefür die Gestaltung von so genannten BildungsräumenMethodischer Ausgangspunkt„Bildungs- und Lerngeschichten“:Beobachtung des <strong>Kind</strong>es → Reflexion der Haltung → Pädagogische Planung„infans-Konzept der Frühpädagogik“:Reflexion der Haltung → Beobachtung des <strong>Kind</strong>es → Pädagogische PlanungPädagogischePlanungBeobachtung des<strong>Kind</strong>esReflexion derHaltungAbb. 1: Methodischer Ausgangspunkt der beiden BeobachtungsverfahrenVorzüge und Herausforderungen der beiden VerfahrenDie BULG können aus der Perspektive der Praxisumsetzungauf den ersten Blick in ihrem Vorgehen niederschwelligerund weniger aufwändig-komplex wirken, weil sie zunächstan der Umsetzung „im Kleinen“ – den Mikroprozessen vonBeobachtung und Interaktion mit dem <strong>Kind</strong> – ansetzen.Welche Veränderungen daraus für die Organisation als Ganzesentstehen, bleibt individueller Gestaltungsspielraum dereinzelnen <strong>Institut</strong>ion. Diese Veränderungen sind nicht Bestandteildes Verfahrens. Ein solcher „offener“ Hintergrundkann auf den zweiten Blick für eine Einrichtung aber wiederumsehr anspruchsvoll sein, da keine Orientierungenund Vorgaben für Organisationsentwicklungsprozesse<strong>Newsletter</strong> März <strong>2013</strong>aus dem Blickwinkel der Praxisumsetzung umfassender,zielorientierter und strukturierter wirken.FazitBeide Beobachtungsverfahren dienen zur Beobachtungund Dokumentation individueller, frühkindlicherBildungs-„Prozesse“ sowie der Gestaltung einer anregungsreichenLernumwelt. Sie verfolgen ähnliche Ziele,jedoch mit unterschiedlichen methodischen Anfängenund Instrumentarien. Beide Verfahren haben ihre spezifischenVorzüge und Herausforderungen. Der Entscheidfür <strong>das</strong> eine oder andere Beobachtungsverfahren kannnur individuell und einrichtungsbezogen – je nach „Philosophie“und Arbeitsweise der Einrichtung – erfolgen.37


Wie geht es weiter...? – Fortschritte, Resultate und Perspektiven zu den „Bildungs- und Lerngeschichten“ in der SchweizGemeinsamkeiten zwischen „Bildungs- undLerngeschichten“ und „infans-Konzept“Unterschiede zwischen „Bildungs- und Lerngeschichten“und „infans-Konzept“– Bildungsverständnis: Bild vom <strong>Kind</strong> als aktiverLerner; Bildungsprozesse sind Ko-Konstruktionsprozesse– Prozessorientierung: Lernwege von <strong>Kind</strong>ern beobachtenund dokumentieren– Individualisierung und <strong>Kind</strong>zentrierung: Ausgangspunktist <strong>das</strong> einzelne <strong>Kind</strong>– Wertschätzende Grundhaltung zum <strong>Kind</strong>: Fokusauf den Lernpotentialen der <strong>Kind</strong>er– Beobachtungsgegenstand und Ziel der Beobachtung:Erfassung von Selbstbildungsprozessen, Lernaktivitätenund Interessen der <strong>Kind</strong>er, „Verstehen“ ihrerBildungs- und Lernprozesse– Beobachtung als Teil der alltäglichen pädagogischenArbeit: Regelmässige, schriftlicheBeobachtungen der Lernaktivitäten der <strong>Kind</strong>er (offeneBeobachtung), halbstrukturierte Auswertung– Regelmässiger kollegialer Austausch im Gruppenteamüber die Beobachtungen: gemeinsameReflexion der Beobachtungserkenntnisse, Erarbeitungvon Ideen zu „nächsten Schritten“ für <strong>das</strong> <strong>Kind</strong>und die Mitarbeitenden– Erstellung von Portfolios für jedes <strong>Kind</strong>– Dokumentation der kindlichen Bildungs- undLernprozesse nach aussen: Foto- und Wanddokumentationen– Beobachtung, Dokumentation und kollegialerAustausch als Grundlage für pädagogischePlanungen: gemeinsam aus den BeobachtungserkenntnissenSchlüsse für <strong>das</strong> pädagogische Handelnziehen – Gestaltung einer anregungsreichen Lernumgebung(Interaktionen, räumlich-materielles Angebot)– Methodischer Ausgangspunkt: Beobachtung des<strong>Kind</strong>es (BULG) vs. Reflexion der pädagogischenHaltung der Mitarbeitenden (infans-Konzept)– Portfolio: Dokumentation für <strong>das</strong> <strong>Kind</strong> und mit dem<strong>Kind</strong> (aktive Beteiligung, Zugänglichkeit und Eigentumdes <strong>Kind</strong>es – BULG) vs. Arbeitsinstrument fürdie Mitarbeitenden (infans-Konzept)– Ausrichtung des Instrumentariums: Lerngeschichtenals Medium für den Austausch mit dem <strong>Kind</strong>(kindorientierte Sprache – BULG) vs. IndividuellesCurriculum als Medium für die pädagogische Planung(infans-Konzept)– Explizites Ziel Organisationsentwicklung (infans-Konzept):kontinuierliche Reflexion undVereinbarung von gemeinsamen Erziehungs- undHandlungszielen für die Kita– Expliziter Fokus Ressourcen- und Stärkenorientierung(BULG): Stärkung des Selbstbildes und derIdentität des <strong>Kind</strong>es als „kompetenter Lerner“– Expliziter Fokus Ausstattung und Gestaltung desräumlich-materiellen Angebots (infans-Konzept): Instrumentezur Analyse des Raum- und Materialangebotsin der Kita, Raumaufteilung nach „Bildungsinseln“Der Vergleich der beiden Beobachtungsverfahren ist mit Unterstützungder Verantwortlichen des infans-Konzepts in Deutschland undder Schweiz entstanden.LiteraturAndres, B. & Laewen, H.-J. (2012). Das infans-Konzept derFrühpädagogik: Bildung und Erziehung in <strong>Kind</strong>ertagesstätten.Weimar, Berlin: verlag <strong>das</strong> netz.Leu, H. R., Flämig, K., Frankenstein, Y., Koch, S., Pack, I.,Schneider, K. & Schweiger, M. (2007). Bildungs- und Lerngeschichten.Bildungsprozesse in früher <strong>Kind</strong>heit beobachten,dokumentieren und unterstützen. Weimar, Berlin: Verlag<strong>das</strong> netz.Mischo, C., Weltzien, D. & Fröhlich-Gildhoff, K. (Hrsg.)(2011). Beobachtungs- und Diagnoseverfahren in der Frühpädagogik.Grundlagen der Frühpädagogik – Band <strong>4.</strong> Köln,Kronach: Carl Link.Viernickel, S. (Hrsg.)(2009). Beobachtung und Erziehungspartnerschaft:Offensive Bildung. Berlin: Cornelsen Scriptor.38 Bildungs- und Resilienzförderung im Frühbereich


Wie geht es weiter...? – Fortschritte, Resultate und Perspektiven zu den „Bildungs- und Lerngeschichten“ in der Schweizzu einer Verbesserung der pädagogischen Qualität beizutragen.Entsprechend wird von den Kitas auch berichtet,<strong>das</strong>s <strong>das</strong> Bezugspersonenprinzip in der Praxis nochmalsdeutlich verstärkt wurde.Die Mitarbeitenden in den Pilotkitas berichten von einermit dem Implementierungsprozess einhergehenden Haltungsänderunggegenüber den <strong>Kind</strong>ern: Zum einen wirdbesser hingeschaut, wo <strong>das</strong> einzelne <strong>Kind</strong> steht und wases in der Kita tut, zum andern wird den <strong>Kind</strong>ern auchmehr zugetraut – mit durchaus positivem Ergebnis. DieRessourcen des <strong>Kind</strong>es werden sichtbar und haben imFachaustausch der Mitarbeitenden ein grösseres Gewichtals vorher. Generell besteht eine wertschätzendeHaltung gegenüber dem <strong>Kind</strong> und seiner Familie. MehrWertschätzung bringen auch die Eltern den Fachkräftengegenüber zum Ausdruck. Durch <strong>das</strong> Vorhandensein vonWanddokumentationen und Portfolios wird die Arbeitder Fachkräfte nach aussen hin sichtbarer.Die Pilotkitas haben bei der Umsetzung des infans-Konzepts ihren eigenen Weg gewählt und eigeneUmsetzungsschritte von den Mitarbeitenden einzufordernund damit den Prozess kontinuierlich am Laufen zuhalten, die notwendigen Strukturanpassungen vorzunehmen,die Mitarbeitenden herauszufordern, aber auch zuunterstützen sowie ein Controllingsystem aufzubauen,welches hilft, die Orientierung und den Überblick der einzelnenBeobachtungsinstrumente und Auswertungen zubehalten. Gleichzeitig verlangt die Komplexität des Konzeptsnach günstigen organisatorischen und strukturellenRahmenbedingungen. Hierzu gehört ein ausreichenderPersonalschlüssel, wobei sich die Berechnung desselbennicht nur auf die vorhandenen Plätze in der Kita beziehensollte, sondern auch auf die Anzahl der <strong>Kind</strong>er, die in derKita insgesamt betreut werden. Bei den Pilotkitas zeigensich nämlich gerade hier grosse Unterschiede: Der Platzsharing-Faktor(wie viele <strong>Kind</strong>er teilen sich in der Kitaeinen Platz) reicht von 1.4 bis 2.5. Entsprechend streuendie vorhanden Stellenprozente pro <strong>Kind</strong>, <strong>das</strong> in der Kitabetreut wird, von 12% bis 35%."Es braucht die lange Begleitung, sie ist notwendig, damit sich <strong>das</strong>Konzept integrieren kann." (Kitaleiterin)Schwerpunkte in der Vorgehensweise gesetzt. Dies waraus Sicht der Kitas ein oft aufreibender und schwierigerProzess, in dessen Verlauf es immer wieder anOrientierung und Klarheit fehlte. Die Umstellungder pädagogischen Arbeit betrifft dabei jede Schichtder Organisation. Sie kann den Einrichtungen nicht„übergestülpt“ werden, sondern verlangt nach Auseinandersetzung,Kooperation, Erfahrung, Versuch und Irrtum.Dies kann naturgemäss nur durch <strong>das</strong> Eigene und Persönlichegeschehen. Entscheidend für eine erfolgreicheImplementierung des infans-Konzepts sind nach unsererErfahrung die• Führungsstärke der Leitungsperson,• eine umsichtige Begleitung und Steuerung des Veränderungsprozesses,• die effiziente Organisation aller Abläufe,• der Grad der Arbeitsteilung unter den Mitarbeitendensowie• die Motivation derselben.LiteraturHofmann, T. & Bolz, M. (2012). Schlussbericht Pilotprojektbildungskrippen.ch. Die Anpassung und Implementierungdes infans-Konzepts der Frühpädagogik in Schweizer<strong>Kind</strong>ertagesstätten. URL: www.bildungskrippen.ch(15.01.<strong>2013</strong>).Bei allen Kitas, die bei der Umsetzung erfolgreich waren,nahm die Leitungsperson eine aktive und bestimmendeRolle ein. Konkret geht es darum, Verantwortung fürden Prozess und die einzelnen Schritte zu übernehmen,<strong>Newsletter</strong> März <strong>2013</strong>41


