3828 F - Hohenzollerischer Geschichtsverein eV
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HÖH ENZOLLERISCHE<br />
HEIMAT<br />
Der Feldhauser Hochaltar (1740)<br />
Herauegegeben com<br />
W <strong>3828</strong> F<br />
Hohenzolleritchen Gefchichteoerein<br />
26. Jahrgang Nr. 1/März 1976<br />
Zu den qualitätvollsten Barockaltären des Landes zählt jener der 1738 erbauten St.-Nikolaus-<br />
Kirche in Gammertingen-Feidhausen. Foto: M. Hermann
JOHANN ADAM KRAUS<br />
Aus der Geschichte des Dorfes Stein bei Hechingen<br />
Der Name des neuestens der Stadt Hechingen zugeschlagenen<br />
Ortes Stein wird erstmals im Jahre 1253 urkundlich<br />
erwähnt. Damals taucht anläßlich des Verkaufs eines<br />
Weinberges zu Wurmlingen a. N. ans Kloster Kirchberg<br />
der „Leutpriester Gero in Stain" als Zeuge auf<br />
Im Zehntregister von 1275 heißt es „Steine". Das Dorf<br />
war somit bereits um Mitte des 13. Jahrhunderts Pfarrei,<br />
trotzdem es (aus dem Namen zu schließen) nicht weit<br />
vor das Jahr 1000 zurückreichen dürfte, wie Willy Baur<br />
richtig bemerkte 2 .<br />
I. Der Ortsname Stein<br />
Der genannte Forscher vermutet, die Ortsgründung werde<br />
wohl von Niederhechingen mit seiner alten Martinskirche<br />
oder von Sickingen (wegen der Ingen-Endung)<br />
ausgegangen sein. Der Steiner Kirchenpatron St. Markus<br />
reicht offenbar nicht in so alte Zeit zurück. Über den<br />
Namen Stein für diese Siedlung sind wir leider nur auf<br />
Vermutungen angewiesen. Die Orte Stein bei Bretten<br />
und Steinen bei Lörrach hießen 1255 bzw. 1150 „Steine".<br />
Gewöhnlich bezeichnet Stein in Ortsnamen eben<br />
Steine oder einen auffallenden Felsen, die aber hier in<br />
Stein an der Starzel heute fehlen. Denkbar wäre auch<br />
ein Herrschaftsname, der über eine Burg oder einen Hof<br />
zum Ortsnamen geworden wäre. Aber dafür ist nach<br />
Baur der Ort wieder zu alt. Michael Walter hat 3 dann<br />
hingewiesen: Stein lag ursprünglich auf einer Bergnase<br />
zwischen Starzel und dem Herrenwiesenbächle auf einer<br />
Terrasse des Stubensandsteins, der stark abgebaut sei,<br />
und der namengebend gewesen sein könne. Allerdings<br />
meint er, daß in früherer Zeit sonst auch ein Steinbau<br />
oder Burg aus Stein den Ortsnamen hervorgerufen haben<br />
könne. Dies darf jedoch als ausgeschlossen gelten, da diese<br />
Bauten regelmäßig an oder über einem wirklichen Felsen<br />
entstanden. Somit wird wohl die ursprüngliche Sandsteinterrasse<br />
den Namen verursacht haben. Sandstein<br />
wurde schon in früher Zeit zu Burgen- und Kirchenbau<br />
verwendet, wie die Owinger Weilerkirche aus dem<br />
12. Jahrhundert dartun kann.<br />
II. Die Burg Stein<br />
Wie in vielen Ortschaften gab es auf der Gemarkung<br />
von Stein ehemals auch eine Ritterburg des sonst unbekannten<br />
Ortsadels, worauf noch die Flurnamen Brühl<br />
und Breite hinweisen. Sie findet sich im westlich gelegenen<br />
Pfarrwald links unterhalb des Dorfes auf dem (südlich)<br />
hoch über dem wie eine Mauer zur Starzel abfallenden<br />
Keuperfelsen. Man liest gelegentlich dafür den<br />
Namen „Volksburg". In den Albvereinsblättern 1929<br />
wird die Stelle „Musburg" genannt, was wohl als Miesoder<br />
Moosburg zu verstehen wäre, zweifellos eine spätere<br />
Kunstbezeichnung. In Berthold Hagens Lagerbuch des<br />
Steinerner Aemtles von 1544 4 heißt der Platz „Burgstall",<br />
d. h. zerstörte Ritterburg. Zwar umsäumen nur<br />
noch drei stattliche Wälle, teils noch über fünf Meter<br />
hoch im Halbkreis diese Stelle, während die restliche<br />
Seite senkrecht zur Starzel abfällt. Das Innere ist für<br />
eine Volksburg viel zu knapp. Im Mittelpunkt lagen laut<br />
Ludwig Egler noch 1894 schwache Mauerreste. Die Burg<br />
müßte ungefähr zwischen 1050 und 1200 entstanden<br />
sein. Doch wissen wir darüber gar nichts. Kein Adeliger<br />
mit dem sonst oft vorkommenden Namen „von Stein"<br />
ist hier nachzuweisen. Einen kleinen Fingerzeig könnte<br />
die Lage im Pfarrwald bieten. Offenbar wurde letzterer<br />
von einer adeligen Familie nach Abgang ihrer Burg zur<br />
2<br />
Pfarrei gestiftet oder verkauft und vielleicht dadurch<br />
erst der Grundstein für die Pfründe gelegt. In diesem<br />
Falle dürfte die Burg schon vor 1252 abgegangen sein.<br />
Noch 1322 bis 1343 wird ein Hugo von Werstein (als<br />
zweitbekannter) Kirchherr zu Stein genannt, ein Abkömmling<br />
der hochadeligen Herren der Burg über Fischingen<br />
am Neckar 5 .<br />
III. Die Seelsorger von Stein<br />
Nachdem wir schon die zwei ältest nachweisbaren Pfarrer<br />
des Dorfes namhaft machen, konnten, sei hier die<br />
ganze Reihe angefügt, soweit wir sie kennen:<br />
1. Gero, Leutpriester in Stain 6 . 1252. Leutpriester (oder<br />
plebanus) hieß der Geistliche, der tatsächlich die<br />
Seelsorge ausübte, während der Kirch- oder Pfarrherr<br />
(rector ecclesiae) sich oft von einem Verweser<br />
vertreten ließ. Vielleicht war damals der eigentliche<br />
Kirchherr ein Adeliger.<br />
2. 1322-43 Hugo von Werstain, Kirchherr 7 .<br />
3. 1390 Ringer Berthold von Sulz, Kirchherr 8 .<br />
4. Vor 1418 Schnitzer Heinrich von Pforzheim, Rektor;<br />
schuldet dem Bischof 20 fl Erstfrüchte 9 .<br />
5. 1418-19 Seckler Heinrich, Rektor; soll ebenfalls<br />
20 fl zahlen.<br />
6. 1419 f. Noll Heinrich, Kirchrektor, starb innerhalb<br />
Jahresfrist.<br />
7. 1420 f. Schlaitz Werner, Kirchrektor, zahlt 1421 nur<br />
8 fl. Im J. 1464 war ein Hans Benz von Stein Frühmesser<br />
in Tailfingen und bis 1467 ein Johann Arnold<br />
von Stein ebenfalls.<br />
8. Bis 1474 Petri Johannes, Kirchrektor, starb in diesem<br />
Jahr; war seit 1463 Dekan des Kapitels Hechingen;<br />
sein Bruder Ludwig war Kirchherr zu Zell unterm<br />
Zoller, 1469.<br />
9. 1474-92 Ott Michael von Husen (Adeliger vom<br />
Hauser Hof mit dem Wurmlinger Wappen ) zahlt<br />
von der Pfarrpfründe des hl. Markus in Stein als<br />
Erstfrüchte an den Bischof 8 fl. Ist präsentiert durch<br />
den Grafen Jos Nikiaus von Zollern, nimmt aber sofort<br />
für ein Jahr Absenz. Tritt 1492 ab.<br />
10. 1493—1550(?) Han Johannes, zahlt am 28. 1. 93 als<br />
Erstfrüchte 8 fl.; 1537 Kammerer.<br />
11. 1550 Werner Laurentius, seit 18. Februar, nach Wegzug<br />
des Han.<br />
12. 1556 Vikar: Rädle Gregor.<br />
13. 1584 Teufel Johannes von Wendelsheim (wohl<br />
Flüchtling aus Württbg.). Die Pfarrei wird „arm" genannt.<br />
14. 1590 Locher Johannes, nicht investiert.<br />
15. 1593-97 Härlin Christoph, Magister, versieht auch<br />
die Frühmesse in Rangendingen. Im Jahre 1597 liest<br />
man: „Hat sich jüngst gegen den Erbfeind (Türken)<br />
in Kriegsdienst begeben. Darum hat er bis zur Rückkunft<br />
einen Verweser" l0 . (Im J. 1593 wird ein Kaspar<br />
Hurrenbein als Geistlicher in Stein genannt. Ob<br />
unseres?)<br />
16. 1599-1621 Rausch Matthäus, zugleich Frühmesser<br />
in Rangendingen. 1612 sind Patrone in Stein: St.<br />
Markus, die sei. Jungfrau Maria und St. Katharina.<br />
Dorfvogt ist Johann Schneider. Rausch (Kammerer)<br />
ging 1621 nach Boll.<br />
17. Seit 1621 bis 1638 Rebstock Balthasar, investiert<br />
5. I. 1622. Gingen, Steinhofen.<br />
18. Bis 1644 Krez Johannes (war 1624 in Rangendingen).
19. 1644-60 Gaiser (Geiser, Göser) Johann Heinrich<br />
(wohl aus Jungingen), hier seit 15. August, invest.<br />
7. III. 1645, ist 26 J. alt, studierte in Salzburg,<br />
wohnte in Hechingen, da das Pfarrhaus in Stein zerstört<br />
ist n . Starb in Hechingen 1683.<br />
20. 1660 Utinger Wolfgang, genannt 29. Nov.<br />
21. 1663-66 Hohenschildt Mathias, wohl von Hechingen,<br />
invest. 26. 7. 1663, soll als Erstfrüchte 20 fl<br />
26 kr bezahlen.<br />
22. 1666 Funk Johannes aus Hechingen, geb. 1607 12 .<br />
23. 1676-85 Hohenschildt Nikolaus, aus Hechingen,<br />
starb in Stein 6. Januar.<br />
24. 1685-1727 Salzhuber Johann Jakob aus Weilheim,<br />
35 J. alt. Die kirchlichen Gebäude sind ruinös. Die<br />
beiden Heiligenpflegen St. Markus und St. Martin<br />
(diese vom Niederhechinger Kirchlein!) sind vereinigt.<br />
Er hat l. J. 1709 insgesamt 250 Pfarrkinder<br />
(über 14). Er versieht mit die genannte Niederhechinger<br />
Kapelle St. Martin, die einst Pfarrkirche<br />
war 1S . Starb 19. 12. 28.<br />
25. 1728-54 Berger Markus Sigismund aus Hechingen,<br />
geb. 1693, hat 360 Kommunikanten (über 14), 120<br />
Nichtkommunikanten (unter 14), zusammen 480,<br />
jährlich 20 Taufen, 5 Beerdigungen, 3 Hochzeiten.<br />
Ging nach Steinhofen.<br />
26. 1754-58 Schetter Johann Bapt. aus Hechingen, geb.<br />
1719, ging nach Rangendingen.<br />
27. 1758-72 Kayser Konrad aus Zimmern, geb.<br />
18. 10. 1711, ging nach Burladingen.<br />
28. 1772-81 Schönle Jakob aus Unlingen, geb.<br />
11. 8. 1741, war 1769 seit drei Jahren Kaplan in Hechingen<br />
gewesen, baut 1773 die Pfarrscheuer neu,<br />
wurde Kanoniker in Hechingen.<br />
29.1781-92 Kolb Karl aus Buchau, geb. 25.2.1746,<br />
war 1779 seit sechs Jahren Kanoniker in Hechingen<br />
gewesen. Ging nach Rangendingen 1792.<br />
30. 1792-94 Hayd Sebastian aus Hechingen, geb.<br />
12. 1. 1753; ging nach Grosselfingen.<br />
31. 1794-1806 Schautt Jakob aus Stetten u. Holstein;<br />
starb in Stein 9. 11. 1806.<br />
32. 1806-09 Pfriemer Johann Nep. aus Hechingen, lebte<br />
1772-1835, zuletzt in Boll.<br />
33. 1809-18 Reiner Josef Anton aus Hechingen, geb.<br />
16. 11. 1779; Priester seit 1802, ging 1818 nach Stetten<br />
u. Holst. 14 bis 1823; wurde Archivar, starb 1844.<br />
34.1818-20 Ertle Meinrad aus Söflingen (1766-1845),<br />
ehemals Franziskaner in St. Luzen, 1821 in Rangendingen,<br />
1831 in Grosselfingen.<br />
35. 1820-28 Sauter Clarus aus Hechingen (1775-1830)<br />
ehem. Franziskaner in St. Luzen, hat 390 Seelen; zuletzt<br />
in Grosselfingen.<br />
36. 1828-29 Reiner Josef Anton aus Hechingen<br />
(1785-1858), zuletzt Owingen.<br />
37. 1829-45 Kohler Lorenz aus Jungingen (1805-70),<br />
ab 1854 i. Steinhofen.<br />
38. 1845-52 Kohler Johann Bapt. aus Jungingen<br />
(1790-1852 Januar 12.)<br />
39. 1852 Saile Friedrich aus Beuren b. Hech., geb.<br />
22.10.20, Verweser; war 1860-68 Schloßkaplan<br />
in Straßberg.<br />
40. 1853 Juli 15 Vikar Lang Johann Michael aus Esseratsweiler<br />
(1826-56) zuletzt in Empfingen.<br />
41. 1853 Sept. 2 Verweser Maier Ignaz aus Gauselfingen<br />
(1827-58) zuletzt in Ablach; vor Stein in Kettenakker.<br />
42. 1853 Nov. 15 bis 1865 Stockner Dr. Josef Rudolf aus<br />
Brixen (1812-65), bisher in Gammertingen, zuletzt<br />
in Ablach, wo er am 6. Febr. 1865 verunglückte.<br />
43. Bis 1864 Verw. Maier Rudolf aus Hechingen,<br />
geb. 17.11.33, geweiht 1857 in Mainz, ging als Kaplan<br />
nach Langenenslingen. (1864 wird ein Priester<br />
Balthas Poppel aus Stein genannt, doch ist nichts<br />
Näheres bekannt).<br />
44. 1865 Verw. Zürn Rudolf aus Hechingen, geb. 9.9.38,<br />
Priester seit 5. Aug. 1862.<br />
45. 1865-66 Nerz Leopold aus Beuren, Verweser,<br />
(1839-99) zuletzt Stetten bei Haigerl.<br />
46. 1866-85 Speidel Thomas aus Grosselfingen<br />
(1821-92, 1885-88 in Dettensee, dann privat<br />
i. d. Schweiz, gest. Karlsruhe.<br />
47. 1885-87 Verw. Jung Eugen aus Sigmaringen<br />
(1846-99), zuletzt Bingen.<br />
48. 1887 Verw. Pfister Josef aus Gruol (1843-1929),<br />
zuletzt Dettlingen.<br />
49. 1888 Verw. Pfister Martin aus Hemmendorf (1851-<br />
1914).<br />
50.1889-97 Biener Wilhelm aus Kettenacker (1859-<br />
1941) zuletzt im Ruhestand in Haigerloch.<br />
51. 1897-1907 Güntner Johann aus Straßberg (1867-<br />
1930), ging nach Vilsingen, dann Trochtelfingen bis<br />
1926, gest. i. Rottenmünster.<br />
52. 1901 Vik. Henle Anton aus Bittelbronn (1876-1947),<br />
resig. Gruol.<br />
53. 1902-03 Schönecker Albert, ging nach Mindersdorf.<br />
54. 1903-04 Gfrörer Otto aus Empfingen (1878-1947),<br />
zuletzt Bittelbronn.<br />
55. 1904 Vik. Brändle Josef aus Empfingen (1880-<br />
1956), zuletzt Siberatsweiler, gest. Rottenmünster.<br />
56. 1907 Verw. Hofer Anton aus Beuren (1874-1953),<br />
zuletzt Glatt.<br />
57. 1907 Verw. Langenstein Edmund aus Straßberg<br />
(1875-1931), wurde 1908 Militärpfarrer Berlin.<br />
58. 1908-10 Verw. Wolf Wilhelm aus Grosselfingen<br />
(1881-1966) ging nach Hausen i. Kill., dann nach<br />
Thanheim, dann i. R. Hechingen.<br />
59. 1910-20 Sauter Anton aus Inneringen (1881-1954),<br />
wurde Rektor im Fidelishaus Sigmaringen, 1946<br />
Ruhestand i. Sigmaringen.<br />
60. 1920 Verw. Miller Karl aus Bingen (1886-1940) zuletzt<br />
Harthausen/Sch.<br />
61. 1920-26 Burkhart Viktor aus Sigmaringen (1884-<br />
1964), zuletzt Einhart, 1956 i. R. Sigmaringen.<br />
62. 1923 Vik. Wölfle Josef, Neupriester aus Hofstetten<br />
(1896-1968)<br />
63. 1926-40 Grom Konrad aus Jungnau (1893-1967),<br />
zuletzt Harthausen/Sch. Ruhestand i. Ulm 1965.<br />
64. 1940-43 Guide Marquard aus Kettenacker, geb.<br />
20. 5. 05; ging nach Haigerloch.<br />
65. 1943-65 Dietz Christian aus Ringingen, geb.<br />
19. 5. 05. Ging nach Harthausen, 1975 Ruhestand<br />
Ringingen.<br />
66. Ab 1966 Jan. 14: Plompen Josef, geb. 23.3.23 in Kapellen<br />
(Antwerpen), invest. 28. 3. 74.<br />
IV. Aus alten Pergamenten<br />
Das Einkommen der Pfarrei Stein betrug im Jahre<br />
1275 15 nach eidlicher Aussage des (ungenannten) Leutpriesters<br />
36 Rottweiler Pfund pro Jahr. Er zahlte damals<br />
als Kreuzzugszehnten in 2 Terminen 3 Pfd und 12<br />
Schilling. Um 1490 gab Pfarrer Michael Ott von Husen<br />
zu Stein sein Einkommen mit 35 Pfd Heller an und<br />
zahlte an den Bischof 1 Pfd 15 Schilling Heller. 1(i<br />
3
Der gewissenhaften Sorgfalt der Klosterfrauen von Stetten<br />
im Gnadental hat die Gemeinde Stein mit anderen<br />
der Umgegend zu verdanken, daß wir auffällig viele<br />
Nachrichten aus der Vergangenheit überliefert erhielten.<br />
Die frommen Dominikanerinnen haben nämlich nicht<br />
nur alle Kauf-, Verkaufs- und Tauschurkunden über ihre<br />
Güter sorgfältig aufbewahrt, sondern auch genaue Verzeichnisse<br />
darüber hinterlassen, wie es eben nur langlebige<br />
Klöster konnten, aber nur selten einzelne Familien<br />
mit Tradition nachmachten. Durch Aufhebung des klösterlichen<br />
Konvents im Jahre 1803 wurde der schwesterlichen<br />
Sorge ein jähes Ende gesetzt und deren Vermögen<br />
ging ans fürstliche Haus Hohenzollern-Hechingen über,<br />
dessen Archiv dann beim Aussterben an die Sigmaringer<br />
Vettern überging. 17<br />
Wir entnehmen daraus: Im Jahre 1425 war Elli Knebels<br />
aus Stein Nonne zu Stetten, und 1430-1438 wird neben<br />
ihr Mätzli Büri und vielleicht Anna Stählin von da genannt.<br />
Schon im J. 1355 verkauften Werner Schenk von<br />
Stauffenberg zu Erpfingen und sein Sohn Wernher an<br />
Adelun, Volkarts von Ow Tochter und Frau des Kunzen<br />
Schenken, ihren Hof zu Stein, genannt Brunwartshof,<br />
den Kunz der Strühler baut 18 . Seit dem gleichen Jahr<br />
erhielt das Kloster Stetten von einem Helthuser zu Stein<br />
jährlich 2 Scheffel Frucht von einem Acker auf Waltenbühl<br />
samt 2 Hühnern. Die Brüder Kunz und Hermann<br />
die Schenken von Stauffenberg verkauften am<br />
11. März 1363 an genanntes Kloster die Gilten aus dem<br />
erwähnten Brunwartshof. Er bringt jährlich 5V2 Mit.<br />
Vesen, 4 Mit. Haber, 10 Schilling Heller (ß h), 4 Herbstund<br />
1 Fastnachtshuhn und 120 Eier. Weiter aus den Höfen<br />
an der Staig in Stein, die Benz Brungart und Conz<br />
Froe bauen, jährlich 5 Mit. Vesen, 2Va Mit. Haber,<br />
1 Pfd. hl, alles um die Summe von 300 Pfd. hl. Hans der<br />
Schenk, Kunzen Sohn, stimmte diesem Verkauf erst 1369<br />
zu.<br />
Für die Pfarrkirche zu Stein kaufte 1368 Johann von<br />
Werstein (des verstorbenen Johanns Sohn) von Benz von<br />
Ow (des verstorbenen Volkarts Sohn) zu Bodelshausen<br />
einen Teil des Dinkelzehntens zwischen Hechingen und<br />
Stauffenberg 19 .<br />
Am 18. Mai 1380 veräußerten die drei Schwestern Anna,<br />
Dorothea und Greth von Werstein, Töchter des Hans selig,<br />
ihre jährliche Gilt aus zwei Höfen, die Fritz Knobel<br />
und Conz N. bauen, an Hans Tüfelin zu Reutlingen um<br />
70 Pfd. h 20 . Anna und ihre Schwester Greth von Werstein<br />
veräußerten am 12. März 1384 mit Zustimmung ihres<br />
Oheims Märklin von Mälchingen den Stettener Klosterfrauen<br />
Sophie von Ehingen und Adelheid von Ergenzingen<br />
32 ß h und zwei Herbsthühner jährlich aus IV2<br />
Mm Wiesen zu Stein, die der Stieber baut, und zwei<br />
Fastnachtshühner aus einem Haus und angrenzender<br />
Buckenhalde, die Peter Spreng innehat, um 36 Pfd. hl 21 .<br />
Am 30. Juli 1386 schenkten die zollerischen Grafenbrüder<br />
Schwarzgraf Fritz und Tägli der Greth von Werstein,<br />
Nonne zu Stetten, 1 Pfd. h auf Michaeli, darunter<br />
16 ß aus der Mörlinen Gut mitten im Dorf Stein, das<br />
Dietz Utzen Sohn baut 22 .<br />
Im Jahre 1400 haben die Zollergrafen u. a. 550 Pfd. h<br />
Schulden auf dem Dorfe Stein stehen, das an Märklin<br />
von Mälchingen verpfändet ist 2S .<br />
1405 Juli 17: Volkart von Ow, genannt Wutfuß, stellt<br />
gegen den Abt Heinrich von Alpirsbach einen Lehenrevers<br />
aus wegen dem Gut Schönrain bei Stein mit jährlich<br />
15 Mit. Vesen, 7 Mit. Haber und 1 Pfd. Heller, welche<br />
an die Pfleger des genannten Klosters zu Haigerloch zu<br />
liefern waren 24 .<br />
Im Jahre 1409 haben nach W. Baur die Herren von Ow<br />
4<br />
das wohl ursprünglich zollerische Stein an Wirtemberg<br />
als Lehen aufgetragen. 1410 besaßen die Herren von<br />
Weitingen zu Stein zwei Höfe, die am Wasen liegen und<br />
von Kunzli Kumerli und Fritz Knebel bebaut werden 2ä .<br />
Im gleichen Jahre lesen wir, Graf Fritz von Zollern<br />
habe denen von Ow in Sickingen Brandschaden verursacht.<br />
1414 Juni 20: Das Kloster Stetten tauscht 2 Jauchert<br />
Mühlacker, wodurch der Mühlgraben geht und die zum<br />
Lehen des Hans Bur gehören, mit Volkart von Ow, genannt<br />
Wutfuß, der dafür 1 J unter Hugen Brügel<br />
(Brühl) (neben Heinz des Wisen Acker) sowie 1 J uf<br />
Waldabühl am Fußweg gibt. Der v. Ow'sche Lehenbauer<br />
heißt Heinz Diethalm 26 .<br />
1421 Mai 20: Volkart von Ow, genannt Wutfuß, und<br />
seine Gattin Mya von Enzberg mit Sohn Heinrich verkaufen<br />
an die Stettener Nonnen Adelheid von Tierberg<br />
und Anna von Lichtenstein 35 ß h Einkünfte zu einem<br />
Jahrtag für sie. Diese jährliche Gilt geht aus 3 Mm Hugenbrühl<br />
(„Brügel") zu Stein, an der Bruchwies gelegen<br />
zwischen Waltenbühl und der Neuwies. Preis 33 Pf. h 27 .<br />
1436 Juli 9: Agnes Zimmermann, Hans Gundels sei.<br />
Witwe, reversiert für Stiebers Haus und Hofraite zu<br />
Stein, dazu 2 Mm Wiesen an der Niederwies zwischen<br />
Hans Bur und Hans Farch, die sie als Lehen des KI.<br />
Stetten gegen jährlich 2 Pfd. 2 ß h und 2 Hühner erhalten<br />
hat 28 .<br />
1436 November 6: Kaspar von Ow zu Bodelshausen<br />
verkauft an Gütlin Mayer von Wessingen, Klosterfrau<br />
zu Stetten, 2V2 Pfd. 2 ß h aus Struchlers Wiesen und<br />
Linzenbergs Gütle, beide im Kirchspiel Stein gelegen, die<br />
jetzt der alte Beck von Bechtoldsweiler (vor dem Rötenberg<br />
gesessen) innehat, um 30 rheinische Gulden 29 .<br />
1438 Juli 24: Aella Knobel und Metza Bur, ihre Schwestertochter,<br />
beide Nonnen zu Stetten, geben ihren Knobelshof<br />
zu Stein, den sie von Ritter Konrad von Weitingen<br />
kauften (gelegen zwischen Gemeinmärk und Wasen<br />
und Gasse), ans Kloster. Die Grundstücke sind einzeln<br />
beschrieben 30 .<br />
1439 hat Hans Bur zu Stein des Knobels Hof gegen Lieferung<br />
von jährlich 10 ß h, 3 Mit. Vesen, 2 Mit. Haber<br />
(Hechg. Meß), 6 Herbsthühner und 1 Fastnachtshenne<br />
und 1 Vtl (120) Eier auf den Speicher zu Stetten 31 .<br />
1446 Juli 20: Werner Klingler von Stein verkauft dem<br />
Kloster Stetten 4 ß h jährlich Zins aus eigenen 4 Jauchert<br />
am Laymelberg, stoßen an Schochen Halden und<br />
die Wiese der Klosnerinnen in St. Luzen, um 3 rh. Gulden<br />
3ä . Im heutigen Sinne heißt das: Er nahm 3 rheinische<br />
Gulden als Schuld auf und zahlte dafür jährlich<br />
4 ß h Zins.<br />
Der Kirchensatz zu Stein, d. h. das Recht, den Pfarrer<br />
zu präsentieren und den Großzehnten einzunehmen,<br />
stand zu Anfang des 15. Jahrhunderts den Herren von<br />
Ow zu. Doch besaß 1446 Werner Schenk von Stauffenberg<br />
zollerische Güter zu Stein als Lehen 33 .<br />
Am 14. November 1446 verkaufte Heinrich von Ow zu<br />
Bodelshausen seinen Teil an Stein, Sickingen, (Bechtolds-)<br />
Weiler an den Grafen Ulrich von Wirtemberg um 3000<br />
böhmische Gulden. Dazu gehörten ein halbes Holz Wanne,<br />
das halbe Härtlin, das Holz Ottenhart, das halbe<br />
Flecklin, 3 J im Tanbach. Ferner der Schönrain (Dörflein),<br />
das jährlich 28 Pfd. h gab (über die Gild hinaus,<br />
die daraus dem Abt von Alpirsbach zusteht). Schönrain<br />
hat eigenen Zwing und Bann. Zum Kauf gehört auch die<br />
Mühle zu Stein und der Kirchensatz zu Thanheim und<br />
Boll, alles mit Ackern, Wiesen, Vogtei und Wildbännen<br />
als Lehen von Wirtemberg 34 .
1451 März 11: Aell Kempfin von Stein verkauft ans<br />
Kloster Stetten 2 ß h jährliche Gilt aus IV2 Jauchert auf<br />
Braitenfeld an Spidelis von Sickingen und Haila Häckinen<br />
Acker um 2 Pf. hl 35 .<br />
Im Jahre 1453 hat Kaspar von Ow seinen Teil an Stein<br />
und dortigem Zehnten an Wirtemberg veräußert. Am 28.<br />
November 1461 hat Michael von Ow zu Oberndorf und<br />
seine Frau Anna von Ramsberg ans Kloster Stetten ihre<br />
Güter zu Bodelshausen u. a. gegen die 2 Pfd. h jährlich<br />
vertauscht, die die Verkäufer bisher aus ihren Gütern zu<br />
Stein dem Kloster geben mußten 36 . Vier Jahre zuvor,<br />
1457, wurde der zwischen Zollern und Kaspar von Ow<br />
entstandene Streit wegen der Rechte zu Stein geschlichtet<br />
36a . Ein Hechinger Zinsrodel von 1461 berichtet:<br />
„Michael Recker (später Henslin Müller) zu Stein gibt<br />
9Vaßh und 1 Vtl (=120) Eier, 1 Schulterstück und 3<br />
Hühner aus des Schultheißen Gut und 5 ß von der Geburin<br />
von Sickingen. Der Paur (Baur) von Stein soll<br />
6 ß h geben, doch kann nur erfragt werden, daß beide<br />
Güter zusammengeschrieben sind" 36b .<br />
Am 14. Dezember 1471 verkaufte Michael von Ow-<br />
Oberndorf an die Stettener Nonnen des Frick Tafferners<br />
Hof mitten im Dorfe Stein, den Konrad Nyffer innehat<br />
37 .<br />
Graf Jos Niklas von Zollern war sehr um Abrundung<br />
seines Gebietes besorgt. Mit Erwerb des wirtemberger<br />
Eigentums im Killertal hat er auch 1472 alle Rechte und<br />
Besitzungen Wirtembergs zu Stein (Bechtolds-)Weiler,<br />
Sickingen und Schönrain samt dem Weiher um 1836<br />
Gulden käuflich erworben 3S . Seitdem ist Zollern der<br />
Herr dieser Dörfer. Wenige Jahre darauf, am 24. November<br />
1478, verkaufte auch Abt Jörg und der Konvent<br />
von Alpirsbach an den Grafen Ulrich von Wirtemberg<br />
12 Pfd. hl jährliche Gilt aus dem Hof und dessen Gütern<br />
zu Schönrain bei Stein um 240 fl, womit die dem Kloster<br />
als Steuer zu Balingen zu richtenden 12 Pfd. hl abgelöst<br />
sind 39 . Ein Hans Rait von Stein ist 1482 u. a. Schiedsmann<br />
zwischen Hechingen und dem Kloster Stetten 40 .<br />
Am 16. Oktober 1486 kaufte Jörg von Ow von seinem<br />
Schwager Hans Schenk von Stauffenberg um 2250 fl<br />
einen Teil der Burg Stauffenberg bei Rangendingen und<br />
Gefälle aus den Höfen zu Stein und Bechtoldsweiler,<br />
Beuren, Boll, Stetten als zollerische Lehen 41 .<br />
Erst im Jahre 1786, also 300 Jahre später, erwarb diese<br />
Gefälle Fürst Josef Wilhelm von Hohenzollern zurück.<br />
Wie für andere zollerische Gemeinden hat Berthold Hagen<br />
im Jahr 1544 auch über Stein und das zugehörige<br />
Aemtle ein Lagerbuch angelegt und darin alle herrschaftlichen<br />
zollerischen und kirchlichen Rechte, Einkünfte,<br />
auch die Namen der Leibeigenen und Freien aufgeschrieben<br />
4 . Der hl. Markus als Kirchenpatron bezog<br />
damals Einkünfte aus Stein, Bechtoldsweiler, Sickingen,<br />
Bodelshausen und Ofterdingen. Unsere Liebe Frau zu St.<br />
Luzen (Hechingen) ebenfalls aus den erstgenannten dreien,<br />
St. Eulogi zu Rangendingen jährliche Gilten aus<br />
Stein. Ein Wald zinste ans Kloster Stetten. Interessant<br />
ist die Nachricht, daß aller Weinzehnte, wenn der Weinbau<br />
wieder in Gang komme, der Herrschaft Zollern gehört.<br />
Am Schönrain sind 18 J Feld zollerisch, später gemessen<br />
23 Mannsmad. Herrschaftliche Wälder liegen einer<br />
im Ramsbach, ein anderer im Burgstall am Ochsenrain<br />
und Pfarrwald. Das Fischwasser der Starzel von der<br />
Wüstenmühle (Hechingen) bis in den Lindengraben ist<br />
ebenfalls zollerisch. Genannt wird auch das Niederhechinger<br />
Kirchle St. Martin, dabei St. Wolfgang, wohl<br />
eine Nebenpfründe darin.<br />
Im Jahre 1590 wurde die Capel-Anna von Stein als angebliche<br />
