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Max Bill - gta fh heidelberg

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<strong>Max</strong> <strong>Bill</strong>_ „Homo Universalis“<br />

von<br />

Carsten a. Büttner<br />

Oktober 2007


die vorliegende studienarbeit wurde im<br />

fachbereich architektur der srh-hochschule <strong>heidelberg</strong>,<br />

lehrgebiet geschichte und theorie der architektur,<br />

als leistungsnachweis im prüfungsfach baugeschichte II<br />

von dr. dipl.ing. architekt upw nagel betreut.<br />

www.<strong>gta</strong>-<strong>fh</strong>-<strong>heidelberg</strong>-de.


Inhaltsverzeichnis_ Homo Universalis<br />

1. Einleitung 2<br />

2. Wer ist <strong>Max</strong> <strong>Bill</strong> 3<br />

2.1 Kurzbiografie 4<br />

2.2 Der Mensch 5<br />

2.3 Der Künstler 9<br />

2.4 Der Architekt 15<br />

3. <strong>Max</strong> <strong>Bill</strong> bis zum Bauhaus 19<br />

4. <strong>Max</strong> <strong>Bill</strong> nach dem Bauhaus als Künstler 28<br />

5. <strong>Max</strong> <strong>Bill</strong> nach dem Bauhaus als Architekt 55<br />

6. Schlusswort 131<br />

7. Literaturverzeichnis 132<br />

<strong>Max</strong> <strong>Bill</strong> neber seinem Portrait von Andy Warhol<br />

1


1_ Einleitung<br />

In der folgenden schriftlichen Ausarbeitung geht es um einen Mann, der die<br />

Kunst stets als sein Hobby ansah und in erster Linie die Berufsbezeichnung des<br />

Architekten für sich beanspruchte.<br />

Ungewöhnlicherweise hat er in seiner Architekturlaufbahn jedoch nur einige<br />

wenige Projekte realisieren können, während er mit seinem künstlerischen<br />

Hobby, der Malerei und der Plastik Weltruhm erlangte und unzählige Ehrungen<br />

und Preise erhielt.<br />

Doch jene Tätigkeitsfelder sollten im Verlauf seines Lebens noch durch<br />

unzählige andere Aktivitäten in der Gestaltung, der Politik und Pädagogik<br />

bereichert werden.<br />

In allem was <strong>Max</strong> <strong>Bill</strong> tat, spürte man stets die Anwesenheit von großer Hingabe<br />

und Leidenschaft und den Willen, etwas Besonderes und Einzigartiges zu<br />

erschaffen.<br />

<strong>Bill</strong> war bestrebt seine Umwelt zu gestalten und sie positiv mit seinen Talenten<br />

zu beeinflussen. Dies tat er sowohl in der Praxis wie auch in der Theorie.<br />

Nachfolgend soll zu erst die Person <strong>Max</strong> <strong>Bill</strong> durchleuchtet und eine<br />

Differenzierung zwischen dem Künstler und dem Architekten vollzogen werden.<br />

Darauf wird sein schöpferischer Werdegang thematisiert und die wichtigsten<br />

Stationen und Werke seiner Karriere aufgezeigt. Aufgrund der Mannigfaltigkeit<br />

seines Wirkens, wird dieses in die zwei Bereiche Architektur und Kunst<br />

aufgeteilt.<br />

2


2_ Wer ist <strong>Max</strong> <strong>Bill</strong>?<br />

Die meisten Künstler unserer Zeit sind nur mit einer einzigen Begabung<br />

bekannt geworden und haben internationale Anerkennung erhalten.<br />

Wenige haben dagegen mit zwei künstlerischen Begabungen weltweite<br />

Aufmerksamkeit erreicht. <strong>Max</strong> <strong>Bill</strong> dagegen ist nicht nur ein weltweit bekannter<br />

Schweizer Maler, Plastiker, Architekt und Schriftsteller, sondern außerdem auch<br />

Designer, Typograph, Ausstellungsgestalter, Bühnengestalter, Hochschulgründer,<br />

Politiker, Kunsthistoriker, Kunstpädagoge und Umweltgestalter, dem<br />

für sein Werk und Wirken bedeutende Ehrungen und Auszeichnungen zu teil<br />

wurden. 1<br />

„Die Schweiz ist nicht eben als das Land bekannt, das der Welt die großen<br />

Universalkünstler der Renaissance geschenkt hätte. Doch sofern Vielseitigkeit<br />

und Genialität Kriterien für diese ehrende Bezeichnung sein sollten, revanchiert<br />

sie sich im 20. Jahrhundert mit <strong>Max</strong> <strong>Bill</strong>.<br />

Doch vielleicht lässt sich, bei aller gebotener Vorsicht und allen historisch<br />

bedingten Unterschieden, doch auch eine tiefer gehende Verwandtschaft <strong>Bill</strong>s<br />

mit den Ahnen unserer Ästhetik, wie Leon Battista Alberti oder<br />

Leonardo da Vinci, erkennen. Es verbindet sie die Vorstellung von einer<br />

objektiven Schönheit des Kunstwerkes, die sich gründet auf einem<br />

wissenschaftlich abgeleiteten Formenkanon und auf die Versöhnung von Gefühl<br />

und Vernunft.“ 2<br />

Aufgrund seiner malerischen Qualitäten wurde er dreimal zu der schon damals<br />

angesehenen und trendsetzenden Documenta in Kassel eingeladen und wegen<br />

seiner skulpturalen Meisterleistungen überreichte man ihm in Tokyo den<br />

„preamium imperiale“, den Nobelpreis der Kunst. <strong>Max</strong> <strong>Bill</strong> wurde der große<br />

Preis der Kunstbiennale in Sao Paulo verliehen und seine äußere und innere<br />

Formgebung der Hochschule für Gestaltung in Ulm setzte in der Architektur<br />

Zeichen, und sein Ulmer Hocker, der in Zusammenarbeit mit Hans Gugelot<br />

entstand, sowie diverse Uhren wurden zu Design- Klassikern. 3<br />

„<strong>Max</strong> <strong>Bill</strong> war ein „Homo Universalis“ der Kunst.“ 4<br />

1 Thomas Buchsteiner, Vorwort, <strong>Max</strong> <strong>Bill</strong>, Maler, Bildhauer, Architekt,…s.15, 2005<br />

2 Christoph Vitali, Zum Geleit, <strong>Max</strong> <strong>Bill</strong>- Retrospektive s.7, 1987<br />

3 Thomas Buchsteiner, Vorwort, <strong>Max</strong> <strong>Bill</strong>, Maler, Bildhauer, Architekt,…s.15, 2005<br />

4 Thomas Buchsteiner, Vorwort, <strong>Max</strong> <strong>Bill</strong>, Maler, Bildhauer, Architekt,…s.15, 2005<br />

3


2.1_ Kurzbiographie<br />

1908 Geboren in Winterthur am 22. Dezember, Bürger von Moosseedorf (Bern)<br />

1924 - 27 Ausbildung zum Silberschmied an der Kunstgewerbeschule Zürich<br />

1927 - 28 Studium am Bauhaus, Hochschule für Gestaltung, Dessau<br />

ab1929 Übersiedlung nach Zürich.<br />

Tätig als freischaffender Architekt, Maler, Plastiker, Grafiker<br />

Grafische Ausstattungen von Bauten mit Vertretern des Neuen Bauens<br />

1931 Heirat mit der diplomierten Konzert-Cellistin und Fotografin Bina Spoerri<br />

1932/33 Bau seines Wohn- und Atelierhauses in Zürich- Höngg<br />

1932- 36 Beteiligung an deb Aktivitäten der Pariser Gruppe „abstraction création“<br />

1937 Beitritt zur „Allianz“, Vereinigung moderner Schweizer Künstler<br />

1942 Geburt des Sohnes Jakob<br />

1944/45 Lehrauftrag für Formlehre an der Kunstgewerbeschule Zürich<br />

Beginn der Tätigkeit als Produktdesigner<br />

1951 Grand Prix für Plastik der Bienale von São Paulo<br />

Großer Preis der Triennale di Milano<br />

1951 - 56 Mitbegründer und Architekt der Hochschule für Gestaltung, Ulm;<br />

ab 1952 Rektor und Leiter der Abteilung Architektur und Produktform<br />

1959 Beitritt zum BSA (Bund Schweizer Architekten)<br />

1961 - 64 Chefarchitekt des Sektors "Bilden und Gestalten" der schweizerischen<br />

Landesausstellung Lausanne, 1964<br />

1961 - 68 Mitglied des Gemeinderates von Zürich<br />

1964 Ehrenmitglied des American Institute of Architects<br />

1967/68 Bau seines Wohn- und Atelierhauses in Zumikon<br />

1967 - 71 Mitglied des schweizerischen Nationalrates<br />

1967 - 74 Professor an der staatlichen Hochschule für bildende Künste, Hamburg,<br />

Lehrstuhl für Umweltgestaltung<br />

1968 Kunstpreis der Stadt Zürich<br />

1972 Wahl zum Mitglied der Akademie der Künste, Berlin<br />

1979 Kulturpreis der Stadt Winterthur<br />

Mitglied des Vorstandes des Vereins Bauhaus- Archiv in Berlin<br />

Grosses Verdienstkreuz der Bundesrepublik Deutschland<br />

1982 Kaiserring der Stadt Goslar<br />

Belgischer Kronen- Orden<br />

1988 Tod von Binia <strong>Bill</strong><br />

1989 Piepenbrock- Preis für Plastik, Osnabrück<br />

1990 Helmut- Kraft- Preis für bildende Künste, Stuttgart<br />

1991 Ehrenurkunde der 19. internationalen Grafik-Biennale, ljubljana<br />

Heirat mit der Kunsthistorikerin Dr. Angela Thomas<br />

1993 Grand Prix d’honneur der 20. internationalen Grafik- Biennale, ljubljana<br />

1994 Dr. sc. tech. h.c. der eidgenössischen technischen Hochschule Zürich<br />

1994 Am 9. Dezember stirbt <strong>Max</strong> <strong>Bill</strong> in Zürich<br />

4


2.2_ Der Mensch<br />

In einem Journal wurde einmal die Schlagzeile veröffentlicht:<br />

„<strong>Max</strong> <strong>Bill</strong>- Der Karajan der bildenden Kunst.“<br />

Ein Mensch, der <strong>Bill</strong> nicht persönlich und ihn nur aus der erscheinenden Presse<br />

kannte, hatte oft ein falsches Bild vermittelt bekommen. Sein Wesen war frei<br />

von Arroganz, vielmehr Wärme, Klugheit, Witz, viel Weisheit und Charme<br />

sprühte seinem Gegenüber stets entgegen. Eine große Faszination ging von<br />

seiner Persönlichkeit aus. „Ein Mann, den man lieb haben musste.“<br />

Jedoch war er sehr verschwiegen und ausfragen ließ er sich erst recht nicht.<br />

Von <strong>Bill</strong> etwas zu erfahren setztes kluges und geschicktes Fragen voraus. 1<br />

„<strong>Max</strong> <strong>Bill</strong> ist ganz anders, als man ihn sich vorstellte auf Grund seines Werkes.“<br />

Als Mensch war <strong>Max</strong> <strong>Bill</strong> eher sehr unzugänglich. Und doch war er sehr direkt<br />

und angriffig in seinen Meinungen. Er verschanzte sich in immer höher<br />

werdenden Bergen von Büchern und Zeitschriften und Katalogen.<br />

„Er ließ sich mit Aufträgen und Aufgaben überhäufen, obwohl er wusste,<br />

auch wen er sich im momentanen Optimismus nicht eingestehen wollte,<br />

dass er nie alle zur rechten Zeit wird ausführen können.<br />

Zeit hatte er nie, und doch verlor er sich in stundenlangen Gesprächen mit Leuten,<br />

sehr oft jungen, denen es gelang, bis zu ihm vorzudringen und deren Fragen<br />

ihn immer interessierten. Am Telefon war er nicht zu sprechen, wenn die<br />

verzweifelten Terminmahner sich meldeten, und wenn es ihm zuviel wurde,<br />

dann ging er weg. Vom Büro nach Hause oder von zuhause ins Büro.“ 2<br />

1<br />

Michael Grüning, max <strong>Bill</strong>- zum 80.Geburtstag- Begegnung mit <strong>Bill</strong> s.8f, 1988<br />

2<br />

Margit Weinberg Staber, <strong>Max</strong> <strong>Bill</strong>- Leben und Sprache s.22, 1989<br />

5


Im Büro erledigte <strong>Bill</strong> die architektonischen Aufträge, die Sekretariatsarbeiten<br />

und die publizistische Arbeit, zuhause in seinem Atelier, malte er und dachte<br />

sich seine Plastiken aus.<br />

Die künstlerische Arbeit ist für ihn nicht nur Hobby und Freiheitsraum, in dem er<br />

unabhängig von äußeren Ansprüchen seine eigenen Entscheidungen treffen<br />

konnte, sonder sie war auch Erholung von der Hektik des von ihm selbst<br />

heraufbeschworenen Alltagbetriebes und wenn er malte, dann war er für nichts<br />

anderes zu sprechen. Er verreiste, möglichst ohne zu hinterlassen, wo man ihn<br />

finden könnte und wann er zurückkäme.<br />

„Wenn jemand wirklich etwas von mir will, so pflegte er zu sagen, dann<br />

kann er warten oder kommt wieder.<br />

Jeden, der einmal mit <strong>Bill</strong> zu tun hatte, ein Buch oder einen Film über ihn<br />

machte, einen Artikel über ihn schreiben wollte, eine Ausstellung seines<br />

Werkes zu organisieren hatte, für die er dann in allerletzter Sekunde einen<br />

perfekten Katalog hervorzauberte, den erstaunt diese scheinbar<br />

unüberbrückbare Kluft zwischen Werk und Persönlichkeit.<br />

Es sieht so aus, als ob sich diese Gegensätze bedingen würden.“ 3<br />

„Es war interessant, <strong>Bill</strong> als öffentliche Person zu beobachten.<br />

3 Margit Weinberg Staber, <strong>Max</strong> <strong>Bill</strong>- Leben und Sprache s.24, 1989<br />

6


Der Rummel um seine Person war ihm peinlich und die Aufmerksamkeit, die<br />

man ihm entgegenbrachte machte ihn fast verlegen, änderte aber nichts an<br />

seinem Verhalten. Auch vor Senatoren und Staatssekretären redete er wie<br />

immer freundlich, klar, mit manchmal respektloser Selbstverständlichkeit, die im<br />

vergnügen bereitete.“ 4<br />

Seine Frau, Binia <strong>Bill</strong>, „Eine stille Schönheit, die sich nie in den Vordergrund<br />

drängte, jedoch da war, wenn <strong>Bill</strong> oder seinen Bildern eine Gefahr drohte.“ 5 ,<br />

wurde am 18. August 1904 in Zürich geboren.<br />

Die geborene Spoerri wuchs als jüngste von drei Töchtern des Ferdinand Jakob<br />

und der Ida Spoerri- Gross in Zürich- Fluntern auf. Ab 1916 nahm sie<br />

Cellounterricht in Zürich und schloß 1925/26 die Celloausbildung in Paris an<br />

der „ecole normale de musique“ mit dem Konzertdiplom ab. 1930 besuchte sie<br />

an der Itten- Schule die Fotoklassen von Lucia Moholy und arbeitete<br />

anschließend als Fotografin. Am 22. Januar 1931 heiratet sie <strong>Max</strong> <strong>Bill</strong> in Zürich.<br />

Seit dem beteiligte sie sich als Fotografin an den Arbeiten von ihrem Mann,<br />

publizierte jedoch auch selber in diversen Zeitschriften.<br />

Um 1940 gab sie den Fotografinnen-Beruf auf und machte nur noch Aufnahmen<br />

für <strong>Bill</strong> und ihre Familie. 6<br />

Vermutlich gab es auch keinen Menschen, der diesen Künstler und sein<br />

Werk besser kannte. Sechsundfünfzig Ehejahre sind vermutlich die beste<br />

Schule des Sehens und Fühlens. <strong>Bill</strong> wusste das auch, reagierte auf Vorschläge<br />

seiner Frau sofort. Verstehen und Verständnis wurden oft nur mit einer<br />

Geste signalisiert. Bina <strong>Bill</strong> arbeitete viele Jahre als Fotografin. Man spürte das.<br />

Ihr optisches Empfinden und die unverbrauchte visuelle Kultur wurden<br />

auch bei Ausstellungen <strong>Bill</strong>s als schöpferischen Beitrag eingebracht.<br />

Dabei lehnte sie es ab über sich zu sprechen, gestand jedoch, ihre<br />

Fotoapparate seit Jahrzehnten nicht berührt zu haben .<br />

Eine geopferte Karriere?<br />

Kaum. Wer diese Frau beobachtete, ihre Entscheidungen hörte<br />

und verstand, der weiß, dass es ohne diesen Hintergrund kaum<br />

einen so vielseitigen, mit sprühender Vitalität schaffenden <strong>Bill</strong> gegeben hätte. 7<br />

4 Michael Grüning, zum 80.Geburtstag- Begegnung mit <strong>Bill</strong> s.11, 1988<br />

5 Michael Grüning, zum 80.Geburtstag- Begegnung mit <strong>Bill</strong> s.12, 1988<br />

6 Arthur Rüegg, Das Atelierhaus <strong>Bill</strong> 1932/33 s.105, 1997<br />

7 Michael Grüning, zum 80.Geburtstag- Begegnung mit <strong>Bill</strong> s.12, 1988<br />

7


2.3_ Der Künstler<br />

<strong>Max</strong> <strong>Bill</strong> gilt als universaler Künstler unserer Zeit, der sich seiner Verantwortung<br />

gegenüber der Gesellschaft in seinem gestaltenden Handeln stets bewusst war.<br />

Sein Ziel war es die Umwelt zu beeinflussen und zu gestalten und Ordnung in<br />

das alltägliche Chaos zu bringen. 1<br />

<strong>Bill</strong> hat wie kein anderer Zeitgenosse die moderne Kunst während<br />

7.Jahrzehnten so stark beeinflusst und mitgeprägt. 2<br />

Er wusste früh was er wollte, als knapp 30jähriger grenzt er sich von der<br />

abstrakten Kunst ab und entwickelt die konkrete Kunst.<br />

Eine Kunstrichtung, die sich aus dem Konstruktivismus heraus entwickelt hat.<br />

In seinen Werken verdeutlichte er, dass seine Kunst weitgehend aus einer<br />

mathematischen Denkweise heraus entstanden ist.<br />

„Mathematik und Rationalität sind dabei Hilfsmittel der Gestaltung.“ 3<br />

Der Theoretiker <strong>Bill</strong> hat es einmal so formuliert:<br />

„Kunst braucht Gefühl und Denken und Kunst kann das Denken vermitteln in<br />

einer Weise, dass der Gedanke direkt wahrnehmbare Information ist.<br />

Die Kunst hat einen ganz bestimmten Sinn und einen ganz bestimmten Zweck<br />

zu erfüllen. Es ist eine geistige Funktion.“ 4<br />

1 vgl. Ernst Scheidegger, Dokumentarfilm- <strong>Max</strong> <strong>Bill</strong>, Maler, Plastiker, Architekt,… Teil 1<br />

2 vgl. Ernst Scheidegger, Dokumentarfilm- <strong>Max</strong> <strong>Bill</strong>, Maler, Plastiker, Architekt,… Teil 2<br />

3 Ingrid La Plante, Dokumentarfilm- Ein Portrait, 1988<br />

4 Ingrid La Plante, Dokumentarfilm- Ein Portrait, 1988<br />

9


<strong>Bill</strong> ist heute der Hauptvertreter der Konkreten Kunst.<br />

<strong>Bill</strong> übernahm diesen Begriff von Theo van Doesburg, dem Begründer der<br />

Zeitschrift „de stijl“ in Holland, an der auch Piet Mondrian und Georges<br />

Vantongerloo seit Beginn mitgearbeitet hatten. 5<br />

Im Katalog der Ausstellung „Zeitprobleme in der Schweizer Malerei und Plastik“<br />

formulierte <strong>Bill</strong> 1936 die Prinzipien der konkreten Kunst als Präzisierung der von<br />

Theo van Doesburg publizierten Ideen in der ersten und einzigen Nummer der<br />

Zeitschrift „art concret“ (1930).<br />

<strong>Bill</strong> revidierte seinen Text als Einleitung zum Katalog der Wanderausstellung in<br />

Deutschland 1949, Züricher Konkrete Kunst und publizierte folgende Definition:<br />

„Konkrete Kunst nennen wir jene Kunstwerke, die aufgrund ihrer ureigenen<br />

Mittel und Gesetzmäßigkeiten, ohne äußerliche Anlehnung an Naturerschein-<br />

ungen oder deren Transformierung, also nicht durch Abstraktion, entstanden sind.<br />

Konkrete Kunst ist in ihrer Eigenart selbstständig, sie ist der Ausdruck des<br />

menschlichen Geistes, für den menschlichen Geist bestimmt, und sie sei von<br />

jener Schärfe, Eindeutigkeit und Vollkommenheit, wie dies von Werken des<br />

menschlichen Geistes erwartet werden muss.<br />

Konkrete Malerei und Plastik ist die Gestaltung von optisch Wahrnehmbarem.<br />

Ihre Gestaltungsmittel sind die Farben, der Raum, das Licht und die Bewegung.<br />

Durch die Formung dieser Elemente entstehen neue Realitäten.<br />

Vorher nur in der Vorstellung bestehende Abstrakte Ideen werden in konkrete<br />

Form sichtbar gemacht. Konkrete Kunst ist in ihrer letzten Konsequenz der reine<br />

Ausdruck von harmonischem Maß und Gesetz. Sie ordnet Systeme und gibt mit<br />

künstlerischen Mitteln diesen Ordnungen das Leben. Sie ist real und geistig<br />

unnaturalistisch und dennoch naturnah. Sie erstrebt das universelle und pflegt<br />

dennoch das Einmalige. Sie drängt das individualistische zurück, zugunsten des<br />

Individuums.“ 6<br />

Nicht mehr Abbild der Wirklichkeit sollte die Kunst sein, sondern eine neue<br />

Wirklichkeit aus Farben und Formen und Volumen erzeugen, die eben jenen<br />

Modellcharakter der ungetrübten reinen Ordnung hatte, den auch <strong>Max</strong> <strong>Bill</strong><br />

anstrebte. Als ordnendes Mittel zur Verwirklichung seiner Ideen, die sich in der<br />

Malerei auf Farbstimmungen, Farbveränderungen, Farbkontraste und<br />

Farbverläufe bezogen, in der Plastik auf die Abläufe offener und geschlossener<br />

Formen, Formdurchdringungen und -spiegelungen, diente <strong>Max</strong> <strong>Bill</strong> die<br />

Geometrie. Sie lieferte überprüfbare Strukturen, die der Ordnung des<br />

Bildgedankens dienten. Einer der wichtigsten Aufsätze von <strong>Max</strong> <strong>Bill</strong> hieß<br />

„die mathematische Denkweise in der Kunst unserer Zeit“.<br />

5<br />

vgl. Margit Weinberg Staber, <strong>Max</strong> <strong>Bill</strong>- Leben und Sprache s.28,1988<br />

6<br />

vgl. Willy Rotzler, Helmhaus, anlässlich des 75. Geburtstages…, Stichworte zu <strong>Max</strong> <strong>Bill</strong> s.18f, 1983<br />

10


Aus diesem Text ging aber auch hervor, dass er keineswegs an die<br />

„Berechenbarkeit“ der Kunst glaubte.<br />

„Ihre Wirkung setzt dort ein, wo das Denken in Farbe und Raum den<br />

Ordnungsrahmen sprenge, an das Empfindungsvermögen und die<br />

Erkenntnismöglichkeit des Betrachters appelliere.“<br />

In diesem Kontext nannte <strong>Max</strong> <strong>Bill</strong> das Kunstwerk „einen Gegenstand für den<br />

geistigen Gebrauch“. 7<br />

Konstruktion in Schwarz 1939<br />

Konstruktion aus 30 gleichen Elementen 1938/ 1939<br />

7 vgl. Margit Weinberg Staber, <strong>Max</strong> <strong>Bill</strong>- Leben und Sprache s.28, 1988, S. 28<br />

11


Die verschiedenen Felder, in denen sich <strong>Bill</strong> betätigte, lassen sich nicht ohne<br />

weiteres aufeinander beziehen, so verlockend die Suche nach Analogien auch<br />

sein mag. Zwar finden sich reizvolle Verschiebungen von Formen zwischen den<br />

künstlerischen Disziplinen, doch hat <strong>Bill</strong> nie interdisziplinär gearbeitet.<br />

Für jede künstlerische Gattung, für jedes Betätigungsfeld galten ihm eigene<br />

Gesetz, an die er sich streng hielt. 8<br />

Diesbezüglich ist aufwendig bei <strong>Bill</strong>, den Maler gegen den Plastiker<br />

auszuspielen und zu vergleichen. In beiden Bereichen arbeitete <strong>Bill</strong> mit eben<br />

soviel Engagement wie Professionalität.<br />

„In der Malerei ist er an den Ordnungen von Linien und Flächen und vor allem<br />

an der Rolle und Wirkung der Farbe im gewählten kompositorischen<br />

System interessiert.“ 9<br />

Außerdem bestand er bei der Malerei auf die Wichtigkeit und Aussagekraft des<br />

präzis gewählten Formats. In gemalten Bildern, so sagte er selbst, lege er<br />

immer wert auf den Maßstab, auf das Verhältnis von Mensch zu Objekt. 10<br />

„In der Plastik ist <strong>Bill</strong> mehr noch als in der Malerei daran interessiert, wie ein<br />

Gegenstand als Niederschlag seiner gestalterischen Überlegungen<br />

und Handlungsweisen greifbare Realität wird und wie er von der Realität, in<br />

die hinein er gestellt ist, beeinflusst wird, umgekehrt aber seinerseits auf diese<br />

Realität Einfluss nimmt.“ 11<br />

In der Plastik betonte er die Größenfreiheit seiner Skulpturen, so dass er diese<br />

je nach Standort, in verschiedenen Dimensionen und Materialien lieferte. 12<br />

Das gilt ebenso für die nach dem Prinzip des Möbius-Bandes entwickelten<br />

Einflächen, die eine besondere Leistung des phantasiereichen Form-Erfinders<br />

<strong>Bill</strong> darstellten. Und es galt schließlich für die gitterartigen Raumskulpturen und<br />

die der Architektur zugewandten balkenförmigen Raumstrukturen. 13<br />

Die Theorie, die Begründung und Erklärung seiner Werke, war für <strong>Max</strong> <strong>Bill</strong> stets<br />

von großer Bedeutung, wie die praktische Arbeit selbst.<br />

8<br />

vgl. Marion Ackermann, <strong>Max</strong> <strong>Bill</strong> und die Malerei, <strong>Max</strong> <strong>Bill</strong>, Maler, Bildhauer, Architekt,… s.156, 2005<br />

9<br />

Margit Weinberg Staber, <strong>Max</strong> <strong>Bill</strong>- Leben und Sprache s.28, 1988, S. 28<br />

10 vgl. Marion Ackermann, <strong>Max</strong> <strong>Bill</strong> und die Malerei, <strong>Max</strong> <strong>Bill</strong>, Maler, Bildhauer, Architekt,… s.156, 2005<br />

11 Margit Weinberg Staber, <strong>Max</strong> <strong>Bill</strong>- Leben und Sprache s.28, 1988, S. 28<br />

12 vgl. Marion Ackermann, <strong>Max</strong> <strong>Bill</strong> und die Malerei,<strong>Max</strong> <strong>Bill</strong>, Maler, Bildhauer, Architekt,… s.156, 2005<br />

13 vgl. Willy Rotzler, Helmhaus, anlässlich des 75. Geburtstages…, Stichworte zu <strong>Max</strong> <strong>Bill</strong> s.14, 1983<br />

12


Demzufolge war das eine war ohne das andere nicht denkbar.<br />

Bei allen seinen gestalterischen Werken, stellte er eine „allgemeine Theorie der<br />

Gestaltung auf, basierend auf dem Funktionsbegriff“:<br />

Der Beziehung zwischen Mensch und Ding, und der morphologischen Methode:<br />

Der Lehre von der Schritt um Schritt erarbeiteten möglichen und für den<br />

speziellen Fall besten Lösung. Er fragt: Wie braucht man Gegenstände, wofür<br />

nützen sie, nützen sie überhaupt?“ 14<br />

<strong>Max</strong> <strong>Bill</strong> hat sich stets dafür eingesetzt, dass sein eigenes Werk und seine<br />

theoretischen Überlegungen an die Öffentlichkeit kamen und umfassend<br />

publiziert wurden. 15<br />

„Er will seine Ideen in die Umwelt fortsetzten, denn er will die Umwelt<br />

verändern. Um zu verändern, muss man sich mitteilen.“ 16<br />

Es gab unter den modernen Künstlern wenige, die sich ebenso intensiv mit der<br />

