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Gesundheit: Fit durch die kalte Jahreszeit - PVD Pflegedienst ...

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Foto: privat<br />

Schwerpunkt<br />

„Ich hatte Glück – ich lebe noch“<br />

ein Poliobetroffener erinnert sich<br />

Er kennt sie gut, <strong>die</strong> „Eiserne Lunge“. Jahrzehntelang hat er jede Nacht darin verbracht.<br />

Sie hat dem heute Sechsundfünfzigjährigen das Leben gerettet.<br />

Ferdinand Schießl mit Freundin<br />

Ferdinand Schießl war zwei Jahre alt, als<br />

ihn 1958 <strong>die</strong> Poliomyelitis (Kinderlähmung)<br />

erwischte. Mit Ausnahme der<br />

rechten Hand waren alle Gliedmaßen von<br />

der Lähmung betroffen, auch <strong>die</strong> Atemmuskulatur<br />

versagte. Innerhalb kürzester<br />

Zeit wurde er ins Krankenhaus gebracht<br />

und sofort in <strong>die</strong> „Eiserne Lunge“ gesteckt.<br />

Darin lebte er von <strong>die</strong>sem Moment an.<br />

Sonst wäre er erstickt.<br />

Leben in der Eisernen Lunge<br />

12 lange Jahre im Krankenhaus folgten.<br />

Etwa 15 Kinder lagen auf der Polio-Station.<br />

Die meisten starben. Doch Ferdinand<br />

hatte Glück, er überlebte. Er wurde<br />

von einer wunderbaren Ärztin betreut,<br />

<strong>die</strong> nach drei Jahren begann, das Gerät ab<br />

und zu abzuschalten, um zu sehen, ob der<br />

kleine Junge selbstständig atmen würde.<br />

Er fühlte sich dabei zunächst völlig hilflos,<br />

hatte Todesangst. Doch plötzlich<br />

funktionierte es, zunächst für Sekunden,<br />

dann immer etwas länger. Ganz instinktiv<br />

wandte er <strong>die</strong> Froschatmung an, eine<br />

Technik, mit der man mit Hilfe der Mund-<br />

Rachen-Muskulatur Luft in <strong>die</strong> Lunge<br />

schluckt. Schließlich gelang Ferdinand<br />

<strong>die</strong>se Atemtechnik so gut, dass er nur<br />

noch in der Nacht zum Schlafen in <strong>die</strong><br />

Eiserne Lunge musste.<br />

Der Schulunterricht im Krankenbett,<br />

bei dem zumindest <strong>die</strong> Grundkenntnisse<br />

von Deutsch und Mathematik vermittelt<br />

wurden, brachte ein klein wenig Abwechslung<br />

in den grauen Alltag. Dann überlegte<br />

man: Wohin mit <strong>die</strong>sen vielen Kindern, <strong>die</strong><br />

<strong>durch</strong> <strong>die</strong> Polio bleibende Schäden zurückbehalten<br />