Hexe verbrannt 42 . Martin Haap zu Bechtolds-<br />
weiler hatte 1607 vom Kloster Stetten ein Lehen<br />
(20 J Acker, 3 Mm Wiesen, 10 Mg. Wald), die mit Ausnahme<br />
der Wiesen an Martin Konstanzer von Stein verkauft<br />
wurden 43 .<br />
Am 1. Juli 1613 hat Hans Belser von Stein beim Asyl zu<br />
Reutlingen Schutz gesucht. Er hatte durch einen unabsichtlichen<br />
Schuß den Michael Atzel daselbst tödlich getroffen<br />
und wartete nun, im Asyl vor Blutrache geschützt,<br />
ein richterliches Urteil ab 44 .<br />
Im Jahre 1619 beantragten die Gemeinden Stein, Sickingen<br />
und Bechtoldsweiler bei der zollerischen Herrschaft,<br />
man soll ihnen wieder die Wäsen, Almenden und den<br />
Ramsbach zurückgeben, die in Stauffenberger und Hauser<br />
Bann gekommen seien, da man sie nicht entschädigt<br />
habe. Sie wurden abgewiesen 45 .<br />
Das Kloster Stetten unter der Priorin Agatha Prinßwegelin<br />
ließ am 30. April 1646 seine Güter und Gilten in<br />
Stein, Sickingen und Bechtoldsweiler neu beschreiben<br />
durch den Schulmeister Johann Fecker aus Steinhofen,<br />
dem Vogt Hans Hahn, Altvogt Hans Beck 46 .<br />
Im gleichen Jahr heißt es im Bericht der Kirchenvisitation<br />
unterm 29. August: „Pfarrer Johann Heinrich Geiser<br />
arbeitet in Stein seit 3 Jahren, zählt jetzt 27 Lebensjahre<br />
und hat in Salzburg Philosophie studiert. Er ist investiert,<br />
wohnt aber in Hechingen, da sein Pfarrhaus zerstört<br />
ist (30jähriger Krieg!). Einkommen hat er 28 Malter<br />
Getreide, berichtet wöchentlich bei den Franziskanern<br />
in St. Luzen und hat eine rechtschaffene Magd.<br />
Von jetzt an will er Christenlehre halten, er besitzt die<br />
nötigen Bücher und hat die Kirche gut instand. Sie wurde<br />
nicht entweiht. Pfarrkinder (im Alter über 14) hat er<br />
73. Er klagt gegen den Dekan (Balthasar Buckenmaier in<br />
Hechingen), er zelebriere nur gegen ein Präsenzgeld.<br />
Geiser versieht auch die Frühmesse in Rangendingen und<br />
die Kapellenkirche St. Martin in Niederhechingen. Sein<br />
Einkommen besteht im Ganzen in 14 Malter und<br />
12 Viertel Vesen, 7 Malter und 8 Viertel Haber, I8V2 fl<br />
und 8 Heller an Geld, ferner von obiger Frühmesse 8 fl,<br />
1 Malter Korn, 1 Malter 8 Viertel Haber, an Wein jedoch<br />
nichts. ,Wir sind Wassertrinker', sagt er. Großzehnten<br />
hat er keinen, jedoch allen Kleinzehnten. Hat auch<br />
eigene Wiesen 20 Jauchert, Aecker 5 Jauchert, die jedoch<br />
teils ertraglos sind. Ferner 3V2 J. Wiesen und 7 Jauchert<br />
Wald. Der Großzehnt sei vom Vater des jetzigen Fürsten<br />
von Hechingen dem Pfarrer entzogen und dafür<br />
obige Summe bestimmt worden, die nicht hinreiche.<br />
,Denn wir arbeiten, und andere verzehren es', sagt der<br />
Pfarrer. Pfarrhaus samt Scheuer sind zerstört. Baupflicht<br />
hat der Fürst (als Besitzer des Großzehnten). Die Pfarrkirche<br />
wurde aus Fondsmitteln repariert. Auch die Kapelle<br />
St. Martin (Niederhechingen) wäre vom eigenen<br />
Fond wieder herzurichten, da die Schweden, Württemberger<br />
und Franzosen sie ausgeraubt haben. Es gibt hier<br />
die beiden Heiligenpflegen St. Markus und St. Martin.<br />
Der Pfarrer sei immer ortsanwesend. Die Rechnungen<br />
werden von den Rechnern Andreas Bopel und Johann<br />
Beck jährlich dem fürstlichen Beamten Kessler vorgelegt"<br />
Merkwürdig klingt eine Nachricht vom 3. August 1747.<br />
An diesem Tage hat der Konstanzer Weihbischof Franz<br />
Carl Fugger bei der Pfarrkirche Stein im Friedhof einen<br />
Altar geweiht zur Ehre des hl. Markus 4S . Dieser Altar<br />
wird wohl überdacht an der Kirche gestanden haben,<br />
damit man dort am Patrozinium des Evangelisten (an<br />
dem bekanntlich Flurprozession stattfand) den feierlichen<br />
Gottesdienst halten konnte, da offenbar die Pfarrkirche<br />
zu klein war.<br />
5
Im Jahre 1776 bekamen die ledigen Burschen August<br />
und Johann Kleinmann, Johann und Anton Daicker und<br />
Anton Klotz von Sickingen Streit mit Anton Schneider<br />
von Stein wegen des Klotzen Tochter und schlugen den<br />
Schneider so sehr, daß er am l.März verschied. Tags<br />
darauf suchten die Täter Schutz im Asyl zu Reutlingen,<br />
in dessen Protokoll im Stadtarchiv der Fall ausführlich<br />
dargetan ist 49 .<br />
V. Zur Steiner Familienkunde<br />
Schon in vorausgehenden Nachrichten haben wir eine<br />
Anzahl Familien zu Stein gefunden. In Hagens Lagerbuch<br />
von 1544 4 stehen in der Leibeigenenliste folgende<br />
Namen:<br />
Baier Konrad, Beig Anna, Beuther Hans und Michael,<br />
Biecheler Theus und Bernhard, Buppelin Hans (der 1548<br />
auch Schel-Hans genannt wird), Frick Martin und Hans<br />
(Frick schon 1448), Han Thomas, Herri Heinrich, Iselin<br />
Hans (1548 genannt „Krus"), Kilmaier Kaspar, Kleinmann<br />
Michael und Kaspar, Knecht Hans, Klotz Kunrad,<br />
Kopp Melcher, Lang Hans, Meßner Lutz (= Ludwig),<br />
Müller Hans, Rad Martin, Dorfvogt; Rad Michael, Reiher<br />
Ludwig, Schilling Christoph, Schneider Hans, Scholl<br />
Hans, Schuler Jerg, Schwarz Jerg, Weber Althans und<br />
Andris und Theiß, Wetzer Stephan, Wolff Hans.<br />
Es sind 34 Haushaltungen aufgeführt. Doch schon 1548<br />
werden weitere genannt: Buck, Eberhard, Fecker, Hermann<br />
(von Rangendingen), Kempter, Kohler, Metzger,<br />
Geigstephan, Rhein, Schön. Somit ist mit einer schnellen<br />
Änderung zu rechnen.<br />
Auf dem Stauffenburger Hof saß 1544 ein Kunrad<br />
Wantel, in Hausen (Hauser Hof) ein Jakob Krus<br />
(Kraus). Im Jahre 1431 hatte Breida Benzin auf dem<br />
Kupferer Hof zu Stein einen Jahrtag in die Pfarrei gestiftet<br />
mit Fastnachtshennen und V2 Viertel (= 60) Eiern<br />
(jährlich).<br />
In dem Bruchstück einer Beschreibung der Einkünfte des<br />
Klosters Stetten aus dem Steiner Amt werden am<br />
30. April 1646 folgende Familien namhaft gemacht 40 :<br />
Vogt Hans Hahn, Aisterli Michael (Oesterle!), Anstatt<br />
Elias und Michael, Arnold Theis, Bachmann Hans, Baur<br />
Jakob, Beck Martin, Boll Hans, Daicker Maria, Groß<br />
Melchior, Guide Friedrich, Hahn Stoffel, Harrer Hans,<br />
Altvogt, Hautt Klaus und Jakob, Kappenmann Martin<br />
und Matheis, Krenetter Steffan, Lemelin Friedrich alt,<br />
Poppel Georg, Rath Hans, Reiher Jakob und Hans.<br />
Ruoff Hans, Saile Anna, Schetter Jakob und Leonhard,<br />
Schlotter Jerg, Schmid Hans, Schneider Martin, Schuhmacher<br />
Hans, Schweiler Philipp, Sickinger Jerg, Speidel<br />
Marte, Stallacker August, Vetter Jerg, Weber Hans und<br />
Elias, Wetzeller Georg.<br />
Im Einwohnerverzeichnis von 1932 finden sich von diesen<br />
nur noch Bachmann, Daiker, Harer, Haut, Oesterle,<br />
Poppel, Ruf, Schetter, Schneider. Die Poppel dürften<br />
mit den Buppelin von 1544 identisch sein, gehören also<br />
zu den ältesten hiesigen Familien.<br />
VI. Steiner Flurnamen<br />
Die Gemarkung des Dorfes Stein war im Jahre 1544 in<br />
die drei Zeigen oder Esche eingeteilt (entsprechend der<br />
Dreifelderwirtschaft: Lengenfeld, Steinenfurt bzw. Tieracker<br />
und Braitenfeld. Es finden sich teils urtümliche<br />
Namen der einzelnen Fluren, deren Sinn oft schwer zu<br />
deuten ist: In der Abrun, vielleicht aus „ab" und „rinnen"<br />
entstanden. In Augenhalden: Auge kann nach<br />
M. Buck ein Loch in einem Felsen oder Baum bedeuten.<br />
Auf Bempenwies, vielleicht ein Familienname „Bemp".<br />
6<br />
1646 Bildäcker, wohl auf ein Heiligenbild deutend. Braite,<br />
große herrschaftliche Ackerstücke, die auf einen Herrenhof<br />
deuten. In Bronnwiesen und Brunnenrain. Bruckwies,<br />
die Wiese Brügelin an Winterhalden, kleiner Brühl<br />
(1438 Brügel) besagt „Wiese der Herrschaft". Ein Brüel<br />
hinter der Kirche. Des Buren (Bauern) Braite. Am Burgweg<br />
(1438) und 1544 3 Mg. Wald des Pfarrers. Im Burgstall.<br />
Am Gstainga Rain (Stelle der ehemaligen Ritterburg).<br />
Am Dierackersteig und Tieracker, Tier bedeutet<br />
„Reh". Dornacker. Im Ebenlöchle, entstand aus Ebene<br />
und Loch = lichter Wald. Im Ettenbach, Oettenbach,<br />
Ette bedeutet nach Buck: Damm am Wasser. Doch könnte<br />
auch Mettenbach = mittlerer Bach in Frage kommen<br />
(s. u.). Am Farch, wohl FN. Flachsacker, vielleicht identisch<br />
mit 1438 Flohacker, Erdflöhe? Fricken Anwandacker,<br />
PN. Jenseits der Furt 1438. Im Fürst, ob First =<br />
Berggrat? Hinter Gairen, Ger ist ein dreieckiges Landstück.<br />
Am Galgenrain (wann stand dort ein Galgen?).<br />
Im Gereuen, vielleicht von Ger, Gair. 1646 beim geweichten<br />
Bom, ob Bildstock? Groß- oder Graußholz.<br />
Der Gstainga Rain, steiniger Rain (1646 in der Gstainga.<br />
Der Haugenbrühl, wohl FN. 1438 Herweg = Heerstraße.<br />
Hinter den Höfen. Am Hinterbach (1438). Hintere<br />
Staig. In Hofstetten, stoßt an die Weingärten. Hofstatt<br />
am Pfarrwald. Im Hofstettlin. Der Hürst, 1646 Hürschäcker.<br />
Hurst bedeutet Buschwerk. Uf dem Hunkenlow,<br />
Hunckelauch, vielleicht Lau von Loh, lichter Wald<br />
mit FN. Im Krewels-, Kröbelsbach, Kröbel ist nach<br />
M. Buck ein Haken. In der Laickherin, Hecken unterm<br />
Galgenrain, wohl PN. Unterm Lauch = Loh, lichter<br />
Wald. Kleines Lehelin, Lehen oder Le = Grabhügel?<br />
Lengenfeld am Burckweg. Leuchshalden, wohl PN. Lindach<br />
und Lindengraben, vom Lindenbaum. 1438 Maiers<br />
Wiesle. 1438 Mettenbach (s. Ettenb.). Mitterlins Lehen,<br />
PN. 1438 Mühlacker, Münchacker, vermutlich nach den<br />
Mönchen von Alpirsbach benannt. In der Neßlin<br />
4 M Pfarrwald, vermutlich „in der Nässe". Neuwies,<br />
Niederbach und Niederwies. Im Oberlochlin am Hechinger<br />
Feld. Ochsenrain, wohl Ochsenweide. Pfaffenhalde<br />
= Pfarr- oder Klosterbesitz. Des Raiden Lendlin,<br />
Im Ramsbach, nach Bärlauchpflanzen benannt. Die<br />
Raussen am Niederbach = Hanfrößen, das sind Wasserlöcher<br />
zum Einlegen des Hanfes und Flachses. Die Reutin<br />
im Lindach, von reuten, roden. In Rieb; nach Buck wäre<br />
Rieb ein Weinbergmaß. 1646 in Rintwiesen oder Hangnoch.<br />
Der Roten Staiglin, 1438 jedoch Rottenstaig (vgl.<br />
Rottenburg). Schelhamers Heck, PN. Schelmengasse =<br />
Weg zum Schindanger. Uff Schöll, am Hechinger Almand,<br />
vielleicht zu scala = Felstreppe oder von „schallen,<br />
tosen". Schönrainer Tal, ehemalige Siedlung. 1646<br />
Sellenacker, von FN Söll oder „Seelenstiftung"? Schaffers<br />
Halde. Sickinger Staigle, Fahrweg. Steinerfurt, offenbar<br />
Furt mit vielen Steinen oder „des Dorfes Stein".<br />
Stiebers Wasen, PN. Uf dem Stock, Bildstock oder<br />
Grenzpfahl. In der Tägershalde = Lehmhalde? Nach<br />
R. Vollmann soll tegar soviel wie „groß" bedeuten. Tieracker,<br />
siehe Dieracker. Steiner Uchtet = Morgenweide<br />
für das Dorf Stein. Ein Baumgarten heißt Uebelschwanck<br />
und Weyblestwanck. Der zweite Teil scheint<br />
„Anprall" zu bedeuten: wo Wasser anstößt (z. B. am<br />
Ausfluß des Federsees bei Buchau!). Uf dem Waidenbühl<br />
(nicht Walchenbrühl). In der Wasserfalle = Staubrett<br />
zum Wässern. In der Wanne, nach der Geländeform.<br />
Ein Gemeindewald liegt an der Weinhalde (Weinberge<br />
vor 1544). An der Wiesbruck 1438 (1646 im Weißenbruch).<br />
Am Haugenbriel. Zum Wyler, vermutlich<br />
Bechtoldsweiler.<br />
Michael Walter hat 50 in den Hohenzollerischen Blättern<br />
noch eine Flur Loisinger Lach oder Losingen behandelt,
die er auf Steiner Gemarkung noch 1740 fand. Sie lag<br />
(nach ihm) als ehemalige Siedlung da, wo die Gemarkungen<br />
Stein, Sickingen, Bechtoldsweiler und Bodelshausen<br />
zusammenstoßen. In „Lach" sieht er den Ursprung<br />
des Herrenwieserbächles, das unterhalb Stein bei der<br />
Brechstatt (Stelle zum Hanfbrechen) in die Starzel mündet.<br />
Auf dem abgegangenen Schönrain stieß man beim<br />
Baumsetzen auf gutes Mauerwerk, wie Walter erfuhr.<br />
Im Jahre 1646 heißt es: „Im Schönrain, jetzt die Weilerhalden<br />
genannt", dabei die Fluren Hofstetten und Atzelesgarten.<br />
Den roten Knollenmergel macht M. Walter für<br />
das Verlassen der Siedlung verantwortlich.<br />
VII. Vom Martinskirchle<br />
Das Niederhechinger Martinskirchle am Martinsberg,<br />
das lange schon von Stein aus versehen wurde, wird<br />
1762 schadhaft genannt, übrigens auch die Kirche von<br />
Stein selber als ruinös. Die Kapelle hat laut Bericht von<br />
1788 einen konsekrierten Altar. In den Bittagen wurde<br />
hier Gottesdienst gehalten. Doch 1798 (las Fritz Staudacher<br />
in den Hechinger Landkapitelsakten): „Nahe der<br />
Grenze des Dorfes Stein steht die dritte Filialkirche (in<br />
Niederhechingen nämlich), geweiht dem hl. Bischof<br />
Martinus, wie auch der Altar darin. Vor wenigen Jahren<br />
noch wurde am Patrozinium (11. November) und an den<br />
Bittagen dort Gottesdienst gehalten. Nun aber kann dies<br />
ohne größere Verunehrung nicht mehr länger geschehen.<br />
Die Fenster sind teilweise durch Sturm ausgebrochen und<br />
die Kirche muß geschlossen werden, da sie Tag und<br />
Nacht dem Zugang des Gesindels offen steht. Welches<br />
die Einkünfte dieses Kirchleins und wie groß sie waren,<br />
weiß man nicht, da sie mit denen der Pfarrkirche Stein<br />
vereinigt wurden."<br />
Zum Jahr 1813 berichtet die Hechinger Stadtchronik<br />
den Abbruch des Kirchleins. Es wurde von der Herrschaft<br />
(wieso von dieser?) an den Gerber Josef Kaiser<br />
in der Friedrichstraße auf Abbruch verkauft und auf<br />
dem Areal ein Obstgarten angelegt. Von einer Innenausstattung<br />
verlautet nichts 51 . Die Namen Martinsberg und<br />
Martinsstraße und die Flur Kirchle erinnern noch daran.<br />
Es stand auf jener Anhöhe, wo heute das Schützenhaus<br />
sich findet, nur wenige Meter nordöstlich von diesem.<br />
Auf der dortigen Steiner Baumwiese, hart am Weg<br />
Friedrichsstraße-Martinsweg, kam vor Jahren Baumaterial<br />
zutage. Der Kirch- und ehemalige Friedhofplatz bilden<br />
heute eine quadratische Wiese von etwas über<br />
40 Ar 52 .<br />
Ergänzend berichtet Wunib. Kernler 53 : „Das Kirchlein<br />
sei schon 1800 oder 1806 wegen Baufälligkeit und Entbehrlichkeit<br />
abgerissen und dessen Platz samt den Gefällen<br />
der Pfarrkirche Stein als Eigentum zugesprochen<br />
worden. Im Jahre 1549 sei der ehemalige Kirchhof um<br />
diese Martinspfarrkirche (zu Niederhechingen) zu Heu<br />
und Oehmd an Bartlin Walch zu Niederhechingen verliehen<br />
worden. Jeder Pfarrer zu Stein (heißt es auf einem<br />
ins Pfarrurbar eingelegten Blatt) hat den Kirchhof,<br />
der gleich der Kirche mit einer Mauer umfangen und<br />
dermalen zu einer Wiese gemacht ist, mit Heu und<br />
Oehmd zu nießen, dafür aber den Kommunikanten- und<br />
Johanniswein anstatt eines Zinses unentgeltlich zu liefern."<br />
VIII. Vermischte kirchliche Nachrichten<br />
Im Lagerbuch von 1544 4 ist ausdrücklich vermerkt:<br />
„Die Herrschaft Zollern hat die Pfarrei Stein zu vergeben,<br />
d. h. den Pfarrer dem Bischof zu präsentieren. Aus<br />
dem Großzehnten des ganzen Aemtles bezog damals<br />
Württemberg 4 1 /» Mit Vesen, welche Herzog Eberhard<br />
im J. 1497 zugleich mit Bodelshausen von Martin von<br />
Friedingen gekauft hat. Die Pfarrei hat eigene Güter,<br />
heißt es dann: Pfarrhaus, Hofraite samt Garten dabei,<br />
7 J Acker, 4 Mm Wiesen, 7 Morgen Wald, darunter 3 im<br />
Burgstall. Diese Güter wurden bestand- d. h. pachtweise<br />
auf 9 Jahre im Jahre 1554 dem Hans Christian von<br />
Stein verliehen. Die Reutäcker hat die Herrschaft dem<br />
Pfarrer auf 3 Jahre aus Gnade überlassen. Der Heuzehnt<br />
aus bestimmten Wiesen und Gärten in den 3 Dörfern,<br />
der Klein- und Lebende Zehnt gehören dem Pfarrer,<br />
dazu unablösige Zinsen und als Korpus jährlich vom<br />
Großzehnt der Herrschaft 8 Mit Vesen, 6 Mit Haber<br />
und 1 Fuder Stroh."<br />
Zum Pfarrhausbau gaben 1773 Pfarrer Schönle 300 fl,<br />
Pfr. Kaiser in Burladingen (früher hier) 200 fl, der Junginger<br />
Pfarrer Franz Josef Marchand 100 fl, den Rest<br />
übernahm die Herrschaft. Die Pfarrkirche zu Stein wurde<br />
1830/31 unter dem Fürsten Friedrich Herman Otto<br />
von Hohenzollern errichtet (der Turm erst 1901 durch<br />
die Pfarrgemeinde). Die Kirchweihe nahm am 24. Juni<br />
1833 der Freiburger Weihbischof Hermann von Vikari<br />
vor (in Bechtoldsweiler ebenso am 26. und in Sickingen<br />
am 27. Juni).<br />
Nebenbei bemerkt, hatten die Tübinger Pfalzgrafen<br />
schon 1188 in Sickingen Besitzungen.<br />
Die Renovation Rammingens vom Jahr 1584 führt als<br />
Großzehntherren zu Stein an: die Herrschaft Zollern,<br />
dann den Pfarrer betr. 7 J, und derselbe betr. 5 J Noval-<br />
oder Neubruchzehnt. Sechs J zehnteten nach Bodelshausen,<br />
3V2 an den Mesner von St. Luzen, wofür<br />
ihm nun die Herrschaft eine Fruchtsumme reicht. Den<br />
Kleinzehnten aller drei Dörfer bekommt der Pfarrer von<br />
Stein. Der Heiligenfond um 1875 bestand aus Stiftungen<br />
mit 707 fl, aus Vermächtnis der Fürstin Eugenie mit<br />
200 fl, aus Ablösungskapitalien und Hellerzinsen von hier<br />
und Hechingen 2125 f, Lehenablösung in Bodelshausen<br />
31 fl 59 kr. Summa 40,63 fl 59 kr. oder 6966,83 Mark.<br />
Ferner besaß der Fond 29,70 Ar Acker in Seelenäckern<br />
in Nutznießung des Mesners. Darunter ist laut Stiftung<br />
1 Scheffel Korn von Bodelshausen. Davon muß der Mesner<br />
auf Allerheiligen das Mehl verbacken zu Brotalmosen.<br />
Um 1881 hatte der Heilige zu Stein ein Kapital in<br />
Höhe von 9925,20 Mark. (Im heutigen Geldwert müßte<br />
man fast das Hundertfache ansetzen!)<br />
Im Kirchlein zu Bechtoldsweiler zum hl. Wendelin durfte<br />
seit 1790 das Allerheiligste aufbewahrt werden. Am<br />
7. Juni 1884 stifteten die Eheleute Franz Josef Oesterle<br />
und Klara geb. Kleinmann in Sickingen 1000 Mark als<br />
Grundstock zu einer Kaplanei, die aber nie zustande<br />
kam.<br />
Im J. 1879 war bestimmt: Die Parochianen bzw. Filialisten<br />
haben die Verpflichtung, bei Mangel an Heiligenvermögen<br />
den Turm (wenn er von der Kirche getrennt<br />
steht) sowie die Uhr, Orgel, Glocken und Seitenaltäre<br />
der Pfarrkirche zu unterhalten bzw. zu beschaffen, auch<br />
Hand- und Fuhrfronen zu Kirche und Pfarrhaus zu leisten.<br />
Als Baufond waren 10372 fl und für Brandversicherung<br />
350 fl festgesetzt. Dazu trugen bei: Das Fürstenhaus<br />
9218 fl, Gemeinde Stein 935, Sickingen 405<br />
und Bechtoldsweiler 162 fl. Davon wurden bestimmt:<br />
für Neubau der Kirche 515 fl, Erweiterung derselben<br />
6000 fl, für Pfarrhausneubau 595 fl. Die Kirche war<br />
versichert zu 30 000 Mark, Pfarrhaus 10 290 Mark 53 .<br />
Die Sickinger Heiligenpflege hatte damals (1882) 1440<br />
Mark Kapital. In einer Bittschrift vom 16. März 1746<br />
betonten die Sickinger: Sie hätten keine Kirche gehabt,<br />
jetzt aber eine gebaut und den hl. Antonius als Patron<br />
gewählt. Sie bitten daher um einen Altarstein (mit Reli-<br />
7
quien) und die Erlaubnis zur Meßfeier. Der Heilige habe<br />
baar 40 fl und 2 Mm Wiesen. Im Jahre 1772 wurden<br />
zwei Glocken angeschafft, die größere zum hl. Antonius,<br />
die kleinere zur hl. Anna. (Neubau dann 1830.)<br />
Die Wendelinskapelle zu Bechtoldsweiler wurde gegründet<br />
von Katharina Summer, die am 2. September 1754<br />
starb, und Lambert Kaus (t 27. September 1758). Im<br />
Jahre 1812 wurde sie erweitert, 1833 aber folgte ein völliger<br />
Neubau. Die Erlaubnis zum Meßlesen war 1828 auf<br />
weitere 7 Jahre vom Bischof gegeben worden. Einen eigenen<br />
Friedhof hat man 1842 angelegt und dem Pfarrer<br />
für jede Beerdigung daselbst 18 Kreuzer bewilligt. 53<br />
1<br />
Mon. Zoll. I, S. 68.<br />
2<br />
Hohz. Blatt. 1937 Dezb. 18.<br />
3<br />
Hohz. Blätt. 1942, Dez. 24.<br />
4<br />
Fürstl. Hohz. Arch. Sigmaringen.<br />
5<br />
Hohz. H. 1972, 45.<br />
6<br />
wie Note 1.<br />
7<br />
wie Note 5.<br />
8<br />
Mon. Zoll. I S. 294.<br />
9<br />
für diese und folgende Daten: Konstanzer Protok. im<br />
Erzb. Arch. Freiburg.<br />
10<br />
HH 1963, 41.<br />
11<br />
Näheres in HH 1963, 42.<br />
12<br />
Über ihn HJHeft 1955, 14 und 1963, 164.<br />
13 HJH 1963, 170.<br />
14 HJH 1955, 96.<br />
15 Liber dezimationis: FDA I, 57.<br />
16 FDA 26, 53.<br />
17 Vgl. HJH 1955 bis 1957 Anhang: „Urkunden des Kl. Stetten";<br />
zitiert: Stett. mit Urkundennummer, oder „Stett. S."<br />
(Seite).<br />
18 Stett. S. 353.<br />
19 Hodler, Gesch. d. Oberamts Haigerloch 160.<br />
20 HH 1972, 45.<br />
HERBERT BURKARTH<br />
Hochzeit auf Schloß Hettingen<br />
Am 28. Juli 1777 verlobte sich der damals 38jährige<br />
Reichsfreiherr Marquard Carl Anton Speth von Zwiefalten,<br />
Herr zu Gammertingen, Feldhausen, Harthausen,<br />
Neufra, Kettenacker, Birkhof und Lustberg mit Freifräulein<br />
Maria Maximiiiana Speth von Zwiefalten zu<br />
Hettingen. Im Jahr 1599 hatten sich die Gammertinger<br />
Speth in eine Gammertinger und eine Hetlinger Linie<br />
geteilt. Zeitweilig waren sie sogar heftig verfeindet, und<br />
1747 ließ der Baron von Hettingen Gammertinger Bürger<br />
unter Drohung für Leib und Leben aus seiner Herrschaft<br />
treiben.<br />
Nun, vier Generationen später, wurden die beiden Häuser<br />
durch eine Heirat wieder vereinigt. Das war natürlich<br />
nicht nur ein Fest für die beteiligten Familien, sondern<br />
für alle Bewohner der beiden Herrschaften. Für<br />
alle Teilnehmer war das ein Ereignis in ihrem gleichmäßigen<br />
Dasein, von dem sie sicher noch Jahrzehnte lang<br />
erzählten.<br />
Die Hochzeit wurde auf Mittwoch, den 8. Oktober 1777,<br />
festgesetzt. Am Morgen des Hochzeitstages bewegte sich<br />
ein feierlicher Zug von Gammertingen nach Hettingen.<br />
Den Zug eröffnete, hoch zu Roß, Haushofmeister Fidelis<br />
Fauler. In der ersten Kutsche saß der geistliche Onkel,<br />
Freiherr Carl von Speth, Stifts-Capitular in Kempten,<br />
der die Trauung vornehmen sollte. Der zweite Wagen<br />
folgte mit dem Bräutigam, Freifrau Emmerentia von Enzenberg<br />
(geb. v. Spethl, Frau Antonia von Stozing und<br />
Baron Carl von Stozing. In der dritten Kutsche saßen<br />
Gäste aus Hechingen, Carl Schilling von Cannstatt,<br />
8<br />
21<br />
Näheres Stett. S. 312.<br />
22<br />
Stett. 323.<br />
23<br />
Mon. Zoll. I, S. 345.<br />
24<br />
HH 1962, 44.<br />
25<br />
Mi«. Hohz. 8, 57.<br />
26<br />
Stett. 392.<br />
27<br />
Stett. 400.<br />
28<br />
Stett. 443.<br />
29<br />
Stett. 444.<br />
30<br />
Stett. 452.<br />
31<br />
Stett. 457.<br />
32<br />
Stett. 473.<br />
33<br />
G. Wunder, Staufenberg, 1972, S. 425.<br />
34<br />
HH 1957, 61.<br />
35<br />
Stett. 482.<br />
35a<br />
HH 1953, 46.<br />
36<br />
Wie Note 33: S. 428.<br />
3<br />
»a HH 1953, 46.<br />
3<br />
«b Zollerheimat 1940, 31.<br />
37<br />
Zubehör siehe in Stett. Nr. 516.<br />
38<br />
HH 1953, 46.<br />
3S<br />
HH 1962, 60.<br />
40<br />
Stett. 530.<br />
41<br />
OA Rottenbg. II, 206 und Note 35: S. 436.<br />
42<br />
Zollerheimat 1938, 96.<br />
43<br />
Stett. 614.<br />
44<br />
Zeitschr. höh. Gesch. 1965, 262, Nr. 82.<br />
45<br />
Zoll. H. 1940, 8-9.<br />
48<br />
Stett. S. 218-219.<br />
47 HH 1963, 42.<br />
48 HH 1953, 45.<br />
49 Hohz. ZG. 1965, 164, Nr. 97.<br />
50 Hohz. Blätt. 1942, Nr. 226.<br />
51 Staudacher, Hohz. Ztg. Nr. 176 vom 10. Nov. 1951.<br />
52 Hohz. Ztg. vom 9.11.1963.<br />
53 Nachlaß „Hohenz. Pfarreien" i. Heimatbibl. Hechg.<br />
G 593 all.<br />
fürstlicher Oberjägermeister, und Johann Christoph von<br />
Hövel, fürstlicher Hauptmann und Stallmeister. Mit der<br />
vierten Kutsche kamen der Gammertinger Obervogt<br />
Bernardin Kleber und Rat Franz Xaver Merhard von<br />
Bernegg. Den Abschluß des Zuges bildete eine „Wurst"<br />
(langer, mehrsitziger Wagen) mit der Frau Obervögtin,<br />
der Frau Hausmeisterin und noch mehr Frauen, welche<br />
die Gnade hatten, der hohen Vermählung beiwohnen zu<br />
dürfen.<br />
Nach der Ankunft in Hettingen stieg man im Schloß ab<br />
und absolvierte eine kleine Gratulationscour. Inzwischen<br />
begannen alle Kirchenglocken zu läuten. Das gnädige<br />
Fräulein Braut machte einen Fußfall vor ihren Eltern<br />
und bat um deren Segen, was allgemeine Rührung hervorrief.<br />
Geführt von ihrem Bruder Franz Conrad und<br />
begleitet von ihrem Bräutigam, trat sie den Weg zur<br />
Kirche an. Vor dem Schloß wurden sie von den beiden<br />
Vögten von Gammertingen und Hettingen willkommen<br />
geheißen. Nach ihnen formierte sich ein langer Zug mit<br />
allen anwesenden Adelspersonen, Gemeindeabordnungen<br />
und Bediensteten.<br />
Unten am Schloßberg standen beiderseits des Weges die<br />
Jungfrauen von Hettingen und Hermentingen im Festtagskleid,<br />
mit Kränzen im Haar. An sie anschließend<br />
bildeten die verheirateten Männer Spalier. Bis zur Kirchenmauer<br />
standen, in zwei Linien ausgerichtet, die ledigen<br />
Gesellen. Alle Männer hatten auf dem Kopf Grenadiermützen<br />
mit dem Speth'schen Wappen und das Gewehr<br />
geschultert.