Gestaltung eines „vergänglichen Gegenstandes für den Haushalt“<br />

auseinandergesetzt haben, wie mit der „Gestaltung eines rein persönlichen<br />

Ausdrucks“. Zu viele waren der Realisierung der Probleme des sozialen und<br />

kulturellen Lebens abgewandt und gleichsam verachteten sie die Gestaltung<br />

von nützlichen Dingen. 17<br />

„<strong>Bill</strong> dagegen ist sowohl als Maler und Plastiker, wie als Gestalter<br />

der heutigen Formkultur voll der Gegenwart zugewandt, und seine<br />

14<br />

vgl. Margit Weinberg Staber, <strong>Max</strong> <strong>Bill</strong>- Leben und Sprache s.29, 1988<br />

15<br />

vgl. Margit Weinberg Staber, <strong>Max</strong> <strong>Bill</strong>- Leben und Sprache s.30, 1988<br />

16<br />

Margit Weinberg Staber, Autonomes Objekt oder Symbolträger? zum 80. Geburtstag, s.88, 1988<br />

17<br />

vgl. Richard P. Lohse, <strong>Max</strong> <strong>Bill</strong>- Einheit der Gestaltungsprinzipien s.25ff, 1958<br />

13


unerkannte Bereitschaft, die Umwelt zu verändern und diese bedacht<br />

einzurichten und bewohnbar zu machen, ist typisch für ihn.[…]<br />

In keinem Fall stellt sich die Frage, ob es sich geistig lohnt.<br />

Ob das Objekt für den Tagesgebrauch bestimmt ist oder für<br />

den sogenannten ästhetische Gebrauch, beide Probleme stellen<br />

den gleichwertigen Anlass dar, einen Beweis vernunftvoller Gestaltung<br />

zu geben. So wird die Aufgabe deutlich, welche <strong>Bill</strong> sich als Künstler setzt,<br />

gestaltete Ordnungen in der Umgebung des Menschen zu schaffen.“<br />

Es hat in <strong>Max</strong> <strong>Bill</strong>s künstlerischen Schaffen noch nie einen Abschnitt gegeben,<br />

der länger als sieben Jahre angedauert hat und die Ausstellungen der letzten<br />

Jahre dokumentierten den Rhythmus seines Wachstums und seinen Wandel<br />

mit der Zeit, in der sich immer wieder verändernden Umwelt.<br />

„Bemerkenswert war, dass Altes nicht veraltet, längst Geschaffenes nicht<br />

abgenützt aussah.“ 18<br />

Sein Denken und Gestalten hat sich nie zu einem starren und monotonen<br />

System verhärtet. Stets nahm er sich das Recht auf Veränderungen und<br />

Erneuerungen, die aus neuen Einsichten und Eindrücken entsprangen.<br />

<strong>Bill</strong> bewies damit, dass konkrete Kunst unendlich viele Möglichkeiten und<br />

Variationen in sich verborgen hält. 19<br />

18 vgl. Will Grohmann, <strong>Max</strong> <strong>Bill</strong>- Tendenz zur Synthese s.20f, 1958<br />

19 vgl. Ernst Scheidegger, Dokumentarfilm- <strong>Max</strong> <strong>Bill</strong>, Maler, Plastiker, Architekt,… Teil 1<br />

14


2.4_ Der Architekt<br />

„<strong>Max</strong> <strong>Bill</strong> hat sich Zeit seines Lebens mit dem Beruf des Architekten<br />

identifiziert.“ 1<br />

Er versteht sich zu aller erst als Architekt, der in seiner Freizeit Kunst macht. 2<br />

Das architektonische Werk <strong>Bill</strong>s war bestimmt nicht unüberblickbar, aber es<br />

nahm neben den weitaus bekannteren Tätigkeiten einen erstaunlichen breiten<br />

Platz ein. 3<br />

Sein gebautes Werk jedoch stieß, mit Ausnahme vielleicht der Hochschule für<br />

Gestaltung in Ulm, auf weit weniger Resonanz als seine Malerei, grafischen<br />

Arbeiten oder Skulpturen.<br />

Als Architekt hatte <strong>Bill</strong> die größten Erfolge im Ausstellungsbau und in der Ausstellungstechnik.<br />

Hohe Anerkennung errang er damit auf den „Triennalen“ in<br />

Mailand und der Landesaustellung in Stuttgart. 4<br />

1 Karin Gimmi, Architektur als Kunst, <strong>Max</strong> <strong>Bill</strong>, Maler, Bildhauer, Architekt,… s. 60, 2005<br />

2 Ingrid La Plante, Dokumentarfilm- Ein Portrait, 1988<br />

3 vgl. Hans Frei, Konkrete Architektur? s. 257, 1991<br />

4 vgl. Arthur Rüegg, Das Atelierhaus <strong>Bill</strong> 1932/33 s.7, 1997<br />

15


Während die von <strong>Bill</strong> geprägten Begriffe „Konkrete Kunst“ oder „mathematische<br />

Denkweise“ seiner Kunst zu einer prägnanten Identität verhalfen und bis heute<br />

als Etikett gar Markenzeichen wirken, fehlte etwas entsprechendes für die<br />

Architektur. Dies gilt umso mehr, als sich die Qualität von <strong>Bill</strong>s Bauten nicht auf<br />

den ersten Blick erschließt. Die Architektur ist bewusst weder modisch angelegt<br />

noch gefällig gestaltet. 5<br />

Die Grundlagen seiner Architekturauffassung basierten auf dem Zusammenspiel<br />

mediterraner Architektursprache und dem Einsatz von neuen<br />

technischen Baumethoden der 20.Jahre. 6 <strong>Max</strong> <strong>Bill</strong> formulierte es einmal so:<br />

„Ich war entschlossen, nicht spektakuläre Bauten zu machen, sondern mich zu<br />

bemühen, wirtschaftlich vernünftig zu bleiben und keinerlei unnötige Ausgaben<br />

zu verursachen.“ 7<br />

Seit seinem ersten Haus, welches <strong>Bill</strong> 1932/33 baute war er stets bestrebt, den<br />

Bauvorgang durch die Verwendung von vorfabrizierten und standardisierten<br />

Bauelementen zu vereinfachen. 8<br />

„Mit der ökonomischen Verwendung der Produktionsfaktoren hatte<br />

sich der junge <strong>Bill</strong> schon während seiner Ausbildungszeit am Bauhaus<br />

auseinandergesetzt. […]<br />

Die Organisation des Bauablaufes und die Prinzipien der Vorfabrikation,<br />

wie sie in der Siedlung Törten in Dessau von Gropius und am Stahlhaus<br />

von Georg Muche und Richard Paulick zur Anwendung kamen, hinterließen<br />

auf ihn nachhaltige Eindrücke, deren prägende Wirkung sich zeit<br />

seines architektonischen Schaffens niederschlug.“ 9<br />

Dieses moralische Prinzip führte zwangsläufig zu einer Ästhetik des Nützlichen,<br />

das als besonders anspruchslos verschrien war.<br />

<strong>Bill</strong> forderte von architektonischen Projekten eine 100% Beachtung funktioneller<br />

und ökonomischer Bedingungen, an die er sich in jedem seiner Vorschläge und<br />

Realisierungen hielt. 10<br />

5 vgl. Karin Gimmi, Architektur als Kunst, <strong>Max</strong> <strong>Bill</strong>, Maler, Bildhauer, Architekt,… s. 60, 2005<br />

6 vgl. Du- Europäische Kunstzeitschrift- Vom Bauhaus bis Ulm s.14, Juni-Ausgabe1976<br />

7 Du- Europäische Kunstzeitschrift- Vom Bauhaus bis Ulm s.14, Juni-Ausgabe1976<br />

8 Arthur Rüegg, Das Atelierhaus <strong>Bill</strong> 1932/33 s.7, 1997<br />

9 Arthur Rüegg, Das Atelierhaus <strong>Bill</strong> 1932/33 s.25, 1997<br />

10 vgl. Hans Frei, Konkrete Architektur? s. 258, 1991<br />

16


Dieser Puritanismus bewirkte, dass <strong>Max</strong> <strong>Bill</strong> sich auch immer wieder der<br />

Herstellung von Gebrauchsobjekten zuwandte, sowohl theoretisch als auch<br />

praktisch.<br />

„Ich habe den Beruf des Architekten immer als Koordinationstätigkeit aufgefasst<br />

und das bedeutet doch, sich mit dem ganzen Umfeld des Bauens und<br />

Gestaltens zu befassen.“ 11<br />

Bei der Entwicklung jener Gebrauchsobjekte waren seine technischen<br />

Kenntnisse, die er in einer Ausbildung zum Silberschmied erworben hatte von<br />

großem Wert.<br />

„Ich befürworte auch heute noch die handwerkliche Ausbildung für alle<br />

gestalterischen Berufe. Trotz der Bejahung neuester Techniken, Materialien<br />

und Methoden habe ich auch heute noch ein ungebrochenes Verhältnis zum<br />

Handwerk und bin überzeugt davon, dass dieses in vielen Fällen jeder anderen<br />

Herstellungsmethode vorzuziehen ist, ja, dass ohne das Handwerk überhaupt<br />

eine industrielle Produktion unmöglich wäre.“ 12<br />

<strong>Bill</strong>s künstlerische Konzeption schein nach 1931 bereits derart gefestigt zu sein,<br />

dass er auch in seinem architektonischen Erstlingswerk nicht dem<br />

11<br />

Werner Krüger, zum 80. Geburtstag, Interview- Erbe der Bauhaus-Traditon s.111, 1988<br />

12<br />

Du- Europäische Kunstzeitschrift- Vom Bauhaus bis Ulm s.14, Juni-Ausgabe 1976<br />

17


verführerischen Einfluss Le Corbusier verfiel, der sein erstes großes Vorbild war<br />

und sein Interesse an der Architektur geweckt hatte. 13<br />

„Le Corbusier hat mich in der Tat auf den Geschmack gebracht.“ 14<br />

Aufgrund seiner kritischen Auseinandersetzung gelangte er schnell zu einer<br />

eigenständigen architektonischen Gestaltlösung.<br />

<strong>Bill</strong> gestaltete also nicht im Sinne eines oberflächlichen Systems sondern<br />

suchte die für den konkreten Fall angemessene, in Aufgabe und Ort verankerte,<br />

einzigartige Gestalt. Trotz allem blieb er in seiner frühen Bauphase stets<br />

offenen für äußere Anregungen, welche in seinem Spätwerk nach und nach<br />

verstummten. Diesbezüglich ist es erstaunlich zu beobachten, dass <strong>Bill</strong> in<br />

kontinuierlicher Tätigkeit, die sich über einen Zeitraum von mehr als einem<br />

halben Jahrhundert erstreckte, stets resistent gegenüber jeder Modeströmung<br />

war. 15<br />

Im Prinzip dreht sich bei <strong>Bill</strong> alles um den einfachen Behälter:<br />

Stand anfänglich eher dessen innere Unterteilung im Vordergrund, so waren es<br />

später die Möglichkeiten seiner Kombinierbarkeit. 16<br />

„Meine Architektur war immer sehr trocken, vielleicht kommt es deswegen, weil<br />

ich immer sehr ökonomisch gedacht habe.“ 17<br />

13 vgl. Arthur Rüegg, Das Atelierhaus <strong>Bill</strong> 1932/33 s.15, 1997<br />

14 Werner Krüger, zum 80. Geburtstag, Interview- Erbe der Bauhaus-Traditon s.111, 1988<br />

15 vgl. Hans Frei, Konkrete Architektur? s. 257, 1991<br />

16 vgl. Hans Frei, Konkrete Architektur? s. 258, 1991<br />

17 vgl. „Artrium“- Architekturzeitschrift, Prinzip der Ordnung s.100, 1989<br />

18


3_ <strong>Max</strong> <strong>Bill</strong> bis zum Bauhaus<br />

<strong>Max</strong> <strong>Bill</strong> wurde 1908 am 22.Dezember in Winterthur geboren.<br />

Er wächst als der Ältere von zwei Söhnen des Alfred Erwin und der Marie <strong>Bill</strong>-<br />

Geiger in Winterthur auf. 1 Er kommt aus einer sehr künstlerischen Familie, die<br />

bereits sehr früh <strong>Bill</strong>s Talent entdeckte. Seine Onkel waren anerkannte Maler<br />

und förderten zusammen mit der Mutter sein frühes Interesse an der Kunst.<br />

Künstlerisch vorgeprägt besucht er von 1924 bis 1927 die Kunstgewerbeschule<br />

Zürich und begab sich in die Abteilung Silberschmiede. 2<br />

In dieser Zeit fand der damals 17jährige <strong>Bill</strong> bei einer Studienreise nach Paris<br />

auf der „exposition Internationale des arts décoratifs“, im Jahr 1925 ersten<br />

Kontakt mit den neuesten Entwicklungen von Architektur und Kunst.<br />

Die Haupteindrücke, an die er sich stets erinnerte, sind der „pavillon de l´ esprit<br />

nouveau“ von Le Corbusier und der russische Pavillon von Melnikoff.<br />

1 vgl. Arthur Rüegg, Das Atelierhaus <strong>Max</strong> <strong>Bill</strong> 1932/33 s. 105, 1997<br />

2 vgl. Du- Europäische Kunstzeitschrift- Autonome Gegenstände… s.58, Juni-Ausgabe1976<br />

19


Pavillon von Le Corbusier<br />

russischer Pavillon von Melnikoff.<br />

Diese Eindrücke hatten auf seinen weiteren Werdegang einen nachhaltigen<br />

Einfluss, zusammen mit einem Vortrag, den Le Corbusier 1926 in Zürich hielt,<br />

in dem dieser die ästhetischen und die sozialen Grundlagen seiner Architektur<br />

darlegte. 3 Die Auseinandersetzung mit Le Corbusier wurde bestimmend für den<br />

weiteren Weg, den der junge <strong>Bill</strong> anstrebte.<br />

„Entscheidend wurde dann das Erscheinen der ersten Nummer der Zeitschrift<br />

´Bauhaus´ zur Eröffnung des neuen Hochschulgebäudes von Walter Gropius in<br />

Dessau; und schließlich das Wettbewerbsprojekt für den neuen<br />

Völkerbundpalast in Genf, mit dem Hannes Mayer und Hans Wittwer einen<br />

dritten Preis errangen.“ 4<br />

3 vgl. Du- Europäische Kunstzeitschrift- Vom Bauhaus bis Ulm s.12, Juni-Ausgabe1976<br />

4 Du- Europäische Kunstzeitschrift- Vom Bauhaus bis Ulm s.12, Juni-Ausgabe1976<br />

20


Völkerbundpalast in Genf<br />

Sein Interesse und Ehrgeiz, die fast beendete Silberschmiedlehre<br />

abzuschließen schwand. Und so war es eine „glückliche Situation“, so <strong>Bill</strong>, als<br />

er einmal nach der Fastnacht noch halbgeschminkt zu spät in den Unterricht<br />

kam, schmiss ihn der Direktor kurzerhand von der Schule.<br />

„Das war für mich kein großer Schreck, da ich mir sowieso schon<br />

vorgenommen hatte ans Bauhaus zu gehen.“ 5<br />

Diesbezüglich machte sich <strong>Bill</strong>s Vater große Sorgen, der ihn damals darauf<br />

aufmerksam machte, was er nun ohne abgeschlossene Lehre tun wolle.<br />

Selbstsicher äußerte er seinen Wunsch ans Bauhaus nach Dessau zu gehen<br />

und unterbreitete seinem Vater das Angebot, dass er die Hälfte der anfallenden<br />

Kosten zahlen würde. Der Grund dieser Entscheidung lag darin, dass <strong>Bill</strong> mit 17<br />

Jahren an einem großen Plakatwettbewerb für das 100 jährige Jubiläum des<br />

Schweizer Schokoladenherstellers Suchard gewonnen hatte, den es zu dieser<br />

Zeit gab und er eine beachtliche Summe bekommen hatte. 6<br />

Anfang 1927 bewarb er sich um die Aufnahme am Bauhaus in Dessau, in der<br />

Absicht, dort Architektur zu studieren. 7 Es war damals ein großes Erlebnis, als<br />

er in Dessau ankam. Er sah dort ein Gebäude, „wie man so was überhaupt<br />

noch nie gesehen hat“. 8<br />

„Ich Erinnere mich noch lebhaft an jenen Morgen, als vor der Einfahrt zum Bahnhof<br />

Dessau die Front des Bauhausgebäudes unvermittelt gegenüberstand. Etwas<br />

nie gesehenes: weiße Wände und grosse dunkle Glasfassaden, dazu im<br />

5 vgl. Ernst Scheidegger, Dokumentarfilm- <strong>Max</strong> <strong>Bill</strong>, Maler, Plastiker, Architekt,… Teil 1<br />

6 vgl. Ernst Scheidegger, Dokumentarfilm- <strong>Max</strong> <strong>Bill</strong>, Maler, Plastiker, Architekt,… Teil 1<br />

vgl. Arthur Rüegg, Das Atelierhaus <strong>Max</strong> <strong>Bill</strong> 1932/33 s. 105, 1997<br />

7 vgl. Du- Europäische Kunstzeitschrift- Vom Bauhaus bis Ulm s.12, Juni-Ausgabe 1976<br />

8 vgl. Ernst Scheidegger, Dokumentarfilm- <strong>Max</strong> <strong>Bill</strong>, Maler, Plastiker, Architekt,… Teil 1<br />

21


Vordergrund das Studentenhaus mit den Balkontüren als mennigrote Akzente.“ 9<br />

Ansicht des Bauhausgebäudes von Südost<br />

„In Dessau hatte er die Immatrikulationsnummer 15“.<br />

Ihm behagte die Atmosphäre am Bauhaus, auch die Menschen“. 10<br />

Dort waren bis zu 120 Studenten von überall her. „Man hörte und sah vom<br />

Bauhaus und man ist hingegangen, um dort mitzuwirken. […] weil es ein<br />

Experiment war. […] Am Bauhaus glaubten wir ja, wir seien die ersten<br />

Menschen und wollten die ganze Welt neu erschaffen. Wir waren in diesem<br />

Bauhaus wie in einem Kloster mit einer eigenen Religion. Was wir zu Gesicht<br />

bekommen haben als Kontakt nach außen waren ein paar Zeitschriften. […]<br />

Das war unsere Zusatznahrung.“ 11<br />

Zunächst war er in der obligatorischen Grundlehre, die ein jeder absolvieren<br />

musste. In die Architekturabteilung konnte er jedoch nicht, weil diese damals<br />

im Aufbau war und lediglich Studenten beitreten durften, die eine Art Studium<br />

oder Lehre auf dem Gebiet des Bauens absolviert hatten. Da er eine mehr oder<br />

9 vgl. Du- Europäische Kunstzeitschrift- Vom Bauhaus bis Ulm s.12, Juni-Ausgabe 1976<br />

10 Michael Grüning, zum 80.Geburtstag- Begegnung mit <strong>Bill</strong> s.10, 1988<br />

11 vgl. Ernst Scheidegger, Dokumentarfilm- <strong>Max</strong> <strong>Bill</strong>, Maler, Plastiker, Architekt,… Teil 1<br />

22


weniger abgeschlossene Silberschmiedausbildung hatte, musste <strong>Bill</strong> nicht die<br />

gesamte Grundlehre besuchen und versuchte sich zu mindestens an diversen<br />

baufachlichen Vorlesungen zu beteiligen. In der Folge besuchte er Kurse für<br />

Statik und Baukonstruktion und setzte sich überwiegend mit Architektur<br />

auseinander. 12 In dieser Zeit bearbeitete er mit seinem Schweizer Kommilitonen<br />

Hans Fischli, der vor dem Eintritt ins Bauhaus eine Lehre als Bauzeichner<br />

abgeschlossen hatte, einen Wettbewerb für ein Quartierzentrum mit<br />

Kindergarten in Zürich- Wiedikon, welcher 1928 von beiden eingereicht wurde. 13<br />

Zu den hauptsächlichen Merkmalen dieses Projektes zählten die<br />

nutzungsbedingte Gliederung der Baumassen und deren fabrikmäßiges<br />

Aussehen. Zur optimalen Belichtung der Unterrichtsräume sollten mehrere<br />

Baukörper mit Sheddächern eingedeckt werden.<br />

Aus dem sich herausbildenden stilistischen Repertoire des Neuen Bauens<br />

stammten außerdem die Bandfenster, die in den Fünf Punkten zu einer neuen<br />

Architektur die Alfred Roth im Namen Le Corbusier gerade ein Jahr zuvor<br />

publiziert hatten, als vierter Punkt proklamiert wurden. 14<br />

Dieses architektonische Projekt ist das einzige Bekannte, an dem <strong>Bill</strong> während<br />

der Bauhauszeit gezeichnet hat. 15<br />

Hans Fischli und <strong>Max</strong> <strong>Bill</strong>_ Quartierzentrum und Kindergarten, Zürich- Wiedikon, 1928, Werrbewerbsprojekt<br />

12 vgl. Ernst Scheidegger, Dokumentarfilm- <strong>Max</strong> <strong>Bill</strong>, Maler, Plastiker, Architekt,… Teil 1<br />

13 vgl. Hans Frei, Konkrete Architektur? s. 212, 1991<br />

14 vgl. Hans Frei, Konkrete Architektur? s. 212, 1991<br />

15 vgl. Hans Frei, Konkrete Architektur? s. 213, 1991<br />

23


Aufgrund seiner Silberschmiedausbildung wurde er in die Metallabteilung<br />

geschleust, die von dem damals noch jungen ungarischen konstruktiven<br />

Künstler Moholy- Nagy geleitet wurde. Diese verließ er jedoch nach kurzer Zeit<br />

und brachte sich in der Bühnenabteilung ein, wo er verantwortlich war für die<br />

Aufführungen und die Kostümplanung. Zudem gesellte er sich zu der<br />

Bauhauskapelle, in der er auch aktiv mitspielte. 16<br />

Doch auch danach, während seines insgesamt zweijährigen Aufenthaltes in<br />

Dessau, war er nie in der von Hannes Meyer geleiteten Bauabteilung tätig. 17<br />

<strong>Bill</strong> war damals noch keine zwanzig Jahre alt, als er Klee, Kandinsky, Moholy-<br />

Nagy, Schlemmer, Albers und natürlich Gropius und Hannes Meyer<br />

kennengelernt hatte.<br />

16 vgl. Ernst Scheidegger, Dokumentarfilm- <strong>Max</strong> <strong>Bill</strong>, Maler, Plastiker, Architekt,… Teil 1<br />

17 vgl. Hans Frei, Konkrete Architektur? s. 212, 1991<br />

24


Er besuchte die freien Kunstateliers von Paul Klee und Wassily Kandinsky und<br />

begann Bilder zu malen. Die Kunst hatte ihn immer interessiert, „weil es<br />

gewisse Dinge gibt, die man nur mit der Malerei machen kann“. 18<br />

„Das Prinzip des Bauhausunterrichtes, vor allem die elementare Werklehre von<br />

Josef Albers, wo jeder tun konnte, was er wollte, es jedoch nachher vor<br />

der Öffentlichkeit begründen und zur Diskussion stellen musste, lag mir besonders.<br />

Ich hatte hier einen Platz gefunden, wo alles tun in Frage gestellt werden durfte,<br />

ja musste. Ergänzend zu diesen Experimenten kamen dann die elementaren<br />

Gestaltungslehren von Wassily Kandinsky, Paul Klee, Moholy- Nagy und schließlich<br />

die technischen Fächer, wo insbesondere der Mathematiker Köhn vom<br />

Einsteininstitut Berlin auch den Statikkurs auf begeisternde Art leitete. So<br />

griffen Theorie, Experiment und Praxis direkt ineinander, und dies in<br />

einer Gemeinschaft von Studierenden und Meistern, wie sie seither kaum mehr<br />

zustande kam.“ 19<br />

„Wahrscheinlich wäre es falsch zu behaupten, allein die Bauhaus-Doktrin hätte<br />

meinen weiteren Werdegang bestimmt. Aber sicher haben die zwei Jahre, die ich<br />

am Bauhaus war, manche Erfahrungen gebracht. Und ein Ziel gefestigt, dass mir<br />

vorher schon vorschwebte, das jedoch noch keinen Mittelpunkt gefunden hatte.<br />

Das Baushaus wurde für mich zu diesem Mittelpunkt in seiner Überschneidung<br />

der Disziplinen und in der Bestärkung , dass wir für alles Gestaltende Tun<br />

persönlich die Verantwortung gegenüber der Gesellschaft zu tragen haben oder,<br />

wie die spätere Formulierung lautete, die gesamte von uns zu schaffende Umwelt,<br />

vom Löffel bis zur Stadt, mit den sozialen Gegebenheiten in Einklang gebracht<br />

werden muss, wobei diese selbst mitzugestalten sind.“ 20<br />

Während des ersten Jahres belegte er den vorgeschriebenen Vorkurs bei<br />

Kandinsky. In der Klasse fertigten die Studenten analytische Zeichnungen und<br />

Kompositionen an, so dass aus den verschiedenartigsten Gegenständen eine<br />

Art Stillleben aufgebaut wurde. Der Kurs bestand nur aus Theorie und der<br />

18<br />

vgl. Michael Grüning, zum 80.Geburtstag- Begegnung mit <strong>Bill</strong> s.10, 1988<br />

19<br />

<strong>Max</strong> <strong>Bill</strong>, Vom Bauhaus bis Ulm, zum 80. Geburtstag s. 88, 1987;<br />

Du- Europäische Kunstzeitschrift- Vom Bauhaus bis Ulm s.12f, Juni-Ausgabe1976<br />

20<br />

<strong>Max</strong> <strong>Bill</strong>, Vom Bauhaus bis Ulm, zum 80. Geburtstag s. 89, 1987<br />

Du- Europäische Kunstzeitschrift- Vom Bauhaus bis Ulm s.13, Juni-Ausgabe1976<br />

25


Strukturanalyse von irgendetwas, Möbel oder Objekte, auf einen Tisch<br />

zusammengestellt. 21<br />

In seinem zweiten Jahr, mit knapp zwanzig Jahren belegte <strong>Bill</strong> die freie<br />

Malklasse, die kein offizieller Bauhauskurs und freiwillig war. Kandinsky<br />

unterrichtet die freie Malklasse in seinem Atelier im Bauhaus. Man konnte<br />

malen was man wollte und traf sich einmal in der Woche, um darüber zu<br />

sprechen, was man sah. Kandinsky gab immer stets gute Ratschläge und<br />

machte Bildanalysen. Gleichzeitig belegte er auch die Malklasse von Klee, die<br />

wesentlich größer war und die bei Klee zu hause in seinem Atelier stattfand. 22<br />

„Zu dieser Zeit stand er noch stark unter dem Einfluss von Paul Klee. […] <strong>Max</strong><br />

<strong>Bill</strong> konnte sich mit seinem Professor im Schweizer Dialekt unterhalten und so<br />

in der fremde eine verbindende kleine Sprachinsel bilden.“ 23 Man zeigte Klee<br />

seine Werke und er studierte sie und fragte nach dem Sinn und Zweck und ob<br />

dieser gleichsam erfüllt wurde. Danach zeigte Klee seine eigenen Werke, was<br />

für die Studierenden stets sehr instruktiv war, indem er darüber erzählte. 24<br />

Auch zu einem anderen seiner ehemaligen Bauhaus-Meister, zu Josef Albers,<br />

hatte <strong>Max</strong> <strong>Bill</strong> zeitlebens einen freundschaftlichen, brieflichen und direkten<br />

Kontakt bewahrt. Im Vorkurs bei Albers lernte <strong>Bill</strong>, wie man unvoreingenommen<br />

und frei an ein Problem heranging, wie man das jeweilige Problem löste und<br />

wie man darauf die gefundene, kreative Problemlösung vor anderen<br />

verteidigte. 25<br />

„Die Anregungen die von Albers ausgingen, aktivierten bei <strong>Bill</strong> den Willen, ein<br />

Produkt, sei es ein Bild, eine Skulptur oder ein Designobjekt, nicht<br />

ungerechtfertigt vor ein Publikum, in die Gesellschaft, hinausgehen zu lassen,<br />

sondern dafür Verantwortung zu übernehmen. In dieser Hinsicht wurde <strong>Bill</strong> in<br />

seiner ethisch-ästhetischen Haltung stark von Albers geprägt.“ 26<br />

21 vgl. Ernst Scheidegger, Dokumentarfilm- <strong>Max</strong> <strong>Bill</strong>, Maler, Plastiker, Architekt,… Teil 1<br />

22 vgl. Ernst Scheidegger, Dokumentarfilm- <strong>Max</strong> <strong>Bill</strong>, Maler, Plastiker, Architekt,… Teil 1<br />

23 Angela Thomas Schmid, <strong>Max</strong> <strong>Bill</strong>. Zeichnungen 30/40/50er-Jahre s. 118, 2004<br />

24 vgl. Ernst Scheidegger, Dokumentarfilm- <strong>Max</strong> <strong>Bill</strong>, Maler, Plastiker, Architekt,… Teil 1<br />

25 vgl. Angela Thomas Schmid, <strong>Max</strong> <strong>Bill</strong>. Zeichnungen 30/40/50er-Jahre s. 118, 2004<br />