Wie geht es weiter...? – Fortschritte, Resultate und Perspektiven zu den „Bildungs- und Lerngeschichten“ in der SchweizBericht aus der Forschungswerkstatt: Bildungs- und Lernverständnis in der Praxis – Interviewsmit pädagogischen Fachkräften und KitaleitungenKatrin Schaerer-SurbeckDie aktuellen Bildungskonzeptionen der Frühpädagogikgehen davon aus, <strong>das</strong>s Bildung in der frühen <strong>Kind</strong>heitvor allem als Eigen- und Konstruktionsleistung des <strong>Kind</strong>eszu verstehen ist: Bildung als Selbstbildung. Lernenin der frühen <strong>Kind</strong>heit besteht aus dem aktiven Sammelnvon Erfahrungen im Alltag. Dadurch baut <strong>das</strong> <strong>Kind</strong> seinBild und sein Wissen von der Welt auf. Für <strong>das</strong> Gelingendieser ganzheitlichen Bildungsprozesse sind u.a. ein anregungsreichesUmfeld sowie zuverlässige, feinfühligeBezugspersonen von grosser Bedeutung (Schäfer, 2011).Diese Bildungsprozesse sind immer auch als Beziehungsprozessezu verstehen, bei denen sich die interagierendenPersonen (Erwachsene- <strong>Kind</strong>- andere <strong>Kind</strong>er) gegenseitigbeeinflussen (Ko-Konstruktion). Aufgrund neuererErkenntnisse hat sich seit den 1990er Jahren auch <strong>das</strong>Verständnis, wie <strong>Kind</strong>er lernen, verändert (z.B. Dornes,2009; Becker, 2010). Die Experten sind sich einig,<strong>das</strong>s schulische Inhalte und schulische Lernmethodenmit dem Fokus auf Wissensvermittlung für diesen Altersbereichnicht übernommen werden können, da dieFähigkeiten für ein Lernen nach schulischen Konzeptennoch fehlen (Schelle, 2011). Auch entsprechen sie nichtden Bedürfnissen von kleinen <strong>Kind</strong>ern. Die Tätigkeit desBeobachtens und Deutens von kindlichen Bildungsprozessenist deshalb heute zum Kern frühpädagogischenHandelns geworden. Die Umsetzungsweise, wie dies geschieht,ist ein Indikator für Professionalität (Kieselhorst,Brée & Neuss, <strong>2013</strong>). Wie gehen nun aber pädagogischeMitarbeitende mit diesen neuen Anforderungen um?Über welches Fach- und Erfahrungswissen verfügen sie?Welche Einstellungen und Überzeugungen haben sie?Handlungsleitende Einstellungen und OrientierungsmusterErzieherInnen verfügen über einen grossen Gestaltungsspielraumhinsichtlich ihrer konkreten pädagogischenArbeit. Seit Mai 2012 existiert der „Orientierungsrahmenfür frühkindliche Bildung, Betreuung und Erziehungin der Schweiz“ (vgl. Wustmann Seiler & Simoni,2012). Dieser bietet einen Überblick über die wesentlichenpädagogischen und entwicklungspsychologischenGrundlagen für die Begleitung von 0- 4 Jährigen und diedamit verbundenen Aufgaben und Anforderungen derverantwortlichen Erwachsenen. Trotzdem obliegt die pädagogischeUmsetzung in erster Linie der Entscheidungund persönlichen Haltung der einzelnen Kitamitarbeitenden.Dabei wird letztere von der Kultur der jeweiligen<strong>Institut</strong>ion und deren Kitaleitung massgeblich beeinflusst(Müller, 2007). Die pädagogischen Einstellungenund Überzeugungen werden in der Literatur auch unterdem Begriff der subjektiven Theorien beschrieben.Diese Überzeugungssysteme beeinflussen <strong>das</strong> Handelnmeist sehr viel stärker als fachspezifisches Berufswissenbzw. wissenschaftliche Theorien (Bromme et al.,2006). Persönliche Einstellungen sind geprägt von dereigenen Biografie und deren zugrundeliegenden Lebenswelten:Das Aufwachsen in der eigenen Familie, <strong>das</strong>gesellschaftliche und persönliche Bild vom <strong>Kind</strong>, vonder Mutterschaft und Familie sowie <strong>das</strong> professionelleSelbstverständnis in der Praxis (Nentwig-Gesemann etal., 2011). Wird nun aber in der Elementarpädagogik einParadigmenwechsel hin zu einer Reform des Bildungsauftragesangestrebt, lässt sich dies nicht über die Köpfeder Mitarbeitenden hinweg in die Praxis umsetzen. DerenVerständnis und Einstellungen sind zentral für dieUmsetzung der neuen Anforderungen im pädagogischenAlltag (Rank, 2008). Die Auseinandersetzung mit dereigenen Haltung und Biografie ist für professionellesHandeln unerlässlich. Der Zugang zu diesen subjektivenTheorien ist jedoch nicht einfach.Methodisches VorgehenDie vorliegende Untersuchung hat zum Ziel, <strong>das</strong> Bildungs-und Lernverständnis von Kitamitarbeitenden inder deutschsprachigen Schweiz zu erfassen. FolgendenForschungsfragen wird nachgegangen:• Welche Vorstellungen und Einstellungen über frühkindlichesLernen lassen sich bei den pädagogischenFachpersonen in Kitas eruieren? Welche Situationenaus dem Kita-Alltag assoziieren sie mit frühkindlichemLernen?• Wie definieren pädagogische Fachpersonen ihre Rollein Bezug auf <strong>das</strong> Begleiten von frühkindlichenBildungs- und Lernprozessen? Über welche methodisch-didaktischenUmsetzungsstrategien berichtensie?• Nach welchen Kriterien werden Anregungsinhalte(Bildungsinhalte) von den pädagogischen Fachpersonenfavorisiert? Welche dieser Inhalte werden für <strong>das</strong>frühkindliche Lernen als bedeutsam erachtet?42 Bildungs- und Resilienzförderung im Frühbereich


Wie geht es weiter...? – Fortschritte, Resultate und Perspektiven zu den „Bildungs- und Lerngeschichten“ in der SchweizAls Datengrundlage liegen 24 Interviews vor, welcheim September 2009 mit 12 Kitaleitungen und 12 zufälligausgewählten ErzieherInnen (mit abgeschlossenerAusbildung) geführt wurden. Im Rahmen der Interviewswurde sowohl <strong>das</strong> episodische Wissen (Wissen, <strong>das</strong> mitkonkreten Situationen verbunden ist) als auch <strong>das</strong> generalisierteWissen (z.B. Fakten- und Regelwissen, <strong>das</strong>situationsunabhängig abrufbar ist) berücksichtigt. Fürdie Rekonstruktion von subjektiven Theorien sind beideWissensformen relevant (Wessels, 1994). Die Interviewswerden mit dem Verfahren der strukturierenden Inhaltsanalyseausgewertet. Diese hat zum Ziel, bestimmteThemen und Inhalte herauszufiltern und zusammenzufassen(Mayring, 2008). Die Kategorienbildung erfolgtsowohl deduktiv (theoriegeleitet) als auch induktiv (empiriegeleitet).man nachfragen kann und merkt, ob sie es gelernthaben oder nicht. Meistens, wenn man ihnen etwasbeibringt, erzählen sie es einem am nächsten Tag nochmals.Oder sie erzählen noch einmal etwas darüber,dann weiss man, sie haben es gehört und verstanden.[…] Dort habe ich ihnen immer erklärt, wie <strong>das</strong> genaufunktioniert. […] Was schon länger her ist, <strong>das</strong>s ich den<strong>Kind</strong>ern vom Frühling erzählt habe, <strong>das</strong>s die Blumenspriessen. Der Frühling war dann aber noch nicht da.Als sie dann aber sahen, <strong>das</strong>s die Blumen kommen,zeigten sie es mir und sagten: Schau, die Blumen sindwirklich herausgekommen, und die Schmetterlinge unddie Bienen. Nein, die Bienen nicht, aber die Schmetterlingefliegen herum. Jetzt ist Frühling. […] Wie ichvorher gesagt habe. Wenn man ihnen etwas erklärt odererzählt und sie dann am nächsten Tag wieder daraufzurückkommen und <strong>das</strong> wiederholen“.Ein Dialog zwischen einer Erzieherin und einem <strong>Kind</strong> (nacherzähltvon der Erzieherin)<strong>Kind</strong>: Warum hat die Beobachtungskette ein Auge?Erzieherin: Na, was machen wir denn, wenn wir Euch beobachten?<strong>Kind</strong>: Zuschauen, zuhören und schreiben.Erzieherin: Genau. Weil wir zuschauen, ist da ein Auge.<strong>Kind</strong>: Aber dann müsste doch dort auch ein Ohr sein?!Einblick in <strong>das</strong> Fallportrait von Frau Etter*Frau Etter ist zum Zeitpunkt der Befragung 23 Jahre alt.Sie hat eine Lehre als Kleinkinderzieherin abgeschlossenund verfügt über eine Berufserfahrung von rund eineinhalbJahren. Sie arbeitet Teilzeit zu 80%, in einer Stadtmit etwa 390‘000 Einwohnern. Laut ihren Angaben werdenauf ihrer Gruppe acht <strong>Kind</strong>er betreut: Das älteste<strong>Kind</strong> ist drei Jahre und neun Monate und <strong>das</strong> jüngste einJahr und sechs Monate alt.*Name geändertUnter gelungener Bildungsarbeit versteht Frau Etter vorallem die Vermittlung und den Erwerb von Wissen:„Dass man ihnen Sachen beibringt, mehr auf spielerischeArt, aber <strong>das</strong>s sie es danach doch wissen. Dass<strong>Newsletter</strong> März <strong>2013</strong>Die Aussagen von Frau Etter deuten darauf hin, <strong>das</strong>s derFokus bei ihrem Lehr- und Lernverständnis auf der Instruktiondurch sie als Erzieherin liegt und weniger aufden Lernaktivitäten des <strong>Kind</strong>es: <strong>Kind</strong>er lernen ihrer Ansichtnach dann, wenn sie ihnen Dinge erklärt, Sachenbeibringt, aber auch durch andere instruktive Tätigkeitenwie Überprüfen und Abfragen. Bei den von ihrgeschilderten Beispielen geht die Initiative für die Bildungsprozessevon ihr als Erzieherin aus, indem sieThemen anstösst und in die <strong>Kind</strong>ergruppe einbringt. Siegeht davon aus, <strong>das</strong>s bereits kleine <strong>Kind</strong>er in der Lagesind, Wissen aufzunehmen und zu einem späteren Zeitpunktmit einem Erlebnis zu verknüpfen. <strong>Kind</strong>licheLernprozesse sind für sie dann gelungen, wenn <strong>Kind</strong>erden Lerninhalt speichern und zu einem späteren Zeitpunktwiedergeben können.43


Wie geht es weiter...? – Fortschritte, Resultate und Perspektiven zu den „Bildungs- und Lerngeschichten“ in der SchweizIn der konkreten Beschreibung und Auseinandersetzungmit Lerngegenständen (Frühlingserwachen, draussen inder Natur) beschreibt sie jedoch, wie die <strong>Kind</strong>er selberaktiv werden: Die <strong>Kind</strong>er nehmen – ohne Hinweis derErzieherin – die spriessenden Blumen wahr, zeigen daraufund involvieren die Erzieherin in ein Gespräch. Einsolches Setting ermöglicht den <strong>Kind</strong>ern ein Lernen mitallen Sinnen und ein Selber-tätig-werden. Dies korrespondiertmit konstruktivistischen Bildungskonzeptionen,die <strong>das</strong> Lernen in und durch Beziehungen (Ko-Konstruktion)propagieren. Es bleibt allerdings offen, obsich Frau Etter bewusst ist, <strong>das</strong>s sie keinem <strong>Kind</strong> etwas„beibringen“ kann. So beschreibt sie an keiner Stellefrühkindliche Lernprozesse als Eigen- und Konstruktionsleistungdes <strong>Kind</strong>es. In Bildungs- und Lernsituationensteht nach ihrem Verständnis vielmehr eine geplanteVermittlung eines von ihr bestimmten Inhaltes im Mittelpunkt.Selbstbildungsprozesse werden von ihr nicht mitBildungssituationen assoziiert.Ihr beschriebenes Lehr- und Lernverständnis spiegeltsich auch in ihrem Rollenverständnis wieder:„Meine Rolle ist sicher, <strong>das</strong> <strong>Kind</strong> zu bestätigen, <strong>das</strong>ses etwas gelernt hat, es loben, <strong>das</strong>s es richtig gelernthat. Wenn es nicht ganz stimmt, was es gelernt hat,wenn man merkt, <strong>das</strong>s der Zusammenhang nichtstimmt, <strong>das</strong>s es zwei Sachen vertauscht, es ihnen nocheinmal erklären, nicht <strong>das</strong>s sie etwas Falsches lernen.Hauptsächlich sie loben“.Der Fokus liegt auch hier auf ihren Handlungen als Erzieherin:Das <strong>Kind</strong> bestätigen, wenn es etwas gelernt hat,und loben, wenn es Richtiges gelernt hat bzw. allenfallskorrigierend einwirken und die Erklärungen wiederholen.Sie geht von einem „richtigen“ und „falschen“Lernen aus. Kontrastiert man diesen Gedanken des „richtigen“Lernens mit theoretischen Überlegungen, äussertsich Schäfer (2011) folgendermassen dazu: „<strong>Kind</strong>er machensich ‚Theorien‘ zu den Dingen, die sie wahrnehmenund sie überprüfen diese Theorien an den Denkmodellen,die ihre Umgebung ihnen dazu liefert. Sie passen dieseTheoriemodelle so lange an, bis sie sie für ihre Zweckeals hinreichend erachten. Diese Zwecke haben Vorrangvor Richtigkeit und Wahrheit“ (S. 266). Gemäss seinenÜberlegungen hat die ErzieherIn die Aufgabe, dem <strong>Kind</strong>zurückzuspiegeln, was sie glaubt, wahrgenommen zu haben.Damit bietet sie dem <strong>Kind</strong> die Möglichkeit, sein Tunmit einer Aussenperspektive zu reflektieren. „Aber, nichtder Erwachsene ‚korrigiert‘ <strong>das</strong> Verhalten des <strong>Kind</strong>es,sondern er verbessert die Möglichkeit des <strong>Kind</strong>es, sichselbst wahrzunehmen und gegebenenfalls zu verbessern“(ebd., S. 269). Durch solche Rückmeldungen wird nachSchäfer (ebd.) <strong>das</strong> Wissen des <strong>Kind</strong>es von der Welt weiterentwickelt.Damit bildungsorientierte Arbeit sich in den Kitas etablierenkann, müssen diese neuen Aufgaben und KonzepteTeil der beruflichen Ausbildung von ErzieherInnen werden.Frau Etter realisiert diesbezüglich einen Wandel inder deutschsprachigen Schweiz:„Jetzt hat ein bisschen eine andere [berufliche] Ausbildungbegonnen, als ich sie hatte. Damals sass manmehr [mit den <strong>Kind</strong>ern] im Kreisli [bezogen auf dieKita-Praxis] und <strong>das</strong> Lernen war mehr wie in derSchule. Dazu bekamen sie [die <strong>Kind</strong>er] auch ein Bildzum Ausmalen, damit sie es vertiefen konnten. Ichfand <strong>das</strong> gar nicht so schlecht, obwohl ich es heutevielleicht nicht mehr so intensiv machen würde. Schonin dem Stil, <strong>das</strong>s man es ihnen erzählt und erklärt. Vorallem, wenn sie es wissen wollen. Wenn sie es nichtwollen, würde ich nicht darauf bestehen, <strong>das</strong>s sie esjetzt lernen müssen. […]Man muss dazu etwas Lässiges machen, nicht <strong>das</strong>ssie nur auf dem Stuhl sitzen, ruhig sein und zuhörenmüssen, sondern <strong>das</strong>s man diskutieren und etwas dazumachen kann. Vielleicht haben sie gleich eine Idee,was man machen könnte, um dies noch zu vertiefen“.Aus den Ausführungen wird ersichtlich, <strong>das</strong>s Frau Etterneben den Veränderungen in der Berufsausbildung auchVeränderungen bei ihrem eigenen Verhalten wahrnimmt.Ihr ist zwar nach wie vor wichtig, die von ihr gesteuertenBildungsanregungen instruktiv zu vertiefen. Jedochöffnet sie gedanklich <strong>das</strong> Setting des „Kreisli“ und beziehtvermehrt, im Gegensatz zur Zeit ihrer Ausbildung,die Bedürfnisse der <strong>Kind</strong>er mit ein (Interesse, Motivation,Wahl- und Bewegungsfreiheit, Eigentätigkeit des<strong>Kind</strong>es). Durch die Möglichkeit der Mitbestimmung der<strong>Kind</strong>er am Bildungsprozess „streift“ sie die Thematikder Partizipation, ein wichtiges Postulat frühkindlicherBildung. Denn partizipative Elemente ermöglichen erstein selbstbestimmtes, aktives Sammeln von Erfahrungenim Alltag.Keinesfalls sind mit diesen exemplarischen Ausführungendie Interpretationen und Auswertungen abgeschlossen.Sie geben lediglich einen kleinen Ausschnitt wieder. Bereitsjetzt steht aber fest, <strong>das</strong>s es sich lohnt, ErzieherInnenselber zu Wort kommen zu lassen. Ihr Verständnis undihre Einstellungen, aber auch allfällige Untersicherheitenkönnen durch diese Untersuchung transparent gemacht44 Bildungs- und Resilienzförderung im Frühbereich


