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Fotodokumentation 2011 - Akademie Frankenwarte

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Seminar-Foto-Dokumentation<br />

Deutsche und Polen im Dialog:<br />

Solidarität – soziales Kapital für ein vereintes Europa?<br />

vom 3. bis 8. Juli <strong>2011</strong> in Wroclaw/Breslau<br />

Eine Kooperationsveranstaltung der <strong>Akademie</strong> <strong>Frankenwarte</strong> Würzburg, der Stiftung für<br />

Internationale Bildung Wroclaw und Dom Spotkan im. Angelusa Silesiusa Wroclaw; gefördert aus<br />

Mitteln der Stiftung für deutsch-polnische Zusammenarbeit und dem Büro der Friedrich-Ebert-<br />

Stiftung, Warschau.<br />

Die 1980er Jahre waren das Jahrzehnt der Solidaritätsbewegung in Polen, anderen osteuropäischen<br />

Ländern und der ehemaligen DDR. Deren Wirken fand mehr und mehr Widerhall in den<br />

Bevölkerungen und erhielt wachsende ideelle und materielle Unterstützung aus dem Westen. Die<br />

aktuellen Krisen in der EU legen die Frage nahe, wie Solidarität als soziales und demokratisches<br />

Kennzeichen der Gemeinschaft neue Impulse geben kann.<br />

Daher beschäftigten sich die 27 deutschen und polnischen Teilnehmerinnen und Teilnehmer über<br />

das Seminar hinweg mit der Solidarnosc-Bewegung und der Frage, welche Lehren für heute<br />

gezogen werden können. Doch zu Beginn gab es eine weitere Frage zu klären:<br />

Was verstehen WIR unter Solidarität?


Weshalb entstand eine der größten politischen Massenbewegungen Europas gerade in Polen?<br />

Mit dieser Frage begann Dr. Wojciech Kucharski, stellvertretender Direktor des Instituts<br />

Еrinnerung und Zukunft seinen Vortrag, in dem er die Vorgeschichte, das politische, wirtschaftliche<br />

und gesellschaftliche Umfeld beleuchtete und auch auf die interessante Geschichte der Solidarnosc-<br />

Bewegung in Niederschlesien Bezug nahm.<br />

Ein Ziel des Seminars lag darin, zu ergründen, wann und wodurch einzelne Menschen zu<br />

Akteurinnen und Akteuren der Bewegung wurden. Interessante Einblicke erhielt der deutsche Teil<br />

der Gruppe durch die biografischen Rückblicke und Schilderungen der polnischen Teilnehmenden.<br />

So erinnerte eine Polin noch sehr gut die Stimmung im Jahre 1981 im Parteibüro, in dem sie damals<br />

ein Praktikum machte. Ein Lehrer berichtete von dem politischen Engagement an Schulen und<br />

Universitäten, von der kurzen Phase der Pressefreiheit, der Aufbruchstimmung und der Angst vor<br />

Verhaftungen nach Verhängung des Kriegszustandes. Eine jüngere Frau erzählte von der<br />

Atmosphäre zu Hause, die sie als Kind wahr nahm, den leeren Regalen in den Geschäften und den<br />

Gesprächen der Eltern. Auch die deutschen Teilnehmenden hatten Erinnerungen an diese Zeit - und<br />

natürlich viele Fragen, so zum Beispiel: Wie erklärte man sich damals die Verhängung des<br />

Kriegszustandes und was weiß man heute?<br />

„Die Demokratie gibt uns ein zweites Leben“<br />

Höhepunkte im Seminar waren die Zusammenkünfte mit den beiden Solidarnosc-Ikonen Josef<br />

Pinior und Wladyslaw Frasyniuk, da durch deren Schilderungen eine besonders intensive<br />

Auseinandersetzung mit den Zielen, Rahmenbedingungen und den Errungenschaften der<br />

Solidarnosc-Bewegung möglich wurde. Die Werdegänge der beiden Persönlichkeiten seit 1989 und<br />

ihre unterschiedlichen Standpunkte heute im Hinblick auf die politische und gesellschaftliche<br />

Situation zeigten auf, wie verschieden selbst die Positionen derer sein können, die den Wandel<br />

Polens herbeiführten: Josef Pinior, bekannt dafür, dass er 80 Millionen Zloty kurz vor Verhängung<br />

des Kriegsrechts sicherstellte, im Untergrund arbeitete, daraufhin für mehrere Jahre inhaftiert<br />

wurde, ist bis heute politisch sehr engagiert und war von 2004 bis 2009 Mitglied des Europäischen<br />