26 Angela Thomas Schmid, <strong>Max</strong> <strong>Bill</strong>. Zeichnungen 30/40/50er-Jahre s. 119, 2004<br />

26


Das 1919 vom Architekten Gropius in Weimar eröffnete staatliche Bauhaus ist<br />

in die Geschichte eingegangen als „exemplarisches Institut für die Heranbildung<br />

von Gestaltern“. 27<br />

„Was das Bauhaus in der Praxis lehrte, war die Gleichberechtigung aller Arten<br />

schöpferischer Arbeit und ihr logisches ineinandergreifen innerhalb der modernen<br />

Weltordnung […].<br />

Unser Ehrgeiz ging dahin, den schöpferischen Künstler aus seiner Weltfremdheit<br />

aufzurütteln und seine Beziehung zur realen Werkwelt wiederherzustellen, sowie<br />

gleichzeitig die starre, fast ausschließlich materielle Einstellung des<br />

Geschäftsmannes zu lockern und zu vermenschlichen[…].“<br />

Diese Bemerkung und die hinter ihnen stehende Auffassung von der<br />

„fundamentalen Einheit allen Gestaltens im Hinblick auf das Leben selbst“<br />

wie Gropius weitersagte, passen beinahe maßgeschneidert auf das<br />

künstlerische Schaffen und die gestalterischen Grundideen von <strong>Max</strong> <strong>Bill</strong>. 28<br />

Demzufolge wird er oft als einer der letzten Erben der Bauhaus-Idee<br />

bezeichnet. <strong>Bill</strong> formulierte jenes Erbe auf folgende Weise:<br />

„Die Bauhaus-Leute sprechen alle- selbst nach der langen Zeit seit der Schließung<br />

des Bauhauses- immer noch die gleiche Sprache. Das war damals eine elementare<br />

Auseinandersetzung mit den Problemen, es waren hervorragende Lehrkräfte dort<br />

und wir haben uns so zusammengerauft, dass wir gelernt haben, wie man an<br />

jedes Problem neu herangeht. Eine Reihe von Bauhausleuten ist auch heute<br />

noch tätig. Ich bin vielleicht derjenige, der die Bauhaus-Probleme in einer Person<br />

zusammengefasst hat, indem er der Vielseitigste ist. Das Erbe des Bauhauses<br />

lässt sich auf einen kurzen Nenner bringen: Es ist die Verbindung von sozialistischem<br />

Programm und ästhetischen Problemlösungen.“ 29<br />

Walter Gropius gab ein Beispiel, wie man konsequent einen Weg beschritt, bei<br />

dem Kunst nicht allein der persönliche Ausdruck des einzelnen war, sondern<br />

Ausdruck der Funktion und der Zeit. 30<br />

27 vgl. Willy Rotzler, Helmhaus, anlässlich des 75. Geburtstages…, Stichworte zu <strong>Max</strong> <strong>Bill</strong> s.10, 1983<br />

28 vgl. Willy Rotzler, Helmhaus, anlässlich des 75. Geburtstages…, Stichworte zu <strong>Max</strong> <strong>Bill</strong> s.10, 1983<br />

29 vgl. Werner Krüger, zum 80.Geburtstag, Interview- Erbe der Bauhaustradition s.111, 1988<br />

30 vgl. Michael Grüning, zum 80.Geburtstag- Begegnung mit <strong>Bill</strong> s.11, 1988<br />

27


4_ <strong>Max</strong> <strong>Bill</strong> nach dem Bauhaus als Künstler<br />

Selbstporträts <strong>Max</strong> <strong>Bill</strong>s von 1927,1926 und 1927<br />

„Ich male seit meiner Kindheit.<br />

Das erste Ölbild malte ich, als mir mein Pate und Onkel Adolf Weibel<br />

seinen alten Malkasten schenkte. Zusammen mit seinem Schwager,<br />

meinem Onkel Ernst Geiger, beides anerkannte Maler, und meiner Mutter,<br />

war er die Persönlichkeit, die meine Lust am Malen förderte.<br />

Doch erst am Bauhaus überkam mich das erste Mal die „ maladie de la peinture“<br />

und ich hatte einige Mühe, meinem Prinzip treu zu bleiben, die Malerei als<br />

Hobby und keinesfalls als Beruf weiterzuführen.<br />

In den frühen 30er Jahren habe ich dann meinen selbstständigen<br />

Weg gefunden.“ 1<br />

1929 kehrte <strong>Bill</strong> nach nur 2 Jahren Studium ohne Diplomabschluss in die<br />

Schweiz zurück. Im Jahr 1930 reiste <strong>Bill</strong> in Gesellschaft des Architekten Ernst<br />

F. Buckhardt, einem Neffen des bekannten Schweizer Bildhauers Carl<br />

Buckhardt, nach Paris. Während dieses Aufenthaltes stieß er zufällig auf eine<br />

Broschüre der Gruppe ac (art concret), die von Theo van Doesburg als<br />

Erstausgabe vorgestellt wurde.<br />

Für <strong>Bill</strong> wird dieser Fund intellektuelle Auswirkungen haben, hinsichtlich seiner<br />

eigenen Begriffsdefinition der „konkrete Kunst“ einig Jahre später.<br />

„Das Bauhaus war für mich sehr wichtig, doch nicht so wichtig,<br />

wie heute behauptet wird.<br />

Für meinen Weg war viel bedeutender, was danach passierte.<br />

Meine Zeit hier in Zürich und natürlich Paris:<br />

Die Gruppe abstraction- création, Begegnungen mit Vantongerloo, Arp,<br />

<strong>Max</strong> Ernst, Giacometti oder Einsichten in das Werk Brancusis, die<br />

Auseinandersetzung mit Mondrian und Doesburg, der Weg zur konkreten Kunst.“ 2<br />

1 vgl. Du- Europäische Kunstzeitschrift- Autonome Gegenstände… s.58, Juni-Ausgabe1976<br />

2 Michael Grüning, zum 80.Geburtstag- Begegnung mit <strong>Bill</strong> s.10, 1988<br />

28


<strong>Bill</strong> hatte eine umfangreiche Auswahl eigener Aquarelle nach Paris<br />

mitgenommen, die er während seiner Studienzeit am Bauhaus in Dessau<br />

(1927/28) und danach in Zürich (1929 bis Anfang 1930) gemalt hatte.<br />

Er beabsichtigte seine Arbeiten in einer Pariser Galerie unterzubringen und<br />

suchte die bedeutendste Galeristin Jeanne Bucher auf.<br />

Diese wies jedoch die Zeichnungen zurück mit den Worten:<br />

„Wir alle lieben Paul Klee.“<br />

Sie hielt ihm vor, dass er sich in seinen Zeichnungen von dem Werk Paul Klees<br />

distanzieren solle und forderte ihn gleichzeitig auf mit seinem Talent etwas<br />

Unabhängiges und Neues zu erarbeiten und er möge dann in einem Jahr mit<br />

neuen Werkresultaten wieder zu ihr kommen.<br />

Der Rechenschieber 1927 Tiefer Gesang 1928 Nr. 20 Komposition II 1931<br />

Der junge <strong>Bill</strong> war sehr enttäuscht, da er voller Hoffnung nach Paris gekommen<br />

war. Doch war es genau die richtige Empfehlung einer erfahrenen Galeristin.<br />

Nach dem für ihn lehrreichen Schock fand er sehr rasch seinen Weg zu unabhängigen<br />

Arbeiten und zu seinem eigenen, unabhängigen Stil 3 und gelangt<br />

1931 zur konkreten Bildauffassung. 4<br />

„Mein eigenes künstlerisches Konzept stand seit 1931 fest.<br />

Nach einigem hin und her zur Zeit des Bauhauses, unter den verschiedenen<br />

Einflüssen von großen Meistern wie Kandinsky, Klee, Moholy- Nagy, Schlemmer,<br />

hatte ich meinen Weg gefunden und musste diesen unterbauen, ein Prozess, der<br />

sich anfangs der 30er Jahre zu klären begann mit den ersten Plastiken und dem<br />

Beginn von geometrischen Variationen.“ 5<br />

3<br />

vgl. Angela Thomas Schmid, <strong>Max</strong> <strong>Bill</strong>. Zeichnungen 30/40/50er-Jahre s. 119, 2004<br />

4<br />

vgl. Ernst Scheidegger, Dokumentarfilm- <strong>Max</strong> <strong>Bill</strong>, Maler, Plastiker, Architekt,… Teil 1<br />

29


Aus der Ausstellung „abstraction création“ in Paris 1933, Plastiken von <strong>Bill</strong>, Vantongerloo und Béothy<br />

Räumliche Komposition Nr.9 1928 Variationen 1934<br />

5 vgl. Du- Europäische Kunstzeitschrift- Autonome Gegenstände… s.22, Juni-Ausgabe1976<br />

30


Wellenrelief 1931/1932 Lange Plastik 1933<br />

<strong>Bill</strong> wurde am 22. Dezember 1933 25 Jahre alt und stellte bereits im selben<br />

Monat erstmals in Paris bei der wichtigen internationalen Künstlergruppe<br />

„abstraction création“ aus, die 1931 dort gegründet wurde.<br />

Die ursprünglichen Gründungsmitglieder waren Theo van Doesburg, Antoine<br />

Pevsner, Naum Gabo, Auguste Herbin und Georges Vantongerloo.<br />

Ziel von „Abstraction-Création“ war es, ein Forum für die Abstrakte Kunst zu<br />

schaffen. Dazu gehörten gemeinsame Ausstellungen, Lesungen, und<br />

Diskussionsrunden, Öffentlichkeitsarbeit und Publikationen. Die Gruppe wurde<br />

zum geistigen und organisatorischen Zentrum und Sammelpunkt für die<br />

Anliegen der Vertreter der konkreten, konstruktivistischen und geometrischen<br />

Kunstrichtungen. 6<br />

Während dieses Aufenthaltes in Paris begegnete <strong>Bill</strong> den älteren Kollegen<br />

Georges Vantongerloo und Piet Mondrian.<br />

Mit dem 22 Jahre älteren Vantongerloo blieb er zeit seines Lebens<br />

freundschaftlich in Kontakt und besuchte ihn in der Folge des öfteren in Paris<br />

und unterhielt mit ihm eine rege Brieffreundschaft. 7<br />

6<br />

vgl. Giulio Carlo Argan, Georges Vantongerloo, ein Zeuge unserer Zeit s.11, 1986<br />

7<br />

vgl. Angela Thomas Schmid, <strong>Max</strong> <strong>Bill</strong>. Zeichnungen 30/40/50er-Jahre s. 119, 2004<br />

31


Die Kommunikation zwischen den beiden war anfangs schwierig gewesen,<br />

doch Binia <strong>Bill</strong> dürfte zumindest anfänglich einiges zur Verständigung<br />

beigetragen haben, da sie vor der Ehe in Paris studiert hatte. 8<br />

Georges Vantongerloo wurde 1886 in Antwerpen geboren und starb 1965 in<br />

Paris. Er war ein belgischer Maler, Bildhauer und Architekt und galt als einer<br />

der wichtigsten Vertreter der abstrakten Malerei in Europa und wandte sich<br />

1917 der Gegenstandslosigkeit zu und war neben den holländischen Malern<br />

Piet Mondrian, Theo van Doesburg, Bart van der Leck Unterzeichner des ersten<br />

Manifestes und Mitbegründer der Künstlergruppe De Stijl. Ihr Anliegen war es,<br />

sich vollständig von den Darstellungsgrundsätzen der traditionellen Kunst<br />

abzuwenden und eine neue, völlig abstrakte Formensprache zu erarbeiten, die<br />

auf der Variation von wenigen elementaren Prinzipien der bildnerischen<br />

Gestaltung (waagerecht/senkrecht, groß/klein, hell/dunkel und den<br />

Grundfarben) beruhte. 9 Im Gegensatz zu Mondrian, der einen strengen<br />

Bildaufbau forderte und allein Rechtecke, das heißt Horizontale und Vertikale<br />

als zulässig erklärte, und van Doesburg, der auch Diagonalen in seine<br />

Kompositionen einbrachte, wich Vantongerloo schon bald von dieser strengen<br />

Konzeption ab und bezog andere geometrische Formen wie Kreise, Ovale und<br />

Bogenlinien ein. Darüber hinaus verwendete er außer den Primärfarben auch<br />

8<br />

vgl. Angela Thomas Schmid, <strong>Max</strong> <strong>Bill</strong> und Vaantongerloo s. 33, 2005<br />

9<br />

vgl. <strong>Max</strong> <strong>Bill</strong>, Georges Vantongerloo, 100 Jahre s.15, 1986<br />

32


Mischfarben. „Der Symbolgehalt des rechten Winkel war für ihn eine dieser<br />

Möglichkeiten, aber niemals eine absolute und nicht zu relativierende<br />

Lösung.“ 10<br />

Groupe y= -ax2 + bx + cy= -2ax + b 1931 Lignes et intervalles 1937 Courbes 1937<br />

Damit entfernte er sich von den puristischen De Stijl- Künstlern und verließ die<br />

Gruppe schon 1921. 11 Zeit seines Schaffens beschäftigte er sich mit dem<br />

Phänomen des Raumes. „Ein gewisses Raumgefühl hat mich immer fasziniert“<br />

und für ihn stand nicht das Herstellen wollen eines Kunstwerkes im<br />

Vordergrund, sonder vielmehr das präsentieren seines Denkens in Farbe und<br />

Raum.<br />

Costruction … 1929 Variation … 1929 Groupe … 1931<br />

Vantongerloo „war der einzige, vielleicht der erste bildende Künstler unserer<br />

Zeit, der sich mit der mathematischen Denkweise als Grundlage seiner<br />

bildnerischen Aussagen befasste.“ 12<br />

10 Margit Weinberg-Staber, Georges Vantongerloo, Mathematik, Natur und Kunst s.23, 1986<br />

11 vgl. <strong>Max</strong> <strong>Bill</strong>, Georges Vantongerloo, 100 Jahre s.15, 1986<br />

12 <strong>Max</strong> <strong>Bill</strong>, Georges Vantongerloo, 100 Jahre s.15, 1986<br />

33


Diesbezüglich kann er als Erfinder einer mathematischen Denkweise in der<br />

modernen Kunst bezeichnet werden und er wendete sie an, um die Natur auf<br />

eine neuartige Weise zu betrachten und zu verstehen. 13<br />

<strong>Max</strong> <strong>Bill</strong> war sein engster Freund und bewunderte ihn als bedeutender Künstler<br />

der Gegenwart, der mancherorts jedoch unbekannt war und unterschätzt<br />

wurde. <strong>Bill</strong> formulierte es einmal so:<br />

„Der Beitrag, den Vantongerloo an die Entwicklung der Kunst geleistet hat, ist<br />

heute noch nicht abzusehen.“ 14<br />

Die freundschaftliche Verbundenheit zu Vantongerloo und dessen Einfluss auf<br />

ihn spiegelt sich in der Folge in einer vorübergehenden Schaffensphase<br />

wieder, in der <strong>Bill</strong> stilistisch in einigen Bildkompositionen wie auch bei<br />

Skulpturen sich deutlich ihm angenähert hatte.<br />

<strong>Max</strong> <strong>Bill</strong>_ Weitung 1944- 1946 G. Vantongerloo_ Rapports de courbes 1938<br />

<strong>Max</strong> <strong>Bill</strong>_ Sechseck im Raum mit gl. Seitenlängen 1947 & Spirale 1944-48 G. Vantongerloo_ Noyau 1946<br />

13 vgl. Margit Weinberg-Staber, Georges Vantongerloo, Mathematik, Natur und Kunst s.24, 1986<br />

14 vgl. <strong>Max</strong> <strong>Bill</strong>, Georges Vantongerloo, 100 Jahre s.15, 1986<br />

34


Nach dessen Tod wird <strong>Bill</strong> der Verwalter des Nachlasses der Werke<br />

Vantongerloos, der neben vielen Werken auch dessen Archiv geerbt hatte. 15<br />

1936 stellte <strong>Bill</strong> erstmals im Kunsthaus Zürich in der von Siegfried Giedion und<br />

Leo Leuppi vorbereiteten Ausstellung „Zeitprobleme der Schweizer Malerei und<br />

Plastik“ aus und erheilt zusätzlich den Auftrag für die Plakat- und Kataloggestaltung.<br />

In diesem Katalog veröffentlichte <strong>Bill</strong> seinen ersten theoretischen<br />

Text und formulierte die Prinzipien der konkreten Kunst.<br />

Aus der Ausstellung „Zeitprobleme in der Schweizer Malerei und Plastik , Kunsthaus Zürich 1936<br />

Konstruktion mit schwebenden Kubus 1935/ 1936 Schwarze Plastik 1934<br />

15 vgl. Angela Thomas Schmid, <strong>Max</strong> <strong>Bill</strong> und Vaantongerloo s. 32, 2005<br />

35


Konstruktion 1934 Zweiteilige Konstruktion 1934<br />

Dabei berief er sich auf jenen Text von Theo van Doesburg, den dieser kurz vor<br />

seinem Tod 1930 in der Broschüre art concret herausgegeben hatte.<br />

„Da van Doesburg, laut <strong>Bill</strong>, „etwas unklar“ dargestellt habe, was er unter<br />

konkreter Kunst verstand, suchte <strong>Bill</strong> in seinem Einführungstext in die<br />

Zeitprobleme der Schweizer Malerei und Plastik-Ausstellung, die Bezeichnung<br />

genauer zu erfassen und als Standardbegriff zu definieren.“ 16<br />

In dieser wichtigen Ausstellung konnte <strong>Bill</strong> eine umfangreiche Darbietung<br />

seiner logisch-einsichtig entwickelten, eigenständigen Werkresultate, der frühen<br />

30er Jahre erstmals öffentlich zeigen.<br />

<strong>Bill</strong> hatte in der Ausstellung “Zeitprobleme…“ großen Erfolg verzeichnen können<br />

und obwohl er konstruktive Ansätze vertrat war damit sein Ruf noch nicht derart<br />

gefestigt, dass man den jungen Künstler schon zur Teilnahme an der<br />

Ausstellung „Konstruktivisten“ 1937 in Basel aufgefordert hätte, was <strong>Bill</strong><br />

verständlicherweise bedauerte. 17<br />

1936 beginnt <strong>Bill</strong> von ähnlichen Motiven in der Musik angeregt die Serie von<br />

Lithografien zu entwickeln mit dem Titel „15 Variationen über ein Thema“, die<br />

er bereits 1938 in Paris veröffentlichte.<br />

Er zeigt, dass innerhalb enggezogener Grenzen sich aus einer Grundidee<br />

verschiedene Variationen entwickeln lassen.<br />

16 vgl. Angela Thomas Schmid, <strong>Max</strong> <strong>Bill</strong>. Zeichnungen 30/40/50er-Jahre s. 122, 2004<br />

17 vgl. Angela Thomas Schmid, <strong>Max</strong> <strong>Bill</strong>. Zeichnungen 30/40/50er-Jahre s. 123, 2004<br />

36


<strong>Bill</strong> bewies damit, dass konkrete Kunst unendlich viele Möglichkeiten in sich<br />

birgt. 18<br />

„Meine ´fünfzehn Variationen über ein Thema´ sind entstanden in den<br />

Jahren 1936-38. Den Entschluss, diese […] zu veröffentlichen, fasste<br />

ich aus der Erkenntnis heraus, dass sich viele Kunstfreunde nicht klar sind<br />

über die Entstehung von Kunstwerken und über deren inneren und äußeren<br />

Aufbau.[…] Diese Methode der Verwandlung und Umkleidung einer Grundidee,<br />

eines Themas, in bestimmte, verschiedenartige und abgeleitete Ausdrucksformen<br />

wird auf dem Gebiet der konkreten Kunst […] angewandt.“ 19<br />

Das Thema<br />

Variation 1 Variation 2 Variation 3<br />

18 vgl. Ernst Scheidegger, Dokumentarfilm- <strong>Max</strong> <strong>Bill</strong>, Maler, Plastiker, Architekt,… Teil 1<br />

19 <strong>Max</strong> <strong>Bill</strong>, fünfzehn Variationen über ein Thema , 1938<br />

37


Variation 4 Variation 5 Variation 6<br />

Variation 7 Variation 8 Variation 9<br />

Variation 10 Variation 11 Variation 12<br />

Variation 13 Variation 14 Variation 15<br />

38


In Zürich gründete 1937 Leo Leuppi die Allianz, Vereinigung moderner<br />

Schweizer Künstler, der <strong>Bill</strong> beitrat. 20<br />

Von nun an laufen in dem von <strong>Bill</strong> verwendeten Formenrepertoire verschiedene<br />

Ausdrucksmittel nebeneinander und er wies damit in seinen Werken eine<br />

derartige Vielfalt an Gestaltungsideen auf, wie kein anderer konkreter Künstler.<br />

Seine Ausdrucksmittel markierten zugleich einen chronologischen Ablauf:<br />

-streng flächenhaft geometrische Bilder<br />

-rhythmische Vergitterungen<br />

-reine Felderkompositionen<br />

-Liniengemälde (linear, amorphe, rund,…)<br />

-Kreis- und Bogenkonstruktionen<br />

-Schachbrettbilder<br />

-Wechsel mit anderen Systemen<br />

-Übereck gestellte Formate, die einer Komposition zusätzlich Spannung<br />

verliehen. 21<br />

2 Gruppen aus Doppelfarben 1958-62 Horizontal- Vertikal- Diagonal- Rhythmus 1942<br />

Konstruktion auf der Formnel a2 + b2 = c2 1937<br />

20 Angela Thomas Schmid, <strong>Max</strong> <strong>Bill</strong>. Zeichnungen 30/40/50er-Jahre s. 124, 2004<br />

21 vgl. Ernst Scheidegger, Dokumentarfilm- <strong>Max</strong> <strong>Bill</strong>, Maler, Plastiker, Architekt,… Teil 1<br />

39


Ruhig 1948/1949 Sechs gleichlange Linien 1947<br />

Betonung einer Spirale 1947 Unbegrenzt und Begrenzt 1947<br />

Konstruktion aus 2 Kreisbögen 1942<br />

40


Bunte Akzente 1946 1- 6 in drei Farben zu weiß und schwarz 1985-1987<br />

Einheit aus flächengleichen Farben 1972 Strahlung von 4 gleichen Farbquanten 1972/73<br />

Rotation um sich ausdehnendes weiß 1971-1978, 1981<br />

41


Im Sommer 1939 konnte <strong>Bill</strong> mit seinem Künstlerfreund Vantongerloo einige<br />

Tage gemeinsam in La Sarraz verbringen, wenige Monate bevor ihre<br />

Verbindung wegen des 2.Weltkrieges erst gestört, dann ganz gekappt wurde.<br />

Am 1. September 1939 griffen die Nazis Polen an und der zweite Weltkrieg<br />

begann unmittelbar. In der Schweiz folgte die Mobilmachung und auch <strong>Bill</strong><br />

musste zischen 1939 und 1944 mehrmals für längere Zeit Militärdienst leisten.<br />

Er lehnte für sich eine militärische Karriere ab, denn er fühlte sich mit seinen<br />

Fähigkeiten bei der Armee fehl am Platz.<br />

Als der Ausgang des Krieges bevorstand, und das Interesse an allgemein noch<br />

wenig Bekanntem wuchs, beauftragte der Kunstverein Basel 1944 <strong>Bill</strong>, in der<br />

Kunsthalle eine Ausstellung zu organisieren. Diese konkrete Kunstausstellung<br />

sollte die erste sein, die den Kriegsumständen entsprechend jene Kunstrichtung<br />

international dokumentierte, die als einzige ganz offensichtlich während des<br />

Kriegs in der Schweiz weiterentwickelt wurde. 22<br />

Blick in die Ausstellung „Konkrete Kunst“ mit Bildern und Skulpturen von <strong>Max</strong> <strong>Bill</strong>, Kunsthalle Basel 1944<br />

22 Angela Thomas Schmid, <strong>Max</strong> <strong>Bill</strong>. Zeichnungen 30/40/50er-Jahre s. 126, 2004<br />

42


Der Direktor der Kunstgewerbeschule Zürich, Johannes Itten, erkundigte sich<br />

1944 bei <strong>Max</strong> <strong>Bill</strong>, ob er an der kunstgewerblichen Abteilung „Formlehre“<br />

unterrichten wolle. <strong>Bill</strong> sagte zu und baute den Unterrichtsstoff in der Folge<br />

systematisch aus. Doch sein Angagement in der Kunstgewerbeschule sollte<br />

nicht lange anhalten. 23 Als der Zweite Weltkrieg vorbei war und damit die<br />

Möglichkeit bestand wieder ins Ausland zu reisen besuchte dieser seinen<br />

Freund Vantongerloo in Paris.<br />

„Mit dem Kriegsende und dem Aufenthalt in Paris bei Vantongerloo begann<br />

für <strong>Bill</strong> eine neue Werkepoche. In dieser Zeit hatte sich <strong>Bill</strong>s Interesse an den<br />

täglichen Gebrauchsgütern intensiviert. Er war der Auffassung, man müsse<br />

angesichts der Materialknappheit ökonomisch vorgehen und mit dem wenigen<br />

Material, das nach dem Kriege zur Verfügung stand, die besten Gegen-<br />

stände herstellen. Diese Vorstellung galt für ihn ebenso für das Bauen und<br />

bekam besonderen Wert im Zusammenhang mit dem, was in zerstörten Gebieten,<br />

an Orten, in denen Gebrauchsgegenstände fehlten, nach dem Kriege<br />

geschehen sollte.“ 24<br />

1947 entstand für die Züricher kantonale Gewerbeausstellung die Kontinuität,<br />

ausgeführt aus armiertem Kalkputz, 3 Meter hoch, auf Veranlassung des<br />

Architekten Hans Fischli. Die Aufstellung am Züricher Arboreturm konnte <strong>Bill</strong><br />

selbst bestimmen. Es war das erste mal, dass eine solche Plastik in öffentlicher<br />

Umgebung stand. Die Reaktion der Bevölkerung war sehr positiv.<br />

1948 wurde sie jedoch zerstört. 25<br />

„In der Kontinuität habe ich versucht, eine seit langen in mir schwebende Idee<br />

zu realisieren, die Darstellung eines unendlichen Raumes in unendlicher<br />

Bewegung. […] das in der Mathematik bekannte Möbiusband.“ 26<br />

Die Vorstudie der Kontinuität entwickelte <strong>Bill</strong> bereits 1937 mit der Skulptur<br />

´Unendliche Schleife´.<br />

23 vgl. Angela Thomas Schmid, <strong>Max</strong> <strong>Bill</strong>. Zeichnungen 30/40/50er-Jahre s. 132, 2004<br />

24 Angela Thomas Schmid, <strong>Max</strong> <strong>Bill</strong>. Zeichnungen 30/40/50er-Jahre s. 134, 2004<br />

25 Du- Europäische Kunstzeitschrift- Vom Bauhaus bis Ulm s.52, Juni-Ausgabe1976<br />

26 <strong>Max</strong> <strong>Bill</strong>, Die Unendlichkeit als plastisches Thema, 1954<br />

43


Unendliche Schleife 1937<br />

Kontinuität 1947<br />

44


Eine Weiterentwicklung des topologischen Phänomens, dem Möbiusband,<br />

vollzog <strong>Bill</strong> 1947/48 mit der ´unendlichen Schleife´ aus einem Kreisring, der aus<br />

vergoldetem Messing war. <strong>Bill</strong>s Einflächen bestehen aus einer genau<br />

definierten Fläche, z.B. einem Kreisring oder einem Quadrat, wie auch das<br />

Objekt ´Viereckfläche im Raum mit gleichen Seitenlängen´ von 1952.<br />

In diesen Fällen hat es <strong>Bill</strong> geschafft, die Eigenschaften vom Möbiusband auf<br />

eine neue und noch einfachere Weise herzustellen.<br />

Fläche im Raum von einer Linie begrenzt Unendliche Schleife aus einem Kreisring II<br />

1952-70 1947/48<br />

<strong>Bill</strong> schrieb ein Buch über Wiederaufbau, welches zu Verbindungen führte, bei<br />

denen <strong>Bill</strong>s Kreativität gefragt war. So entstanden Kontakte zu Italien und<br />

Deutschland, die Möglichkeiten aufzeigten zur Mithilfe. <strong>Bill</strong> hatte schließlich<br />

1948 einen Auftrag der amerikanischen Besatzungsbehörden bekommen,<br />

verschiedene deutsche Hochschulen und Kulturinstitute in Süddeutschland zu<br />

besuchen, um über den Zustand dieser Institute einen Bericht zu erarbeiten.<br />

Der Auftrag führte ihn nach Ulm, wo er mit dem Kreis um die dortige<br />

Volkshochschule und deren Leiterin, Inge Scholl, in Kontakt kam.<br />

Der Kontakt zu Ulm intensivierte sich und sie waren sehr interessiert an der<br />

Umweltproblemen der Nachkriegszeit, woraus dann in weiterer<br />

Zusammenarbeit das Projekt einer Geschwister- Scholl- Hochschule entstand.<br />

Durch <strong>Bill</strong>s aktive Mitwirkung wurde daraus das inhaltlich neu definierte Projekt<br />

45


einer Hochschule für Gestaltung, die <strong>Bill</strong> als Architekt in Ulm realisierte und<br />

deren erster Rektor wurde. 27<br />

Gegen Ende des Jahres 1951 erhielt <strong>Max</strong> <strong>Bill</strong> mit der Plastik „dreiteilige Einheit“<br />

den 1.Preis der ersten Biennale in Sao Paulo, Brasilien. Sein Einfluss auf die<br />

