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28 Eine indisch-nigerianisch-griechische Geschichte in Deutschland Das Interview führte Marlis Stempel mit Kati Kati arbeitet als Sonderpädagogin an einer Förderschule für geistig Behinderte. Sie ist für ein Jahr beurlaubt, denn sie kümmert sich seit Kurzem um ihr Pflegekind, Beate (Name geändert). Im Interview berichtet sie uns von ihren Erfahrungen mit der Prozedur einer Pflegeelternschaft. Möchtest Du Dein Pflegekind vorstellen? Meine Kleine ist jetzt 20 Monate alt. Ihr Vater ist Nigerianer und ihre Mutter ist Griechin. Sie ist das Kind einer drogensüchtigen Mutter und hat während des ersten Lebensjahres Medikamente bekommen, um den Entzug zu überstehen. Gott sei Dank hat sie sich völlig ihrem Alter entsprechend entwickelt wenn sie nicht sogar in vielen Entwicklungsbereichen etwas weiter ist als andere Kinder. Wie kam es dazu, dass Du Dich um ein Pflegekind beworben hast? Ich hatte einen sehr starken Kinderwunsch und wollte nicht zu alt für mein erstes Kind sein. Wie lange musstest Du auf Dein Pflegekind warten? Nach dem Vorbereitungskurs vom Jugendamt hat es ungefähr fünf Monate gedauert, bis wir mit der Anbahnung angefangen haben und weitere vier Monate Anbahnungsphase. Ende Januar ist die Kleine dann zu mir gezogen. Was waren die organisatorischen Schritte, die Du bei der zuständigen Vermitt- lungsstelle gehen musstest? Zuerst habe ich den Antrag gestellt, dann kamen zwei Mitarbeiterinnen vom Jugendamt zu mir nach Hause, um ein Vorgespräch zu führen. Dann begann schließlich der Vorbereitungskurs. Nach diesem führte das Jugendamt ein weiteres ausführliches Interview mit mir. Ein paar Monate später bekam ich endlich den Kindervorschlag. Es gab erste Treffen mit den Betreuerinnen vom Jugendamt und der Bereitschaftspflegemutter, bei der meine Tochter gelebt hat. Nach diesem Treffen habe ich die Kleine kennen gelernt und wir haben von einmal wöchentlichen Treffen langsam aufgestockt bis ich zum Schluss jeden Tag Kontakte mit der Kleinen hatte und sie dann zu mir gezogen ist. Du hast mir einmal erzählt, dass Du ein Pflegekind in der gleichen Hautfarbe wie Du haben wolltest. Warum wolltest Du das so? Da ich es aus eigener Erfahrung her kenne, wollte ich es der Kleinen ersparen, ständig Rechenschaft ablegen zu müssen, wieso sie eine andere Hautfarbe hat als ich. Da ich ja selbst dunkelhäutig bin und adoptiert bin, kenne ich dieses Gefühl und diese Situation von früher. Da meine Eltern hellhäutig sind und ich aus Indien, war es immer offensichtlich, dass ich nicht das leibliche Kind bin und das war ziemlich anstrengend, ständig von Freunden auf die eigene Geschichte angesprochen zu werden. Bei meiner Tochter und mir ist es ein absoluter Glücksfall. Wir haben beide die gleiche braune Haut, die dunklen Augen und es ist sogar eine Ähnlichkeit in der Gesichtsform zu erkennen, so dass ihr diese Fragerei erspart werden wird. Du bist adoptiert worden. Spielt das eine Rolle für Deine Bereitschaft, ein Kind in Pflege zu nehmen? Meine Adoption spielt vielleicht eine gewisse Rolle, ich denke aber, dass ich dadurch, dass ich ja keine leiblichen Kinder bekommen kann, sowieso adoptiert hätte. Das geht leider als Unverheiratete nicht, sonst hätte ich keinen Antrag auf ein Pflegekind gestellt, sondern einen Adoptionsantrag. Du bist quasi allein erziehend. Mit welchen Problemen hast und hattest Du zu kämpfen? Es ist schon sehr anstrengend, den Alltag ganz alleine meistern zu müssen. Mein Freund wohnt leider nicht in Duisburg. Deshalb ist er nicht jeden Tag da. Im Moment sehen wir uns wegen seiner Arbeitszeiten wenig und sind beide damit nicht zufrieden. Ich habe momentan wirklich keine Minute Zeit für mich. In der Zeit, in der meine Tochter Mittagsschlaf macht, erledige ich zum Beispiel die Hausarbeit. Die ersten Wochen habe ich fast gar nicht geschlafen, da die Kleine sehr unruhig geschlafen hat und ständig wach geworden ist. Langsam normalisiert sich das zum Glück, und sie ist schon gut bei mir beziehungsweise uns angekommen. Natürlich ist es für ein Kind ein harter und anstrengender Prozess, diese ganze Situation zu verarbeiten (Trennung von der Bereitschaftspflegemutter beziehungsweise der Bereitschaftspflegefamilie), neue Bezugspersonen, neue Lebensumgebung, andere Erziehungsstile et cetera) Aber auch ich musste mich komplett umstellen. Von quasi jetzt auf gleich Mama zu sein, ein völlig anderes Leben zu führen, 24 Stunden am Tag im Dienst zu sein ist schon eine Aufgabe. Der Tagesablauf wird nur noch vom Kind bestimmt. An ruhige Abende, Kino oder Essen gehen ist erst einmal nicht zu denken. Das wusste ich vorher, und das ist völlig in Ordnung. Viel anstrengender ist die psychische Belastung. Fühlt sich die Kleine bei mir wohl? Geht es ihr gut? Welche Probleme haben mit der besonderen Situation und welche mit der Eingewöhnung zu tun? Haben Familien mit leiblichen Kindern die gleichen Schwierigkeiten? Auch die riesengroße Verantwortung, die ich jetzt habe, ist eine Herausforderung, in die ich gerade hineinwachse. Ich mache mir, glaube ich, schon fast zu viele Gedanken, ob ich auch alles richtig mache und übe ganz gezielt gelassener und entspannter zu werden. Das klappt mittlerweile schon ganz gut. Und ich denke, wenn meine Tochter erst einmal vier Monate bei mir ist, hat sich alles wirklich eingespielt und wir sind zur Ruhe gekommen. Zumindest ist es nach acht Wochen schon viel entspannter als in den ersten drei Wochen. Die waren wirklich hart. War Dein Beruf ein wichtiger Aspekt, dass Du ein Kind in Pflege nehmen durf- test? Ja, mein Beruf hat mit Sicherheit dazu beigetragen, dass ich so schnell ein Kind vermittelt bekommen habe. Hast Du Deine Entscheidung für ein Pflegekind jemals bereut? Nein, das habe ich nicht. Liebe Kati, vielen Dank für das Interview. kinderwunsch wunschkinder 29

