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Tage der offenen Tür im Hause der Bessarabiendeutschen am 28 ...

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November 2013 Aus dem <strong>Bessarabiendeutschen</strong> Verein e.V.11<strong>Tage</strong> <strong>der</strong> <strong>offenen</strong> <strong>Tür</strong> <strong>im</strong> <strong>Hause</strong> <strong>der</strong> <strong>Bessarabiendeutschen</strong><strong>am</strong> <strong>28</strong>. und 29. September 2013VON GÜNTHER VOSSLERBUNDESVORSITZENDERWie schon die Jahre zuvor, lud <strong>der</strong> BessarabiendeutscheVerein zu seinen „<strong>Tage</strong>n<strong>der</strong> <strong>offenen</strong> <strong>Tür</strong>“ ins Haus <strong>der</strong> <strong>Bessarabiendeutschen</strong>ein. Die Besucher hatten dieMöglichkeit alle Arbeitsschwerpunkte desVereins kennenzulernen: Das He<strong>im</strong>atmuseum,die F<strong>am</strong>ilienkunde, die Bibliothekund auch die verschiedenen Archive. Auchverschiedene Bücher zur SpezialliteraturBessarabiens wurden präsentiert und zumErwerb angeboten. Zum Mittagessen serviertedas Küchente<strong>am</strong> unter <strong>der</strong> Verantwortungvon Hedwig Lust wie<strong>der</strong>um„bessarabische Spezialitäten“ wie „Kattelettenmit Kartoffel-Krautsalat“, „Pfeffersoß“,sowie leckere, eingelegte sauer-salzigeTomaten und Gurken. Wir danken<strong>der</strong> Küche des Alexan<strong>der</strong>-Stifts in Großerlach-Neufürstenhüttefür das sehr gutzubereitete Essen.Bei <strong>der</strong> Begrüßung <strong>der</strong> ersten Gäste <strong>am</strong>S<strong>am</strong>stag, den <strong>28</strong>. September 2013 stellteGünther Vossler die Arbeit des <strong>Bessarabiendeutschen</strong>Vereins vor. Er stellte dasBundestreffen, das <strong>am</strong> 25. Mai 2014 <strong>im</strong>Forum in Ludwigsburg stattfinden wirdin den Mittelpunkt. Dieses große bessarabischeBundestreffen steht unter demMotto: „Auf <strong>der</strong> Suche nach Wohlstandund Heil – Vor 200 Jahren Auswan<strong>der</strong>ungnach Bessarabien“. Er berichtete weiter,dass <strong>am</strong> 30. + 31. August 2014 die GemeindeTarutino für ihr 200-jährigesGemeindejubiläum sehr herzlich zurTeilnahme eingeladen hat. Ein Vorbereitungskreis,<strong>der</strong> sich regelmäßig in Neu-Wulmstorf (Nie<strong>der</strong>sachsen) trifft, bereitetin Neu-Wulmstorf eine 200-Jahr Feierfür Tarutino in Deutschland vor. In Neu-Wulmstorf fanden nach <strong>der</strong> Umsiedlungund <strong>der</strong> Flucht aus dem Ansiedlungsgebiet<strong>im</strong> Warthegau nahezu 100 F<strong>am</strong>ilienaus Bessarabien, <strong>im</strong> Beson<strong>der</strong>en Tarutino,eine neue He<strong>im</strong>at.Bei <strong>der</strong> F<strong>am</strong>ilienkunde widmete sich <strong>am</strong>S<strong>am</strong>stag unsere ehren<strong>am</strong>tliche Mitarbeiterin,Frau Renate Kersting, ausführlichden interessierten Besuchern, die mitganz konkreten Fragen zu ihrer F<strong>am</strong>iliengeschichtemit ihr ins Gespräch k<strong>am</strong>enund sich aufgrund ihrer Fachkompetenz„sehr gut aufgehoben“ fühlten. Da dieNachfrage <strong>der</strong> Besucher nach unterschiedlichenDokumenten <strong>der</strong> Kirchenbücheraus bessarabischen Orten bestand,und wir diese, als Mikrofilme <strong>im</strong> Bestandhaben, konnten die entsprechenden Dokumenteund Urkunden sofort ausge-druckt und den Besuchern mitgegebenwerden.Höhepunkt <strong>am</strong> S<strong>am</strong>stag war <strong>der</strong> Vortragvon Professor Siegmund Ziebart zu einemganz wichtigen Teil unserer Geschichte:„Wir werden <strong>im</strong> Warthegau und Westpreußenangesiedelt“. Herrn ProfessorZiebart war es wichtig, nicht nur die geschichtlichenEreignisse und Tatsachen zuberichten, son<strong>der</strong>n beson<strong>der</strong>s auch auf dieemotionalen Herausfor<strong>der</strong>ungen, die dieseAnsiedlung von unseren Eltern undGroßeltern gefor<strong>der</strong>t hat, einzugehen.Im Folgenden stichwortartig einige seinerAusführungen:Wir <strong>Bessarabiendeutschen</strong> wurden dochschon einmal <strong>im</strong> Rahmen <strong>der</strong> Auswan<strong>der</strong>ungangesiedelt, warum nun wie<strong>der</strong>umdiese Ansiedlung in Polen? Prof. Ziebartbeschrieb die politische Situation mit demHitler-Stalin-Pakt und wie wir <strong>Bessarabiendeutschen</strong>als eine kleine Volksgruppe,nachdem die besten Güter <strong>im</strong> Warthegauund Westpreußen schon an an<strong>der</strong>e deutscheLandsmannschaften vergeben waren,die Ansiedlungshöfe, die „übrig blieben“,erhielten. Er arbeitete heraus, wie wirBessarabiendeutsche „Spielball“ <strong>der</strong> nationalsozialistischenIdeologie wurden, diedas Ziel hatte, diesen osteuropäischenSiedlungsraum zu germanisieren. Im weiterenVortrag berichtete er, wie es denbessarabiendeutschen Kolonisten in denca. 100 Jahren in <strong>der</strong> russischen Zeit bis1917 gelang, für ihr Leben und für dieZukunft eine gute Grundlage zu legen.Unsere Vorfahren hatten sich ihren Glaubenerhalten, sie konnten ihre Traditionerhalten und weiterentwickeln und sie habenihre Sprache und Kultur erhalten.Und so k<strong>am</strong> ein Prozess in Gang, <strong>der</strong> esunseren Vorfahren ermöglichte, Russlandals ihr Vaterland anzusehen(die deutschenKolonisten verstandensich als Deutschrussen)und die Steppe als ihreHe<strong>im</strong>at. Im Weiterenwaren dann aber diegroßen Umbrüche, diewir <strong>Bessarabiendeutschen</strong>erlebten, Inhaltseines Vortrags, nämlichdie Anektion Bessarabiensdurch Rumänien<strong>im</strong> Jahre 1918, dieeinherging mit demVerlust ihrer sich herausgebildetenIdentitätals Deutschrussen. Unddann die politischen Ereignisse,als das DeutscheReich Westpolen, die Tschechoslowakeiund Österreich besetzte und auf <strong>der</strong>an<strong>der</strong>en Seite Russland unter Stalin Anspruchauf die baltischen Staaten, Ostpolendie Bukowina und Bessarabien erhob.Die Zuhörer erlebten die Spannung, <strong>der</strong>unsere Vorfahren in dieser Zeit kurz vor<strong>der</strong> Umsiedlung 1940 ausgesetzt waren:Die Sowjetunion besetzte Bessarabienund Rumänien musste Bessarabien innerhalbvon 4 <strong>Tage</strong>n räumen. Auf uns <strong>Bessarabiendeutschen</strong>wirkte dann das gehe<strong>im</strong>eZusatzprotokoll, das <strong>am</strong> 3. August 1939 inMoskau unterzeichnet wurde, dass alleDeutschen, die es wollen, nach Deutschlandausreisen dürfen. So hatten unsereVorfahren die Wahl, zu bleiben, o<strong>der</strong> zugehen. Das Herz sagte: bleiben. Der Verstandsagte: gehen. Alle 93000 <strong>Bessarabiendeutschen</strong>entschieden sich, bis auf wenigAusnahmen, zu gehen.Herr Ziebart widmete sich dann <strong>der</strong> konkretenAnsiedlungszeit <strong>im</strong> Warthegauund Polen und dem d<strong>am</strong>it verbundenenunendlichen Leid, das - <strong>im</strong> Zus<strong>am</strong>menhangmit <strong>der</strong> Ansiedlung - die polnischenBesitzer erfuhren, aber auch wir <strong>Bessarabiendeutschen</strong>.Viele Höfe, die für die<strong>Bessarabiendeutschen</strong> zur Ansiedlungvorgesehen waren, wurden erst wenigeStunden vor <strong>der</strong> Ansiedlung geräumt, dieBetten waren z.T. noch in <strong>der</strong> Nacht zuvorbenützt worden. Die Ansiedlungshöfehatten sehr unterschiedliche Qualitätenund so k<strong>am</strong> es unter den <strong>Bessarabiendeutschen</strong>zu Neid und viel Unzufriedenheit.Bei <strong>Bessarabiendeutschen</strong> mit intellektuellenBerufen, wie Lehrer, Pastoren undauch Handwerker, k<strong>am</strong> es zu großen Problemenbei <strong>der</strong> Ansiedlung, da sie nichtentsprechend mit eigenen Höfen berücksichtigtwurden. Die Ansiedlung brachteFrau Erna Theis be<strong>im</strong> Vorbereiten des Mittagessens


12 Aus dem <strong>Bessarabiendeutschen</strong> Verein e.V.November 2013Herr Professor Siegmund Ziebart bei seinem VortragInteressierte Zuhörerinnen und Zuhörervor allem für unsere bessarabiendeutscheBauern sehr große fachliche Umstellungen.Sie trafen sehr schwere Böden an,es musste Kunstdünger, den sie aus <strong>der</strong>bessarabischen Zeit nicht kannten, eingesetztwerden. Die deutsche Reichsregierunggab vor, welche landwirtschaftlichenProdukte angepflanzt werden musste, wiez.B. Zuckerrüben, Roggen und sehr vielKartoffeln. Das bedeutete eine totale Anbauumstellunggegenüber den landwirtschaftlichenProdukten, die in Bessarabienangebaut wurden. Was die technischeAusstattung <strong>der</strong> Höfe anbelangt, wurdevon unseren Bauern eine große Fähigkeitund auch Flexibilität für die Umstellunggefor<strong>der</strong>t. Man musste schwere Maschinenbedienen, es gab Selbstbin<strong>der</strong> (Garben),Düngestreuer, Häckselmaschinen,Kartoffelro<strong>der</strong> usw., also Maschinen, dieman aus <strong>der</strong> bessarabischen Zeit nichtkannte.Beson<strong>der</strong>s betroffen waren unsere Landsleutevon <strong>der</strong> sozialen Umstellung. Es gabin Polen keine Dorfgemeinschaften mehr.Meist waren es Einzelhöfe, die Verwandtenwaren weit auseinan<strong>der</strong>gerissen.Glaubensgemeinschaft in <strong>der</strong> „Stund“ warso gut wie unmöglich, und wenn, dannwurden diese Vers<strong>am</strong>mlungen sehr kritischvon <strong>der</strong> Partei gesehen. Beson<strong>der</strong>sschwer traf unsere Landsleute, dass von<strong>der</strong> Partei gefor<strong>der</strong>t wurde, dass man zuden polnischen Arbeitern und Knechtenbewusst diskr<strong>im</strong>inierend sein sollte. Sodurfte man z. B. mit Polen nicht <strong>am</strong> gleichenTisch essen, außerdem durften denpolnischen Arbeitern nur „Hungerlöhne“ausbezahlt werden. So war die St<strong>im</strong>mungunserer Landsleute dort in Polen überwiegendsehr schlecht und <strong>im</strong>mer wie<strong>der</strong>hörte man: „Wenn wir das gewußt hätten“.Es flossen sehr viele Tränen <strong>der</strong>Enttäuschung und Verzweifelung. Aberletztlich siegte bei unseren Landsleutenwie<strong>der</strong> <strong>der</strong> Pioniergeist und man fing wie<strong>der</strong>von vorne an und nach 1-2 Jahren warmancher polnische Hof repariert und diemeisten <strong>der</strong> Höfe, die uns <strong>Bessarabiendeutschen</strong>zugewiesen wurden, wie<strong>der</strong>in Ordnung. Eine ganze Reihe unsererLandsleute wurden für ihre Leistungenund Sollerfülllung durch die Partei ausgezeichnet.Geblieben ist aber während <strong>der</strong>ganzen polnischen Zeit die schwere Gewissensfrage:„Warum habt ihr die Höfein Polen nicht abgelehnt?