Arbeiten und Werke lateinamerikanischer Künstler wuchs. Nun hinterließ er, als<br />

umjubelter Gast, seine konkreten Spuren in Lateinamerika.<br />

Sein Leben als Künstler wurde zusehends internationaler. 28<br />

Dreiteilige Einheit 1951<br />

<strong>Bill</strong> war in der Folge dreimal Teilnehmer an der Documenta in Kassel<br />

1955,1959 und 1964.<br />

Documenta Kassel 1955<br />

27 Angela Thomas Schmid, <strong>Max</strong> <strong>Bill</strong>. Zeichnungen 30/40/50er-Jahre s. 135, 2004<br />

28 Angela Thomas Schmid, <strong>Max</strong> <strong>Bill</strong>. Zeichnungen 30/40/50er-Jahre s. 136, 2004<br />

46


1957 trat er als Rektor in Ulm zurück und ließ sich wieder in Zürich nieder.<br />

Dort begann er sich vermehrt auch mit den Ideen und dem Herkommen der<br />

Objekte unserer Umwelt, dem entstehen der Formen und mit ihrem Gehalt zu<br />

beschäftigen. Dies auch, um daran eigenes suchen nach Qualität und Konstanz<br />

zu überprüfen. Daraus entstand eine Ansammlung von Gebrauchsgegenständen,<br />

Objekten magischen und mythischen Ursprungs.<br />

„Es hat mich interessiert, sie um mich zu haben, täglich, um ihre Einflüsse zu<br />

spüren und ihre Qualität und Wirkung zu prüfen.“ 29<br />

1947 tauchte erstmals die Thematik der Bildsäule in <strong>Bill</strong>s Werk auf.<br />

Die Bildsäule stellte die Malerei in Form einer Säule dar und vereinte als<br />

Bindeglied Malerei und Plastik.<br />

Bei der Weltausstellung 1967 in Montreal installierte <strong>Bill</strong> seine erste Bildsäule<br />

mit einer Höhe von 14 Meter und einem Durchmesser von 140cm. Er gestaltete<br />

diese als eine Art Windsäule, die sich bei Windbewegungen in farbige Elemente<br />

teilte. 1976-77 entstanden auf dem Gelände der Universität Ulm drei Bildsäulen,<br />

die jeweils aus einem Stahlskelett bestanden, welches mit Emailplatten<br />

verkleidet wurde. Die Höhen variierten zwischen 8, 12 und 16 Meter Höhe.<br />

Eine einzelne vergleichbare Plastik mit einer Höhe von 32m entstand in<br />

Stuttgart- Möringen vor der Daimler Benz- Zentrale und am Bauhaus- Archiv in<br />

Berlin 1979. Von 1978 bis 83 konnte <strong>Bill</strong> eine weitere Bildsäule (h= 20m) beim<br />

Klinikum München- Grosshadern errichten. 30<br />

29 Du- Europäische Kunstzeitschrift- Vom Bauhaus bis Ulm s.20, Juni-Ausgabe1976<br />

30 vgl. Ernst Scheidegger, Dokumentarfilm- <strong>Max</strong> <strong>Bill</strong>, Maler, Plastiker, Architekt,… Teil 1<br />

47


Windsäule in Montreal 1967 Uni Ulm 1976/ 77 Bauhaus- Archiv 1979<br />

1965/66 entstanden die Plastiken „Familie von 5 halben Kugeln“.<br />

„<strong>Max</strong> <strong>Bill</strong> liebte die Schwünge und die Schleifen, und er liebte die Kugel.<br />

Aus der Kugel und mit der Kugel wusste er mehr zu machen, als irgendjemand<br />

in seiner Generation.“ 31<br />

<strong>Bill</strong> wurde aufgefordert 1965, für das neue Gebäude des mathematischen<br />

Institutes der Universität Karlsruhe eine Plastik zu machen.<br />

„Der Bau aus vorfabrizierten Betonelementen hat ein Eigenleben, dem eine<br />

Plastik gegenüberzusetzen mir fast unmöglich erschien.<br />

Der Innenhof mit der Durchsicht nach beiden Seiten des Gebäudes schien mir<br />

ungeeignet für eine Plastik. So konzipierte ich die ´Familie von fünf halben<br />

Kugeln´, von denen nur drei im Innenhof des Baues stehen und je eine auf<br />

jeder Seite in Beziehung zum Aufgang der Freitreppen, ausgeführt in einem<br />

Kunststein aus weißem Zement mit hellem Steinmaterial und dem Durchmesser<br />

von 240cm“. 32<br />

31 Adolf <strong>Max</strong> Vogt, über <strong>Max</strong> <strong>Bill</strong>-Malerei und Plastik 1928-1968 s.5, 1968<br />

32 Du- Europäische Kunstzeitschrift- Vom Bauhaus bis Ulm s.53, Juni-Ausgabe1976<br />

48


Familie von 5 halben Kugeln 19657 1966<br />

Seit Jahren beschäftigte <strong>Bill</strong> sich mit dem Problem der benutzbaren Raum-<br />

Plastik. Bereits 1943 errichtete er eine temporäre Raumplastik in Zürich auf<br />

dem Hevetiaplatz. Eine Ausführung aus Granitblöcken entwickelte <strong>Bill</strong> 1969 für<br />

das Hakone- Park- Museum in Japan. Gleichzeitig konzipierte er 1975 eine<br />

Holzplastik „Pavillonskulptur II“ für die Skulptur- Ausstellung in Biel, die<br />

demontierbar ausgeführt wurde in Kubusformat von 315cm. 33<br />

33 Du- Europäische Kunstzeitschrift- Vom Bauhaus bis Ulm s.55, Juni-Ausgabe1976<br />

49


Seit vielen Jahren wurde beabsichtigt <strong>Max</strong> <strong>Bill</strong> mit der Ausführung einer Plastik<br />

an einem prominenten Standort der Stadt Zürich zu beauftragen.<br />

Anlässlich seines 70. Geburtstages wurde ihm der Auftrag übergeben für eine<br />

Neugestaltung einer Fußgängeranlage an der Bahnhofstrasse.<br />

<strong>Bill</strong> konzipierte von 1979 bis 1983 nach intensivem Studium der städtebaulichen<br />

Gegebenheiten eine plastische Raumstruktur in Form einer Pavillon-Struktur,<br />

die eine Kombination von Architektur und Plastik darstellte.<br />

Sie wurde auf einem rationalen, exakten Maßsystem entwickelt und weist das<br />

1-, 3-, 5-, 6-, 7-, 8- und 9fache des Grundmoduls von 42 cm (Sitzhöhe) auf.<br />

64 gleiche Elemente aus Schwarzwald Granit sind auf einer Grundfläche von<br />

22 x 6 m arrangiert. Trotz dieser mathematischen Fixierung ist sie jedoch<br />

plastisch und räumlich sehr lebendig und reich und es erschließen sich beim<br />

Begehen stets neue Weg- und Sichtbeziehungen. Ihre Proportionen sind<br />

sowohl zum Raum wie auch zum Menschen richtig. <strong>Bill</strong> hat mit seiner Plastik<br />

einen sozialen Freiraum und einen kulturellen Begegnungsort geschaffen. 34<br />

34 Adolf Wasserfallen, Platzgestaltung…s.39ff, 1984<br />

50


Von 1979 bis 1982 errichtete <strong>Bill</strong> in Ulm das Albert Einstein Monument aus<br />

ukrainischem Granit, an der Stelle des im Krieg zerstörten Geburtshauses von<br />

Einstein. Ähnlich wie bei der Pavillon- Struktur in Zürich verwendete <strong>Bill</strong> ein<br />

Grundmodul von 2 x 2 x 6 m und formte daraus eine Plastik.<br />

<strong>Bill</strong> beschränkte sich beim Entwurf auf die Begriffe Zeit, Raum und Mensch, weil<br />

Einsteins Theorien nicht darstellbar waren und konzipierte in einer einfachen<br />

52


Form den 24 Stunden Tag aus 24 gleichen Elementen, 12 stehende und 12<br />

liegende. 35<br />

1986 wird die zweite Fassung der Kontinuität aus gardischen Granit mit einer<br />

Höhe von ca. 5m in Frankfurt vor dem Hauptsitz der deutschen Bank enthüllt.<br />

„Die größte Granit-Plastik seit den alten Ägyptern.“<br />

Sie gilt als eindruckvollstes, monumentales Kunstwerk unserer Zeit und ist<br />

gleichsam ein Symbol von Erfindungsgabe, Zusammenarbeit, Ausdauer und ein<br />

Zeichen von bleibendem Wert für die Stadt. 36<br />

35 vgl. Ernst Scheidegger, Dokumentarfilm- <strong>Max</strong> <strong>Bill</strong>, Maler, Plastiker, Architekt,… Teil 1<br />

36 vgl. Ernst Scheidegger, Dokumentarfilm- <strong>Max</strong> <strong>Bill</strong>, Maler, Plastiker, Architekt,… Teil 1<br />

53


In den darauffolgenden Jahren erhielt <strong>Max</strong> <strong>Bill</strong> unzählige Auszeichnungen,<br />

Ehrungen und Preise für sein Lebenswerk.<br />

54


5_ <strong>Max</strong> <strong>Bill</strong> nach dem Bauhaus als Architekt<br />

Sei es im Telefonbuch, sei es noch auf der Tür des letzten Ateliers in Zürich-<br />

Altstetten, <strong>Max</strong> <strong>Bill</strong> nannte sich stets Architekt.<br />

Zeitlebens beharrte er auf dieser Berufsbezeichnung, obwohl der Ruhm, den er<br />

als Maler und Bildhauer in den letzten Jahrzehnten seines Lebens genoss, sein<br />

gebautes Werk ebenso vergessen ließ, wie die angewandten Arbeiten in der<br />

Typografie, Plakatkunst und Objektgestaltung. 1<br />

Als <strong>Max</strong> <strong>Bill</strong> Ende 1928 nach Zürich zurück kam, ohne Abschlussdiplom in der<br />

Tasche, nur mit der Vision einer neuen Architektur vor Augen, hatte er wenig<br />

Chancen, sich durchzusetzen 2 und so fing er an, sich als grafischer Gestalter<br />

anzubieten, darin war er Autodidakt, wie viele Gestalter seiner Zeit.<br />

Weder an der Kunstgewerbeschule noch am Bauhaus Dessau oder später hat<br />

er eine entsprechende Lehre besucht.<br />

Im Kreise des Neue Bauens hatte er Erfolg, weil er seine Ideen für Plakate und<br />

andere Drucksachen parallel zu den Ideen des Neuen Bauens entwickelte. 3<br />

<strong>Max</strong> <strong>Bill</strong> verstand sich zeitlebens als Architekt und firmte so auf seinen<br />

Briefbögen und Drucksachen:<br />

1<br />

vgl. Arthur Rüegg, Produktdesign s. 102, 2005<br />

2<br />

vgl. Hans Frei, Konkrete Architektur? s. 212, 1991<br />

3 vgl. Gerd Fleischmann, <strong>Max</strong> <strong>Bill</strong>: Typografie s. 244, 1991<br />

55


Wie er diese Aufgaben stilistisch zu lösen gedachte, geht aus einem kürzeren<br />

Text hervor, den er 1930 publizierte. Es heiß dort:<br />

„Jede Gestaltung, im Sinne unserer heutigen Lebensbedingungen, erfordert<br />

größtmöglichste Wirtschaftlichkeit. Größtenteils ist Klarheit das<br />

Wirtschaftlichste. Druckgestaltung ist Organisation von Satzbildern, die durch<br />

Lesbarkeit bedingt sind. Die Typisierung einer Drucksache ist eine<br />

Zweckmäßigkeitsforderung.“ 4<br />

Zusätzlich war <strong>Bill</strong> stets der Meinung, dass die typografische Gestaltung auch<br />

eine Bauaufgabe sei, wie er in dem kurzen Text 1937 erklärte:<br />

„Typografie ist die Gestaltung eines Raumes, welcher sich aus Funktionen und<br />

Materie ergibt. Die Bestimmung der Funktion, die Wahl der Materie, verbunden<br />

mit der Ordnung des Raumes, sind die Aufgaben des Typografen.“ 5<br />

Der schwarze Freitag an der New Yorker Börse am 25. Oktober 1929 und der<br />

beginn der Weltwirtschaftskrise trafen den 21. jährigen <strong>Bill</strong>, als er dabei war in<br />

Zürich ein Büro einzurichten. Bauaufträge gab es für den unbekannten<br />

Architekten ohne Ausbildung natürlich nicht.<br />

Seit 1930 gehörte <strong>Bill</strong> dem Schweizerischen Werkbund an und seit 1931 dem<br />

Schweizer Reklameverband. Zu seinen engen Freunden zählten die Leute vom<br />

Schweizerischen Werkbund und vor allem die Architekten Steiger und Moser.<br />

In der Folge etablierte <strong>Bill</strong> sich als gewissermaßen offizieller Grafiker der<br />

schweizerischen Architekturavantgarde, welches ihm zur intensiven Mitarbeit an<br />

Projekten des Neuen Bauens in der Schweiz verhalf. Für einige ihrer Bauten<br />

kreierte er die Beschriftung der Fassaden. 6<br />

Für das in Zürich von den Architekten Hubacher und Steiger erstellte Zett-Haus<br />

realisierte <strong>Bill</strong> seine erste große Anzeigenkampagne.<br />

Schriftzug und Logo der Anzeigekampagne<br />

4 vgl. Christoph Bignens, Zu <strong>Max</strong> <strong>Bill</strong> als Typograf s.39, 2001<br />

5 vgl. Gerd Fleischmann, <strong>Max</strong> <strong>Bill</strong>: Typografie s. 245, 1991<br />

6 vgl. Gerd Fleischmann, <strong>Max</strong> <strong>Bill</strong>: Typografie s. 245, 1991<br />

56


Zett-Haus, 6-teilige Anzeigenkampagne, Neue Züricher Zeitung 1931/32<br />

Für das Varietetheater Corso das der moderne Architekt Ernst Buckhardt 1934<br />

umbaute, entwarf <strong>Bill</strong> unter anderem die Fassadenbeschriftung aus<br />

Neonröhren.<br />

1934 Entwurf für Fassadenbeschriftung und Reinzeichnung des Schriftzuges<br />

57


Außerdem lieferte <strong>Bill</strong> noch Werbekonzepte, Reklamedrucksachen und<br />

Schriftentwürfe für die Siedlungen Neubühl in Wollishofen (1931), für das<br />

Verkaufslokal „Wohnbedarf“ (1930) und für das Lagerhaus der Firma<br />

Pestalozzi (1934).<br />

58


Zur gleichen Zeit gestaltete <strong>Bill</strong> verschiedene Ausstellungsstände von privaten<br />

Firmen. Alle diese Auftragsarbeiten sind nicht völlig loszulösen von den<br />

künstlerischen Werken, die <strong>Bill</strong> nebenher in seinem Atelier schuf.<br />

Diese Verwandtschaft offenbart sich etwa beim Ausstellungstand für die<br />

Bitumen-Firma „Cola“. Das Fass mit Bitumen wurde hier wie ein Kunstwerk auf<br />

einen Dreifuss gestellt und <strong>Bill</strong> interessierte sicherlich weniger für den Inhalt, als<br />

vielmehr für die gewellte Oberfläche seiner Verpackung. 7<br />

Ihre formale Erscheinung lebt von einer ähnlichen Spannung zwischen<br />

gewellter Oberfläche und runder Form, wie das 1932/33 entstandene Well-<br />

Relief, das ein frühes und programmatisches Beispiel konkreter Kunst war.<br />

Formenentwicklung in der angewandten Arbeit beeinflussten seine Malerei- und<br />

umgekehrt. So entstand 1931 das wohl bekannteste Plakat von <strong>Bill</strong><br />

„Negerkunst“ das ebenfalls Prallelen zu dem Wellrelief aufzeigte.<br />

Ausstellungsstand für die Bitumenfirma „Cola“ 1934 Plakat „Negerkunst“ 1931<br />

7 vgl. Hans Frei, Konkrete Architektur? s. 212f, 1991<br />

Wellrelief 1931/ 1932<br />

59


Typografie, grafische Gestaltung und publizistische Arbeit waren für <strong>Bill</strong> mittel<br />

zum Zweck. Gestaltung hieß für ihn, sich einzumischen. So kämpfte er für das<br />

Neue Bauen, das Neue Leben und die Gute Form im Sinne des Bauhauses und<br />

machte diesen neuen Lebensstil in der Öffentlichkeit mit seinen Plakaten,<br />

Prospekten und zahlreiche Anzeigen bekannt und begann ab 1928 über Kunst,<br />

Architektur und visuelle Gestaltung zu publizieren. 8<br />

<strong>Max</strong> <strong>Bill</strong>s großer Einfluss auf die visuelle Kultur der Schweiz hängt einerseits<br />

damit zusammen, dass er alle gestalterischen Disziplinen selber ausübte, und<br />

andererseits damit zusammen, dass er darüber hinaus auch noch die Theorien<br />

selber verfasste. Als sein Markenzeichen in seinen Arbeiten machte er die<br />

Kleinschreibung, die er im Bauhaus schätzen gelernt hatte und diese aufgrund<br />

des Bedürfnisses nach Vereinfachung von nun an anwendete. 9<br />

Seine Laufbahn als Architekt setzte er 1933 mit dem Entwurf seines eigenen<br />

Atelier- und Wohnhauses in Zürich- Höngg ein.<br />

„Hinter <strong>Bill</strong>s Architektur und Typografie steht die gleiche ästhetische Haltung.<br />

Sie ist erstens gekennzeichnet von einer großen Zurückhaltung im Gebrauch<br />

der formalen Mittel, zweitens von einer sorgfältigen Komposition der Flächen<br />

und Räume und drittens von gestalterischen Einfällen, die nie aufdringlich<br />

wirken.“ 10<br />

Um gegen die Finanzierungskrise im Wohnungsbau anzugehen, gründeten<br />

damals einige Interessierte, darunter auch <strong>Bill</strong>, eine Bausparkasse.<br />

„die Baukredit Zürich“. 11 Da er einen der ersten Bausparverträge abgeschlossen<br />

hatte, ermöglichte ihm dies verhältnismäßig bald einen Baukredit zu<br />

bekommen. Zusätzlich erhielten er und seine Frau Binia finanzielle<br />

Unterstützung seitens ihrer Eltern, die das Bauland in Höngg erworben hatten<br />

und somit die Errichtung des Hauses ermöglichten. Die beschränkten<br />

finanziellen Möglichkeiten führten zu einer präzisen und haushälterischen<br />

8 vgl. Gerd Fleischmann, <strong>Max</strong> <strong>Bill</strong>: Typografie s. 245, 1991<br />

9 vgl. Christoph Bignens, Zu <strong>Max</strong> <strong>Bill</strong> als Typograf s.39, 2001<br />

10 vgl. Christoph Bignens, Zu <strong>Max</strong> <strong>Bill</strong> als Typograf s.39, 2001<br />

11 vgl. Arthur Rüegg, Das Atelierhaus <strong>Bill</strong> 1932/33 s.6, 1997<br />

60


Konzeption mit gezielt eingesetzten Mitteln in räumlicher, architektonischer und<br />

materieller Hinsicht. 12<br />

So entstand 1932/33 das erste von <strong>Bill</strong> entworfene und zugleich eigene Haus<br />

am äußeren Rand des Dorfes Höngg in Zürich.<br />

Blick vom südlichsten Ende des Ansicht von Nordwesten 1941<br />

abfallenden Grundstücks 1941<br />

<strong>Bill</strong> war bestrebt, den Bauvorgang durch die Verwendung von vorfabrizierten<br />

Bauelementen zu vereinfachen und konstruierte sein Haus aus stockwerkhohen<br />

Wandelementen. Im Gegensatz zur damals geläufigen Vorstellung der<br />

modernen Architektur hatte es ein kupfernes Satteldach und nur drei große und<br />

dazu einige kleine Fenster. Atelier, Wohn und Schlafraum waren auf zwei<br />

Stockwerken in einem Raum vereinigt. 13<br />

Mit dem Aufbau seiner Fassade reagiert <strong>Bill</strong> auf eine ebenso persönliche Weise<br />

auf äußere Einflüsse, wie bei deren geometrischer Proportionierung.<br />

Beim kompakten Baukörper des Atelierhaus, der nur mit wenigen, präzise<br />

gesetzten Öffnungen gegliedert war und verputzt und hellweiß gestrichen<br />

wurde, handelt es sich offensichtlich zunächst um einen Versuch <strong>Bill</strong>s, die<br />

„Compostion trés difficile“ Le Corbusiers auf seinen eigenen Bau anzuwenden.<br />

Gleichzeitig aber verzichtet <strong>Bill</strong> ganz offensichtlich auf die „Cinq points d`une<br />

architecture nouvelle“ von 1927, insbesondere was die Grammatik der Fenster<br />

und die Ausbildung des Daches betraf und suchte formale Themen für die<br />

12<br />

vgl. Arthur Rüegg, Das Atelierhaus <strong>Bill</strong> 1932/33 s.7, 1997<br />

13<br />

vgl. Arthur Rüegg, Das Atelierhaus <strong>Bill</strong> 1932/33 s.6, 1997<br />

61


Anordnung von Hohl und Voll, die seiner eigenen konkreten Kunst genauer<br />

entsprachen. 14 <strong>Bill</strong> schrieb sich mit seinem Satteldach auf den ersten Blick in<br />

eine schweizerische Bewegung ein, die eine Erneuerung oder<br />

selbstverständliche Weiterentwicklung traditioneller Bauformen anstrebte, wie<br />

auch der praktizierende <strong>Max</strong> Ernst Haefeli in dieser Zeit. Jedoch wird man den<br />

Verdacht nicht los, dass <strong>Bill</strong> die widerspruchslos entgegengenommene<br />

Dachvorschrift von Beginn an verwendete, um zu einer spezifischen Form zu<br />

gelangen unter Verwendung der Merkmale des Neuen Bauens, auch wenn<br />

diese zurückhaltend eingesetzt und den üblichen Bauvorschriften angepasst<br />

wurden. 15<br />

„Zusammenfassend lässt sich am Atelierhaus <strong>Bill</strong>s Fähigkeit belegen,<br />

Fundstücke, Vorschriften und äußere Einflüsse als Ausgangspunkt<br />

für die Formulierung der spezifischen Lösung zu nehmen. <strong>Bill</strong> gestaltet also<br />

nicht im Sinne eines oberflächlichen Systems sondern sucht die für den konkreten<br />

Fall eine angemessene, in Aufgabe und Ort verankerte, einzigartige Gestalt.<br />

<strong>Bill</strong>s künstlerische Konzeption scheint nach 1931 bereits derart gefestigt zu sein,<br />

dass er auch in seinem architektonischen Erstlingswerk nicht dem<br />

verführerischen Einfluss Le Corbusier verfällt, sondern augrund einer<br />

kritischen Auseinandersetzung zu einer eigenständigen Lösung gelangt.<br />

Allerdings bleibt er in dieser frühen Phase offener für äußere Anregungen, als im<br />

Spätwerk, wo die eigenen bildnerischen Themen immer mehr die a<br />

ausschließliche Aufmerksamkeit beanspruchen.“ 16<br />

Ein Blick auf die im Archiv von Architekt Robert Winkler aufgefundenen<br />

Werkpläne des Atelierhaus zeigte, dass der damals 24 jährige <strong>Bill</strong> sich ganz auf<br />

die konzeptionelle und formale Durcharbeitung seines Hauses beschränkte und<br />

die Detailplanung und Bauleitung dem in Avantgardekreisen bestens<br />

eingeführten Praktiker überließ. 17 Als logische Folge des sparsamen Umgangs<br />

mit den Räumen sollte das knapp dimensionierte Haus auch eine ökonomische<br />

Konstruktion erhalten. So wurde eine Konstruktionsmethode angewandt, die der<br />

Ingenieur Karl Kieser aus Zollikon nach 1930 entwickelt hatte.<br />

14<br />

vgl. Arthur Rüegg, Das Atelierhaus <strong>Bill</strong> 1932/33 s.14, 1997<br />

15<br />

vgl. Arthur Rüegg, Das Atelierhaus <strong>Bill</strong> 1932/33 s.14, 1997<br />

16<br />

Arthur Rüegg, Das Atelierhaus <strong>Bill</strong> 1932/33 s.15, 1997<br />

17<br />

vgl. Arthur Rüegg, Das Atelierhaus <strong>Bill</strong> 1932/33 s.16, 1997<br />

62


„Es handelt sich dabei im wesentlichen um Betonelemente von 20 cm Breite,<br />

283 cm Höhe und 7 cm Dicke, sogenannte Steinplanken, welche die<br />

Tragstruktur bildeten. Diese kassettierten Elemente wurden mit der glatten<br />

Seite nach außen versetzt und mit einer Dachpappe auf der Innenseite<br />

abgedeckt, so dass die Vertiefungen zu Luftkammern wurden.<br />

Den raumseitigen Abschluss bildete eine zementgebundene Holzfaserplatte.<br />

In den Zwischenraum von Dachpappe und Holzfaserplatte ist Bimssteinkies<br />

eingefüllt, um einen guten Isolationswert zu erreichen.“ 18<br />

18 vgl. Arthur Rüegg, Das Atelierhaus <strong>Bill</strong> 1932/33 s.16f, 1997<br />

63


Der Bauvorgang beanspruchte lediglich sieben Monate, von Oktober 1932 bis<br />

Mai 1933, obwohl das System nicht in reiner Form angewendet werden konnte,<br />

da Vorschriften die Zwischendecken nur aus Stahlbeton, als Pfeifferdecken<br />

zuließen und auch die Außenwände des Untergeschoßes betoniert sein<br />

mussten. Ansonsten wurde das konzipierte Satteldach als ein konventionelles<br />

Sparrendach ausgebildet und sämtliche Trennwände wurden gemauert. 19<br />

<strong>Bill</strong> schreibt sich mit der Wahl eines vorfabrizierten Bausystems also in die<br />

Bestrebung der internationalen Avantgarde ein, den Bauprozess zu<br />

rationalisieren, und zwar auf sehr ähnliche Weise wie beim Dessauer Beispiel<br />

der Bauhaussiedlung Törten, welche er genau kannte. 20<br />

<strong>Bill</strong> verzichtete dabei auf den Anspruch, eine ursächliche Abhängigkeit von<br />

konstruktiver Disposition und formalen Ausdruck wie Le Corbusier zu erzeugen.<br />

1932 scheint er sich jedenfalls darauf beschränkt zu haben seine von<br />

bildnerischen Vorstellungen geprägte Architekturvorstellung auf rationelle<br />

Weise umzusetzen.<br />

„Indem er mit einer extrem pragmatischen Haltung gerade die Unreinheit des<br />

Kieser- Systems für seine ästhetischen Absichten nutzte, demonstriert er ein<br />

weiteres mal seine Fähigkeit, Ungleichartiges, Gefundenes oder Vorgegebenes<br />

in sein Konzept einzuschmelzen- eine Haltung , welche die Konkrete Architektur<br />

charakterisiert.“ 21<br />

Das klare Volumen des Atelierhauses besticht durch die wohldurchdachte<br />

Komposition der offenen und geschlossenen Flächen.<br />

Jedoch verleiht erst die plastische Durchformung der Südansicht den<br />

unverwechselbaren Ausdruck. 22<br />

19 vgl. Arthur Rüegg, Das Atelierhaus <strong>Bill</strong> 1932/33 s.69, 1997<br />

20 vgl. Arthur Rüegg, Das Atelierhaus <strong>Bill</strong> 1932/33 s.18, 1997<br />

21 vgl. Arthur Rüegg, Das Atelierhaus <strong>Bill</strong> 1932/33 s.18, 1997<br />

22 vgl. Arthur Rüegg, Das Atelierhaus <strong>Bill</strong> 1932/33 s.26, 1997<br />

64


In der Vertikalen ist die Fassadenfläche in vier gleichmäßige breite Felder<br />

aufgeteilt. Dem Maß dieser Abschnitte entsprechen die großen Öffnungen des<br />

Obergeschosses, der Stützenabstand innerhalb der gartenseitigen Loggia und<br />

das öffnungsfreie westliche Feld. Die Position des Dachwasserabflussrohres<br />

grenzt diese geschlossene Fläche ab und betont die öffnungsfreie Fläche noch<br />

zusätzlich. Außerdem widerspiegelt sie die vollständige Orientierung des<br />

Arbeitsraum nach Norden. Einzig das kleine Fenster des Schreibplatzes spannt<br />

sich nicht über die ganze Breite eines der Felder und ist nicht in der Feldmitte<br />

angeordnet, sondern nach links verschoben. Diese leichte Verschiebung<br />

erzeugt zusammen mit den Balkonen, deren verschiedene Auskragungen mit<br />

der jeweiligen Zurücksetzung der Außenwand in Beziehung stehen. Horizontale<br />

Zusammengehörigkeiten, basierend auf der geschossweisen Einheit der<br />

Öffnungen, überlagern die vertikale Struktur. Der Offenheit der Loggia steht die<br />