Parlaments. „Das vereinte Europa als Ziel wird ja zum Glück von niemandem mehr bezweifelt. Den<br />

Kritikern im Parlament habe ich immer gesagt: Als Pole bin ich froh, dass wir uns hier als Bürger<br />

begegnen können und nicht als Soldaten!“


Wladyslaw Frasyniuk, ebenfalls für mehrere Jahre in Haft, wurde als Walesa-Nachfolger gehandelt,<br />

zog sich jedoch aus der Politik zurück und wirft den PolitikerInnen des Landes vor,<br />

rückwärtsgewandt zu sein und keine Antworten für die entscheidenden Fragen des<br />

Modernisierungsprozesses Polens zu bieten. Er ist heute als erfolgreicher Unternehmer tätig. „Die<br />

Demokratie gibt uns ein zweites Leben, aber auch den Kommunisten, den Sicherheitsleuten und<br />

jenen, die nicht den Mut zum Köpfen hatten.“


Das Gespräch mit Kazimierz Kimso, Regionalvertreter der Gewerkschaft Solidarnosc in der<br />

Region Dolny Slask NSZZ zeigte, wie schwierig heute Gewerkschaftsarbeit in Polen ist. Die drei<br />

größten Gewerkschaften, heute zusammen nur noch circa. 1,7 Millionen Mitglieder, müssen sich<br />

mit vielen Veränderungen auseinandersetzen, auch damit, dass der Transformationsprozess die<br />

Menschen verändert hat. Über die europäische Wirtschafts- und Klimaschutzpolitik gab es sehr<br />

unterschiedliche Standpunkte zwischen dem Referenten und deutschen Teilnehmenden. So entstand<br />

die Idee, ein deutsch-polnisches Seminar für GewerkschaftsvertreterInnen zu initiieren, welche auf<br />

größte Zustimmung bei allen Beteiligten stieß. „Еs ist wirklich wichtig, dass wir uns besser kennen<br />

lernen. Wir Deutsche müssen den Polen erklären, weshalb wir alle vom Klimaschutz profitieren.<br />

Und ich brauche bessere Informationen, wie der Transformationsprozess in Polen von statten geht“,<br />

so eine deutsche Teilnehmerin, die als Journalistin tätig ist.<br />

„Wir wären heute nicht hier, wenn es diese Erfahrungen nicht gegeben hätte!“<br />

Nicht müde wurde Dr. Ewa Unger, ehemalige Vorsitzende des Clubs der katholischen Intelligenz<br />

Wroclaw und Mit-Initiatorin der Stiftung Kreisau, auf die mentale Bedeutung der deutschen<br />

Hilfsleistungen während des Kriegszustandes aufmerksam zu machen: „Dass es auch solche


Deutschen gibt, war eine unglaublich wichtige Erfahrung für viele Polen. Wir wären heute nicht<br />

hier, wenn es diese Erfahrungen nicht gegeben hätte!“<br />

Erinnerungen an das Zusammenwachsen der beiden deutschen Gesellschaften riefen die<br />

Schilderungen des Abgeordneten Julian Golak hervor, der 1989 den Verein der polnischtschechisch-slowakischen<br />

Solidarität mitbegründete und seitdem viele Aktivitäten für Bürgerinnen<br />

und Bürger entlang des 300 Kilometer langen Grenzgebietes organisiert.<br />

„Wir müssen einen Teil der Hilfen, die wir durch die EU und NATO erhalten haben und<br />

erhalten, an unsere Nachbarn weiter geben“<br />

Die behutsame, aber beharrliche Unterstützung von Nichtregierungsorganisationen in der Ukraine<br />

und Weißrussland, die Marek Stanielewicz erläuterte, erstaunte viele Teilnehmende. Aber die<br />

Tatsache, dass auch mit staatlichen Instanzen zusammen gearbeitet würde, war für viele Deutsche<br />

nicht akzeptabel. „Die EU hat nur ihre Machtinteressen im Blick, wir Polen denken an die Bürger,“


so der Referent, womit eine lebhafte Debatte ausgelöst wurde. Sehr nachdenklich machten seine<br />

Schilderungen über die radikal schlechter werdenden Lebensbedingungen in Weißrussland. Hier<br />

läge ein großer Brennpunkt, die Krise könnte sich schon diesen Herbst zuspitzen, so die<br />

Einschätzung des Referenten.<br />

„Мan kann Geschichte jederzeit ändern - wenn man nur will“.<br />

Viel Anerkennung erhielt Stanielewicz für sein Engagement bei der Ausstellungsgestaltung<br />

