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Jahresbericht Murg-Stiftung 2008

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Mentalisierungsbasierte Psychotherapie – einintegrativer psychodynamischer Ansatzlic. phil. Katharina Allenspach, Fachpsychologin für Psychotherapie FSPDie Erfahrung, als Kind im Rahmeneiner sicheren und Halt gebendenBeziehung ausreichend gut verstandenzu werden, ist Grundlage für diespätere Fähigkeit, sich selbst undandere zu verstehen und spielt als allgemeinerWirkfaktor auch in Psychotherapieneine wichtige Rolle.In der mentalisierungsbasierten Psychotherapie (MBT)wird diese Fähigkeit gezielt gefördert. Entwickelt wurde sievon den englischen Psychoanalytikern Bateman und Fonagyfür die Behandlung von Borderline-Persönlichkeitsstörungen.Als psychodynamische niederfrequente Psychotherapie-Technik,welche psychoanalytische, bindungstheoretischeund neurobiologische Erkenntnisse integriert, eignetsie sich auch für andere Patientengruppen mit strukturellenSchwierigkeiten oder für Menschen in Krisensituationen.Im Mittelpunkt steht die Förderung der Fähigkeit, «sichselbst von aussen und die andern von innen zu sehen undinsbesondere Missverstehen zu verstehen.» (Schultz-Venrath,<strong>2008</strong>).Mentalisieren als Grundlage für Einfühlung,Selbstregulation und AbgrenzungsfähigkeitMentalisieren heisst, das Innenleben – mental states – vonsich und anderen erkennen und sinnvoll verbinden zu könnenmit dem, was aussen sichtbar ist. Es ist ein prozesshaftes,unterschwellig ablaufendes Verständnis für eigene undfremde psychische Vorgänge (Gefühle, Gedanken, Wünscheund Absichten) und dafür, wie diese inneren Vorgänge mitäusserem Verhalten zusammenhängen. Mentalisieren ermöglicht,zwischen Innen und Aussen zu unterscheiden und soz. B. die Grenzen zwischen Phantasie und Realität sicher zuerkennen. Damit verbunden ist ein Gefühl eines einheitlichen,grundsätzlich verstehbaren und handlungsfähigenSelbst, ebenso die Fähigkeit zur Affektregulation.Arten und Konsequenzen gestörter MentalisierungsfähigkeitBei gestörter Mentalisierungsfähigkeit bzw. bei derenZusammenbruch in der Krise oder in emotional besondersinvolvierenden Beziehungssituationen greift die Person aufunreifere Arten zurück, psychische und äussere Realitätwahrzunehmen und zu verknüpfen. Bateman und Fonagyunterscheiden drei Modi regressiver Verarbeitung, welchenormalen Vorstufen der Mentalisierung in der kindlichenEntwicklung entsprechen.Im Äquivalenzmodus wird die innere Realität der äusserengleichgesetzt. Eigene Gedanken und Gefühle bekommendann den Charakter von Fakten, sodass Gefühle und Gedankentatsächlich überwältigenden Charakter annehmen, wehtun,vernichten können. Sie können nicht relativiert undreguliert werden. Ein Beispiel dafür ist überwältigendesSchamerleben, welches das Gefühl der Integrität und Kohärenzder Person in deren Erleben tatsächlich zu vernichtendroht.Im Als-ob-Modus dagegen werden innere und äussereRealität zu sehr entkoppelt. Gedanken und Gefühle stimmennicht überein, es kommt zu dissoziativen Zuständenoder zu intellektualisierendem, vom eigenen Erleben weitgehendabgekoppelten und deshalb «leer» wirkendem Sprechen.Als dritten Modus unzureichender Mentalisierungbeschreiben Bateman und Fonagy den teleologischenModus. Hier versucht die Person, durch zielgerichteteManipulation der äusseren Realität bei anderen MenschenVerhalten zu provozieren, welches zur inneren Verfassungpasst, also etwa beruhigende oder entlastende Reaktionenmit dem Ziel der Aufrechterhaltung des eigenen innerenGleichgewichts. In diesem Modus meint die Person, dassnur körperlich real Beobachtbares wirklich etwas ändernkann an ihrer inneren Verfassung.Auch bei verhältnismässig gesunden und potenziell mentalisierungsfähigenMenschen sind die beschriebenen ModiBestandteil des psychischen Lebens und haben keineswegsnur pathologischen Charakter. Wer entflieht nicht gerneträumend ab und zu in eine phantasiebestimmte und vomAlltag abgekoppelte Welt? Und wem ist es nicht schon geradein nahen Beziehungen passiert, dass sich innere Involviertheitnicht relativieren und regulieren liess und mächtigeFaktizität erhielt. Zum Beispiel in der Verliebtheit.Bezüglich psychischer Erkrankung ist aber wesentlich, obes einem Menschen bei Bedarf gelingt, sich aus eigener Kraftwieder auf die Bühne des reiferen Mentalisierens zu begeben,um von dort aus Anforderungen von Innen- undAussenwelt zu bewältigen.Markierte Spiegelung unterstützt die MentalisierungsfähigkeitWie arbeitet nun die MBT, um das flexible und relativierende«Spielen mit der Realität», wie die Autoren reifes Mentalisierenauch nennen, zu unterstützen? Die Autoren zitierenden englischen Psychoanalytiker und Kinderarzt Winnicott,der 1974 Folgendes geschrieben hatte:13

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