Geschlossenheit des Erdgeschosses gegenüber, während die beiden<br />

Öffnungen im Wohngeschoss durch Balkone als verwandt charakterisiert<br />

werden können. 23 Analog zu diesem Prinzip der mehrdeutigen Lesbarkeit ist<br />

<strong>Bill</strong>s 1943 entstandenes Bild „Rhythmus in vier Quadraten“ organisiert.<br />

23 vgl. Hans Frei, Konkrete Architektur? s. 216f, 1991<br />

65


Innerhalb der auf vier Quadraten aufgebauten Ordnung sind die farbigen<br />

Elemente so stark miteinander verknüpft, dass eine neue dreiteilige<br />

Komposition entsteht. 24<br />

Aufgrund der Hanglage ergibt sich auf der Nordseite eine zweigeschossige<br />

Ansicht.<br />

Auf der gleichen vierfeldrigen Gliederung wie die Südansicht, ist die<br />

Nordansicht durch die Abfolge von geschlossenen, teilweise offenen und<br />

vollständigen durchbrochenen Feldern charakterisiert. Das zweigeschossige<br />

Atelierfenster aus Stahl, als Oberlicht auf dem Dach fortgesetzt, steht der<br />

Geschlossenheit der restlichen Abschnitte gegenüber, was seine Wirkung als<br />

transparentes Element erhöht. Um den geschlossenen Charakter der<br />

Mauerfläche nicht mehr als nötig aufzulösen, sind die kleineren Öffnungen für<br />

die beiden Geschosse zu kompakten Formen zusammengefasst.<br />

Das Dunkelkammerfenster und die Eingangstüre bilden eine liegende L- Form.<br />

Im Obergeschoss wird das Küchen- und Korridorfenster mit drei Quadraten zu<br />

einer liegenden Öffnung addiert. 25<br />

24 vgl. Arthur Rüegg, Das Atelierhaus <strong>Bill</strong> 1932/33 s.26, 1997<br />

66


Die beiden eher geschlossenen Schmalseiten zeigen kleine Fenster, die im<br />

wesentlichen die innere Raumaufteilung widerspiegeln. Der während des<br />

2.Weltkrieges angebaute westseitige Kamin ist von der Fassade losgelöst und<br />

durch eine T-Profilkonstruktion aus Stahl getragen. Die Gliederung der<br />

Kaminanlage weist unübersehbar eine Ähnlichkeit mit der kurz vorher (1939)<br />

entstandenen Plastik „Konstruktion“ auf. 26<br />

Der streng geometrische Aufbau kann, abgesehen von den Fassaden auch gut<br />

aus dem ursprünglichen Grundrissplan des Obergeschosses ersehen werden.<br />

Auch hier sind vier aneinanderreihte Felder zu erkennen, wobei deren Länge<br />

jeweils das Doppelte ihrer Breite misst. Der Wohn- und Schlafraum beansprucht<br />

zwei Felder, die sich zu einer offenen quadratischen Fläche fügen.<br />

Der davon benutzbare Teil reduziert sich allerdings auf eine L- förmige Fläche,<br />

da eine quadratische Fläche von der Größe eines halben Feldes ausgespart ist,<br />

um den Wohnbereich mit dem darunterliegenden Atelier räumlich zu verbinden.<br />

Die andere Hälfte der Grundrissfläche ist für Nutzflächen von Küche, Bad,<br />

Erschließung und Essplatz nach Mindestmassen unterteilt. Angesichts einer<br />

derart klar hervortretenden, konstruktiv aber nicht unbedingt erforderlichen<br />

geometrischen Gliederung darf man wohl mit Recht auf analoge bildnerische<br />

25 vgl. Arthur Rüegg, Das Atelierhaus <strong>Bill</strong> 1932/33 s.28, 1997<br />

26 vgl. Arthur Rüegg, Das Atelierhaus <strong>Bill</strong> 1932/33 s.30, 1997<br />

67


Gestaltungen <strong>Bill</strong>s hinweisen. Insbesondere scheint sich dafür das 10 Jahre<br />

später entstandene Bild „ Vierteiliger Rhythmus anzubieten. 27<br />

27 vgl. Arthur Rüegg, Das Atelierhaus <strong>Bill</strong> 1932/33 s.42, 1997<br />

68


Im Erdgeschoss beansprucht zwei Drittel der Erdgeschossfläche das Atelier.<br />

Das eigentliche Zentrum dieses Raumes ist der zweigeschossige Bereich mit<br />

dem ebenso hohen Atelierfenster aus Stahl. Das Atelier ist gemeinsamer<br />

Arbeitsort der jungen Eheleute, denn beide sind zu dieser Zeit freiberuflich<br />

tätig. <strong>Max</strong> <strong>Bill</strong> realisierte hier als Architekt, Maler, Plastiker und Grafiker seine<br />

Werke. Für ihre Tätigkeit als Fotografin benötigte Bina <strong>Bill</strong> die mit einer<br />

entsprechenden Möblierung ausgestatteten Dunkelkammer. 28<br />

Ein intensiver Bezug der Loggia zum südseitigen Außenraum kennzeichnet das<br />

Untergeschoss und diente als Ort der Erholung und bildete den Auftakt zum<br />

Garten. Somit stellt das Kellergeschoss einen separaten Aufenthaltsbereich<br />

dar, während die Wohnfunktionen auf dem obersten Geschoss konzentriert ist<br />

und räumlich mit dem Atelier im Erdgeschoss verbunden wird. 29<br />

28<br />

vgl. Arthur Rüegg, Das Atelierhaus <strong>Bill</strong> 1932/33 s.38 1997<br />

29<br />

vgl. Arthur Rüegg, Das Atelierhaus <strong>Bill</strong> 1932/33 s.34, 1997<br />

69


Anregungen für sein eigens Haus holte sich <strong>Bill</strong> unter anderem bei dem<br />

Atelierhaus, das van Doesburg nur zwei Jahre früher in Meudon bei Paris<br />

bauen lies. Der holländische Künstler löste sich mit diesem Entwurf von der<br />

dynamischen Raumkonzeption aus Scheiben und Platten. Die er Mitte der 20er<br />

zusammen mit van Eesteren entwickelt hatte. Stattdessen definierte er nun<br />

zwei klare Volumen, die um ein Geschoss gegeneinander versetzt sind.<br />

Sein primäres Gestaltungsinteresse lag nun in der geometrischen Gliederung<br />

respektive der Integration des Bauvolumens und entspricht in dieser<br />

Beziehnung dem Haus von <strong>Bill</strong>. 30<br />

Theo van Doesburg: Wohn- und Atelierhaus in Meudon, 1930<br />

Andere Beobachtungen am <strong>Bill</strong>- Haus mögen dagegen eher Bezüge zu Le<br />

Corbusier herstellen, der 1927 Einfamiliehäuser in der Weissenhofsiedlung in<br />

Stuttgart realisiert hatte. Es handelte sich in diesen beiden Fällen um kompakte<br />

geometrische Volumen, die je einen doppelgeschossigen Raum besaßen, der<br />

die beiden Hauptetagen verband. Des weiteren zeichneten sie sich durch eine<br />

auf entsprechende Weise gegliederte Fassade aus (was bei Le Corbusiers<br />

Häusern allerdings tatsächlich konstruktive Gründe hatte) und hatten je eine<br />

über die ganze Höhe des Hauses reichende Glaswand. 31<br />

30<br />

vgl. Hans Frei, Konkrete Architektur? s. 217f, 1991<br />

31<br />

vgl. Hans Frei, Konkrete Architektur? s. 220, 1991<br />

70


Le Corbusier: Zwei Wohnhäuser in der Weissenhof- Siedlung, Stuttgart, 1927<br />

Weitere Beispiele, die sogar <strong>Bill</strong> zum unmittelbaren Studium gedient haben<br />

könnten sind die Villenbauten von Hans Schmidt und Paul Artaria aus den<br />

späten zwanziger Jahren. Bezüglich der geometrischen Rigorosität übertreffen<br />

sie gar das Atelierhaus von van Doesburg. Eines der hervorragensten Projekte<br />

dieser beiden Basler Architekten, das Haus Huber in Riehen (1929). wurde zum<br />

Anlass genommen, die Konzeption Le Corbisiers, wie sie in Stuttgart<br />

demonstriert worden ist, zu verbessern. Das nahezu ausschließliche<br />

Gestaltungsthema des Riehener Hauses ist von der Montage vorfabrizierter<br />

Teile abgeleitet. Diesbezüglich hatte Schmidt schon 1926 im ausdrücklichen<br />

Widerspruch zu Le Corbusier in einem Artikel der von ihm mit<br />

herausgegebenen Avantgarde-Zeitschrift ABC die Meinung vertreten, dass die<br />

Technik das Spiel mit der Form lächerlich gemacht habe. Es scheint, als könnte<br />

das Höngger Haus von <strong>Bill</strong> genau aus der Perspektive dieser Korrektur an Le<br />

Corbusier verstanden werden. 32<br />

Paul Artaria, Hans Schmidt_ Hans Huber, Riehen bei Basel, 1929<br />

32 vgl. Hans Frei, Konkrete Architektur? s. 222, 1991<br />

71


Zusammenfassend kann <strong>Bill</strong>s erstes Haus als „ein Schlüsselwerk bezeichnet<br />

werden, weil es den einzigen Beleg dafür liefert, auf welche Weise die<br />

Architektur in die Einheit der künstlerischen Äußerungen <strong>Max</strong> <strong>Bill</strong>s damals<br />

eingebunden, respektive wieweit die Auffassung tatsächlich durch die damalige<br />

künstlerische Position geprägt war, aber auch umgekehrt wieweit über die<br />

architektonischen Experimente Einflüsse auf das bildnerische Werk selbst<br />

auszumachen sind.“ 33<br />

„Dieses Haus hatte nicht zur Folge, dass ich Aufträge bekommen hätte, andere<br />

bauen zu können.“ 34<br />

Es sollte mehr als Zehn Jahre dauern, bis <strong>Bill</strong> sein zweites Haus bauen konnte.<br />

In der Zwischenzeit stellten die Aufträge im Ausstellungssektor einen Ersatz,<br />

aber auch ein Versuchsfeld für neue räumliche Gestaltungen dar. 35 Den ersten<br />

internationalen bedeutenden Erfolg und einer der ersten und wichtigsten<br />

Beiträge zur modernen Architektur konnte er mit der Gestaltung des Schweizer<br />

Sektors an der Triennale von 1936 in Mailand feiern. Die exakt zur selben Zeit<br />

entwickelten Prinzipien einer konkreten Gestaltung sollten hier erstmals auf<br />

eine räumliche Situation übertragen werden.<br />

33<br />

vgl. Arthur Rüegg, Das Atelierhaus <strong>Bill</strong> 1932/33 s.18 1997<br />

34<br />

Ernst Scheidegger, Dokumentarfilm- <strong>Max</strong> <strong>Bill</strong>, Maler, Plastiker, Architekt,… Teil 2<br />

35 vgl. Hans Frei, Konkrete Architektur? s. 223, 1991<br />

72


Damit setzte sich <strong>Bill</strong> dem kulturpolitischen nicht risikolosen Versuch aus, mit<br />

den Mitteln der ungegenständlichen Kunst eine zeitgemäße Form der<br />

nationalen Selbstdarstellung zu schaffen. 36 Was für die Künstlerkarriere <strong>Bill</strong>s<br />

entscheidender war, war die Tatsache, dass der Triennale- Pavillon ihn in die<br />

Ränge der internationalen Avantgarde hob. Mit dem gekurvten Element, das<br />

gleichzeitig Vitrinenmöbel und Raumteiler war, schuf <strong>Bill</strong> ein einzigartiges<br />

Raumensemble. Neu daran war, dass er der Ausstellungsstruktur einen<br />

eigenen aussagekräftigen Wert beimaß und sie damit den Exponaten<br />

gleichstellte. 37 Der Auftrag an <strong>Bill</strong> erfolgte auf Grund eines Wettbewerbs, den<br />

der Schweizerische Werkbund (SWB) ausgeschrieben hatte.<br />

Zwar wurden Stimmen laut, die den Vorschlag <strong>Bill</strong>s als abschreckendes<br />

Beispiel einer Visitenkarte der Schweiz hinstellten, jedoch urteilten die nationale<br />

und internationale Fachpresse sehr positiv über den Beitrag. Von den<br />

Veranstaltern wurde <strong>Bill</strong> dafür sogar mit einem Grand Prix ausgezeichnet.<br />

Die Komplexität der Gestaltung findet sich nicht unbedingt in den gleichzeitig<br />

entstandenen Architekturprojekten wieder. 38<br />

1934 wurde <strong>Bill</strong> von Elsbeth Hodel- Spoerri, der Schwester seiner Frau<br />

beauftragt ein Gärtnerhaus mit Gewächshaus zu entwerfen. Das Gebäude<br />

sollte an einem Hang liegen unterhalb eines bereits bestehenden Hauses.<br />

<strong>Bill</strong> schlug seinen Klienten einem sich dem Tal zugewandten Haus vor an<br />

dessen Seite ein großes Gewächshaus angeschlossen war.<br />

36<br />

vgl. Karin Gimmi, Architektur als Kunst? s. 60, 2005<br />

37<br />

vgl. Karin Gimmi, Architektur als Kunst? s. 61, 2005<br />

38<br />

vgl. Hans Frei, Konkrete Architektur? s. 223, 1991<br />

73


Parallel dem Hang verlief eine Art Betonsockel, der sowohl den Wohnraum als<br />

auch die Kellerwände des Gewächshauses bildete und auf diese Weise eine<br />

Verbindung aus beiden Gebäudeteilen herstellte. Das Obergeschoss des<br />

Gärtnerhauses bestand aus einer Holzrahmenkonstruktion mit einem<br />

auskragenden Flachdach.<br />

Grundriss<br />

Schnitt<br />

Während die bereits existierende Villa im oberen Bereich des Hangs<br />

unverändert blieb, wurde das Gärtnerhaus und das Gewächshaus in den 70er<br />

Jahren zerstört. In <strong>Bill</strong>s Entwurf sind zweifellos Elemente eingeflossen, die eine<br />

zentrale Rolle in der Gestaltung des Hauptwohnhauses oberhalb des<br />

Gärtnerhauses spielten, welches 10 Jahre zuvor errichtet wurde. Das ist nicht<br />

sonderlich überraschend, denn der Architekt des Haus Hodel war Hans<br />

74


Schmidt, einer der ersten Repräsentanten des Neuen Bauens, der von <strong>Max</strong> <strong>Bill</strong><br />

sehr geschätzt wurde. Das Haus, welches zwischen 1924 und 25 mit einem<br />

geneigten Dach erstellt wurde, wirkte auf den ersten Blick jedoch sehr<br />

konventionell. Im Kontrast dagegen stand <strong>Bill</strong>s hölzerne Box, die ganz klar die<br />

formale Sprache des Neuen Bauens besaß. Die Fassade, die dem Tal<br />

zugeneigt war, wurde dominiert von dem oberen Geschoss mit dem großen<br />

Fenster und der darunterliegenden Loggia im Erdgeschoss. Die zwei Stützen<br />

der Loggia wurden so platziert, dass die Ecken frei waren und so ein insgesamt<br />

schwebender Charakter des Obergeschoßes entstand. Der Abstand zwischen<br />

den Achsmassen der Stützen bezog sich auf ein Grundraster, welches im<br />

gesamten Gebäude verwendet wurde. Fünf 105cm Einheiten in der Breite und<br />

sieben in der Tiefe. Vergleichbar zum Wohn- und Galleriehaus von <strong>Bill</strong> in<br />

Zürich- Höngg, das kurz zuvor fertig gestellt wurde, zeigte die Fassade des<br />

Haus Hodel eine raffinierte Gestaltung, indem die fünf Einheiten im<br />

Erdgeschoss in einem symmetrischen Verhältnis von 1:3:1 und im<br />

Obergeschoss in einem asymmetrischen Verhältnis von 2:2:1 arrangiert<br />

wurden. Das große Fenster an der Hauptfassade unterstrich äußerlich die<br />

Asymmetrie der Fassade, während es im Inneren des Wohnraumes zentral<br />

angeordnet war und die einzige Öffnung nach außen darstellt. Das Fenster<br />

bestand aus vier Rastereinheiten von je 105cm in der Breite, die verbleibende<br />

restliche Einheit von 105cm diente als Nische und Abstellraum. Der kleine<br />

Balkon ist eine Bezugnahme zum entworfenen Haupthaus von Schmidt. <strong>Bill</strong>s<br />

Haus sollte in dem Kontext einer Zeit gesehen werden, wo man sich bemühte<br />

Holz als heimisches Baumaterial für das Neue Bauen zu propagieren. 39<br />

<strong>Bill</strong> hatte sich zwischen 1936 und 1937 gleich an mehreren Züricher<br />

Bauwettbewerben beteiligt, so an dem für ein Konzert- und Kongressgebäude<br />

(1936), für die Seeufergestaltung (1937), für das Warenhaus Globus (1937) und<br />

für das Ausflugrestaurant auf der Waid (1937), erheilt jedoch nie einen Preis. 40<br />

39 vgl. „2G“- N.29/30, <strong>Max</strong> <strong>Bill</strong>, Hodel gardener`s house, Riehen s. 70f, 2004<br />

40 vgl. Hans Frei, Konkrete Architektur? s. 226, 1991<br />

75


Das Gartenstadt Projekt für die Seeufergestaltung 1936 besetzt eine besondere<br />

Position in <strong>Max</strong> <strong>Bill</strong>s Arbeit, denn es war das erste und letzte Mal, dass <strong>Bill</strong> mit<br />

einer reinen Stadtbauplanung konfrontiert wurde. Der Hintergrund für diese<br />

Initiativen war die 1939 stattfindende Schweizer Nationalausstellung. Die<br />

Lösungsvorschläge für die Ufergestaltung sollten Promenaden, Bademöglichkeiten<br />

und Aussichtsterrassen enthalten, um so die Beziehung<br />

zwischen Stadt und See zu verstärken.<br />

<strong>Bill</strong>s Entwurf beschrieb eine Gartenstadt. Er fasste ins Auge bestehende alte<br />

Bauten zu entfernen und anstelle dessen neue moderne mit einem einheitlichen<br />

Vokabular gestaltete Gebäude neu zu errichten, welche über dem Boden<br />

schwebend nur auf Stützen stehen und Dachterrassen erhalten sollten. Die<br />

Nationalbank und die Konzerthalle sollten als einzige historische Gebäude<br />

bestehen bleiben. In <strong>Bill</strong>s Vorstellung gehörten die Quais zu dem<br />

Fußgängerbereich und sollten geringfügig terrassiert werden und verschieden<br />

Plätze und Rampen bilden, die direkt zum Wasser führten. Ein wichtiges<br />

Merkmal des Gartenstadtprojektes war ein auf dem Wasser schwimmendes<br />

öffentliches Schwimmbad aus Holz, welches vom Bürkliplatz aus gesehen sich<br />

76


weit auf dem See befinden sollte. Der Jury war es unmöglich den radikalen<br />

Vorschlag <strong>Bill</strong>s weiter zu unterstützen und schloss seinen Beitrag in der zweiten<br />

Runde aus. 41<br />

Ein weiteres Projekt entstand 1937 im Rahmen eines Wettbewerbes der Stadt<br />

Zürich mit dem Restaurant Neue Waid. Die Aufgabe beinhaltete eine<br />

Umgestaltung eines ländlichen Wirtshauses, welches 1830 erbaut wurde, in ein<br />

modernes zeitgemäßes Restaurant unter Berücksichtung der exponierten Lage<br />

und dem einzigartigen Blick auf die Stadt und den See.<br />

41 vgl. „2G“- N.29/30, <strong>Max</strong> <strong>Bill</strong>, Zurich- the garden city on lake s. 78f, 2004<br />

77


Ob <strong>Bill</strong>s Vorschlag unter den 71 eingereichten Entwürfen in der engeren<br />

Auswahl war ist nicht gewiss. Verglichen zu dem Gewinnerentwurf, der sich an<br />

dem Stil eines traditionellen Wirtshauses orientierte, ist es wohl sehr deutlich<br />

das <strong>Bill</strong>s Entwurf scheinbar zu radikal und modern war und diesbezüglich keine<br />

Chance hatte. Sein Projekt bestand aus einem verlängerten Gebäude, welches<br />

sich zum Tal hin öffnete und sich in drei Bereiche gliedert. Ein<br />

zweigeschossiges hallenartiges Gebäude, ein geschlossener Terrassenflügel<br />

und ein Restaurant. Eine offene Terrasse wurde im Südwesten vor die drei<br />

geschlossenen Bereiche platziert, die im Westen durch einen großen<br />

Restaurantgarten ergänzt wurden. Auch die äußerst bemerkenswerte, sich<br />

schlängelnde Glasfassade, die es <strong>Bill</strong> ermöglichte sowohl einen<br />

ununterbrochenen Blick als auch schützende Essnischen anzubieten<br />

überzeugten die Jury nicht. 42<br />

1937 entstand der Entwurf für den Schweizer Pavillon, der internationalen<br />

Ausstellung in Paris 1937. <strong>Bill</strong>s Zeichnungen zeigten ein dreidimensionales<br />

Raster, in mitten ein System aus Boxen oder Würfeln verschiedener Farben<br />

sich befand.<br />

Zwei Jahre später fertigte er erneut einen Entwurf für den Schweizer Pavillon in<br />

New York für die Weltausstellung an. Der Wettbewerbsbeitrag war eine<br />

Weiterentwicklung des Entwurfs für den Pavillon 1937 in Paris. Jedoch wurde<br />

der Entwurf wieder nicht anerkannt und die Jury entschied sich auf direktem<br />

42 vgl. „2G“- N.29/30, <strong>Max</strong> <strong>Bill</strong>, Restaurant Neue Waid, Zurich s. 82f, 2004<br />

78


Wege für den in der Schweiz geborenen Architekt William Lescaze, der schon<br />

längere Zeit in den Usa gelebt und erfolgreich gearbeitet hatte.<br />

Ein gestalterisches- und architektonisches Thema <strong>Bill</strong>s bestand in der<br />

Differenzierung von tragen und trennen und war besonders in einer äußerst<br />

konsequenten Weise beim Projekt des Schweizer Pavillons an der<br />

Weltausstellung in New York maßgebend.<br />

<strong>Bill</strong> schlug dafür ein großes nacktes Stahlskelett vor, in welches nach Belieben<br />

Raumzellen und Erschließungswege wie Organe hätten eingehängt werden<br />

sollen. Der Vorschlag erinnert an das skulpturale Raumgitter, das der<br />

Österreicher Friedrich Kiesler 1925 an der Pariser „expositon international d´art<br />

decoratif“ ausgestellt hatte. Zeitlich, aber auch formal näher noch stand ihm das<br />

Projekt für ein hängendes Haus, an dem der in Paris lebende Amerikaner Paul<br />

Nelson von 1936-38 arbeitete. Außerdem waren Raumgitter mit eingehängten<br />

Volumen und Flächen in den 30er Jahren zu Inkunabeln der modernen<br />

italienischen Ausstellungs-Architektur geworden. 43<br />

43 vgl. Hans Frei, Konkrete Architektur? s. 230, 1991<br />

79


Die Raumzellen beinhalteten jeweils individuelle Bereiche der Ausstellung. <strong>Bill</strong><br />

hat in diesem Zusammenhang besonderen Wert auf die Positionierung bzw.<br />

Ausrichtung der Volumen und deren Verbindung und Wegeführung<br />

untereinander gelegt. Betrachtet man die Pläne, so war das Erdgeschoss der 3<br />

geschossigen Struktur lediglich mit Glaswänden unterteilt und beherbergte<br />

einen Restaurantbereich. Die Ausstellungsräume des ersten Geschosses<br />

wurden mit einer Treppe in der westlichen Ecke des Komplexes erreicht. Man<br />

gelangte in eine erste Zelleneinheit, eine zweigeschossige Ausstellungshalle.<br />

<strong>Bill</strong>s besondere Fähigkeit lag darin, wie er ein Zirkulationssystem innerhalb<br />

eines dreidimensionalen Raums arrangierte, der aus geschlossen und offenen<br />

Räumen bestand. 44<br />

Aufgrund der sichtbar gemachten Differenz zwischen zwei Systemen innerhalb<br />

eines Bauwerkes besteht eine formale Analogie zum Bild „Horizontal- vertikaldiagonal-<br />

Rhythmus“, dessen Raster aus schwarzen Balken, die in<br />

eigengesetzlicher Aufeinanderfolge die Bildflächen gliedern, entspricht den<br />

linearen Elementen des architektonischen Traggerüsts.<br />

Horizontal- vertikal-diagonal- Rhythmus 1942<br />

„So wie in das Liniennetz des Bildes aber farbige Dreiecke eingefügt sind, die<br />

sich darin ebenfalls nach eigenen Gesetzen ausbreiten, so verhält es sich auch<br />

mit den raumbildenden Elementen der architektonischen Gestalt des<br />

Pavillons.“ 45<br />

44<br />

vgl. „2G“- N.29/30, <strong>Max</strong> <strong>Bill</strong>, Swiss Pavilion, New York World´s Fair s.86f, 2004<br />

45<br />

vgl. Hans Frei, Konkrete Architektur? s. 230f, 1991<br />

80


1938 reiste <strong>Bill</strong> für längere Zeit nach Paris und arbeitete im Atelier von Le<br />

Corbusier, um den dritten Band zu der von Willy Bösiger begonnenen Reihe<br />

des Gesamtwerkverzeichnisses der Architektur von Le Corbusier & P.<br />

Jeannerete 1934- 1938 zusammenzustellen. 46<br />

Eine weitere Gelegenheit bot sich 1942, als er mitten im Krieg den Auftrag für<br />

ein Wohnhaus im Bremgarten erhielt. Das heute zerstörte Haus war L- förmig<br />

angelegt, wobei es mit zwei Fassaden bündig auf einer quadratischen Ebene<br />

lag, die an einem sanft abfallenden Hang aufgeschüttet worden war.<br />

46 vgl. Angela Thomas Schmid, <strong>Max</strong> <strong>Bill</strong> und Georges Vantongerloo s. 32, 1991<br />

81


Durch den einen Arm des Grundrisses führte ein innerer Gang, von dem aus<br />

beiderseits Zimmer sowie der zweite Arm des L erschlossen wurden.<br />

Den inneren, gegen den Garten gerichteten Fassaden sowie den beiden<br />

Stirnseiten des L- förmigen Baukörpers war ein loggiaähnlicher Umgang<br />

vorgelagert. Die Stützen, die die Loggia gegen außen abgrenzten, waren nur<br />

roh bearbeitete Holzpfosten und mochten in dieser Form an Urhütten-Modelle<br />

erinnert haben. Für die dahinterliegenden Außenwände des Hauses kam ein<br />

industriell vorgefertigtes Bausystem „Durisol“ zur Anwendung, welches im<br />

wesentlichen aus 1.5 m langen und 0.5 m hohen Betonelementen bestand. 47<br />

47 vgl. „2G“- N.29/30, <strong>Max</strong> <strong>Bill</strong>, Villiger House, Bremgarten s.92f, 2004<br />

82


Die Stützen der Holzkonstruktion, soweit sie mit den Durisol- Elementen oder<br />

mit den Inneneinrichtungen in Berührung kamen, waren auf einen<br />

quadratischen Querschnitt zugeschnitten.<br />

Zweifellos muss man die für das Haus getroffene Auswahl der Materialien im<br />

Rahmen kriegsbedingter Einschränkungen sehen. Die ausschließliche<br />

Verwendung von Rohstoffen, die in der Schweiz gewonnen werden konnten,<br />

führte jedoch keineswegs in der Verarbeitung zu einem kitschigstimmungsvollen<br />

Heimatstil. Vielmehr könnte es sogar als geistiger<br />

Landesverrat verstanden worden sein, dass <strong>Bill</strong> sich mit dem Entwurf auf die<br />

japanische Bautradition bezog, wie er einmal in einem Brief an Gropius<br />

gestand. Als japanische Merkmale sind etwa zu nennen: die Gartenanlage, die<br />

kleinteilige Proportionierung, die Offenheit des Gebäudes vor allem gegen den<br />

Garten hin sowie die Natursteine, in denen die äußeren Holzpfosten der Loggia<br />

verankert waren. Der Kontrast zwischen der industriell gefertigten Wand und<br />

den naturalisierenden Baumstämmen, die <strong>Bill</strong> davor pflanzen ließ, gibt ein<br />

Thema einer weiterführenden Vision an, die darin bestand handwerkliche und<br />

industrielle Konstruktionsmöglichkeiten in einem Bau zu vereinen. In dem<br />

kleinen Haus Bremgarten klang noch ein weiteres Thema an, das in einem<br />

engeren Sinne mit dem Wesen der architektonischen Problematik verbunden<br />

83


war und auch in verschiedenen anderen Projekten <strong>Bill</strong>s auftauchte, so auch bei<br />

dem Entwurf für den Schweizer Pavillon in New York. 48<br />

Der Ständerbau besteht in der Regel aus zwei verschiedenen,<br />

ineinandergreifenden Systemen. Dem System der tragenden und jenem der<br />

trennenden Teile. Auch beim Haus Bremgarten waren die beiden fast nahtlos<br />

ineinander verschränkt. Nur die unbehauenen Holzpfosten schienen aus dem<br />

Verband herauszutreten, um als tragende Teile eine gewisse, von der übrigen<br />