Kirche und Altar waren festlich geziert. Vor dem Chor<br />
standen acht Jäger unter Gewehr, welche darauf achteten,<br />
daß niemand außer den hohen Herrschaften und Beamten<br />
hereinkam. Als das hohe Hochzeitspaar die Kirche<br />
betreten hatte, begann Stiftskapitular v. Speth mit<br />
dem „musikalischen Hochamt". Anschließend nahm er,<br />
als besonders erbetener Onkel, die priesterliche Einsegnung<br />
vor. Nach Beendigung der Trauung setzte die Musik<br />
mit einem Te Deum ein, in das alle einstimmten. Die<br />
paradierenden Hetlinger Bürger schössen drei Salven,<br />
und die Böller wurden abgefeuert.<br />
In der gleichen Art, wie zur Kirche, bewegte sich der<br />
Hochzeitszug auf das herrschaftliche Schloß zurück.<br />
Dort angelangt, nahm das Paar die Glückwünsche der<br />
Geistlichkeit, Beamten und Gemeindedeputierten entgegen.<br />
Eine prächtige Hochzeitstafel war mit sechzehnteiligen<br />
Couverts gedeckt, an der die ganze Gesellschaft<br />
Platz nahm. Während des Essens wurde, von Böllerschüssen<br />
begleitet, auf die Gesundheit des hohen Paares<br />
getrunken. Bis gegen vier Uhr nachmittags wurde gespeist.<br />
Die Zeit zwischen Tafel und Soupee verbrachte man mit<br />
Spaziergängen und Spielen. Um 9 Uhr abends begann<br />
das Soupee. Danach begab sich der Hochzeiter in Stille<br />
ins Schlafgemach, zog sich um und legte sich nieder. Die<br />
Braut kleidete sich ebenfalls um und wurde von allen<br />
hohen Herrschaften ins Schlafzimmer begleitet. Dort<br />
fand die Zeremonie des Beilagers statt (Im Mittelalter<br />
war das Beilager, feierliches Besteigen des Ehebettes vor<br />
Die Braut Maria Maximiiiana Speth von Zwiefalten<br />
zu Hettingen Foto: Frh. v. Zobel<br />
Zeugen, die rechtliche Form der Eheschließung. Es ist eigentlich<br />
überraschend, daß diese uralte Zeremonie 1777<br />
noch ausgeübt wurde). Nach allgemeinem Abschiednehmen<br />
wurde das Schlafzimmer verlassen. Die ganze hohe<br />
Gesellschaft übernachtete entweder in Hettingen, oder<br />
wurde nach Gammertingen gefahren.<br />
Am anderen Morgen, gegen 9 Uhr, erschien der Hetlinger<br />
Obervogt Maximilian Blumenstetter und überreichte<br />
im Namen des Hetlinger Pfarrers Joseph Fetscher und<br />
der beiden Gemeinden Hettingen und Hermentingen<br />
eine Hochzeitsgabe von 150 Gulden. Langatmig wiederholte<br />
er die Glückwünsche im Namen von Pfarrer und<br />
Gemeinden und „recommendierte sich zu hohen Hulden<br />
und Gnaden". Inzwischen waren die Gäste aus Gammertingen<br />
wieder eingetroffen, und alles vereinigte sich zur<br />
großen Tafel.<br />
Nach Aufhebung der Tafel rüstete man sich zum Einzug<br />
nach der Residenz in Gammertingen. Als der Zug beim<br />
Teufelstor die Gemeindegrenze passiert hatte, verkündeten<br />
Kanonen- und Böllerschüsse die „Hohe Ankunft".<br />
Auch die Gammertinger Untertanen wollten ihre Freude<br />
über die Vermählung ihres gnädig-regierenden Herren<br />
zeigen. Unter der Steig, beim Beginn der neuen Straße,<br />
standen als Spalier 150 Mann in blau und 30 Mann in<br />
grün mit geschulterten Gewehren. 50 Verheiratete und<br />
50 Ledige waren aus Neufra, 50 Verheiratete und 30 Ledige<br />
aus der Stadt- und Landschaft Gammertingen gekommen.<br />
Die ledigen Jungfrauen waren bekränzt und<br />
fingen die gnädige Herrschaft mit einem roten Band auf,<br />
als sie sich den Reihen näherte. Unter ständigem Donnern<br />
von Geschützen erfolgte der Einzug in die hochfreiherrliche<br />
Speth'sche Residenzstadt Gammertingen.<br />
Voraus ritt der Gammertinger Postmeister Xaver Göggel<br />
mit zwei blasenden Postillionen. Ihm folgte der Feldhauser<br />
Jäger Caspar Huttmacher mit zwei Forstknechten;<br />
hinter ihnen der Hetlinger Obervogt Blumenstetter. Die<br />
Wagen fuhren in folgender Ordnung: In einem offenen,<br />
sechsspännigen Wagen saßen die neue regierende gnädige<br />
Frau und der gnädige Herr, Frl. Maria Theresia von<br />
Speth, Schwester der jungen gnädigen Frau, und der Onkel,<br />
Capitularherr Carl von Speth. In einem vierspännigen,<br />
gedeckten Wagen saßen die Brauteltern, Frau von<br />
Speth zu Hettingen und fürstbischöflicher Oberstallmeister<br />
Freiherr von Speth zu Hettingen mit Frau von Enzenberg<br />
und Graf Meinrad von Zollern, Domherr in<br />
Köln und Konstanz. Der nächste Vierspänner folgte mit<br />
Frau von Stozing, Gräfin Amalia von Sickingen, geborene<br />
v. Speth, Freiherrn von Stozing und Graf Casimir<br />
von Sickingen. In je einer Chaise folgten Oberjägermeister<br />
Schilling von Cannstatt mit Hauptmann von<br />
Hövel und Franz Conrad von Speth mit Friedrich von<br />
Speth, die Brüder der Braut. Den Schluß des Zuges bildeten<br />
Zollerische und Kemptener Bedienstete.<br />
Vor der Einfahrt zum Schloß stand auf der einen Seite<br />
der Gammertinger Obervogt, auf der anderen Seite der<br />
Rat von Merhard, je mit der Hälfte der Schultheißen,<br />
Amtsleute usw. Sie bildeten ein Spalier bis zur Brücke.<br />
Die Hochwürdige Geistlichkeit stand direkt vor dem<br />
Schloß. Sie begleiteten die Herrschaften bis ins rote Zimmer,<br />
wo sie ihre Glückwünsche vorbrachten und als Geschenk<br />
der Geistlichkeit und der Beamten 246 Gulden<br />
und von Bürgerschaft und Untertanen 600 Gulden übergaben.<br />
Unterdessen rückten die unter Gewehr stehenden Untertanen<br />
in schönster Ordnung an. Das Jägercorps postierte<br />
sich auf der Brücke, die Neufraer auf der Straße und die<br />
Gammertinger vor dem herrschaftlichen Bräuhaus. Zur<br />
Verwunderung der hohen Herrschaften exerzierten die<br />
Jäger und begannen mit Schießen. Jede Partie schoß drei<br />
Salven, außerdem wurden drei Generalsalven abgefeuert.<br />
Danach rückten sie in schönster Ordnung ab.<br />
Um einhalb 9 Uhr abends begann das Soupee. Während<br />
man soupierte, wurde als musikalischer Glückwunsch<br />
eine Arie und Duett mit dem Titel „Die singende Euter -<br />
pe" aufgeführt. Der Chor sang als Recitativ:<br />
9
„Freunde, ich bin von Wonne und Freude beseelet,<br />
Heut hat der Himmel Speth mit Spethen,<br />
Zween Sprossen aus einem Hause vermählet."<br />
Zum Schluß sang der Chor:<br />
„Ach Wünsche, Wünsche bringet zu wegen<br />
Für Marquard unsäglichen Segen.<br />
Bringet für Maxel viel Heil,<br />
Für beide den besseren Teil."<br />
Mit einem Tanz wurde der Abend beendet. Danach wurde<br />
zwei Tage geruht.<br />
Am 12. Oktober hatte die regierende gnädige Frau Namenstag.<br />
Die Neuvermählten wurden mit einem Besuch<br />
des Fürsten Joseph Friedrich von Hohenzollern-Hechingen<br />
und des Erbprinzen Joseph von Fürstenberg beehrt.<br />
Nach der Gratulationscour der hohen Herrschaften, der<br />
Beamten, der Bürgerschaft, der ledigen Gesellen und der<br />
ledigen Jungfrauen wurde eine prächtig servierte Tafel<br />
mit sechzehnteiligen Couverts gehalten. Während der<br />
Tafel wurden vom Jägercorps drei Salven abgefeuert<br />
und von den ledigen Jungfrauen der gnädigen Frau ein<br />
Bouquet präsentiert. Nach der Tafel begann das Hochzeitsschießen,<br />
bei dem es einen Ochsen und einen Hammel<br />
zu gewinnen gab. Der Tag wurde mit einem großen<br />
Nachtmahl beschlossen.<br />
An den folgenden drei Tagen war Kirchweih, an denen<br />
die Untertanen ihren Lustbarkeiten nachgingen und die<br />
Zünfte die üblichen Jahrtage abhielten. Am 16. Oktober<br />
begann man dann in Hettingen mit der Jagd und hielt<br />
am Sonntag, den 19., ein Essen auf Schloß Hettingen.<br />
Bis zum 26. Oktober wurde im Feldhauser und Gammertinger<br />
Forst, auf Stollbeck und in der Ah gejagt. Von<br />
den Anstrengungen der Jagd erholte man sich dann bis<br />
MANFRED HERMANN<br />
30. Oktober. Mit der Abreise aller hoher Herrschaften<br />
ging dieses große Fest zu Ende.<br />
Das Manuskript mit der Beschreibung der Hochzeit fand<br />
ich durch einen freundlichen Hinweis von Herrn Archivrat<br />
Dr. Bernhardt im General-Landesarchiv Karlsruhe<br />
(Nr. 69, 1319). Dort befindet sich das Familienarchiv<br />
der Speth-Gammertingen, vermischt mit dem Archiv der<br />
Freiherrn Zobel von Giebelstadt-Darstadt. Die Hochzeit<br />
von Marquard und Maximiiiana von Speth sollte ein<br />
Neubeginn der Herrschaft Speth-Gammertingen werden.<br />
Marquard hatte das jetzige Gammertinger Schloß von<br />
dem französischen Architekten Michael d'Ixnard für seine<br />
schöne junge Braut bauen lassen (es wurde kurz vor<br />
der Hochzeit fertig). Aus der Ehe gingen neun Kinder<br />
hervor, von denen aber nur drei das Erwachsenenalter<br />
erreichten. Der Sohn Ludwig Carl hatte nur Töchter.<br />
Die älteste Tochter Josephine heiratete Freiherrn Edwin<br />
Zobel von Giebelstadt-Darstadt. Sie lebte auf Schloß<br />
Messelhausen bei Tauberbischofsheim und starb dort im<br />
Jahr 1900, 92 Jahre alt! Ihr Vater Ludwig Carl verkaufte<br />
die Herrschaft Gammertingen, die 1806 mediatisiert<br />
worden war, 1827 an den Fürsten von Hohenzollern-Sigmaringen.<br />
Er starb 1858 in Würzburg, wo die<br />
Familie Speth ein Haus hatte.<br />
Maximiiiana war übrigens keine „richtige" Hettingerin,<br />
sondern eine Bayerin aus Fünfstetten bei Donauwörth.<br />
Um 1690 hatte der Urgroßvater von Maximiiiana,<br />
Franz Meinrad von Speth zu Hettingen, die Herrschaft<br />
Fünfstetten bekommen. Als der letzte Hettinger Speth<br />
1769 gestorben war, erbte Maximilias Vater die Herrschaft<br />
Hettingen und zog mit seiner Familie in das dortige<br />
Schloß. Das reizende Bild von Maximiiiana schickte<br />
mir freundlicherweise Freiherr von Zobel, ein Nachkomme<br />
von Marquard und Maximiiiana.<br />
Schreiner und Altarbauer Bakus Widmann II (1684-1768) in Hettingen<br />
Wie im vorigen Heft berichtet, war Bakus Widmann I<br />
aus Hettingen im Raum zwischen Hechingen und Sigmaringen<br />
von 1675 bis 1715 einer der meistbeschäftigsten<br />
Kunstschreiner und Altarbauer. Nach der Auswanderung<br />
des älteren Sohnes Hans Jakob Widmann nach Ungarn<br />
1712, die wohl durch seine Konflikte mit den herrschaftlichen<br />
Beamten verschiedener Wildfrevel wegen bedingt<br />
war, setzte der jüngere Balthasar (zumeist Bakus genannt)<br />
die väterliche Werkstatt fort.<br />
Am 21.5.1684 in Hettingen getauft 1 , hatte er bereits<br />
mit 16 Jahren seine Lehrzeit beendet, da ihn der Vater<br />
am 16. 7. 1700 von einem versammelten „ehrsamen<br />
Handwerk" zum Gesellen erklären ließ 2 . Wohin der<br />
junge Mann auf der Wanderung gezogen ist, wissen wir<br />
nicht. Immerhin dürfte er relativ bald wieder zuhause<br />
gewesen sein, da er am 19. Februar 1706 wegen verschiedener<br />
Diebereien (Wildfrevel?) für 15 Jahre aus der<br />
Herrschaft ausgewiesen wurde 3 . Er sollte erst dann zurückkehren<br />
dürfen, wenn er ein glaubwürdiges Zeugnis<br />
über seine Besserung mitbringe. Der vielbeschäftigte Vater,<br />
zugleich Schultheiß und Zunftmeister, dem die Verfehlungen<br />
seines Jüngsten höchst peinlich gewesen sein<br />
dürften, setzte offensichtlich alle Hebel in Bewegung,<br />
daß der Sohn zurückkehren durfte. Jedenfalls schloß<br />
dieser am 6. Februar 1708 in Hettingen mit Ursula Böhmin<br />
aus Steinhilben den Bund fürs Leben 4 . Dem Ehepaar<br />
wurden sechs Kinder geschenkt, von denen der Vater<br />
mindestens zwei, Franz Anton (* 22. 2. 1712) und<br />
10<br />
Balthasar f'iim 1720), im Schreinerhandwerk ausbildete.<br />
Den ersten stellte er am 23. 2. 1727 und den jüngsten<br />
Sohn am 8. 9. 1736 einem „ehrsamen Handwerk" vor,<br />
um sie zu Gesellen erklären zu lassen. Darüber hinaus<br />
stehen im Hettinger Zunftbuch 5 vier weitere Lehrjungen<br />
des Balms Widmann verzeichnet. Ein herber Verlust<br />
war für den Meister der Tod der Gattin am 18. 9. 1742.<br />
Offensichtlich heiratete er nicht wieder, jedenfalls nahm<br />
er nach dieser Zeit keine Jungen mehr zur Ausbildung<br />
ins Haus.<br />
Bald danach führte der ältere Sohn und Werkstattnachfolger<br />
Franz Anton seine Braut Anna Maria Klingenstein<br />
(aus Trochtelfingen?) heim, die ihm ab 1745 fünf<br />
Kinder schenkte. Allein, Bakus Widmann mußte die herbe<br />
Enttäuschung erleben, daß Anton am 24. 7. 1755 im<br />
besten Mannesalter starb. Das Hettinger Totenbuch<br />
rühmt ihn als „artis scriniariae peritissimus" = der<br />
Schreinerkunst sehr erfahren. Es ist unwahrscheinlich,<br />
daß der nunmehr 71jährige Bakus die Werkstätte noch<br />
weiter betreiben konnte, zumal der jüngere Sohn sich<br />
auswärts niedergelassen haben mußte, da sein Name in<br />
den Hettinger Zunftlisten fehlt. So ist wohl im gleichen<br />
Jahr 1755 die Schreinerwerkstatt erloschen. Baltus Widmann<br />
selber schloß am 20. März 1768 im Alter von 84<br />
Jahren für immer die Augen.<br />
Gleichwohl die Tätigkeit des zweiten Widmann in eine<br />
Zeit wirtschaftlicher und religiöser Blüte fiel, der auch<br />
zahlreiche Kirchenbauten und -ausstattungen zu verdan-
ken war, scheint er nicht so häufig wie der Vater für<br />
Altarbauten beschäftigt worden zu sein. Genau genommen,<br />
kennen wir nur seine Aufträge für die St. Nikolaus-Pfarrkirche<br />
in Feldhausen. Nach den dortigen Heiligenpflege-Rechnungen<br />
6 erhielt „der Schreiner von<br />
Hettingen" 1740 wohl im Zusammenhang mit dem<br />
Hochaltar 17 fl 13 xr (fl = Gulden, xr Kreuzer), allerdings<br />
kann damit kaum der gesamte Altaraufbau abgegolten<br />
worden sein. 1746 wurden „besag Accord dem<br />
Schreiner Bakus von Hettingen vor 2 neye Neben althär<br />
84 fl" ausbezahlt. 1752. bekam der „Schreiner von Hettingen"<br />
(diesmal wohl Anton Widmann) sicherlich im<br />
Zusammenhang mit der Kanzel 4 fl 14 xr, wobei auch<br />
hier wohl kaum die gesamte Schreinerarbeit eingeschlossen<br />
war. Da die Kirchenausstattung von Feldhausen zu<br />
den bedeutendsten im Kreis Sigmaringen zählt, lohnt es,<br />
sie einer eigenen Betrachtung zu unterziehen.<br />
Die Feldhauser Barockaltäre<br />
Die 1738 durch Maurermeister Melchior Schänzle aus<br />
Oberstetten erbaute Pfarrkirche erhielt in den beiden<br />
folgenden Jahren den prachtvollen Hochaltar 7 . Da er<br />
wenigstens teilweise vom Patronatsherrn Marquard Rudolph<br />
Anton Speth von Zwiefalten zu Gammertingen 8<br />
und seiner Gemahlin Maria Carolina geb. Gräfin von<br />
Gleisbach gestiftet wurde, enthält die Heiligenpflege-<br />
Rechnung 1739/40 dazu nur dürftige Nachrichten. Vor<br />
allem wurde das großformatige Altargemälde „die Vi-<br />
Hl. Petrus (1741), wohl von Balthasar Wild, Mariaberg<br />
Foto: M. Hermann<br />
Hl. Paulus (1741), wohl von Balthasar Wild<br />
Foto: M. Hermann<br />
sion des hl. Antonius von Padua" von der Hand des<br />
Riedlingers Franz Joseph Spiegier (1691-1756) von der<br />
Ortsherrschaft bezahlt, wie die Wappen am unteren Bildrand<br />
verraten. Sicherlich stehen die 36 xr Botenlohn<br />
für zwei Gänge nach Riedlingen damit in Zusammenhang.<br />
Das muß jedoch nicht bedeuten, daß in der Donaustadt<br />
auch die Bildhauerarbeiten ausgeführt wurden,<br />
für die insgesamt 35 fl 36 xr in Ausgabe stehen 9 . Zusätzlich<br />
bekam ein Fuhrmann „wegen denen. Statuen"<br />
8 xr ausbezahlt, einem andern 6 xr „den Neuen Altar<br />
abzuehollen", wohl ein Hinweis, daß Schreiner- und<br />
Bildhauerarbeiten nicht gleichzeitig und wohl auch nicht<br />
am selben Ort geschaffen wurden. Ziemlich sicher<br />
stammt der Aufbau vom Schreiner Bakus Widmann in<br />
Hettingen.<br />
Der Hochaltar zeigt einen mächtigen, bis in eine Stichkappe<br />
des Chorgewölbes reichenden, flachen, ursprünglich<br />
vom Altartisch abgesetzten Retabel, der die gesamte<br />
Stirnwand des Chores füllt. Sechs Säulen, die mittlere jeweils<br />
gedreht, flankieren das Altarblatt im Hauptgeschoß.<br />
Die dazugehörigen eindrucksvollen Apostelfiguren<br />
Petrus und Paulus sind seitlich, durch die Fenster in<br />
den Schrägwänden des Chores getrennt, auf Postamenten<br />
angebracht. Merkwürdigerweise ist das Gesims, das den<br />
Hauptteil nach oben abschließt, ohne jede Schwingung<br />
11
angelegt, auch die über dem Gebälk der Säulen schräg<br />
aufsteigenden Giebelstücke sind nicht bogenförmig, sondern<br />
gerade gestaltet. Einfache Volutenspangen rahmen<br />
im Oberteil die Nische mit der Figur des Kirchenpatrons<br />
St. Nikolaus. Der gesamte Aufbau macht für den Beginn<br />
der Rokokozeit einen reichlich strengen Eindruck. Es ist<br />
zu vermuten, daß der Entwurf des Retabels weniger auf<br />
den Schreiner als auf den Bildhauer zurückgeht.<br />
Sämtliche figürlichen Arbeiten, der hl. Nikolaus mit<br />
Buch in der Rechten und die begleitenden großen Engelsgestalten<br />
mit Stab und Mitra auf den seitlichen Giebelstücken<br />
des Oberteils, ferner die Apostel Petrus und<br />
Paulus sind von bedeutender Qualität, die von jeher an<br />
den großen Riedlinger Bildhauer Joseph Christian<br />
(1706-77) denken ließ. An den Plastiken fällt vor allem<br />
die kraftvolle Haar- und Bartbehandlung und der<br />
reichbewegte Faltenwurf an den Gewändern auf. Ihr<br />
Schöpfer ist durchaus zu den großen Begabungen des<br />
schwäbischen Raumes zu zählen und steht nur wenig den<br />
besten Schnitzern des Landes nach. Doch schon Rudolf<br />
Huber hat in seiner Christian-Monografie 10 1960 erkannt,<br />
daß der Riedlinger Meister persönlich nicht in<br />
Frage kommt, vielmehr sprach er von einer Christian-<br />
Schule. Die gute Qualität der Plastiken ließe sich aber<br />
auch so erklären, daß Christian zu ihnen die Entwürfe<br />
(Bozzetti) lieferte, die ein anderer ausgeführt haben mag;<br />
einer, der weniger beschäftigt war und billiger zu arbeiten<br />
vermochte. Doch, wer ist dieser Unbekannte?<br />
Es will eigens beachtet werden, daß in die Rückseite der<br />
aus Lindenholz geschnitzten, ausgehöhlten, 1,65 m hohen<br />
Petrus und Paulus das Fertigstellungsdatum eingeschnitten<br />
ist: bei Paulus „De: 12. Feb. 1741" und bei Petrus<br />
„De 11 Mar: 1741". Wie jeder Kenner der Materie es<br />
bestätigen wird, ein sonst kaum anzutreffender Fall. Genau<br />
in derselben Weise ist auch der schlafende Johannes<br />
Ev. der Ölberg-Gruppe in Inneringen (heute auf dem<br />
Speicher des alten Pfarrhauses) 11 datiert: 1740, wobei<br />
die Form der Ziffern, insbesondere die der „1", jenen in<br />
Feldhausen völlig entspricht. Auch die Inneringer ölberg-Figuren<br />
zeigen denselben kraftvollen Schnitzerstil<br />
und dieselbe lebendige Gewandbehandlung: Es sind Werke<br />
des gleichen Meisters. In der Pfarrkirche zu Gammertingen<br />
befinden sich ebenfalls zwei Plastiken, die mit<br />
Datierungen der gleichen Form versehen sind: ein Auferstandener,<br />
in dessen Bodenplatte die Zahl „1749" zusammen<br />
mit den Buchstaben „B. W." eingeschnitten ist, ferner<br />
ein hl. Sebastian mit „1751". Bedingt durch den zeitlichen<br />
Abstand von den Feldhauser und Inneringer Figuren,<br />
wird ein stilistischer Zusammenhang nicht so deutlich.<br />
Immerhin zeigen sie mit weiteren Feldhauser Plastiken<br />
(Anna-selb-dritt, Vitus am lk. Seitenaltar) gemeinsame<br />
Züge.<br />
Intensiv habe ich in den Standesbüchern von Riedlingen<br />
nach einem Schnitzer B. W. gesucht, jedoch ohne Erfolg,<br />
da es dort keinen Künstler mit diesem Namensanfang<br />
gab. Erst die Überprüfung der Rechnungen der Marienkapelle<br />
in Melchingen 12 brachte des Rätsels Lösung:<br />
Der Altar des Heiligtums wurde 1736 von Balthasar<br />
Wild, dem Klosterschreiner von Mariaberg, geliefert,<br />
wobei er - das wird eigens betont - sowohl die Schreiner-<br />
als auch die Schnitzarbeit geschaffen habe. Ohne<br />
Frage ist er der Bildhauer „B. W.", nach dem ich so lange<br />
gesucht hatte. Es kann kaum ein Zweifel daran bestehen,<br />
daß er auch der Meister des Feldhauser Hochaltars ist.<br />
Es ist übrigens noch bemerkenswert, daß Wild auch die<br />
Melchinger Schmerzensmutter auf der Rückseite datiert<br />
hat, mit 1736, allerdings in aufgemalten Ziffern. Mit<br />
dieser Figur ist zugleich der Ausgangspunkt für eine grö-<br />
12<br />
ßere Reihe von Zuschreibungen gewonnen, für Plastiken<br />
in Mariaberg selbst, in Gauselfingen, Neufra, Hettingen,<br />
Gammertingen, Feldhausen und Inneringen, über die ich<br />
später in einer eigenen Untersuchung berichten möchte.<br />
Allerdings macht die Erfassung von Lebensdaten des<br />
Künstlers erhebliche Schwierigkeiten. Sein Name ist weder<br />
in den Gammertinger (dort sind auch die Bronner<br />
Namen enthalten) noch in den Trochtelfinger Kirchenbüchern<br />
zu entdecken. Wahrscheinlich hat der Beichtvater<br />
und Seelsorger des Benediktinerinnenklosters Mariaberg<br />
eigene Standesregister für Schwestern und die dortigen<br />
Bediensteten geführt. Immerhin wäre eine Herkunft<br />
des Klosterschreiners aus Melchingen möglich, wo es den<br />
Namen Wild gab, eventuell auch aus dem vorderösterreichischen<br />
Schömberg, wo dieser Name ebenfalls vertreten<br />
und eine Fülle von Bildhauerwerkstätten anzutreffen<br />
waren.<br />
Eine besondere Perle barocker Tafelmalerei ist das Gemälde<br />
Spieglers zu nennen, das er leider nicht signiert<br />
hat. Wie so oft wandte er auch hier eine Diagonalkomposition<br />
an: In der rechten unteren Bildhälfte kniet der<br />
hl. Antonius im Franziskanerhabit auf einem Betschemel,<br />
vor ihm ein aufgeschlagenes Buch auf einem Tisch. Den<br />
Oberkörper zurückgeneigt, hält er dem auf einer Wolke<br />
erscheinenden Jesuskind beide Arme entgegen. In der<br />
linken oberen Bildhälfte die Gottesmutter im Rosagewand<br />
und einem taubenblauen Mantel, hinter dem Kind<br />
ein weißes Tuch haltend. Die Gegendiagonale bilden<br />
unten ein buch- und ein lilientragender Engel, rechts<br />
oben drei geflügelte Puttenköpfe und eine weitere<br />
Dreiergruppe größerer Engel; im Schnittpunkt der<br />
Diagonalen steht das Jesuskind. Beim Feldhauser Altarblatt<br />
ist besonders die zarte, typisch Spieglerische Farbgebung<br />
zu bewundern: Das tiefe Braunrot, Rosa, Taubenblau,<br />
Weiß und das kräftige Inkarnat. Wie in vielen<br />
anderen Tafelgemälden liegt auch hier die Lichtquelle<br />
außerhalb des Bildes: Es kommt von links oben und läßt<br />
als Mitte der Darstellung das Jesuskind hervorleuchten.<br />
Uber die Feldhauser Seitenaltäre möchte ich in einer<br />
Fortsetzung berichten, wobei dem Maler Johann Baptist<br />
Bommer aus Trochtelfingen ein eigener Abschnitt eingeräumt<br />
werden soll.<br />
Anmerkungen:<br />
1 PfArch. Hettingen, Standesbücher Bd. I 1611 (1652)-1708.<br />
2<br />
StArch. Hettingen, Fasz. 57: Zunftbuch der Stadt Hettingen<br />
ab 1697.<br />
3<br />
A. LIEB, AUS 500 Jahren Hettinger Geschichte. Württemberg-B<br />
ubenhofen-Speth-Hohenzollern, in: Festschrift d. Musikvereins<br />
Hettingen 1957, S. 24-37.<br />
4<br />
S. Anm. 1.<br />
5 S. Anm. 2.<br />
6 PfArch. Feldhausen.<br />
7 KDM Kr Sigmaringen, Stuttgart 1948, S. 107 f.<br />
8 Geb. 17. 2. 1700, gest. 19. 3. 1741. Er leitete die Herrschaft<br />
Gammertingen 1732-1741. Vgl. J. WIEST, Geschichte der<br />
Stadt Gammertingen unter der Speth'schen Herrschaft<br />
1524-1827. Gammertingen 1962, S. 174.<br />
4 K. H. SCHÖMIG, Franz Joseph Spiegier - Der Freskant von<br />
Zwiefalten, Sein Leben und Werk. Regensburg 1975, S. 11.<br />
10 R. HUBER, Joseph Christian, der Bildhauer des schwäbischen<br />
Rokoko. Tübingen 1960.<br />
11 Wie Anm. 7, S. 173. M. HERMANN, Zur Pfarr- und Kunstgeschichte<br />
Inneringens, in: HH 1974, 12-15.<br />
12 PfArch. Melchingen.
JOSEF MÜHLEBACH<br />
Bedeutende Persönlichkeiten aus dem Studiengang<br />
am Gymnasium Hedingen-Sigmaringen<br />
In den ersten Oktobertagen 1975 ist mit eindrucksvollen<br />
Festveranstaltungen der auf dem Sandbühl erstellte Neubau<br />
des Hohenzollern-Gymnasiums Sigmaringen eingeweiht<br />
worden. Mit dem Neubau hat das Gymnasium seine<br />
dritte und wohl für eine ferne Zukunft endgültige<br />
Stätte erhalten. Das Gymnasium, 1818 von Fürst Anton<br />
Alois von Hohenzollern-Sigmaringen als Lateinschule<br />
gegründet, war von 1818 bis 1893 im Gebäude des ehemaligen<br />
Franziskanerklosters Hedingen untergebracht.<br />
1893 bezog es das neu erstellte Gebäude an der Hedinger<br />
Straße. Auch die Trägerschaft für das Gymnasium hat in<br />
den 157 Jahren seines Bestehens mehrfach gewechselt.<br />
Träger waren 1818 bis 1850 das Fürstentum Hohenzollern-Sigmaringen,<br />
von 1850 bis 1945 das Land Preußen,<br />
von 1945 bis 1952 das Land Südwürttemberg-Hohenzollern,<br />
von 1952 bis 1975 das Land Baden-Württemberg.<br />
Jetzt hat die Stadt Sigmaringen die Trägerschaft übernommen.<br />
Noch größeren Wechsel hat der Name des Gymnasiums<br />
aufzuweisen. Dieses hat geheißen ab 1824, nach Umwandlung<br />
der Lateinschule in ein Progymnasium und<br />
später in ein Vollgymnasium, „Fürstlich Hohenzollern-<br />
Sigmaringensches Gymnasium", ab 1850 „Königlich<br />
Preußisches Gymnasium zu Hedingen", ab 1853 „Königlich<br />
katholisches Gymnasium zu Hedingen", ab 1884<br />
„Königlich katholisches Gymnasium zu Sigmaringen",<br />
ab 1918 „Staatliches katholisches Gymnasium zu Sigmaringen",<br />
ab 1937 „Oberschule für Jungen", ab 1945/46<br />
„Staatliches Gymnasium Sigmaringen". Jetzt, ab 1975<br />
heißt die Schule „Hohenzollern-Gymnasium".<br />
Die folgende Darstellung ist ein Versuch, in einer besonderen<br />
Schau auf den Zeitraum von nahezu 160 Jahren<br />
bedeutende Persönlichkeiten aufzuzeigen, denen das<br />
Gymnasium zu Hedingen-Sigmaringen zur Ausgangsstellung,<br />
zur Basis für ihr fruchtbares geistiges, wissenschaftliches<br />
und künstlerisches Wirken geworden ist, deren<br />
Werke andererseits wieder auf das Gymnasium, das sie<br />
als Schüler besucht haben, wie ein Lichtschein zurückstrahlen.<br />
Wie schon angedeutet, will die nachstehende<br />
Darstellung nur als ein Versuch gewertet werden; sie<br />
will und kann auch keinen Anspruch auf Vollständigkeit<br />
erheben. Doch mag die Skizzierung der Persönlichkeiten<br />
auch deren Beziehung zur jeweiligen Zeitgeschichte und<br />
in etwa auch das Bild der Ära, in die sie hineingeboren<br />
und aus der sie erwachsen sind, mit ihren geistigen,<br />
künstlerischen und politischen Strömungen erhellen.<br />
Dr. Alfons Bilharz. Arzt und Philosoph<br />
Aus Sigmaringen. 1836 bis 1925. Dr. A. Bilharz war<br />
nach Abschluß des medizinischen Studiums, ergänzt<br />
durch nervenphysikalische Studien, als Arzt wechselnd<br />
an verschiedenen Stellen, u. a. dreizehn Jahre in Nordamerika,<br />
tätig. Von 1882 bis 1907 war er ärztlicher Direktor<br />
des Fürst-Carl-Landeskrankenhauses Sigmaringen.<br />
Neben zahlreichen wissenschaftlichen Abhandlungen aus<br />
dem Gebiet der Medizin, die in der Fachwelt hohe Anerkennung<br />
gefunden haben, hat er folgende philosophische<br />
Schriften verfaßt.<br />
„Der heliozentrische Standpunkt der Weltbetrachtung"<br />
(1879),<br />
„Metaphysische Anfangsgründe der mathematischen<br />
Wissenschaften" (1880),<br />
„Metaphysik als Lehre vom Vorbewußten" (1897),<br />
„Die Lehre vom Leben" (1902),<br />
„Mit Kant und über Kant hinaus" (1904),<br />
„Neue Denklehre" (1908),<br />
„Descartes, Hume, Kant" (1910),<br />
„Philosophie als Universalwissenschaft" (1912).<br />
Gottfried Graf, Professor an der Kunstakademie in<br />
Stuttgart, urteilte über Dr. A. Bilharz zehn Jahre nach<br />
dessen Tod: „Wir haben alle Ursache, in Bilharz einen<br />
der Unsrigen zu sehen und zu verehren, der in seiner<br />
Einsamkeit eine denkerische Leistung von hohem Rang<br />
vollbracht hat..."<br />
Dr. Theodor Bilharz. Arzt und Forscher<br />
Maximilian Theodor Bilharz ist 1825 in Sigmaringen geboren.<br />
Nach dem Abschluß des medizinischen Studiums,<br />
der erfolgreichen Ablegung der „Staatsdienstprüfung"<br />
und Erreichung der Promotion übersiedelte er 1850 nach<br />
Ägypten, um dort, von der Regierung beauftragt, das<br />
Gesundheitswesen zu organisieren. Bei seiner vielseitigen<br />
und gründlichen Forschertätigkeit entdeckte er, Professor<br />
der Anatomie, den Erreger einer der verheerendsten<br />
Plagen, nicht nur Ägyptens, sondern auch weiter Gebiete<br />
Afrikas und Asiens, der Blutharnruhr, die nach ihm<br />
„Bilharziose" genannt wurde. Mit dieser Entdeckung<br />
wurde er in die Reihe der großen Forscher und Ärzte<br />
der Welt aufgenommen. Dr. Theodor Bilharz starb,<br />
hochgeehrt und mit hohen Stellungen ausgezeichnet, in<br />
Ägypten an einer Infektion, die er sich im Dienste seiner<br />
Kranken zugezogen hatte, im Jahr 1862. Zu seinem ehrenden<br />
Gedenken nennt sich die Apotheke in der Antonstraße<br />
Sigmaringen - das Geburtshaus des Forschers -<br />
„Bilharz-Apotheke"; der Ehrung der Brüder Alfons und<br />
Theodor Bilharz dienen die „Bilharz-Schule" und die<br />
„Bilharz-Straße."<br />
Gustav Bregenzer. Kunstmaler<br />
Aus Sigmaringen. 1850 bis 1919. Von 1867 bis 1881 besuchte<br />
G. Bregenzer, von Fürst Carl Anton von Hohenzollern-Sigmaringen<br />
gefördert, die Düsseldorfer Kunstakademie.<br />
Seiner weiteren Ausbildung dienten Kunstfahrten<br />
nach Italien, den Niederlanden und nach Paris. Bregenzers<br />
Kunstschöpfungen sind der Romantik verhaftet,<br />
wenn schon manche Gemälde auf den „Realisten Bregenzer"<br />
deuten. Immer stand die Wiedergabe des Seelischen<br />
im Mittelpunkt seines Wollens. Gustav Bregenzer, von<br />
König Carol von Rumänien in Anerkennung seiner<br />
künstlerischen Leistungen zum Hofmaler ernannt, war<br />
ein ausgezeichneter Porträtist. Zahlreiche Bildnisse von<br />
Mitgliedern des Fürstenhauses und von Sigmaringer Bürgern<br />
und Bürgerfrauen sind Zeugen seines hohen Kunstschaffens.<br />
Sein Kunstschaffen galt auch reizvollen Kinderbildnissen,<br />
Stilleben und Landschaftsbildern, letztere<br />
aus dem Raum um Sigmaringen. G. Bregenzer bevorzugte<br />
als malerische Objekte Kinder und ältere Personen.<br />
Pater Dr. Fidelis Buck. S. J. Professor<br />
Geboren 1916 in Hitzkofen. Pater Buck, Jesuit, ist Professor<br />
für Hebräisch und Alttestamentliche Exegese, Bachelor<br />
of Arts, Lizentiat in Theologie, Sacral Scripture<br />
13
Doctor. 1945 Priesterweihe. Sein Studienweg und seine<br />
Lehrtätigkeit führten ihn nach Kanada, Mexiko, nach<br />
den U. S. A., Indien, Rom, Spanien und wieder nach<br />
Kanada. Zur Zeit ist er Inhaber eines Lehrstuhles (Professor)<br />
an der staatlichen Universität in Nairobi, Kenya<br />
(Afrika). Er bereiste archäologische Stätten in Indien,<br />
Pakistan, Persien, Irak, Syrien, Jordanien, Israel,<br />
Ägypten, Türkei, Zypern und Griechenland. Außer seinen<br />
Hauptfächern lehrt er auch Hetitisch, Assyrisch und<br />
ägyptische Hieroglyphenschrift. Pater Buck ist Mitarbeiter<br />
in vielen bedeutenden kirchlichen Instituten und<br />
internationalen Gremien, Mitarbeiter an katholischen<br />
Enzyklopädien. In Wort und Schrift ist er vielseitig publizistisch<br />
tätig (Rundfunk in Spanisch und Englisch, Bibelkommentare,<br />
Buchbesprechungen, Veröffentlichungen<br />
zur Mariologie). Seit 1963 ist er Professor am Regis College<br />
Willowdale - Toronto, Canada und seit 1969 auch<br />
Professor an der „Toronto School of Theology". Sein<br />
Doktor-Vater war der spätere Kardinal Bea aus Riedböhringen.<br />
Pater Buck ist Ehrenbürger seiner Heimatgemeinde<br />
Hitzkofen.<br />
Dr. Franz Xaver Dieringer. Universitätsprofessor<br />
Aus Rangendingen. 1811 bis 1876. F. X. Dieringer war<br />
ab 1840 Dogmatik-Professor am Priesterseminar in<br />
Speyer. Gleichzeitig war er Mitarbeiter an der Zeitung<br />
„Katholik". Von 1843 ab war er Domkapitular und Professor<br />
der Dogmatik an der Universität Bonn. Er galt<br />
viermal als Anwärter auf einen Bischofsstuhl. Dr. Dieringer<br />
hat sich auch als Verfasser theologischer Schriften<br />
sehr erfolgreich betätigt und als Autor zu seiner Zeit<br />
hohen Ruf genossen. Von seinen Schriften seien genannt:<br />
„System der göttlichen Taten des Christentums",<br />
„Das Epistelbuch der katholischen Kirche" (3 Bände),<br />
„Laienkatechismus über Religion, Offenbarung und Kirche",<br />
„Lehrbuch der katholischen Dogmatik" (5 Auflagen).<br />
Schwierigkeiten in seiner professoralen Lehrtätigkeit<br />
veranlaßten Dr. Dieringer, seine Lehrtätigkeit aufzugeben<br />
und als Pfarrer - von 1871 bis 1876 - in Veringendorf<br />
zu wirken.<br />
Dr. theol. und phil. Theodor Dreher.<br />
Universitätsprofessor.<br />
Aus Krauchenwies. 1836 bis 1916. Dr. Dreher war von<br />
1866 bis 1893 Religionslehrer am Gymnasium Sigmaringen.<br />
Ab 1893 war er - als Dr. theol. und Dr. phil. -<br />
Professor an der Universität Freiburg, zugleich Domkapitular.<br />
Für sein verdienstvolles Wirken erhielt er den<br />
Fürstlich Hohenzollernschen Hausorden und den Königlich<br />
Preußischen Roten Adlerorden verliehen. Als das eigentliche<br />
Lebenswerk Dr. Drehers kann - neben seiner<br />
Tätigkeit als besonders erfolgreicher Lehrer - sein reiches<br />
literarisches Schaffen auf dem katechetischen Gebiet<br />
bezeichnet werden. Das „Lehrbuch der katholischen Religion<br />
für Obergymnasien" in vier Teilen sowie der<br />
„Leitfaden für höhere Lehranstalten", erreichten eine außergewöhnliche<br />
Auflagenziffer. Seine Elementarkatechesen<br />
erfreuten sich durch ihre praktische Brauchbarkeit<br />
mit Recht eines hohen Ansehens beim Seelsorgeklerus.<br />
Auch das Gebiet der Kirchen-, Profan- und Lokalgeschichte<br />
bereicherte Dr. Dreher mit mehreren trefflichen<br />
Arbeiten und zahlreichen Aufsätzen. Seine katechetischen<br />
Schriften waren für seine Zeit richtungsweisend.<br />
Fidelis Engel. Erster Rektor des Gymnasiums Hedingen.<br />
Fidelis Engel ist 1769 in Bingen geboren. Nach seiner<br />
Ordination (1793) war er Vikar und Pfarrer in mehre-<br />
14<br />
ren Pfarrgemeinden, zuletzt Pfarrer in Riedlingen. Im<br />
Kapitel Riedlingen war ihm auch die Leitung des Dekanates<br />
übertragen. 1818 verlieh ihm Fürst Anton Alois<br />
von Hohenzollern-Sigmaringen die Pfarrei Sigmaringen<br />
und ernannte ihn zum Geistlichen Rat bei der Regierung.<br />
Am Tag der Investitur übergab ihm das Kapitel<br />
die Urkunde seiner einstimmig erfolgten Wahl zum Dekan<br />
des Landkapitels Sigmaringen. Auch wurde dem<br />
neuen Stadtpfarrer vom Fürsten — wohl wegen seiner<br />
ausgeprägten Persönlichkeit und wegen seines besonders<br />
vielseitigen verdienstvollen Wirkens - das Rektorat der<br />
eben in diesem Jahr gegründeten Lateinschule, des späteren<br />
Gymnasiums Hedingen übertragen. Sechs Jahre<br />
verblieb F. Engel in Sigmaringen. 1824 kam er als Pfarrer<br />
nach Veringendorf. Auch auf dieser Pfarrei behielt er<br />
sein Amt als Regierungsrat. Später wurde er Erzbischöflicher<br />
Kommissär für Hohenzollern. Einen Platz in der<br />
hohenzollerischen Geschichte hat sich Geistlicher Regierungsrat<br />
F. Engel auch durch seine große Huldigungsrede<br />
auf dem Zoller gesichert, als 1850 König Friedrich<br />
Wilhelm IV. von Preußen erstmals Vertreter seiner neuen<br />
hohenzollerischen Untertanen um sich versammelte.<br />
Fidelis Engel starb 1853, 84 Jahre alt, reich an Ehren<br />
und Verdiensten. Er zählte in späteren Jahren zu den<br />
Vorkämpfern für die kirchliche Freiheit in Hohenzollern.<br />
Reinhold Frank. Ein Opfer des Nationalsozialismus.<br />
R. Frank ist geboren 1896 in Bachhaupten bei Ostrach.<br />
Im ersten Weltkrieg war er Kriegsfreiwilliger und erlitt<br />
mehrfache Verwundungen. Dem Studium der Rechtswissenschaft<br />
nach dem Krieg in Freiburg folgten Tätigkeiten<br />
als Rechtsanwalt in Pfullendorf, Konstanz, Freiburg<br />
und Karlsruhe. Reinhold Frank war ein harter Kämpfer<br />
gegen den Totalitätsanspruch des nationalsozialistischen<br />
Staates. Er hatte vermutlich Verbindung mit dem Kreis<br />
des 20. Juli 1944 und dem Kreis Dr. Gördeler, Leipzig.<br />
1945 wurde er wegen seines offenen Widerstandes und<br />
der Gegnerschaft zum Nationalsozialismus und zu dessen<br />
Führung verhaftet und am 12. Januar vom damaligen<br />
Volksgerichtshof zum Tode verurteilt. Am 23. Januar<br />
1945 wurde er in Plötzensee hingerichtet.<br />
Dr. phil. Anton Gabele. Schriftsteller und Studienrat.<br />
Aus Buffenhofen bei Dietershofen. 1890 bis 1966. Nach<br />
wechselvollen Wanderjahren erhielt Dr. Gabele seine<br />
Anstellung als Studienrat in Koblenz. Neben seinem Beruf<br />
widmete er sich unermüdlich seinem literarischen<br />
Schaffen. Eines seiner ersten Werke war die Herausgabe<br />
einer Auswahl der Deutschen Schriften von Heinrich<br />
Seuse. Für sein meisterliches Prosawerk „Im Schatten des<br />
Schicksals", dem Hermann Stehr ein warmes Patenwort<br />
widmete, erhielt er 1930 den Jugendpreis deutscher Erzähler.<br />
Aus der Fülle seines literarischen Schaffens, das<br />
u. a. zahlreiche geistreiche Essays und geschichtliche Erzählungen<br />
mit Schilderung der Menschen der schwäbischen<br />
Heimat sowie Gedichte umfaßte, seien weiter genannt:<br />
„Der Wundermann vom Bodensee" (Anton Mesmer),<br />
„In einem kühlen Grunde", „Talismann", „Der<br />
arme Mann" (Erzählung aus dem Bauernkrieg), und<br />
„Haus zur Sonne", eine Selbstbiographie in Romanform.<br />
Die Handlung im Roman „Die Reise nach Bernkastel"<br />
spielt im rheinischen Raum. Anton Gabele war Träger<br />
des Großen Bundesverdienstkreuzes und Ehrenbürger<br />
seiner Heimatgemeinde Dietershofen-Buffenhofen.<br />
(Fortsetzung folgt)
WALTHER FRICK<br />
Das weiße und das graue Kloster und der alte „Löwen".<br />
Wie man in Pfullendorf Denkmäler pflegt<br />
Die Sache hat landesweit Aufsehen erregt. Man stelle<br />
sich vor, daß es eine Stadt gibt, die ein Gymnasium<br />
braucht und es nicht baut. Statt dessen verwendet sie<br />
Vorhandenes, das viele Leute (und nicht nur in Pfullendorf)<br />
als altes Glump bezeichnen. Die jetzt zum Kreis<br />
Sigmaringen gehörende Metropole des oberen Linzgaus<br />
hat das Pro-Gymnasium zunächst im weißen und im<br />
grauen Kloster untergebracht; jetzt ist es eine Vollanstalt<br />
geworden, und damit bezieht die Stadt den ehemaligen<br />
„Löwen" mit ein, der im 16. Jahrhundert erbaut<br />
wurde als Schellenberger Hof. Die Schellenberger waren<br />
ein im Hegau und am Bodensee begütertes Geschlecht,<br />
im 18. Jahrhundert ausgestorben und einst wohl bekannt.<br />
Ein Hans von Schellenberg hat im 16. Jahrhundert<br />
als „rara aves inter nostros nobiles" gegolten, als ein<br />
seltener Vogel unter unseren Adeligen - weil er las und<br />
sogar Bücher sammelte. Er hat sie später dem Konstanzer<br />
Gymnasium geschenkt; ein Teil soll noch da sein.<br />
Bürgermeister Hans Ruck von Pfullendorf, Mitglied des<br />
Kreistags, in dem er unlängst einigen miserablen Rednern<br />
halblaut empfahl, sie sollten erst einmal Latein und<br />
Griechisch lernen, bevor sie es wagen, deutsch zu reden,<br />
hat diese Gymnasiums-Idee durchgesetzt, und das auf<br />
drei Argumente gestützt. Erstens rechnete er nach -<br />
auch das völlig im Gegensatz zu landläufigen kommunalen<br />
Rechenexemplen - daß etwa Altes zu renovieren<br />
immer billiger komme als neu zu bauen. Die drei Häuser<br />
herzurichten, kostet die Stadt etwa 1,2 Millionen. Ein<br />
neues Gymnasium gleichen Umfangs hätte wenigstens<br />
zehn gekostet. Die 1,2 Millionen umfassen aber außer<br />
den Bauarbeiten auch alle heute recht teuren naturwissenschaftlichen<br />
und Labor-Einrichtungen. Zweitens<br />
kann Pfullendorf auf diese Weise weitere Teile seines<br />
Stadtbildes erhalten. Es ist wenig bekannt, daß dieses<br />
Städchen eines der schönsten alten Stadtbilder beherbergt.<br />
Drittens aber sagte Ruck in einem Rundfunk-Interview<br />
zu dieser Angelegenheit, daß „alte Häuser auch<br />
ihre Freundlichkeiten haben", nämlich ihre Atmosphäre.<br />
Die beiden Klöster liegen nahe beisammen, der Hof etwa<br />
200 Meter entfernt. Das ist für die Schule zwar beschwerlich,<br />
aber Lehrer, Schüler und Oberamt nehmen<br />
das in Kauf, und der Gemeinderat stimmte zu. Die Attribute<br />
der beiden Klöster erklären sich übrigens aus ihren<br />
einstigen Bewohnerinnen: das „graue" beherbergte<br />
die grau gewandeten Tertiarinnen, das „weiße" wurde<br />
von den Dominikanerinnen bewohnt.<br />
Pfullendorf ist, wie Mengen, für „Rest"- oder „Neu"-<br />
Hohenzollern nach der Kreisreform heimatgeschichtlich<br />
gesehen ein großer Gewinn. Es hat in dem langjährigen<br />
Stadtpfarrer und Ehrenbürger Dr. Johannes Schupp, der<br />
unlängst im hohen Alter in Neudingen gestorben ist,<br />
nicht den ersten, aber den bis dato letzten und sehr ausführlichen<br />
Chronisten erhalten. Er hat in seinen „Denkwürdigkeiten<br />
der Stadt Pfullendorf" ein Denkmal hinterlassen,<br />
das eine Fundgrube bis in die 50er Jahre unseres<br />
Jahrhunderts darstellt. Pfullendorf ist u. a. früher gewürdigt<br />
worden von Karl Schmidt in „Graf Rudolf von<br />
Pfullendorf und Kaiser Friedrich I." und in der Buchausgabe<br />
der „Badischen Heimat" mit dem Titel<br />
„Überlinger See und Linzgau" von Hermann Eris Busse<br />
1936. Studiert man ein wenig die Geschichte der Stadt,<br />
hat man immer den Eindruck, Pfullendorf habe es eigentlich<br />
nie ganz geschafft, sei zu Größerem berufen gewesen,<br />
aber dann doch an seiner etwas abseitigen Lage<br />
gleichsam hängen geblieben. Schon daß sie, wie man lange<br />
annahm, als „Juliomagus" eine Gründung Julius Cäsars<br />
gewesen sein soll, spannte einen großartigen Rahmen<br />
aus. Später haben sich Kaiser um die Gunst der Stadt<br />
bemüht, die lange vor Sigmaringen Stadtrechte hatte; ja,<br />
die von Sigmaringen hat man denen von Pfullendorf<br />
nachgebildet. Hier war schon seit langem ein ansehnlicher<br />
Markt, die Stadt unterstand nur dem Kaiser, sie<br />
brachte bedeutende Männer hervor, beherbergt das vielleicht<br />
älteste Haus in ganz Baden-Württemberg und hat<br />
sich gegen die Zollern kräftig gewehrt, als diese nach<br />
Sigmaringen kamen und ihre Forst- und damit Herrschaftsgrenzen<br />
fixieren wollten. Auch gab es und gibt es<br />
noch heute eine ansehnlich ausgestattete Armen- und<br />
Krankenpflege, zum „Heiligen Geist" selbstverständlich,<br />
dem alle diese Anstalten zugeeignet waren; heute ist sie<br />
ein Krankenhaus, das die Pfullendorfer vor zwei Jahren<br />
— wo gibt es das denn noch — ohne einen Pfennig Zuschuß<br />
um hundert Betten erweitert haben.<br />
Über den Namen gibt es zwei strittige Deutungen. Die<br />
eine sagt, der „Pfuhl", das sumpfige Land unten, wo<br />
heute der Bahnhof steht und die Umgehungsstraße verläuft,<br />
sei Pate gestanden. Die andere meint, dies sei das<br />
Dorf eines Gründers namens Phullo oder so ähnlich. Es<br />
scheint sicher zu sein - und man sieht es ja an der Stadt<br />
selber - daß sie keineswegs unten angelegt wurde, sondern<br />
am Südhang. An ihm „hängt" der gesamte alte<br />
Stadtkern mit zum Teil sehr steilen Straßen. Anfang ist<br />
vermutlich eine verschwundene Herzogsburg auf dem<br />
kleinen Plateau, auf dem heute die Stadtkirche St. Jakob<br />
steht, umsäumt von den beiden genannten Klöstern und<br />
vom Rathaus, unter dem nach Osten zu der Markt liegt.<br />
Die Höhendifferenzen gleicht ein interessantes Bauwerk<br />
aus, das Untergeschoß des Rathauses, auf steinernen Säulen<br />
stehend. Das war die Einfahrt zur Gred, zum Getreidespeicher,<br />
und diese Einfahrt soll jetzt geöffnet und als<br />
gedeckte Marktpassage verwendet werden. Auch das ist<br />
höchst lobenswert, wie überhaupt Denkmalspflege derzeit<br />
groß geschrieben wird in dieser Stadt. Gerade dieses<br />
ziemlich verunstaltete Stück Pfullendorf, inmitten der<br />
prächtigen Gassen und Häuser, um den winzigen Marktplatz<br />
herum, müsse, so hört sich das im Gemeinderat derzeit<br />
an, wieder schöner werden um nicht hinter dem Gesamtbild<br />
zurückzustehen. Daher die Passage, und darum<br />
auch der Umbau der hier merkwürdigerweise nur einstöckigen<br />
Gred zu einem Bürgersaal. Auch soll das Parken<br />
auf dem Marktplatz eingeschränkt, wenn nicht ganz<br />
unterbunden werden. So bedeutend Pfullendorf als<br />
Markt ist, so wenig Marktplatz hat es. Die Buden müssen<br />
sich seit Jahrhunderten die Hauptstraße hinauf ansiedeln.<br />
Neben der Gymnasium-Arbeit aber ist das Prachtstück<br />
neuerlicher Denkmalspflege das Obere Tor, vielleicht das<br />
schönste im ganzen südlichen Baden-Württemberg. Ein<br />
Doppeltor mit allen Insignien der Stadt, fast eine Nummer<br />
zu groß für das Städtchen. Aber ganz besonders bemerkenswert<br />
ist das Folgende: Nördlich neben dem Tor<br />
ist vor Jahren schon die Stadtmauer niedergelegt worden.<br />
Das nächste Haus ist, auf der Stadtmauer stehend,<br />
15
Register 1975<br />
Seite<br />
Bibliographie der Hohenzollerischen Geschichte 53<br />
„Bilderrätsel", Hochwacht in Mühlheim a. d. Donau 16<br />
Bilharz Alfons, zum 50. Todestag 33<br />
Bitz und Ebingen (Geschichte des Dorfes Bitz) 17<br />
Bücherei des Landeskommunalverbandes 32<br />
Dreher Lukas, Lehrer in Vilsingen 31<br />
Französische Revolution in volkstümlichen Versen 23<br />
Fürstentümer Hohenzollern-Hechingen und<br />
Hohenzollern-Sigmaringen, Ubergang an Preußen 50<br />
Glashütte (bei Wald), Geschichte des Dorfes 8<br />
Grenzen (Lauchen, Marksteine, Kugelwälzen,<br />
Untergänger) 59<br />
Grundherrschaft (Quellenbeispiel) 4<br />
Haigerloch, Kunstbuch 11<br />
Hainburg und ihre Kapelle 24<br />
Heck Oskar, Landeskonservator (Nachruf) 32<br />
Hettingen, Dreikönigsbild (Johann Herz) 49<br />
Heuneburg im Spiegel der Sage (I) 42<br />
Heuneburg im Spiegel der Sage (II) 61<br />
eben der oben genannte einstige Schellenberger Hof.<br />
Zwischen Tor und Hof fließt heute der Verkehr in die<br />
steile Hauptstraße hinunter. Pfullendorf aber hat nichts<br />
Geringeres vor, als diese Bresche wieder mit Stadtmauer<br />
zu schließen, in Zeiten, in denen alles und jedes dem<br />
Verkehr geopfert wird. Man kann sich zwar schwerlich<br />
vorstellen, daß dann alles wieder durch den fuhrwerksformatigen<br />
Eselsrückenbogen des Tors fahren soll, man<br />
müßte denn die Hauptstraße ganz für den Verkehr sperren.<br />
Diese Sache ist noch nicht ausgestanden, aber<br />
doch als Idee überhaupt höchst achtungswert. Selbst<br />
wenn das nicht gelingt, bleibt die tröstliche Tatsache,<br />
daß dieses alte Städtchen soviel tut und in den letzten<br />
Jahren schon getan hat für den Erhalt der vielzitierten<br />
Lebensqualität. Man schreckt dabei vor schwierigsten<br />
Details nicht zurück: ein ganzes Haus wurde unlängst<br />
abgebrochen, bis auf einen winzigen Fachwerk-Erker,<br />
den man vorsichtig herauslöste. Jetzt entsteht das Haus<br />
in den alten Formen neu, und der Erker ist wieder dran,<br />
als habe es nie eine Trennung gegeben. Manche Leute<br />
meinen, es müsse da irgendwo ein Trick dabei sein, vielleicht<br />
verborgene Finanzquellen, aber nichts dergleichen.<br />
Man leidet auch hier unter sinkenden Kommunaleinnahmen,<br />
nur hat man in den letzten zehn Jahren nicht so<br />
hektisch mitgebaut wie anderswo und, wie gesagt, man<br />
baut ein ganzes Gymnasium für 1,2 Millionen. Da bleibt<br />
für Anderes schon etwas übrig.<br />
HOHENZOLLERISCHE HEIMAT<br />
herausgegeben vom Hohenzollerischen <strong>Geschichtsverein</strong><br />
in Verbindung mit den Staatlichen<br />
Schulämtern. Verlag: <strong>Hohenzollerischer</strong><br />
<strong>Geschichtsverein</strong> 748 Sigmaringen,<br />
Karlstr. 3. Druck: M. Liehners Hofbuchdruckerei<br />
KG, 748 Sigmaringen, Karlstr. 10.<br />
Die Zeitschrift „Hobenzollerische Heimat"<br />
ist eine heimatkundliche Zeitschrift. Sie<br />
will besonders die Bevölkerung in Hohenzollern<br />
mit der Geschichte ihrer Heimat<br />
vertraut machen. Sie bringt neben fachhistorischen<br />
auch populär gehaltene Beiträge<br />
aus der Geschichte unseres Landes.<br />
Sie veröffentl. bevorzugt Beiträge, die im<br />
Schulunterricht verwendet werden können.<br />
Bezugspreis: 3,00 DM halbjährlich<br />
Konten der „Hohenzollerischen Heimat":<br />
802 507 Hohenz. Landesbank Sigmaringen<br />
123 63 Postscheckamt Stuttgart<br />
16<br />
Die Autoren dieser Nummer:<br />
Hohenzollern-Gymnasium Sigmaringen (Festschrift) 57<br />
Inneringen, Rosenkranzbild 38<br />
Jerg Johann, Nachruf 58<br />
Jungingen, erste Nennung vor 900 Jahren 61<br />
Klingenstein Josue, Maler aus Trochtelfingen 27<br />
Lauchert, aus der Geschichte (geolog.) 41<br />
Leibeigenschaft. Manumission (Quellenbeispiel) 6<br />
Lenz P. Desiderius, ein wenig bekanntes Werk 57<br />
Mundart, wieder geschätzt und gepflegt 3<br />
Mundart, Sprichwörter und Redensarten 60<br />
Rangendingen, von den Zugtieren unserer<br />
bäuerlichen Vorfahren 30<br />
Schiander Johann, Barockmaler aus Trochtelfingen 12<br />
Staudacher Fritz, Nachruf 59<br />
Waldenspul Albert, zum 90. Geburtstag 29<br />
Wässerwiesen, Ende einer alten Kulturform 2<br />
Weildorf im 16. Jahrhundert (Schluß) 14<br />
Wiest Josef, Nachruf 27<br />
Widmann, Schreiner und Altarbauer in Hettingen 54<br />
Zimmern'sche Chronik 62<br />
Besprechung<br />
Job. Adam Kraus, Erzb. Archivar i. R.,<br />
7800 Freiburg i. Br., Badstr. 2<br />
Dr. med. Herbert Burkarth,<br />
7487 Gammertingen<br />
Manfred Hermann, Pfarrer,<br />
7451 Neufra/Hohenzollern<br />
Josef Mühlebacb, Landesverw.-Rat a. D.,<br />
7480 Sigmaringen, Leopoldstr. 41<br />
Walther Frick, Journalist,<br />
7480 Sigmaringen, Hohe Tannen 4<br />
Schriftleitung:<br />
Dr. med. Herbert Burkarth<br />
7487 Gammertingen<br />
D. MANZ Die ehem. Stiftskirche St. Moriz in<br />
Rottenburg-Ehingen, Geschichte -<br />
Kunstwerke. Rottenburg/N. 1975.<br />
Vor 2 Jahren besuchte der Hohz. <strong>Geschichtsverein</strong> u. a.<br />
auch die neu renovierte St.-Moriz-Kirche in Rottenburg.<br />
Der damalige Referent hat jetzt einen ausführlichen und<br />
mit guten Farbaufnahmen versehenen Kirchenführer<br />
herausgegeben. Außer der nicht zugänglichen Krypta<br />
sind keine Uberreste der ersten durch Graf Burkard II.<br />
von Hohenberg gegründeten Kirche erhalten. Der 1323<br />
vollendete 2. Bau erscheint nach der jüngsten Beseitigung<br />
barocker Umbauten (ab 1969) wieder in seinen klaren<br />
Formen, die stark an gleichzeitige Bettelordenskirchen im<br />
Südwesten erinnern. Die Freilegung des Fresken (um<br />
1420) im Obergaden brachte eine große Bereicherung<br />
und reiht die Kirche unter die bemerkenswerten mittelalterlichen<br />
Gotteshäuser am oberen Neckar ein. Der<br />
Führer ist aus langjähriger Beschäftigung mit dem Bau<br />
entstanden und zeigt in allen Teilen solide Kenntnisse. H.<br />
Redaktionsausschuß:<br />
Hubert Deck, Konrektor<br />
745 Hechingen, Tübinger Straße 28<br />
Telefon (07471) 2937<br />
Walther Frick, Journalist<br />
748 Sigmaringen, Hohe Tannen<br />
Telefon (07571) 8341<br />
Die mit Namen versehenen Artikel geben<br />
die persönliche Meinung der Verfasser<br />
wieder; diese zeichnen für den Inhalt<br />
der Beiträge verantwortlich. Mitteilungen<br />
der Schriftleitung sind als solche gekennzeichnet.<br />
Manuskripte und Besprechungsexemplare<br />
werden an die Adresse des Schriftleiters<br />
oder Redaktionsausschusses erbeten.<br />
Wir bitten unsere Leser, die „Hohenzollerische<br />
Heimat" weiter zu empfehlen.
