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73. Jahrgang Nr. 4 - Deutsche Hugenotten-Gesellschaft eV

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alltrainern denken, ihrer schnöden Entlassung und erstaunlichen Wiederverpflichtung.<br />

Und Calvin kommt, will Ruhe und Ordnung herstellen und<br />

dann am besten gleich wieder gehen. Religionstrainer auf Zeit. Doch er<br />

bleibt, muss bleiben. Und er bleibt nun sein ganzes Leben.<br />

Für uns heute ist das Wesen von Kirchenzucht, ja schon der Begriff merkwürdig,<br />

ja ärgerlich, ein Verstoß gegen bürgerliche Freiheiten und den<br />

Schutz des Privatlebens. Calvin geht es um anderes: Ihm geht es um die<br />

Glaubwürdigkeit der christlichen Gemeinde in der Welt und um die Einrichtungen,<br />

die ihr dienen. Matthäus 18 bietet dazu die biblische Stütze. Wichtiger<br />

als der Gedanke der Zucht ist die im Kalvinismus nachhaltige Ausgestaltung<br />

des einfachen und doch vierfältigen, eines eingliedrigen und doch<br />

funktional vierfachen Amtes zur Ausrichtung des Wortes Gottes und zur<br />

Ausrichtung der Gemeinde am Wort Gottes in den vier Funktionen der Pastoren,<br />

Doktoren, Ältesten und Diakonen.<br />

Calvin, zurückgekehrt nach Genf, geht also aufs Ganze. Wenn man so will,<br />

ist das Kirche total, Kirche, die zweifellos aufpassen muss, nicht totalitäre<br />

Kirche zu werden. Calvin kann aber durchaus anregend sein, wenn wir uns<br />

selbst einmal in die Rolle der Bürgerschaft des Genf seiner Zeit versetzen.<br />

Was wäre unser Christentum? Vielleicht das Calvins, vielleicht. oder nicht<br />

doch das der Stadtpatrizier, die (wie heute) die Notwendigkeit der Religion<br />

behaupten und zugleich (wie heute?) ein folgenloses Christentum wünschen,<br />

vor allem aber eine Kirche, die möglichst stillhält, wenn die Obrigkeit<br />

sich äußert oder gar in Belange der Kirche hineinregiert? Eine Kirche also<br />

als Palliativmittel, nur ja nicht des politischen Einflusses.<br />

Kirche total – totalitäre Kirche? Gewiss, Calvin geht es ums Ganze u. d.h.<br />

um die Majestät, die Ehre Gottes – gloire de Dieu. Gott ist in seiner Ehre<br />

unantastbar und dennoch (und deshalb!) sollen Lehre und Verkündigung,<br />

Ordnung und Leben der Kirche so gestaltet sein, dass Gottes Ehre nicht<br />

gelästert wird. Das scheint uns eine ferne Vorstellung zu sein. Aber in<br />

Deutschland ist diese Überzeugung im Kirchenkampf des Dritten Reiches<br />

wieder deutlich geworden: dass Ordnung, Gestalt und Lehre etwas miteinander<br />

zu tun haben. Die problematische Seite, die nicht verschwiegen werden<br />

darf, ist freilich die Frage nach der Durchsetzung des Rechts gegen<br />

notorische Leugnung und Lästerung Gottes im öffentlichen Leben.<br />

Damit sind wir beim Fall Michael Servet, sozusagen dem klassischen Sündenfall<br />

der Genfer Reformation, der nicht verschwiegen werden soll. Allerdings<br />

muss man auch differenzierter urteilen, als dies meistens geschieht.<br />

Zwar liegen die Fakten klar auf dem Tisch. Und dennoch bleibt manches<br />

rätselhaft, insbesondere die näheren Umstände und menschlichen Motive<br />

Calvins.<br />

1553 kam es in Genf zur öffentlichen Verbrennung Servets. Zum Verhängnis<br />

wurde ihm die Leugnung der Trinität, was in fast allen Kirchen damals<br />

wie heute als Hauptangriff auf die christliche Religion überhaupt angesehen<br />

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