Konstruktion sich abhebende Unabhängigkeit zu signalisieren. 49<br />

„Das Wohnhaus in Bremgarten wie auch einige andere Entwürfe zeigten<br />

jedoch, das <strong>Bill</strong> eher auf ein Sichtbarmachen des gleichwertigen<br />

Nebeneinanders, als auf eine Hierarchisierung von tragenden und trennenden<br />

Systemen hin arbeitete.“ 50<br />

In den späten 40er Jahren verfolgte <strong>Bill</strong> das Thema der Ineinssetzung von Tragund<br />

Trennsystemen weiter, und zwar so, dass die Systeme sich stelleweise aus<br />

dem Verband herauslösten, um gerade dadurch ihre Ineinssetzung zu<br />

intensivieren. Natürlich war diese Thematik bei all jenen Projekten wichtig, bei<br />

denen ausfachende Durisol-Platten vorgesehen waren, wie beispielsweise beim<br />

nicht ausgeführten Haus für ein Künstlerehepaar in Ascona von 1949. 51<br />

Ehe <strong>Bill</strong> sich weiteren architektonischen Projekten zuwendete beteiligte er sich<br />

in der Folge an verschiedenen Ausstellungen, so zum Beispiel an der<br />

Wanderausstellung „Unsere Wohnung“ des Schweizerischen Werkbundes<br />

1943, wo <strong>Bill</strong> die gesamte Anordnung der Ausstellung arrangierte und selbst<br />

eine Abteilung gestaltete. Die Ausstellung sollte in erster Linie den Besucher zu<br />

einem sinnvollen und vorteilhaften Umgang mit der Wohnungsmöblierung<br />

anregen und diesem Beispiele und Möglichkeiten der ästhetischen<br />

Wohnraumgestaltung an die Hand geben. 52<br />

48<br />

vgl. Hans Frei, Konkrete Architektur? s. 227f, 1991<br />

49<br />

vgl. Hans Frei, Konkrete Architektur? s. 230, 1991<br />

50<br />

Hans Frei, Konkrete Architektur? s. 231, 1991<br />

51<br />

vgl. Hans Frei, Konkrete Architektur? s. 231, 1991<br />

52<br />

vgl. Streiff, Vorwort, Unsere Wohnung s. 3f, 1943<br />

84


Von <strong>Max</strong> <strong>Bill</strong> zusammengestelltes Wonzimmer<br />

1949 konnte <strong>Max</strong> <strong>Bill</strong> an der Basler Mustermesse eine von ihm erarbeitete<br />

Sonderschau des schweizerischen Werkbundes mit dem Titel die „Gute Form“<br />

eröffnen. Diese entstand aus der Diskussion heraus, die <strong>Bill</strong> zuvor mit einem<br />

Vortrag über Gestaltungsprobleme mit dem Titel „Schönheit als Funktion“<br />

entfachte. 53 <strong>Bill</strong> hatte sich schon früh mit den ästhetischen Fragen der<br />

Industrialisierungsmethoden befasst 54 und formulierte es einmal so:<br />

„Schönheit ist auch eine Funktion, die berücksichtigt werden muss, um aus<br />

jedem Objekt ein Kultur- Objekt zu machen.<br />

Unter einer guten Form verstehen wir eine natürliche, aus ihren funktionellen<br />

und technischen Voraussetzungen entwickelte Form eines Produktes, das<br />

seinen Zweck ganz entspricht und das gleichzeitig schön ist.“ 55<br />

Dabei wies er darau<strong>fh</strong>in das jedes Objekt einen Gebrauchszweck zu erfüllen<br />

hat und auch einem jeden Objekt ein unbestimmter Rest bleibt, der nach der<br />

Beantwortung der Frage der Gestaltung und Ästhetik verlangte. Der Direktor<br />

der schweizerischen Mustermesse interessierte sich sehr für <strong>Bill</strong>s Haltung und<br />

ermöglichte ihm die Gestaltung jener Ausstellung mit dem Titel die „Gute Form“.<br />

Der Begriff Gute Form wurde im Zusammenhang mit dem Funktionalismus<br />

gebraucht, um ein Design zu charakterisieren, das den Kriterien von hoher<br />

Nützlichkeit, Lebensdauer, Sicherheit, Ergonomie, Sparsamkeit, Sachlichkeit<br />

und Vernunft entsprach. Dabei war "gut", was sowohl funktionalen als auch<br />

53 vgl. Ernst Scheidegger, Dokumentarfilm- <strong>Max</strong> <strong>Bill</strong>, Maler, Plastiker, Architekt,… Teil 2<br />

54 vgl. Arthur Rüegg, Produktdesign s.102, 2005<br />

55 Ernst Scheidegger, Dokumentarfilm- <strong>Max</strong> <strong>Bill</strong>, Maler, Plastiker, Architekt,… Teil 2<br />

85


ästhetischen Forderungen genügte und den Anspruch an zeitlose Gültigkeit<br />

dokumentierte. 56<br />

<strong>Bill</strong> installierte ein System aus miteinander verbundenen Holzrahmen, welches<br />

zu jeder beliebigen Figur zusammengefügt werden konnte und eine sich durch<br />

den Raum schlängelnde Figur bildete, auf dem weiße Ausstellungstafel<br />

angebracht wurden. Damit erreichte <strong>Bill</strong> das Ziel, mittels der Einrichtung eine<br />

Dynamisierung des an sich neutralen Raumes zu erzeugen, ähnlich wie bei der<br />

Triennale von 1936. Jede dieser Ausstellungsflächen war mit drei Fotografien<br />

von Beispielen der Guten Form bedruckt und einem dazugehörigen<br />

56 vgl. Ernst Scheidegger, Dokumentarfilm- <strong>Max</strong> <strong>Bill</strong>, Maler, Plastiker, Architekt,… Teil 2<br />

86


Erläuterungstext. Die Ausstellung thematisierte vier Bereiche der Formgebung,<br />

einerseits aus Natur, Wissenschaft, Kunst und Technologie und andererseits<br />

aus Bereichen, wie der Architektur, der nationalen Güterproduktion und der<br />

Auswahl guter Formen von Haushaltsgeräten und Transportsystemen. 57<br />

Mit der Ausstellung belegte und unterstrich <strong>Bill</strong> seine Haltung, dass Form ein<br />

Ergebnis aus dem Zusammenwirken von Material, Funktion und Schönheit<br />

sei. 58<br />

Für die Mailänder Triennale von 1951, an der die Schweiz einen wesentlich<br />

kleineren Raum als 1936 zugewiesen bekam, installierte <strong>Bill</strong> in einem<br />

abgedunkelten Raum verschiedene tischhohe, von innen beleuchtete<br />

Trommeln. Darin waren die thematisch gruppierten Exponate untergebracht.<br />

Den Besuchern bot sich die Möglichkeit, zwischen den Vitrinen wie zwischen<br />

Inseln frei hin und her zu kreuzen. 59<br />

57<br />

vgl. „2G“- N.29/30, <strong>Max</strong> <strong>Bill</strong>, Die gute Form Exhibition s.98f, 2004<br />

58<br />

vgl. Ingrid La Plante, Dokumentarfilm- Ein Portrait, 1988<br />

59<br />

vgl. Hans Frei, Konkrete Architektur? s. 244, 1991<br />

87


1947 bis 1948 beteiligte <strong>Bill</strong> sich an Studien für Hausentwicklungen in Israel.<br />

Das Projekt für industriell vorfabrizierte Häuser bezog sich direkt auf die<br />

Gründung des Staats Israel im Mai 1948 und die Kolonisation des neuen<br />

Landes in den folgenden Jahren. Die Initiative kam auf der einen Seite von<br />

Abraham Beer, einem Büromitglied in <strong>Max</strong> <strong>Bill</strong>s Architekturbüro, das 1947<br />

eröffnet wurde. Auf der anderen Seite von der Firma Durisol, die leichte<br />

Betonfertigelemente herstellte, die <strong>Max</strong> <strong>Bill</strong> beauftragte eine Studie über die<br />

Entwicklung von standardisierten vorfabrizierten minimal Häuser zu machen.<br />

Unter minimal verstand er Häuser zu entwickeln, die die ökonomischen<br />

Grenzen berücksichtigten, jedoch einen hohen Grad an häuslichem Komfort<br />

aufwiesen. In dem Israel Projekt beabsichtigte <strong>Bill</strong> erneut das Durioslsystem zu<br />

verwenden. Das Bauen mit standardisierten Elementen interessierte <strong>Bill</strong> sehr<br />

und befähigte ihn rational, ökonomisch und schön zu bauen, etwas was in<br />

seiner Architektenlaufbahn sehr wichtig für ihn war. <strong>Bill</strong> und Beer entwarfen drei<br />

Häuserserien. Typ A bot den absolut geringsten Wohnraum, Typ B war<br />

vergrößert durch eine Küche und Typ C hatte annähernd die Größe eines<br />

durchschnittlichen Reihenhauses. In allen drei Wohnungstypen wurde darauf<br />

geachtet, dass gute und schnelle Bewegungsräume bzw.- Abläufe möglich<br />

waren und das die verschiedenen häuslichen Funktionseinheiten voneinander<br />

klar getrennt waren. Das wichtigste Kriterium dieser Häuser bestand darin das<br />

man sie als Einzelhäuser, aber auch zu mehreren Hauseinheiten gruppieren<br />

konnte.<br />

88


In diesem Zusammenhang entstand 1945 nach dem Krieg das Buch<br />

„Wiederaufbau“, indem <strong>Bill</strong> verschiedenartige Baumethoden vorstellte, um rasch<br />

und im großen Ausmaß neue Wohnstätten zu errichten. <strong>Bill</strong> dokumentierte mit<br />

dem Buch die verschiedenen Tendenzen und Versuche im Ausland und<br />

schweizerische Beiträge für die erste Phase des Wideraufbaus und gab<br />

Anregungen für die Weiterentwicklung dieser Thematik. 60<br />

In den ersten Nachkriegsjahren hielt <strong>Bill</strong> diesbezüglich Vorlesungen und<br />

Vorträge über Wiederaufbau, Produktgestaltung und Kunst, vor allem in<br />

Deutschland, wie auch in Paris und Italien, an Hochschulen und auf<br />

Tagungen. 61<br />

Im Verlauf Ende der 40er Jahre entwickelte <strong>Bill</strong> die Interesse an täglichen<br />

Gebrauchsgüter und war der Auffassung, man müsse in anbetracht der<br />

Materialknappheit ökonomisch vorgehen und mit den wenigen Materialien, die<br />

nach dem Krieg zur Verfügung standen, die besten Gegenstände herstellen. 62<br />

Diese Vorstellung galt für ihn ebenso für das Bauen, als auch für die<br />

Herstellung von Gebrauchsgegenständen. In diesem Zusammenhang<br />

bezeichnete er sich nie als Designer und betonte diese Tatsache explizit 1967<br />

in einem Interview: „Ich bin nicht industrial designer. Als Architekt befasse ich<br />

mich mit der Gestaltung der Umwelt. Da bis ins kleinste Detail die meisten<br />

Gegenstände […] schlecht oder falsch gemacht sind, fühle ich mich hin und<br />

60 vgl. „2G“- N.29/30, <strong>Max</strong> <strong>Bill</strong>, Housing development, Israel s.96f, 2004<br />

61 vgl. Du- Europäische Kunstzeitschrift- Autonome Gegenstände… s.15, Juni-Ausgabe1976<br />

62 vgl. Angela Thomas Schmid, <strong>Max</strong> <strong>Bill</strong>. Zeichnungen 30/40/50er-Jahre s. 134, 2004<br />

89


wieder verpflichtet und versucht, einen bestimmten Gegenstand neu zu<br />

überdenken und ihm eine seinem Zweck gerechte, brauchbare und schöne<br />

Form zu geben.“ 63<br />

Mit diesem Bewusstsein entwarf er 1944 für seinen ersten Industrieauftrag die<br />

„patria“- Schreibmaschine, die aufgrund ihrer neutralen und selbstverständlichen<br />

Form zum Inbegriff der Schreibmaschine geworden ist.<br />

1946 folgte die „indiphot“- Pendelleuchte und um 1950 entstanden dann eine<br />

grosse Anzahl von Holzmöbeln für die Wohnbedarf Ag, unter anderem die<br />

Dreibeinstühle von 1949 und eine Version des damals populären Nierentisches.<br />

1951 entstand für die Firma Junghans eine Küchenuhr mit Kurzzeitmesser, <strong>Bill</strong><br />

sollte in der Folge für jene Firma noch mehrer Uhren entwerfen, so auch eine<br />

Armbanduhr. 64<br />

63<br />

vgl. Arthur Rüegg, Produktdesign s.102, 2005<br />

64<br />

vgl. Arthur Rüegg, Produktdesign s.103, 2005<br />

90


1949 entstand der Hausentwurf für ein Künstlerpaar in Ascona, dass zu einem<br />

der vielen unrealisierten Projekte gehörte und große Ähnlichkeit hatte mit dem<br />

Haus in Bremgarten, da <strong>Bill</strong> auch hier mit dem Durisolsystem arbeitetet.<br />

91


Der Grundriss wurde in einer L- Form konzipiert mit einer Terrasse, die sich im<br />

Inneren des Gebäudekomplexes befand. Eine einzelne eingeschossige offene<br />

Halle wurde an die Seite des Gebäudes angeschlossen, so dass ein Hof<br />

entstand, der von drei Seiten umschlossen war. Der Eingang des Hauses<br />

befand sich an der äußeren Ecke des L, von dem man direkt in die Küche ging.<br />

Generell war der Haupteingang so lokalisiert, dass man direkt zu dem Hauptteil<br />

des Gebäudes in eine Art Eingangshalle vorstieß von dem man den<br />

Speiseraum und den Innenhof erreichte. Ein Musikraum bildete den größten<br />

Raum am Eingangsbereich des Hauses. Weiteres Merkmal des Entwurfs war<br />

die Außentreppe, die zu dem oberen Geschoß führte, welches als Galerie und<br />

Loggia diente und einen verschatteten Außenbereich bildete. Die Staffelung der<br />

drei Flügel des Hauses und die flachgeneigten Dächer ermöglichten eine gute<br />

Belichtung der unteren Geschosse. 65<br />

Bei einem weiteren Projekt 1949 entwarf <strong>Bill</strong> Wohntürme für ein Wohnquartier in<br />

Zürich und auch dabei spielte die Verbindung beziehungsweise die<br />

Unabhängigkeit von Tragen und Trennen eine große Rolle.<br />

65 vgl. „2G“- N.29/30, <strong>Max</strong> <strong>Bill</strong>, House for a pair artists, Ascona s.102f, 2004<br />

92


Die sichtbare Tragstruktur sollte aus schlanken Betonscheiben, die senkrecht<br />

zu Fassadenfläche stehen, errichtet werden. Auf der Höhe des<br />

Dachgeschosses hätten sie sich aus dem eigentlichen, kompakten Bauvolumen<br />

befreit und wären zudem durch horizontale Verbindungselemente zu einem<br />

Gerüst zusammen-gefasst worden. Erst durch diese Maßnahme wäre die<br />

Tragstruktur als eigenständiges plastisches Gebildes wahrnehmbar gewesen.<br />

Ähnliches kann von den trennenden Elementen gesagt werden. Bedingt durch<br />

die Stellung der tragenden Scheiben wären die vier Ecken des Wohnturms als<br />

Auskragungen konstruiert worden. Weil das Erdgeschoss zudem eine offene<br />

Halle bilden sollte, schienen die darüberliegenden Eckräume wie von oben<br />

heruntergehängte Raumzellen über dem Boden zu schweben. Unterstützt<br />

wurde dieser Effekt durch die in das Bauvolumen hineingesetzten Balkone. In<br />

diesem Zusammenhang kann man feststellen, dass in diesem Projekt die<br />

trennenden Elemente Gelegenheit erhalten, sich nicht bloß als Ausfachungen,<br />

sondern als aktive raumbildende Elemente bemerkbar zu machen.<br />

93


Die einzelnen Geschosse des Wohnturms bestanden aus jeweils zwei 2-Raum<br />

und 3-Raum- Apartments, die um einen Wohnraum organisiert waren, welcher<br />

in einen Balkon überging. 66<br />

1955 war die Differenz zwischen Trag- und Trennsystem noch ein weiteres Mal<br />

das grundlegende Gestaltungsthema beim errichteten Pavillon der Stadt Ulm an<br />

der Landesausstellung Baden- Württemberg in Stuttgart. Das umstrittene und<br />

nach der Ausstellung wieder abgebrochene Bauwerk bestand aus vier<br />

zusammengeschobenen Holzgestellen, deren Dachflächen je in Richtung einer<br />

Ecke geneigt waren. In ihrer Mitte ließ <strong>Bill</strong> einen offenen Patio frei, wo eine<br />

Kopie der Turmspitze des Ulmer Münsters aufgestellt wurde. An den<br />

Innenwänden hingen Photographien der Stadt Ulm, die von der wirklichen<br />

Turmspitze aus aufgenommen worden waren. Die Illusion eines<br />

Panoramablicks wurde zusätzlich gesteigert durch die Holzkonstruktion, die wie<br />

ein Gerüst um die Turmspitze aussah.<br />

66 vgl. Hans Frei, Konkrete Architektur? s. 231f, 1991<br />

94


Bereits 1949 sollte das billsche Thema „trennen- tragen“ mit dem Entwurf für<br />

einen Mehrzweckbau in Grenchen verdrängt werden, welcher ein neues<br />

formales Interesse <strong>Bill</strong>s signalisierte. Als Tragkonstruktion dieses<br />

Mehrzweckgebäudes waren neuerdings vor die Fassade gestellte Scheiben<br />

vorgesehen.<br />

Der Grundriss war ein einfaches Rechteck, das im Inneren bis auf wenige fest<br />

eingerichtete Serviceräume und wenige Tragelemente mit Hilfe von drei<br />

Schiebewänden hätte frei unterteilt werden können.<br />

95


Diese Differenzierung zwischen Tragen und Trennen ist jedoch kaum mehr<br />

herausgearbeitet, die Figuren, die beide Systeme erzeugen, sind plastisch<br />

kaum voneinander zu unterscheiden, sondern bleiben innerhalb der Gestalt<br />

nahezu neutral. Dafür aber zeigt der Aufriss, dass sich der ganze Komplex aus<br />

einem Konglomerat verschieden hoher Kuben zusammensetzte. Insofern<br />

kündigte das Grencher Projekt das neue Thema des Zusammenfügens von<br />

Behältern an. 67 Prägnanten schon waren die Beziehungen zwischen<br />

verschiedenen Baukörpern beim Wettbewerbsprojekt für die Kantonsschule<br />

Freudenberg in Zürich von 1949 gestaltet. <strong>Bill</strong> machte den Vorschlag, die<br />

beiden Enden eines achtgeschossigen, zweibündigen Scheibenhochhauses<br />

durch je einen Kranz von drei oder vier abgewinkelten, gleich hohen Türmen zu<br />

fassen. Jeder Turm hätte acht Klassenzimmer enthalten, die der Größe nach<br />

gestapelt und entsprechend auf der Vorderseite zurückversetzt worden wären.<br />

Horizontale Abdrehungen und vertikale Stufungen der Türme hätten<br />

solchermaßen dem an sich neutralen Scheibenhochhaus beidseitig einen Griff<br />

geformt. 68<br />

67<br />

vgl. Hans Frei, Konkrete Architektur? s. 236f, 1991<br />

68<br />

vgl. Hans Frei, Konkrete Architektur? s. 237f, 1991<br />

96


Das gestalterische Thema, das sich mit diesen beiden Entwürfen ankündigt,<br />

kann am besten anhand des Denkmals für einen unbekannten politischen<br />

Gefangenen erläutert werden, welches aus einem Wettbewerb 1952 in London<br />

hervorging und <strong>Bill</strong> zu einem dritten Preis verhalf.<br />

Das Gebilde bestand aus einer nach außen geschlossen wirkenden<br />

Gruppierung von 3 Kuben, in deren Mitte eine dreikantige Stahlstütze stand.<br />

Die Kuben wurden so angeordnet, dass mehrere Beziehungsstrukturen in die<br />

Gestalt hineingelesen werden konnten. 69<br />

Auch bei der Hochschule für Gestaltung sind ähnliche architektonische Behälter<br />

ins Terrain eingebettet und durch einen Verbindungsgang linear verbunden<br />

worden. 70 <strong>Bill</strong> hatte im Auftrag der amerikanischen Besatzungsbehörden 1948<br />

verschiedene deutsche Hochschulen und Kulturinstitute in Süddeutschland<br />

besucht zwecks Erarbeitung eines kritischen Berichtes über den Zustand dieser<br />

Institute. Der Auftragt führte ihn auch nach Ulm, wo er mit dem Kreis um die<br />

dortige Volkshochschule und deren Leiterin, Inge Scholl, in Kontakt kam.<br />

Inge Scholl war die Schwester der berühmten Geschwister Scholl Sophie und<br />

Hans Scholl, die wegen ihres Widerstands gegen die Naziherrschaft im Februar<br />

1944 hingerichtet wurden. 71 Die Hochschule der Gestaltung verdankte ihre<br />

Existenz (1953-68) den Bemühungen dreier unterschiedlich motivierter<br />

69<br />

vgl. „2G“- N.29/30, <strong>Max</strong> <strong>Bill</strong>, Monument to the Unknown Political Prisoner s.144, 2004<br />

70<br />

vgl. Hans Frei, Konkrete Architektur? s. 237, 1991<br />

71<br />

vgl. Ernst Scheidegger, Dokumentarfilm- <strong>Max</strong> <strong>Bill</strong>, Maler, Plastiker, Architekt,… Teil 2<br />

97


Parteien. Mögen diese dabei auch je eigene Ziele verfolgt haben, so gab es<br />

doch einen kleinsten gemeinsamen Nenner: die Absicht nämlich, im<br />

Nachkriegs-Deutschland einen Neu-Anfang zu wagen oder zumindest ein<br />

symbolisches Zeichen gegen die langsam spürbar werdenden restaurativen<br />

Tendenzen zu setzen. Bei den Parteien handelte es sich um den Ulmer Kreis<br />

mit Inge Scholl und Otl Aicher, die amerikanischen Behörden bis hinauf zu<br />

ihrem ranghöchsten Vertreter John J. McCloy und schließlich <strong>Max</strong> <strong>Bill</strong>. 72<br />

Die Rolle von <strong>Bill</strong> entsprach zunächst der eines Beraters.<br />

Es gelang ihm jedoch in der Folge, ein Programm vorzulegen, das ethisch<br />

anspruchsvoll genug war, um die Ulmer anzusprechen, und das zugleich den<br />

Amerikanern politisch nützlich erschien. Unter den gegebenen Konstellationen<br />

witterte <strong>Bill</strong> die Chance, in Ulm seine Vorstellung einer Gestaltungsschule zu<br />

realisieren, die die Tradition der Kunstschul-Reform fortsetzen und außerdem<br />

verstärkt auf die Alltagskultur wirken würden.<br />

72 vgl. Hans Frei, Konkrete Architektur? s.16, 1991<br />

98


Daraus entstand <strong>Bill</strong>s Vorschlag, anstatt einer geplanten erweiterten<br />

Volkshochschule den Versuch zu machen, die Bauhaus-Idee wieder<br />

aufzugreifen und eine Hochschule für Gestaltung zu gründen.<br />

Im Januar 1950 bekam <strong>Bill</strong> das Vertrauen von Inge Scholl ausgesprochen, dass<br />

sie <strong>Bill</strong>s Erfahrung sowohl als Architekt wie auch als pädagogischer Berater in<br />

Anspruch nehmen möchte. <strong>Bill</strong> wurde erstmals im Februar 1950 offiziell zu einer<br />

Besprechung der Ulmer Aufbaugruppe in Sachen Hochschul-Projekt<br />

eingeladen. Hauptthema der Besprechung war das Budget der geplanten<br />

Hochschule. Im Verlauf wurde <strong>Bill</strong> um detaillierte Informationen über die<br />

Organisation des Bauhauses gebeten, der es phantastisch gefunden hätte,<br />

wenn man, statt in organisatorischer, in programmatischer Hinsicht ans<br />

Bauhaus anknüpfen könnte und die Schule so strukturieren würde, als wenn<br />

das Bauhaus sich weiterentwickelt hätte. 73<br />

„Meine Vorstellung war es, dort weiterzufahren, wo das Bauhaus bei normaler<br />

Weiterentwicklung 1950 gestanden hätte, wenn es 1933 nicht geschlossen<br />

worden wäre und das 1000jährige Reich nicht jeden Fortschritt unterbunden<br />

hätte.“ 74<br />

Nach wie vor auch enthielt die Hochschule eine Mischung von Absichten,<br />

welche vom staatsbürgerlichen Unterricht bis hin zur Wirtschaftshilfe für Ulmer<br />

Unternehmen reichte. Obwohl <strong>Bill</strong> zusehends mehr Druck auf programmatische<br />

Klarheit und personelle Entscheidungen ausübte, änderte sich dies erst<br />

grundlegend Mitte 1950, wo die amerikanischen Behörden entschieden, dass<br />

man eine Hochschule für Politik nicht übernehmen könnte.<br />

In der Folge wurde <strong>Bill</strong> gefragt, ob er bereit wäre, den Aufbau und die Leitung<br />

der Schule zu übernehmen. Mit <strong>Bill</strong>s ebenso spontaner Zusage begann ein<br />

neues Kapitel in der Gründungsgeschichte der Ulmer Hochschule.<br />

„Ausschlaggebend waren jedoch für die auf künstlerischem Gebiet eher<br />

unbedarften amerikanischen Behörden weniger inhaltliche Bezüge zum<br />

Bauhaus, als vielmehr, dass Gropius und <strong>Bill</strong> eine Institution vertraten, die unter<br />

den Nazis geschlossen wurde und die nun wieder zurückzuholen einiges an<br />

73 vgl. Hans Frei, Konkrete Architektur? s.33ff, 1991<br />

74 Du- Europäische Kunstzeitschrift- Autonome Gegenstände… s.18, Juni-Ausgabe1976<br />

99


politischem Prestige bedeuten und zur Nazi -Scholl- Geschichte ausgezeichnet<br />

passen würde.“ 75<br />

Die ab Mitte 1950 entstandenen Programme der geplanten Hochschule in Ulm<br />

eliminierten jene Ausbildungsfächer, die nichts mit Gestaltung zu tun hatten.<br />

Mit Walter Gropius nahm <strong>Bill</strong> unmittelbar Kontakt auf und bat ihn, ein Gutachten<br />

zu erstellen und dem Kuratorium beizutreten. Eine entsprechende Anfrage<br />

erhielt auch Henry van de Valde, der 1906 jene Kunstgewerbeschule in Weimar<br />

gegründet und bis 1914 geleitet hatte, die Gropius nach dem Ersten Weltkrieg<br />

übernahm und ins legendär gewordene Baushaus umwandelte.<br />

Das neue Expose´ trug schon Züge einer ersten <strong>Bill</strong>schen Nachbearbeitung.<br />

Das Gewicht der Ausbildung verlagerte sich deutlich in Richtung einer Schule<br />

für Gestaltung. Die beiden Pioniere der Kunstschulreform, Gropius und van de<br />

Velde, reagierten grundsätzlich positiv, zumindest äußerten sie keine<br />

Bedenken, ins Kuratorium berufen zu werden. Van de Velde im besonderen<br />

würdigte das Vorhaben „als etwas, das alles überbiete, was er oder Gropius<br />

zuvor versucht haben. Denn in Ulm würden, falls das Programm verwirklicht<br />

werden sollte, zum ersten Mal die produktivistischen Aspekte der Gestaltung zu<br />