JOH. ADAM KRAUS<br />
HÖH ENZOLLER ISCHE<br />
HEIMAT<br />
Herausgegeben oom<br />
Burg Hohenzollern. Lithographie von C. Schacher nach Eb. Emminger, um 1860.<br />
(mit freundlicher Genehmigung des Jan Thorbecke Verlags, Sigmaringen)<br />
Ursprung und Entwicklung von Mariazell<br />
Die in letzter Zeit durchgeführten Sicherungsarbeiten am<br />
brüchigen Fundament und Untergrund der Boller Wallfahrtskirche<br />
am Friedhof Maria Zell lassen einen Rückblick<br />
in die Vergangenheit und Entwicklung dieses traulichen<br />
Plätzchens wünschenswert erscheinen. Durch die<br />
Forschungen (vor allem) von Willy Baur 1 wissen wir<br />
über vieles Bescheid, während anderes im Dunkel bleibt.<br />
In einer Urkunde vom 13. September 1440 heißen die<br />
Schutzpatrone der Zeller Pfarrkirche „Unsre Lb. Frau<br />
Maria und der liebe hl. Gallus" 2 . Da dieser schweizerische<br />
Heilige immer auf früheren Besitz des nach ihm benannten<br />
Klosters hinweist, darf man den Namen Zell<br />
auf eine ehemalige Mönchszelle zurückführen, deren Kapelle<br />
dann von den Patres des hl. Benedikt in eine Pfarrkirche<br />
ausgebaut worden sein dürfte. Das Kloster<br />
St. Gallen erhielt am 13. Dezember 789 von den Adeligen<br />
Adelbert und Wolfred ein großes Bauerngut zu Hechingen<br />
mit vier Huben und 10 Dienstleuten samt einem<br />
zugehörigen Walde geschenkt 3 . Vermutlich in diesem<br />
W <strong>3828</strong> F<br />
Hohenzollerifchen Gefchlchteoerein<br />
£6. Jahrgang Nr. S/Juni 1976<br />
Wald am Fuß des später sog. Zeller Horns ist bald eine<br />
klösterliche Niederlassung entstanden. Baur erklärt sich<br />
das so: Das Kloster St. Gallen hat über diesen Stützpunkt<br />
seine Einkünfte aus nachweisbar geschenkten Orten<br />
wie Hechingen, Beuren, Betra, Glatt, Weildorf, Wessingen<br />
u. Rangendingen die nahgelegene (längst aufgegebene)<br />
Ernstaig hinauf nach seiner Pfarrei Truchtelfingen<br />
und dann nach Süden geschafft.<br />
Erwähnt wird unser Zell erstmals im Jahre 1255 im Namen<br />
des zollerischen Schenken Wernher von Celle 4 . Die<br />
Pfarrei Zell für den gleichnamigen Weiler und das nahe<br />
Dorf Boll erscheint im Zehntregister der Diözese Konstanz<br />
vom Jahre 1275 mit einem ungenannten Kirchrektor<br />
(Pfarrer) mit dem Jahreseinkommen von 10 Mark<br />
Silber. (Der von Rangendingen hatte nur die Hälfte!)<br />
Davon gab der Pfarrer von Zell als Zehnten zum damals<br />
geplanten Kreuzzug zunächst Va Mark und später durch<br />
(seinen) Bruder Walther 1 Pfund Heller und schließlich<br />
durch Eberhard von Tierberg noch 10 Schilling. Dieser
sein Bruder Walther ist wohl der auch sonst genannte<br />
Ritter Walther Schenk von Celle, der Pfarrer also vermutlich<br />
ein Angehöriger des dort sitzenden Adels 5 .<br />
Die Schenken von Zell, nach Annahme Gerd Wunders<br />
aus der Schweiz eingewandert, hatten ihre Burg in Nähe<br />
der Pfarrkirche Zell, doch ist der Platz nach Vermutung<br />
Baurs zur Gewinnung von Tuffsteinen völlig abgegraben<br />
worden. Die Burg kann nicht groß gewesen sein und<br />
wurde den Adeligen bald zu eng. Schon im J. 1269 nennen<br />
sich zwei Glieder der Familie: Walther und Werner<br />
Schenken „von Niederzell", und Walther ist schon 1282<br />
„von Andegg" (ob Talheim bei Salmendingen) genannt.<br />
Von 1283 bis gegen 1314 finden wir Schenken<br />
„von Neuenzell", im Siegel übrigens noch immer<br />
„von Zell". Dieses Neuen- oder Niederzell möchte man<br />
im sog. „Bürstel" zwischen Stetten und dem Neuberg<br />
wiederfinden. Ein Wernher Schenk nennt sich 1317<br />
„von Erpfingen". Auch Walther Schenk von Andegg<br />
siegelt noch 1317 als „Schenk von Celle" 6 . Im gleichen<br />
Jahr 1317 treten auch erstmals Familienglieder mit dem<br />
Namen „Schenk von Stauffenberg" auf, während noch<br />
1291 zollerische Truchsesse diesen Namen führten 7 . Die<br />
Burg Stauffenberg auf dem Hörnle bei Wessingen, wo<br />
heute das Bodensee-Wasserwerk steht 8 , wurde um diese<br />
Zeit in die Nähe von Rangendingen verlegt, wo noch<br />
heute der Stauffenburger Hof samt einer ehemaligen<br />
Burgstelle darüber zu sehen ist. Letztmals finden wir im<br />
J. 1326 einen Schenken Walther von Celle, dann scheint<br />
die Burg verlassen worden zu sein. Die Andegger Schenken<br />
verschwinden ums Jahr 1440, nachdem Hans<br />
Schenk, des Fritzen Sohn, die Burg Andegg an Konrad,<br />
bzw. Wilhelm, die Truchsesse von Stetten, veräußert<br />
hatte. Nur die Schenken von Stauffenberg haben sich<br />
bis heute erhalten, wie G. Wunder in seinem Werk ausführlich<br />
dartut 7 .<br />
Die Burg Zell erscheint im J. 1366 als Burgstall, d. h. als<br />
zerstörte Burg (nicht etwa als Viehstall!). Damals kam<br />
der zugehörige Maierhof von den Schenkenbrüdern Rudolf<br />
und Konrad an das Kloster Stetten, wo ihre Schwester<br />
Nonne war 9 . Bezeichnenderweise heißt der Bebauer<br />
des Hofes Heinz Waldmeier. Im Jahre 1402 ist die Rede<br />
von einer Mühle in Zell, die den zollerischen Grafenbrüdern<br />
gemeinschaftlich war. Das Wasser der dortigen<br />
starken Quelle ist längst nach Hechingen geleitet.<br />
Am 8. Februar 1439 bestätigten die zwei gleichnamigen<br />
Geistlichen Wernher Schlaitz der Alte und der Junge<br />
dem Grafen Eitelfriedrich von Zollern, daß sie gegen<br />
eine Naturalabgabe von ihm die Erlaubnis erhielten, im<br />
Burgstall zu Zell zu zimmern und zu bauen 10 . Im Siegel<br />
des alten Schlaitz sieht man ein halbes aufgerichtetes<br />
Tier wie einen Hund (ohne Halsband), ähnlich wie im<br />
Siegel des Hechinger Kirchherrn Heinz Boll vom Jahre<br />
1401 n . Was die beiden Pfarrer eigentlich bauen wollten,<br />
ist nicht klar: einen Alterssitz oder ein anderes Pfarrhaus<br />
oder nur einen Schopf? Wir wissen es nicht. Denn während<br />
der ältere seit 1420 Kirchrektor von Stein<br />
b. Hechg. war (er zahlte 1421 als Erstfrüchte seiner<br />
Pfründe an den Bischof von Konstanz 8 Gulden), ist<br />
„Wernher Schlaitz von Hechingen" im Jahre 1437 als<br />
Nachfolger eines verstorbenen Albertus Valk in unserem<br />
Zell als Pfarrer investiert worden. Ein Pfarrhaus hat in<br />
Zell doch sicher bisher schon bestanden, wo wir im<br />
J. 1313 einen Konrad Walch als Seelsorger finden, der<br />
1318 bis 1322 auch als Dekan nachzuweisen ist fürs Kapitel<br />
Hechingen. Auch im J. 1361 wird ein „Pfaff zu<br />
Zell" als Kirchherr erwähnt 12 , vielleicht identisch mit<br />
dem 1363 auftauchenden Pfaff Heinrich dem Sachs 13 .<br />
18<br />
Der 1335 vorkommende Grundbesitzer Lutz von Lichtenstein<br />
zu Boll war Laie, kein Geistlicher, wie man früher<br />
irrig meinte. Der Bau im Burgstall scheint mißlungen<br />
zu sein. Schon 1440 (bis 1481) finden wir in Zell einen<br />
andern Pfarrer namens Ludwig Petri. Er nahm 1479 bis<br />
1482 immer wieder Absenz, zog schließlich nach Hechingen,<br />
wo er 1488 tot genannt wird. Der 1440 im nahen<br />
Steinhofen aufziehende Pfarrer Wernher Schlaitz<br />
dürfte der junge von unserm Zell sein, wobei wir allerdings<br />
nicht wissen, wie lange sein gleichnamiger Amtsbruder<br />
in Stein geblieben ist, oder ob nicht dieser es ist,<br />
der nach Steinhofen kam. Hier nahm er 1463 bis 1473<br />
immer wieder Absenz für 1 Jahr, wird aber im April<br />
1474 tot genannt.<br />
In Zell wurde dagegen am 21. Juli 1488 als Seelsorger<br />
Thomas Knebel eingeführt, der allerdings früh nach Boll<br />
ins Dorf hinunter übersiedelt zu sein scheint. Offenbar<br />
war der kleine Weiler oben im Walde ziemlich entvölkert<br />
worden. Für die Kirche St. Nikolaus in Boll wurde<br />
im J. 1492 eine allgemeine Kirchenkollekte der Diözese<br />
Konstanz ausgeschrieben, was Knebel wohl angeregt haben<br />
dürfte, um ein einigermaßen ansehnliches Gotteshaus<br />
zu bekommen. Jedoch wird Zell noch bis ins 17. Jahrhundert<br />
als Pfarrort (statt Boll) in den Konstanzer Registern<br />
geführt.<br />
Nach Hagens Lagerbuch für Boll 14 stand im Jahre 1544<br />
in Zell nur noch ein Bruderhaus bei der Kirche. Der<br />
Bruder durfte für den Mesnerdienst zwei anstoßende<br />
Wiesen und ein Gärtie benützen, die nach Boll an<br />
St. Nikolaus zehntpflichtig waren. Das Haus mußte er<br />
selber unterhalten, wobei die Gemeinde Boll die nötigen<br />
Fuhrfronen zu leisten hatte. Im Jahre 1548 wird in der<br />
Leibeigenenliste ein Hechelmann zu Zell aufgeführt,<br />
vielleicht der Bruder. Noch 1744 legten (nach Baur) die<br />
Franzosen eine Offizierwache in das „Pfaffenhaus" zu<br />
Zell, das in der Zwischenzeit doch irgendwie in baulichem<br />
Stand gehalten worden sein muß. Dann hört man<br />
nichts mehr von ihm. Die Zeller Kirche wurde im 30jährigen<br />
Krieg schwer mitgenommen, so daß man sie 1652<br />
fast ganz neu bauen mußte und 1776 wurde sie unter<br />
dem Baumeister Großbayer von Haigerloch erweitert,<br />
wie Fritz Staudacher in seinem Schriftchen 1968 dartut<br />
und die innere Ausstattung so gemütvoll schildert. Der<br />
im 18. Jahrhundert bei uns in Mode gekommene Viehpatron<br />
St. Fridolin von Säckingen hat sogar zeitweise den<br />
alten Kirchenpatron Gallus irrigerweise in den Hintergrund<br />
gedrängt. Die „Marienwallfahrt" ins trauliche<br />
Zeller Kirchlein läßt sich als solche erst ums Jahr 1700<br />
nachweisen, trotzdem die Muttergottes ja schon im Jahr<br />
1440 als Ehrenpatronin genannt ist und seitdem auch<br />
zweifellos verehrt wurde 15 .<br />
Anmerkungen:<br />
1<br />
Albv. Blätt. 1931, 289.<br />
2<br />
Hagens Lagerbuch von Steinhofen 1544 im fürstl. hohz.<br />
Archiv Sigmaringen.<br />
3<br />
Wartmanns UB I, 115 und Mitt. Höh. 11, 1877, 20.<br />
4<br />
Mon. Zollerana I, 71.<br />
5<br />
Zeitschr. Freibg. Diöz. Arch. I, 1865, 58.<br />
6<br />
Zeitschr. Oberrhein 18, 453 f.<br />
7<br />
G. Wunder, Die Schenken v. Stauffenberg, Stuttg. 1972.<br />
8<br />
HH 1964, 46.<br />
9<br />
Stett. Urk. 261.<br />
10<br />
Hohz. Hechg. Urk. 651.<br />
11<br />
Stett. U. Seite 385.<br />
12<br />
Stett. U 230.<br />
13<br />
Ebda Nr. 245.<br />
14<br />
Fürstl. hohz. Arch. Sigmaringen.<br />
15<br />
Hohz. Heimat 1964, 27 und 1966, 60.
JOH. ADAM KRAUS<br />
Die Seelsorger von Boll (Zell) am Zoller<br />
I. 1275 Der Kirchrektor in Celle hat ein Jahreseinkommen<br />
von 10 Mark Silber (Rangendingen nur 5!). Er<br />
zahlte zunächst als Kreuzzugszehnten V2 Mark und<br />
später durch „seinen Bruder Walther" 1 Pfund Heller<br />
und schließlich durch Eberhard von Tierberg<br />
noch 10 Schilling. Dieser sein Bruder Walther ist<br />
wohl der Ritter Walther Schenk von Celle, der Pfarrer<br />
also ein Angehöriger des dortigen Adels.<br />
2.1313-22 Konrad der Walch, 1313, 1320 u. 1322<br />
Dekan (Stett. Urk.)<br />
3. 1361 Der Pfaff N. von Zell, Kirchherr (Stett. Urk.<br />
230). Vermutlich der 1363 genannte Pfaff Heinrich<br />
der Sachs (Stett. U 245).<br />
4. Bis 1437 Albertus Valk, in diesem Jahre tot.<br />
5. 1437-40 Wernher Schlaitz (junior) von Hechingen,<br />
präs. durch Heinr. v. Ow, gen. Wutfuß. Am 8. Febr.<br />
1439 dürfen die gleichnamigen Pfaffen Wernher<br />
Schlaitz der Ältere (seit 1420 Pfr. in Stein) und der<br />
Junge bauen und zimmern im Burgstall (Burgruine)<br />
zu Zell. (Schwerlich durchgeführt!) Wernher war<br />
proklamiert 22. 2. invest. 14. 11. 37.<br />
6. 1440-85 Ludwig Petri. Er nimmt 1479-82 immer<br />
wieder Absenz, zieht dann nach Hechingen auf die<br />
Katharinenkaplanei und ist 1488 tot. Am Margarethentag<br />
1469 gibt er 2 Lehenhöfe seiner Pfarrei zu<br />
Zimmern mit Bewilligung des Gr. Ulrich v. Wirtemberg,<br />
seines Kastenvogts, als Erblehen dem Benz<br />
Bogenschütz, gen. Röber. Sein leibl. Bruder Johann<br />
Petri, Dekan zu Stein, siegelt mit. 1440 sind Kirchenpatrone<br />
zu Zell: ULb. Frau und St. Gallus.<br />
6a. Petris Vertreter ist ca. 1479 f. ein Johannes Bertsch.<br />
7. 1488-? Thomas Knebel, prokl. als Pfr. 25. VI., Patron:<br />
Eitel Fritz v. Zolr. invest. 21. VII. 88. Im<br />
J. 1492 wird eine allgemeine Kollekte für die „Pfarrkirche<br />
in Boll" (unter Zollern) gestattet. Um diese<br />
Zeit scheint er nach Boll gezogen zu sein!<br />
8. 1519 Verw.: Erasmus N. (unsicher ob unser Boll!)<br />
9. 1527 Verw.: Gregor Maler, erhält am 19. Sept. Absenz<br />
für 1 Jahr (unsicher, ob unser Boll gemeint ist!)<br />
10. 1550—59 Marquard Wolf gang Wagner, nach Knebels<br />
Tod proklamiert, ist 1559 tot. Offenbar war seit<br />
Knebels Tod kein gesetzter Pfarrer mehr hier gewesen.<br />
Seit wann also?<br />
II. 15 59-? Franz Buckenmaier (senior) (wohl aus Stetten,<br />
bisher in Steinhofen), invest. 12. Sept. 1590<br />
vacant. (H. H. 1963, 41).<br />
12. 1591—? Jakobus Weiglin, zahlt 10 fl Erstfrüchte an<br />
den Bischof. 1597 sitzt hier der alte Dekan Fr. Bukkenmaier<br />
(Nr. 11).<br />
13. 1599-1600 Johannes Matter (aus Hechingen), ging<br />
ins Elsaß.<br />
14. 1603-07 Heinrich Ziegler (ist dann 1622 Stiftsherr<br />
i. Rottenburg).<br />
15. 1612-1621 Johann Joachim Göttler, (Hettler) aus<br />
Horb, stirbt in diesem Jahr.<br />
16. 1621-33 Matthäus Rausch, bisher in Stein, kommt<br />
am 24. Sept., invest. 5. 1. 1622; stirbt am 18. Sept.<br />
1633 in der belagerten Zollerburg.<br />
17. Bis 1641 Johann Funk aus Hechingen, ging 1641<br />
nach Burladingen, 1651 nach Stetten u. Holst.,<br />
1666-76 in Stein.<br />
18. 1642-48 Johann Gg. Hoffmann, seit 12. III., invest.<br />
5. Apr. 42, res. 1648, geht nach Dettingen.<br />
19. 1648, seit 18. Dez.: Mg. Konrad Veringer aus Trochtelfingen,<br />
invest. 19. 1.49, ging später nach Hailfingen.<br />
Boll ist 1651 vacant (HIH 1963, 160)<br />
20. Bis 1656 Mg. Michael Eberlin, wo er resignierte. Im<br />
J. 1655 wird die Kirche in Zell renoviert und neu<br />
gerichtet nach dem 30jähr. Krieg.<br />
21. 1656-61 Johann Jakob Schwarz aus Hechingen seit<br />
19. Dez. Er resign. 1661 und geht nach Steinhofen.<br />
22. 1661-66 Johann Jak. Deibler, seit 3. Novb., invest.<br />
24. Dezb.<br />
23. 1666-71 Johann Mich. Schellang, seit 3. Novb., invest.<br />
3. Juli 67.<br />
24. 1671-72 Johann Bapt. Pflaum (wohl aus Zimmern),<br />
seit 8. X.; invest. 28. 6. 1672. Geht im gleichen Jahr<br />
nach Rangendingen.<br />
25. 1672-1714 Mg. Andreas Breyl aus Stetten-Hechingen<br />
!! '1646, schuldet Erstfrüchte 5 fl 18 kr. Wird später<br />
Dekan (vor 1685) (HIH 1963, 166).<br />
26. 1714-38 Wilhelm Leonhard, prokl. 24. 3. invest.<br />
7. April, starb nach langer Krankheit in Boll am<br />
13. 6. 38.<br />
27. 1734-56, Pfr. seit 39: Josef Ant. Herpp, aus Hechingen,<br />
gb. 28 9. 09, ging von Boll nach Steinhofen<br />
1756.<br />
28. 1756-65 Christian Kohler aus Hechingen, kam<br />
dann als Hofkaplan nach Haigerloch.<br />
29.1765-90 f Johann Mich. Pfeiffer, gb. Hitzkofen<br />
25. 9. 10, bisher Kapl. in Fischingen, hat 1769: 230<br />
Kommunikanten, 80 Nichtkomm.; gest. 5. 9. 1790<br />
30. 1790-1809 Sebastian Werner aus Hechingen, gb.<br />
21.11.48, Priester 1773. ging nach Owingen und<br />
starb in Hechg. 10. 1. 1823.<br />
31. 1809-33 Johann Nep. Pfriemer aus Hechingen, hier<br />
seit 2. VI., war vorher 3 J. in Stein, vorher 10 J.<br />
Kapl. i. Hechingen; Starb 24. Feb. 1835.<br />
32. 1833-47 Josef Blumenstetter aus Schlatt, hier seit<br />
8. Mai; Gb. 2. 4. 07; Priester 19. 9. 29, Vik. Burladingen,<br />
Grosselfingen, Hechingen, ging 47 als Pfr. nach<br />
Burladingen, 1862 nach Tailfingen; starb 29. 6. 85.<br />
33. 1847-66 Friedrich Sautter aus Hechingen, gb.<br />
5. 3. 14, Pr. 1837, wurde Vikar und Archivar in Hechingen,<br />
1847 Pfr. i. Boll, 1866 i. Trochtelfingen,<br />
starb 8. 1. 1885.<br />
34.1866-73 Wunibald Kernler aus Hausen a. And.,<br />
gb. 25. 12.35; Pr. 1861; invest. erst 5. 4. 69, ging<br />
1873 nach Steinhofen, 1888 Dietershofen, 1895 Benzingen;<br />
t 4. 11. 1915.<br />
35. 1873-87 Verw. Friedrich Mayer, gb. Hechg.<br />
7. 5. 41, Pr. 67; war 1871 Verw. in Steinhofen, 1887<br />
Verw. Rangendingen, 1888 Pfr. daselbst; f 7. 1. 90.<br />
36. 1887-1903 Josef Söll, gb. Weildorf 7.3.53, Pr. 78;<br />
ging 1903 nach Betra, 1905 Thanheim, resig. 1926;<br />
t 10. 11. 1930.<br />
37. 1904-16 Ferdinand Haussler aus Bietenhausen, gb.<br />
12. 3. 75, Pr. 1900, ging 1916 nach Neufra, 1937 Levertsweiler;<br />
pensioniert 1951; starb in Mengen am<br />
4. 7. 62, beerd. Neufra.<br />
38. 1917-54 t Josef Vogler, gb. Hippetsweiler 5. 1. 83,<br />
Pr. 1908; seit 1911 Kapl. Haigerloch, 1917 Boll, Dekan<br />
1946; t 12. Aug. 1954. Dann Aushilfen durch<br />
Pfr. Topp in Zimmern u. den pens. Pfr. Heinrich<br />
Wild in Hechingen.<br />
39. 1955-58 Richard Schreck, gb. Neckarelz<br />
19
25. Aug. 1905, Pr. 1929; bisher in Riedöschingen,<br />
hier seit 10. 8. 55, invest. 4. 9., verzichtete 1958 und<br />
ging in ein Altenheim nach Kisslegg.<br />
40. 1958 Verw. Leonhard Kempf, gb. Kippenheim 1926,<br />
Pr. 1952; hier seit 24.9., bisher in St. Elisabeth-<br />
Mannheim; wurde Gefängnispfr. Freiburg.<br />
41.1959-66 Heribert Zimmermann, gb. Betra 9.5.00;<br />
Pr. 1924; bisher Bingen, hier seit 1. 8.; invest.<br />
9. 8. 59. Herzinfarkt 1966; Verzicht 9. 9. 66; Gestorben<br />
Betra 3. X. 1971.<br />
MAX SCHAITEL f<br />
Die Hechinger Scharfrichter<br />
Als im Verlaufe des Mittelalters mit der fortschreitenden<br />
Entwicklung nur noch bestimmte Personen als Richter<br />
zur Urteilsfindung im Gerichtsverfahren herangezogen<br />
wurden, konnte auch die Strafvollstreckung nicht mehr<br />
ehrenamtlich ausgeübt werden. Diese vollzog nunmehr<br />
immer hauptberuflich der Nachrichter, der auch Scharfrichter<br />
genannt wurde, weil er nicht selten mit der<br />
Schärfe des Schwertes richtete. Beide Worte bezeichnen<br />
dieselbe Tätigkeit und denselben Beruf, sie stehen verhüllend<br />
und beschönigend für Henker. Hierzulande wurde<br />
bis ins 18. Jahrhundert hinein im amtlichen Schriftverkehr<br />
überwiegend die Bezeichnung Nachrichter verwendet.<br />
Bekannt ist die feststehende Schlußformel der<br />
Todesurteile: „Dessentwegen der Maleficant dem Nachrichter<br />
an seine Hand und Band geliefert wird, damit er<br />
ihn mit dem Schwerte vom Leben zum Tode richte, ihm<br />
zur wohlverdienten Strafe, anderen aber zum abscheulichen<br />
Exempel und das alles von Rechts wegen!" Der<br />
Nachrichter vollstreckte aber nicht allein die Todesstrafe,<br />
die im Enthaupten, Hängen, Rädern, Ertränken, Lebendigbegraben,<br />
Vierteilen und Verbrennen bestand, er<br />
vollzog nicht allein die Leibesstrafen, wie Abhauen von<br />
Gliedern, Auspeitschen, Brandmarken usw., der Nachrichter<br />
mußte auch die kleinen Missetäter an den Pranger<br />
stellen, ihnen die Schandzeichen aufsetzen oder umhängen,<br />
sie in die Geige spannen, in den Triller sperren<br />
oder mit dem Gießhübel, einem Wippgalgen, ins Wasser<br />
tauchen und was der Strafen noch mehr waren. Das<br />
Nachrichteramt schloß noch weitere unschöne Dienste<br />
ein. Oftmals, so auch in Hechingen, gehörte dazu die<br />
Abdeckerei, d. i. das Fortschaffen des gefallenen, verendeten<br />
Viehs, das Abziehen der Haut und das Beseitigen<br />
des Kadavers. Für diese Tätigkeit führte der Nachrichter<br />
noch den weiteren Titel: Wasen- oder Kleemeister. Der<br />
Bezirk, den ein Wasenmeister zu versehen hatte, wurde<br />
auch Bailei genannt, entsprechend der Wasenmeister<br />
dann Balleimeister, so im 18. Jahrhundert in Veringenstadt.<br />
Neben dem Füttern einer herrschaftlichen Hundekoppel<br />
hatte der Hechinger Nachrichter und Wasenmeister<br />
auch die Aufgabe, die Hunde zu „schlagen" (töten)<br />
und im Schloß die Abtrittgruben zu leeren. Das waren<br />
alles Dienste und Verrichtungen, die man keinem „ehrlichen"<br />
Menschen aufzuerlegen wagte. So war der Nachrichter<br />
ein „ehrloser" oder „unehrlicher" Mann! Nach<br />
dem allgemeinen Volksempfinden konnten ehrsame Leute<br />
und Bürger nicht mit dem Nachrichter verkehren.<br />
Dieser war von der menschlichen Gesellschaft ausgeschlossen,<br />
schon der Umgang mit ihm machte „ehrlos".<br />
Daher hatte der „Meister" in der Kirche wie im Wirtshaus<br />
seinen eigenen Platz, hier auch seinen eigenen Becher,<br />
der da und dort an eine Kette gebunden war. Der<br />
Inhaber des blutigen Amtes war schon äußerlich erkennbar<br />
an seiner besonderen Kleidung oder an einem Abzei-<br />
20<br />
42. 1966-70 Verw. Klaus Hagele, geb. Uberlingen<br />
30.9. 35; Pr. i960., bisher Kapl. Hechingen, in Boll<br />
seit 27. X., später Rel. Lehrer in Herten-Markhof.<br />
43. 1970 Verw. Klaus Fritz aus Karlsruhe, gb. 1939, Pr.<br />
1965, hier 4 Wochen seit 5. Juli. Als Studienrat in<br />
Heidelberg im April 1972 ausgeschieden!<br />
44. 1974 seit 1. X.: Pensionär Rudolf Reiser, gb. Gammertingen<br />
16. 4. 15; Pr. 1945, bisher Pfr. in Kollnau<br />
und dann Ebnet.<br />
chen am Kleid, vielerorts trug er einen grünen Hut. Die<br />
allgemeine Absonderung vor dem Scharfrichter übertrug<br />
sich auch auf dessen Ehefrau und Kinder; auch diese waren<br />
nicht gesellschaftsfähig. Den Söhnen war der Zugang<br />
zu einem ehrsamen Handwerk versperrt. Es blieb ihnen<br />
daher meist nichts anderes übrig, als dem Vater im Amte<br />
zu folgen oder sich anderwärts um eine Meisterstelle zu<br />
bewerben. Schlug dieses Bestreben fehl, mußten sie zeitlebens<br />
als Gehilfen beim Vater oder einem anderen<br />
Nachrichter dienen. Wer aber eine Scharfrichtertochter<br />
zur Frau nahm, hatte meist einen schweren Stand und<br />
der Kampf um die berufliche und gesellschaftliche Anerkennung<br />
ging in den wenigsten Fällen gut aus. So ist es<br />
erklärlich, daß das Nachrichteramt sich oft in langer<br />
Geschlechterfolge forterbte und die verschiedenen Scharfrichtersippen<br />
über viele Herrschaften und ganze Länderteile<br />
hin mit einander verschwägert und vervettert<br />
waren. Durch den gleichen Beruf und vielfach durch das<br />
gleiche Blut geeint, erwuchs ein inniges Zusammenhalten<br />
und ein starkes Standesbewußtsein. Nach Abschaffung<br />
der peinlichen Befragung und Einführung eines neuen<br />
Strafvollzuges im 19. Jahrhundert wurde das Nachrichteramt<br />
überflüssig. Der Fluch der „Ehrlosigkeit" und<br />
„Unreinheit" konnte übrigens schon früher durch Legitimation<br />
genommen werden. Die Nachkommen der einstigen<br />
Scharfrichterfamilien sind längst in allen Berufen<br />
untergekommen. So sei erwähnt, daß z. B. noch der Urgroßvater<br />
des bekannten Admirals Scheer aus dem ersten<br />
Weltkrieg Scharfrichter war. Länger als das Nachrichteramt<br />
hielt sich die Wasenmeisterei, zumal manche Wasenmeister<br />
auf Grund ihrer anatomischen Kenntnisse und<br />
chirurgischen Fähigkeiten in der Tierheilkunde eine zusagende<br />
Betätigung fanden. Aber mit dem Aufkommen<br />
der Tiermehlfabriken und auf Grund seuchenpolizeilicher<br />
Vorschriften verschwanden auch bei uns um die<br />
Jahrhundertwende die letzten Schinderhütten.<br />
Als Nachrichter in Hechingen ist uns aus dem Jahre<br />
1556 Cunrat Volmer überliefert. Die Vollmer oder Vollmar<br />
waren eine weitverzweigte Scharfrichtersippe in<br />
Süddeutschland. So saßen sie in öffingen auf der Baar.<br />
in Endingen am Kaiserstuhl und in der Freien Reichsstadt<br />
Pfullendorf. Dort hatte sich am 18.5.1665 der<br />
Meister Jakob Volmar aus Isny mit Anna Katharina<br />
Deublerin, der Tochter des Nachrichters Ottmar Deubler,<br />
verheiratet und die dortige Scharfrichterfamilie<br />
Vollmer begründet.<br />
Einige Jahre später, etwa 1561, vollzog die Nachrichtung<br />
in der Zollerstadt Meister Martin. Laut Rechnung<br />
werden ihm für 7 Züge (Aufzugfolter) 1 Pf. 15 fl und<br />
für das Anlegen des Halseisens (Prangerstrafe) 30 Schilling<br />
ausbezahlt.<br />
1568 führte das Richtschwert in Hechingen der Nachrichter<br />
Lorenz Krab.
Erst über dessen Amtsnachfolger, Andreas Karg (Karcher)<br />
ist uns Näheres bekannt. Die Vereidigung datiert<br />
von Jakobi 1587. Als Jahresbesoldung für Richter und<br />
für die Lieferung von Luder (Futter) für die herrschaftlichen<br />
Hunde und „anderes" erhält Karg 45 fl. 1599 hat<br />
sich sein einstiger Gehilfe Matheus Märx aus dem Bregenzer<br />
Wald mit des Nachrichters Magd, der Tochter<br />
des Baiinger Wasenmeisters, verheiratet. Obwohl Märx<br />
seit Jahren im Steinbruch des Grafen arbeitet, wird die<br />
Aufnahme ins Hechinger Bürgerrecht abgelehnt, weil<br />
Der Hechinger Galgen (rechts unten).<br />
Hechinger Kupferstich Matth. Merians - 1643<br />
Märx, „reversenter zu melden" eines Wasenmeisters<br />
Tochter zum Weibe hat. 1601 gibt Meister Karg eine seiner<br />
Töchter dem Scharfrichter von Heiligenberg zur<br />
Ehe. Karg bittet den Grafen um seine Einwilligung, daß<br />
der Pfarrer in Hechingen oder von Boll die Trauung<br />
vollziehe, und um die Erlaubnis, im Scharfrichterhaus<br />
mit seinesgleichen ein Fäßchen Wein trinken zu dürfen.<br />
Er bezahle den Wein und sei auch gerne bereit, das übliche<br />
Umgeld zu erlegen. Ebenso wolle er von den 100 fl,<br />
die er seiner Tochter als Mitgift gebe, den Abzug zahlen.<br />
In einer zweiten Eingabe an den Grafen bittet der Meister,<br />
die erste Mahlzeit im Hause des Pfeiffer-Jerglin abhalten<br />
und einige Bürgersleute einladen zu dürfen. Diese<br />
würden aber, so betont der Antragsteller ausdrücklich,<br />
an „unterschiedliche" Tische gesetzt werden. Während<br />
die Zeche im Scharfrichterhause mit den Standesgenossen<br />
gestattet wurde, erfuhr das zweite Ersuchen eine Ablehnung.<br />
Im übrigen muß aus einer Reihe von Verkäufen<br />
von Feldern und Gebäulichkeiten geschlossen werden,<br />
daß Andreas Karg ein vermöglicher Mann war. Träger<br />
des Namens Karg führten nach 1600 auch in Veringenstadt<br />
das Richtschwert.<br />
Andreas Karg in Hechingen scheint keine männlichen<br />
Nachkommen hinterlassen zu haben, denn um 1614 ist<br />
Scharfrichter und Wasenmeister der Schwiegersohn Ludwig<br />
Baur (Pawr, Paur), meist nur Meister Ludi genannt.<br />
Baur stammt aus keiner Scharfrichterfamilie, sondern<br />
war ein Hechinger Bürgersohn, der schon in früher Ju-<br />
gend Waise geworden war. Er wurde der Begründer der<br />
Hechinger Scharfrichtersippe Baur, die in 5 Generationen<br />
als Nachrichter Stadt und Land dienten. Bemerkenswert<br />
ist, daß am 18. 1. 1616 des Nachrichters Sohn Hans<br />
Jakob Baur als Bürger in Hechingen angenommen wird.<br />
Es ist dies eine seltene Ausnahme und nur dadurch zu erklären,<br />
daß der Vater Hechinger Bürgerkind war. Aus<br />
einem Rechnungsbeleg des Jahres 1614/15 wird bekannt,<br />
daß Baur für das Füttern von 23 herrschaftlichen Jagdhunden<br />
eine besondere Jahresvergütung von 23 fl erhielt.<br />
Ludwig Baur starb 1634, Nachfolger im Scharfrichterund<br />
Wasenmeisteramt in Hechingen wurde sein Sohn<br />
Andreas Baur, der eine Anna Maria Kaufmännin zur<br />
Frau nahm, die ihm 400 fl in die Ehe brachte. Bei seiner<br />
Bewerbung legte auch sein Schwager Sigmund Bechtold,<br />
der Scharfrichter von Horb a. N., ein Wort für ihn ein.<br />
Gelegentlich der Vereidigung wurde ihm noch folgendes<br />
eingeschärft:<br />
1. Erstlich soll er den Dienst fleißig versehen, sich ohne<br />
der Bürgerschaft Klage verhalten, dann wann er<br />
deme zuwiderhandeln würde, solle sein Dienst alle<br />
Stund ein End haben.<br />
2. Solle er die Burgerschaft des Lohns halber nit übernehmen<br />
oder mit selbigem steigern, wie vor diesem<br />
beschehen, sondern bei demjenigen Lohn, welchen ein<br />
ehrsam Gericht machen wirdet, allerdings verbleiben.<br />
3. Solle er jährlichen, wann man Jahrgericht halten<br />
würdet, um den Dienst bitten und anhalten.<br />
4. Den reverenter Wasen solle er sauber halten und wie<br />
von alters her einmachen und umbzäunen, damit nit<br />
alle Straßen und Wege von den Bainern und Unrath<br />
bemaklet werden und solle jährlich einmal die Bainer<br />
verbrennen.<br />
5. Der Wirtshäuser solle er sich enthalten, die Zechen,<br />
wenn es etwan die Gelegenheit erforderte, in seinem<br />
Hause anstellen oder, wann es im Wirtshaus beschehe,<br />
sich absonderlich einher setzen und beschaidentlich<br />
verhalten. Ehrliche Leuth und Bürger an ihren Tischen<br />
in den Zechen nit überlaufen, viel weniger zum<br />
Mittrinken und Bescheidthun anmuntern oder nötigen,<br />
sondern sich seines eigenen Glases behelfen".<br />
Im Jahre 1670 führt das Richtschwert in der Zollerstadt<br />
wieder ein Andreas Baur, der gleichnamige Sohn seines<br />
Vaters, und wie dieser im Volksmund nur Meister Enderlin<br />
genannt. Aus dem Jahre 1702 ist überliefert, daß<br />
dem Wasenmeister ein Fuder Stroh geliefert wurde, um<br />
den fürstlichen Hunden ein Lagerbereiten zu können.<br />
Dieser Meister blieb unverehelicht und starb am<br />
5. 8. 1704 an einer schweren Kopfverletzung, die ihm ein<br />
Soldat beigebracht hatte. Aus dem Nachlaß, der 1097 fl<br />
betrug, mag ersehen werden, daß das Geschäft eines<br />
Nachrichters und Wasenmeisters nicht uneinträglich war.<br />
Nach dem Hagestolzenrecht hätte das ganze Vermögen<br />
an die Herrschaft fallen müssen. Da aber der Scharfrichter<br />
„weder Bürger, noch leibeigener Unterthan" war,<br />
wurde Andreas Baur in Sachen Erbrecht als Extraneus,<br />
Ausländer, behandelt. Die Herrschaft erhielt für Abzug<br />
und Handlohn je 54 fl 51 x, ein gleicher Betrag fiel an<br />
die Stadt. Universalerbe wurde der im Testament bestimmte<br />
Brudersohn Franz, der seinem Onkel auch im<br />
Amte nachfolgte.<br />
Die Bestallung des Franz Baur, geb. 14. 8. 1681, als<br />
Nachrichter- und Wasenmeister datiert vom 1.9.1704<br />
und gibt einen guten Einblick in die beiden Tätigkeiten.<br />
Franz verheiratete sich am 24. 1. 1705 mit Christine<br />
Burkhartin von Rottenburg, der Stieftochter des dortigen<br />
Scharfrichters. Burkhart saßen unter anderm auch in<br />
Schussenried, wo sie bis zur Aufhebung der Klosterherr-<br />
21
schaft ihren Dienst verrichteten. Am 6. 11. 1735 verschied<br />
unser Meister, der „viele von Rechts wegen enthauptet<br />
hat, fromm in Gott und mit allen Sakramenten<br />
versehen", wie das Hechinger Totenbuch meldet. Aus<br />
den Rechnungen ist noch zu entnehmen, daß seine Witwe<br />
unter dem 24. 1. 1737 für Ausräumung einiger s. v.<br />
Secrets im fürstl. Schlosse 6 fl erhielt. (Secretum = geheimes<br />
Gemach = Abort).<br />
Auf Franz folgte dessen Sohn (Franz) Anton Baur, geb.<br />
31. 10. 1715, der sich am 31. 5. 1738 mit Katharina Barbara<br />
Ostertagin, der Tochter des Tübinger Scharfrichters,<br />
verheiratete, Frau Katharina scheint bereits im ersten<br />
Jahre der Ehe gestorben zu sein, denn am<br />
14. 8. 1739 ging der Meister mit der ledigen Johanna<br />
Bühlerin, einer Hechinger Bürgerstochter, mit obrigkeitlicher<br />
Erlaubnis den Bund fürs Leben ein. Da Johanna<br />
Bühler einen Scharfrichter, also einen „Ehrlosen" zum<br />
Manne nahm, hat sie, wie es so bezeichnend heißt, durch<br />
die Hochzeit das Bürgerrecht der Stadt Hechingen „verheiratet<br />
und verloren!" Sie mußte daher von ihrem Erbteil,<br />
den Stadtschreiber Cammerer nach Abzug aller<br />
Verbindlichkeiten auf 356 fl 29 x berechnete, an Abzug<br />
und Handlohn für die Herrschaft je 17 fl 49 x und den<br />
gleichen Betrag an die Stadtkasse zahlen. Im Jahr 1742<br />
beschwerte sich Anton Baur über die Hechinger Schmiede,<br />
die ihm die Pferde nicht beschlagen wollten. In Rottenburg,<br />
Rottweil und Villingen gäbe es keinen Anstand,<br />
wenn er oder sein Gehilfe den Fuß des Pferdes hochhalten<br />
würden. Der Fürst bestimmte unter Strafe, daß auch<br />
die Hechinger Schmiede des Nachrichters Pferde beschlagen<br />
müßten, wenn der Meister oder sein Knecht behilflich<br />
wären und das Bein des Pferdes hielten. Franz<br />
Anton Baur scheint sich übrigens in seinem Berufe nicht<br />
sonderlich wohl gefühlt zu haben. Vielleicht litt auch<br />
seine Ehefrau, die Hechinger Bürgerstochter, unter dem<br />
Fluch der „Unehrlichkeit" und des Gemiedenwerdens.<br />
Wir dürfen bestimmt annehmen, daß die Verwandtschaft<br />
Johannas nicht gerade erbaut war über die Ehe<br />
mit einem Scharfrichter. Welche Gründe auch immer<br />
ausschlaggebend waren, Baur legte im Jahre 1753 das<br />
Richtschwert beiseite. Er ließ sich durch den Grafen von<br />
Zeil legitimieren, d. h. für ehrlich erklären, stellte mit<br />
Genehmigung des Fürsten von Hohenzollern-Hechingen<br />
seine Ämter als Nachrichter und Wasenmeister zur Verfügung<br />
und verließ das Scharfrichterhaus am Reichenbach.<br />
Noch im gleichen Jahre, am 21.11.1753, wurde<br />
Baur auf Anregung der Regierung in „Ansehung seiner<br />
guten Conduite und seines Vermögens" sowie mit Rücksicht<br />
darauf, daß seine Ehefrau ein Burgerkind war, in<br />
das Bürgerrecht der Stadt Hechingen aufgenommen. An<br />
Bürgergeld waren 100 fl an die Stadtkasse und 50 fl an<br />
die Herrschaft zu entrichten. Mit den Eltern wurden<br />
auch die vier Kinder Anton, Franz, Christina und Anna<br />
Maria, deren Taufpaten der H. H. Anton Kohler, Canonicus<br />
bei St. Jakob, und Elisabeth Bühlerin waren, bürgerlich<br />
angenommen. Baur übernahm nun die Wirtschaft<br />
zum Ochsen. Im hohen Alter von 78 Jahren starb er am<br />
9. Mai 1793. Das Hechinger Totenbuch bemerkt: Hospes<br />
olim ad signum bovis et ante carnifex!<br />
Das Nachrichteramt in Hechingen wurde noch 1753<br />
dem Scharfrichter Lorenz Ruof, gebürtig aus Trochtelfingen,<br />
übertragen. Träger dieses Namens führten in jener<br />
Zeit auch in Veringenstadt und in Hüfingen auf der<br />
Baar das Richtschwert. Ruof vermählte sich 1755 in<br />
Pfullendorf mit der Tochter des dortigen Scharfrichters,<br />
der ledigen Helene Vollmerin, geb. am 16. 5. 1731. Unser<br />
Meister sollte in Hechingen nur wenige Jahre seines<br />
Amtes walten. Durch einen unglücklichen Sturz vom<br />
Pferde zog sich Ruof eine schwere Verletzung zu, die am<br />
23. 10. 1760 zum Tode führte.<br />
22<br />
Noch kein Vierteljahr später, am 10. 1. 1761, vermählte<br />
sich die Witwe Ruof mit dem Scharfrichter Franz Anton<br />
Burkhart von Warthausen, der als Gehilfen seinen Bruder<br />
Franz Joseph zu sich nahm. Von Burkhart ist als Besonderheit<br />