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Eine indisch-nigerianisch-griechische Geschichte in Deutschland<br />

Das Interview führte Marlis Stempel mit Kati<br />

Kati arbeitet als Sonderpädagogin an einer Förderschule für geistig Behinderte.<br />

Sie ist für ein Jahr beurlaubt, denn sie kümmert sich seit Kurzem um ihr Pflegekind,<br />

Beate (Name geändert). Im Interview berichtet sie uns von ihren Erfahrungen mit<br />

der Prozedur einer Pflegeelternschaft.<br />

Möchtest Du Dein Pflegekind vorstellen?<br />

Meine Kleine ist jetzt 20 Monate alt. Ihr Vater ist Nigerianer und ihre Mutter ist<br />

Griechin. Sie ist das Kind einer drogensüchtigen Mutter und hat während des<br />

ersten Lebensjahres Medikamente bekommen, um den Entzug zu überstehen.<br />

Gott sei Dank hat sie sich völlig ihrem Alter entsprechend entwickelt <strong>—</strong> wenn sie<br />

nicht sogar in vielen Entwicklungsbereichen etwas weiter ist als andere Kinder.<br />

Wie kam es dazu, dass Du Dich um ein Pflegekind beworben hast?<br />

Ich hatte einen sehr starken Kinderwunsch und wollte nicht zu alt für mein erstes<br />

Kind sein.<br />

Wie lange musstest Du auf Dein Pflegekind warten?<br />

Nach dem Vorbereitungskurs vom Jugendamt hat es ungefähr fünf Monate<br />

gedauert, bis wir mit der Anbahnung angefangen haben und weitere vier Monate<br />

Anbahnungsphase. Ende Januar ist die Kleine dann zu mir gezogen.<br />

Was waren die organisatorischen Schritte, die Du bei der zuständigen Vermitt-<br />

lungsstelle gehen musstest?<br />

Zuerst habe ich den Antrag gestellt, dann kamen zwei Mitarbeiterinnen vom<br />

Jugendamt zu mir nach Hause, um ein Vorgespräch zu führen. Dann begann<br />

schließlich der Vorbereitungskurs. Nach diesem führte das Jugendamt ein weiteres<br />

ausführliches Interview mit mir. Ein paar Monate später bekam ich endlich<br />

den Kindervorschlag. Es gab erste Treffen mit den Betreuerinnen vom Jugendamt<br />

und der Bereitschaftspflegemutter, bei der meine Tochter gelebt hat. Nach diesem<br />

Treffen habe ich die Kleine kennen gelernt und wir haben von einmal wöchentlichen<br />

Treffen langsam aufgestockt bis ich zum Schluss jeden Tag Kontakte mit<br />

der Kleinen hatte und sie dann zu mir gezogen ist.<br />

Du hast mir einmal erzählt, dass Du ein Pflegekind in der gleichen Hautfarbe wie<br />