Grundpfeilern einer gestalterischen Ausbildung gemacht.“<br />

Anders als van de Velde sah Gropius für die Ulmer Hochschule die Gefahr,<br />

dass politische Fächer die gestalterischen dominieren. In dieser Hinsicht mögen<br />

ihn persönliche Erfahrungen sensibilisiert haben. Nachdem Gropius im Jahre<br />

1925 das Bauhaus wegen politischen Verleumdungen von Weimar nach<br />

Dessau verlegt hatte, hielt er sich aus jeder politischen Auseinandersetzung<br />

heraus. Bevor sich Hannes Meyer als Nachfolger am 1.April 1928 in das<br />

gemachte Nest setzten durfte, musste er sich auf eben diesen politischen<br />

neutralen Kurs verpflichten. Gropius warf Meyer später Verrat vor, weil er sich<br />

nicht an sein Versprechen gehalten und dadurch das Bauhaus dem Untergang<br />

preisgegeben habe. Es war insofern nur konsequent , wenn Gropius nun auch<br />

den Ulmern empfahl, das vorgesehene Fächerangebot so zu strukturieren ,<br />

dass die gestalterischen Fächer an erster Stelle liegen.<br />

75 vgl. Hans Frei, Konkrete Architektur? s.39f, 1991<br />

100


Als Vorbild verwies er auf das „New Bauhaus“ das von Laszlo Moholy- Nagy<br />

1937 in Chicago gegründete und 1944 ins Institute of Design verwandelt<br />

worden war. Dank Gropius und van de Velde gelang es <strong>Bill</strong> in der Folge<br />

tatsächlich, das Gewicht der gestalterischen Fächer zu erhöhen und die<br />

politisch-literarischen Abteilungen auszuschließen. 76<br />

Der Ulmer plan wurde in der Folge vom amerikanischen Hochkommissar und<br />

seinen Beratern mit einer halben Million Euro gefördert, zu denen von<br />

deutscher Seite die gleiche Summe als Gegenpart aufgebracht werden musste.<br />

Dieser Gegenpart bestand, mit Ausnahme, jedoch meist aus Spenden an<br />

Material, Maschinen für Werkstätten, Bücher für die Bibliothek und allem was<br />

noch dazugerechnet werden konnte, um auf die nötige Summe zu kommen,<br />

einschließlich des Grundstückes, welches ehemaliges Eigentum der<br />

Wehrmacht war und weil damals eine solche nicht mehr und noch nicht wieder<br />

bestand, konnte ein großes Gelände auf dem Jurahügel „Oberer Kuhberg“ als<br />

Baugrund dienen. 1953 begannen die Bauarbeiten.<br />

Bauen hieß hier, möglichst viel zweckmäßigen Raum umschließen, der später<br />

noch besser ausgebaut werden konnte, und dazu noch Studenten- und<br />

Dozentenunterkünfte schaffen. 77<br />

„Man musste gewissermaßen jeden Nagel zweimal umdrehen, bevor<br />

man ihn verwendete. <strong>Bill</strong>iger und primitiver ging es nicht mehr, man war an der<br />

absolut untersten Grenze angelangt. Der einzige Spaß, der mir als Architekt blieb,<br />

war die Disposition der Anlage auf dem Gelände, die Harmonisierung der<br />

inneren Funktionen der Gebäudeteile, die sinnvolle Systematik der<br />

primitiven Konstruktion, dazu die Wahl von soliden und billigen Materialien….<br />

Für den Betrag der uns damals zur Verfügung stand, baut man heute ein<br />

besseres Landhaus.“ 78<br />

Während dem Bau begann man Objekte zu entwickeln, die man später in der<br />

Hochschule benötigte. Aus diesen Entwicklungen heraus entstand der<br />

berühmte „Ulmer Hocker“, aus einer Brettkonstruktion aus billigem Tannenoder<br />

Fichtenholz. Zur Stabilisierung der beiden Seitenstücke wurden<br />

zugeschnittene Besenstiele verwendet, die zudem ermöglichten, dass man den<br />

76 vgl. Hans Frei, Konkrete Architektur? s.40ff, 1991<br />

77 vgl. Du- Europäische Kunstzeitschrift- Autonome Gegenstände… s.18, Juni-Ausgabe1976<br />

78 Du- Europäische Kunstzeitschrift- Autonome Gegenstände… s.19, Juni-Ausgabe1976<br />

101


Hocker tragen konnte. Jeder Student bekam einen Hocker, den er für die<br />

Vorlesungen, für die Mensa und seine Studentenwohnung benutzen musste.<br />

Der Stuhl war so proportioniert, dass man zwei verschiedene Sitzhöhen<br />

einnehmen konnte. 79<br />

Im Grunde verkörperte der Ulmer Hocker jene ungeheure Einfachheit, die auch<br />

das gesamte Hochschulgebäude prägte.<br />

<strong>Bill</strong> ließ sich beim Entwurf der Hochschulbauten von dem von Walther Gropius<br />

und seinem Büro TAC entwickelten Projekt für die Universität in Hua- Tung in<br />

China inspirieren.<br />

TAC_ Walter Gropius<br />

Zudem sah er seine Konzeption in enger Verwandtschaft mit dem Campus des<br />

Illinois Institute of Technology von Ludwig Mies van der Rohe aus dem Jahre<br />

1939 und dem 1938 errichteten Wintercamp „Taliesin- West“ in Arizona von<br />

79 vgl. Ernst Scheidegger, Dokumentarfilm- <strong>Max</strong> <strong>Bill</strong>, Maler, Plastiker, Architekt,… Teil 2<br />

102


Frank Lloyd Wright. Diese beiden Beispiele stehen für je eine der baulichen<br />

Strukturen, die die von <strong>Bill</strong> projektierten Anlage prägen. Analog zu den bauten<br />

Wrights fallen einem die prägnante volumetrische Gliederung und deren<br />

behutsame Einbettung ins Gelände auf und die Ausbildung eines Art Rückgrat<br />

der Anlage, welches die zufällig herumliegenden Behälter miteinander<br />

verbindet. Gleichzeitig aber wird an den Behältern der Hochschule Ulm jene<br />

Uniformität der bis aufs äußerste reduzierten Kuben eines Mies van der Rohe<br />

sichtbar.<br />

Mies van der Rohe<br />

Frank Lloyd Wright<br />

Eine Anlehnung <strong>Bill</strong>s an die ADGB- Bundesschule scheint konzeptionell auch<br />

zu bestehen, selbst wenn sich die Bauvolumen in Ulm dem Terrain<br />

anzuschmiegen scheinen, während jene der Bundesschule entlang eines<br />

steifen Verbindungsrohrs bloß aufgereiht sind. 80<br />

80 vgl. Hans Frei, Konkrete Architektur? s.70ff, 1991<br />

103


Hannes Meyer<br />

Zweifellos hatten die finanziellen Umstände wesentlich dazu beigetragen, dass<br />

die baulichen Maßnahmen in jeder Beziehung auf das unbedingt Erforderliche<br />

beschränkt werden mussten. “So gesehen gehört es zum Entwurfsverfahren<br />

<strong>Bill</strong>s, dass aus den äußeren, unvermeidlichen Gegebenheiten eine innere<br />

formale Tugend entwickelt wird und so unentwirrbar das Pragmatische mit dem<br />

Formalen verstrickt ist. Auf diese Weise erhalten die die funktionellen<br />

Notwendigkeiten eine formale Rechtfertigung.“ 81<br />

Grundsätzlich sind alle Baukörper gleich aufgebaut. Das konstruktive<br />

Grundelement misst in de Regel 6 x 6 Meter. Es besteht aus vier Stützen und<br />

zwei Unterzügen, die in der Haupttragerichtung gespannt sind.<br />

Auf den Unterzügen ruht eine deckende Sekundärkonstruktion, bestehend aus<br />

vorfabrizierten Betonelementen. Außerdem ist die Wiederholung ähnlich<br />

gestalteter Fassadenelemente eines der herausstechendsten Merkmale der<br />

HFG. Für die Ausfachungen der Betonrahmen der Fassade entwickelte <strong>Bill</strong> ein<br />

geometrisches Schema. Jedes Feld setzt sich aus einem Brüstungs- und einem<br />

81 vgl. Hans Frei, Konkrete Architektur? s.88, 1991<br />

104


Fensterelement zusammen. Übersetzt in andere Maßverhältnisse sind die<br />

allgemeinen Prinzipien der Fassadengliederung an jedem Bau der Anlage<br />

anzutreffen. Dies, wie auch die kubische Erscheinung der Boxen, deutet auf<br />

eine Bezugnahme auf die Bauten des Illinois Institute of Technology von van<br />

der Rohe hin. Kann man den Fassadenaufbau der Ulmer Bauten mit den IIT-<br />

Bauten in Beziehung bringen, so ist dies auf der Ebene der Gesamtanlage nicht<br />

mehr möglich. 82<br />

IIT- Bauten HFG- Bauten<br />

Statt als Elemente in eine rechtwinklige ausbalancierte Komposition eingefügt<br />

zu sein, liegen die verschiedenen großen Behälter der HFG wie zufällig<br />

hingewürfelt herum. Der monotone Ausdruck, den man von der gleichförmigen<br />

Gestaltung der Boxen her erwarten könnte, wird dadurch gebrochen, dass der<br />

Komplex unübersichtlich ist und jedem Standort aus eine überraschend neues<br />

Gesicht zeigt.<br />

82 vgl. Hans Frei, Konkrete Architektur? s.89ff, 1991<br />

105


Das Erschließungsbauwerk der HFG bestand teils aus einem Tunnel, teils aus<br />

Scharnieren zwischen Baukuben, teils aus einem offenen Gang oder aus<br />

größeren gedeckten Bereichen, der die Gebäudeeinheiten Werkstatt- bzw.<br />

Schultrakt, Gemeinschaftszone und Studentenwohnheime miteinanderverband.<br />

Der räumliche Zusammenhang zwischen Boxen und Erschließungsbauwerk<br />

war besonders eindrücklich in den beiden größeren zentralen Bereichen der<br />

Anlage gestaltet. Der eine dieser Bereiche bot der ehemaligen<br />

Gemeinschaftszone Platz, während der andere als Verteiler zwischen<br />

Werkstatt- und Schultrakt lag. Die Gemeinschaftszone war das Herzstück der<br />

HFG und setzt sich aus dem Gangbereich und dessen trichterförmiger<br />

Erweiterung zwischen den Boxen für Küche und Mensa zusammen. Küche und<br />

Mensa liegen ineinander schief gegenüber und bilden die seitliche Fassung der<br />

Erweiterung, welche sich auf eine verglaste Tür hin verjüngt, die auf die<br />

Terrasse führt und den Blick über das Donautal und die Alpenkette freigibt. 83<br />

83 vgl. Hans Frei, Konkrete Architektur? s.96ff, 1991<br />

Gemeinschaftszone<br />

106


Werkstatt- und Schultrakt<br />

Gemeinschaftszone (Küche/ Mensa) Studentenwohnheime<br />

Am 8. September 1953 erfolgte der erste Spatenstich für den Bau des HfG-<br />

Komplexes. Die HfG war dabei einer der ersten Stahlbeton-Skelett-Bauten<br />

Deutschlands mit großzügigen Werkstätten, Studentenwohnheim und Mensa.<br />

Der Innenausbau und auch die Möblierung waren auf den flexiblen Nutzen der<br />

Hochschule ausgelegt. Besonders imposant ist die wellenförmige Bar in der<br />

Mitte der Gemeinschaftszone, die als Kommunikationsbereich diente. 84<br />

84 vgl. Ernst Scheidegger, Dokumentarfilm- <strong>Max</strong> <strong>Bill</strong>, Maler, Plastiker, Architekt,… Teil 2<br />

107


Bei dem Ausbau der Hochschule ist diese Installation die Einzige, bei der man<br />

sich nicht auf das Nötigste beschränkte. Grundsätzlich wurden beim Ausbau<br />

ebenfalls billige Materialien ausgewählt, die sich gut mit dem Boden des<br />

Rohbaus vertrugen. Aus Sichtbeton wurden neben allen tragenden Teilen und<br />

Fassadenbrüstungen auch die Treppenwangen hergestellt. Naturlasiertes<br />

Fichtenholz diente für die Fensterrahmen, weiß gestrichene Backsteinmauern<br />

oder Fichtenholztafeln für die Konstruktion der inneren Trennwände,<br />

Asphaltplatten für den Boden, Terrazzo für die Treppenstufen. Eines der<br />

Prunkstücke der Installation stellte der von Walter Zeischegg konstruierte<br />

Beleuchtungskörper dar. Bestehend aus eine Aluminiumröhre und mit zwei<br />

Leuchtstoffröhren bestückt, wurde er im ganzen Haus zwischen die Unterzüge<br />

montiert. 85<br />

85 vgl. Hans Frei, Konkrete Architektur? s.107ff, 1991<br />

108


Ab 1955 fand der Unterricht in den Räumen der HfG statt. Die offizielle<br />

Eröffnung des Schulgebäudes erfolgte am 2. Oktober 1955, auf der Walter<br />

Gropius die Eröffnungsrede hielt. Die Hochschule für Gestaltung bildete<br />

Fachkräfte aus für zwei entscheidende Aufgaben der technischen Zivilisation:<br />

die Gestaltung industrieller Produkte (Abteilung Produktgestaltung und<br />

Abteilung industrialisiertes Bauen); die Gestaltung bildhafter und sprachlicher<br />

Mitteilungen (Abteilung visuelle Kommunikation und Abteilung Information).<br />

Damit wurden Gestalter herangebildet für die Gebrauchs- und Produktionsgüterindustrie,<br />

sowie für die modernen Kommunikationsmittel Presse, Film,<br />

Funk, Werbung. Diese Gestalter mussten über die technologischen und<br />

wissenschaftlichen Fachkenntnisse verfügen, die für eine Mitwirkung in der<br />

heutigen Industrie erforderlich waren. Gleichzeitig mussten sie die kulturellen<br />

und gesellschaftlichen Konsequenzen ihrer Arbeit erfassen und<br />

berücksichtigen. 1955 trat <strong>Max</strong> <strong>Bill</strong> aus Gründen eines Richtungswechsels im<br />

pädagogischen Aufbau und den Lehrveranstaltungen der HfG als Rektor zurück<br />

und verließ 1957 die HfG aus denselben Gründen. <strong>Bill</strong> favorisierte ein<br />

Fortführen des Bauhaus-Modells, andere Dozenten wollten ein mehr an<br />

Wissenschaft und Theorie orientiertes Ausbildungsmodell. 86<br />

„Ich kam mir nach ein paar Jahren konstanter Spannung in Ulm vor wie ein<br />

Krieger auf dem Rückzug aus der Schlacht von Marignano, denn das Jahr 1951<br />

war voller Erfolg gewesen. Wenngleich das Ulmer Experiment als gescheitert<br />

betrachtet werden muss, denn die Hochschule wurde nach ständiger<br />

Verflachung schließlich aufgelöst, so sind von dort doch sehr viele Anregungen<br />

ausgegangen.“ 87<br />

Im Laufe des Jahres 1968 mussten die ersten Dozenten aufgrund der<br />

schwierigen finanziellen Lage entlassen und die Anzahl der<br />

Lehrveranstaltungen eingeschränkt werden. Die Geschwister- Scholl- Stiftung,<br />

der Träger der HfG, war hoch verschuldet. Die verbliebenen Dozenten<br />

verweigerten den Lehrbetrieb aus finanziellen und persönlichen Gründen. Im<br />

November stellte die Stiftung den Betrieb der HfG ein, nachdem das Kabinett<br />

86 vgl. Ernst Scheidegger, Dokumentarfilm- <strong>Max</strong> <strong>Bill</strong>, Maler, Plastiker, Architekt,… Teil 2<br />

87 Du- Europäische Kunstzeitschrift- Autonome Gegenstände… s.19, Juni-Ausgabe1976<br />

109


des Landtages die Zuschüsse für die HfG mit einem Sperrvermerk versehen<br />

hatte. Heute steht die HFG unter Denkmalschutz. 88<br />

Die Beziehung zwischen einfachen Behältern prägte auch den ebenfalls nicht<br />

ausgeführten Entwurf des Schweizer Pavillons an der Biennale Venedig aus<br />

dem Jahre 1951, der aus einem Wettbewerb hervorging. Das Ganze sollte aus<br />

vier Kuben, die sich bezüglich eines Achsenkreuzes ordnen, zusammengebaut<br />

werden.<br />

88 vgl. Ernst Scheidegger, Dokumentarfilm- <strong>Max</strong> <strong>Bill</strong>, Maler, Plastiker, Architekt,… Teil 2<br />

110


Einer der Kuben hätte als Eingangsfoyer dienen sollen, während die restlichen<br />

drei für Ausstellungszwecke vorgesehen waren. Der Hauptausstellungsraum<br />

war doppelt so hoch wie die übrigen Volumen. Des Weiteren sollte einer der<br />

niedrigen Behälter nicht überdeckt und als offener Gartenhof genutzt werden.<br />

Trotzdem lag die Quote der Oberkante seiner Umfassungsmauer genau auf der<br />

Höhe der Oberkante des Dachgesimses der benachbarten Behälter. Diese<br />

Konzeption wäre an sich nichts Besonderes gewesen, wenn nicht der Ort, an<br />

dem die vier Behälter zusammentrafen, auf eine ganz besondere Art<br />

ausgezeichnet werden sollte. Dem Projekt zufolge war an dieser Stelle nämlich<br />

eine freistehende Stütze vorgesehen, die den gemeinsamen Ort aller Behälter<br />

markieren sollte. In diesem Sinne wäre sie sowohl Bestandteil jedes Behälters<br />

gewesen, als auch die Vergegenständlichung des Mittelpunktes des<br />

Koordinatensystems, das die Anordnung im Ganzen regelte. 89<br />

Nachdem <strong>Max</strong> <strong>Bill</strong> dann 1957 seine Tätigkeit In Ulm definitiv aufgeben musste,<br />

kehrte er nach Zürich zurück, wo er sofort sein Architekturbüro wiedereröffnete.<br />

In dieser Zeit begann er sich auch vermehrt mit der nationalen Politik auseinanderzusetzen.<br />

„Ich war immer ein politischer Mensch und ich habe immer politisch gedacht.“<br />

Aufgrund der einschlägigen Erfahrung bei dem Aufbau der Hochschule für<br />

Gestaltung wurde er nach der Rückkehr in die Schweiz in den Gemeinderat<br />

Zürich gewählt. Dort arbeitete er schließlich mehrere Jahre mit besonderem<br />

Interesse für die verschiedensten Kommissionsarbeiten städtebaulicher und<br />

verkehrspolitischer Art. Es war für ihn stets wichtig in den täglichen Betrieb der<br />

Politik einzutauchen, weil er der Auffassung war nur so etwas an der Situation<br />

der Gesellschaft verändern zu können. Einige Jahre später wurde <strong>Bill</strong> dann<br />

auch in den Nationalrat gewählt, doch da seine Partei darauffolgend viele<br />

Stimmen verlor konnte er nicht mehr gewählt werden. 90<br />

89 vgl. Hans Frei, Konkrete Architektur? s.237f, 1991<br />

90 vgl. Ernst Scheidegger, Dokumentarfilm- <strong>Max</strong> <strong>Bill</strong>, Maler, Plastiker, Architekt,… Teil 2<br />

111


Von nun an widmete er sich voll und ganz seinem künstlerischen und<br />

architektonischen Schaffen. Das Zusammenfügen verschiedener einfacher<br />

Behälter blieb einstweilen das vorherrschende gestalterische Thema in seiner<br />

Architektur. Die in früheren Projekten noch uniformen Kisten wurden allerdings<br />

in den folgenden Projekten vielfältiger gestaltet. 91<br />

Die großen Ausstellungshallen, die einen weiteren nicht realisierten Vorschlag<br />

<strong>Bill</strong>s für die landwirtschaftliche Ausstellung „Olma“ in St. Gallen bestückten,<br />

erhielten durch Maßstabssprünge zwischen aneinandergefügten Bauvolumen<br />

und durch differenziert gestaltete Dachlandschaften individuelle Züge.<br />

Außerdem ist die Verschiedenheit von Behältern bei gleichzeitiger<br />

Ineinssetzung in ein Ganzes eines der hervorstechenden Merkmale eines<br />

weiteren Projekts, das etwa zeitgleich für ein Wohn- und Geschäftshaus in<br />

Neuhausen am Rheinfall ausgearbeitet und realisiert wurde. Innerhalb von<br />

beinahe 30 Jahren, in denen sich <strong>Bill</strong> bis dahin schon mit Architektur beschäftigt<br />

hat, war dies erst das vierte Projekt, das zur Ausführung gelangte. 92<br />

Das Bauprogramm umfasste neben einigen Verkaufslokalen einen großen<br />

Kinosaal und fünf Wohnungen.<br />

91<br />

vgl. Hans Frei, Konkrete Architektur? s.240, 1991<br />

92<br />

vgl. Hans Frei, Konkrete Architektur? s.240, 1991<br />

112


Auf den ersten Blick mag die Lösung als Montage von zwei, entsprechend ihren<br />

Funktionen sehr unterschiedlich gestalteten Volumen erscheinen. Das Kino ist<br />

auf den hinteren Teil des Grundstückes in einer flachen, völlig geschlossenen,<br />

mit Eternit verkleideten Box untergebracht. Davor hebt sich über einem<br />

Sockelgeschoss das fünfgeschossige, in einem gebrochenen Weiß verputze<br />

Wohngebäude mit Dachaufbauten. Diesen Nutzungen lässt sich von außen an<br />

der Verteilung und Größe der Öffnungen, insbesondere der Balkone und<br />

Badezimmerfenster ablesen. Die beiden Bauvolumen werden durch den nach<br />

hinten verlängerten Sockelbau miteinander verbunden. Dieser ist gegen die<br />

Straßenseite hin mittels Glasfront und Vordach vom Wohnhaus abgesetzt.<br />

Seitlich treffen seine schwarz gestrichenen Betonwände auf die graue<br />

Eternitverkleidung der Kino-Box.<br />

Auch der Sockel besitzt eine Reihe typischer Merkmale, die ihn von den<br />

anderen beiden Volumen unterscheiden und die ebenso unverblümt wie direkt<br />

ausformuliert sind. Damit wird unterstrichen, dass das Ganze letztlich aus drei<br />

Teilen zusammengesetzt ist wobei gerade dem Sockel eine entscheidende<br />

Bedeutung zukommt. Von außen gesehen mag die Montage eher zufällig<br />

erscheinen, doch im Inneren übernimmt der Raum im Sockel die Rolle eines<br />

verbindenden Gelenks. Die gesamte Nutzfläche besteht einerseits aus einem<br />

Stauraum, von wo aus über großzügige Treppenanlagen das Kino erschlossen<br />

wird. Und aus dem Bereich unterhalb des Wohnhauses andererseits , welcher<br />

durch die Abfangkonstruktion geprägt ist und neben dem Foyer auch einige<br />

Läden Platz bietet. Der Kinoeingang durchstößt beide Schichten und fasst sie<br />

zu einer einzigen Gestalt zusammen. Insbesondere ist der Boden durchgängig<br />

mit Terrazzoplatten belegt, auf denen die Einbauten für Kasse und Garderobe<br />

zu schwimmen scheint. Wörtlich trifft die Metapher der Beweglichkeit auf die<br />

drehbare Garderobe zu, die <strong>Bill</strong> speziell für das Foyer entwickelt hat.<br />

113


Optisch fest im Boden verankert sind einzig die vier etwas abseits stehenden<br />

dunklen Zylinder, die wie der Boden aus Terrazzo hergestellt wurden.<br />

Sie unterstreichen damit die Funktion des Bodenbelages als eine plastische<br />

Qualität, die wesentlich dazu beiträgt, die beiden Bereiche zur Einheitlichkeit<br />

des Raumes zusammenzubinden. 93<br />

Für den Kinosaal entwickelte <strong>Bill</strong> eine ganz neue Bestuhlungsart, die so zu<br />

dieser zeit noch nicht gab.<br />

Das Herstellung und Konstruktion zu den von <strong>Bill</strong> stets beachteten<br />

Bedingungen des Bauens gehörten, ging exemplarisch aus den bereits<br />

realisierten Bauwerken deutlich hervor. 1964 hatte er sich dazu in einem Artikel<br />

zum Thema „Vorfabriziertes Bauen“ zudem ausdrücklich bekannt.<br />

Es wird angesichts seiner Projekte andererseits auch klar, dass die<br />

technischen Bedingungen keineswegs Architektur als künstlerische Disziplin<br />

von ihrem Platz verdrängen konnten. Allerdings zollen die Bauten, die <strong>Bill</strong> in den<br />

60er Jahren realisierte, dem Umstand Tribut, dass Architektur zu dieser Zeit über<br />

alle Massen auf technische Fortschritte fixiert war. In zwei Fällen begnügte er<br />

sich denn auch mit perfekt durchgestalteten, einfachen Kuben, in allen übrigen<br />

Fällen jedoch taucht zusätzlich ein gestalterisches Thema auf. Es geht darum,<br />

im systematischen Aufbau, wie er dem vorfabrizierten Bau eigen ist,<br />

formale Eigenschaften bewusst zu machen, die außerhalb der Kontrolle des<br />

Systems liegen.“ 94<br />

93<br />

vgl. „2G“- N.29/30, <strong>Max</strong> <strong>Bill</strong>, Cinevox, Neuhausen s.156f, 2004<br />

94<br />

Hans Frei, Konkrete Architektur? s.244, 1991<br />

114


Das beste Beispiel, die Verbindung solcher heterogener Formqualitäten zu<br />

veranschauliche, ist der Entwurf für das nicht durchgeführte „Büchner Denkmal“<br />

in Darmstadt 1955.<br />

Dafür wollte <strong>Bill</strong> weißen, kubisch geschliffenen Marmor in eine amorphe,<br />

schwarze Masse aus Diabas- Gestein betten. Es wäre letztlich unentscheidbar<br />

geblieben, was diese Konstellation für das Innere bedeutete:<br />

Ist der Würfel intakt oder wird er von der schwarzem Massen zerfressen?<br />

<strong>Bill</strong> schrieb dazu:<br />

„Beides ist möglich, beides wahrscheinlich.<br />

Zwei Prinzipien durchdringen sich;<br />

Das der gewaltigen Naturkraft;<br />

Das der ordnenden Struktur.“<br />

So wie die Gestalt des Denkmalentwurfs als gespannte Durchdringung zweier<br />

Figuren geschildert wird, lässt sich auch bei architektonischen Projekten der<br />

Umgang mit seriellen Ordnungen zweifach, nämlich als gefasst oder aber als<br />

ungefasst, auslegen. 95<br />

95 vgl. Hans Frei, Konkrete Architektur? s.245, 1991<br />

115


Erstmals finden sich Anzeichen einer Dialektik zwischen gefasster und<br />

ungefasster Form in den beiden Einfamilienhäusern in Odenthal- Erberich bei<br />

Köln, die beide in den Jahren 1960 und 1961 entstanden sind. 96<br />

Haus Boldt Haus Fleckhaus<br />

96 vgl. Hans Frei, Konkrete Architektur? s.247, 1991<br />

116


Sie befinden sich in unmittelbarer Nachbarschaft zueinander und bilden<br />

aufgrund, der selben formalen Aspekte, wie die rauen Backsteine, die weiß<br />

gestrichenen Fensterrahmen und die sichtbar belassenen Betondecken, ein<br />

unverkennbares Ensemble. Allerdings ist die Art und Weise, wie diese Mittel<br />

eingesetzt und die Teile zusammengebaut wurden, bei beiden Häusern<br />

grundlegend verschieden.<br />

Das Haus Boldt stellt einen klar definierten, zweigeschossigen Kubus dar.<br />

Die Loggia im Erdgeschoss scheint dank eines Aushöhlens von Volumen oder<br />

als örtliche Dematerialisierung entstanden zu sein. Entsprechend ruht das<br />

Obergeschoss an dieser Stelle bloß auf einer Stahlstütze mit minimalem<br />

Querschnitt. Verstärkt wird dieser Effekt des Aushöhlens außerdem durch ein<br />

zur Loggia hin orientiertes Fenstern, dessen Scheiben an der Ecke ohne<br />

Rahmendirekt zusammenstoßen.<br />

Das Haus Fleckhans besitzt demgegenüber ein weit ausgedehnteres<br />

Erdgeschoss. Dafür wurde das darüberliegende Geschoss auf drei Seiten<br />

beträchtlich zurückgesetzt. Die überdeckten Loggien im Erdgeschoss sind nun<br />

nicht mehr Folge einer Reduzierung, sondern eines freien Zusammensetzspiels<br />

von Deckenplatten und vor- und zurückspringenden Wandscheiben. 97<br />

„Während also beim Haus Boldt der Quader eine ideale Leitfigur für die Form<br />

des Hause darstellt, von welcher alle weiteren gestalterische Maßnahmen<br />

abgeleitet sind, beziehen sich die gestalterischen Maßnahmen am Haus<br />

Fleckhaus auf kein formales Vor- oder Idealbild, sondern entwickeln sich<br />

ästhetisch unbestimmt, entsprechend den jeweiligen Erfordernissen und gemäß<br />

den durch die Mittel gegebenen Möglichkeiten.“<br />

Das Thema gefasst und ungefasst liegt hier in der Gegenüberstellung von zwei<br />

Bauten als en konzeptuelles Paar vor. Die beiden Häuser bilden somit nicht nur<br />

deswegen ein Ensemble, weil sie mit den gleichen Mitteln in unmittelbarer<br />

Nachbarschaft gebaut worden sind, sondern auch durch einen Dialog, wobei<br />

die Gestalt des einen Hauses als Widerrede zur Gestalt des anderen aufgefasst<br />

werden kann. 98<br />

97<br />

vgl. „2G“- N.29/30, <strong>Max</strong> <strong>Bill</strong>, Fleckhaus House and Bold House, odenthal s.166f, 2004<br />