hatten, insbesondere Lähmungen<br />

der Arme und Beine.<br />

20 l Pflegefreund 2/12<br />

Pfennigparade hilft<br />

Die Lösung kam in Gestalt der Stiftung<br />

Pfennigparade, <strong>die</strong> 1950 zunächst als Bürgerinitiative<br />

zugunsten Polio-Gelähmter<br />

gegründet worden war. 1969 war das<br />

neugegründete Heim für Polio-Erkrankte<br />

in München fertiggestellt worden. Hier<br />

fanden Kinder aus ganz Deutschland ein<br />

betreutes Zuhause. Dorthin zog auch Ferdinand<br />

mit seinen Eltern. Erstmals lebten<br />

sie wie eine Familie zusammen. Ferdinand<br />

hatte endlich ein eigenes Kinderzimmer.<br />

Sein Bett war zwar <strong>die</strong> „Eiserne Lunge“,<br />

aber ansonsten unterschied es sich nicht<br />

von üblichen Kinderzimmern.<br />

In der Pfennigparade begann für den<br />

Heranwachsenden eine völlig neue, turbulente<br />

Zeit. Vom regelmäßigen, ernsthaften<br />

Unterricht war er zwar nicht sonderlich<br />

begeistert, dafür aber von den vielen<br />

neuen Menschen, <strong>die</strong> er kennen lernte.<br />

Schnell fand er Freunde, sowohl unter<br />

den anderen behinderten Jugendlichen,<br />

als auch unter den Zivil<strong>die</strong>nstleistenden.<br />

Die jungen Männer waren oft nicht viel<br />

älter als er, aber sie hatten in ihrem bisherigen<br />

Leben schon viel mehr erlebt. Es<br />

machte ihn neugierig, wenn sie von ihren<br />

Urlaubsfahrten, von Lagerfeuern oder von<br />

ihren Freundinnen erzählten. Gemeinsam<br />

hörten sie Musik oder besuchten ein Konzert,<br />

einen Biergarten, ein Kino.<br />

Auf dem Weg in <strong>die</strong> Unabhängigkeit<br />

Ein Sprung in <strong>die</strong> Unabhängigkeit war<br />

der Augenblick, als Ferdinand seinen ersten<br />

Elektro-Rollstuhl bekam. Zum ersten<br />

Mal in seinem Leben konnte er sich ohne<br />

fremde Hilfe fortbewegen und <strong>die</strong> Pfennigparade<br />

ganz allein bis in den letzten Winkel<br />

auskundschaften. Den Joystick, mit dem er<br />

Richtung und Geschwindigkeit bestimmen<br />

konnte, be<strong>die</strong>nte er mit der beweglichen<br />

rechten Hand, Aufzugknöpfe drückte er<br />

mit einem Mundstab. Etwas länger dauerte<br />

es, bis er sich auch außerhalb des Gebäudes<br />

zurecht fand. Denn er hatte absolut keinen<br />

Orientierungssinn und schreckliche Angst<br />

vor den Autos. Aber er war endlich mobil.<br />

Trotzdem dachte er im Alter von 24 Jahren<br />

immer öfter darüber nach, wie es ihm<br />

gelingen könnte, ein selbstständiges Leben<br />

ohne Eltern und außerhalb <strong>die</strong>ses Heimes<br />

zu führen. Zunächst suchten sich <strong>die</strong> Eltern<br />

eine neue Wohnung und Ferdinand übernahm<br />

<strong>die</strong> bisherige Wohnung in der Pfennigparade.<br />

Ein damaliger Freund zog bei<br />

ihm ein. Die Pflege wurde über den Haus<strong>die</strong>nst<br />

der Pfennigparade geregelt. Doch Ferdinand<br />

stellte bald fest, dass <strong>die</strong>se Art Pflege<br />

nicht <strong>die</strong> richtige für ihn war. Er konnte<br />

immer noch nicht frei über seinen Tagesablauf<br />

bestimmen, musste sich zum Beispiel<br />

eine Woche vorher anmelden, wenn er mal<br />

ins Kino wollte. Schließlich erkämpfte er<br />

sich <strong>die</strong> Finanzierung für drei Assistenten,<br />

<strong>die</strong> er selbst einstellte und <strong>die</strong> ihn abwechselnd,<br />

meist für je drei Tage, betreuten und<br />

in <strong>die</strong>ser Zeit bei ihm wohnten.<br />

Endlich in eigener Wohnung<br />

1983 gelang ihm endlich der Auszug aus<br />

der Pfennigparade in eine eigene Wohnung.<br />

Heute lebt der Sechsundfünfzigjährige in<br />

einer schönen Münchner Wohnung mit<br />

einem Stab von Assistenten. In der „Eisernen<br />

Lunge“ schläft er seit einigen Jahren<br />

nicht mehr. Es gab Probleme damit und<br />

Ferdinand konnte nicht mehr ausreichend<br />

mit Sauerstoff versorgt werden. Der Stickstoffgehalt<br />

im Blut stieg gefährlich an und<br />

er fiel immer öfter in einen so genannten<br />

Sekundenschlaf – für ihn eine lebensbedrohliche<br />

Situation. Es gab drei Möglichkeiten:<br />

Luftröhrenschnitt – das wollte er<br />

nicht. Sterben – das kam schon gar nicht<br />

in Frage. Also blieb nur <strong>die</strong> Atemmaske<br />

in der Nacht. Nach einer sehr schwierigen<br />

Gewöhnungsphase kommt er damit nun<br />

gut zurecht.<br />

Zum Glück, denn Ferdinand Schießl<br />

hat immer noch viel vor – insbesondere<br />

zusammen mit Karin, <strong>die</strong> er vor ein paar<br />

Jahren im Internet kennen lernte und mit<br />

der ihn seitdem eine in jeder Hinsicht<br />

glückliche Beziehung verbindet.<br />

Margit Glasow<br />

VbA Selbstbestimmt Leben e. V.<br />

Der Verbund behinderter Arbeitgeber-<br />

Innen! berät Menschen mit Behinderung<br />

in München bei der Planung und<br />

Durchführung eines selbstbestimmten<br />

Lebens. Sie entscheiden selbst, wo und<br />

wie sie leben. Da<strong>durch</strong> haben Menschen<br />

mit Behinderung <strong>die</strong> Möglichkeit, ihre<br />

Assistenten selbst auszuwählen, einzustellen<br />

und anzulernen. Menschen mit<br />

Behinderung werden so zu Arbeitgebern.<br />

Ferdinand Schießl (Seite 20) hat <strong>die</strong>sen<br />

Verein zusammen mit anderen Betroffenen<br />

gegründet.<br />

Weitere Infos bei:<br />

VbA-Selbstbestimmt Leben e. V.<br />

Landsberger Str. 45, 80339 München<br />

Telefon: 0 89 / 41 90 00 16<br />

www.vba-muenchen.de<br />

inf@vba-muenchen.de

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