Wie geht es weiter...? – Fortschritte, Resultate und Perspektiven zu den „Bildungs- und Lerngeschichten“ in der Schweizund für Aus- und Weiterbildungszwecke genutzt werden,um ErzieherInnen gezielter bei der Umsetzung der neuenAnforderungen im Alltag zu stärken.LiteraturBecker, N. (2010). Hirnentwicklung aus der neurowissenschaftlichenForschung für die frühe <strong>Kind</strong>heit. In H. R. Leu& A. von Behr (Hrsg.), Forschung und Praxis der Frühpädagogik.Profiwissen für die Arbeit mit <strong>Kind</strong>ern von 0-3 Jahren.München, Basel: Ernst Reinhardt.Dornes, M. (2009). Der kompetente Säugling. Die präverbaleEntwicklung des Menschen. München: Fischer.Kieselhorst, M., Brée, S. & Neuss, N. (<strong>2013</strong>). Beobachtungkindlicher Selbstbildungsprozesse. Deutungskompetenzenfrühpädagogischer Fachkräfte. Wiesbaden: Springer VS.Mayring, P. (2008). Qualitative Inhaltsanalyse. Grundlagenund Techniken. Weinheim, Basel: Beltz.Nentwig-Gesemann, I., Fröhlich-Gildhoff, K., Harms, H. &Richter, S. (2011). Professionelle Haltung – Identität derFachkraft für die Arbeit mit <strong>Kind</strong>ern in den ersten drei Lebensjahren.München: Deutsches Jugendinstitut, WeiterbildungsinitiativeFrühpädagogischer Fachkräfte (WiFF).Müller, K. (2007). Subjektive Theorien von Erzieher undErzieherinnen zu Bildung im <strong>Kind</strong>ergarten. bildungsforschung,4 (1), URL: http://www.bildungsforschung.org/archiv/2007-01/theorien(15.12.2012).Rank, A. (2008). Subjektive Theorien von Erzieherinnen zuvorschulischem Lernen und Schriftspracherwerb. Berlin:Wissenschaftlicher Verlag.Schäfer, G. E. (2011). Was ist frühkindliche Bildung? <strong>Kind</strong>licherAnfängergeist in einer Kultur des Lernens. Weinheim,München: Juventa.Schelle, R. (2011). Die Bedeutung der Fachkraft im frühkindlichenBildungsprozess – Didaktik im Elementarbereich.München: Deutsches Jugendinstitut, WeiterbildungsinitiativeFrühpädagogischer Fachkräfte (WiFF).Wustmann Seiler, C. & Simoni, H. (2012). Orientierungsrahmenfür frühkindliche Bildung, Betreuung und Erziehungin der Schweiz. Erarbeitet vom <strong>Marie</strong> <strong>Meierhofer</strong> <strong>Institut</strong>für <strong>das</strong> <strong>Kind</strong>, erstellt im Auftrag der SchweizerischenUNESCO-Kommission und des Netzwerks <strong>Kind</strong>erbetreuungSchweiz. Zürich.Wessels, M. G. (1994). Kognitive Psychologie. München:UTB.Bericht aus der Forschungswerkstatt: Austauschprozesse zwischen <strong>Kind</strong> und ErzieherIn – Ersteausgewählte Ergebnisse aus der VideobeobachtungsstudieMedea Cusati Müller<strong>Newsletter</strong> März <strong>2013</strong>Bereits Säuglinge besitzen die Fähigkeit, sich mit ihrerUmwelt aktiv auseinanderzusetzen, um diesemitgestalten zu können. Das Bedürfnis, sich mit derUmwelt auszutauschen und Rückmeldung zu erhalten,hält <strong>das</strong> ganze Leben an und kann unter dem Begriffdes „lebenslangen Lernens“ (vgl. Wagner, 2010) zusammengefasstwerden. Der EntwicklungspsychologeLev Wygotsky (1987) vertritt die Meinung, <strong>das</strong>s eingrosser Teil der Fähigkeiten, welche sich im Laufedes Lebens bilden, auf Austauschprozesse mit anderen,kompetenteren Personen zurückgehen und vom<strong>Kind</strong> verinnerlicht werden. Aus diesem Grund habenAustauschprozesse zwischen <strong>Kind</strong> und ErzieherIn eineSchlüsselfunktion, wenn es um die Bildung von jungen<strong>Kind</strong>ern geht. Dabei sollte <strong>Kind</strong>ern ermöglicht werden,sich selbstbestimmt mit eigenen Ideen und Interessenauseinanderzusetzen, wie es im „Freispiel“ in der Kitaangedacht ist (Textor, 2007).Austauschprozesse zwischen <strong>Kind</strong> und ErzieherIn sindunter anderem abhängig von den strukturellen Gegebenheiteneiner Kita. Vor allem die Zusammensetzungder <strong>Kind</strong>ergruppen und die Relation zwischen ErzieherInnenund anwesenden <strong>Kind</strong>ern kristallisieren sichdabei als richtungsweisend heraus (Fthenakis & Textor,1998). Hellmann et al. (2003) betonen, <strong>das</strong>s die Gruppengrösseund die adäquate Relation zwischen ErzieherInund <strong>Kind</strong> eng mit deren Austauschprozessen zusammenhängen.Vor allem <strong>das</strong> Konzept der „altersgemischtenKleingruppe“ stellt sich als besonders fruchtbar in Bezugauf gruppendynamische Prozesse heraus. AltersgemischteKleingruppen sollten im Idealfall vier Jahrgänge undje nach Alterszusammensetzung 7-10 Plätze umfassen.Durch diese Gruppenstrukturen können zum einen Beziehungsabbrüchevermieden werden, wenn <strong>das</strong> <strong>Kind</strong>auf Grund seines Alters die Gruppe wechselt. Zum anderenhat sich gezeigt, <strong>das</strong>s jüngere sowie ältere <strong>Kind</strong>ereinander in ihren Lernprozessen ergänzen und beide voneinanderprofitieren können. Der Betreuungsanspruch der<strong>Kind</strong>er ist stark abhängig von ihrem Alter. Idealerweisebeträgt die Relation zwischen ErzieherIn und <strong>Kind</strong>ern imAlter von 0-24 Monaten 1:2, bei <strong>Kind</strong>ern im Alter von24-36 Monaten 1:4 sowie bei <strong>Kind</strong>ern ab 3 Jahren 1:5(Hellmann et al., 2003).Im Rahmen der Videobeobachtungsstudie des Projekts45


Wie geht es weiter...? – Fortschritte, Resultate und Perspektiven zu den „Bildungs- und Lerngeschichten“ in der Schweiz„Bildungs- und Resilienzförderung im Frühbereich“wurden Austauschprozesse zwischen <strong>Kind</strong> und ErzieherInerfasst. In diesem Bericht werden die folgendenFragestellungen diskutiert:• Wie oft tauschen sich <strong>Kind</strong> und ErzieherIn währendder Freispielzeit untereinander aus?• Welche Rolle spielen die Gruppengrösse, die Gruppenzusammensetzung,<strong>das</strong> Alter der <strong>Kind</strong>er und dieErzieherInnen-<strong>Kind</strong>-Relation hinsichtlich der Häufigkeitder Austauschprozesse zwischen <strong>Kind</strong> und ErzieherIn?Die vorliegenden Ergebnisse beziehen sich ausschliesslichauf Zusammenhänge bezüglich der Häufigkeiten vonAustauschprozessen. Der Inhalt dieser Austauschprozessesowie <strong>das</strong> konkrete Verhalten von <strong>Kind</strong> und ErzieherInrücken an dieser Stelle in den Hintergrund, behalten aberselbstverständlich ihre Bedeutung.Die Datenerhebung erfolgte im September und Oktober2009 in den 12 Kitas der Interventionsgruppe (A-Kitas).Von 12 zufällig ausgewählten ErzieherInnen (je eine ErzieherInpro Kita) und den anwesenden <strong>Kind</strong>ern wurdenwährend der Freispielzeit Videoaufnahmen von etwa einerStunde angefertigt. Die Stichprobe besteht aus 61<strong>Kind</strong>ern und den 12 ErzieherInnen. Unter den Probandenbefinden sich 11 Frauen und ein Mann, welche zumErhebungszeitpunkt zwischen 22 und 48 Jahre alt waren.Die Stichprobe der <strong>Kind</strong>er setzt sich aus 33 Mädchen und28 Jungen zwischen einem halben Jahr und fünfeinhalbJahren zusammen. Für die Datenauswertung wurden dieVideoaufnahmen auf einheitliche 45 Minuten gekürzt.Für jedes <strong>Kind</strong> wird jede der 45 Minuten einzeln ausgewertet,so <strong>das</strong>s gesamthaft 61 mal 45 Minuten (2745Minuten) in die Analyse einfliessen.Häufigkeit von Austauschprozessen zwischen <strong>Kind</strong>und ErzieherInIn rund 40% (1114 Minuten) der Zeit sind Austauschprozessezwischen <strong>Kind</strong> und ErzieherIn beobachtbar.Es zeigen sich jedoch starke Unterschiede bezüglich derAustauschhäufigkeit der einzelnen <strong>Kind</strong>er. So lassen sichzum Beispiel bei zwei <strong>Kind</strong>ern keine Austauschprozessemit der ErzieherIn beobachten, während ein anderes<strong>Kind</strong> in 41 von 45 Minuten im Austausch mit der Erzieherinsteht. Im Vergleich mit anderen Studien stelltsich heraus, <strong>das</strong>s die <strong>Kind</strong>er sehr viel Zeit in Austauschprozessenmit der ErzieherIn verbringen. So berichtenbeispielsweise Kontos und Wilcox-Herzog (1997) in einernordamerikanischen Studie, <strong>das</strong>s in nur 10-30% derZeit Austauschprozesse zwischen <strong>Kind</strong> und ErzieherInzu beobachten sind. In der REPEY-Studie („Researchin Effective Pedagogy in Early Years“; vgl. Sylva et al.,2004), innerhalb welcher zahlreiche Beobachtungen inenglischen <strong>Kind</strong>ertagesstätten durchführt wurden, wirdberichtet, <strong>das</strong>s sich die <strong>Kind</strong>er in 30% der Freispielzeit inAustauschprozessen mit der ErzieherIn befinden.Was begünstigt Austauschprozesse zwischen <strong>Kind</strong>und ErzieherIn?In den beobachteten <strong>Kind</strong>ergruppen befinden sich zwischendrei und acht <strong>Kind</strong>er. Je weniger <strong>Kind</strong>er sich in derGruppe befinden, desto öfter stehen <strong>Kind</strong> und ErzieherInim gegenseitigen Austausch. Die 12 beobachteten Gruppenbestehen sowohl aus „altershomogenen“ (mit einemJahrgang) als auch „altersheterogenen“ (mit bis zu vierJahrgängen) Zusammensetzungen. Die Analysen zeigen,<strong>das</strong>s <strong>Kind</strong>er ab dem dritten Lebensjahr in „altersheterogenen“Gruppen besonders häufig im Austauschprozess mitder ErzieherIn stehen. Dem gegenüber stehen <strong>Kind</strong>er unterdrei Jahren, unabhängig von der Altersmischung, wenigerin Kontakt mit der ErzieherIn. Ein Grund für dieses Ergebniskönnte sein, <strong>das</strong>s <strong>Kind</strong>er unter drei Jahren im Gegensatzzu über dreijährigen <strong>Kind</strong>ern noch weniger differenzierteFähigkeiten besitzen, um sich mit der ErzieherIn austauschenzu können. Verbales Aushandeln spielt zwar mitzunehmendem Alter eine immer grössere Rolle. VieleAushandlungsprozesse geschehen jedoch nonverbal undstellen die ErzieherIn vor besondere Herausforderungen.Da in der Kita meist noch andere <strong>Kind</strong>er unterschiedlichenAlters anwesend sind, kann es sehr schnell geschehen, <strong>das</strong>snonverbale Signale von kleinen <strong>Kind</strong>ern nicht beachtetwerden (vgl. Blank-Mathieu, 2004) und dadurch wenigerAustauschprozesse stattfinden. Es scheint demnach nichtverwunderlich, <strong>das</strong>s die <strong>Kind</strong>-ErzieherIn-Relation nur beiunter Dreijährigen mit den Austauschprozessen mit der ErzieherInzusammenhängt.Deutlich mehr Austauschprozesse werden vermerkt,wenn die <strong>Kind</strong>-ErzieherIn-Relation ausgeglichen ist (1:1).Sind gegenüber den anwesenden <strong>Kind</strong>ern zu wenig ErzieherInnenvorhanden, verringert sich die Anzahl derAustauschprozesse, da sich die ErzieherInnen dann mehrmit strukturellen Aufgaben auseinandersetzen. Zu vieleanwesende ErzieherInnen wirken sich ebenfalls ungünstigauf die Anzahl der Austauschprozesse mit den <strong>Kind</strong>ernaus, da in diesem Fall mehr Austauschprozesse zwischenden anwesenden ErzieherInnen zu beobachten sind.Die vorliegenden Ergebnisse widerspiegeln dieVielschichtigkeit der Austauschprozesse, mit denen ErzieherInnenin ihrer Arbeit konfrontiert sind. Faktoren,welche mit dem Vorkommen von Austauschprozessenin der Kita in Zusammenhang stehen, sind die Gruppen-46 Bildungs- und Resilienzförderung im Frühbereich