zu berichten, daß er im Jahr 1784 Pate stand<br />
für zwei Knaben von Beuren anläßlich ihrer Firmung.<br />
Aus dieser Tatsache und der weiteren, daß seine Nachkommen<br />
im Amte Bürgertöchter heirateten, müssen wir<br />
schließen, daß das Scharfrichteramt und seine Inhaber<br />
nicht mehr so verachtet waren, wie in früheren Jahrhunderten.<br />
Übrigens war durch ein kaiserliches Mandat vom<br />
Jahre 1772 den Söhnen eines Scharfrichters erlaubt,<br />
ein beliebiges Handwerk zu erlernen. - Nach der<br />
Rentei-Rechnung 1802/03 erhielt der Scharfrichter<br />
Burkhart für die Reinigung der „Priveter" (Aborte) im<br />
Schloß 15 fl.<br />
Auf Franz Anton, der am 27. 2. 1806 das Zeitliche segnete,<br />
folgte der Sohn Vitus Burkhart, im Volksmund<br />
Veitle genannt. Vitus hatte sich am 9. 10. 1793 mit der<br />
Bürgerstochter Antonie Bulach von Hechingen verheiratet.<br />
Er war der letzte Nachrichter von Hechingen, der<br />
mit dem Schwerte richtete. Am 23. 1. 1844 schloß er für<br />
immer die Augen.<br />
Der Sohn Franz Burkhart, geb. 15. 1. 1795, übernahm<br />
vom Vater die Abdeckerei. Er nannte sich Kleemeister,<br />
eine andere Bezeichnung für Wasenmeister. Auch Franz<br />
hatte eine Bürgerstochter zur Frau, Anna Maria Klingler<br />
von Hechingen. Sein Todesdatum ist der 28. November<br />
1878.<br />
Konrad Burkhart, der Sohn des Franz Burkhart, war am<br />
30.4.1833 geboren. Er räumte das alte Scharfrichterhaus<br />
und wohnte bereits im Jahre 1865 in der Schadenweilerstraße,<br />
im heutigen Hause Simmendinger. Auch seine<br />
Ehefrau, Theresia Lämmle, gehörte keiner Scharfrichtersippe<br />
an. Konrad trieb eine kleine Landwirtschaft um<br />
und betätigte sich als Pferdeschlächter. Da er kinderlos<br />
verheiratet war, starb er als Letzter seines Geschlechts<br />
am 25. 10. 1902. Im Volksmunde wurde er nach seinem<br />
Großvater Veitle genannt, seine beiden ledigen Schwestern,<br />
die das heutige Nill'sche Haus an der Stettenerstraße<br />
bewohnten, hießen entsprechend d'Veitenen.<br />
Nach der Stadtchronik soll das Richtschwert von Hechingen<br />
im Jahre 1881 nach Ulm verkauft worden sein.<br />
„Wan ich das schwert thun aufeheben, so wünsch ich<br />
dem armen sünder das ewige leben" war die Inschrift<br />
der einen Seite, während auf der Kehrseite zu lesen war:<br />
„Hüt dich thun kein böses nicht wan du willst fliehen<br />
das gericht 1705". Anfragen beim Museum der Stadt<br />
Ulm und beim Germanischen National-Museum in<br />
Nürnberg nach dem Hechinger Richtschwert blieben erfolglos.<br />
Auch die Zugangsregister der kulturgeschichtlichen<br />
Sammlungen dieser Museen vermerken keinen einschlägigen<br />
Erwerb. Ob das Schwert vielleicht in der kriminalistischen<br />
Sammlung im Fünfeckigen Turm der Burg<br />
zu Nürnberg war, die im Kriege vollständig zerstört<br />
wurde, ist ebenfalls unwahrscheinlich, da der Museumsführer<br />
von 1934 das Hechinger Stück nicht kennt. Das<br />
heute noch im Hechinger Rathaus aufbewahrte zweischneidige<br />
Schwert (Griff 25 cm, Klinge 90 cm und Parierstange<br />
29 cm lang) diente als Rechtssymbol und hing<br />
an einer Wand des Zimmers, in dem das Stadtgericht als<br />
Malefiz- oder Blutgericht tagte.<br />
Der Galgen, auch Hochgericht genannt, befand sich am<br />
Fichtenwäldle, während die Richtstatt, wo die übrigen<br />
Todesarten vollstreckt wurden, bei Heiligkreuz lag. Der<br />
Friedhof Heiligkreuz wurde erst 1814 angelegt. Wie<br />
schon das Steuerbuch von 1660 meldet, stand das Scharfrichterhaus<br />
am Reichenbach. Aus seinem späteren Umbau<br />
entstand das heutige Haus Max Eisele, Autovermie-
tung. Im Kataster 1861 ist es als Kleemeisterei eingetragen<br />
und als Eigentümer: Stadt und Land (Kgl. Fiskus).<br />
Dazu gehörte die Scheuer am Wege dorthin. Auch auf<br />
dem bekannten Merian'schen Stich vom Jahre 1662 sind<br />
das Scharfrichterhaus samt Schinderhütte und der dreifüßige<br />
Galgen festgehalten. Zwischen dem Wohngebäude<br />
und der Schinderhütte (mhd. schinden = enthäuten) floß<br />
der Mühlkanal. Da unweit der Schinderhütte die Tierleichen<br />
„verlochert", d. h. in Gruben geworfen und mit<br />
Erde überdeckt wurden, erhielten die angrenzenden Äkker<br />
schon sehr früh den Namen Schelmenäcker (mhd.<br />
schelm = Aas, Kadaver, toter Tierkörper). Entsprechend<br />
wurde die Stettenerstraße einst Schelmengasse genannt,<br />
so im Jahre 1486. Unter dem 14. 3. 1814 wurde die Aus-<br />
MANFRED HERMANN<br />
Die Feldhauser Barockaltäre (Fortsetzung)<br />
Im Zusammenhang mit dem Hettinger Schreiner und<br />
Altarbauer Bakus Widmann II (1684-1768) habe ich<br />
im letzten Heft über den Hochaltar der St. Nikolaus-<br />
Pfarrkirche zu Feldhausen berichtet. Ohne Zweifel gehört<br />
er mit seinem Spieglergemälde und den Plastiken,<br />
die dem Mariaberger Klosterschreiner Balthasar Wild<br />
zuzuschreiben sind, zu den qualitätvollsten Barockaltären<br />
des Landes.<br />
Hl. Apollonia v. Jos. Christian Foto: M. Hermann<br />
führung von Maurerarbeiten am „Mühlteich bei des<br />
Scharfrichters Haus" vergeben. Der Mühlteich, bis zum<br />
1. Weltkrieg von Metzger Gfrörer, Benedle genannt, als<br />
Eisweiher benützt, ist längst zugeworfen und eingeebnet.<br />
So sind es eigentlich nur noch der Flurnamen Schelmenäcker<br />
und die Straßenbezeichnung Schelmenäckerstraße,<br />
die in Hechingen die Erinnerung an die Schinderhütte<br />
und das Scharfrichterhaus und damit an das kulturgene<br />
verstoßenen, aber standesbewußten Inhaber wachhalten.<br />
Die Nachweise aus den Hechinger Kirchenbüchern besorgte<br />
Herr Fritz Staudacher, wie bei dem Aufsatz über<br />
die Haigerlocher Scharfrichter (Hohenz. Heimat 1971<br />
Nr. 1).<br />
Die beiden Seitenaltäre, gleichwohl einfacher im<br />
Aufbau, verdienen nicht weniger Beachtung, da sie insgesamt<br />
sechs Figuren der Meisterhand Joseph Christians<br />
von Riedlingen enthalten<br />
Nach den Heiligenpflege-Rechnungen von Feldhausen 2<br />
fällt ihre Anschaffung in das Jahr 1746. H-R 1745/46<br />
verzeichnet unter „Einnahm Geldt Insgemein" eine Stiftung:<br />
„von Hans Michel Steinhardt an denen zu den<br />
Neben Althären versprochenen 30 fl den Ersten Termin<br />
empfangen 10 fl" (fl = Gulden, xr = Kreuzer). Unter<br />
Ausgab No7: „besag Accord dem schreiner Balms von<br />
Hettingen vor 2 Neye Nebenalthär bez. 84 fl. deßgleichen<br />
dem Riedlinger Bildhauer 36 fl. Seinem Sohn<br />
trünckgeldt geben 1 fl. dem Mahler bezahlt 7 fl 30 xr."<br />
H-R 1746/47: „dem Mahler von Trochtelfingen Einer<br />
Bildtnus St. Johann Nepomucenij und 2 Postamenter<br />
wegen zalt 5 fl 30 xr. Item dem Hans Jerg Hanner wegen<br />
einem Harthauser fuhrmann so die Althär von Hettingen<br />
anhero geführt zalt 12 xr." Diese Unterlagen genügen<br />
voll und ganz zur richtigen kunstgeschichtlichen<br />
Einordnung der beiden Altarwerke.<br />
Wie bereits ausgeführt, lieferte der Hettinger Schreiner<br />
Bakus Widmann II die beiden dem Hochaltar gegenüber<br />
einfacher ausgeführten Aufbauten. Ein Säulen- und ein<br />
Halbpilasterpaar flankieren jeweils das Mittelbild; außen<br />
stehen auf geschweiften Konsolen die Heiligenfiguren,<br />
über ihnen auf den Halbpilastern eine muschelartige<br />
Schnitzerei. Ein streng waagerechter Sims schließt das<br />
Mittelgeschoß nach oben ab. Der Auszug mit seinen geschwungenen<br />
Formen nähert sich schon dem Rokoko,<br />
dessen Bewegtheit und Pathos in den Plastiken Christians<br />
spürbar werden. Die geschweifte Mittelnische mit<br />
Maria am linken und dem hl. Johannes am rechten Seitenaltar,<br />
jeweils auf einem über Eck gestellten Sockel stehend,<br />
wird durch zwei über den Säulen des Hauptgeschosses<br />
aufsteigenden und mit Akanthusblatt besetzten<br />
Volutenspangen und außen von je einem Bügel gerahmt.<br />
Den Abschluß bildet ein nach oben ausschwingender<br />
Sims, der von vergoldeten Blattranken überhöht und<br />
einer auf Volutenfüßen stehenden Sonne bekrönt wird, in<br />
deren Vierpaß die Namen IOS (EPH) und MARIA zu<br />
lesen sind. Blumen, Blütengehänge und weiteres Rankenwerk<br />
sind über den Aufbau verstreut.<br />
Sämtliche Figuren am Josefs-Altar stammen eindeutig<br />
vom Riedlinger Bildhauer, mit dem hier nur Joseph<br />
Christian (1706-77) gemeint sein kann 3 . Auf dem Altartisch<br />
steht der hl. Joseph mit dem Jesuskind auf dem<br />
linken Arm 4 , rechts der hl. Johannes der Täufer, links<br />
23
der hl. Sebastian, im Auszug der auf das einstige Kreuz<br />
im Chorbogen bezogene trauernde Johannes. Dr. Rudolf<br />
Huber schreibt über sie 5 : „Die Schnitzkunst des schwäbischen<br />
Rokoko erreicht mit den polychromen Figuren<br />
der Feldhauser Nebenaltäre einen Höhepunkt. Die<br />
hl. Apollonia, Johannes der Täufer und der hl. Sebastian<br />
können mit besten deutschen Kleinplastiken und<br />
Porzellanfiguren der Zeit wetteifern. Sie sind von der<br />
ganzen Anmut, Grazie und Heiterkeit des Rokoko erfüllt.<br />
Christian schuf später nie mehr Werke von so liebenswürdigem<br />
Charme, sondern strebte eher nach Ekstase<br />
oder stiller Größe, hier aber hielt er für einen Augenblick<br />
inne, als wollte er sich des gereiften, fröhlichen<br />
Rokoko freuen." Diese Worte gelten sicherlich besonders<br />
für den Johannes der Täufer; er gehört zum Entzükkendsten,<br />
was das frühe Rokoko in Süddeutschland geschaffen<br />
hat. Ohne Zweifel ist die Figur eine Stiftung<br />
des Feldhauser Pfarrherrn Johann Baptist Scherer e , der<br />
damit seinen Namenspatron ehren wollte. Der hl. Sebastian<br />
dagegen besaß in der Feldhauser Friedhofskapelle<br />
ein ihm geweihtes Heiligtum, das Zeugnis für dessen<br />
hohe Verehrung durch eine der Spethschen Stammütter,<br />
der Dorothea Speth geb. von Rechberg zu Hohenrechberg,<br />
die 1599 die Herrschaft unter drei ihrer Söhne teilte.<br />
Es muß erstaunen, daß Pfarrer Scherer für die Seitenaltarplastiken<br />
einen so hochqualifizierten Künstler wie<br />
Christian gewinnen konnte, zumal dieser ab dem 10. August<br />
1744 mit dem Großauftrag des Zwiefalter Chorgestühls<br />
beschäftigt war 7 . Offensichtlich konnte der Riedlinger<br />
Meister für den Feldhauser Marienaltar seine Pläne<br />
nicht voll verwirklichen. Er schuf als rechte Hauptfigur<br />
die hl. Apollonia, die Patronin gegen Zahnschmerzen,<br />
und im Auszug die trauernde Maria. Dann aber<br />
muß ihn seine Tätigkeit für Zwiefalten so in Anspruch<br />
genommen haben, daß er die Ausführung der linken<br />
Hauptfigur, des hl. Vitus, einem anderen überlassen<br />
mußte. Entgegen Rudolf Huber ist diese Plastik eindeutig<br />
dem Werk des Mariaberger Klosterschreiners Balthasar<br />
Wild zuzuweisen, der 1740/41 die Schnitzereien des<br />
Hochaltars geliefert hatte. Allerdings ist sie nicht wie<br />
zahlreiche andere Arbeiten Wilds mit einer in die Rückseite<br />
eingeschnittenen Jahreszahl datiert, die in unserem<br />
Raum fast einer Signierung gleichkommt.<br />
Erst vor kurzem habe ich entdeckt, daß auch der kleine<br />
hl. Wendelin 8 auf einem Postament an der rechten Seite<br />
des Chorbogens rückseitig die Jahreszahl „1745" trägt.<br />
Somit ist auch er wie sein Gegenstück, der hl. Eulogius,<br />
eine Arbeit des Mariabergers. Ebenso ist auch in der linken<br />
Nische beim Hochaltar die hl. Anna-selb-dritt rückseitig<br />
mit der Jahreszahl „1750" versehen. Sowohl am<br />
Vitus wie auch an der Anna wird deutlich, daß Balthasar<br />
Wild nach 1741 mehr und mehr seinen kraftvollen,<br />
knittrigen und manchesmal etwas schwerfälligen<br />
Schnitzstil zu glatten, weicheren und dem Rokoko angepaßteren<br />
Formen hin abgewandelt hat. Mit dem Vitus<br />
von Feldhausen ist auch die Brücke zum Gammertinger<br />
hl. Sebastian auf der obersten Empore der dortigen<br />
Pfarrkirche gewonnen.<br />
In der Zwischenzeit ist es mir gelungen, die Herkunft<br />
des Mariaberger Klosterschreiners zu klären. Mit ziemlicher<br />
Sicherheit ist er der am 26. Januar 1694 in Meldungen<br />
9 getaufte Johann Balthasar des Johann Wild und<br />
der Maria Lefflerin. Er erhielt seinen Namen offensichtlich<br />
von seinem Taufpaten Balthasar Rein. Soweit ich<br />
feststellen konnte, waren die Eltern in Melchingen die<br />
einzigen Träger namens Wild. Nach den Melchinger<br />
Heiligenpflege-Rechnungen 1728/29 erhielt Balthuß<br />
Wild für zwei neu gemachte Kreuze samt den Stangen<br />
die Summe von 4 fl ausbezahlt. Somit erstreckt sich seine<br />
24<br />
Tätigkeit wenigstens von 1729 bis 1751 (Datum des<br />
Gammertinger Sebastians). Außer seiner Schreiner- und<br />
Schnitzarbeit für die Melchinger Marienkapelle fertigte<br />
er für Melchingen auch „ein Bildnus die Auferstehung<br />
Christi sambt 2 Englen" um 7 fl 33 xr (HPfR 1734/35),<br />
ferner ein kleines Altarkreuz um 40 xr (HPfR 1739/40).<br />
*<br />
Hl. Johannes d. T. v. Jos. Christian Foto: M. Hermann<br />
Die beiden Altarblätter schuf der „Maler von Trochtelfingen",<br />
Johann Baptist Bommer, der laut Heiligenpflege-Rechnungen<br />
laufend für die Pfarrkirche beschäftigt<br />
wurde. Am Josephs-Altar erscheint das Gemälde des<br />
hl. Johann Nepomuk, Patron der Beichtväter und Seelsorger,<br />
der 1729 heilig gesprochen wurde. Da er bei der<br />
Kirchenkonsekration am 8. 10. 1742 durch Weihbischof<br />
Franz Carol Joseph Fugger, Graf von Kirchberg und<br />
Weißenhorn 10 , schon als Patron des Nebenaltars erscheint,<br />
hat ihn wohl der damalige Pfarrer Johann Jakob<br />
Hirt (1741-43 in Feldhausen) als Schutzherrn ausgewählt.<br />
Das Gemälde ist in einem gedämpften Kolorit<br />
gehalten: der Heilige erscheint in Dreiviertelfigur hinter<br />
einem roten Tisch kniend, darauf ein aufgeschlagenes<br />
Buch und die Palme des Martyriums, in den gefalteten<br />
Händen das Kreuz haltend. Gekleidet ist er in Soutane,<br />
spitzenbesetztem Chorrock, darüber eine pelzverbrämte<br />
Mozzetta, vorne am Hals das Beffchen. Hinter ihm wird<br />
ein dunkelgrüner Vorhang durch eine Goldschnur mit<br />
Kordel zurückgehalten, links oben ein Engelchen mit<br />
dem Siegeskranz und Puttenköpfchen. Kleidung und<br />
Hintergrund sind ganz in grauen, graubraunen und<br />
graugrünlichen Farben dargeboten.
Farblich lebendiger erscheint am anderen Seitenaltar die<br />
weißgewandete Immakulata mit blauem Mantel und roten<br />
Unterärmeln; das Standbein hat sie der die Weltkugel<br />
umwindenden Schlange auf den Kopf gesetzt, der<br />
Fuß des Spielbeins steht auf der Mondsichel. In der rechten<br />
Hand trägt die Madonna die Lilie als Zeichen der<br />
Jungfräulichkeit, die andere ist auf die Brust gelegt. Sehr<br />
zierlich ist das feine, lichtumflossene und mit einem Sternenkranz<br />
umgebene Köpfchen wiedergegeben, dessen<br />
perlengeziertes und mit Rosen geschmücktes Haar im<br />
Nacken zusammengenommen ist und sich in Strähnen<br />
über die Schultern verteilt. Leider hat der Maler die<br />
Proportionen der Gestalt nicht getroffen: Während der<br />
Oberteil durchaus harmonisch wiedergegeben ist, zieht<br />
Altarantependium v. Job. Bapt. Bommer<br />
sich der untere übermäßig in die Länge. Einen weiteren<br />
Farbakzent stellt der durch eine goldene Schnur mit<br />
Kordel emporgehaltene Vorhang mit goldenen Fransen<br />
rechts über der Immakulata dar. Den Hintergrund bildet<br />
eine mit Puttenköpfchen übersäte in graubraunen und<br />
graugrünen Farbtönen gehaltene Wolkenlandschaft.<br />
Das Jahr 1751 ermöglichte die Fassung der Seitenaltäre.<br />
Nach H-R 1750/51 stifteten zur Fassung „Vnser Lieben<br />
Frawen Altars" die Gemeinde Feldhausen 36 fl<br />
27 xr 2 hlr und die Gemeinde Harthausen 25 fl. „Dem<br />
Mahler von Vnser L. Frawen althar zu fassen ... 56 fl.<br />
Bey aufstellung der beeden Seithen altär denen Mahlergesellen<br />
Trinckgeldt geben 2 fl 10 xr. Denen Fuhrleüth<br />
so die althär in Trochtelfingen abgeholt 27 xr." Gleichzeitig<br />
hat Maler Johann Bommer wohl auch das reizende<br />
Antependium des Marienaltars geschaffen: Das Gemälde<br />
zeigt einen von Muschelwerk gerahmten Spiegel in einer<br />
Anmerkungen<br />
1 R. Huber, Joseph Christian, der Bildhauer des schwäbischen<br />
Rokoko. Tübingen 1960<br />
2 im Pfarr-Archiv Feldhausen.<br />
3 In der Regel dürfte damit Joseph Christian gemeint sein.<br />
Es ist jedoch zu beachten, daß von 1717 bis zu seinem Tod<br />
1755 Bildhauer Franz Joseph Katzenmaier auch in Riedlin-<br />
von Rosen und Lilien umgebenen Kartusche (= Maria,<br />
du Spiegel der Gerechtigkeit). Jenes am Joh. Nepomuk-<br />
Altar zeigt eine einzigartige Darstellung: Über der Moldaubrücke<br />
in Prag eine mit einem Schloß versehene Zunge<br />
als Sinnbild der Verschwiegenheit des Schutzheiligen.<br />
Am oberen Rand sehen wir ein Spruchband mit einem<br />
Chronogramm: A Deo honoratVr qVaM reX honorarl<br />
VVLt, Ioannls LIngVa slglLLI tenaX (= 1752). Unter<br />
der Brücke steht der Spruch: Nec tormenta movent nec<br />
aquae, nec munera frangunt u . Links des Ovals sind<br />
Marterwerkzeuge, rechts die vom König versprochenen<br />
Bischofsinsignien Mitra und Stab, eine Ordenskette und<br />
ein Füllhorn mit Kostbarkeiten gemalt. Auch dieses Bild<br />
ist ohne Zweifel ein Werk Bommers.<br />
Foto: M. Hermann<br />
In der H-R 1751/52 sind Stiftungen zur Fassung des<br />
Hochaltars enthalten: „Von Sr. HochFreyherr. gnaden<br />
dem letzt Regierend Hochsei.gnädig Herrn zu Gammertingen<br />
12 vermög Testaments 200 fl. Von Ih. Hochfreyherr.<br />
Gnaden der Gdgn Frawen v. Berberich 13 10 fl.<br />
Von Titl. Herrn Pfarrer alhier zu Veldthausen<br />
20 fl . . . Zusammen 427 fl 32 xr." In Ausgabe steht:<br />
„Lauth Einiger Quittung dem Hn. Joh. Baptist Bommer<br />
Mahler zu Trochtelfingen, von dem Veldthaußischen<br />
HochAlthar, Canzel und Bohr Kirchen zu fassen veraccordierter<br />
massen bezahlt 426 fl. dessen 2 söhnen 3 fl<br />
trinckhgelt. Dem Maller gesellen Ambrosi Reiser trinckgeld<br />
2 fl." Bei der letzten Renovierung ca. 1972 wurde<br />
die alte braunrote und grüne Marmorierung, ferner die<br />
goldgeäderte blaue Lasierung der Säulen wieder unter<br />
der alten Übermalung hervorgeholt. Somit zeigen alle<br />
drei Altäre mit ihrer wertvollen Ausstattung das einstige<br />
Farbkleid.<br />
gen ansässig war, freilich nicht als Bürger, sondern nur als<br />
Hintersasse seiner bescheidenen Mittel wegen.<br />
4 Eigenartigerweise wird der hl. Josef weder im KDmBd<br />
Kr. Sigmaringen 1948 noch bei Huber genannt. Offensichtlich<br />
ist die Figur jedoch alt und zu den Christian-Arbeiten<br />
gehörig. Die Hauptfiguren sind aus Holz (Linde), hinten<br />
25
ausgehöhlt und besitzen eine alte übergangene Fassung.<br />
Höhe 100-103 cm. Die Figuren im Auszug der Altäre<br />
75 cm hoch.<br />
5 S. Anm. 1, S. 33.<br />
6 Johann Baptist Scherer aus Triberg im Schwarzwald war<br />
vom 15. 9. 1743 bis zu seinem Tod am 31.1. 1777 Seelsorger<br />
in Feldhausen. Das Totenbuch nennt ihn den freiwillig resignierten<br />
Exkammerer des Landkapitels Trochtelfingen und<br />
einen überaus wachsamen und eifrigen Pfarrer durch<br />
34 Jahre. Er starb mit 63 Jahren. (Für diese Mitteilung bin<br />
ich meinem Confrater Pfr. P. Rapp in Feldhausen dankbar.)<br />
7 S. Anm. 1, S. 36.<br />
8 Lindenholz, alte Fassung übergangen, h 53 cm.<br />
9 PfArch. Salmendingen. Die Heiligenpflege-Rechnungen im<br />
PfArch. Melchingen.<br />
MANFRED HERMANN<br />
10 ]oh. Ad. Kraus, Aus den Tagebüchern dreier (Weih-)Bischöfe<br />
von Konstanz. In: Freib. Diöz. Arch. 82/83. Bd<br />
1962/63, 330-405, bes 375.<br />
11 A deo honoratur, quam rex honorari vult, Joannis lingua<br />
sigilli tenax = Von Gott wird geehrt, die der König geehrt<br />
wissen will, die das (Beicht-)Siegel bewahrende Zunge des<br />
Johannes. Der andere Spruch: Weder Qualen noch Wasserfluten<br />
vermögen (ihn) zu bewegen, noch können Geschenke<br />
(sein Schweigen) brechen.<br />
12 Der am 19. März 1741 gestorbene Ortsherr Marquard Rudolph<br />
Anton Speth von Zwiefalten zu Gammertingen.<br />
13 Dessen älteste Tochter Maria Franziska Catharina Speth<br />
v. Zwiefalten, verheiratet mit Franz Ludwig Edler v. Berberich<br />
in Frankfurt/M.<br />
Johann Baptist Bommer (1705-78), Barockmaler in Trochtelfingen<br />
Der im Zusammenhang mit den Feldhauser Barockaltären<br />
genannte Flach- und Faßmaler Johann Baptist<br />
Bommer, der seit 1735 bis zu seinem Tod in Trochtelfingen<br />
ansässig war, ist weitgehend vergessen. Nachdem<br />
ich seine Vorgänger Josue Klingenstein 1 und Johann<br />
Schiander 2 in groben Zügen darzustellen versuchte,<br />
soll auch ihm und seinem Werk unsere Aufmerksamkeit<br />
gelten.<br />
Bommer ist in einer kinderreichen Familie in der gräflich-Königsegg'schen<br />
Residenzstadt Aulendorf geboren<br />
worden. Als 11. unter 14 Kindern des Hofsattlers Gabriel<br />
Bommer und seiner Frau Anna Catharina Christin<br />
trugen ihn am 1. August 1705 3 der gräfl. Oberamtmann<br />
Mathäus Keller und die Jungfrau Johanna Buri zur Taufe.<br />
Für die enge Verbundenheit mit der gräflichen Familie<br />
spricht die Tatsache, daß Graf Franz Maximilian Euseb<br />
von Königsegg 4 das erste Kind des Gabriel Bommer<br />
zusammen mit dem adligen Fräulein Maria Theresia von<br />
Hohenlohe am 20. Apr. 1690 zur Taufe begleitete. Dreimal<br />
stellte sich die Gräfin Maria Antonia, eine Geborene<br />
von Bräuner, persönlich als Patin zur Verfügung; als<br />
Pate ist neben dem Grafen eben Mathäus Keller, der sich<br />
1707 Oberamtsverwalter zu Wald nennt, regelmäßig zu<br />
finden. Als die Eltern Gabriel Bommer u. Anna Catharina<br />
Christin am 25. Mai 1689 sich in der Kirche das Ja-<br />
Wort schenkten, waren als Zeugen der Gerichtsamman<br />
Herr Heinrich Sauter und der Tafeidecker Marx Widemer<br />
zugegen. Alle diese Beziehungen zu bedeutenden<br />
Persönlichkeiten wollen bei der Familie Bommer beachtet<br />
werden.<br />
Leider konnte ich in Aulendorf keine Hinweise entdekken,<br />
die die Malerausbildung des Johann Baptist Bommer<br />
erklärten. Wir können nur die Förderung durch die<br />
gräfliche Familie in Aulendorf vermuten. Ob eine Beziehung<br />
zu dem 1733 in Winterstettenstadt/Kr. Biberach-<br />
Riß tätigen Maler Josef Christ über die Mutter Bommers<br />
besteht 5 , konnte ich nicht feststellen.<br />
Auf seiner Gesellenwanderung muß Johann Baptist<br />
Bommer nach Trochtelfingen gekommen sein, wo sich<br />
am 27. Nov. 1730 seine 1701 geborene Schwester Maria<br />
Antonia mit dem Kaufmann Ludwig Clavel verheiratet<br />
hatte 6 . Offensichtlich führte er jedoch keine eigene<br />
Werkstatt, sondern arbeitete beim Maler Johann Schiander<br />
7 . Mit ihm zusammen finden wir ihn 1735 in der<br />
Marienkapelle in Melchingen tätig 8 . Am 26. Nov. 1736<br />
heiratete Bommer Maria Ursula Schnitzerin, die Schwester<br />
des Trochtelfinger Stadtpfarrers Joseph Anton<br />
Schnitzer 9 , mit dem die Familie eng verbunden blieb,<br />
als dieser Stadtpfarrer von Meßkirch wurde. Dem Ehe-<br />
26<br />
paar wurden drei Kinder geschenkt: die Buben Franz<br />
Xaver (* 22. 9.1737) und Karl Ludwig (* 18.1.1739), die<br />
beide den Beruf des Vaters ergriffen, und das Mädchen<br />
Maria Antonia (* 1740), die als Ehefrau des Johann<br />
Georg Schoser knapp 25jährig in Trochtelfingen starb.<br />
Taufpaten waren jeweils Pfarrer Schnitzer und Maria<br />
Antonia Bommerin. Eine weitere Schwester, Maria Ursula<br />
(""1709 Aulendorf), die sich 1744 in Melchingen mit<br />
dem Witwer Georg Hirlinger verheiratete, war 1736<br />
Trauzeugin gewesen.<br />
Als Maler Johann Schiander am 14. 1. 1737 eines plötzlichen<br />
und unversehenen Todes starb, übernahm Bommer<br />
dessen Werkstatt, die offensichtlich von keinem seiner<br />
Söhne weitergeführt wurde. Durch seine reiche Tätigkeit<br />
gewann Bommer immer mehr das Vertrauen seiner Mitbürger.<br />
1762 erscheint er in den Heiligenpflege-Rechnungen<br />
Trochtelfingens 10 als Heiligenpfleger der Pfarrkirche.<br />
Ja er brachte es sogar zum Schultheißen; so bezeichnet<br />
ihn das Totenbuch, als er am 31. Juli 1778 im<br />
Alter von 73 Jahren starb. Es heißt dort: „Cursum vitae<br />
laudabiliter peractae per bonam mortem implevit" = er<br />
erfüllte den Lauf seines lobenswert verbrachten Lebens<br />
durch einen guten Tod. Mit ihm erlosch wohl seine<br />
Werkstatt, da seine beiden Malersöhne nach auswärts<br />
verzogen sein müssen oder von der Gesellenwanderung<br />
nicht zurückgekehrt sind.<br />
Im Lauf der Zeit stieß ich auf eine ganze Reihe von Arbeiten<br />
Bommers, wovon der Großteil Fassungen von<br />
Altären und Plastiken ausmacht.<br />
1735 Deckengemälde in der Marienkapelle in Melchingen:<br />
Mittelbild - die hl. Dreifaltigkeit, dazu vier<br />
Eckmedaillons mit den Evangelisten (5 fl -PfArch.<br />
Melchingen).<br />
1736 verschiedene Votivtafeln in der Marienkapelle<br />
Melchingen 11<br />
1740 Fassung einer Fahnenstange in die Pfarrkirche<br />
Melchingen (HR Melchingen 1739/40) um 1 fl 30 xr.<br />
1744 Arbeit in die Pfarrkirche Feldhausen um 7 fl (HR<br />
Feldhausen 1743/44), Gegenstand ungenannt.<br />
1746 Altarblätter des hl. Johann Nepomuk und der Immakulata<br />
für die Feldhauser Seitenaltäre (HR<br />
1745/46 u. 1746/47 Feldhausen).<br />
1751 Fassung der Seitenaltäre Feldhausen, der Marienaltar<br />
um 56 fl (HR 1750/51 Feldhausen). Für Arbeiten<br />
f. d. Pfarrkirche Trochtelfingen erhält Bommer<br />
einmal 11 fl 30 xr, dann 49 fl 15 xr.<br />
1752 Fassung des Feldhauser Hochaltars, der Kanzel<br />
und der „Bohrkirchen" (Empore) um 426 fl (HR
1751/52 Feldhausen). Seine beiden Söhne und der<br />
Malergeselle Ambrosi Reiser aus Gammertingen<br />
sind an den Arbeiten beteiligt.<br />
1753 faßt Bommer den 1749 geschaffenen Tabernakel<br />
der Pfarrkirche Salmendingen 12 .<br />
1754 malt er ein Fahnenblatt samt Stange für die Pfarrkirche<br />
Feldhausen um 5 fl 30 xr (HR 1753/54<br />
Feldhausen).<br />
1755 faßt Bommer den neugeschaffenen Hochaltar (von<br />
Schreiner Neser in Ringingen) der Kirche in Harthausen<br />
b. Feldh. um 63 fl (HR 1754/55 Feldhausen.<br />
1756 erhält Bommer aus Harthausen b. F. einen Rest<br />
von 19 fl 12 xr für Malerarbeiten (HR 1755/56<br />
Feldhausen). Bommer faßt in der Pfarrkirche Salmendingen<br />
die 1752 geschaffenen Seitenaltäre samt<br />
Kanzel um 292 fl 30 xr. 12<br />
1758 liefert der Trochtelfinger Maler Gemälde in das<br />
Gästehaus der Zisterzienserinnenabtei Heiligkreuztal<br />
(Jahresrechgn H.). 13<br />
1760 malt Bommer die Rahmen der Kreuzweg-Stationen<br />
von der Kirche in Harthausen oder Feldhausen<br />
um 2 fl 4 xr (HR 1759/60 Feldhausen).<br />
Anmerkungen<br />
1 M. Hermann, Josue Klingenstein (ca. 1595-1655), ein vergessener<br />
Maler des Frühbarock aus Trochtelfingen. HH<br />
1975, 27-28.<br />
2 M. Hermann, Zum Barockmaler Johann Schiander in<br />
Trochtelfingen. HH 1975, 12-14.<br />
3 PfArchiv Aulendorf, TaEhTo-Buch 1685-1735.<br />
4 KuDmKr Waldsee, bearb. v. A. Schahl u. W. v. Matthey,<br />
Stuttgart/Berlin 1943, S. 80, nennt seinen Grabstein, f 1710.<br />
5 S. Anm. 4, S 14.<br />
6 PfArchiv Trochtelfingen, EhB 1718-70.<br />
7 Die Zusammenarbeit in der Marienkapelle in Melchingen,<br />
wo Schiander den größten Anteil (altershalber?) dem jün-<br />
JOSEF MÜHLEBACH<br />
Bedeutende Persönlichkeiten aus dem Studiengang<br />
am Gymnasium Hedingen-Sigmaringen<br />
Josef Henselmann. Bildhauer - Professor.<br />
Geboren 1898 in Laiz. Sein Ausbildungsgang führte ihn<br />
über die Kunstwerkstätte Marmon in Sigmaringen und<br />
die Westenrieder Gewerbeschule in München an die<br />
Kunstakademie München. J. Henselmann hat für sein<br />
Kunstschaffen zahlreiche Ehrungen erfahren, u. a. Auszeichnung<br />
mit dem Akademiepreis der Münchener Kunstakademie,<br />
dem großen Preußischen Staatspreis, dem<br />
Villa-Romana-Preis, 1956 dem Oberschwäbischen<br />
Kunstpreis. Von 1932 bis 1968 war er ordentlicher Professor<br />
und Leiter der Bildhauerklasse der Münchener<br />
Kunstakademie. Zwölf Jahre lang war Henselmann Präsident<br />
der Akademie der Bildenden Künste in München.<br />
Der Streuungsbereich seiner zahlreichen Werke in Holz,<br />
Stein und Bronze erstreckt sich auf die Bundesrepublik<br />
und die Schweiz. Zu seinen Hauptwerken gehören der<br />
Hochaltar im Dom zu Passau mit der Monumentalgruppe:<br />
Steinigung des hl. Stephanus in Holz, mit Silberfolie<br />
beschlagen, 17 m hoch, der Hochaltar im Dom zu Augsburg<br />
mit der Bronzegruppe: Christus am Kreuz, die<br />
zwölf Apostel als die Verkünder des Kreuzestodes; in<br />
München: Brunnen am Rindermarkt, Granit; Moses in<br />
der Maxburg und das Triumphkreuz im Dom.<br />
Professor Dr. med. Lothar Henselmann. Internist und<br />
Kardiologe.<br />
Lothar Henselmann ist 1933 in Laiz geboren. Dem medizinischen<br />
Staatsexamen (1958) und der Promotion<br />
1763 faßt der Maler Reliquientafeln für die Pfarrkirche<br />
Feldhausen um 5 fl 30 xr (HR 1762/63 Feldhausen).<br />
1765 faßt Bommer zwei Fahnenstangen für Feldhausen<br />
um 2 fl (HR 1764/65 Feldhausen).<br />
um<br />
1765 erhält Joh. Bapt. Bommer für die Fassung des<br />
Hochaltars in der Pfarrkirche Trochtelfingen<br />
275 fl (Beleg 60 1/2 der HR 1762/68 Trochtelfingen).<br />
Leider sind die dortigen Rechnungen der<br />
Heiligenpflege von 1657-1748 nicht mehr erhalten,<br />
in denen zahlreiche Arbeiten Bommers verzeichnet<br />
gewesen sein müssen. Schließlich dürfte<br />
seine enge Bekanntschaft um 1735 mit dem Trochtelfinger<br />
Pfarrhaus von seinen Arbeiten für die<br />
dortige Pfarrkirche herrühren.<br />
Bislang ist sicher nur ein Bruchteil der Tätigkeit Johann<br />
Baptist Bommers bekannt geworden. Die obige Aufzählung<br />
allein genügt, um deutlich zu machen, daß der<br />
Trochtelfinger Meister in der heimischen Kunstgeschichte<br />
Beachtung verdient.<br />
geren Bommer überließ, läßt eine Konkurrenz unwahrscheinlich<br />
erscheinen.<br />
8<br />
KuDmKr Hechingen, bearb. v. F. Hossfeld u. H. Vogel<br />
u. a., Hechingen 1939, 241 f.<br />
9<br />
F. Eisele, Zur Geschichte Trochtelfingens - II 4. Pfarrer in<br />
Trochtelfingen. In: Mttlgn. d. Ver. f. Gesch. . . . in Hohenzollern,<br />
XLII. Jg. 1908/09, S. 105.<br />
10<br />
im PfArchiv Trochtelfingen.<br />
11<br />
s. Anm. 8.<br />
12<br />
Joh. A. Kraus, Aus Salmendingen. HH 1957, 11-13.<br />
13<br />
R. Schurr, Die Klosteranlage Heiligkreuztal - Diss. Tübingen<br />
1935, 37. Der Name Bommer ist in Bauer entstellt<br />
bzw. falsch gelesen.<br />
(1959) folgte Weiterbildung auf wissenschaftlicher Basis<br />
in der Forschung über Krankheiten des Herz-Kreislaufsystems.<br />
Eine Zeitlang war Dr. Henselmann Mitarbeiter<br />
in einem kardiologischen Team der Medizinischen Fakultät<br />
der Technischen Universität München. Seine wissenschaftliche<br />
Basis verbreiterte er von 1964 bis 1966 als<br />
Kardiologe an der Medizinischen Universitätsklinik in<br />
Marburg. Nach Rückkehr an die Isar führte Dr. Henselmann,<br />
nach seiner Ernennung zum Professor und Anstellung<br />
als Chefarzt der Medizinischen Abteilung des<br />
Städtischen Krankenhauses Neu-Perlau, während seiner<br />
Tätigkeit an der Medizinischen Universitätsklinik der<br />
Technischen Universität München eine Reihe neuer Methoden<br />
der Herzuntersuchung ein, legte eigenverantwortlich<br />
an die tausend Herzkatheder an und machte an<br />
die vierhundert Angiokardiographien. Neben seiner Tätigkeit<br />
als Chefarzt hält er Vorlesungen über Kardiologie<br />
an der Technischen Universität München. Seine<br />
bahnbrechenden Forschungsergebnisse und seine wissenschaftlichen,<br />
in der medizinischen Fachwelt hochbewerteten<br />
Arbeiten - es sind über 25 Titel von Vorträgen<br />
und Publikationen mit dem Schwerpunkt Kardiologie sichern<br />
Dr. Henselmann die Stellung eines international<br />
renommierten Mediziners und Fachgelehrten.<br />
Franz Xaver Hodler. Richter in Haigerloch.<br />
Fr. Xaver Hodler ist geboren 1855 in Sigmaringen. Ab<br />
1890 war er Amtsrichter, ab 1912 aufsichtsführender<br />
27
Richter beim Amtsgericht Haigerloch. Ein Menschenalter<br />
lang widmete er sich mit eisernem Fleiß der Erforschung<br />
der Geschichte des Oberamtes Haigerloch. In<br />
echtem Forschertrieb ist er zu den Quellen vorgedrungen<br />
und hat in jahrelanger mühevoller Kleinarbeit ein erstaunlich<br />
reichhaltiges Material aus alten Urkunden und<br />
Akten zusammengetragen, um seinem Geschichtswerk die<br />
sicheren quellenmäßigen Unterlagen zu geben. Seine<br />
„Geschichte des Oberamtes Haigerloch", 1928 im Selbstverlag<br />
des Kreisausschusses Hechingen erschienen, ist ein<br />
wertvoller Beitrag zur Geschichte Hohenzollerns. Im<br />
Jahre 1898 veröffentlichte Fr. X. Hodler eine Blumenlese<br />
dichterischer Erzeugnisse aus Hohenzollern unter dem<br />
Titel: „Dichterstimmen aus Hohenzollern". Er ist 1922<br />
in Haigerloch gestorben.<br />
Dr. theol. Konstantin Holl. Katholischer Autor.<br />
Konstantin Holl ist 1869 in Krauchenwies geboren. 1894<br />
war seine Priesterweihe, 1897 hat er promoviert. Danach<br />
war er Rektor des Gymnasialkonviktes Konstanz, ab<br />
1898 Rektor des Gymnasialkonviktes Rastatt; in Konstanz<br />
und Rastatt war er gleichzeitig Religionslehrer an<br />
den dortigen Gymnasien. Von 1909 bis 1919 wirkte er<br />
als Stadtpfarrer in Hechingen. Dr. Holl war eine kraftvolle,<br />
ausgeprägte Persönlichkeit mit willensstarker Natur,<br />
ein mutiger Kämpfer für religiöse Ideale und - neben<br />
der Seelsorge - unermüdlich tätig als Autor religiöser<br />
Bücher. Seine Schriften, offensichtlich angeregt durch<br />
sein Wirken als Rektor von Konvikten und als Religionslehrer<br />
an Gymnasien, widmete er vornehmlich der<br />
Jugend. Davon seien genannt: „Fürstbischof Jakob Fugger<br />
von Konstanz" (1898), „Wahn und Wahrheit"<br />
(1909), „Sturm und Steuer" (1911), „Die Jugend großer<br />
Männer" (1918), „Die Jugend großer Frauen" (19..).<br />
Dr. Konstantin Holl ist 1919 in Hechingen gestorben.<br />
Dr. phil. Hans Kayser. Wiedererwecker der harmonikalen<br />
Symbolik.<br />