Wroclaw Solidarisch, die binnen drei Monaten über 50.000 BesucherInnen aufsuchten. Unter<br />

www.solidarnywroclaw.pl kann das Konzept der Ausstellung nachempfunden werden: Geschichte<br />

erfahrbar machen durch die Erinnerung der Bürgerinnen und Bürger, durch das Zusammentragen<br />

von Gegenständen Gefühle und Assoziationen wachrufen, Gesprächsanreize herstellen und<br />

Informationen anbieten. Die Botschaft der Ausstellung nach Stanielewicz: „Мan kann Geschichte<br />

jederzeit ändern - wenn man nur will“. Und: Freiheit muss gepflegt werden!“<br />

„Die orangene Alternative muss im kollektiven Gedächtnis bewahrt werden!“<br />

Nicht minder interessant war es, endlich Hintergründe zu den vielen kleinen Zwergen zu erfahren,<br />

die überall als Bronzefiguren im Stadtbild Breslaus zu finden sind. Die orangene Alternative darf als<br />

wichtige Jugendprotest- und -kunstbewegung nicht in Vergessenheit geraten. „Warum wussten wir


davon nichts?“, so eine deutsche Teilnehmerin. Für die polnischen Teilnehmenden, die in den 80er<br />

Jahren SchülerInnen oder StudentInnen waren, war der Rückblick auf die Aktionen der<br />

Jugendlichen damals ein Gang in die eigene politische Emanzipationsbewegung.<br />

Um neben der Stadt Wroclaw auch Eindrücke über die Region zu erhalten, unternahm die Gruppe<br />

eine Tagesexkursion in Richtung Sudetengebirge und erwanderte eine Route, die einst polnischtschechisch-slowakische<br />

Boten nutzten, um Informationen auszutauschen.<br />

Die vielen gewonnenen Eindrücke und neu aufgeworfenen Fragen mussten natürlich ausführlich<br />

besprochen werden. Dies gelang hervorragend durch den wunderbaren Service in der Stiftung für<br />

Internationale Bildung, in der sich die Gruppe ausgesprochen wohl fühlte. Unvergessen der Abend<br />

im Salon Slaski oder die wunderschöne abendliche Schiffsfahrt auf der Oder.


Kommunikation über Sprachbarrieren hinweg führen zu können ist nur möglich, wenn kompetente<br />

Sprachmittlerinnen rund um die Uhr im Einsatz sind. Mit Grazina Wiercimok, Magda Zatyny,<br />

Agnieszka Kalbarczyk und Renata Bardzik-Milos stand allen Teilnehmenden wieder ein<br />

wunderbares Team zur Verfügung, dem ein herzlicher Dank gebührt.


Und welche Lehren können für die heutige Situation auch im Hinblick auf die Europäische<br />

Union gezogen werden?<br />

„Politische Systeme können verändert werden. Die Polen haben uns dies gezeigt und wir sollten<br />

ihnen dafür größte Anerkennung in der EU zollen“, so ein wichtiges Fazit des Seminars.<br />

„Wir sollten in zwei Jahren ein polnisch-deutsch-ukrainisches Seminar in der Ukraine veranstalten.<br />

Wir Deutsche wissen so wenig über die Situation dort und unsere polnischen Freundinnen und<br />

Freunde können uns wichtige Brücken bauen.“<br />

„Wir haben im Seminar gesehen, dass wirklich vieles erreicht wurde. Wir führen keine Kriege mehr<br />

gegeneinander. Wir haben Diktaturen überwunden. Mittel- und Osteuropa macht Demokratie- und<br />

Freiheitserfahrungen. Was wir noch vor uns haben, ist der Aufbau einer Bürgergesellschaft, in der<br />

nationale Traditionen Platz haben.“<br />

„Zu Beginn des Seminars verbanden wir mit Solidaritätsprinzip wirtschaftliche und<br />

gesellschaftliche Assoziationen. Im Laufe des Woche wurde deutlich, dass es in Polen eine<br />

politische Bewegung war. Darauf sollten wir uns in der Europäischen Union wieder stärker<br />

besinnen: Solidarität kann erfahren werden als ein gemeinsamer Weg. Diesen zu beschreiten, kann<br />

nicht immer harmonisch sein.“<br />

„Оft stehen die größten Akteurinnen und Akteure im Mittelpunkt. Aber wir sind ebenfalls<br />

AkteurInnen und mitverantwortlich. Die Beseitigung von Barrieren im deutsch-polnischen<br />

Verhältnis ist auch ein Weg zu mehr Solidarität in der EU.“

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