Wie geht es weiter...? – Fortschritte, Resultate und Perspektiven zu den „Bildungs- und Lerngeschichten“ in der Schweizgrösse, die Gruppenzusammensetzung, <strong>das</strong> Alter der<strong>Kind</strong>er und die ErzieherInnen-<strong>Kind</strong>-Relation. Besondersbetont werden sollte, <strong>das</strong>s ErzieherInnen, welchein kleinen, „altersheterogenen“ Gruppen arbeiten, öfter(zumindest mit über dreijährigen <strong>Kind</strong>ern) in gegenseitigemAustausch stehen. Erstrebenswert wäre es, jüngere<strong>Kind</strong>er, welche noch nicht im Stande sind, sich verbalin Austauschprozessen einzubringen, mehr einzubeziehen.Gerade nonverbale Ausdrucksweisen sollten hierbeinoch stärker beachtet und von den ErzieherInnen erwidertwerden. Eine optimale <strong>Kind</strong>-ErzieherInnen-Relationkann viel zu stärkenden Lerndialogen beitragen.LiteraturBlank-Mathieu, M. (2004). Sprachförderung unter besonderer Berücksichtigungvon <strong>Kind</strong>ern nicht-deutscher Herkunft. URL: http://www.kindergartenpaedagogik.de/1293.html (15.1.<strong>2013</strong>).Fthenakis, W. E. & Textor, M. R. (1998). Qualität von <strong>Kind</strong>erbetreuung:Konzepte, Forschungsergebnisse, internationaler Vergleich.URL: http://www.kindergartenpaedagogik.de/6a.pdf (15.1.<strong>2013</strong>).Hellmann, J., Schälin, J., Simoni, H. & Nufer, H. (2003). Entwicklungsbedürfnissevon <strong>Kind</strong>ern und die Gruppenstruktur in Krippen.Zürich: <strong>Marie</strong> <strong>Meierhofer</strong>-<strong>Institut</strong> für <strong>das</strong> <strong>Kind</strong>.Kontos, S. & Wilcox-Herzog, A. (1997). Influences on children‘s competencein early childhood classrooms. Early Childhood ResearchQuarterly, 12, 247-262.Sylva, K., Melhuish, E. C., Sammons, P., Siraj-Blatchford, I. & Taggart,B. (2004). The Effective Provision of Pre-School Education(EPPE) Project: Technical Paper 12 – The Final Report: EffectivePre-School Education. London: DfES / <strong>Institut</strong>e of Education, Universityof London.Textor, M. (2007). Forschungsergebnisse zur Effektivität frühkindlicherBildung: EPPE, REPEY und SPEEL. URL: http://www.kindergartenpaedagogik.de/1615.html(15.1.<strong>2013</strong>).Wagner, A. (2010). Grundlage Elementarbildung – Der Einfluss frühkindlicherBildung auf Dispositionen für lebenslanges Lernen. URL:http://www.kindergartenpaedagogik.de/2111.html (15.1.<strong>2013</strong>).Wygotsky, L. (1987). Ausgewählte Schriften. Arbeiten zur psychischenEntwicklung der Persönlichkeit (Vol. 2). Berlin:Volk und Wissen.Nachdem ein <strong>Kind</strong> seine Lerngeschichte gehört hat, hat es die ganzeWoche mit Stolz und Freude nur von dieser Geschichte erzählt.(Erzieherin)Bericht aus der Forschungswerkstatt: Qualitätsentwicklung durch systematische Bildungsbeobachtungund -dokumentation? – Ergebnisse aus externen QualitätsmessungenCorina Wustmann SeilerDie Umsetzung von systematischer Beobachtung undDokumentation kindlicher Bildungs- und Lernprozesseist ein vielschichtiger Prozess, der für die Qualitätsentwicklungvon Kitas weit reichende Konsequenzen hat.Aus den Erfahrungen der Projekte zu den „BildungsundLerngeschichten (BULG)“ in Deutschland zeigtsich, <strong>das</strong>s die Einführung des Beobachtungsverfahrensauf verschiedenen Ebenen Veränderungen im SystemKita bewirkt hat (vgl. z.B. Deutsches Jugendinstitut e.V.,2007). Dies betrifft Veränderungen bezüglich der Arbeitsorganisation,der materiellen Rahmenbedingungensowie des Interaktionsgeschehens zwischen Erwachsenenund <strong>Kind</strong>(ern). Ähnliche Veränderungen wurden– wie bereits in diesem <strong>Newsletter</strong> dargestellt – auch inder Praxisimplementierung in deutschschweizer Kitasvon den Kitaleitungen und -mitarbeitenden berichtet. Obdie Arbeit mit den BULG aber tatsächlich zu einer Weiterentwicklungbzw. Verbesserung der pädagogischen<strong>Newsletter</strong> März <strong>2013</strong>Qualität beizutragen vermag, ist bislang empirisch nichtgeklärt. Eine solche Messung der Qualitätsentwicklungsteht noch aus. Unabhängig davon lag für die Schweizbisher noch keine repräsentative Untersuchung zur allgemeinenpädagogischen Qualität von Kitas vor, welchemit international vergleichbaren und standardisiertenMessinstrumenten erhoben wurde. Innerhalb des vorliegendenProjekts untersuchten wir deshalb die Frage, wiesich die pädagogische Qualität in deutschschweizer Kitasgestaltet und welche Effekte die Einführung von systematischerBildungsbeobachtung und -dokumentation aufdie pädagogische Qualität von Kitas hat.Methodisches VorgehenDie Untersuchung erfolgte mit einem Kontroll- und Vergleichsgruppendesignund zwei Messzeitpunkten (Prä-/Postmessung), bei der Interventionsgruppe zusätzlichmit einer dritten Messung: vor Beginn der Praxisimple-47


Wie geht es weiter...? – Fortschritte, Resultate und Perspektiven zu den „Bildungs- und Lerngeschichten“ in der Schweizmentierung (t1, Herbst 2009), am Ende (t2, Herbst 2010)und ein Jahr nach Abschluss der Praxisimplementierung(t3, Herbst 2011). In der Untersuchung wurden 38 Kitasberücksichtigt:• 12 Kitas, welche die BULG implementieren (Interventionsgruppe),• 13 Kitas ohne systematische Bildungsbeobachtungund -dokumentation (Kontrollgruppe) und• 13 Kitas, welche <strong>das</strong> infans-Konzept der Frühpädagogikim Rahmen des Projekts „bildungskrippen.ch“ implementieren (Vergleichsgruppe; Start der Implementierungbereits etwas früher als t1 im Januar2009).Bei der Erfassung der pädagogischen Qualität gehen wirvon dem bekannten dreidimensionalen Modell pädagogischerQualität aus (vgl. Tietze, 1998; Rossbach, 2004):• Prozessqualität (Interaktionen, Entwicklungsanregungenund Bildungsaktivitäten),• Orientierungsqualität (Einstellungen und Haltungenvon Mitarbeitenden gegenüber dem Lernen, der Entwicklungvon <strong>Kind</strong>ern sowie dem Verständnis dereigenen professionellen Rolle),• Strukturqualität (räumlich-materielle, soziale undpersonelle Rahmenbedingungen).Dabei wird die Prozessqualität als Zentralbereich der pädagogischenQualität bzw. als „realisierte Pädagogik“(Charlotte Bühler-<strong>Institut</strong> & PädQUIS, 2007, S. 8; Kuger& Kluczniok, 2008) verstanden. Im vorliegendenBeitrag wird – nicht zuletzt aus Kapazitätsgründen – dieProzessqualität deshalb auch ins Zentrum gestellt. Für dieErfassung der Prozessqualität wurden in den Kitas Qualitätsbeobachtungendurch Externe durchgeführt. Wir habenuns an dieser Stelle für bewährte Skaleninstrumente entschieden,welche einerseits verschiedene Facetten derpädagogischen Qualität global erfassen und andererseitsinternational bereits zahlreich eingesetzt wurden.Eingesetzte QualitätsskalenDie Skalen stammen ursprünglich aus dem angelsächsischenRaum und liegen seit geraumer Zeit in erprobtenund übersetzten Versionen für den deutschen Sprachraumvor. Sie werden zwar dem zugrunde liegenden Bildungsverständnisvon systematischer Bildungsbeobachtungund -dokumentation anhand von BULG und infans-Konzeptsowie der deutschschweizer Kitalandschaft nicht inallen inhaltlichen Bereichen hinreichend gerecht (sie legenz.B. einen starken Fokus auf strukturelle Merkmalevon pädagogischer Qualität wie Betreuung und Pflege,Sicherheit, Hygiene). Trotzdem bieten sie aber eineinternational vergleichbare und standardisierte Qualitätsmessung(bis dato existieren für die Schweiz keineanalogen Messinstrumente). Folgende Instrumente kamenzum Einsatz:• Krippen-Skala (KRIPS-R): für Gruppen mit <strong>Kind</strong>ernvon 0 bis 3 Jahren, bestehend aus 41 Merkmalen, welchezu 7 Subskalen (z.B. „Platz und Ausstattung“,„Interaktionen“ oder „Strukturierung der pädagogischenArbeit“) zusammengefasst werden (vgl. Tietze etal., 2005)• Integrierte Qualitäts-Skala (IQS): für Gruppen mit <strong>Kind</strong>ernvon 3 bis 6 Jahren (vgl. Tietze, Schuster, Grenner& Rossbach, 2007; Rossbach & Tietze, unveröffentl.)‣ <strong>Kind</strong>ergarten-Skala (KES-R): bestehend aus 43Merkmalen, welche zu 7 Subskalen zusammengefasstwerden (analog KRIPS-R)‣ Zusatzversion <strong>Kind</strong>ergarten-Skala-Erweiterung(KES-R-E): bestehend aus 3 Merkmalen, welchezu einer Subskala „Verschiedenartigkeit und individuelleFörderung“ zusammengefasst werden‣ Zusatzmerkmale KES-R-Z (Fokus Bildungsorientierung):bestehend aus 6 Merkmalen (z.B.„Beobachtung und Dokumentation“, „Individualisierungder pädagogischen Arbeit“, „Interne/externe Kommunikation“).Die Einstufung eines jeden Merkmals erfolgt aufeiner 7-stufigen Skala von 1=unzureichend bis 7=ausgezeichnetmit vier so genannten Ankerstufen: Stufe 1(unzureichende Qualität), Stufe 3 (minimale Qualität),Stufe 5 (gute Qualität) und Stufe 7 (ausgezeichnete Qualität).Werte unter 3 werden als „unzureichende Qualität“,Werte zwischen 3 und 5 als „mittelmässige Qualität“ undWerte ab 5 als „gute bis sehr gute Qualität“ beurteilt. Da<strong>das</strong> Bewertungsverfahren gestuft aufgebaut ist, sind Einschätzungenfür eine ausgezeichnete Qualität nur dannzu erreichen, wenn ungenügende Kriterien ausgeschlossenwerden können und minimale, gute Bedingungenvollständig erfüllt sind. Dieser „strenge“ Hintergrund derSkalen führt dazu, <strong>das</strong>s kleinere Mängel mitunter starkins Gewicht fallen und die Einschätzungen auf ein vergleichsweiseniedriges Niveau absinken lassen.Durchführung der QualitätsmessungenDie Qualitätsbeobachtungen werden auf der Ebene dereinzelnen <strong>Kind</strong>ergruppen durchgeführt. Die Erhebungenbeinhalten jeweils eine vierstündige, nichtteilnehmendeBeobachtung am Vormittag in der <strong>Kind</strong>ergruppe sowieein anschliessendes, ca. einstündiges Gespräch mit der48 Bildungs- und Resilienzförderung im Frühbereich