Du haben wolltest. Warum wolltest Du das so?<br />

Da ich es aus eigener Erfahrung her kenne, wollte ich es der Kleinen ersparen,<br />

ständig Rechenschaft ablegen zu müssen, wieso sie eine andere Hautfarbe hat als<br />

ich. Da ich ja selbst dunkelhäutig bin und adoptiert bin, kenne ich dieses Gefühl und<br />

diese Situation von früher. Da meine Eltern hellhäutig sind und ich aus Indien, war<br />

es immer offensichtlich, dass ich nicht das leibliche Kind bin und das war ziemlich<br />

anstrengend, ständig von Freunden auf die eigene Geschichte angesprochen zu<br />

werden. Bei meiner Tochter und mir ist es ein absoluter Glücksfall. Wir haben beide<br />

die gleiche braune Haut, die dunklen Augen und es ist sogar eine Ähnlichkeit in<br />

der Gesichtsform zu erkennen, so dass ihr diese Fragerei erspart werden wird.<br />

Du bist adoptiert worden. Spielt das eine Rolle für Deine Bereitschaft, ein Kind in<br />

Pflege zu nehmen?<br />

Meine Adoption spielt vielleicht eine gewisse Rolle, ich denke aber, dass ich<br />

dadurch, dass ich ja keine leiblichen Kinder bekommen kann, sowieso adoptiert<br />

hätte. Das geht leider als Unverheiratete nicht, sonst hätte ich keinen Antrag auf<br />

ein Pflegekind gestellt, sondern einen Adoptionsantrag.<br />

Du bist quasi allein erziehend. Mit welchen Problemen hast und hattest Du zu<br />

kämpfen?<br />

Es ist schon sehr anstrengend, den Alltag ganz alleine meistern zu müssen.<br />

Mein Freund wohnt leider nicht in Duisburg. Deshalb ist er nicht jeden Tag da. Im<br />

Moment sehen wir uns wegen seiner Arbeitszeiten wenig und sind beide damit<br />

nicht zufrieden. Ich habe momentan wirklich keine Minute Zeit für mich. In der Zeit,<br />

in der meine Tochter Mittagsschlaf macht, erledige ich zum Beispiel die Hausarbeit.<br />

Die ersten Wochen habe ich fast gar nicht geschlafen, da die Kleine sehr unruhig<br />

geschlafen hat und ständig wach geworden ist. Langsam normalisiert sich das<br />

zum Glück, und sie ist schon gut bei mir beziehungsweise uns angekommen. Natürlich<br />

ist es für ein Kind ein harter und anstrengender Prozess, diese ganze Situation<br />

zu verarbeiten (Trennung von der Bereitschaftspflegemutter beziehungsweise<br />

der Bereitschaftspflegefamilie), neue Bezugspersonen, neue Lebensumgebung,<br />

andere Erziehungsstile et cetera) Aber auch ich musste mich komplett umstellen.<br />

Von quasi jetzt auf gleich Mama zu sein, ein völlig anderes Leben zu führen, 24<br />

Stunden am Tag im Dienst zu sein ist schon eine Aufgabe. Der Tagesablauf wird nur<br />

noch vom Kind bestimmt. An ruhige Abende, Kino oder Essen gehen ist erst einmal<br />

nicht zu denken. Das wusste ich vorher, und das ist völlig in Ordnung.<br />

Viel anstrengender ist die psychische Belastung. Fühlt sich die Kleine bei mir<br />

wohl? Geht es ihr gut? Welche Probleme haben mit der besonderen Situation<br />

und welche mit der Eingewöhnung zu tun? Haben Familien mit leiblichen Kindern<br />

die gleichen Schwierigkeiten? Auch die riesengroße Verantwortung, die ich jetzt<br />

habe, ist eine Herausforderung, in die ich gerade hineinwachse. Ich mache mir,<br />

glaube ich, schon fast zu viele Gedanken, ob ich auch alles richtig mache und übe<br />

ganz gezielt gelassener und entspannter zu werden. Das klappt mittlerweile schon<br />

ganz gut. Und ich denke, wenn meine Tochter erst einmal vier Monate bei mir ist,<br />

hat sich alles wirklich eingespielt und wir sind zur Ruhe gekommen. Zumindest ist<br />

es nach acht Wochen schon viel entspannter als in den ersten drei Wochen. Die<br />

waren wirklich hart.<br />

War Dein Beruf ein wichtiger Aspekt, dass Du ein Kind in Pflege nehmen durf-<br />

test?<br />

Ja, mein Beruf hat mit Sicherheit dazu beigetragen, dass ich so schnell ein Kind<br />

vermittelt bekommen habe.<br />

Hast Du Deine Entscheidung für ein Pflegekind jemals bereut?<br />

Nein, das habe ich nicht.<br />

Liebe Kati, vielen Dank für das Interview.<br />

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