Als Apothekersohn in Buchau 1891 geboren. In Sigmaringen<br />
von 1892 bis 1911. Das Lebenswerk des H. Kayser,<br />
die Wiedererweckung und Weiterentwicklung des<br />
pythagoräischen Lehrgebäudes, gipfelte in dem Versuch,<br />
der unhörbaren Welt der Harmonie erneut nachzuspüren.<br />
Hans Kayser, ein Gelehrter mit überragendem Wissen<br />
auf vielen Gebieten, hat im Lauf der Jahrzehnte<br />
etwa ein Dutzend Bücher mit den Ergebnissen seiner<br />
Studien über harmonikale Symbolik geschrieben, darunter<br />
das „Lehrbuch der Harmonik", „Grundriß eines Systems<br />
der Harmonikaien Wertformen", zwei „Harmonikale<br />
Studien", „Die Form der Geige", „Ein harmonikaler<br />
Teilungskanon", „Akroasis. Die Lehre von der Harmonik<br />
der Welt". Hans Kayser ist 1964 in der Schweiz<br />
gestorben. 1967 eröffnete die Akademie für Musik und<br />
darstellende Kunst in Wien ein „Hans-Kayser-Institut<br />
für harmonikale Grundlagenforschung", das das Lebenswerk<br />
des Gelehrten weiterführt.<br />
Richard Lauchert, Hofmaler<br />
Aus Sigmaringen. 1823 bis 1868. Besuch der Kunstakademie<br />
München 1839. Sein erster Lehrer war Peter Cornelius.<br />
1843 Reisen - zu seiner weiteren Ausbildung -<br />
nach Italien und Paris, Porträtist am Fürstl. Hohenzollernschen<br />
Hof Sigmaringen. R. Lauchert schuf eine große<br />
Zahl von Bildnissen von Angehörigen des Fürstenhauses,<br />
aber auch Porträts von Sigmaringer Bürgern. 1850 ernannte<br />
ihn Fürst Carl Anton unter Anerkennung seiner<br />
hohen künstlerischen Leistungen zum Hofmaler. Es folgten<br />
fruchtbare Schaffensjahre - wieder als Porträtist -<br />
28<br />
an anderen Fürstenhöfen und Herrschaftssitzen. So erwarb<br />
sich R. Lauchert höchste Anerkennung für seine<br />
Bildnisse an den Höfen in Berlin, in Petersburg, Kopenhagen<br />
und später in Berlin. Der Künstler blieb auch<br />
während seines auswärtigen Wirkens seiner Heimat bis<br />
zu seinem Tod - 1868 - treu verbunden.<br />
Dr. Dr. Karl Lehmann, Professor<br />
Aus Veringenstadt. Geboren 1936. Abitur 1956. Studium<br />
der Philosophie und der Theologie in Freiburg und Rom.<br />
Dr. phil. 1962; Dr. theol. 1967. Zum 1. Oktober 1967<br />
wurde Karl Lehmann als ordentlicher Professor für<br />
Dogmatik an die Universität Mainz berufen. Seit 1971<br />
ist er ordentlicher Professor für Dogmatik und ökumenische<br />
Theologie an der Theologischen Fakultät der Universität<br />
Freiburg. Als wichtigste Mitgliedschaften und<br />
Tätigkeiten seien genannt: Mitglied der Internationalen<br />
Theologenkommission beim Hl. Stuhl; Mitglied und wissenschaftlicher<br />
Leiter des ökumenischen Arbeitskreises<br />
evangelischer und katholischer Theologen; Tätigkeit in<br />
der Kommission „Glaube und Kirchenverfassung" des<br />
ökumenischen Rates der Kirchen; Berater der Kommission<br />
für Glaubens- und Sittenfragen der Deutschen Bischofskonferenz<br />
u. a. m. An Schriften von Dr. K. Lehmann<br />
seien angeführt: „Gegenwart des Glaubens";<br />
„Mensch im Getto? Weg der Katholiken in der Bundesrepublik"<br />
(in Zusammenarbeit mit Professor Dr. Karl<br />
Rahner); „Jesus Christus ist auferstanden"; „Auferweckt<br />
am dritten Tag gemäß der Schrift".<br />
P. Gregor Molitor, OSB, Kirchenmusiker<br />
Pater Gregor Molitor, geboren 1867, war der Sohn des<br />
Chordirektors Joh. Baptist Molitor in Sigmaringen, der<br />
gleichzeitig am Gymnasium Musiklehrer war, aber schon<br />
1882 als Münsterkapellmeister nach Konstanz übersiedelte.<br />
1887 trat G. Molitor in Beuron in den Benediktinerorden<br />
ein. Von seinem Vater war er theoretisch und<br />
praktisch in die Musik eingeführt worden, und so widmete<br />
er sich als Ordensmann dank seiner hohen musikalischen<br />
Begabung neben seinem klösterlichen Wirken im<br />
besonderen der Kirchenmusik. Seine reiche vielseitige<br />
Tätigkeit führte ihn von Erfolg zu Erfolg. Sein besonders<br />
verdienstvolles Wirken fand dadurch Anerkennung,<br />
daß ihm unter dem Erzabt Plazidus Wolter das verantwortungsvolle<br />
Amt des Priors übertragen wurde. Zahlreiche<br />
musikalische Werke geben Zeugnis von dem erfolgreichen<br />
Musikschaffen des Paters G. Molitor. Als<br />
Beispiele seien genannt: mehrere Messen für drei- und<br />
vierstimmigen Chor, Sammlungen von vierstimmigen<br />
Liedern, ein Lehrbuch für Choralbegleitung, Präludien<br />
und Fugen für Orgel. Die Krone seiner Marienminne bildet<br />
das große Oratorium „Mariä Heimgang" für Soli,<br />
gemischten Chor und Orchester. In einer Würdigung der<br />
Werke des P. Molitor heißt es: „ein reines sanftes Leuchten<br />
strahlt von ihnen aus, das die Herzen mit himmlischem<br />
Frieden erfüllt, liturgischer Geist, benediktinische<br />
Frömmigkeit." Prior G. Molitor ist 1926 in Beuron gestorben.<br />
Dr. Adolf Rösch, Erzb. Generalvikar<br />
Aus Veringenstadt. 1869 bis 1962. Nach mehrfach wechselnder<br />
Tätigkeit als Priester und Seelsorger im Anschluß<br />
an seine Priesterweihe (1894), zugleich unter Wahrnehmung<br />
eines Mandates als Abgeordneter Hohenzollerns<br />
im Preußischen Landtag, wurde Adolf Rösch 1908 an<br />
das Erzbischöfliche Ordinariat in Freiburg berufen. Er<br />
war, Doktor beider Rechte (Dr. jur. utr.) und Dr. h. c.<br />
der Theologischen Fakultät der Universität Freiburg,
Domkapitular, Päpstlicher Hausprälat, 1932 Generalvikar<br />
für die Erzdiözese Freiburg, von 1946 an als Generalvikar<br />
auf Hohenzollern beschränkt, 1934 Domdekan.<br />
Von seinen Publikationen seien genannt: „Die Beziehungen<br />
der Staatsgewalt zur katholischen Kirche in den Hohenzollernschen<br />
Fürstentümern 1800 bis 1850"; „Die<br />
Ehe im kirchlichen und bürgerlichen Recht"; „Ein neuer<br />
Historiker der Aufklärung (Professor Merkle). Zugleich<br />
ein Beitrag zur Geschichte der Aufklärung"; „Der Kulturkampf<br />
in Hohenzollern"; „Das religiöse Leben in<br />
Hohenzollern unter dem Einfluß des Wessenbergianismus".<br />
Dr. Bernhard Schäfer, Universitätsprofessor<br />
Aus Stetten unter Holstein. 1841 bis 1926. Ordination<br />
1866, Präfekt des Fidelishauses in Sigmaringen. 1870 bis<br />
1874 Lehrer am katholischen Privatobergymnasium in<br />
Breisach, bis Herbst 1875 an der neuerrichteten Privatlehreranstalt<br />
in Waldkirch. Von 1876 bis 1903 wirkte<br />
Schäfer als a. o. Professor der Exegese an der Theologischen<br />
Fakultät der Akadeijiie in Münster, von 1893 bis<br />
1904 war er ordentlicher Professor an der Universität<br />
Wien, der ersten Universität Österreichs, zugleich der ältesten<br />
im deutschen Raum. Neben seiner Lehrtätigkeit<br />
hat sich Dr. Schäfer in weitestem Umfang wissenschaftlichen<br />
und religiösen Schriften gewidmet. Seine zahlreichen<br />
Veröffentlichungen waren für die damalige Zeit<br />
richtungweisend. Aus der Fülle seiner Arbeiten sei hier<br />
nur das vierbändige Werk „Liturgische Studien zur Erklärung<br />
des Breviers und Missale" (1912/13) genannt.<br />
Schäfer war Fürsterzbischöflicher Rat und Konsultor<br />
der Kommission für biblische Studien ig Wien. Er verbrachte<br />
seinen Ruhestand in Beuron und ist dort 1926<br />
gestorben.<br />
Johannes Schmid, Chefredakteur<br />
Aus Trochtelfingen. 1891 bis 1968. Tätigkeiten als Verlagsleiter<br />
und ständiger Mitarbeiter bei Zeitungen in Dillingen,<br />
München, Regensburg, Frankfurt. Ab 1945 war<br />
J. Schmid Redakteur, ab 1952 Chefredakteur der<br />
Schwäbischen Zeitung in Leutkirch. Johannes Schmid<br />
war im deutschen Journalismus ein Redakteur von hohem<br />
Rang, geistreicher Feuilletonist und Meister der<br />
kleinen Form. Von seinen Einzelschriften seien genannt:<br />
„Tag für Tag", eine Sammlung seiner Glossen zum Zeitgeschehen";<br />
„Sechs Dutzend alte Geschichten"; „Die<br />
Muna", Erzählung aus der Nachkriegszeit; „Liubscha",<br />
Erzählung aus der Schwäbischen Alb; „Der Wirt vom<br />
Rosengarten", Erzählung; „Heimkehr", eine Erzählung.<br />
P. Dionysius Schuler, O.F.M., Titular-Erzbischof<br />
Aus Schlatt. 1854 bis 1926. Titular-Erzbischof von Nazianz.<br />
Pater Schuler wirkte, nach seiner Priesterweihe<br />
1878, von 1880 bis 1893 als Novizenmeister und in verschiedenen<br />
weiteren Funktionen in Nordamerika. Von<br />
1893 bis 1901 war er Provinzial der Thüringischen<br />
Franziskaner-Ordensprovinz, von 1903 bis 1911 Generalminister<br />
des ganzen Franziskaner-Ordens und damit<br />
Vorgesetzter aller Franziskaner. Von 1911 bis 1926 war<br />
Dionysius Schuler Titular-Erzbischof von Nazianz. Besonders<br />
große Verdienste erwarb er sich durch die Entfaltung<br />
zielstrebiger Initiativen zum Aufbau des Franziskaner-Ordens,<br />
Zur Vertiefung des klösterlichen Lebens<br />
und zur verstärkten Missionstätigkeit. Seine bedeutungsvollste<br />
Tat war die Zustimmung zum geplanten Umbau<br />
des Ordens auf dem Generalkapitel zu Assisi 1895. Erzbischof<br />
Schuler, Ehrenbürger seiner Heimatgemeinde<br />
Schlatt, ist im Kloster Gorheim, wo er von 1911 ab lebte,<br />
1926 gestorben.<br />
Gustav Steidle, Kunstmaler<br />
Aus Sigmaringen. 1873 bis 1944. G. Steidle, Kunstmaler,<br />
Denkmalpfleger und Restaurator, war Schüler von Hofmaler<br />
Gustav Bregenzer. Seine immer lyrisch betonten<br />
Landschaftsbilder aus unserem Raum, geschöpft aus dem<br />
unermeßlich kostbaren Born der Heimat, tragen einen<br />
feinen, beseelten Hauch der liebevollen Hingabe an die<br />
heimatliche Natur. Als Porträtis hat G. Steidle eindrucksvolle<br />
charakteristisch geprägte Bildnisse von einheimischen<br />
Persönlichkeiten geschaffen. In der Restaurierung<br />
von Kunstdenkmälern, besonders von Gemälden,<br />
hat er Hervorragendes geleistet. Im Diözesan-Museum in<br />
Rottenburg gelangen ihm wertvolle wissenschaftliche<br />
Entdeckungen. So hat er dort u. a. einen Meister aus Sigmaringen<br />
entdeckt. In einem Nachruf wird Gustav Steidle<br />
„ein bedeutender, hochgeschätzter Mensch und Künstler,<br />
der schlechthin unersetzlich ist", genannt.<br />
Dr. Roman Stelzer, Rektor und Direktor des Gymnasiums<br />
Hedingen. Ein Opfer des Kulturkampfes.<br />
Aus Tailfingen. 1821 bis 1879. In jungen Jahren Schüler<br />
des Gymnasiums Hedingen. Ab 1848 war Roman Stelzer<br />
- 27 Jahre alt - Rektor des Fürstlich Hohenzollernschen<br />
Gymnasiums Hedingen und ab 1850 erster Direktor<br />
des Königlich Preußischen Gymnasiums Hedingen-<br />
Sigmaringen. Er war eine überragende Gestalt unter den<br />
Leitern des Gymnasiums. 1868 hat er zum 50jährigen<br />
Jubiläum des Gymnasiums eine „Geschichte der Gründung<br />
und Entwicklung des Gymnasiums Hedingen 1818<br />
bis 1868" geschrieben. Zur 50Jahr-Feier wurde er vom<br />
König von Preußen mit dem Roten Adlerorden ausgezeichnet.<br />
Im Kulturkampf ist Dr. Stelzer mit Mut und<br />
vorbildlicher Uberzeugungstreue für die Belange des Katholizismus<br />
eingetreten. In den Spannungen mit seiner<br />
Dienstbehörde, die ihm durch sein Auftreten entstanden<br />
sind, lehnte er eine Versetzung als unerhörte Maßregelung<br />
ab und zog, verbittert, 1867 vorzeitig den Ruhestand<br />
vor. Gestorben ist R. Stelzer 1879 in Würzburg.<br />
Eine „Stelzerstraße" in Sigmaringen und eine solche in<br />
Trillfingen erinnern an den bedeutenden, aufrechten<br />
Pädagogen.<br />
Dr. theol. und phil. Friedrich Stegmüller, Universitätsprofessor<br />
Friedrich Stegmüller ist 1902 in Glatt geboren. Mit<br />
Ernst, Tiefgründigkeit und Leidenschaft widmete er sich,<br />
nach der Priesterweihe (1925) der Erforschung der Quellen<br />
der mittelalterlichen Scholastik. Aus diesem Wissensgebiet<br />
erwuchs seine Promotionsarbeit über die „Prädestinationslehre<br />
der Scholastik bis Thomas von Aquin".<br />
Die folgenden Jahre waren erfüllt von umfangreicher<br />
und wissenschaftlich gründlicher Forschungsarbeit in<br />
Spanien und Portugal. Es gelangen ihm aufsehenerregende<br />
Handschriftenfunde und die Entdeckung zahlreicher<br />
Quellenwerke für Philosophie- und Theologiegeschichte<br />
spanischer Universitäten. Das überreiche Lebenswerk des<br />
Gelehrten umfaßt rund 130 Monographien, Aufsätze<br />
und Rezensionen. Als Mitarbeiter, in den meisten Fällen<br />
als Leiter, war er in Arbeitskreisen für die Edition zahlreicher,<br />
oft vielbändiger Standardwerke der Theologie<br />
beteiligt. Neben der Forschungstätigkeit widmete sich<br />
Dr. Stegmüller mit seiner ganzen Kraft den Pflichten als<br />
theologischer Lehrer. Er war Repetitor im Collegium<br />
Borromäum 1929 bis 1933, Professor für Dogmatik in<br />
Würzburg ab 1936 und in Freiburg ab 1949, Dekan der<br />
Theologischen Fakultät der Universität Freiburg und in<br />
weiteren ehrenvollen Stellungen. Für seine außergewöhnlich<br />
erfolgreiche und wertvolle Forschungstätigkeit hat<br />
Dr. Stegmüller zahlreiche Ehrungen erfahren.<br />
29
Dr. theol. Heinrich Straubinger, Universitätsprofessor<br />
Aus Salmendingen. 1878 bis 1955. 1901 war seine Priesterweihe,<br />
1903 seine theologische Promotion. 1902<br />
wirkte H. Straubinger als Präfekt im Fidelishaus Sigmaringen.<br />
Nach einjährigem Studienaufenthalt in Rom war<br />
er zunächst in der Seelsorge tätig; 1908 wurde er Privatdozent<br />
an der Theologischen Fakultät der Universität<br />
Freiburg, 1909 a. o. Professor für Apologetik, 1918 Ordinarius<br />
für Apologetik und Religionswissenschaft an<br />
der Freiburger Fakultät. 1941 bekam er die Ehrenstellung<br />
als Päpstlicher Hausprälat. 41 Jahre lang hat<br />
Dr. Straubinger in die Grundwahrheiten der Religion<br />
und Fundamentaltheologie eingeführt. Seine Arbeiten<br />
u. a. über Religionsgeschichte, Religionspsychologie und<br />
Anthropologie sind von dauerndem Wert. Als Beispiele<br />
seien folgende Schriften genannt: „Grundprobleme der<br />
christlichen Weltanschauung" (1911); „Die Religion und<br />
ihre Grundwahrheiten in der deutschen Philosophie seit<br />
Leibniz" (1919); „Apologetische Zeitfragen" (1925);<br />
„Einführung in die Religionsphilosophie" (1929); „Lehrbuch<br />
der Fundamentaltheologie" (1936); „Religionsphilosophie<br />
mit Theodizee" (1949). Dr. Straubinger wurde<br />
1949 emeritiert.<br />
Dr. theol. Anton Vögtle, Universitätsprofessor<br />
Anton Vögtle ist 1910 in Vilsingen geboren. Die Promotion<br />
zum Dr. theol. war 1935, die Ordination 1936.<br />
JOH. WANNENMACHER<br />
Wissenswertes über mundartliche Redensarten und Ausdrücke<br />
Es ist auffallend, daß in den letzten Jahren das Landsmannschaftliche<br />
in zunehmendem Maße wieder in den<br />
Mittelpunkt gerückt wird. Vergessene Mundartdichtung<br />
wird ans Tageslicht gehoben, in Theaterstücken, bei Festen<br />
und Feiern, Brauchtumsveranstaltungen usw. bedient<br />
man sich ausgiebig der Mundart. Es handelt sich<br />
hierbei nicht um eine Modewelle. Die Gründe hierfür<br />
liegen tiefer. Technisierung und Rationalisierung in allen<br />
Lebensbereichen nehmen oft wenig Rücksicht auf Herz<br />
und Gemüt, machen die Menschen innerlich einsam, kalt<br />
und leer. Der Mensch spürt diese Leere, will wieder ganz<br />
Mensch sein. Er sucht das Bodenständige, Gewachsene an<br />
dessen Urwüchsigkeit und Ganzheit er sich erfreuen und<br />
worüber er auch von Herzen lachen kann.<br />
In der Mundart sind feinste seelische Stimmungen und<br />
Gemütswerte verborgen, die sofort von Mensch zu<br />
Mensch Verbindung schaffen, Ruhe und heimatliche<br />
Verbundenheit ausstrahlen. Nachstehend einige Proben:<br />
Da hört man: „"Wenn ebbes auwert ischt, no muaß ma's<br />
am ärgschta heba!" Welche Lebenswahrheit liegt in diesem<br />
Sprichtwort! Auf eine Zeit, da viele Leute irgend<br />
eine Sache nicht mehr achten, schätzten, oft lieblos zerstören<br />
oder wegwerfen, kommen mal wieder Tage und<br />
Jahre, da man diese Dinge wieder schätzt, sucht, und<br />
sich an ihnen herzlich erfreut. Es sei nur erinnert an das<br />
alte Spinnrad, die Kunkel, alte Möbel, Zuggeschirr und<br />
dergleichen mehr. - „Bei da Alta ischt ma guat ghalta!"<br />
Heiratet mal eine ehrenwerte junge Frau einen älteren<br />
Herrn, so sieht man da und dort verständnislos die<br />
Nase rümpfen. Aber einsichtige Leute urteilen so, wie<br />
das Sprichtwort sagt. Das Alter bringt eben viele Werte<br />
und Erfahrungen mit sich, die den Beziehungen von<br />
Mensch zu Mensch besonders zugute kommen, deren Zusammensein<br />
liebevoll verstehend bereichern, Ruhe und<br />
30<br />
Nach Kriegsdienst und Gefangenschaft konnte er sich<br />
wieder der Seelsorge und dem Weiterstudium widmen.<br />
Der Habilitation mit dem Thema: „Der Menschensohn"<br />
folgte die Berufung als ordentlicher Professor für neutestamentliche<br />
Exegese an die Theologische Fakultät der<br />
Universität Trier, später die Berufung als Ordinarius für<br />
neutestamentliche Exegese an die Universität Freiburg.<br />
Seit 1972 ist Dr. Vögtle ordentliches Mitglied der Heidelberger<br />
Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-<br />
Historische Klasse. Er gehört zu den bedeutendsten katholischen<br />
Exegeten der Gegenwart. Die Kraft seines<br />
Wirkens strahlt weit in den kirchlichen Raum hinein.<br />
Anton Vögtle gewann internationalen und interkonfessionellen<br />
Ruf, weil er keinen noch so schwierigen Fragen<br />
ausweicht, sich vielmehr diesen mit äußerstem Methodenbewußtsein<br />
und mit letzter Akribie stellt. Viele einzelne<br />
Beiträge gelten heute weit über den katholischen<br />
und den deutschsprachigen Raum hinaus jeweils als „ein<br />
Meisterstück kritischer Exegese". (So der evangelische<br />
Exeget Ferdinand Hahn.) (Konradsblatt der Erzdiözese<br />
Freiburg Nr. 51/52 vom 21. 12. 1975.) Von seinen zahlreichen<br />
Schriften aus seiner schriftstellerischen Tätigkeit<br />
seien genannt: die Aufsatzsammlung „Das Evangelium<br />
und die Evangelien", „Das Neue Testament und die Zukunft<br />
des Kosmos", „Messias und der Gottessohn", „Das<br />
Neue Testament und die neue katholische Exegese"<br />
(3 Bände). Dr. A. Vögtle ist Domkapitular, Prälat und<br />
Ehrenbürger seiner Heimatgemeinde Vilsingen.<br />
Zufriedenheit sichern. - Und wer es mit der ehelichen<br />
Treue nicht immer so ganz genau nimmt, bei Gelegenheit<br />
heimlich auch einmal den Partner wechselt und vom geraden<br />
Wege abweicht, - „dear goht neabet naus!" Wie<br />
kurz und treffend sagt dies der Volksmund, und mit einem<br />
verschmitzten Lächeln und vielsagendem Augenzwinkern<br />
wird dieses Tun so gelegentlich von Mund zu<br />
Mund weitergegeben! Und wenn eine Dorfschöne es<br />
ganz besonders auf einen gewissen Partner abgesehen<br />
hat, so wird dieser mitunter ganz unauffällig aber mit<br />
aller Schlauheit und Klugheit - „eizeislat" oder „eizammslet,<br />
eizoaglet" -, d. h. für sich gewonnen. Auf<br />
die gleiche Art werden auch gewisse Leute, von denen<br />
man sich allgemein einen Nutzen verspricht, da und dort<br />
mit Gefälligkeiten aller Art eizeislat oder eizoaglet.<br />
Bei Erkältung und Schnupfen tropft hie und da die<br />
Nase. Diese geringe Flüssigkeit nennt man „Nasawasser".<br />
Es ist meistens nicht viel. Wenn jemand also von irgend<br />
einer Sache nicht viel bekommen hat oder eine Arbeit<br />
ganz leicht ist, dann kann man hören: „Ho, was i<br />
krieagt hau, ischt nau a Nasawasser"- oder „gibs hear<br />
diea Arbet ischt schnell gmacht, dös ischt jo nau a Nasawasser!".<br />
- „Mach könne Fisamadenta!", hört man sagen<br />
wenn einer aufschneidet, ein läppisches Gehabe an<br />
den Tag legt oder sich zu großspurig gebärdet. Die Redensart<br />
enthält eine gewisse Verachtung und zugleich die<br />
Mahnung an den Betreffenden, bescheidener zu sein.<br />
„Dear (diea) ischt abgschlaga wie-a Pferchstotza!" das<br />
heißt, weiß Vorteile und günstige Gelegenheiten ganz<br />
besonders wahrzunehmen, zu sehen, und andern gegenüber<br />
schlau und pfiffig auszunützen. Der „Pferchstotza"<br />
kommt aus der Arbeitswelt der Schäfer. Früher gab es<br />
noch mehr Schafherden als heute, und in zahlreichen
Gemeinden sah man nahezu das ganze Jahr über eine<br />
Schafherde. Tagsüber weidete der Schäfer seine Herde<br />
auf der Schafweide, meist gemeindeeigenem Wiesenland.<br />
Am Abend trieb er dann die Schafe von Frühjahr an bis<br />
in den Herbst auf einen Acker. Da schlug man zuerst<br />
Holzpfähle in den Boden und verband diese mit einem<br />
Holzzaun. In das so umzäunte Ackerstück kamen dann<br />
die Schafe über Nacht, um den Acker zu düngen. Das<br />
nannte man den „Pferch", der jeweils am Sonntagmorgen<br />
nach dem Gottesdienst von den Interessenten vor<br />
dem Rathaus ersteigert werden konnte. Die Pfähle, die<br />
man in den Boden schlug, hießen „Pferchstotza". Vom<br />
vielen Gebrauch waren sie meist ganz abgeschlagen, zerfetzt<br />
und zersplittert, wichen von ihrer ursprünglichen<br />
Form ab, hielten aber zäh durch und erfüllten ihren<br />
WALTHER FRICK<br />
Mengen diesseits und jenseits der Ablach<br />
Ein Nachtrag zum Stadt- und Narrenfest mit 700-Jahr-Feier<br />
Die Stadt Mengen hat die verflossene Fasnet dazu benutzt,<br />
ein Fest besonderer Art zu feiern. Sie nannte es in<br />
Festschrift und -reden „700 Jahre Brauchtum" und<br />
knüpfte an am Marktrecht, das sie von Albrecht, dem<br />
Sohn Rudolfs von Habsburg, im Jahre 1376 erhielt. Das<br />
Entscheidende daran ist, daß der Markt nicht nur als<br />
Einrichtung seither bestand (andere Städte haben das<br />
auch), sondern daß die Mengener Narren aus dem Markt<br />
auch ein Brauchtum gemacht haben, wenn auch erst in<br />
allerletzter Zeit. Sie halten „auf dem Hof", dem Platz<br />
vor der Marien-, der westlichen Kirche Mengens, eine<br />
Art Flohmarkt an einem der Fastnachtstage und haben<br />
den fest in ihr Brauchtum eingebaut.<br />
Zuvor sei den Sprachforschern unter den Lesern aber<br />
eine Nuß zu knacken gegeben: die Mengener Narren<br />
nennen sich „Ditzeledee", und das soll ein heute verschollener<br />
Ausdruck sein für einen fröhlichen Trinker,<br />
Possenreisser, Hocker, für eine jener Figuren also, von<br />
denen etwa die Zimmernische Chronik so wimmelt. Dem<br />
Schreiber dieser Zeilen war der Ausdruck bisher unbekannt.<br />
Vielleicht weiß jemand, wo er noch gebraucht<br />
wird und was seine Wurzeln sind.<br />
Das runde Datum mit den 700 Jahren sei aber hier Anlaß,<br />
ein wenig die Geschichte Mengens zu beleuchten,<br />
das ja nun auch zum Kreis Sigmaringen gehört. Bei diesem<br />
Anlaß wird übrigens wieder einmal deutlich, daß<br />
der Titel dieses Blattes „Hohenzollerische Heimat" eigentlich<br />
zukünftig in den Untertitel gehören sollte, wie<br />
„Hohenzollerische Landesbank" jetzt Untertitel zu Bezeichnung<br />
„Kreissparkasse Sigmaringen" wurde, jedenfalls<br />
im Bereich der früheren Kreissparkasse Saulgau, zu<br />
der auch Mengen gehörte. Wie unser Blatt dann im<br />
Obertitel heißen soll, das muß gründlich überlegt werden.<br />
- In Mengen hat immer, und ohne Abwertung sei's<br />
gesagt, eine ganz andere, weitere Luft geweht wie in den<br />
von Theo Hornberger so liebevoll beschriebenen hohenzollerischen<br />
Städten. Mengen war immer eine Fuhrmannsstadt,<br />
und es mutet geradezu symbolisch an, daß<br />
die beiden ältesten Funde von Wagen gerade hier gemacht<br />
wurden. Mengen liegt an der alten Groß-Straße<br />
darf man wohl sagen von Ulm nach Schaffhausen. Das<br />
war eine Straße der Handels- und der Kriegszüge. Kaiser<br />
zogen auf ihr entlang, und sicherlich geht sie in keltische<br />
oder noch frühere Zeiten hinab. Mengener Fuhrleute<br />
waren originelle Gestalten wie jener Mann, den man<br />
im vergangenen Jahrhundert nur den „Gangrasagi"<br />
Zweck. Wer also von den Menschen „abgschlaga ischt<br />
wiea a(n) Pferchstotza", weicht von den sonst normalen<br />
Verhaltensweisen oft erheblich ab, ist schlau und pfiffig<br />
- erreicht aber trotzdem, wenn auch auf Umwegen -<br />
sein Ziel.<br />
In der Mundart wird die Stube nicht ausgefegt, sondern<br />
„ausgfurbet". Der Dreck, das „Kudder" - kommt auf<br />
die Kudderschaufel, dann in den Kuddereimer und<br />
nachher auf den Kudderhaufen. - Worte wie: Müll,<br />
Mülleimer und Mülltonne haben sprachlich in der Mundart<br />
noch keine seelische Nähe gefunden.<br />
Die Mundart ist ganz wertvolles und interessantes<br />
Sprachgut. Sie bildet mit den Menschen, ihrer Umwelt<br />
und Landschaft eine gewachsene, urtümliche und deswegen<br />
so wirkungsvolle Einheit.<br />
nannte. Der mochte nämlich Kinder, unter seiner rauhen<br />
Schale, und weil die immer auf seinem Wagen herumkletterten,<br />
jagte er sie nicht weg, sondern sagte nur<br />
„Gang ra, sag i!" (Geh herunter, sage ich). Man spürt<br />
noch heute, obwohl es auf den „Flachsäckern" längst<br />
keinen Flachs mehr gibt, dafür aber einen Großmarkt,<br />
eine Maschinenfabrik und ein halbes Dutzend anderer<br />
mittelständischer Betriebe, daß Mengen eine Handwerker<br />
-und Handelsstadt ist. Den Unterschied zu Sigmaringen<br />
- heute ist das in der Residenz allerdings auch<br />
nicht mehr so - hat mein Englisch- und Französischlehrer,<br />
der Sigmaringer Studienrat Anton Haas treffend<br />
einmal so formuliert: „Geht in Sigmaringen ein einfacher<br />
Mann abends zum Bier, dann zieht er sich ein<br />
Hemd an und einen Rock, und geputzte Schuh, in Mengen<br />
kommt der Fuhrmann im Kittel und der Schmied im<br />
Lederschurz!". Vergleicht man den Kern von Mengen,<br />
zwischen seinen beiden Kirchen und der „Katzed" und<br />
dem „Alten Fuchs" mit dem Kern der hohenzollerischen<br />
Städte, dann sieht man, daß deren Marktplätze (darunter<br />
so winzige wie der von Veringenstadt oder Hettingen)<br />
fast alle darin Platz hätten. Auch darin manifestiert<br />
sich die Marktstadt-Bedeutung dieser vorderösterreichischen<br />
Donaustadt.<br />
Es gibt zwei Mengen, daher der Titel dieses Aufsatzes,<br />
nämlich „Vrie mengen", die freie Stadt und Mengen<br />
„ennet aach", jenseits der Aach, gemeint ist die Ablach.<br />
Aus „ennet Aach" wurde schon lange Ennetach. Interessant<br />
ist die Aussprache, denn die Einwohner sagen „Jannedaa",<br />
mit dem Ton auf den beiden aa. Und noch heute<br />
hört man auf dem Land auf die Frage: wo ist das und<br />
jenes? die Antwort: „janned", das heißt: dort drüben. -<br />
Ennetach ist älter, es gab dort ein römisches Lager, ein<br />
„Lagerdorf", wie der Mengener Heimatforscher Walter<br />
Bleicher es nennt. Das Mengener Heimatmuseum - vorbildlich<br />
in der einstigen „Post" untergebracht — birgt<br />
römische Altarsteine und Mosaikreste römischer Bäder.<br />
Bleicher nimmt auch interessanterweise an, daß Ennetach<br />
den Alemannensturm von 260 überstand und als „Siedlungsinsel"<br />
noch lange bestehen blieb, in friedlicher Ko-<br />
Existenz offenbar mit den neuen Bewohnern. (Solche Inseln<br />
gab es vielleicht mehrere, auch der ganze Bodensee<br />
gehörte dazu, denn im Jahre 400 gab es noch einen römischen<br />
Admiral für den See.)<br />
Die heutige Stadt Mengen ist alemannisch, denn der<br />
Name führt irre: es heißt ursprünglich Maigingen,<br />
31
Maiingen, Meiingen, vermutlich also die Siedlung von<br />
Leuten, die zu einem Mag(?), Mago(?) oder so ähnlich<br />
gehörten. Später gab es einen fränkischen Herzogshof<br />
hier, von dem noch die „Herzogsmühle" zeugt. Auch<br />
Sankt Martin als Patron der Hauptkirche deutet ja auf<br />
die Franken. Nach der Schlacht von Cannstatt zogen die<br />
Karolinger das Herzogstum ein und machten daraus ein<br />
Königsgut mit einem Königshof, dessen Ursprung die<br />
vorhin erwähnte „Katzed" sein soll. „Katzed" und „Alter<br />
Fuchs" sind sehr interessante Bauten, ziemlich gleich,<br />
und im Mittelalter die Nordost- und die Südost-Befestigung.<br />
Es sind hohe Giebelhäuser, Mitteldinge zwischen<br />
Befestigungstürmen und Familiensitzen. Der „Alte<br />
Fuchs" war tatsächlich lange Zeit später Sitz einer<br />
Adelsfamilie. Was er heute ist, seit wenigen Monaten,<br />
verdient Nachahmung: Völlig und wunderbar restauriert,<br />
mit sichtbarem Fachwerk außen wie innen, Alten-<br />
Tagesstätte, Konzertsaal und Stadtbücherei. - Karl der<br />
Große muß übrigens Ennetach sehr gewogen gewesen<br />
sein, und wenn man das damals war, schenkte man Reliquien.<br />
Das tat auch er, und nach ihnen ist die Ennetacher<br />
Kirche noch immer den Heiligen Cornelius und<br />
Cyprian geweiht. Diese gotische Kirche von heute ist übrigens,<br />
für ein so kleines Dorf, ein ganz gewaltiges Bauwerk.<br />
Karls Sohn, Ludwig der Fromme, verschenkte Mengen<br />
an das Stift Buchau. 200 Jahre später schenkte Peregrin<br />
von Hoßkirch, der Legende nach Gründer des Klosters<br />
Beuron, diesem aus dem Reichsgut Mengen die „obere<br />
Mühle". Sojedenfalls berichtet in einem noch ungedruckten<br />
Manuskript Gewährsmann Bleicher. Es klingt<br />
ein wenig sonderbar, daß ein lokaler Graf Reichsgut<br />
sollte vergeben können. Auch was die Besitzverhältnisse<br />
der Goldines-Huntare und des später aus ihr entstandenen<br />
Ratoldesbuch angeht, wobei man bisher immer<br />
glaubte, daß Sigmaringen der Mittelpunkt beider Herrschaftsbereiche<br />
gewesen sei, hat Bleicher eigene Ansichten.<br />
Vorsichtshalber zitiere ich ihn im folgenden wörtlich.<br />
„Nachdem sich zu Beginn des 10. Jahrhunderts nach<br />
dem Hunneneinfall wieder Stammesherzogtümer gebildet<br />
hatten, waren es vor allem die Herzöge von Schwaben,<br />
die ihren Einfluß geltend machten. Graf Ulrich VI.,<br />
Graf in Rätien, der mit ihnen (den Veringer Grafen) in<br />
verwandtschaftlicher Beziehung stand, war der Stammvater<br />
der Grafen von Bregenz. Aus seinem Erbe erhielt<br />
sein Sohn Ulrich u. a. die Goldines-Huntare (950-973),<br />
die (973-982) sein Bruder Adalbert innehatte. Dessen<br />
HOHENZOLLERISCHE HEIMAT<br />
herausgegeben vom Hohenzollerisdien <strong>Geschichtsverein</strong><br />
in Verbindung mit den Staatlichen<br />
Schulämtern. Verlag: <strong>Hohenzollerischer</strong><br />
<strong>Geschichtsverein</strong> 748 Sigmaringen,<br />
Karlstr. 3. Druck: M. Liehners Hofbuchdruckerei<br />
KG, 748 Sigmaringen, Karlstr. 10.<br />
Die Zeitschrift „Hohenzollertsche Heimat'<br />
ist eine heimatkundliche Zeitschrift. Sie<br />
will besonders die Bevölkerung in Hohenzollern<br />
mit der Geschichte ihrer Heimat<br />
vertraut machen. Sie bringt neben fachhistorischen<br />
auch populär gehaltene Beiträge<br />
aus der Geschichte unseres Landes.<br />
Sie veröffentl. bevorzugt Beiträge, die im<br />
Schulunterricht verwendet werden können.<br />
Bezugspreis: 3,00 DM halbjährlich<br />
Konten der „Hohenzollerisdien Heimat":<br />
802 507 Hohenz. Landesbank Sigmaringen<br />
123 63 Postscheckamt Stuttgart<br />
32<br />
Besitz wurde, vermutlich 982, in eine Pfullendorfer und<br />
eine Bregenzer Linie geteilt. Die Goldines-Huntare war<br />
im folgenden Jahr in der Hand des Grafen Marquart,<br />
der als Bruder Adalberts angesehen wird. Schon 994<br />
scheint unsere Huntare aufgelöst und in Vogteien umgewandelt<br />
zu sein. Als Kaiser Heinrich II. (1002-1024)<br />
nach dem frühen Tod des Schwabenherzogs Hermann<br />
für dessen unmündigen Sohn die Herrschaft über Schwaben<br />
und damit freie Hand hatte, Veränderungen durchzuführen,<br />
übertrug er dem Grafen Wolfrad I. von Altshausen-Veringen<br />
und dessen Sohn die Grafschaft Eritgau,<br />
in welche bald danach die Muntarichs-Huntare eingegliedert<br />
wurde. Für die frühere Goldines-Huntare erscheint<br />
nun die Bezeichnung ,Ratoldesbuch'". Soweit das<br />
Zitat.<br />
1070 hielt Kaiser Barbarossa einen Hoftag in Mengen,<br />
und sechs Jahre später erhielt die Stadt die Verfassung<br />
von Freiburg, wurde Stadt und gab damit das Stichwort<br />
zu der jetzigen 700-Jahr-Feier. Lange Zeit war Mengen<br />
dann eine der fünf Donaustädte Vorderösterreichs, ehe<br />
es mit Oberschwaben zu Beginn des 19. Jahrhunderts<br />
württembergisch wurde. Mengen und Ennetach sind heute<br />
eine Gemeinde, und zwischen beiden steht als vermittelndes<br />
Glied die „Ablach-Schule", die gemeinsame<br />
Grund- und Hauptschule.<br />
Buchbesprechung<br />
Die Autoren dieser Nummer:<br />
]oh. Adam Kraus, Erzb. Archivar i. R.,<br />
7800 Freiburg i. Br., Badstr. 2<br />
Maximilian Schaitel (f)<br />
Manfred Hermann, Pfarrer,<br />
7451 Neufra/Hhz.<br />
Josef Mühlebach, Landesverw.-Rat a. D..<br />
7480 Sigmaringen, Leopoldstr. 41<br />
Joh. Wannenmacher, Schulrat i. R.,<br />
7487 Gammertingen, Goethestr.<br />
Walther Frick, Journalist,<br />
7480 Sigmaringen, Hohe Tannen 4<br />
Schriftleitung:<br />
Dr. med. Herbert Burkarth,<br />
7487 Gammertingen<br />
Museen in Baden-Württemberg<br />
Dieses sehr nützliche Buch wurde am 1. April 1976 der<br />
Öffentlichkeit vorgestellt. Wer hätte es geahnt, in Baden-<br />
Württemberg gibt es 346 Museen. Nicht nur die herkömmlichen<br />
kultur- und kunsthistorischen Museen, sondern<br />
spezielle, wie Daimler-Benz-Museum, Feuerwehrund<br />
Brotmuseum. Von Aalen bis Zell am Harmersbach<br />
ist hier alles zu finden, mit Öffnungszeiten, Eintrittspreisen,<br />
Literatur usw. Eine Übersichtskarte erleichtert<br />
die rasche Information. 95 ausgewählte Fotos geben<br />
einen eindrucksvollen Querschnitt durch die vorgestellten<br />
Museen.<br />
Wer einen Wochenendausflug plant, tut gut daran, das<br />
handliche Büchlein zu Rate zu ziehen. Vielleicht wird er<br />
in seiner Umgebung Dinge entdecken, von denen er<br />
bisher nichts ahnte.<br />
Erschienen im Konrad Theiss Verlag, Stuttgart und<br />
Aalen. Preis DM 19.80.<br />
Redaktionsaussd)u ß:<br />
Hubert Deck, Konrektor<br />
745 Hediingen, Tübinger Straße 28<br />
Telefon (07471) 2937<br />
Walther Frick, Journalist<br />
748 Sigmaringen, Hohe Tannen<br />
Telefon (07571) 8341<br />
Die mit Namen versehenen Artikel geben<br />
die persönliche Meinung der Verfasser<br />
wieder; diese zeidinen für den Inhalt<br />
der Beiträge verantwortlich. Mitteilungen<br />
der Schriftleitung sind als solche gekennzeidinet.<br />
Manuskripte und Besprechungsexemplare<br />
werden an die Adresse des Schriftleiters<br />
oder Redaktionsausschusses erbeten.<br />
Wir bitten unsere Leser, die „Hohenzollerisdie<br />
Heimat" weiter zu empfehlen.