Wie geht es weiter...? – Fortschritte, Resultate und Perspektiven zu den „Bildungs- und Lerngeschichten“ in der SchweizGruppenleitung. Da die Altersmischung in deutschschweizerKitas grösser ausfällt als z.B. in Deutschland (häufig 0-5Jahre), haben wir in den meisten Gruppen beide Skalen –KRIPS-R und IQS – parallel einsetzen müssen. Eine solcheDoppelerhebung ist sehr viel aufwendiger und führt inhaltlichzu Überschneidungen. Deshalb wäre eine Anpassungder Qualitätsskalen an den deutschschweizer Kontext zukünftigsehr wünschenswert. Die Qualitätsbeobachtungenwurden von geschulten, projektunabhängigen Mitarbeiterinnendurchgeführt.Die Stichprobe von 38 Kitas besteht aus insgesamt 116Kitagruppen. Da eine Vollerhebung zur Erfassung derProzessqualität in allen Gruppen aus erhebungsökonomischenGründen (u.a. wegen des Doppeleinsatzes vonKRIPS-R und IQS) nicht möglich war, wurden 74 Kitagruppenunter Berücksichtigung der Anzahl Gruppen proKita (Kitagrösse) zufällig ausgewählt. Insgesamt ergabensich daraus 122 Qualitätserhebungen, 70 mit der KRIPS-R und 52 mit der IQS. Bei der Follow-up-Messung (t3) inden BULG-Kitas der Interventionsgruppe wurden noch 44Qualitätsmessungen erhoben (25 KRIPS-R und 19 IQS).ErgebnisseDie globale pädagogische Prozessqualität aller untersuchtenKitagruppen liegt für alle Messzeitpunkte im Bereichmittelmässiger Qualität. Leider weist keine Gruppe einegute bis sehr gute Qualität auf. Zum ersten Zeitpunkt befindetsich fast ein Drittel der untersuchten Gruppen inder Zone unzureichender Qualität, in denen die minimalenStandards nicht erfüllt werden. Zum zweiten Zeitpunktsind dies nur mehr 6%. Im Vergleich mit Untersuchungenaus Deutschland bewegt sich der Gesamtwert in deutschschweizerKitagruppen in einem ähnlichen Bereich wie indeutschen. Auch dort verfügt die Mehrheit der Gruppenüber eine mittelmässige Qualität.Besonders gut schneiden jeweils die Subskalen „Zuhörenund Sprechen“ (KRIPS-R) bzw. „Sprachliche und kognitiveAnregungen“ (KES-R), „Eltern und Erzieherinnen“ und „Interaktionen“ab. Sie repräsentieren pädagogisch-didaktischeFähigkeiten sowie <strong>das</strong> Engagement der Kitamitarbeitenden(eher personengebundene Aspekte). Die geringsten Wertewurden jeweils in den Subskalen „Betreuung und Pflegeder <strong>Kind</strong>er“ und „Platz und Ausstattung“ erreicht, welchebeide in die Zone unzureichender Qualität einzuordnensind. Die beiden Dimensionen stehen für strukturelle Bedingungenpädagogischer Prozessqualität, d.h. Merkmaleim Bereich von Möbeln und Ausstattung sowie Pflege undSicherheit. Betrachtet man den Gesamtwert der Prozessqualitätjeweils ohne die beiden Subskalen, dann verbessertsich dieser beträchtlich.<strong>Newsletter</strong> März <strong>2013</strong>In Bezug auf die Frage, inwiefern sich Kitagruppen mitsystematischer Bildungsbeobachtung und -dokumentation(BULG oder infans-Konzept) von Gruppen ohnediese unterscheiden, lassen sich bedeutsame Effekteberichten: So weisen beide Untersuchungsgruppen– Interventions- und Vergleichsgruppe – im Zeitverlauferfreulicherweise eine höhere pädagogische Qualität aufals die Kontrollgruppe. Insbesondere in den „bildungsorientiertenZusatzmerkmalen“ der KES-R-Z fallen dieUnterschiede deutlich aus. Allerdings kann auch bei derKontrollgruppe ein Anstieg der pädagogischen Qualitätüber die Zeit verzeichnet werden (Interaktionseffekt).Auch sie haben sich in dem Jahr als „Warte-Kontrollgruppe“weiterentwickelt. Die grössten Verbesserungender Qualität lassen sich beim zweiten Messzeitpunkt beidenjenigen Gruppen ausmachen, welche mit dem infans-Konzept arbeiten. Sie zeichnen sich vor allem in denBereichen „Aktivitäten“ und „Strukturierung der pädagogischenArbeit“ aus.Welche Entwicklungsprozesse haben sich bei denBULG-Kitagruppen im Längsschnitt nach zwei Jahren(t1-t3) gezeigt? Im Gesamtwert pädagogischer Qualitäthaben sie – zu unserer grossen Freude – bedeutendeVerbesserungen erzielen können, insbesondere bis zumdritten Zeitpunkt (die Entwicklungen vom ersten zumzweiten Zeitpunkt fallen geringer, z.T. auch gegenläufigaus). So konnten die Gruppen ihre pädagogische Qualitätum fast einen halben Skalenpunkt positiv verändern.Fortschritte finden sich vorzugsweise in den Subskalen„Interaktionen“ (z.B. Beaufsichtigung bei Spiel- undLernaktivitäten), „Eltern und Erzieherinnen“ (z.B. Fortbildungsmöglichkeiten,Interaktion und Kooperationder Erzieherinnen) und „Platz und Ausstattung“ (z.B.Raumgestaltung, Mobiliar für Pflege, Spiel und Lernen).Aber auch bei den Merkmalen „Interne/externe Kommunikation“und „Verschiedenartigkeit und individuelleFörderung“ der bildungsorientierten KES-R-Z/KES-R-Efinden sich beachtliche Verbesserungen.Diskussion und FazitDie Ergebnisse zeigen, <strong>das</strong>s die Einführung und Arbeit mitsystematischer Bildungsbeobachtung und -dokumentation– nach BULG oder infans-Konzept – zu Verbesserungender pädagogischen Qualität von Kitas führen. Dies ist einsehr zufriedenstellendes Ergebnis. Die Verbesserungenfallen für <strong>das</strong> infans-Konzept insgesamt deutlicher ausals für die BULG. Bei letzteren haben sich vor allem dieBULG-nahen Qualitätsbereiche positiv verändert – insbesondereüber den Zeitraum von zwei Jahren.Die Arbeit mit systematischer Bildungsbeobachtung und49


Wie geht es weiter...? – Fortschritte, Resultate und Perspektiven zu den „Bildungs- und Lerngeschichten“ in der Schweiz-dokumentation braucht Zeit, sich im Alltag zu konsolidieren.Sie ist – wie bereits in diesem <strong>Newsletter</strong> dargestellt– mit einigen Herausforderungen und zuweilen auchUnsicherheiten verbunden, welche immer wieder neueLösungssuchen in der Arbeitsorganisation benötigen.Da der zweite Messzeitpunkt für die Interventionsgruppe,die mit BULG arbeitet, direkt vor dem Übergang indie selbständige Weiterentwicklung der Kita, ohne Praxisbegleitungund Coaching durch <strong>das</strong> MMI, stattfand,kann er Abbild einer „Phase der Verunsicherung“ in denbeteiligten Einrichtungen sein: Wie führen wir die angefangenenOrganisationsentwicklungsprozesse bei uns imAlltag fort? Was haben wir bereits erreicht, was wollenwir noch verändern, wo wollen wir hin? Die Ergebnissezum Follow-Up nach zwei Jahren zeigen hingegenwieder eine „Beruhigung“: Die Einrichtungen haben zudiesem Zeitpunkt dann ihren eigenen Weg, ihr eigenesProfil gefunden, die BULG (weiterhin) in ihrer pädagogischenArbeit zu verankern.Das infans-Konzept ist von seinem Ansatz her – wiebereits beschrieben – umfassender als die BULG. Essetzt direkter am System Kita und an dessen Organisationsentwicklungan, was sich u.a. in den grösserenVeränderungen der räumlich-materiellen Ressourcender Kitas wiederfindet. Dass sich diese Veränderungenin höheren globalen Qualitätswerten niederschlagen,Die Qualitätsmessungen waren umfassend und aufwendig,aber sie haben sich gelohnt. Die Erkenntnis, <strong>das</strong>ssystematische Bildungsbeobachtung und -dokumentationeinen Beitrag zur Weiterentwicklung der pädagogischenQualität von Kitas leisten kann, ist mehr als erfreulichund äusserst fruchtbar.LiteraturCharlotte Bühler-<strong>Institut</strong> & PädQUIS (2007). Dimensionenpädagogischer Qualität in <strong>Kind</strong>ergärten: Internationale Forschungsergebnisse– Empfehlungen – Qualitätsfeststellung.Wien, Berlin: Charlotte Bühler-<strong>Institut</strong>.Deutsches Jugendinstitut e.V. (DJI)(2007). Abschlussberichtdes Projekts „Bildungs- und Lerngeschichten als Instrumentzur Konkretisierung und Umsetzung des Bildungsauftragsim Elementarbereich”. München: DJI (URL: http://www.dji.de/bildung-lerngeschichten/BuLG_Abschlussbericht.pdf, 15.1.<strong>2013</strong>).Kuger, S. & Kluczniok, K. (2008). Prozessqualität im <strong>Kind</strong>ergarten– Konzept, Umsetzung und Befunde. Zeitschrift fürErziehungswissenschaft, 19 (11), 159-178.Roßbach, H.-G. & Tietze, W. (unveröffentl.). <strong>Kind</strong>ergarten-Skala-Erweiterung (KES-R-E). Forschungsversion. DeutscheFassung der revidierten Early Childhood EnvironmentRating Scale-Extension (ECERS-E) von Kathy Sylva, IramSiraj-Blatchford und Brenda Taggart, Universität Oxford.Am Anfang war es noch recht aufwändig, alles zu organisieren, aberinzwischen sind die BULG Teil von unserem Alltag. Wir haben Freudedabei. (Erzieherin)war – bei den zugrunde liegenden Qualitätsskalen –fast zu erwarten gewesen. Darüber hinaus hatten dieinfans-Gruppen ein halbes Jahr „Vorsprung“ in ihrer Praxisimplementierungund deshalb möglicherweise zumzweiten Messzeitpunkt den „Peak der Verunsicherung“bereits überwunden.Auch vor den Kontrollkitas hat <strong>das</strong> Thema „Bildungsorientierungin Kitas“ in dem Jahr des „Wartens“ keinenHalt gemacht. Der Zeitgeist der frühen Bildung setzt sichgenerell immer stärker durch. Zeugnis davon sind zahlreichePublikationen und Medienberichte – nicht zuletztauch unsere Projektnewsletter. Bei der zweiten Qualitätsmessung(t2) waren die Kontrollkitas unmittelbar vordem Start der BULG-Implementierung in ihrer Praxis –eine „Motivationsspritze“? Ähnlich hoch fielen nämlichauch die Ausgangswerte der Interventionsgruppe aus, alssie kurz vor dem Implementierungsstart standen.Berlin: PädQUIS.Tietze, W. (Hrsg.)(1998). Wie gut sind unsere <strong>Kind</strong>ergärten?Eine Untersuchung zur pädagogischen Qualität in deutschen<strong>Kind</strong>ergärten. Neuwied: Luchterhand.Tietze, W., Bolz, M., Grenner, K., Schlecht, D. & Wellner,B. (2005). Krippen-Skala. Revidierte Fassung (KRIPS-R).Feststellung und Unterstützung pädagogischer Qualität inKrippen. Deutsche Fassung der Infant/Toddler EnvironmentRating Scale – Revised Edition von Thelma Harms,Debby Cryer, Richard M. Clifford. Weinheim, Basel: Beltz.Tietze, W., Schuster, K.-M., Grenner, K. & Rossbach, H.-G.(2007). <strong>Kind</strong>ergarten-Skala (KES-R). Feststellung undUnterstützung pädagogischer Qualität in <strong>Kind</strong>ergärten.Deutsche Fassung der Early Childhood Environment Scale– Revised Edition – von Thelma Harms, Richard M. Clifford,Debby Cryer. 3. überarb. Aufl. Berlin u.a.: CornelsonScriptor.50 Bildungs- und Resilienzförderung im Frühbereich


