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73. Jahrgang Nr. 4 - Deutsche Hugenotten-Gesellschaft eV

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hungriger Schöngeist, der als erstes Buch einen Kommentar zur Schrift des<br />

antiken Philosophen Seneca De Clementia verfasst, ein junger Kerl, der<br />

am liebsten Privatgelehrter sein möchte, ähnlich vielleicht dem zwölf Jahre<br />

älteren Melanchthon. Hier weht ein neuer frischer Geist, zu dem auch das<br />

Jurastudium passt und die Zugehörigkeit zu einer aufstrebenden und nicht<br />

zuletzt ordentlich bezahlten Zunft.<br />

Nun aber scheint der Weg des Hoffnungsträgers früh am Ende. Er ist auf<br />

der Flucht. Enttäuschung und Sorge um Leib und Leben, aber auch viele<br />

Freunde, die ihn unterstützen, die bestimmen nun sein Leben. Sogar die<br />

Schwester des Königs, Margarete von Navarra mit ihrem freigeistigen Reformzirkel<br />

besucht er, solange sie ihn schützen kann. In Frankreich sind (im<br />

Gegensatz zum Reich) die Verhältnisse eindeutig, was die reformatorische<br />

Bewegung angeht. Im Dezember 1533 ordnet König Franz I. die Unterdrückung<br />

der lutheriens an. Im Folgejahr wird die Unterdrückung nach der sog.<br />

Plakataffäre vom Oktober 1534 noch verschärft. Es gibt evangelische Märtyrer.<br />

Calvin ist auf der Flucht und intellektuelle Redlichkeit, weniger Gewissenkämpfe,<br />

haben ihn reformatorisch werden lassen. In der Rolle des humanistischen<br />

Gelehrten fühlt er sich wohl. Doch aus der erwünschten Beschaulichkeit<br />

seines Lebens wird er herausgerissen. Zunächst hat Calvin<br />

sich vom reformerischen Denker zum reformatorischen durchgerungen.<br />

1557 spricht er von einer subita conversio, einer unvermittelten Bekehrung,<br />

mit der Gott ihn vom Irrglauben des Papstes abgebracht habe. Wo und<br />

wann dies gewesen sein mag, wissen wir freilich nicht. Aber es gibt einen<br />

äußeren Hinweis. Calvin reist in seine Heimatstadt Noyon und leistet offiziell<br />

Verzicht auf seine Pfründe. Offenbar will er nicht länger vom katholischen<br />

Pfründensystem abhängig sein. Dann kehrt er an seinen Studienort<br />

Orléans zurück und schreibt dort ein Buch gegen die Wiedertäufer: Dann<br />

aber wird der Boden für ihn zu heiß; er muss Frankreich verlassen. Ein<br />

bereits begonnenes theologisches Werk trägt er mit sich, als er 1535 zunächst<br />

in Basel eintrifft. Es handelt sich um die erste und noch übersichtliche<br />

Ausgabe eines Werkes, das Calvin einmal Bewunderung eintragen<br />

wird: nämlich die Institutio Christianae Religionis (Unterricht in der christlichen<br />

Religion), den er 1536 herausgeben kann. In Basel lebt Calvin „undercover“,<br />

seinen Namen hat er von Calvinus zu Lucianus verdreht, als<br />

Vornamen wählt er Martinus. Soll dies Nähe bedeuten zu dem Wittenberger<br />

Martinus Luther, ein Seelenverwandter im fernen Kursachsen?<br />

Vieles spricht für große Nähe Calvins zu Luther. Den Aufbau seiner Institutio<br />

hat Calvin nach der Gliederung des Kleines Katechismus Luthers von<br />

1529 gestaltet. Allerdings werden die späteren, so umfangreichen Ausgaben<br />

der Institutio diesen Aufbau wieder verlassen. Calvin ist eigenständig<br />

geworden – und selbstbewusst. Die Institutio wird herausgegeben mit einem<br />

Widmungs- und Werbebrief an den französischen König. Calvin will<br />

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