Winterlingen von Südosten<br />
FRITZ SCHEERER<br />
HÖH ENZOLLERISCHE<br />
HEIMÄT<br />
Herausgegeben com<br />
Aus der Geschichte von Winterlingen, Benzingen und Harthausen<br />
Winterlingen mit seinen Ortsteilen Benzingen und Harthausen<br />
liegt auf der Hochfläche der Alb. Dabei gehören<br />
ihre Markungen nicht nur der Kuppenlandschaft der<br />
Hochalb, sondern in den südlichen Teilen auch der Flächenalb<br />
an, einem flachen, offenen Land mit weiten Akkerflächen,<br />
wahrend die höher gelegene Kuppenalb mit<br />
ihrer unruhigen Hügelwelt fast ganz dem Wald gehört.<br />
Zwischen den Kuppen laufen verlehmte Gründe und<br />
Wannen, bei Winterlingen um „Bergle", „Dürrenbühl"<br />
und „Oschle" im Winterlinger Tal aus, auf Harthauser<br />
Markung im „Schorren" ins Harthauser und Heutal,<br />
heute Trockentäler, einst in kleinen Trichtern ins tertiäre<br />
Meer mündend. In einer kleinen, aber wohl ausgeprägten<br />
Stufe bricht die Kuppenalb zur Flächenalb ab. Diese<br />
W <strong>3828</strong> F<br />
Hohenzollerilchen Gefdiichteoerein<br />
26. Jahrgang Nr. 3/September 1976<br />
Foto: M. Hermann<br />
Stufe läßt sich weithin als Küstensaum eines untermiozänen<br />
Meeres (Burdigalliff) nachweisen. Der Abfall beträgt<br />
rund 30 m (Fachberg bei Winterlingen 832 m und<br />
„Bühl", der schon zur Flächenalb gehört, 799 m). Der<br />
Küstensaum greift um den Fachberg herum und stößt<br />
über Harthausen nach Neufra-Gammertingen vor.<br />
Wie auf der Kuppenalb bilden auch auf der Flächenalb<br />
die Massenkalke (meist verkarstet) den Untergrund. Nur<br />
tritt vor allem bei Winterlingen, teilweise auch bei Harthausen<br />
und Benzingen, eine bis 30 m mächtige Decke<br />
tertiärer Gesteine hinzu. Sie liegt auf den breiten, ebenen<br />
Platten und besteht aus Meeressanden und darunterliegenden<br />
Tonmassen und Geröllpackungen kartoffelgroßer<br />
Kalkgerölle, die einst auf der nach Südosten fallenden
Albhochfläche abfließende Gewässer im Miozänmeer<br />
hier abgelagert haben. Infolge ihrer den Kalkuntergrund<br />
dichtenden, die Feuchtigkeit haltenden Böden ist die<br />
Decke gesuchtes Ackerland und bietet durch das in den<br />
Kiesen gespeicherte Grundwasser günstige Siedlungsplätze.<br />
Deshalb häufen sich hier Siedlungen: Blättringen,<br />
Benzingen, Winterlingen, auf der Gegenseite der Schmiecha<br />
Fronstetten, Nusplingen (Hardt) und Stetten am<br />
kalten Markt. Die Winterlinger konnten sogar ihre Hülbe<br />
zu einem See, einem Schwimmbad ausbauen.<br />
Die Bodennutzung entspricht den Geländeformen. Doch<br />
Flurnamen auf der Winterlinger Markung beweisen, daß<br />
nicht immer geschlossene Waldungen in der Kuppenalb<br />
vorhanden waren. „Auchten" (Nachtweide), „Langer<br />
Trieb", „Hagenrain", „Kühstelle", ebenso „Breitenhardt",<br />
„Egenhardt" auf Harthauser und „Steinkenhardt"<br />
auf Benzinger Markung („Hardt" = Weidewald)<br />
weisen auf Weide hin oder „Alter Hau", „Unterer Hau"<br />
auf Harthauser Markung und „Storzwang", „Obere"<br />
und „Hintere Häuen" bei Winterlingen auf Rodung.<br />
Hier sind nur die zwei kleinen Fluren „Oschle" und<br />
„Bändle" und bei Harthausen „Bierendorf" heute noch<br />
Ackerflur, während alles übrige im letzten Jahrhundert<br />
meist in Nadelwald umgewandelt wurde.<br />
Nachdem wir die natürlichen Verhältnisse kurz skizziert<br />
haben, wollen wir die ersten Spuren der Menschen auf<br />
diesen Höhen (Winterlingen 788 m, Harthausen 726 m<br />
und Benzingen 770 m) verfolgen.<br />
Aus der Vor- und Frühgeschichte<br />
In der Höhle auf dem Rücken der „Kühstelle" (Kuhställe)<br />
nordnordwestlich Winterlingen, auf der Westseite der<br />
Straße nach Bitz fanden sich Knochenreste von Wildpferd,<br />
Wollnashorn und Höhlenbär, ein Mammutbakkenzahn,<br />
also von Tieren, die vor rund 20 000 Jahren<br />
lebten. Daß die Jäger der Eiszeit die Höhle aufgesucht<br />
haben, beweisen Steingeräte. Das Bruchstück eines Ovalbeils<br />
aus Quarzit von der „Weidenhalde" muß von Menschen<br />
der Jungsteinzeit stammen (etwa 4000-1800 v.<br />
Chr.).<br />
Bekannt, fast einmalig, ist der Winterlinger Depotfund<br />
der Spätbronzezeit mit seinen bronzenen Beilen, Sicheln<br />
und Messern, der sich heute im Landesmuseum befindet.<br />
Bronzezeitliche Funde wurden auch bei Harthausen in<br />
den „Wiesleäcker" in zwei Grabhügeln gemacht. Es müssen<br />
also schon in vorgeschichtlicher Zeit zwischen 1800<br />
und 1200 v. Chr. hier Siedlungen bestanden haben.<br />
Einer jüngeren Periode, der Hallstattkultur (nach Hallstatt<br />
im Salzkammergut so genannt), gehören zu Harthausen<br />
vier ausgegrabene Grabhügel im „Koppelauwald"<br />
an, die schon Eisengegenstände (Fußring, Lanzenspitzen)<br />
enthielten. Ähnlich ist es bei den 12 Grabhügeln<br />
bei Winterlingen am Westfuß des „Dürrenbühl" an der<br />
Straße nach Bitz, wo sich in einem Hügel sogar ein vierrädriger<br />
Wagen, Messer und Tonteller fanden.<br />
Um das Jahr 75 n. Chr., als die Römer ihre Reichsgrenze,<br />
die bis dahin der Donau entlang verlief, auf den<br />
Nordwestrand der Alb vorschoben, kamen sie auch in<br />
unsere Gegend. Dem Albrand entlang errichteten sie eine<br />
Kastell-Linie und eine Straße, den sogenannten Alblimes.<br />
Von der Donau bei Laiz bauten sie eine Verbindungsstraße<br />
zum Neckar bei Sulz. Diese verlief weithin auf<br />
dem Rücken zwischen Schmeien- und Laucherttal nordwärts<br />
(heute „Hochsträß") bis zur Straßenbiegung westlich<br />
Benzingen und 2,7 km geradlinig nordwärts durch<br />
34<br />
die heutige Winterlinger „Römerstraße", um am<br />
„Schloßwäldchen" ins Schmiechatal nach Straßberg<br />
(Name!) hinabzusteigen. Von Straßberg zog sie über<br />
Ebingen zum Erdkastell auf der Wasserscheide bei Lautlingen<br />
und weiter zum Straßenknotenpunkt Häsenbühl<br />
bei Isingen, wo sich in 16 km Entfernung vom Kastell<br />
Sulz mindestens ein Rasthaus, wenn nicht ein Kastell befand.<br />
Die nächste Station war in 18 km Entfernung bei<br />
Lautlingen/Ebingen und dann 14 km weiter bei Winterlingen.<br />
In und bei der Flur „Herdweg" fanden sich Reste<br />
der Raststätte: eine Zisterne mit Knochen, Käseschüsseln,<br />
Bronzemünzen, Sigillata-Reste von Bilderschüsseln<br />
usw.<br />
Etwa von der heutigen Straßengabel südöstlich Winterlingens<br />
an zog die Römerstraße Inzigkofen-Burladingen<br />
nordnordwestwärts über Bitz und Hermannsdorf zum<br />
Kastell Burladingen, das längeren Bestand hatte. Im<br />
Winkel dieser zwei Römerstraßen legten dann die Alamannen<br />
Winterlingen an.<br />
Die Alamannen nehmen Besitz von der Gegend<br />
Um 260 kam unser Land endgültig in germanischen Besitz.<br />
Der alte Kulturboden wurde unter Meidung der römischen<br />
Siedlungsstätten in Bearbeitung genommen. Damit<br />
wurde die siedlungsmäßige Grundlage für das heutige<br />
Gesicht des schwäbischen Landes geschaffen. Auf der<br />
Hochfläche zwischen Schmiecha und Lauchert entstanden<br />
die -ingen-Orte Blättringen, Benzingen, Winterlingen,<br />
im Schmiechatal Storzingen, Kaiseringen, Ebingen,<br />
Truchtelfingen, Tailfingen, Onstmettingen, im Laucherttal<br />
bzw. Fehlatal Burladingen, Gauselfingen, Gammertingen,<br />
Hettingen, Hermentingen, Veringen usw. Dies<br />
sind Ortsnamen, die fast alle einen Personennamen enthalten,<br />
so in Tailfingen, das 793 als Dagoluinga erwähnt<br />
wird, den Personennamen Dagolf = Tagwolf oder in<br />
Ebingen Ebo. Ob bei Winterlingen das Bestimmungswort<br />
vom Personennamen Wintarful oder Vidrapul herstammt,<br />
ist fraglich. 842 lautete der Ortsname Wintarfulinga<br />
und 793, wenn es sich hier um Winterlingen handelt,<br />
Winterfilisninga, wo „Winter" vielleicht das nördlich<br />
höher gelegene Filisninga = im andern Vilsingen bedeutet<br />
im Vergleich mit Vilsingen bei Sigmaringen.<br />
Über die Kultur unserer Vorfahren unterrichteten uns<br />
die Funde aus ihren Gräbern. Inmitten von Winterlingen<br />
auf der eigenartigen Anhöhe von „Lehr" liegt ein alamannisches<br />
Gräberfeld. Immer wieder stößt man hier<br />
auf Gräber, so 1903 bei der Wirtschaft zum „Kreuz"<br />
oder 1938 bei der Verbreiterung der Seestraße, wo 16<br />
Gräber angeschnitten wurden, in denen sich als Beigaben<br />
Waffen, Riemenzungen, Schnallen, Ohrringe und Perlketten<br />
fanden.<br />
Die beiden alamannischen Reihengräberfriedhöfe in<br />
Winterlingen sind von zwei getrennten Siedlungen, die<br />
noch im 7. Jahrhundert bestanden, aber dann spätestens<br />
zu Anfang des 9. Jahrhunderts vereinigt waren. Das<br />
Kloster St. Gallen hatte hier schon früh Besitz, vielleicht<br />
schon 793, als Graf Peratoldus, Berthold, seinem Wunsch<br />
gemäß die Besitztümer, die dieser vorher dem Kloster<br />
übereignet hatte, gegen eine jährliche Steuer als Lehen<br />
zurücknahm. Die Orte, an denen seine Besitzungen lagen,<br />
sind einzeln aufgeführt: „in Keltesuuis (Engelswies)<br />
und Filisninga (Vilsingen) und Hohunsteti (Heinstetten)<br />
und Ebinga (Ebingen), in alia (dem andern) Filisninga<br />
(vermutlich Winterlingen) und Lutulinga (Lautlingen)
Rathaus der Zentralgemeinde Winterlingen Foto: H. Burkarth<br />
und Faffinga (Pfeffingen) und Dagoluinga (Tailfingen)"<br />
usw. Hinterläßt Berthold keinen Sohn, so sollen die Güter<br />
zu ewigem Besitz des Klosters verfallen. Dieser Berthold<br />
muß also ein reicher Mann aus dem Adel gewesen<br />
sein, wahrscheinlich aus dem alten alamannischen Herzogsgeschlecht,<br />
das von den Franken gestürzt worden ist.<br />
842 übergaben ein gewisser Salomon und seine Mutter<br />
Meginrada dem Kloster St. Gallen alles, was sie in Nuspilinga<br />
(Nusplingen), Frunstet (Fronstetten) und Wintarfulinga<br />
(Winterlingen) hatten (Wart. 2,4). Von diesen<br />
St. Gallischen Gütern ist aber später dann nicht mehr<br />
die Rede.<br />
Im Süden der Winterlinger Markung findet sich der<br />
Flurnamen „Weinstetten", der an eine abgegangene Siedlung<br />
gleichen Namens erinnert, von der noch 1496 die<br />
drei Zeigen „Hysberg", „Hugenbühl" und „Raisach"<br />
(heute noch die „Raisenhalde) auf eine eigene Markung<br />
hinweisen. Die Äcker der genannten Zeigen gehörten damals<br />
alle zum Winterlinger Wüstenhof, der dem Namen<br />
nach „entweder der abgegangene Maierhof von Weinstetten<br />
ist, oder aber eigens zur Bewirtschaftung der<br />
wüst liegenden Felder gegründet worden ist" (Kreisbeschr.<br />
II, S. 911). Sehr wahrscheinlich waren die Böden<br />
der -stetten-Siedlungen nicht ganz so günstig wie die der<br />
„ingen" und lassen ihrer Lage nach an eine ursprüngliche<br />
Weidewirtschaft denken. Ganz in der Nähe finden sich<br />
heute noch die Fluren „Kälberstelle" und „Herdweg",<br />
während die Fluren Winterlingens, die an Weide erinnern,<br />
im Norden der Winterlinger Markung liegen<br />
(s. oben). Jenseits des Schmiechatales liegen die andern<br />
„Stetten": Fronstetten, Stetten am kalten Markt, Meß-<br />
stetten, Heinstetten oder das abgegangene Waldstetten<br />
bei Tailfingen. Die Markung Weinstetten scheint aber<br />
1453 unter Winterlingen, Kaiseringen und Benzingen<br />
aufgeteilt zu sein, denn drei Ebinger Bürger, von denen<br />
einer den Namen Weinstetter trägt, verkauften damals<br />
drei Gütlein zu Winterlingen, Kaiseringen, Fronstetten,<br />
wo die Markungen zusammenstoßen, also in Weinstetten.<br />
Im 7. und 8. Jahrhundert werden in Fortsetzung des<br />
Landausbaus Orte gegründet, die den Namen -dorf führen.<br />
Auf der heutigen Harthauser Markung dürften die<br />
beiden Flurnamen „Nettendorf" und „Bierendorf" auf<br />
abgegangene Siedlungen hinweisen, von denen aber<br />
nichts Näheres bekannt ist. Die Flur Bierendorf ist heute<br />
fast ganz von Wald umgeben, hat aber keinen ungünstigen<br />
Boden. Ähnlich verhält es sich mit Nettendorf, das<br />
aber zu weit vom heutigen Harthausen entfernt ist und<br />
so dem Wald überlassen wurde.<br />
Die -dorf-Orte treten meist in Gruppen auf und können<br />
einem Kleinraum ein bestimmtes Gesicht geben. Ihre Böden<br />
sind größtenteils ungünstiger als die der angrenzenden<br />
Altsiedlungen. Es ist zu beobachten, daß mehr oder<br />
weniger große Stücke ihrer Feldflur durch Rodung gewonnen<br />
wurden. Unsere beiden -dorf-Siedlungen lagen<br />
im Ausläufer des Hohenzollerngrabens. Jänichen weist<br />
nun vor allem an den -dorf-Orten des oberen Neckars<br />
(Göllsdorf, Epfendorf, Oberndorf, Binsdorf, Ostdorf, die<br />
heute noch bestehen) nach, daß sie planmäßige Siedlungen<br />
sind, gegründet in der Hauptsache vor der Mitte des<br />
7. Jahrhunderts durch die Franken. Auf die Franken<br />
weist auch der Kirchenheilige von Harthausen, Mauritius<br />
(Ostdorf hat einmalig in Württemberg St. Medar-<br />
35
dus, St. Remigius haben Nagold, Bergfelden, Oberndorf,<br />
Epfendorf).<br />
Und nun zu Harthausen! Der oft wiederkehrende Name<br />
Hausen, der auf eine etwas jüngere Siedlungsphase<br />
hindeutet, bezeichnet einen Wohnplatz bzw. eine Niederlassung<br />
überhaupt. Hohenzollern zählte früher über<br />
20 -hausen-Siedlungen, von denen noch neun bestehen.<br />
Ähnlich ist es um den Herrensitz Burgfelden, wo von<br />
sechs noch drei vorhanden sind (Zillhausen, Stockenhausen,<br />
Margrethausen) oder um den Herrenhof Winzeln<br />
hinter der Lochen (Hausen a. Tann, Ratshausen, Dotternhausen).<br />
Die Lage der -hausen-Orte wird meist<br />
durch ein Bestimmungswort näher bezeichnet. Das Bestimmungswort<br />
im Namen von Harthausen hat nichts<br />
mit unserem Eigenschaftswort „hart" zu tun. Das Wort<br />
„Hard" oder „Hart" kommt aus der althochdeutschen<br />
Sprache und bedeutet Weidewald. Es ist die Landschaftsbezeichnung<br />
des Höhenrückens zwischen Fehla<br />
und Schmiecha (siehe auch Ebinger-, Meßstetter Hardt).<br />
Die älteste Form „Harthusa" findet sich in einer Urkunde<br />
von 994, bezieht sich aber nicht auf unser Harthausen,<br />
sondern auf Harthausen bei Oberndorf.<br />
Die erste sichere urkundliche Erwähnung unseres Harthausens<br />
ist 1275 im Liber decimationis, als durch Papst<br />
Gregor X. nach dem Konzil von Lyon sämtliche Inhaber<br />
geistlicher Pfründen mit dem zehnten Teil ihres jährlichen<br />
Einkommens besteuert wurden, und zwar sechs<br />
Jahre lang, von 1274-1280, um einen Kreuzzug zu finanzieren,<br />
der aber nicht zur Ausführung kam. Jeder<br />
Geistliche mußte sein Jahreseinkommen unter Eid angeben.<br />
In dem Liber decimationis heißt es, diesen Eid habe<br />
auch der Pfarrer von Hondelwanck (Hindelwang bei<br />
Hohenfels) geschworen und gleichzeitig für die hiesige<br />
Pfarrei. Diesem Pfarrer waren die beiden Pfarreien unterstellt.<br />
Damals war es keine Seltenheit, daß ein Geistlicher<br />
mehrere Pfarreien innehatte, die er durch Leutpriester<br />
oder Vikare versehen ließ.<br />
Wenn Harthausen auch erst 1275 erstmals erwähnt wird,<br />
so ist die Siedlung doch viel älter. Die zahlreichen -hausen-Orte<br />
dürften spätestens um die Mitte des 8. Jahrhunderts<br />
entstanden sein.<br />
Auffallend bei den drei Markungen Winterlingen, Benzingen<br />
und Harthausen ist, daß sie sich als langer Streifen<br />
von Nordwesten nach Südosten (die Winterlinger<br />
Markung nur rund 1 km breit) von der Kuppenlandschaft<br />
der Hochalb zur Flächenalb erstrecken. So kommt<br />
die Winterlinger Markung zu fast 9 km Länge. Der Gegensatz<br />
bestimmt die Landschaftsformen und damit auch<br />
die Nutzungsmöglichkeiten. Die Kuppenlandschaft trägt,<br />
wie schon angeführt, fast durchweg geschlossene Waldungen,<br />
während die Flächen im Süden mit ihren Lehmböden<br />
Äcker und Wiesen haben. Es sei nur an die Winterlinger<br />
Flurnamen erinnert: Hofäcker, Birkhauäcker,<br />
Gauäcker, Straßäcker, Brunnenäcker.<br />
Da es viele Harthausen gibt, allein drei in unserem<br />
Raum, bekamen sie alle einen Beinamen, so auch unser<br />
Harthausen. Im Habsburger Urbar von 1303 heißt es<br />
einfach noch Harthausen, während es dann 1454 erstmals<br />
„Harthausen uf Scher" heißt (FUB.6.63). In den<br />
folgenden Jahren ist manchmal der Beiname weggelassen<br />
oder ist „Scher" verschieden geschrieben. Nicht stimmen<br />
kann „an der Scher", wie es im 19. Jahrhundert<br />
heißt, denn ein Flüßchen „Scher" war nirgends vorhanden.<br />
1948 wurde dann verfügt, daß es „Harthausen auf<br />
der Scher" zu heißen habe. Durch das Gemeindewappen<br />
wurde dieser Name versinnbildlicht in den goldfarbenen<br />
Felszacken, in Erinnerung an die frühere Zugehörigkeit<br />
36<br />
an die Scherragrafschaft (alth. scerra = schroffer Fels),<br />
die sich an der oberen Donau bis zur Lauchert erstreckte.<br />
Ortsherrschaft und Grundbesitz<br />
1116, wird ein Adalbert liber homo de Winterlingen genannt,<br />
dessen Burg nicht festzustellen ist. 1294 sind vermutlich<br />
Nachkommen Zeugen für Kallenberg, auch<br />
Veringer Bürger namens Wolfer scheinen von ihnen<br />
abzustammen.<br />
Die Burg der Herren von Benzingen soll unterhalb des<br />
Friedhofs am „Brühl" gelegen sein. Als erster Ortsadeliger<br />
wird hier Albertus de Benzingen 1327 genannt, der<br />
1268 als Ritter bezeichnet wird. Ein Ritter Heinrich von<br />
Benzingen machte 1252 eine Schenkung an das Kloster<br />
Heiligkreuztal. 1254 wird Ritter Heinrich als Zeuge in<br />
einer Urkunde des Grafen Wolfrad von Veringen für<br />
Kloster Stein erwähnt und mit ihm neben anderen die<br />
Plebane Hermann von Büningen (Bingen) und Conrad<br />
von Harthausen. Dann scheint die Familie aus dem Lauchertgebiet<br />
weggezogen zu sein.<br />
War 842 in Winterlingen noch der Scherragraf Cozbert<br />
zuständig, so war spätestens 1264 Winterlingen hohenbergisch.<br />
Die Grafen von Hohenberg verpfändeten die<br />
Oberhoheit in der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts an<br />
die Ritter von Lichtenstein bei Neufra, von denen es<br />
wahrscheinlich bald Württemberg erwarb. Auf jeden<br />
Fall, 1367 war Winterlingen württembergisch und blieb<br />
es nach einigen Verpfändungen. 1535 wurde dann der<br />
Ort nach dem Grundsatz „cuis regio eius religo" reformiert<br />
und blieb bis zur Eingliederung von etwa 500 Heimatvertriebenen<br />
nach dem zweiten Weltkrieg fast ganz<br />
evangelisch.<br />
Die Verbindungen nach Harthausen waren nun abgeschnitten.<br />
Die jüngste unter den Verkehrsverbindungen<br />
von Harthausen nach den Nachbarorten ist die nach<br />
Winterlingen. Erst nach langen Verhandlungen mit der<br />
Gemeinde Benzingen, die Eigentümerin des zwischen<br />
Winterlingen und Harthausen liegenden Waldes ist,<br />
konnte 1901 die Verbindung zwischen Harthausen und<br />
Winterlingen hergestellt werden. Harthausen war von<br />
der Industrialisierung nach Veringenstadt und Sigmaringen<br />
orientiert.<br />
Benzingen und Harthausen gehörten seit Ende des<br />
13. Jahrhunderts zur Grafschaft Veringen. Die Grafen<br />
von Veringen gelangten durch Heirat in den Besitz von<br />
Teilen der Grafschaft Gammertingen. Wolfrat III.<br />
(1216-1273) heiratete eine Tochter Konrads und Adelheids<br />
von Heiligenberg. Zum Erbgut dieser Tochter<br />
dürften auch die beiden Orte Benzingen und Harthausen<br />
gehört haben. Die Grafschaft Veringen wurde dann öfters<br />
verpfändet und verkauft, bis am 24. Dezember 1535<br />
Kaiser Karl V. das Veringer Gebiet und die Grafschaft<br />
Sigmaringen an Karl I. von Zollern und dessen Brüder<br />
verlieh. Damit kamen auch die beiden Dörfer an Hohenzollern.<br />
Auf grundherrschaftliche Verhältnisse von Winterlingen,<br />
die außerordentlich verwickelt sind, hier einzugehen,<br />
würde zu weit führen. Nur der Besitz des Klosters Stein<br />
am Rhein soll hier angeführt werden, dem das Geburtsgut<br />
gehörte und zum Maierhof in Straßberg zählte. Es<br />
umfaßte 1372 52 Jauchert Äcker und 6 Mannsmahd<br />
Wiesen. Es wurde später in drei kleine Güter zerteilt<br />
und 1562 an Württemberg verkauft, während das 1339<br />
genannte Hasengut des Klosters 1413 an die Nikolauspflege<br />
Veringendorf überging.<br />
Uber die Vermögensverhältnisse der Bürger geben uns<br />
für Winterlingen die Steuerlisten von 1525 einigermaßen
Auskunft. Die 31 Hausbesitzer waren zu 991 Gulden<br />
veranschlagt, darunter war einer bis 200 fl., 16 bis<br />
100 fl. und 14 bis 20 fl., ohne Häuser waren 5 (2 bis<br />
200 fl., 2 bis 100 fl. und 1 bis 20 fl.). Die Zahl der Vermögenslosen<br />
wird mit 6 angegeben.<br />
Über die Lehens- und Grundbesitzverhältnisse in Harthausen<br />
gibt ein Urbar der Grafschaft Veringen aus dem<br />
Jahr 1303, das sogenannte Habsburger Urbar Aufschluß<br />
(FAS.137,6). Darin heißt es u. a.: „Zu Harthusen lit ein<br />
Meigerhof (Maierhof) der giltet ze Zinsen 5 Malter Kernen,<br />
4 Malter Roggin, 4 Malter Haber, 2 Malter Vesen,<br />
ein viertel (120) eygs (Eier)". Dann werden die Abgaben<br />
des Hirten, des Wirts, des Pfarrers, des Vogts aufgeführt.<br />
Jedermann gab ein Herbst- und ein Fastnachtshuhn<br />
und ein Viertel Haber. „Der Lüten sind jetz sool<br />
300. Dieselben Lüte hant gegeben jeglichs ze Stüre (Steuer)<br />
acht Pfunt haller". 1568 geben die Harthauser<br />
Fleischsteuer auf Martini 10 Schilling und auf Mai<br />
10 Schilling. Ein jeder „der ain pluog oder Meni (Pferdegespann)<br />
füert, gibt der Herrschaft (damals Sigmaringen)<br />
jars für das Pfluogrecht oder Ackerpau uf sant<br />
Martinstag sechszehn Schilling". Das sind aber bei weitem<br />
nicht alle Abgaben, dazu kommen u. a. der Zehnten<br />
(Groß- und Kleinzehnten). Im Urbar von 1303 werden<br />
überhaupt keine eigenen Güter der Bürger aufgeführt,<br />
woraus man schließen dürfte, daß die Bewohner Harthausens<br />
Leibeigene waren.<br />
Die kirchlichen Verhältnisse<br />
Winterlingen gehörte bis zur Reformation zur Pfarrei<br />
Ebingen. Im Ort war eine Kapelle, die der hl. Gertraud<br />
geweiht war. An die Altäre der Kapelle wurden verschiedene<br />
Stiftungen gemacht. Am Ort besaß die Kaplanei<br />
7 Lehen, und aus Harthausen, Straßberg, Benzingen<br />
und Meßstetten bezog sie Einkünfte. Mit Einführung der<br />
Reformation wurde dann eine eigene Pfarrei errichtet.<br />
Die Anfänge der Pfarrei Harthausen liegen im Dunkeln.<br />
Doch das Patrozinium des hl. Mauritius, das im Frankenreich<br />
schon zur Zeit der Merowinger verbreitet war,<br />
weist in frühe Zeit zurück. Im Liber decimationis ist<br />
zwar Harthausen aufgeführt, aber kein Steuerbetrag eingetragen,<br />
während die Pfarrei Benzingen 23 Pfund in<br />
Rottweiler Währung entrichten mußte. Das Patronat<br />
über die Pfarrei hatten die jeweiligen Ortsherren. Urkundlich<br />
mit Namen nachgewiesen ist zu Harthausen ein<br />
Pfarrer erstmals 1635, und zwar Magister Jakob Griener.<br />
Die heutige Pfarrkirche wurde 1740/42 erbaut unter<br />
Pfarrer Sebastian Hepp, während der untere Teil des<br />
Turmes aus dem 15. Jahrhundert stammt. Das Deckenfresko<br />
wurde von Andreas Meinrad von Au gemalt, der<br />
zu einem der bedeutendsten Freskomaler des südwestdeutschen<br />
Raumes wurde. Er ist auch der Schöpfer des<br />
Bildes der Marter des hl. Sebastian, das den südlichen<br />
Seitenaltar schmückt, und einer Ölmalerei, die den hl.<br />
Wendelin mit einem hl. Diakon darstellt. Ein Werk des<br />
Schömberger Bildhauers Urban Faulhaber ist die prachtvolle<br />
Rokokokanzel, die 1752 geschaffen wurde.<br />
Die Pfarrkirche St. Mauritius weist daneben in zwei Reliefs<br />
mit den Darstellungen der Kreuzigung Christi und<br />
der Beweinung sowie zwei Tafeln mit weiblichen Heiligenfiguren<br />
(hl. Margarete und Agnes) vor gemaltem<br />
Goldgrund Werke auf, die zu den bedeutendsten des<br />
Kreises zählen. Es sind Kunstwerke, die zu Anfang des<br />
16. Jahrhunderts entstanden sind und dem „Meister von<br />
Meßkirch" und dem „Meister Hans Strüb" zugeschrieben<br />
werden.<br />
Die wirtschaftlichen Verhältnisse<br />
Die Felder von Winterlingen waren in die drei Zeigen<br />
„Hinter der Lehr", „Hinter der Kirche" und „Lengenfeld"<br />
eingeteilt, in Harthausen in die ösche „Kasten",<br />
„Kay" und „uf Brucken". Seit dem Mittelalter wurde<br />
der Bestand der Wechselfelder laufend durch Reutäcker<br />
vermehrt. So sind für Harthausen aus dem 17. Jahrhundert<br />
zwei Anträge auf Ausstockung von Wald urkundlich<br />
festgehalten. „Am 27. Marty. Der Gemeinde ist auf<br />
ihr untertäniges bitten gnädigst bewilligt worden, gnädiger<br />
Herrschaft mit Grund und Boden eigentlich gehörige<br />
ungefähr 50 Jauchert bestehende Waldungen Haytal,<br />
streckend an Gutenberg, jedoch mit Genehmigung Heeslingens<br />
als forstliche Obrigkeit auszustocken, dergestalten<br />
gegen Reichung der Landgarb, 9 Jahre lang zu nutzen.<br />
Nach Ablauf obiger Jahre aber gnädiger Herrschaft<br />
frei sein solle, solches wiederum zu Holzboden<br />
verwachsen zu lassen (Protokollbuch der Grafschaft<br />
Veringen „Harthusen uff der Scherr")".<br />
1695 werden Martin Pfaff und Caspar Barth von Harthausen<br />
vernommen, weil sie angeblich ohne vorherige<br />
Erlaubnis ausgestockt hätten, was sie aber bestritten. Auf<br />
solche Ausstockungen war man zu Harthausen angewiesen.<br />
Bei der Vermehrung der Bevölkerung mußten Waldplätze,<br />
Steppen und Öden in Äcker verwandelt werden.<br />
Es entstanden landesherrliche Reutäcker, die sogenannten<br />
Weitreitinnen, wo bald da und dort ein Stück umgebrochen<br />
wurde, von denen die Landgarbe der Herrschaft<br />
zu entrichten war, wie dies 1496 und 1560 für Winterlingen<br />
bezeugt ist. Die Landgarbe ist 1560 folgendermaßen<br />
beschrieben: „Jeder Jauchert Acker gibt jährlich<br />
3 Viertel rauhe oder IV2 Viertel glatte Frucht. Wechselfelder,<br />
die zu Acker gebrochen werden, geben je Jauchert<br />
2 Viertel glatte Frucht".<br />
1717 beschweren sich Benzingen, Harthausen und Veringendorf<br />
über die Leistung der Frondienste, sie seien nicht<br />
verbunden, das Stroh in der Fron von Veringenstadt<br />
nach Sigmaringen zu führen. Auch 1772 weigern sie sich,<br />
Frondienste zu leisten. Schließlich mußten sie aber die<br />
Verpflichtungen einhalten.<br />
Zu Ende des 18. Jahrhunderts war die wirtschaftliche Situation<br />
der Albgemeinden so, wie der Feldmesser Veith<br />
die Lebensumstände von Harthausen charakterisierte:<br />
„Daß hier ganz armselig zu leben" (Chronik des Pfarrers).<br />
Winterlingen galt im 18. Jahrhundert mit seinen<br />
vielen Seidnerhäuschen als „die ärmste Gemeinde weit<br />
und breit" (Hebeisen, Gustav: Ein Gutachten über die<br />
wirtschaftlichen Verhältnisse der Herrschaft Straßberg).<br />
Von einer spürbaren Verbesserung kann erst nach der<br />
Mitte des 19. Jahrhunderts gesprochen werden, als industrielle<br />
Fertigungen in den Dörfern Einzug hielten. In<br />
neuester Zeit ist die Masse der Erwerbstätigen nicht<br />
mehr in der Landwirtschaft, sondern in Handwerk,<br />
Handel und Verkehr und vor allem in der Industrie.<br />
Winterlingen und seine Ortsteile konnten bedeutende<br />
Werke schaffen. Das Ortsbild hat sich grundlegend zum<br />
Vorteil verändert. Neue Schulen, Sportstätten, Kindergärten<br />
usw. entstanden. Alle drei Orte haben zahlreiche<br />
Industriebetriebe, moderne Ladengeschäfte. Neue Siedlungen<br />
entstanden, viele Häuser erfuhren Umbauten und<br />
Erweiterungen. Frische Farben der Neubauten beherrschen<br />
das Bild. Die Einwohnerzahlen sind bedeutend angestiegen,<br />
in Winterlingen in den letzten 100 Jahren um<br />
weit über das Doppelte, in Harthausen und Benzingen<br />
ist es ähnlich. Die Zeit der armen Alborte, in der im<br />
19. Jahrhundert viele auswandern mußten, ist vorbei.<br />
37
JOHANN ADAM KRAUS<br />
Zur Geschichte von Hettingen<br />
Der Name unserer Stadt lautete ursprünglich Halingen<br />
(1208) oder Hätingen (1264), also mit langem ä, wie die<br />
unverfälschte Mundart heute noch sagt. O. v. Ehrenberg<br />
1 hat den Namen von der Kurzform eines Personennamens<br />
Hato oder Hatu = Kampf abgeleitet, vgl. Hadubrand,<br />
den germanischen Vornamen. Die alemannische<br />
Siedlung des Ortes dürfte ins 5. bis 6. nachchristliche<br />
Jahrhundert zurückreichen, nachdem schon Bronzezeitmenschen<br />
auf der Hochfläche zwischen Fehla (alt Feig,<br />
Velcha) und Lauchert hausten und über 100 Steingrabhügel<br />
hinterließen.<br />
Der ins Laucherttal hereinreichende Bergrücken, auf dem<br />
jetzt das Schloß steht, mußte in der Burgenzeit des 11.<br />
Jahrhunderts geradezu die Ortsherren zum Bau einer<br />
Höhenburg einladen. Doch erhalten wir erst durch das<br />
Kloster Zwiefalten (gegr. um 1090) Kunde vom hiesigen<br />
Adel. Es ist vor allem der Gammertinger Graf Adalbert I.<br />
seit 1101, der in Zwiefalter Schriften 2 den Namen<br />
»Graf von Hätingen« führt, der also bestimmt zeitweise<br />
hier residiert haben muß. Uber seine Familie ist schon<br />
viel geschrieben und gerätselt worden, bis man sich aus<br />
dem Gestrüpp der Urkunden, Aufschriebe, Hypothesen<br />
und Vermutungen ein ungefähres Bild machen konnte,<br />
wobei noch manche Fragen offen blieben 3 .<br />
Als Herr von Hettingen kommt demnach Graf Adalbert<br />
I. (als Sohn Ulrichs I.) von Gamertingen (s o die<br />
alte Form!) in Frage, der von 1101 bis 1138 erwähnt wird<br />
und schließlich ins Benediktinerkloster Zwiefalten eintrat,<br />
wo er an einem 15. Oktober vor 1150 starb. Seine<br />
Gattin und Schwester scheinen beide Adelheid geheißen<br />
zu haben, die sich ebenfalls ins Fragen-Kloster Zwiefalten<br />
zurückzogen. Sein Sohn, Graf Adalbert (Albert) der<br />
Zweite von Hätingen steht als „junior" am 12. September<br />
im Zwiefalter Totenbuch. Er hieß auch „Graf Albert<br />
von Achalm" und urkundete noch im Jahre 1161 in<br />
Trochtelfingen. Seine Frau Mechtilde, Gräfin von Hätingen,<br />
findet sich am 14. Oktober im genannten Nekrolog.<br />
Beider Tochter Adelheid ehelichte um 1160 den edlen<br />
Berthold von Weissenhorn-Neuffen, der gelegentlich<br />
auch „Graf" genannt wird und von 1160 bis 1222 nachzuweisen<br />
ist 4 . Im Nekrolog ist er als „Graf Berthold<br />
von Hätingen" am 21. Februar eingetragen. Dr. H. M.<br />
Maurer glaubt, daß er die Burg Hettingen baulich verbessert<br />
hat und in ihr gegen Ende seines Lebens auch<br />
zeitweise hauste 4a . Sein angebliches, in Zwiefalten seit<br />
1520 gemalt gewesenes, aber falsches Wappen, das einen<br />
Löwen enthielt, hat viel Verwirrung angerichtet 5 . In<br />
Wirklichkeit führte er drei Hiefhörner (Neuffen) übereinander<br />
im Schild. Nach seinem 1222 erfolgten Tode<br />
soll er nach der späten Zimmerischen Chronik im genannten<br />
Kloster beerdigt worden sein, wie die meisten<br />
der Gammertinger Grafenfamilie und viele der Vasallen.<br />
Laut Nekrologs sind davon zu nennen: 1. Hermann von<br />
Hätingen, Mönch zu Zwiefalten und Subdiakon, gestorben<br />
an einem 15. Juni. Er stammte wohl von den Burgmannen.<br />
2. Der Laie Adelbert von Hätingen, vermutlich<br />
auch ein Niederadeliger, am 16. Juni. 3. Luitgard von<br />
Hätingen, Laie. 4. Beringer von Hätingen am 21. August<br />
(niederadelig). 5. Die Gräfin Mächtild von Hätingen,<br />
wohl Adelberts II. Frau, am 14. Oktober. 6. Adelbert<br />
von Hätingen, Mönch zu Zwiefalten, ein hochberühmter<br />
Mann mit schönem weißem Haar, am 15. Oktober (vor<br />
1150, wohl der Graf von 1101 f.). Er schenkte dem Kloster<br />
laut Chronik einen Hof zu Gauingen und gab auch<br />
38<br />
in Pfronstetten und Tigerfeld 3 Huben Landes c . Außerdem<br />
schenkte der niederadelige Walther von Halingen<br />
dem Kloster Va Mansus (Bauerngut) in Neufra. Ein<br />
Lambert von Herbertingen übergab durch seinen Treuhänder<br />
Adalbert von Halingen (wohl den Grafen) den<br />
Benediktinern eine Kapelle zu Upflamör mit Garten,<br />
dazu 3 Huben und 2 Wälder. Aus diesen Übergaben<br />
wird begreiflich, daß die Familie von Gammertingen<br />
und Hettingen unter den besonderen Wohltätern von<br />
Zwiefalten aufgezählt ist.<br />
Kurz vor dem Abgang des Grafen Berthold von Neuffen-Hätingen<br />
(1222) wird die Oberherrschaft an den<br />
Grafen Gottfried von Sigmaringen-Helfenstein übergegangen<br />
sein, der die Witwe Adelheid des verstorbenen<br />
Grafen Konrad von Heiligenberg geheiratet hatte, deren<br />
Mutter ebenfalls aus dem Gammertinger Grafenhaus<br />
stammte. Ich halte sie für die 1182 urkundlich genannte<br />
jüngste Tochter des Markgrafen Heinrich von Ronsberg<br />
und seiner Gattin Udilhild von Gammertingen. Adelheid<br />
dürfte das Gebiet mit Vasallen um Benzingen, Hettingen,<br />
Neufra über ihren ersten Mann von Heiligenberg an<br />
den zweiten Gatten, Gr. Gottfried von Sigmaringen-<br />
Helfenstein, weitergegeben haben, als dessen Frau sie<br />
1220 nachzuweisen ist. Obige Udilhild wird von einigen<br />
als Tochter Ulrichs von Gammertingen, von andern als<br />
solche Adalberts von Gammertingen-Hettingen angesehen<br />
7 .<br />
Um 1240 finden wir den Grafen Gottfried von Sigmaringen<br />
mit seiner zweiten Frau Adelheid von Württemberg-Grüningen<br />
8 , welche noch 1291 als Gräfin von Sigmaringen<br />
mit dem Wappensiegel Helfenstein-Württemberg<br />
(Elefant und 3 Hirschstangen) erscheint. In der erwähnten<br />
Urkunde von 1240 stehen als Zeugen: Der Plebanus<br />
(Leutpriester - Pfarrer) Hartmann von Hätingen,<br />
Albertus Plebanus von Benzingen und der hiesige<br />
Burgmann Rudolf von Hätingen, wohl vom Ortsadel.<br />
Nach dem vor dem 2. Februar 1241 erfolgten Tode<br />
Gottfrieds dürfte die Herrschaft über Hettingen an die<br />
Grafen von Veringen übergegangen sein, wie es scheint<br />
über eine Tochter Anna des genannten Grafen Berthold<br />
von Hätingen. Als nämlich Graf Wolfrad von Veringen<br />
im J. 1252 dem Ritter Heinrich von Benzingen Güter<br />
bei Binswangen übereignete, war Pfarrer Heinrich von<br />
Hätingen neben den Pfarrern H(einrich) von Titstetten<br />
(Deutstetten), Adalbert Vicepleban von Veringen und<br />
den Rittern Heinrich von Schalksburg und Hermann<br />
von Hornstein Zeugen 9 .<br />
Schon im J. 1208 wird als Hettinger Pfarrer ein Heinrich<br />
von Wilzingen mit seinen Brüdern Hermann und<br />
Wernher als Vasallen der Grafen von Berg-Wartstein genannt<br />
10 . Dagegen im J. 1254 steht in einer Salemer Urkunde<br />
ein Konrad minister (d. h. Amtmann) zu Hätingen<br />
zusammen mit seinem Herrn, dem Grafen Wolfrad<br />
junior von Veringen, und dazu die Pfarrer Hermann<br />
von Bingen, Konrad von Harthausen/Sch. und<br />
Hermann von Benzingen u . Graf Wolfrad von Veringen<br />
stellte mit seinen zwei Söhnen Wolfrad und Heinrich<br />
auf der Burg Hätingen im Jahre 1267 eine Urkunde aus.<br />
Offenbar hat seine Familie hier residiert 12 . Graf „Heinrich<br />
von Hätingen" ist am 24. April 1300 Siegler für den<br />
Grafen Konrad von Landau und am 16. Juni 1305 in einer<br />
Zwiefalter Urkunde sein Sohn: Graf „Wölfli von<br />
Hattingen" 13 .