Wie geht es weiter...? – Fortschritte, Resultate und Perspektiven zu den „Bildungs- und Lerngeschichten“ in der SchweizBericht aus der Forschungswerkstatt: „Ich kann etwas bewegen“ – Einschätzungen der eigenenFähigkeiten in der frühen <strong>Kind</strong>heit: Ergebnisse aus Interviews mit drei- bis fünfjährigen <strong>Kind</strong>ernEva MüllerDie Forschung geht heute davon aus, <strong>das</strong>s junge <strong>Kind</strong>ernoch nicht in der Lage sind, über sich selbst realistischAuskunft zu geben. Es wird angenommen, <strong>das</strong>s <strong>Kind</strong>erbis etwa zum sechsten Lebensjahr dazu tendieren, ihreeigenen Fähigkeiten zu überschätzen, indem sie sich alsfähiger wahrnehmen, als sie wirklich sind (Eccles et al.,1993; Harter & Pike, 1984; Jacobs et al., 2002). Wird<strong>das</strong>, was <strong>Kind</strong>er glauben zu können, mit dem verglichen,was sie wirklich können, stimmen die Einschätzungen oftnicht überein. Die Einschätzungen der Erwachsenen bezüglichder Fähigkeiten der <strong>Kind</strong>er hingegen zeigen einegrössere Übereinstimmung (Gullo & Ambrose, 1987;Stipek, 1981). Dabei sollte aber bedacht werden, <strong>das</strong>ses nur wenige Studien gibt, in welchen Vorschulkinderselbst über ihre Fähigkeiten befragt werden (Marsh, Ellis,& Craven, 2002; Measelle et al., 1998). Dies ist umsobedenklicher, geht doch die Persönlichkeitspsychologiedavon aus, <strong>das</strong>s jeder Mensch der beste Experte seinerselbst ist und deshalb auch die zutreffendsten Aussagenüber sich machen kann. Gestützt wird diese Theorie voneinigen Untersuchungen mit etwas älteren <strong>Kind</strong>ern, diezeigen, <strong>das</strong>s kleine <strong>Kind</strong>er sehr wohl über sich berichtenkönnen und ihre Einschätzungen nicht einfach nur zufälligsind (Marsh et al., 2002; Measelle et al., 1998). Häufigstehen dabei jedoch vor allem schulische Fähigkeiten imFokus. Zudem werden immer noch vorwiegend Erwachsene(Eltern, ErzieherInnen) gebeten, Auskunft über dieFähigkeiten und Gefühle von jungen <strong>Kind</strong>ern zu geben.Im Rahmen des Projekts „Bildungs- und Resilienzförderungim Frühbereich“ haben wir deshalb ein<strong>Kind</strong>erinterview entwickelt, in welchem nicht nur isoliertdie Fähigkeiten der <strong>Kind</strong>er erfragt werden. VerschiedeneKonzepte (z.B. Selbstwirksamkeit), welche die selbstwahrgenommene Fähigkeit als Kernelement beinhalten,beziehen auch die damit zusammenhängenden Masseder Aufgabenschwierigkeit und Motivation mit ein.Bandura (1977, 1997) beschreibt den Zusammenhangbeispielsweise so, <strong>das</strong>s Selbstwirksamkeit sich vor allemin schwierigen Situationen zeigt, indem sich die Persondurch diese herausfordern lässt oder nicht. Ähnlich gestaltetsich die Motivation, die bei Personen, die an ihreeigenen Fähigkeiten glauben, höher ist, als bei solchen,die sich als weniger fähig wahrnehmen.Das <strong>Kind</strong>erinterviewWir haben <strong>das</strong> <strong>Kind</strong>erinterview bewusst als ein ressourcenorientiertesInstrument konzipiert, <strong>das</strong> die Stärkendes <strong>Kind</strong>es in den Vordergrund stellt und in dem die <strong>Kind</strong>erselbst zu Wort kommen. Das <strong>Kind</strong>erinterview hatzum Ziel festzustellen, ob <strong>Kind</strong>er in diesem Alter schoneinschätzen können, wie schwierig sie eine Aufgabefinden, wie gut sie diese bewältigen können und wie motiviertsie sind, die Aufgabe zu lösen. Diese Fähigkeitensind Voraussetzung dafür, ein Gefühl der eigenen Wirksamkeitzu entwickeln (vgl. Müller, 2012). Diese kannwiederum die Entwicklung der <strong>Kind</strong>er in eine positiveRichtung beeinflussen. Selbstwirksamkeit gilt als einerder wichtigsten Faktoren dafür, <strong>das</strong>s <strong>Kind</strong>er Schwierigkeitenbesser meistern, Herausforderungen annehmenund mit Misserfolgen besser umgehen können.Das Interview besteht aus sechs verschiedenen Aufgaben,in denen unterschiedliche Fertigkeiten der <strong>Kind</strong>erangesprochen werden. So sollen sie z.B. einen Turm ausHolzklötzen bauen, ein Puzzle lösen oder eine Geschichtenacherzählen. Bei der Vorbereitung und Auswahl derAufgaben wurde besonders darauf geachtet, <strong>das</strong>s die <strong>Kind</strong>ernicht überfordert, aber auch nicht unterfordert werden.Aus diesem Grund haben wir verschiedene Versionen fürdie verschiedenen Altersgruppen entwickelt (3-3,5 Jahre,3,5-4 Jahre, etc.), welche den (vom Alter abhängigen)unterschiedlichen Entwicklungsstand der <strong>Kind</strong>er berücksichtigen.Die Inhalte der Fragen und die Struktur desInterviews werden jedoch in allen Versionen beibehalten.Ausserdem sollen die Inhalte der Aufgaben den <strong>Kind</strong>ernaus ihrem Alltag vertraut sein, um ihnen die eventuelleAngst vor dieser „Leistungssituation“ zu nehmen.Die <strong>Kind</strong>er waren zum Zeitpunkt des Interviews zwischendrei und fünf Jahre alt (der Durchschnitt lag beiknapp vier Jahren). Aufgrund dieses sehr jungen Altersmusste <strong>das</strong> Interview den <strong>Kind</strong>ern durch eine spielerischeGestaltung zugänglich gemacht werden (imGegensatz zu einem Erwachseneninterview, <strong>das</strong> nur auskonkreten Fragen besteht). Die <strong>Kind</strong>er sollten als Erstesbeurteilen, ob sie die jeweilige Aufgabe schwierig odereinfach finden (Schwierigkeit). Danach wurden sie gefragt,wie gut sie diese Aufgabe lösen können (Fähigkeit)und zum Schluss, wie gerne sie dies jetzt machen wür-<strong>Newsletter</strong> März <strong>2013</strong>51


Wie geht es weiter...? – Fortschritte, Resultate und Perspektiven zu den „Bildungs- und Lerngeschichten“ in der Schweizden (Motivation). Die Antwort erfolgte jeweils in zweiSchritten (vgl. Abb. 1, Bsp. Schwierigkeit): Zuerst wurdendie <strong>Kind</strong>er nur gefragt, ob sie die Aufgabe schwierigoder einfach finden. Wenn ein <strong>Kind</strong> mit „schwierig“ antwortete,wurde es in einem zweiten Schritt gefragt, ob esdie Aufgabe „sehr schwierig“ oder „ein bisschen schwierig“findet. Wenn <strong>das</strong> <strong>Kind</strong> die Aufgabe einfach fand,konnte es im nächsten Schritt entscheiden, ob es sie als„sehr einfach“ oder „ein bisschen einfach“ einschätzt. Sosollte verhindert werden, <strong>das</strong>s die <strong>Kind</strong>er durch zu vieleAntwortmöglichkeiten verunsichert werden. Auf dieselbeWeise wurden dann auch die Fragen zur Fähigkeitund Motivation durchgeführt. Die <strong>Kind</strong>er verstanden <strong>das</strong>sie eine Aufgabe als schwierig empfinden, wie sie ihreFähigkeit einschätzen, eine solche Aufgabe bewältigenzu können, und wie motiviert sie sind, diese Aufgabezu lösen. In der heutigen Forschung wird angenommen,<strong>das</strong>s <strong>Kind</strong>er in diesem Alter noch nicht klar trennen könnenzwischen der Wahrnehmung ihrer Fähigkeiten undder Aufgabenschwierigkeit: D.h. wenn ich etwas kann,dann nehme ich an, es müsse einfach sein bzw. wenn ichetwas nicht kann, dann muss es wohl schwierig sein. Dieskönnen wir auch mit unserem <strong>Kind</strong>erinterview bestätigen:Die Fähigkeitseinschätzung der <strong>Kind</strong>er ist sowohlmit ihrer Schwierigkeitseinschätzung als auch mit ihrerMotivation, die Aufgabe zu lösen, assoziiert.Sehr schwierig?Ist die Antwortschwierig?JaNeinEin bisschenschwierig?Ein bisscheneinfach?Sehr einfach?Abb. 1: Die Antwort in zwei Schritten am Beispiel der SchwierigkeitseinschätzungVorgehen nach einer einführenden Erklärung sehr gut.Um sehr jungen oder sehr schüchternen <strong>Kind</strong>ern dieMöglichkeit zu bieten, auch ohne Worte zu antworten,wurden Holzklötze in zwei verschiedenen Grössen zurHilfe verwendet: Wenn <strong>das</strong> <strong>Kind</strong> ausdrücken wollte,<strong>das</strong>s es eine Aufgabe z.B. „sehr schwierig“ findet oderdenkt, <strong>das</strong>s es sie „sehr gut“ lösen kann, konnte es auf <strong>das</strong>grössere Klötzchen zeigen. Wenn <strong>das</strong> <strong>Kind</strong> eine Aufgabenur „ein bisschen schwierig“ fand oder glaubte, sie „einbisschen gut“ lösen zu können, sollte es auf <strong>das</strong> kleinereKlötzchen zeigen. Im Anschluss an die Fragen durftendie <strong>Kind</strong>er die Aufgabe ausführen. Die meisten <strong>Kind</strong>erwaren sehr neugierig und interessiert an den Aufgabenund <strong>das</strong> Interview machte ihnen sichtlich Spass.Welche Ergebnisse und Erkenntnisse konnten wir ausden Aussagen der <strong>Kind</strong>er gewinnen?Die Auswertung der Interviews zeigt, <strong>das</strong>s schon sehrjunge <strong>Kind</strong>er fähig sind, Auskunft darüber zu geben, obIn einem weiteren Schritt haben wir die Hypothese überprüft,wie entscheidend die Fähigkeitseinschätzung indieser Dreierkonstellation ist. Die Ergebnisse zeigen, <strong>das</strong>sdie Einschätzung der eigenen Fähigkeit tatsächlich den Zusammenhangzwischen der Schwierigkeitseinschätzungund Motivation vermittelt. Die Fähigkeitseinschätzungist der Ausgangspunkt dafür, ob <strong>Kind</strong>er eine Aufgabe alsschwierig bewerten und wie motiviert sie sind, die Aufgabein Angriff zu nehmen.Die Resultate unterstreichen die Bedeutsamkeit der frühen<strong>Kind</strong>heit bei der Entwicklung von Selbstwirksamkeit,bei welcher der Glaube und <strong>das</strong> Vertrauen in die eigenenFähigkeiten im Mittelpunkt stehen. Da bereits sehr junge<strong>Kind</strong>er ein Bild von sich und dem, was sie können undnicht können, haben, ist es umso wichtiger, sie in ihrenStärken zu fördern und bei Misserfolgen zu einem neuenVersuch zu ermutigen, ohne sie dabei zu überfordern.Die Aufgabe der Erwachsenen ist es, im Alltag die Vor-52 Bildungs- und Resilienzförderung im Frühbereich


