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Jahresbericht Murg-Stiftung 2008

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Multi-Problem-Familien mit psychosozialenBelastungenRosemary Capt, dipl. Sozialarbeiterin FHSeit nun bald fünf Monaten arbeite ichals dipl. Sozialarbeiterin im EPD Team.Die Beratungen für Klienten in Schwierigkeitenverlangen individuell ausgestalteteHilfestellungen. Auffällig vieleKlienten (mit steigender Tendenz), diemit innerfamiliären Konfliktsituationenin den unterschiedlichsten Bereichen konfrontiert sind,werden im Sozialdienst beraten. Eine differenzierte Auseinandersetzungmit dem Phänomen Multi-Problem-Familienscheint als Reflexion und als Einblick in die Arbeit der Sozialberatungfür diesen <strong>Jahresbericht</strong> geeignet.Gesellschaftliche Veränderungen und ökonomische Wandlungsprozesseführen zu erschwerenden Verhältnissen vielerFamilien. Die allgemeinen Merkmale von Multi-Problem-Familien sind Problemlagen in nahezu allen relevantenBe reichen des täglichen Lebens. Themen wie Arbeitslosigkeit,Verschuldung, Armut, physische und psychische Erkrankungen,Überforderungen im Sozialversicherungsdschungel under schwerende Faktoren kultureller und sprachlicher Herkunftführen zu grossen Belastungen.Der Begriff Multi-Problem-Familie ist ein Label, keine Diagnoseund damit weder klinisch noch soziologisch scharf abgegrenzt.Gemeint sind Familien, die den unteren sozialenSchichten unserer Gesellschaft zuzurechnen sind. Geringe Bildungund begrenzte materielle Ressourcen gehen einher mitmangelnden sozialkommunikativen Copingressourcen. Studienzeigen zudem in diesem Zusammenhang auf, dass mit sinkendemSozialstatus die Schwere psychischer Erkrankungenzunimmt (vgl. Soziale Deprivation und Familiendynamik,Vandenhoeck & Ruprecht, 1979).Multi-Problem-Familien werden wie folgt definiert:– Mehr als ein Familienmitglied hat Probleme (z. B. psychisch,medizinisch, erzieherisch)– «Chaotische Familien» (z. B. Gewalt, Missbrauch, Drogenabhängigkeit,wechselnde Partner)– Soziale Benachteiligung (z. B. Armut, Isolation, Arbeitslosigkeit,Diskriminierung)– Ablehnung von Therapieangeboten («unmotiviert»)– Multiples Helfersyndrom (Multi-Institutionen-Familien)– Andauernde Beziehung zwischen Helfern und «Hilflosen»,Druck von AussenstellenWas bedeutet dies für Konsultationen?Häufig sind die Familien bereits über Jahre von einander sichablösenden oder gleichzeitig tätigen Sozialarbeitenden undTherapeuten begleitet. Eine Grundhaltung «Da sein, aber nichtununterbrochen zur Verfügung stehen» ist im Coaching vonMulti-Problem-Familien förderlich. Empowerment ist einesder Instrumente aus der Sozialen Arbeit in der Beratung vonKlienten aus Multi-Problem-Familien. Dieses Modell unterstütztdie «Hilfe zur Selbsthilfe». Eine partizipative Form derZusammenarbeit, ein möglichst dichter informativer Austauschund die dadurch entstehende Förderung der Befähigungvon Familienmitgliedern verhilft Klienten, für ihre multiplenProbleme selbst konstruktive Lösungen zu finden.Der Einbezug von mehreren Familienmitgliedern in dieBeratung oder Therapie ist meist hilfreich. Zahlreiche Therapieangeboteexistieren, wie zum Beispiel die Mehrfamilien-Therapie, die Familien aus ihrer Isolation befreien und Instrumentezur Selbstreflexion und zu Loslösungen aus vielerleiAbhängigkeiten zur Verfügung stellen. Als Beispiel kann dasMarlborough-Modell (GB) erwähnt werden. Eine Multi-Familien-Tageskliniksetzt in ihrer Arbeit auf «naturalistische»Settings mit «Live»-Problemen. Betroffene werden nicht inKliniken eingewiesen, sie werden dreimal im Jahr in ein12-Wochen-Programm einbezogen. Vier bis sechs Familienwerden in einer Gruppe zusammengefasst. Die Multi-Familien-Therapieschafft verschiedene Kontexte, innerhalb dererverschiedene Subgruppen gebildet werden. Die Therapie wirdmassgeschneidert. Kollegen der verschiedensten therapeutischenRichtungen sind im Center tätig, aber der systemischeAnsatz ist übergreifend. Die Familien lernen schnell und werdenExperten in der Beratung für die jeweils anderen Familien,sogar zu Coaches füreinander. Es entsteht ein Netzwerk für diebislang isolierten Familien. Erfahrene «graduierte» Eltern undKinder nehmen «neuen» Familien deren Ängste und werdendarüber hinaus zu «Botschaftern» des Modells.Die Ziele einer Therapie und/oder Beratung sind wie folgt:Isolation überwinden, Stigmatisierungen abbauen, Solidarisierungfördern, zu neuen Sichtweisen anregen, das «Von-einander-Lernen»,sich «gespiegelt» sehen, gegenseitige Unterstützung,von «hilflos» zu «hilfreich» und letztendlich Hoffnungenwecken. Interventionen geschehen auf den Ebenen «Familie»,«Individuum», «Freunde/Schule» und über «soziale Netzwerke».Eine grundlegende Lösung aller Probleme einer Multi-Problem-Familie kann in der Sozialberatung nicht angestrebtwerden, wohl aber eine Begleitung und dadurch eine Erleichterungvon massiver Lebenslast. Die Restrukturierung des Alltagssoll in der Beratung angestrebt werden, zur besser gelingendenBewältigung der Alltagsaufgaben und Stabilisierung von Tagesabläufen.■15

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