98<br />

vgl. Hans Frei, Konkrete Architektur? s.247, 1991<br />

117


Gleichzeitig mit den beiden Häusern in Odenthal- Erberich entstanden zwei<br />

Gewerbebauten in Dielsdorf und Leverkusen.<br />

In beiden Fällen handelt es sich um reine Bauquader, deren verschiedene<br />

Teilsysteme, von der Tragstruktur bis hin zur Fassadengliederung und den<br />

Außenwänden und zu den Installationen und der Innenausstattung, gänzlich<br />

durchstandardisiert und vorfabriziert worden sind und sich nahtlos in die<br />

kubische Grundform integrieren lassen. Bei dem Verwaltungsgebäude der<br />

Imbau- Spannbeton in Leverkusen war der Bau so konzipiert, dass das System,<br />

je nach den Bedürfnissen einer künftigen Bauherrschaft, länger, höher und<br />

breiter gemacht und als Verwaltungsbau oder für die Leichtindustrie verwendet<br />

werden konnte. Das System war so ausgedacht, dass das Gebäude vollständig<br />

montagefertig auf den Bauplatz kam und dort in kurzer zeit aufgebaut werden<br />

konnte. 99 Vor allem das Gebäude in Leverkusen ist symptomatisch für den unproblematischen<br />

Umgang mit technischen Möglichkeiten in den 60er Jahren.<br />

Andererseits entstand damit auch eine gewisse Spannungslosigkeit gar<br />

Ausdruckslosigkeit aus der resultierenden Gestalt. 100<br />

99<br />

vgl. Arthur Rüegg, Das Atelierhaus <strong>Bill</strong> 1932/33 s.7, 1997<br />

100<br />

vgl. Hans Frei, Konkrete Architektur? s.248, 1991<br />

118


Im Rahmen der Schweizerischen Landesausstellung Expo 1964 in Lausanne<br />

erheilt <strong>Bill</strong> den, neben der HFG, wohl den wichtigsten Auftrag für die Gestaltung<br />

des Sektors 2b Bilden und Gestalten in seiner Architektenlaufbahn. 101<br />

101 vgl. Hans Frei, Konkrete Architektur? s.248, 1991<br />

119


Von der Thematik des Ausstellungsgutes ausgehend errichtete <strong>Bill</strong> einen<br />

zweckmäßigen Bau für politische, erzieherische und architektonische Bereiche<br />

und bearbeitete Themen wie Landesplanung, Städtebau, Schule und<br />

Erziehung, Radio und Presse.<br />

<strong>Bill</strong> setzte erneut vorfabrizierten Bauteile ein und entwickelte ein besonders<br />

ökonomisches System, welches ihm erlaubte mit wenigen Elementen ein<br />

vielgestaltiges Gebäude zu errichten. 102<br />

Dabei ging er von einem Raster mit der Maschenweite von 5 Meter aus. Ein<br />

Regelfeld wurde durch vier Rohrstützen abgesteckt, an die auf Deckenhöhe<br />

Rinnenträger aus Stahlblech angeschraubt wurden. Das Dach bestand aus<br />

gefalteten Eternitelementen, die auf den Rinnenträgern auflagerten. Über die<br />

bloß regelhafte Anwendung des Bausystems hinaus war nichts von einer<br />

formalen Fassung des Ganzen zu spüren. In diesem Sinne stellt der <strong>Bill</strong>sche<br />

Expo-Pavillon ein offenes System dar, das aus seriell hergestellten Teilen<br />

bestand. Die Einheit des Ganzen beruht lediglich auf einer konstruktiven Logik,<br />

die sich nach Maßgabe der Bedürfnisse beliebig erweitern oder variieren ließ.<br />

Jedoch tauchten zwei Elemente auf, die sich im nord-westlichen Teil der Anlage<br />

befanden. Wie Fremdkörper nisteten sie in dem sonst regelmäßigen Muster des<br />

konstruktiven Gitters. Es handelt sich um einen quadratischen Hof der Künste,<br />

in dem 20 Plastiken verschiedener Kunstrichtungen ausgestellt waren und um<br />

eine dreifach abgestufte blechverkleidete Theater-Box.<br />

102 vgl. Ernst Scheidegger, Dokumentarfilm- <strong>Max</strong> <strong>Bill</strong>, Maler, Plastiker, Architekt,… Teil 2<br />

120


Im Gegensatz zu den Modulen handelt es sich um Figuren, die einzigartig<br />

waren und isoliert dastanden. Auffallend war des weiteren, dass der Hof und die<br />

Box je verschiedene, je gegensätzliche formale Qualitäten aufwiesen. Man<br />

könnte sie deshalb als ein konzeptuelles Paar bezeichnen, welches sich<br />

aufgrund der Komplementarität ihrer Eigenschaften anzog, vergleichbar wie bei<br />

den beiden Einfamilienhäusern in Odenthal- Erberich in Köln. 103<br />

Heute stehen vom ursprünglichen Sektor 2b der Expo nur noch das Theater,<br />

ein Teil des Hofes der Künste und einige Fragmente des Teppichs der<br />

konstruktiven Module.<br />

Vor der Expo arbeitete <strong>Bill</strong> mit dem Hausarchitekten Willy Roost von Radio<br />

Zürich an einem Projekt eines Radioerweiterungsbaus. Dieses sollte das letzte<br />

von <strong>Bill</strong> realisierte Projekt werden. Die Planungen begannen 1963 und wurden<br />

mit der Inbetriebnahme der zweiten Bauetappe 10 Jahre später abgeschlossen.<br />

In der Mitte eines städtischen dreiecksförmigen Grundstücks erhebt sich ohne<br />

Bezug zu einer der umgebenden Strassen, ein markantes achtgeschossiges<br />

Scheibenhochhaus. Vermittelns zu den Straßenseiten hin lagerten diesem<br />

verschiedene ein- bis zweigeschossige verwinkelte Bauvolumen vor.<br />

Dank dieser Anpass-Stücke gelang es auch, die bereits bestehenden<br />

Aufnahmestudios aus dem Jahre 1939 in die neue Situation zu integrieren.<br />

103 vgl. Hans Frei, Konkrete Architektur? s.252f, 1991<br />

121


Die kubische Unversehrtheit des Scheibenhochhauses war durch eine strenge<br />

Gliederung unterstrichen. Die beiden Längsfassaden treten sich aus der Flucht<br />

hervor und wurden seitlich durch graue Betonschächte für Lifte und<br />

Treppenhäuser gerahmt. Des weiteren wurden sie durch ein vorspringendes<br />

Rahmenwerk in vertikale Streifen gliedert, die den horizontalen Brüstungs- und<br />

Fensterbändern die Waage hielten. „Die Anordnung macht so den Eindruck, als<br />

würde eine klar gefasste, geometrische Form in einer amorphen Masse<br />

stecken. Die Spannung des Büchner-Denkmals wird einem umso mehr<br />

bewusst, als die niedere Bebauung die durch die Strassen gegebene<br />

Blockstruktur aufnimmt, während sich das Scheibenhaus davon abhebt und<br />

ganz isoliert aus dem Stadtkuchen in den Himmel ragt.“ 104<br />

104 vgl. Hans Frei, Konkrete Architektur? s.254f, 1991<br />

122


Während des Krieges hatte <strong>Bill</strong> an einer Monografie gearbeitet über den großen<br />

Schweizer Eisenbetonpionier Robert Maillart. Besonders seine eleganten<br />

neuartigen Brücken weckten <strong>Bill</strong>s Interesse. Es waren Realisationen, die sich<br />

von einem Kunstwerk oft nur selten unterschieden.<br />

<strong>Bill</strong> hegte stets den Wunsch beim Brückenbau mitwirken zu können und eines<br />

Tages fragte das Ingenieurbüro Ros an, ob er bereit sei konsultativ an einem<br />

Projekt mitzuwirken. Mit den Mitarbeitern Aschwand und Speck realisierte er<br />

1966/67 die Lavina- Tobel- Brücke in Graubünden bei Tamins.<br />

„Diese Brücke ist eine meiner glücklichsten Realisationen.<br />

Ich glaube, wenn ich heute noch wählen könnte, ich möchte möglichst viele<br />

Brücken bauen zusammen mit den kompetenten Fachleuten; denn hier ist das<br />

Nützliche mit dem technischen und mit der Umwelt in harmonischem<br />

Gleichgewicht.“ 105<br />

1965 wurde <strong>Bill</strong> für den Bau eines Zelttheaters für König Ubu von Alfred Jarry<br />

und der Ausstattung der Aufführung für die Züricher Werkbühne angagiert.<br />

1966 bekommt er einen weiteren Auftrag für eine Bühnengestaltung für die<br />

Oper „Zwischenfälle bei einer Notlandung“ von Boris Blacher in der Hamburger<br />

Staatsoper, wo er gleichförmige, drehbare Prismen auf der Bühne installierte. 106<br />

105 vgl. Du- Europäische Kunstzeitschrift- Autonome Gegenstände… s.66f, Juni-Ausgabe1976<br />

106 vgl. Ernst Scheidegger, Dokumentarfilm- <strong>Max</strong> <strong>Bill</strong>, Maler, Plastiker, Architekt,… Teil 2<br />

123


Zur Gruppe der Bauten mit dem Thema „gefasst- ungefasst“ gehört auch das<br />

zweite Atelier- und Wohnhaus, das <strong>Bill</strong> 1967/68 in Zumikon bei Zürich errichten<br />

ließ und an diesem er seine sachliche Architekturauffassung am freiesten<br />

entwickeln konnte. 107<br />

Die Gestaltung gliedert sich nach <strong>Bill</strong> in zwei grundsätzliche Bereiche.<br />

„Erstens in eine optimale Zweckerfüllung des Objektes als solches und<br />

zweitens in die Berücksichtigung der Beziehung des Hauses zu seiner<br />

Umgebung, der Integration in ein Ganzes. […] Es ist keine organische<br />

Integration des Gebäudes in die Landschaft im Sinne von Frank Lloyd Wright,<br />

sondern eine bewusste Eingliederung im Dienste einer Gleichsetzung von<br />

Architektur und Natur.“ 108<br />

107<br />

vgl. Hans Frei, Konkrete Architektur? s.253f, 1991<br />

108<br />

vgl. „Artrium“- Architekturzeitschrift, Prinzip der Ordnung s.100, 1989<br />

124


Von der hangseitigen Zufahrt herkommend ahnt man von dem großzügig<br />

angelegten Plan des Hauses wenig. Eine geschosshohe, langgezogene Wand<br />

mit Öffnungen für vier Garagentore begleitet den Zugang zum diskreten<br />

Haupteingang auf der Nord-Ostseite.<br />

Erst vom Garten her, auf der anderen Seite des Hauses stellt sich die wahre<br />

Dimension der Anlage heraus. Zwei Bauvolumen bilden einen nach Westen und<br />

zum Tal hin offenen L- förmigen Rahmen der tief in den abfallenden Hang<br />

hineingeschnitten ist. 109<br />

Er birgt zwischen den Schenkeln ein wildes Konglomerat aus kleineren Kuben,<br />

Terrassen und Loggien. Diese kleinteilige Gliederung zieht sich bis in den<br />

Garten hinein, allerdings verlaufen die abgetreppten Stütz- und Gartenmauern<br />

diagonal zur Ordnung des Hauses.<br />

„Die Zusammensetzung von L- förmigen Rahmen und kleinteiliger<br />

Kristallstruktur schaffen eine Spannung, die dem Aufbau des Büchnerdenkmals<br />

vergleichbar ist. In diesem Falle aber ist die Durchdringung nicht auf bloße<br />

Spekulationen angewiesen, sondern tatsächlich prüfbar.“ 110<br />

Um ein Höchstmaß an Wohn- und Lebensqualität zu schaffen, war <strong>Bill</strong> um eine<br />

Disposition der Räume bemüht, die sich allein aus dem Tagesablauf mit seinen<br />

Arbeitsgängen ergeben sollte. Der Ablauf der Räume und die gestalterische<br />

Rhythmisierung sind auf ihre Benutzbarkeit hin entworfen.<br />

109<br />

vgl. „2G“- N.29/30, <strong>Max</strong> <strong>Bill</strong>, Studio House <strong>Bill</strong>, Zumikon s.166f, 2004<br />

110<br />

vgl. Hans Frei, Konkrete Architektur? s.254, 1991<br />

125


Eingangsgeschoss Erdgeschoss<br />

Untergeschoss<br />

Eingangsgeschoss_<br />

1.Eingang, 2. Windfang, 3. Halle, 4. Garagen, 5. Studio, 6.Atelier, 7. Studio, 8. Bad/Wc,<br />

9. Gästezimmer, 10. Terrasse<br />

Erdgeschoss_<br />

1.Wohnzimmer, 2. Essplatz, 3. Küche, 4. Gaderobe, 5. Hof, 6.Waschküche, 7. Kammer,<br />

8. Gästezimmer, 9. Magazin, 10. Atelier, 11. Zimmer, 12. Garten<br />

Untergeschoss_<br />

1.Hofgarten, 2. Treibhaus, 3. Pflanzenlaube, 4. Loggia, 5. Maleratelier, 6. Magazin, 7.<br />

Luftschutzkeller, 8. Heizung, 9. Öltank, 10. Keller<br />

Vom verschotteten Eingangsbereich an der Strasse gelangt man vom oberen<br />

Geschoss über eine Treppe ins Erdgeschoss zum geräumigen 100qm großen<br />

Wohnraum, der als Dreh- und Angelpunkt dient und im inneren Winkel der<br />

beiden Schenkel liegt.<br />

126


Dieser erhält eine ganz besondere Dimension durch seine verschiedenen<br />

Deckehöhen und durch die zwei schlanken Säulen, welche die Lasten des<br />

Eingangsgeschosses über den niedrigen Deckenpartien aufnehmen. Um ihn<br />

Gruppieren sich andere Räume von unterschiedlicher Größe.<br />

Die hellbraunen, in verschiedenen Farbtönen schattierten Tonplatten des<br />

Bodens verbinden die Innenräume. Weil sie bis auf die Terrasse weiter<br />

gezogen werden, entsteht ein Dialog mit der Außenwelt und dem Garten.<br />

Der Garten ist sowohl von der Küche, vom Hof, vom Wohnbereich, der<br />

Dienstwohnung und vom Wohnraum her zugänglich. 111<br />

111 vgl. „Artrium“- Architekturzeitschrift, Prinzip der Ordnung s.100, 1989<br />

127


Zum Konzept seines Hauses notierte <strong>Max</strong> <strong>Bill</strong>:<br />

„Räume die man durchschreitet und körperlich erlebt, dass ist Architektur.<br />

Der zentrale Wohnraum- ein Spannungsfeld für Bilder und Objekte, setzt sich<br />

nach allen Seiten in andere Räume fort. Ringsherum geht der Innenraum in den<br />

Außenraum über.“ 112<br />

Das ursprüngliche Atelierhaus in Höngg überschrieb Bina <strong>Bill</strong> 1979 ihrem Sohn<br />

Jakob. Das Gebäude wurde darauffolgend im Herbst 1979 auf der Südseite<br />

erweitert, um genügend Platz zu bieten. Der von <strong>Bill</strong> an der Südseite geplante<br />

Anbau beinhaltete in der südwestlichen Ecke des Kellergeschosses ein Studio,<br />

die Loggia wurde zugunsten eines Geräteraums nach Süden verschoben. Das<br />

Erdgeschoss wurde mit drei Schlafzimmern ergänzt, wobei das ursprüngliche<br />

Schlafzimmer des Sohnes zu einem Bad umfunktioniert wurde. Das<br />

Obergeschoss vergrößerte sich um das Elternzimmer m Osten und eine<br />

Veranda vor dem Wohnraum, die direkten Zugang zu der in der südwestlichen<br />

Ecke gelegenen Terrasse bietet. Während Bad und Küche erneuert wurden, ist<br />

die Toilette noch im Originalzustand geblieben. Der als Stahlskelettbau<br />

konzipierte Anbau wurde mit einer vorgehängten Durisolelementfassade<br />

verkleidet, die er bereits bei dem Haus Villiger in Bremgarten (1942) und an<br />

dem Werksgebäude der Lichtdruck Ag in Dielsdorf (1960/61) angewendet hatte.<br />

An die Stelle der spannungsvollen Anordnung der geschlossenen und offenen<br />

112 vgl. Ernst Scheidegger, Dokumentarfilm- <strong>Max</strong> <strong>Bill</strong>, Maler, Plastiker, Architekt,… Teil 2<br />

128


Fassadenteile trat eine gerasterte Fassade, welche die ursprüngliche<br />

Vierteiligkeit nur noch erahnen ließ. Die Schwierigkeit des Anbaus lag in der<br />

Tatsache begründet, dass dem Atelierhaus kaum etwas zugefügt werden<br />

konnte, ohne eine starke Charakterveränderung herbeizuführen. 113<br />

Mit der angebauten Südfassade orientierte sich <strong>Bill</strong> formal an der Gestaltung<br />

der Südwestfassade seines neuen Atelier- und Wohnhauses in Zumikon.<br />

Auch hier erzeugte <strong>Bill</strong> eine gerasterte Fassadeneinteilung die klar die Vertikale<br />

betonte. Dieser vertikale Ausdruck wurde durch aneinandergereihte hochkant<br />

stehende Fensterbänder verstärkt. Ein Fensterband bestand je aus einem<br />

langen obenliegenden Fensterelement und einem darunterliegenden fast<br />

proportional kleineren Fensterelement, welches sich durch eine Horizontale von<br />

dem anderen trennte. Blickt man zurück auf die realisierten Projekte der<br />

vergangenen Jahrzehnte, so ist auffällig das sich <strong>Bill</strong> niemals einer Gestaltung<br />

zweimal bediente. Vielleicht fand <strong>Bill</strong> am Ende seines architektonischen<br />

Schaffens insgeheim ein gestalterisches Markenzeichen seiner Architektur,<br />

welches er vorher stets hat vermissen lassen und schloss damit endlich eine<br />

Lücke, die er in der Kunst und Plastik längst geschlossen hatte.<br />

113 vgl. Arthur Rüegg, Das Atelierhaus <strong>Bill</strong> 1932/33 s.81, 1997<br />

129


In den letzten Jahren seiner Arbeit hatte <strong>Bill</strong> weitere Aufträge für Bauten<br />

erhalten sowie an mehreren Wettbewerben teilgenommen.<br />

Pläne entstanden so unter anderem für die Erweiterung der Nationalgalerie<br />

1982 und das Baushaus-Archivs in Berlin. Mit Unterstützung von Giulio Argan,<br />

dem berühmten italienischen Kunsthistoriker und ehemaliger Bürgermeister<br />

Rom, ergriff er 1980 die Initiative für ein Museum für zeitgenössische Kunst in<br />

Florenz und fertigte seinen letzten dokumentierten Entwurf an. 114<br />

Ehe er sich voll und ganz seinem künstlerischen Schaffen hingeben sollte<br />

wurde <strong>Bill</strong> 1967 als Professor an die staatliche Hochschule für bildende Künste<br />

in Hamburg berufen, wo er bis 1974 den Lehrstuhl Umweltgestaltung leitete.<br />

Dieser war ein ganz neuer Lehrstuhl und befasste sich mit der Methodik, wie<br />

man mit dem Problem der Umweltgestaltung umging, die sich vom kleinsten bis<br />

zum größten Objekt inhaltlich erstreckte. Mit dieser Thematik beschäftigte <strong>Bill</strong><br />

sich schon zeit seines Schaffens, geprägt durch die Zeit am Bauhaus, schwebte<br />

ihm schon immer die „Gestaltung der gesamten Umwelt vom Löffel bis zur<br />

Stadt“ vor. 115<br />

114 vgl. Hans Frei, Konkrete Architektur? s.257, 1991<br />

115 vgl. Ernst Scheidegger, Dokumentarfilm- <strong>Max</strong> <strong>Bill</strong>, Maler, Plastiker, Architekt,… Teil 2<br />

130


6_ Schlusswort<br />

Die Auseinandersetzung und Konfrontation mit dem Mensch und noch viel mehr<br />

mit dem Künstler und Architekten <strong>Bill</strong> und dessen Werk ist zu Beginn für einen<br />

jungen Menschen, der gerade erst am Anfang steht erschlagend.<br />

Gleichsam fragt man sich, wie es sein kann dass eine einzige Person solch<br />

viele Talente in sich vereint und all jene in solch einer Perfektion ausübt.<br />

Mir ist bewusst geworden, dass Talent eine schöpferische Gabe ist, welches<br />

man einerseits geschenkt bekommt, andererseits ist es aber auch ein Zustand,<br />

der mit dem Bewusstsein wächst und irgendwann zur Entfaltung kommt.<br />

Jenes Talent muss man jedoch zu erst entdecken und fördern, vor allem muss<br />

man sich im Klaren darüber sein, wie man es konkret einsetzt und gebraucht.<br />

Es müssen zudem Wegbegleiter existieren, die einem den richtigen Weg<br />

weisen und einem zugleich die nötigen Impulse und Werkzeuge an die Hand<br />

geben, um richtig und individuell zu handeln. Betrachtet man den faszinierenden<br />

Werdegang <strong>Bill</strong>s, so erkennt man viele solcher Stationen in seinem<br />

Leben, die ihn richtungsweisend geprägt und ihn aktiv in seinem Bewusstsein<br />

gebildet haben. Wie ist es sonst zu erklären, dass ein Mensch mit solch einer<br />

Sicherheit und Gelassenheit zweimal ohne Abschluss eine Bildungsstätte<br />

verlässt und sich selbstbewusst den Gefahren des Alltages stellt.<br />

Bewundernswert ist der Ehrgeiz und Wille <strong>Bill</strong>s Veränderungen hervorzurufen<br />

und tiefgreifend und gestaltend in die Umwelt einzugreifen, mit dem großen Ziel<br />

diese positiv zu bereichern. Nun ist diese Aufgabenstellung nicht unbedingt die<br />

Einfachste und des öfteren musste <strong>Bill</strong> vor allem in der Architektur Niederlagen<br />

einstecken. Trotzdem hat er nie zurückgesteckt und stets an sich und sein<br />

großes Ziel geglaubt. Ein Zustand dem es nachzueifern gilt mit oder auch<br />

gerade ohne das Bewusstsein über den Besitz eines einzigartigen Talents.<br />

Der Weg ist das Ziel ….<br />

Carsten A. Büttner Oktober 2007<br />

131


7_Literaturverzeichnis_<br />

2G_ <strong>Max</strong> <strong>Bill</strong> Architect, N.29/30<br />

Text: Karin Gimmi<br />

Herausgeber: Editorial Gustavo Gili, Barcelona<br />

Artrium_ Haus & Wohnen International Nr.1 / 1998<br />

Text: Prinzip der Ordnung von Lore Keller<br />

Verlag: Novapress Ag, Schaf<strong>fh</strong>ausen<br />

Ascona Bau-Buch_ Kommentar<br />

Text: <strong>Max</strong> <strong>Bill</strong> als Typograf von Christoph Gignens<br />

Verlag: Antiquariat & Edition Peter Perrej, 2001, Zürich<br />

ISBN: 3-907639-00-6<br />

Das Atelierhaus <strong>Max</strong> <strong>Bill</strong> 1932/33<br />

Text: Arthur Rüegg<br />

Verlag: Niggli Ag, 1997, Zürich<br />

ISBN: 3-7212-0306-2<br />

Die gute Form<br />

Text: <strong>Max</strong> <strong>Bill</strong><br />

Verlag: Buchdruckerei Winterthur Ag, 1957, Winterthur<br />

Herausgeber: Direktion der Schweizer Mustermesse in Basel<br />

DU_ Europäische Kunstzeitschrift Juni 1976<br />

Text: Zu diesem Heft<br />

Vom Bauhaus bis Ulm<br />

Die Magie der gestalteten<br />

Gegenstände, Autonome Gegenstände für den geistigen Gebrauch<br />

Bauen als Teil der gestalteten Umwelt<br />

Verlag: Conzett + Huber Ag, Zürich<br />

Ein Portrait_ <strong>Max</strong> <strong>Bill</strong><br />

Dokumentarfilm von Ingrid La Plante<br />

Südwestfunk, Baden- Baden<br />

132


Georges Vantangerloo<br />

Text: Georges Vantongerloo, ein Zeuge unsere Zeit von G. C. Argan<br />

1986 Georges Vantongerloo 100 Jahre von <strong>Max</strong> <strong>Bill</strong><br />

Betrachtungen Paris 1950 von G. Vantongerloo<br />

Eine Biographie von G. Vantongerloo<br />

Mathematik, Natur und Kunst von Margit Weinberg- Staber<br />

Einheit von Geist und Materie von Angela Thomas Jankowski<br />

Verlag: Fröhlich & Kaufmann, Berlin<br />

ISBN: 3-88331-944-9<br />

Konkrete Architektur_ Über <strong>Max</strong> <strong>Bill</strong> als Architekt<br />

Text: Hans Frei<br />

Verlag: Lars Müller, Baden<br />

ISBN: 3-906700-22-4<br />

<strong>Max</strong> <strong>Bill</strong>, Maler, Bildhauer, Architekt, Designer<br />

Text: Vorwort von Thomas Buchsteiner<br />

<strong>Max</strong> <strong>Bill</strong> und Georges Vantongerloo von Angela Thomas Schmid<br />

<strong>Max</strong> <strong>Bill</strong> und die HFG Ulm von Eugen Gomringer<br />

Architektur als Kunst von Karin Gimmi<br />

Produktdesign von Arthur Rüegg<br />

Das ästhetische der Geometrie von Karl Gerstner<br />

<strong>Max</strong> <strong>Bill</strong> und die Malerei von Marion Ackermann<br />

<strong>Max</strong> <strong>Bill</strong>: Typografie von Gerd Fleischmann<br />

Verlag: Hatje Cantz Verlag, 2005, Ostfildern<br />

Herausgeber: Thomas Buchsteiner, Otto Letzte<br />

ISBN: 3-7757-1641-6<br />

<strong>Max</strong> <strong>Bill</strong>_ Zeichnungen 30/40/50er Jahre<br />

Text: Zu <strong>Max</strong> <strong>Bill</strong> von Angela Thomas Schmid<br />

Herausgeber: J & P Fine Art, 2004, Zürich<br />

<strong>Max</strong> <strong>Bill</strong>_ Leben und Sprache<br />

Text: Margit Weinberg- Staber<br />

Kompliziertes einfach mach /Anstelle einer Biografie<br />

Herausgeber: Stiftung für konstruktive und konkrete Kunst Zürich, 1988<br />

133


<strong>Max</strong> <strong>Bill</strong>_ zum 80. Geburtstag<br />

Text: Begegnung mit <strong>Bill</strong>/ Auskünfte über <strong>Bill</strong> von Michael Grüning<br />

Humanität als respektable Idee von <strong>Max</strong> Bense<br />

Mathematik, Vision, Intuition von Richard P. Lohse<br />

Fragen an <strong>Bill</strong>- Interviews_<br />

Autonomes Objekt oder Symbolträger? von Margit Staber<br />

Erbe der Bauhaus-Idee? von Werner Krüger<br />

Herausgeber: Zentrum für Kunstausstellungen der DDR, 1987<br />

<strong>Max</strong> <strong>Bill</strong>_ Maler, Plastiker, Architekt, Erzieher, Politiker<br />

Dokumentarfilm von Ernst Scheidegger Teil 1/2<br />

<strong>Max</strong> <strong>Bill</strong>_ Retrospektive, Skulpturen- Gemälde- Graphik 1928- 1987<br />

Text: Zum Geleit von Christoph Vitali<br />

Zum Werk von <strong>Max</strong> <strong>Bill</strong> von Eduard Hüttinger<br />

Verlag: Edition Cantz, Stuttgart<br />

Herausgeber: Schrin Kunsthalle Frankfurt, 1987<br />

<strong>Max</strong> <strong>Bill</strong>_ Helmhaus Zürich, anlässlich des 75. Geburtstages 1984<br />

Text: Zum Geleit von Dr. Thomas Wagner<br />

Stichworte zu <strong>Max</strong> <strong>Bill</strong>/ Aktennotiz von Dr. Willy Rotzler<br />

Platzgestaltung Bahnhofstrasse von Adolf Wasserfallen<br />

Veranstalter: Präsidialabteilung Zürich<br />

<strong>Max</strong> <strong>Bill</strong>_ Malerei und Plastik 1928-1968<br />

Text: Über <strong>Max</strong> <strong>Bill</strong> von Adolf <strong>Max</strong> Vogt<br />

Herausgeber: Kunsthalle Bern, 1968<br />

<strong>Max</strong> <strong>Bill</strong><br />

Text: <strong>Max</strong> Bense<br />

Tendenz zur Synthese von Will Grohmann<br />

Einheit der Gestaltungsprinzipien von Richard P. Lohse<br />

Verlag: Arthur Niggli, 1958<br />

Herausgeber: Eugen Gomringer<br />

Unsere Wohnung<br />

Text: Zur Ausstellung von Streiff<br />

Zur Einführung von H. Kienzle<br />

134


Herausgeber: Kunstgewerbemuseum Zürich, 1943<br />

Wiederaufbau<br />

Text: <strong>Max</strong> <strong>Bill</strong><br />

Herausgeber: Abteilung Außenhandel des schweizerischen Gewerbeverbandes, 1945<br />

Verlag: Verlag für Architektur Ag, Zürich<br />

135


-------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------<br />

Diese Arbeit möchte ich der heute Nacht verstorbenen Bekannten, Monika Spengler widmen.<br />

Auch sie folgte ihrem Weg zum Ziel…<br />

In Hochachtung, Carsten a. Büttner 29.10.2007<br />

136

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