Wie geht es weiter...? – Fortschritte, Resultate und Perspektiven zu den „Bildungs- und Lerngeschichten“ in der Schweizaussetzungen und den Raum zu schaffen, in welchem die<strong>Kind</strong>er ihre Fähigkeiten testen, bestätigen und erweiternkönnen, damit sie auch in herausfordernden Situationensagen können: „Ich kann etwas bewegen.“LiteraturBandura, A. (1977). Self-efficacy: Toward a unifying theoryof behavioral change. Psychological Review, 84, 191-215.Bandura, A. (1997). Self-efficacy: The exercise of control.New York, NY: Freeman.Eccles, J., Wigfield, A., Harold, R. D. & Blumenfeld, P. (1993).Age and gender differences in children’s self and task perceptionsduring elementary school. Child Development,64(3), 830-847.Gullo, D. F. & Ambrose, R. P. (1987). Perceived competenceand social acceptance in kindergarten: Its relationship toacademic performance. Journal of Educational Research,81(1), 28-32.Harter, S. & Pike, R. (1984). The Pictorial Scale of PerceivedCompetence and Social Acceptance for Young Children.Child Development, 55(6), 1969-1982.Jacobs, J. E., Lanza, S., Osgood, D.W., Eccles, J. S. & Wigfield,A. (2002). Ontogeny of children‘s self-beliefs: Genderand domain differences across grades one through 12. ChildDevelopment, 73(2), 509-527.Marsh, H. W., Ellis, L. A., & Craven, R. G. (2002). How dopreschool children feel about themselves: Unravelingmeasurement and multidimensional self-concept structure.Developmental Psychology, 38(3), 376-393.Measelle, J. R., Ablow, J. C., Cowan, P. A. & Cowan, C. P.(1998). Assessing young children’s view of their academic,social, and emotional lives: An evaluation of the Self-PerceptionScales of the Berkley Puppet Interview. Child Development,69(6), 1556-1576.Müller, E. (2012). „Ich kann <strong>das</strong>!“. Selbstwirksamkeit bei <strong>Kind</strong>ernfördern. <strong>Kind</strong>ergarten heute – Das Leitungsheft, 2, 4-9.Stipek, D. J. (1981). Children’s perceptions of their own andtheir classmates’ ability. Journal of Educational Psychology,73(3), 404-410.Wir nehmen die <strong>Kind</strong>er nun viel bewusster wahr und entdecken soviel, auch wenn wir Zettel und Stift nicht in der Hand haben, weilsich unser Blick durch <strong>das</strong> regelmässige Beobachten verändert hat.(Gruppenteam)Mentale Repräsentationen bei <strong>Kind</strong>ern zwischen drei und fünf Jahren: Ergebnisse aus Interviewsmit drei- bis fünfjährigen <strong>Kind</strong>ernEva Müller<strong>Kind</strong>er erzählen uns oft Geschichten aus ihrem Alltag –Dinge, die sie erlebt haben, die sie beschäftigen, die sietraurig oder lustig finden. Die Erlangung der sprachlichenKompetenz stellt einen Meilenstein in der kindlichenEntwicklung dar und eröffnet den <strong>Kind</strong>ern neue Welten.Aber auch für die Erforschung der inneren Welt der<strong>Kind</strong>er bieten ihre Geschichten neue Möglichkeiten. Siegeben Hinweise darauf, wie <strong>Kind</strong>er die Welt verstehen,organisieren und Ereignisse einordnen.Um die mentalen Repräsentationen zu erfassen, haben wirdie „MacArthur Story Stem Battery (MSSB)“ (Bretherton& Oppenheim, 2003) verwendet. Das Instrumentbeinhaltet die Methode der sogenannten Geschichtenstammtechnik:Den <strong>Kind</strong>ern werden verschiedeneGeschichten erzählt, die jeweils einen Konflikt behandelnund auf dem Höhepunkt des Konflikts aufhören.Das <strong>Kind</strong> wird dann mit den Worten „zeige und erzähle<strong>Newsletter</strong> März <strong>2013</strong>mir, was jetzt passiert,“ aufgefordert, die Geschichte zubeenden. Die Geschichten werden mit Hilfe von Duplo-Figurenvorgespielt. Das Besondere an der Methodeist, <strong>das</strong>s sie standardisiert durchgeführt wird, d.h. dieGeschichten werden genau nach Vorgabe erzählt und esspielen bei allen <strong>Kind</strong>ern dieselben Figuren mit (nur <strong>das</strong>Geschlecht wird jeweils an <strong>das</strong>jenige des teilnehmenden<strong>Kind</strong>es angepasst). Das nachfolgende Beispiel zeigt eineGeschichte, die Georg (die Hauptfigur in allen Geschichten)in einen Loyalitätskonflikt zwischen seinem kleinenBruder und seinem besten Freund bringt:Versuchsleiter: Die Mama und der Papa reden jetzt mitden Nachbarn. Georg spielt mit seinem Freund Davidund seinem neuen Ball. Zeig mir, wie sie mit dem neuenBall spielen. Marc, der kleine Bruder, springt aus demHaus und fragt:Marc: Kann ich mit euch spielen?53


Wie geht es weiter...? – Fortschritte, Resultate und Perspektiven zu den „Bildungs- und Lerngeschichten“ in der SchweizGeorg: Aber natürlich.David: Auf gar keinen Fall! Wenn Du deinen Bruder mitspielenlässt, werde ich nicht mehr dein Freund sein!Versuchsleiter: Zeig und erzähl mir, was jetzt geschieht.Ziel ist es dabei nicht zu erfahren, wie <strong>das</strong> <strong>Kind</strong> selbstin dieser Situation handeln würde, sondern, welche mentalenRepräsentationen es für eine solche Situation hat.Man kann <strong>das</strong> mit einem mentalen Drehbuch vergleichen,<strong>das</strong> durch verschiedene Erfahrungen entstanden istund bei vergleichbaren Situationen aktiviert wird.Die Geschichten der <strong>Kind</strong>er werden auf Video aufgezeichnet,um keine Informationen zu verlieren.Anschliessend werden die Geschichten anhand einesKodiermanuals ausgewertet. Dabei werden sowohl dieinhaltliche als auch die strukturelle Ebene berücksichtigt.Auf der strukturellen Ebene haben wir erfasst, wiekohärent <strong>das</strong> <strong>Kind</strong> die Geschichten erzählt (d.h. ob dieGeschichten zusammenhängend und logisch aufgebautsind). Auf inhaltlicher Ebene haben wir positive Themen(z.B. prosoziales Verhalten, Kooperation) und aggressiveThemen (körperliche oder verbale Aggression) kodiert.Forschungsfragen und HypothesenZiel der Untersuchung ist es, den Zusammenhangzwischen mentalen Repräsentationen und Verhaltensproblemender <strong>Kind</strong>er sowie familienbezogenenRisikobelastungen zu erklären und darzustellen. ImMittelpunkt steht folgende Fragestellung: Wie hängenfamiliäre Risikobelastungen, Verhaltensprobleme undmentale Repräsentationen von <strong>Kind</strong>ern zusammen? Wirgehen davon aus, <strong>das</strong>s <strong>Kind</strong>er, die weniger kohärenteGeschichten erzählen, eine höhere Risikobelastung undmehr Verhaltensprobleme aufweisen. Auf inhaltlicherEbene erwarteten wir bei belasteten <strong>Kind</strong>ern mehr aggressiveund weniger positive Themen.Die familiäre Risikobelastung wurde anhand einesElterninterviews erhoben, welches ein Jahr vor der Erfassungder MSSB durchgeführt wurde. Die Erfassung derfamilienbezogenen Risikobelastung setzt sich aus mehrerenFaktoren wie Trennung der Eltern, gesundheitlicheProbleme innerhalb der Familie oder niedriges Familieneinkommenzusammen. Sowohl die Eltern als auchdie pädagogischen Fachpersonen haben den „Strengthsand Difficulties Questionnaire (SDQ)“ (Goodman, 1997)ausgefüllt, welcher die Verhaltensprobleme des <strong>Kind</strong>esmit Items wie „<strong>das</strong> <strong>Kind</strong> streitet sich oft mit anderen <strong>Kind</strong>ernoder schikaniert sie“ erfasst. Der SDQ wurde zumselben Zeitpunkt wie die MSSB eingesetzt.In Bezug auf den erwarteten Zusammenhang zwischenden mentalen Repräsentationen des <strong>Kind</strong>es, den familienbezogenenRisikobelastungen und den kindlichenVerhaltensproblemen ergeben sich aus der Literatur folgendeMöglichkeiten bzw. Hypothesen (vgl. z.B. Minze,McDonald, Rosentraub & Jouriles, 2010; Toth et al.,2010; Warren, Oppenheim, & Emde, 1996):MSSB(Mediator)Risikobelastungdes <strong>Kind</strong>esVerhaltensproblemedes <strong>Kind</strong>esAbb. 1: Die mentalen Repräsentationen vermitteln den Einfluss der Risikobelastung auf die Symptomentwicklung des<strong>Kind</strong>es (Hypothese 1)MSSB(Mediator)Risikobelastungdes <strong>Kind</strong>esVerhaltensproblemedes <strong>Kind</strong>esAbb. 2: Sowohl die mentalen Repräsentationen als auch die Risikobelastung haben einen voneinander unabhängigenEinfluss auf die Symptomentwicklung des <strong>Kind</strong>es (Hypothese 2)54 Bildungs- und Resilienzförderung im Frühbereich


Wie geht es weiter...? – Fortschritte, Resultate und Perspektiven zu den „Bildungs- und Lerngeschichten“ in der SchweizErgebnisseDie Ergebnisse zeigen, <strong>das</strong>s die mentalen Repräsentationendes <strong>Kind</strong>es den Zusammenhang zwischender Risikobelastung und den Verhaltensproblemendes <strong>Kind</strong>es nicht vermitteln (Abb. 1). Sowohl diefamiliäre Risikobelastung als auch die mentalen Repräsentationenhaben einen unabhängigen Einfluss auf dieVerhaltensprobleme des <strong>Kind</strong>es (Abb. 2). Damit wirddie Hypothese 2 bestätigt. Bezogen auf die Kohärenzbedeutet <strong>das</strong>: Je kohärenter ein <strong>Kind</strong> seine Geschichtenerzählt, desto weniger Verhaltensprobleme zeigt es. Diefamiliäre Risikobelastung hängt ebenfalls mit den Verhaltensproblemendes <strong>Kind</strong>es zusammen (je grösser dieRisikobelastung des <strong>Kind</strong>es, desto mehr Verhaltensprobleme).Dasselbe Resultat ergibt sich auf der inhaltlichenEbene: Je mehr positive Themen bzw. je weniger aggressiveThemen in den Geschichten des <strong>Kind</strong>es vorkommen,desto weniger auffällig wird <strong>das</strong> <strong>Kind</strong> in seinem Verhal-LiteraturBretherton, I. & Oppenheim, D. (2003). The MacArthur StoryStem Battery: development, administration, reliability, validity,and reflections about meaning. In R. N. Emde, D. P. Wolf& D. Oppenheim (Eds.), Revealing the inner worlds of youngchildren. The MacArthur Story Stem Battery and parent-childnarratives(pp. 55-80). New York: Oxford University Press.Goodman, R. (1997). The Strengths and Difficulties Questionnaire:A Research Note. Journal of Child Psychology andPsychiatry, 38(5), 581-586.Minze L. C., McDonald, R., Rosentraub, E. L. & Jouriles, E.N. (2010). Making sense of family conflict: intimate partnerviolence and preschoolers‘ externalizing problems. Journalof Family Psychology, 24(1), 5-11.Warren, S. L., Oppenheim, D. & Emde, R. N. (1996). Canemotions and themes in children`s play predict behaviorproblems? Journal of the American Academy of Child andAdolescent Psychiatry, 34(10), 1331-1337.Dadurch, <strong>das</strong>s die <strong>Kind</strong>er so Freude am Beobachtet-Werden und anihren Lerngeschichten haben, haben wir selbst richtig Freude an denBULG. Uns macht es Spass, die <strong>Kind</strong>er zu beobachten. (Erzieherin)ten eingeschätzt. Die Risikobelastung hat aber keinenEinfluss darauf, welche Themen <strong>das</strong> <strong>Kind</strong> in seinen Geschichteneinbringt oder wie kohärent die Geschichtenvon dem <strong>Kind</strong> erzählt werden.Die beschriebenen Zusammenhänge beziehen sich jedochnur auf die Einschätzung der Eltern. Bei denEinschätzungen der Kitamitarbeitenden ergaben sichkeine signifikanten Assoziationen zu den mentalen Repräsentationenoder der Risikobelastung des <strong>Kind</strong>es.Eine Erklärung dazu kann auf zwei Ebenen erfolgen:Zum einen haben die Eltern einen anderen (emotionalen)Blick auf ihr <strong>Kind</strong> als die Fachperson. Zum anderenverhält sich <strong>das</strong> <strong>Kind</strong> möglicherweise in den verschiedenenKontexten von Kita und Familie unterschiedlich.Die Ergebnisse zeigen den grossen Einfluss, den die Familiensituationauf die Entwicklung des <strong>Kind</strong>es hat. Sieverdeutlichen aber auch, <strong>das</strong>s schon <strong>Kind</strong>er ab drei Jahrenüber mentale Bilder der Welt verfügen, die sich auchin ihrem Verhalten widerspiegeln.<strong>Newsletter</strong> März <strong>2013</strong>55