“ Aber unsereLandsleute waren nach den langen Lageraufenthaltenso depr<strong>im</strong>iert, dass sie ebennur einen Wunsch hatten: Einen eigenenHof!! Wie<strong>der</strong> ein Bauer sein!! Als dannnach drei Jahren in Polen die Höfe wie<strong>der</strong>erfolgreiche Betriebe wurden, begann <strong>im</strong>Januar 1945 die große Offensive <strong>der</strong>Roten Armee. Sie erreichte sehr schnellden Warthegau und später auch Westpreußen.Herr Professor SiegmundZiebart schloss seinen Vortrag wie folgt:„Arm und nach Heil suchend haben sichunsere Vorfahren auf den Weg nach Bessarabiengemacht, arm kehrten sie alsFlüchtlinge, Vertriebene und Verschleppteoft erst nach Jahren zurück. Nach Wochen<strong>der</strong> Flucht, zerstreut in alle Winde,war <strong>der</strong> Krieg <strong>am</strong> 08. Mai 1945 zu Ende.“Herr Vossler dankte Herrn ProfessorSiegmund Ziebart für seinen Vortrag. Ermachte auch mit <strong>der</strong> Art und Weise seinesGemeinschaft und gute Gespräche be<strong>im</strong> MittagessenBundesgeschäftsführer Kuno Lust und seine Ehefrau Hedwig


November 2013 Aus dem <strong>Bessarabiendeutschen</strong> Verein e.V.13Vortragsstils unsere Geschichte <strong>am</strong> Beispiel<strong>der</strong> Ansiedlung <strong>im</strong> Warthegau undWestpreußen lebendig!Am Sonntag, den 29. September 2013wurde unser Tag <strong>der</strong> <strong>offenen</strong> <strong>Tür</strong> mit einerAndacht zum Monatsspruch für denMonat Oktober begonnen. Höhepunktdieses zweiten Tags war die Buchvorstellungund Lesung von Frau Martina vonSchaewen geb. Krug aus Freiberg <strong>am</strong>Neckar. Sie las aus ihrem zweiten Roman:„Budschakenblut“.In diesem Roman behandelt Martina vonSchaewen die Geschichte <strong>der</strong> <strong>Bessarabiendeutschen</strong>,die ab 1814 <strong>im</strong> „Budschak“angesiedelt wurden. In Ihrem Roman erschreibtsie sich eine Welt, in <strong>der</strong> IhreF<strong>am</strong>ilie verwurzelt ist, und die sie nurvom Hörensagen kennt. Dieser Zeit, diesemLeben will sie durch ihr literarischesWirken auf dieSpur kommen. Undmit ihrem Roman„Budschakenblut“kommt sie <strong>der</strong> Realitätund ihrerWahrheit sehrnahe. Der Romanspielt in Sarata undbeschreibt die Zeitvon 1917 – 1940.Sie schreibt in ihrem spannend geschriebenenBuch von den Träumen und Wünschen<strong>der</strong> d<strong>am</strong>aligen jungen Menschenvon Sarata, die sich verlieben, die sich fürMode interessieren, von Hochzeiten, diemitten in <strong>der</strong> Umsiedlung <strong>der</strong> deutschenBevölkerung Bessarabiens stattfinden undvon den Hoffnungen, die mit <strong>der</strong> Umsiedlungnach Deutschland für die jungenLeute verbunden sind. Ihre Lesung endete:„Im Morgengrauen stand Olga vomStuhl auf. Alle Tränen waren geweint. Einweiter Weg lag vor ihnen.“(Das Buch „Budschakenblut“ kann bei unsbestellt werden, siehe Bücherbestelleinlage indiesem Mitteilungsblatt)Die <strong>Tage</strong> <strong>der</strong> <strong>offenen</strong> <strong>Tür</strong> waren sehr gelungen.Unser Dank gilt allen ehren<strong>am</strong>tlichenMitarbeiterinnen und Mitarbeitern,die bei <strong>der</strong> Vorbereitung und <strong>der</strong>Durchführung mitgeholfen haben.Ein beson<strong>der</strong>s herzlicher Dank geht anKuno Lust für die Planung und Vorbereitungund für seinen rastlosen, engagiertenEinsatz, gemeins<strong>am</strong> mit seinerFrau Hedwig, für unsere bessarabiendeutscheSache.

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