Wie geht es weiter...? – Fortschritte, Resultate und Perspektiven zu den „Bildungs- und Lerngeschichten“ in der SchweizDer „Orientierungsrahmen für frühkindliche Bildung, Betreuung und Erziehung in der Schweiz“und seine Beziehung zu den „Bildungs- und Lerngeschichten“Corina Wustmann SeilerUnter dem Motto „<strong>Kind</strong>er entdecken die Welt. Angesporntvon ihrer Neugier. Aufmerksam begleitet von uns“hat <strong>das</strong> <strong>Marie</strong> <strong>Meierhofer</strong> <strong>Institut</strong> für <strong>das</strong> <strong>Kind</strong> (MMI)im Auftrag des Netzwerks <strong>Kind</strong>erbetreuung Schweizund der Schweizerischen UNESCO-Kommission einen„Orientierungsrahmen für frühkindliche Bildung, Betreuungund Erziehung in der Schweiz“ (vgl. Wustmann& Simoni, 2012) erarbeitet. Im Mai 2012 wurde dieserOrientierungsrahmen der Öffentlichkeit vorgestellt.Seither liegt <strong>das</strong> Dokument als erstes Referenzinstrumentfür die pädagogische Arbeit im Frühbereich vor.Der Orientierungsrahmen soll eine Orientierungs- undVerständigungshilfe für die Bildung, Betreuung und Erziehungvon <strong>Kind</strong>ern von 0 bis 4 Jahren bereitstellen. Erbeschreibt, wie kleine <strong>Kind</strong>er lernen, und wie wir Erwachsenesie bei ihren Bildungs- und Lernprozessenbestmöglich begleiten können. Er richtet sich an Eltern,Erziehende in <strong>Kind</strong>ertageseinrichtungen, Spielgruppenund Tagesfamilien sowie an Entscheidungsträger,Ausbildungsstätten und Lehrpersonen in <strong>Kind</strong>ergärten/Schuleingangsstufen.Warum ein Orientierungsrahmen?Für die Schweiz existiert bislang kein gemeinsamesGrundverständnis, keine übergreifende Orientierungshilfefür die Bildung, Betreuung und Erziehung kleiner<strong>Kind</strong>er. In der Praxis lässt sich seit geraumer Zeit eineenorme Heterogenität in den vorhandenen pädagogischenKonzepten und Umsetzungsstrategien feststellen.In vielen anderen Ländern liegen bereits seit längererZeit entsprechende Dokumente vor, welche die pädagogischeArbeit im Frühbereich definieren und umsetzenhelfen. Ein solches Arbeitsinstrument dient dazu, einenroten Faden für eine gute Qualität von Bildungs- undBetreuungsangeboten zu gewährleisten bzw. gemeinsam(weiter) zu entwickeln. Es regt zur Reflexion undDiskussion über wichtige pädagogische Inhalte an: Wielernen kleine <strong>Kind</strong>er? Wie können wir jedem <strong>Kind</strong> einanregendes Lernumfeld bereitstellen, damit es sich mitder Welt aktiv auseinandersetzen kann? Was sind wichtigeGrundbedingungen, damit sich jedes <strong>Kind</strong> von Geburtan physisch und psychisch gesund entwickeln und ander Gemeinschaft mit anderen teilhaben kann? WelcheErfahrungsmöglichkeiten brauchen kleine <strong>Kind</strong>er imAlltag?Entwicklung des OrientierungsrahmensDie Erarbeitung des Orientierungsrahmens stützt sich aufaktuelle fachwissenschaftliche Erkenntnisse sowie aufeine eigens dafür vom MMI schweizweit durchgeführteDelphi-Expertenbefragung mit über hundert VertreterInnenaus Praxis, Wissenschaft, Ausbildung, Verwaltungund Politik. Über zwei Befragungswellen hinweg konntendie Teilnehmenden ihre Meinungen und Perspektivenzur Entwicklung des Orientierungsrahmens kundtun. DieBefragungsergebnisse zeigten, <strong>das</strong>s sich die Mehrheit einen„offenen“ Orientierungsrahmen wünscht, welcherder Praxis vor Ort individuellen und methodischen Gestaltungsspielraumüberlässt. Er sollte sich an wichtigenGrunddimensionen kindlicher Entwicklung ausrichtenund <strong>das</strong> erfahrungsbasierte, spielerische Lernen der frühen<strong>Kind</strong>heit betonen.56 Bildungs- und Resilienzförderung im Frühbereich


Wie geht es weiter...? – Fortschritte, Resultate und Perspektiven zu den „Bildungs- und Lerngeschichten“ in der SchweizAufbau des OrientierungsrahmensDer Struktur des Orientierungsrahmens versteht sichals eine Art „Treppe“ – beginnend mit dem Fundament.Dieses umfasst die Grundlagen und pädagogischen Orientierungen,wie z.B. unser Bildungsverständnis sowieunsere Vorstellungen vom sich entwickelnden und lernenden<strong>Kind</strong>.Die zweite Stufe bilden so genannte Leitprinzipien. Siebeschreiben grundlegende Entwicklungsbedingungenvon <strong>Kind</strong>ern, ausgerichtet an den notwendigen Grundbedürfnissenund Rechten von <strong>Kind</strong>ern, z.B. physischesund psychisches Wohlbefinden, Zugehörigkeit und Partizipation,Stärkung und Ermächtigung.Die dritte Stufe bezieht sich auf unsere Aufgaben als Erwachsene,auf unser konkretes pädagogisches Handeln:wie wir stärkende Lerndialoge mit <strong>Kind</strong>ern gestalten undihre Bildungsprozesse moderieren, wie wir BildungsundErziehungspartnerschaften mit Eltern und weiterenErziehenden aufbauen und pflegen, wie wir die pädagogischeQualität der Bildungs- und Betreuungsangeboteüberprüfen und weiterentwickeln.Vom <strong>Kind</strong> aus denken...Der Orientierungsrahmen soll uns Erwachsene dazu anregen,die Welt aus der Sicht der <strong>Kind</strong>er zu betrachten.Er stellt die Reichhaltigkeit und Bedeutung ihrer frühenBildungs- und Lernprozesse ins Zentrum und lässtuns darauf achten, wie jedes <strong>Kind</strong> dabei seinen eigenenWeg geht. Er will ein Bewusstsein dafür schaffen,wie wertvoll diese ersten Lernerfahrungen für die weitereBildungs- und Entwicklungsbiographie von <strong>Kind</strong>ernsind und welchen Herausforderungen wir Erwachseneuns bei der Begleitung ihrer Bildungs- und Lernprozessestellen müssen.BULG sind ein methodisches Handwerkszeug zur Umsetzungdes Orientierungsrahmens in der Praxis. Kitas,welche regelmässig mit den BULG arbeiten, leisteneinen entscheidenden Beitrag zur Umsetzung des Orientierungsrahmens.Gleiches gilt für Kitas, welche ihrepädagogische Arbeit nach dem „infans-Konzept derFrühpädagogik“ ausrichten.Wie weiter?Bis 2014 wird der Orientierungsrahmen mit verschiedenenPartnern aus Kantonen, Städten, Ausbildung, Verbändenund Trägerschaften in der Praxis erprobt und diskutiert.Verantwortlich für diese zweite Projektphase ist die Projektträgerschaft:<strong>das</strong> Netzwerk <strong>Kind</strong>erbetreuung Schweizund die Schweizerische UNESCO-Kommission.Zum Orientierungsrahmenwww.orientierungsrahmen.chWeitere Informationenwww.netzwerk-kinderbetreuung.ch → OrientierungsrahmenLiteraturWustmann Seiler, C. & Simoni, H. (2012). Orientierungsrahmenfür frühkindliche Bildung, Betreuung und Erziehungin der Schweiz. Erarbeitet vom <strong>Marie</strong> <strong>Meierhofer</strong> <strong>Institut</strong>für <strong>das</strong> <strong>Kind</strong>, erstellt im Auftrag der SchweizerischenUNESCO-Kommission und des Netzwerks <strong>Kind</strong>erbetreuungSchweiz. Zürich.Verbindung zu den „Bildungs- und Lerngeschichten“Die Arbeit mit den „Bildungs- und Lerngeschichten(BULG)“ bildet einen wichtigen Grundpfeiler für dieUmsetzung des Orientierungsrahmens. Das dem Orientierungsrahmenzugrunde liegende Bildungsverständnis,die beschriebenen Leitprinzipien frühkindlicher Bildung,Betreuung und Erziehung sowie die dargelegtenGrundlagen und Arbeitsweisen einer bildungsorientiertenArbeit in der Praxis finden sich vollumfänglich indem Verfahren und der Anwendung der BULG wieder.Der Orientierungsrahmen kann als <strong>das</strong> „Dach“ bzw.Referenzkonzept für die pädagogische Arbeit mit denBULG verstanden werden, was insbesondere im Kapitel3 zum pädagogischen Handeln deutlich wird. Die<strong>Newsletter</strong> März <strong>2013</strong>57


Wie geht es weiter...? – Fortschritte, Resultate und Perspektiven zu den „Bildungs- und Lerngeschichten“ in der SchweizWeiterführende LiteraturhinweiseCarr, M. (2011). Young children reflecting on their learning:teachers’ conversation strategies. Early Years, 3, 257-270.Carr, M. & Lee, W. (2012). Learning Stories. ConstructingLearner Identities in Early Education. London u.a.: SAGEPublications Inc.Cloos, P. & Schulz, M. (Hrsg.)(2012). <strong>Kind</strong>liches Tun beobachtenund dokumentieren: Perspektiven auf die Bildungsbegleitungin <strong>Kind</strong>ertageseinrichtungen. Weinheim, Basel: Juventa.Dietschi, I. (2012). Früh übt sich. wir eltern, 11, 24-29.Fritz, A. (2012). Von der Lerngeschichte zum Projekt. Ein Erfahrungsbericht.<strong>Kind</strong>ergarten heute, 2, 32-36.Haas, S. (2012). Das Lernen feiern: Lerngeschichten aus Neuseeland.Betrifft KINDER extra. Verlag <strong>das</strong> Netz.Haucke, K. (2010). Learning-Storys sind anders als BildungsundLerngeschichten. Eine Neu-Seh-Land-Reise. KiTa BW,9, 177-178.Hebenstreit-Müller, S. & Müller, B. (Hrsg.)(2012). Beobachtenin der Frühpädagogik: Praxis – Forschung – Kamera.Weimar, Berlin: verlag <strong>das</strong> netz.Henneberg, R., Klein, L. & Vogt, H. (2012). Mit <strong>Kind</strong>ern imDialog. Betrifft <strong>Kind</strong>er, 8-9, 36-41.Henneberg, R., Klein, L. & Schäfer, G. (2011). Das Lernender <strong>Kind</strong>er begleiten. Bildung, Beziehung, Dialog. Ein Fotoband.Seelze: Kallmeyer.Hildebrandt, F. & Preissing, C. (2012). <strong>Kind</strong>ern respektvollbegegnen – gemeinsam nachdenken. Welt des <strong>Kind</strong>es, 5,14-17.Mohr, M. (2009). „Wir haben uns auf den Weg gemacht!“ DieEinführung der Bildungs- und Lerngeschichten beim TrägerStadt Reutlingen. KiTa BW, 5, 100-10<strong>4.</strong>Nagel-Bachmann, S. (2012). Stolze, strahlende <strong>Kind</strong>eraugen.Erfahrungen einer Kita-Leiterin. Mercator News, 1, 26-27.Pomeranets, F. (2012). Bildungs- und Lerngeschichten. 4bis8,1/2, 30-31.Remsperger, R. (2010). Gemeinsam lernen mit „Bildungs- undLerngeschichten“. In Ebert, S. (Hrsg.), <strong>Kind</strong>ergarten heutespezial. Die Kita als lernende Organisation (S. 6-15). Freiburgim Breisgau: Verlag Herder.Ries-Schemainda, G. (2012). <strong>Kind</strong>er verstehen und achten.Welt des <strong>Kind</strong>es, 5, 18-21.Schaerer-Surbeck, K. (2012). Frühkindliche Bildung mitMehrwert. 4bis8, 3, 28-29.Spirig Mohr, E. (2012). Die Zusammenarbeit stärken. 4bis8,4, 28-29.Wustmann Seiler, C. (2012). Bildungs- und Lerngeschichtenim Kita-Alltag. SozialAktuell, 5, 15-17.Wustmann Seiler, C. & Simoni, H. (2012). Persönliche Lerngeschichtenfür jedes <strong>Kind</strong>. Mercator News, 1, 23-25.DanksagungWir danken allen Leitungen und Mitarbeitenden aus den beteiligten Projekteinrichtungen für ihr grosses Engagementund ihre tatkräftige Unterstützung bei der Entstehung der Projektnewsletter. Ihre Texte und ihr Fotomaterial gebenuns einen intensiven Einblick in die konkrete Praxisumsetzung der „Bildungs- und Lerngeschichten“. Sie ermöglichenden gemeinsamen Diskurs der „Bildungs- und Lerngeschichten“ und den Transfer von Wissenschaft und Praxis.Dass wir auch nach über drei Jahren noch mit so offenen Türen bei Ihnen empfangen werden und die „Bildungs- undLerngeschichten“ als so lebendig erleben können, freut uns dabei ganz besonders. In diesem Sinne blicken wir gespanntund vorfreudig auf eine weitere gute und „nachhaltige“ Zusammenarbeit!KontaktProjekt „Bildungs- und Resilienzförderung im Frühbereich“Dipl.-Päd. Corina Wustmann SeilerTel.: +41 44 205 52 20Email: wustmann@mmi.chHomepage: www.mmi.ch/bildungsprojektWeiterbildungsangebot „Bildungs- und Lerngeschichten“lic.phil. Eliza Spirig MohrTel.: +41 44 205 52 20Email: spirig@mmi.chHomepage: www.mmi.ch/bildungsangebote/bildungs-und-lerngeschichten58 Bildungs- und Resilienzförderung im Frühbereich


Unter dem Titel „Bildungs- und Lerngeschichten inder Schweiz - Umsetzungserfahrungen und Materialien“werden wir voraussichtlich im Sommer <strong>2013</strong>die Ergebnisse und Entwicklungsarbeiten aus derPraxisimplementierung des Projekts veröffentlichen.In der Publikation finden sich ausführliche Ergebnisberichtesowie weiterführende Vertiefungstexte zurUmsetzung der „Bildungs- und Lerngeschichten“ inder Praxis (z.B. zur Reflexion der „nächsten Schritte“oder zur Umsetzung bei Säuglingen und Kleinkindern).Darüber hinaus werden darin sämtlicheBeobachtungs- und Dokumentationsmaterialien verzeichnetsein. (Projektteam)

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