Wann Hettingen das Stadtrecht erhielt, scheint nicht bekannt<br />
zu sein. Nach W. Baur werde die Stadt erstmals<br />
im J. 1407 erwähnt. Doch wird ein Tor schon 1333 in<br />
einer Urkunde des Kl. Statten genannt, in der Gr. Heinrich<br />
von Veringen ein Ewiges Licht ins Kloster stiftet<br />
mit Einkünften aus einer Hettinger Wiese „vor dem<br />
Tor" und zugehörigem Garten, die Bugge der Mayer bebaute<br />
und jährlich daraus 30 Schilling Heller gab. Zeuge<br />
dieser Stiftung sind Ritter Eberhard von Liechtenstein<br />
und der Hettinger Kirchherr Walther der Schenk, Bugge<br />
der Mayer und Konrad Sengli. Allerdings muß gesagt<br />
werden, daß gelegentlich auch ein Gatter im Dorfzaun<br />
„Tor" genannt wurde.<br />
Von 1270 bis 1283 finden wir wieder einen Amtmann<br />
(minister) Hiltebold von Hätingen bei den Veringer<br />
Grafen 14 . In ihren Diensten dürfte auch der Ritter<br />
Friedrich von Haetingen im Jahr 1272 gestanden haben,<br />
der wohl hier auf der Burg wohnte 15 . Im gleichen Jahr<br />
nennt sich Graf Heinrich „von Altenveringen" (Burg<br />
und Flecken!) im Gegensatz zu einer Burg Neuveringen<br />
bei Riedlingen, die vermutlich vom gleichen Geschlecht<br />
den Namen hatte, aber längst abgegangen ist le . Altveringen<br />
mit Burg und Flecken gab er damals dem Bischof<br />
von Konstanz zu Lehen. Im Jahre 1283 ist ein Hettinger<br />
rector ecclesiae (Kirchenrektor) ohne Namensnennung<br />
mit dem jungen Heinrich von Veringen und dem minister<br />
Hiltebold und einem Otto von (Langen-)Enslingen<br />
aufgeführt 17 . Dieser Graf Heinrich der Jüngere heißt<br />
1285 wieder „Graf von Hätingen", wohnte aber zeitweise<br />
auf Neu-Veringen bei Riedlingen. Am 24. Februar<br />
1297 eignete er mit seinem Sohne Wolfrad dem Kloster<br />
Bebenhausen Grundstücke zu Tigerfeld, und dabei steht<br />
wieder ein Conrad von Munderkingen als damaliger<br />
„minister" zu Haetingen samt dessen Schwiegersohn Petrus<br />
18 .<br />
Von niederadeligen Herren des Namens „von Hätingen"<br />
verlautet fernerhin am Orte selber nichts mehr, sondern<br />
nur von den gräflichen Herren aus dem Hause Veringen<br />
19 . Außerhalb jedoch finden sich einige, die von den<br />
hiesigen abstammen könnten.<br />
Am 16. April 1350 haben die Söhne zweier Brüder, nämlich<br />
„Pfaff Berthold von Hätingen" und seine Vettern,<br />
die Gebrüder Heinrich und Jakob von Hätingen, ihre<br />
anerstorbenen Rechte an der Mühle zu Aidlingen (b. Böblingen),<br />
die Cunrad der Brotbeck, genannt Spuoler, als<br />
Lehen von ihnen hat, um 5 Schilling Heller verkauft an<br />
den Edelknecht Burkart von Bondorf. Heinrich von Hätingen<br />
siegelt für alle, doch ist sein Siegel leider verloren<br />
20 . Der Edelknecht Dietrich der Tieringer (Friedrichs<br />
sei. Sohn im Bach) erwarb am 3. Oktober 1359 vom<br />
Kirchherrn von Balingen, dem genannten „Berchtold<br />
dem Hätinger", u. a. das Berersgut, den halben Wehingerhof<br />
und des Gesellen Hofgesäß zu Tieringen (b. Balingen)<br />
um 45 Pfund Heller 21 . Um 1390 oder zuvor<br />
heißt es: „Heinrich Hettinger hatte den Zehnten unter<br />
Winzeln und den Hof zu Flartheim" und die Lehen der<br />
Herrschaft Hohenberg zu Tieringen. Dieselben Lehen<br />
hatte dann Dietrich Tieringer als Träger für Agnes von<br />
Tieringen und vorher hatte es zu Lehen der Pfaff Berchtold<br />
Hettinger, der als Träger den Fritz Walch bestellt<br />
gehabt" 22 . Aus dem Hätinger ist nun ein Hettinger geworden.<br />
So darf man wohl auch die folgenden Personen<br />
hierherziehen: Ein Hattinger zu Schömberg war im J.<br />
1394 mit 150 fl in der Steuer und zahlte an Österreich,<br />
Inhaber der Herrschaft Hohenberg, ein Zwanzigstel als<br />
Steuer. Dagegen zahlte ein „Hattinger zu Horb" im J.<br />
1442 an die Herrschaft Österreich anderthalb Gulden<br />
Strafe für einen Frevel 22 . Die Hettinger zu Horb haben<br />
sich bald in Rottweil und Freiburg ausgebreitet, doch<br />
gab es 1593 auch solche in Biberach und 1607 in Mainz.<br />
Die Matrikel der Universität Freiburg berichten dies und<br />
weiter: Johann H. aus Horb studierte 1561 in Tübingen<br />
1565 in Freiburg, und wohnte dort als Doktor Juris Uti.<br />
noch 1605. Aus Rottweil studierten in Freiburg: 1556<br />
Johann Leonhard Hettinger, 1565 Johann Konrad, 1567<br />
Johann Christoph, 1607 ein weiterer Johann Konrad<br />
Hettinger. Ob eine Katharina von Hettingen, 1406 Gattin<br />
des Edelknechts Rudolf von Pfahlheim, zu unseren<br />
niederadeligen von Hätingen gehörte, ist ziemlich zweifelhaft<br />
23 . Der Horber Bürgermeister Hans Hettinger besaß<br />
im J. 1453 einen Teil des Zehntens zu Bösingen b.<br />
Rottweil 24 und 1483 erwarb seine Familie, nun zu Rottweil,<br />
einen Teil des Zehnten zu Dormettingen und hatte<br />
auch zeitweise den zu Hausen am Tann 25 . In Dormettingen<br />
besaß sie das Pfarrbesetzungsrecht bis ins<br />
17. Jahrhundert 2e . Als Nachkomme obigen Hans hatte<br />
Konrad Hettinger zu Rottweil 1533 das österreichische<br />
Lehen zu Bösingen 27 . Er veräußerte am 29. Mai 1539 die<br />
Hälfte des Dorfes Bösingen an die Stadt Rottweil, wo er<br />
Bürger war, um 460 fl. Am 14. Juli 1572 starb 63jährig<br />
der Consul und Assessor des kaiserlichen Hofgerichts<br />
zu Rottweil, Johann Conrad Hettinger. Seine Gattin<br />
Anna Möckerin stiftete ihm einen farbigen Grabstein in<br />
der 5. Kapelle des Heiligkreuz-Münsters daselbst 28 . Vermutlich<br />
ist er identisch mit dem gleichnamigen Bürgermeister<br />
von Rottweil, der laut Zimmerischer Chronik im<br />
Jahr 1560 bei der Hochzeit des Grafen Heinrich von<br />
Fürstenberg dabei war, und dessen Sohn in Freiburg studierte<br />
29 . In der Friedhofkirche zu Gengenbach findet<br />
sich ein Grabstein mit der Aufschrift: „Anno (15)90, den<br />
26. July starb Johann Friedrich Hetinger, dem Got genad".<br />
Dabei steht das bei O. v. Alberti 30 abgebildete<br />
Wappen der Rottweiler Hettinger neben dem der Liesch<br />
von Hornau (zu Horb). Nach Alberti gehört auch der<br />
kurmainzische Rat Johann Hettinger hierher, der im J.<br />
1675 mit dem Beinamen „zu Neckerstein" geadelt wurde.<br />
Das Wappenbuch Siebmacher 31 bringt als Wappen<br />
der Rottweiler Hettinger: In Weiß und Rot gespaltenem<br />
Schild ein auf grünem Dreiberg stehender Sittich mit<br />
Halsband, und als Helmzier den Sittich auf einer rotweißen<br />
Kappe stehend. Er reiht die Familie ein unter<br />
„Speyerische am kaiserlichen Hofgericht" und unter „Biberachische"<br />
als „Hettinger vom Neckherstein". Zu untersuchen<br />
wäre, ob alle diese und auch der berühmte<br />
Kanzelredner und Schriftsteller Prof. Franz Hettinger<br />
von Aschaffenburg zu Würzburg (1819-90) tatsächlich<br />
von unseren Hätingern abstammen.<br />
Doch kehren wir nach dieser Abschweifung wieder nach<br />
dem Lauchertstädtchen Hettingen zurück:<br />
Graf Heinrich von Veringen wird letztmals in einer teils<br />
in Hettingen, teils Gammertingen ausgestellten Urkunde<br />
vom 29. November 1307 erwähnt. Darin wird der Verkauf<br />
von Gütern des Ritters Otto von Grüningen ans<br />
Kl. Salem bezeugt, weil sie veringisches Lehen waren 32 .<br />
Im Jahre 1310 weilte Graf Wolfrad von Veringen auf<br />
Burg Hettingen, damals „Haitingen" geschrieben. Hier<br />
stellten am 25. November 1311 Gr. Wolfrad und Gr.<br />
Heinrich und Heinrich, sein Sohn, der Kirchherr zu<br />
Veringen (Laie, nicht Pfarrer!), samt ihrer Schwester<br />
Katharina eine Urkunde aus. Sie betrifft den Verkauf<br />
der Burg Sigeberg bei Upflamör um 540 Pfund Heller<br />
ans Kloster Zwiefalten als Lehen von Reichenau. Diese<br />
Lehenschaft wird damit auf Stadt und Dorf und Kirchensatz<br />
zu Gammertingen übertragen, die nun Mannlehen<br />
Reichenaus für die Grafen werden 33 .<br />
39
Am 6. Dezember 1346 lesen wir von einem Bürger Ruf<br />
Manze von Hettingen an der Bruck, für den sein Herr,<br />
Graf Heinrich von Veringen, siegelt 34 . Am 1. Mai 1360<br />
verkauften Gr. Heinrich von Veringen und sein Sohn<br />
Friedrich den leibeigenen Kunz den Maiger von Hätingen<br />
um 6 Pfund Heller. Dieser Graf Heinrich starb am<br />
25. März 1366. Sein Grabstein steht in der Pfarrkirche<br />
Hettingen. Auch ein Jahrtag besteht für ihn 35 . Die Grafenbrüder<br />
Wolfrad und Fritz von Veringen veräußerten<br />
am 5. Januar 1379 an zwei Veringer Bürger Gilten aus<br />
einzeln aufgeführten Hettinger Wiesen, u. a. an der Vehlen<br />
(Fehla; Vehlen ist verdruckt!) 36 . Auch dieser Graf<br />
Friedrich wurde nach seinem 1385 erfolgten Tod in der<br />
Hettinger Pfarrkirche beigesetzt 37 .<br />
Um jene Zeit ist in Hettingen am Kirchplatz ein Frauenklösterlein<br />
geplant gewesen. Eine Urkunde vom<br />
14. März 1395 berichtet: Vor Wilhelm von Hohenrechberg<br />
(Schwestersohn der genannten Grafen von Veringen)<br />
und der Bürgerschaft sei die ehrbare Grau Guota<br />
Gensler erschienen und habe gebeten, aus Liebe zu Gott<br />
in dem Häuslein wohnen zu dürfen, das an einer Seite<br />
auf der Kirchhofmauer (bei der Kirche) stehe, und zwar<br />
ohne Steuer und Frondienste leisten zu müssen. Wenn<br />
eine oder mehr Schwestern zu ihr ins Haus ziehen wollten,<br />
möge man es ihnen ebenso gestatten. Dies gesteht<br />
der adelige Herr zu mit dem Recht, immerfort dort umsonst<br />
zu wohnen und die Nachlässe nach Belieben zu<br />
vermachen 38 . Der Graf (als eigentlicher Machthaber in<br />
der Stadt) gestattete dies.<br />
Graf Wölfli von Veringen selber war offenbar amtsmüde<br />
und vermutlich krank: Am 20. August 1398 vermachte<br />
er vor dem Hofgericht Rottweil seine Güter an den<br />
Grafen Friedrich von Zollern-Schalksburg, genannt<br />
Mülli 39 . Doch starb der Beschenkte samt seinem Sohn<br />
noch vor dem Schenker.<br />
Im Jahre 1401 erwarb die Pfarrkirche St. Martin zu<br />
Hettingen vom Gammertinger Bürger Heinz Trützer als<br />
Jahreszins 4 Schilling Heller aus einem Haus im Dorf<br />
Anmerkungen:<br />
1 MittH 31, (1897) 91. 2 Zwiefalter Chronik, hgg. von König<br />
u. Müller 1941; Mon. Germ. Necrol. I. 3 HJH 1937,68;<br />
1950,145; 1951, 10 f.; 1956,124; HH 1957,14; 1965,26;<br />
1966,57; 1967,9 u. 28; ZfwL 1966, 94 f. 4 ZfwL 1966,94,166.<br />
4a ebd., 100. 5 HH 1968,27. 6 Chr. Zwief. 88. 7 HH 1966,57.<br />
8 WUB 3,445. 9 ebd., 4,282. 10 dito, 2,367. 11 MittH 3,48.<br />
12 WUB 6,200. 13 MittH 4,14 u. 18. 14 Mitt 3,67. 15 WUB 7,167.<br />
16 HH 1967,32. 17 WUB 8,423. 18 WUB 11,24. 19 Mitt 4,14,18.<br />
MANFRED HERMANN<br />
Die Nötenwang-Kapelle zu Inneringen<br />
In vielen Gemeinden des Zollerlandes gibt es neben den<br />
Pfarrkirchen zahlreiche Kapellen, die teils von adligen<br />
Grundherren, Klöstern, teils aber auch vom einfachen<br />
Volk als Zeichen reichen religiösen Lebens gestiftet wurden.<br />
Sie sind Ausdruck eines oft kindlich schlichten, lebensfrohen<br />
und sogar jubelnden Glaubens, der sich im<br />
Ewigen geborgen fühlt. Viele Kapellen sind freilich auch<br />
in Zeiten größter innerer und äußerer Not entstanden,<br />
da die Gläubigen Zuflucht suchten beim Herrn aller<br />
Dinge, insbesondere der Naturgewalten. Viele Menschen<br />
setzten ihr Vertrauen in die Freunde Gottes an dessen<br />
Gnadenthron, so in die Gottesmutter, in verschiedene<br />
Seuchen- und Viehpatrone und andere Heilige, da sie<br />
hofften, Gott werde keine Bitte seiner Freunde abschla-<br />
40<br />
(Vorstadt) Gammertingen 40 . Heiligenpfleger waren<br />
Benz Schick und Albert Kumprächt. Vier Jahre darauf,<br />
am 11. November, trat der Veringer Bürger Hartlieb<br />
Läsch seine Gärten zu Hettingen innerhalb des Etters<br />
dem Heiligen St. Martin ab. Er hatte sie von Heinz dem<br />
Mälchinger von Hustnegg (bei Gammertingen am Weihtäle)<br />
käuflich erworben und erhielt nun 26 Pfund Heller<br />
40 . Benz Vierdung, Bürger zu Hettingen, veräußerte<br />
am 29. März 1405 4 Schilling Jahreszins aus seinem<br />
Haus und Garten beim Türli an der Badstube um 4 Pfund<br />
weniger 4 Schilling. Vor dem Rottweiler Hofgericht vermachte<br />
am 7. September 1407 Graf Wölfli von Veringen<br />
im Falle seines Todes dem Heinrich von Hohenrechberg,<br />
dem Sohn seiner Schwester Sophie (Gattin des Wilhelm<br />
von Hohenrechberg), die Herrschaft Gammertingen, die<br />
Pfandschaft an der Vesti Liechtenstein, die 2 Altarlehen<br />
zu Hettingen und anderes, was er noch besaß. Er siegelte<br />
neben dem Hofgericht.<br />
Zwei Jahre darauf, am 14. September, urkundete derselbe<br />
Graf: Sein Kaplan Burkart Stoll zu Hätingen habe<br />
von Hans von Steinhilben zu Herrenberg all seinen Besitz<br />
im Dorflein Hermentingen gekauft: Landgarbe,<br />
Zins, Gilten. Der Kaplan stiftet es an den St. Katharinenaltar<br />
zu Hettingen, dessen Gründer die Grafen von<br />
Veringen sind. Der Graf überträgt nun das Gekaufte als<br />
bisher gräfliches Lehen als Eigentum dem genannten Altar<br />
zur Ehre Gottes, Mariens und aller Heiligen und besonders<br />
St. Katharina zum Seelenheil des Grafen und<br />
seines Geschlechtes 40 .<br />
Graf Wölfli von Veringen starb als letzter seiner Linie<br />
im Jahre 1415 in Saulgau und wurde in Hettingen beigesetzt.<br />
Zu einem eigenen Grabstein scheint seine Hinterlassenschaft<br />
nicht mehr gereicht zu haben 41 . Von da<br />
an handelt Heinrich von Rechberg als Herr zu Hettingen.<br />
Die Zimmerische Chronik von 1566 meint (1,45),<br />
die Veringer Grafen hätten sogar die Sättel ab den Pferden<br />
ins Städtlein Veringen verkauft, was wohl übertrieben<br />
sein dürfte.<br />
20 W. Reg. 7244. 21 W. Reg. 6746. 22 Müller, Hohenberg 1,145 u.<br />
11,173 . 23 W. Reg. 8 751. 24 OA Rottw. 349. 25 Kreisbesch. Balingen<br />
11,185,411. 26 OA Rottw. 3 8 2. 27 OA Rottw. 349. 28 OA<br />
Rottw. 184. 29 Zimm. Chronik 11,25 0,4 3 3 . 30 O. v. Alberti,<br />
Württ. Wappenbuch 1,1097. 31 Siebmachers großes Wappenbuch<br />
V.211. 32 MittH 4,20 f. 33 Mitt 4,23. 34 Mitt 4,43. 35 Mitt<br />
5,5, Bild S. 122. 36 HH 1957,31. 37 Mitt 5,15. 38 HH 1957,31<br />
nach Orig. i. Pfarrarchiv. 39 Mitt 5,23. 40 HH 1957,31. 41 Mitt<br />
5,37.<br />
gen. Viele kleine und große Heiligtümer wurden zu<br />
Wallfahrtsorten, zu denen ganze Pfarreien unterwegs<br />
waren. Das Wallfahren gründete eben auf dem Bewußtsein,<br />
daß an vielbesuchten Gebetsstätten der Himmel offener<br />
sei und Gott auf die Fürsprache seiner Heiligen<br />
freigebiger Gnaden austeile als anderswo. Ja, sie galten<br />
als zeichenhafte Vergegenwärtigung des Jenseits, zu dem<br />
der Pilger unterwegs ist. Mühe und Opfer einer frommen<br />
Reise waren Werke der Sühne und läuternden Vorbereitung<br />
auf die Gottesbegegnung am Wallfahrtsort 1 .<br />
Zu den Nahwallfahrten im engeren Raum gehörte<br />
auch die Kapelle Maria-Nötenwang bei Inneringen.<br />
Recht einsam steht sie zwei Kilometer südöstlich des Ortes<br />
in einer Waldschneise an der Straße nach Egelfingen.
Leider wird sie von Gläubigen nur noch wenige Male im<br />
Jahr aufgesucht. Zudem ist sie wegen ihrer abseitigen<br />
Lage nicht wenig durch Einbrecher gefährdet.<br />
Uber die Entstehung gibt es leider keine sehr zuverlässigen<br />
Nachrichten. Auf jeden Fall ist sie - nach Unterlagen<br />
im Inneringer Pfarrarchiv 2 - 1646 errichtet und<br />
damit ein „Kind" des Dreißigjährigen Krieges, jedenfalls<br />
aus der Not und Gefahr der damaligen Ereignisse geboren.<br />
Die mündliche Tradition berichtet, ein österreichischer<br />
Offizier sei bei einer Schlacht auf dem Degerfeld,<br />
einem Gewann unterhalb des Kapellenstandortes, wunderbar<br />
aus Todesgefahr errettet worden 3 . Er habe daraufhin<br />
die Kapelle gelobt und auch gestiftet. Wahrscheinlich<br />
bezieht sich die Überlieferung auf die schrecklichen<br />
Kriegsereignisse der Jahre 1632 und 1633, als der<br />
Ort viel zu leiden hatte 4 . Offensichtlich ist die Stiftung<br />
des Offiziers rasch von der Pfarrgemeinde angenommen<br />
Nötenwang-Kapelle Foto: M. Hermann<br />
worden. Denn das Gnadenbild der Kapelle, die „Madonna<br />
mit der Erdbeerschüssel", trägt auf der Rückseite die<br />
Inschrift „R. D. M. G. B. & B. N. 1633", deren Auflösung<br />
im ersten Teil lautet: Reverendus Dominus Magister<br />
Georgius Benckler. Sie nennt damit den Namen jenes<br />
opfervollen Priesters, der von 1610 bis 1640 als Seelsorger<br />
in Inneringen wirkte und Großes während der<br />
Pest- und Kriegszeit leistete. Seiner sorgfältigen Kirchenbuchführung<br />
verdanken wir eine genaue Kenntnis<br />
der Bevölkerungsverluste Inneringens während Seuche<br />
und Krieg. Er starb als Dekan des Landkapitels Riedlingen,<br />
nachdem er „über 30 Jahre lang das Amt des Pfarrers<br />
mit größter Sorgfalt versehen hatte" ä . Die Inschrift<br />
des Gnadenbildes macht deutlich, daß wir in diesem<br />
Geistlichen den Hauptstifter der Figur vor uns haben -<br />
der damalige Kaplan mag der zweite gewesen sein -<br />
und daß die Stiftung auf das Jahr 1633 zurückgeht. Die<br />
Madonna ist heute noch das einzige Ausstattungsstück<br />
aus der ersten Kapelle.<br />
Sehen wir, wie die Kapelle in das gottesdienstliche Leben<br />
der Pfarrei hineingenommen war. Am Josephstag -<br />
19. März - zogen die Gläubigen in feierlicher Prozession,<br />
also mit Kreuz und Fahnen, zum Heiligtum der<br />
Gottesmutter in „Aitenwang" (später Nötenwang). Johann<br />
Ott, der Dorfchronist des 18. Jahrhunderts, weiß<br />
von seinen Eltern her noch über Pfarrer Ludwig Freiherrn<br />
von Gall (1680-97 in Inneringen) zu berichten 6 :<br />
„Auch habe er gemelter Pfarrherr zue Aytenwang bey<br />
so großem Schneh seine Pfarrkünder an S. Josephs Tag<br />
ermanet und gebeten, daß sie sollen den allmechtigen<br />
Gott und die überselligiste Muetter Gottes und den heiligen<br />
Joseph mit instendigem Beten und Anruofen nicht<br />
nachlassen, biß und so lang Gott der Allmechtige und<br />
die selligiste Mutter Gottes und der heilige Joseph [sie]<br />
erhöre. Man solle kaum dieses Gebet mit großer Andacht<br />
verricht haben, so habe sich durch die augenscheinliche<br />
Gnadt Gottes das Wetter gebrochen, daß man vermeindt,<br />
nicht mehr anheim zu kommen, daß man bis an<br />
die Knie durch den Schneh hinab getreten habe, allwo<br />
man in dem Hinabgehen auf dem Schneh gelofen wie<br />
auf einem Bredt. Ist dieser große Schneh innerhalb 3<br />
oder 4 Täg über flachem Feld vollkommentlich hinweg<br />
gegangen". Ebenso zogen die Inneringer am Fest Mariä<br />
Heimsuchung (2. Juli, das Patronatsfest) prozessionsweise<br />
zur Kapelle in „Aithenwang", um die Gottesmutter<br />
für das Dorf zu bitten.<br />
Von einer umfassenden Renovation der Gnadenstätte<br />
hören wir unter Pfarrer Johann Heinrich Gauch<br />
(1717-32 in Inneringen) 7 . Aus Mitteln der Heiligenpflege<br />
seien die „heillige Dreyfaltigkeit Capellen, die<br />
Niclaus Capellen und das Aytenwanger Capelle" erneuert<br />
worden. Durch den Verlust der Heiligenpflege-Rechnungen<br />
läßt sich das genaue Jahr und der Umfang der<br />
Arbeiten nicht mehr feststellen. Es mag um 1725 gewesen<br />
sein, als die Renovation der Kreuz-Kapelle beendet<br />
war.<br />
Unter Pfarrer Friedrich Anton Freiherr von Langen<br />
(1747-72 in Inneringen) 8 nahm die ganze Gemeinde in<br />
der Sorge um das tägliche Brot Zuflucht zur Gnadenmutter<br />
von Aiten- oder Nötenwang. Am 11. Juli 1751<br />
bat der genannte Seelsorger Schultheiß und Bürgermeister<br />
einen Revers zu unterschreiben, in dem festgelegt<br />
wurde, diesen Sommer hindurch wöchentlich eine Prozession<br />
nach Mariä Aithenwang zu gehen „um abwendung<br />
des Hagels, Schauer etc und Erhaltung der lieben<br />
Feldfrüchten". Die Bitte wurde gewährt, freilich angefügt<br />
„aber zu keiner Schuldigkeit des Herrn Pfarrers<br />
oder der Gemeind, sondern es jedem Theil auf andere<br />
Jahre ferners hin freystehen thuet, doch aber die Gemeind<br />
iederzeitt einen ieweiligen Herrn Pfarrer zu ersuchen<br />
und erbetten hat" 9 . Bei früheren Seelsorgern war<br />
es mehr Brauch gewesen, im selben Anliegen den Rosenkranz<br />
betend zur Dreifaltigkeitskapelle zu ziehen. Nunmehr<br />
hatte sich wohl der Ruf der Aitenwang-Kapelle<br />
gefestigt, ein Gnadenort zu sein, dem man den Vorzug<br />
gab.<br />
Nach 114jährigem Bestehen wurde die Kapelle durch einen<br />
Neubau ersetzt. Johann Ott schreibt darüber: „Eß<br />
ist in anno 1760 daß Aytenwanger Capelle nach Pfingsten<br />
[25. Mai] abgebrochen worden, und die Selligiste<br />
Muetter Gottes in die heillige Creitz Cappellen mit einer<br />
großen prozession übersetzt worden. Dise gemelte Capellen<br />
ist wiederum durch gemelten Herrn Pfarrer Jhro Exzelenß<br />
Herrn von Langen und andere guth Thetter wi-<br />
41
derum alß ney auferbaut worden, und den 7. herbstmonat<br />
[September] ist die Muetter Gottes widerum von hier<br />
auß mit höchster Sollaenitet und procession mit vilen<br />
unzallebaren fremben Leiten in dise neye Capellen Ayte<br />
oder Netenwangen übersetzt worden" 10 . Wie auch bei<br />
anderen Bauten bzw. Renovationen scheint Pfarrer von<br />
Langen nicht nur der Initiator des Neubaus gewesen zu<br />
sein, er dürfte auch einen Großteil der Unkosten aus eignen<br />
Mitteln bestritten haben. Leider berichtet Ott nicht,<br />
welche Handwerker und Künstler der Seelsorger beigezogen<br />
hat.<br />
Drei Jahre später wurde die Kapelle feierlich eingeweiht:<br />
„Anno 1763 den 4. Augusti ist das Aytenwanger<br />
Kapelle und zue gleich daß Niclaß Kabelle in einem Tag<br />
durch den Weybischof von Costantz [Franz Carol Joseph<br />
Fugger, Graf von Kirchberg und Weißenhorn] gewihen<br />
worden mit großer SoIIenitet, und zugleich auch<br />
allhier gefirmt worden" (Johann Ott).<br />
Am Fest des hl. Ulrich, Bischofs von Augsburg, (4. Juli)<br />
1774 fiel 4 Uhr nachmittags in Inneringen ein starker<br />
Hagel und vernichtete die Winterfrucht ganz, die Sommerfrucht<br />
teilweise, und zwar so, daß viele die niedergeschlagene<br />
Frucht im Oberen Osch nicht einmal mehr einbrachten.<br />
Um solche Schäden zu verhindern und die<br />
göttliche Gerechtigkeit zu versöhnen, ordnete Pfarrer<br />
Alois Lindau (1772-84 in Inneringen) an, daß am<br />
St. Ulrichsfest jeden Jahres morgens früh um 6 Uhr eine<br />
Prozession zum Heiligtum der Gottesmutter in Aitenwang<br />
stattfinden solle, wo eine erste hl. Messe gelesen<br />
werde. Darauf kehre die Prozession ins Dorf zurück, wo<br />
in der Heiligkreuz-Kapelle eine zweite hl. Messe und<br />
darauf in der Pfarrkirche eine dritte gehalten werden<br />
möge, vorausgesetzt, es seien drei Priester da. Andernfalls<br />
solle in einer der Kapellen ein Meßopfer entfallen,<br />
dafür der Rosenkranz mit den Litaneien gebetet werden<br />
11 . Die Nachfolger des Pfarrers hätten jedoch die<br />
Freiheit, anders in dieser Sache zu entscheiden. Die genannte<br />
Übung blieb bis zum Jahr 1821 bestehen. Kaplan<br />
und Pfarrverweser Raphael Stählin schrieb unterm<br />
5. August desselben Jahrs: „Nicht unverdientermaßen ist<br />
dies aufgehoben worden als überflüssige Frömmigkeitsübung".<br />
Denn der Himmel werde nicht durch das Geschrei<br />
vieler Bitten versöhnt, sondern mehr durch Zerknirschung<br />
des Herzens, durch Flucht vor der Sünde<br />
und die Ehrsamkeit der Sitten, was leichter in der Mutterkirche<br />
eingehalten werden könne. Eine für diese Zeit,<br />
die kaum mehr ein Verhältnis zur barocken Frömmigkeit<br />
besaß, bezeichnende Bemerkung!<br />
Auch die wöchentlichen Prozessionen zur Nötenwang-<br />
Kapelle in der Sommerszeit setzte der eifrige Seelsorger<br />
Alois Lindau, der Nachfolger von Langens fort. Als die<br />
Ortsvorsteher 1777 vergaßen, um diese Bittgänge nachzusuchen,<br />
verlas der Pfarrer den Revers von 1751 sonntags<br />
von der Kanzel. „Es haben aber die Vorgesetzten<br />
sich nach dem Gottesdienst bey mir gemeldet, ihr Vergessen<br />
und Nachlessigkeit anerkannt, und umb fernere<br />
Procession nacher Maria Aytenwangen bittlichen angehalten",<br />
so vermerkt Pfarrer Lindau unterm 19. Juni<br />
dieses Jahres 12 .<br />
Die Wertschätzung des Heiligtums überdauerte - das<br />
läßt sich an den Votivtafeln der Kapelle ablesen - die<br />
schwere Zeit der Aufklärung, da etwa in Vorderösterreich<br />
von Joseph II. alle Bruderschaften und Wallfahrten<br />
verboten, ja sämtliche Nebenkirchen abgerissen werden<br />
mußten. Der neue Geist machte sich in einer Anweisung<br />
des Konstanzer Generalvikars, Freiherrn von Wes-<br />
42<br />
.i? v *<br />
Madonna mit der Erdbeerschiissel Foto: M. Hermann<br />
senberg, auch hier bemerkbar, die Bitt- und öschprozessionen<br />
nach Jungnau und die an Mariä Heimsuchung<br />
nach Nöthenwang abzuschaffen, bzw. sie durch eine<br />
Betstunde in der Pfarrkirche zu ersetzen (Anordnung<br />
vom 6. 6. 1804) 13 .<br />
Die schwerste Unwetterkatastrophe seit Menschengedenken<br />
traf die Gemeinde Inneringen am Bartholomäus-Tag<br />
(24. 8.) 1853 u . „Es war ein heißer Sommertag. Unheimliche<br />
Schwüle lag auf der ganze Flur. Die Leute waren<br />
mit der Ernte auf dem Feld beschäftigt.- Da ballten<br />
sich zwischen 3 und 4 Uhr nachmittags nordwestlich des<br />
Dorfes schwarze Gewitterwolken zusammen. Näher und<br />
näher zogen sie heran. Der Sturm brach los. Blitze auf<br />
Blitze zuckten, und ohne Absetzen brauste und brüllte<br />
der Donner. Den Tropfen folgten sofort die Schloßen<br />
und Hagelkörner, immer größer und dichter. Bald hatten<br />
sie die Größe von Hühner-, ja Gänseeiern erreicht,<br />
bis sie gar zusammengeballt in Klumpen und Eisstücken<br />
niederprasselten. Nach etwa 10 Minuten ließen die empörten<br />
Elemente etwas nach mit ihrer Raserei, und es<br />
bot sich den Bewohnern Inneringens ein entsetzliches<br />
Bild der Verwüstung und der Zerstörung. In obigem<br />
Zeitraum von 10 Minuten waren alle Häuser abgedeckt<br />
worden. Nicht eine einzige Ziegelplatte war mehr auf<br />
denselben zu sehen. Sämtliche Fenster auf der Nordwestseite<br />
der Häuser waren zertrümmert.
Das Mauerwerk der Häuser sah aus, wie wenn mit Kartätschen<br />
darauf geschossen worden wäre. Das Futter und<br />
die Feldfrüchte, welche draußen standen, waren derart<br />
in den Boden hineingeschlagen, daß kaum zu erkennen<br />
war, ob hier Gerste oder Haber gestanden hatte. Die<br />
Obstbäume standen da ohne Laub, ohne Triebe, ohne<br />
Frucht und vielfach auch ohne Rinde. In den Wäldern<br />
sah es gerade so aus. Die Tiere des Feldes wie Hasen,<br />
Rebhühner, Wachteln und andere Vögel lagen zu Hunderten<br />
erschlagen umher . . . Zur immerwährenden Erin-<br />
Votivtajel von 1832 von Lukas Flöß Foto: M. Hermann<br />
nerung an dieses allgewaltige Naturereignis wird seit jener<br />
Zeit alljährlich am 24. August eine Bittprozession<br />
nach „Maria Nöthenwang" gehalten und nachmittags<br />
von 15.30 - 16 Uhr mit allen Kirchenglocken in drei<br />
Absätzen geläutet. Die Leute halten dann bei der Arbeit<br />
inne und beten 5 Vater unser und das „Salve Regina"<br />
zur Abwendung eines ähnlichen Hagelschlages wie im<br />
Jahr 1853." Weitere Anliegen der gläubigen Besucher<br />
werden auf den Votivtafeln deutlich.<br />
Sehen wir uns die Kapelle näher an. Es ist ein ungegliederter<br />
Bau mit zwei Fensterachsen und einem halbrunden<br />
Chor auf der Südseite, aus Bruchsteinen aufgeführt<br />
und mit einem Biberschwanzdoppeldach versehen. Auf<br />
der Nordseite ein gewalmtes Vordach auf zwei Holzstützen.<br />
Unterhalb des Dachansatzes sind zwei kräftige<br />
Profilleisten zu sehen. Auf dem Südende des Dachfirstes<br />
sitzt ein Kreuz über Kugel und Stange. Dem Eintretenden<br />
bietet sich das Bild einer verstaubten und selten gelüfteten<br />
„Bauernstube" mit zahlreichen Tafeln an der<br />
Wand, mit Kränzen und Wachsblumen und einem einfachen,<br />
etwas holprigen Ziegelplattenboden.<br />
Der Aufbau des Altares folgt dem Halbrund des Chores<br />
und bildet in der Mitte eine große Nische für das Gnadenbild,<br />
die „Madonna mit der Erdbeerschüssel". Maria<br />
steht auf einer Wolkenbank, die von dem über dem Tabernakel<br />
aufsteigenden Sockel getragen wird, dazu ist sie<br />
von einem barocken Strahlenkranz umgeben. Über der<br />
Figur, ferner an der geschweiften Mensa sind muschelförmige<br />
Ornamentschnitzereien von bescheidener Qualität<br />
angebracht. Beidseitig vom Tabernakel sind in rechteckiger<br />
Umrahmung die reliefartigen Brustbilder von<br />
Maria und Johannes zu sehen. Gekrönt wird der Altar<br />
von vier geflügelten Engelsköpfchen. Das gesamte<br />
Schreiner- und Schnitzwerk macht einen etwas hausbakkenen<br />
Eindruck, es sind Werke einfacher Volkskunst.<br />
Sehr bemerkenswert ist die Madonna von 1633 lä , also<br />
aus der Mitte des Dreißigjährigen Krieges, die schon barocke<br />
Züge trägt und doch noch aus dem Geist der Gotik<br />
geschaffen ist. Sie ist Gottesmutter und Himmelkönigin<br />
in einem. Aufrecht steht sie vor dem Beter, den linken<br />
Fuß - unsichtbar unter dem langen Mantel - auf<br />
die Mondsichel mit breitem Gesicht gesetzt. Mit der<br />
rechten Hand hält sie das nackte Jesuskind, das ebenfalls<br />
dem Beter entgegensieht, das linke Ärmchen um den<br />
Hals der Mutter gelegt und mit der Rechten nach den<br />
Früchten in der anderen Hand der Maria greifend. Das<br />
gekrönte Haupt der Madonna wird gerahmt vom offen<br />
über den Rücken niederfließenden, welligen Haar. Der<br />
fußlange Mantel ist ziemlich flach gearbeitet; rundliche,<br />
kaum gebrochene Schüsselfalten sitzen ihm einfach auf.<br />
Vor dem linken Fuß erscheint, teils vom Mantel bedeckt,<br />
die Mondsichel mit einem kräftig herausgearbeiteten<br />
Männergesicht.<br />
Zum reizvollen Inventar der kleinen Wallfahrtskapelle<br />
gehören 9 noch erhaltene Votivtafeln und 2 Hinterglasbilder,<br />
die sich allesamt in einem angegriffenen Zustand<br />
befinden. Bei den meisten beginnt die Malschicht abzublättern,<br />
etliche weisen schon große Fehlstellen auf. Die<br />
älteste Tafel von 1771 stammt ohne Zweifel von dem<br />
Inneringer Dorfmaler Johann Chrysostomus Flöß<br />
(1721-72 in Inneringen), sechs weitere zwischen 1794<br />
und 1832 schuf dessen Sohn Lukas Flöß (1751-1834) in<br />
seiner charakteristischen Manier. Die besterhaltene Tafel<br />
von 1832 soll dem Leser einen Eindruck dieser reizvollen<br />
Bauernmalerei vermitteln.<br />
Es wäre zu wünschen, daß die Kapelle noch besser gegen<br />
Einbruch gesichert wird oder deren Kunstgegenstände an<br />
einem sicheren Ort geborgen werden. Vielleicht findet<br />
sich auch einmal ein Spender, der die Restaurierung der<br />
Votivtafeln ermöglicht.<br />
Anmerkungen<br />
1 Beitl Klaus, Votivbilder - Zeugnisse einer alten Volkskunst,<br />
Salzburg 1973, Erläuterung zu Tafel 15.<br />
2 Mortuarium sive Liber Anniversariorum Ecclesiae Inneringanae,<br />
ex antiquiore erutus, in Ordinem digestus et conscriptus<br />
a M: Joanne Conrado Arbogasto Gauch SS Theologie<br />
et SS Canonum Candidato, ejusdem Ecclesiae tunc temporis<br />
Parocho et Rectore, 1733, pag. 68.<br />
3 L. Stauss, Inneringen, in: 50 Jahre Lauchertzeitung, Gam-<br />
mertingen 1926, S 33.<br />
4 Maier, Krezdorn, Die Geschichte des Ortes Inneringen,<br />
Verlag der Gemeinde, o. J. (1966), S. 88.<br />
5 PfArchiv Inneringen, Totenbuch I (Eintrag zum 24. Sept.<br />
1640).<br />
6 PfArchiv Inneringen, Dorfchronik, Hs. »Gedenkh- und<br />
Merkh-würdige Sachen, die sich bey meinen Lebzeiten hin<br />
und wieder zue getragen haben . .., den Anfang darzue gemacht<br />
in Anno 1722«. Pfarrer Ludwig Frh. von Gall war<br />
der Sohn des Trochtelfinger Obervogtes Franz Ludwig von<br />
Gall (1660-82 in fürstenberg. Diensten), von 1675-80 in<br />
Trochtelfingen Pfarrer, ab dem 19. 6. 1680 in Inneringen,<br />
dort gest. am 16.6. 1697. Auch hier wird deutlich, daß die<br />
Pfarrei Inneringen sogar Trochtelfingen gegenüber attraktiver<br />
war und ausschließlich von in fürstenberg. Diensten<br />
hochgekommenen Persönlichkeiten besetzt wurde.<br />
43
7 Aus Mellingen in der Schweiz, 1691 zum Priester geweiht,<br />
zunächst Hofkaplan der Freiherrn von Zweyer, 4 Jahre<br />
Pfarrer in Wolfach, 14 Jahre Pfarrer und Kammerer in<br />
Stühlingen (dort zugleich Hofmeister und Prinzenerzieher<br />
am fürstenherg. Hof), ab dem 13.9. 1717 Pfarrer in Inneringen<br />
bis zu seinem Tod am 27. 3. 1732. Als Prinzenerzieher<br />
weitgereist, sprach und schrieb ein gutes Französisch.<br />
Apostol. Protonotar.<br />
8 Nach dem unrühmlichen Abgang seines Vorgängers präsentierte<br />
der Fürst in Donaueschingen 1747 als besonders würdigen<br />
Seelsorger Pfarrer Anton Jos. Friedrich Freiherrn von<br />
Langen, den Sohn des fürstenb. Obervogtes in Neustadt/<br />
Schwzw. Geb. 9.11.1716, gest. 24.6.1772 als Dekan des<br />
Kapitels Riedlingen u. Pfarrer in Inneringen. Er erwarb den<br />
theol. Doktor in Rom, wurde Pfarrer in Engen. Er hatte in<br />
Inneringen zunächst einen schweren Stand: Die Sitten seien<br />
H. BURKARTH<br />
Zum 100. Geburtstag der Lauchert-Zeitung<br />
Ein Beitrag zur Geschichte des Zeitungswesens in Hohenzollern<br />
Die Lauchert-Zeitung könnte in diesem Jahr ihren hundertsten<br />
Geburtstag feiern, wenn ihr nicht die Machthaber<br />
des Dritten Reiches im Alter von fast siebzig Jahren<br />
das Lebenslicht ausgeblasen hätten. Ihr genaues Geburtsdatum<br />
ist der 4. Oktober 1876. Damals gab der Gammertinger<br />
Buchdrucker Franz Sauter die erste Nummer<br />
der Lauchert-Zeitung heraus, die gleichzeitig zum Amtsund<br />
Oberamts-Anzeigeblatt für die Stadt und den Oberamtsbezirk<br />
Gammertingen erhoben wurde. Die Zeitung<br />
erschien dreimal wöchentlich und kostete im Monat<br />
30 Pfennig frei Haus, pro Nummer also 2 1 /z Pfennig.<br />
Öfter hätte sie auch nicht erscheinen können, denn sie<br />
wurde von Hand gesetzt und auf einer Handpresse gedruckt.<br />
Als Redakteur befleißigte sich Sauter einer liberalen<br />
und regierungsfreundlichen Haltung.<br />
Schon nach fünf Monaten verkaufte Sauter jedoch<br />
Druckerei und Zeitungsverlag an einen Hironymus Büchsenmann.<br />
Büchsenmann war ein streitbarer Anhänger<br />
der Zentrumspartei, deren Sache er auch in seiner Zeitung<br />
verfocht. Diese Haltung trug ihm den Unwillen der<br />
Preußischen Beamtenschaft in Gammertingen ein und<br />
das Verbot, sich weiterhin Oberamtsblatt zu nennen.<br />
Auch sonst scheint die Sache nicht floriert zu haben,<br />
denn schon zwei Monate später hatte Büchsenmann die<br />
Lust an seiner Zeitung verloren und zog von Gammertingen<br />
weg. Obwohl er in der letzten Nummer versichert<br />
hatte, daß die Zeitung wie bisher erscheine, ereignete<br />
sich nichts mehr.<br />
Es dauerte 2 Jahre und 3 Monate, bis am 12. Juli 1879<br />
wieder eine Lauchert-Zeitung erschien. Der Buchdrucker<br />
Stefan Steinweg unternahm erneut den Versuch, an dem<br />
seine beiden Vorgänger gescheitert waren. Der dichtende<br />
Seilermeister Eduard Bär aus Gammertingen begrüßte<br />
die Neuerscheinung mit einem freudigen Gedicht. Aber<br />
auch Steinweg hatte sich mehr versprochen. Das Interesse<br />
der Landbevölkerung an einer Zeitung war noch nicht<br />
groß. Obwohl fast keine Konkurrenz vorhanden war,<br />
gab es zu wenig Abonnenten und kaum Inserate. So war<br />
Steinweg froh, daß er nach einem halben Jahr in Franz<br />
Werner aus Tuttlingen einen Käufer für Verlag und<br />
Druckerei fand.<br />
Werner war ein tüchtiger Mann und ihm ist es zu danken,<br />
daß die Lauchert-Zeitung überhaupt überlebte. Er<br />
verbesserte Aufmachung und Inhalt der Zeitung wesentlich,<br />
und es gelang ihm, mit unermüdlichem Eifer Abonnenten<br />
und Inserate zu gewinnen. Die Druckerei war<br />
44<br />
zerfallen und das pfarrliche Hauswesen nahezu zusammengebrochen<br />
gewesen. Um den geistigen Wiederaufbau der Gemeinde<br />
hatte er sich große Verdienste erworben (vgl. Totenbucheintrag).<br />
9 S. Anm. 2, pag. 59.<br />
10 S. Anm. 6, S. 46.<br />
11 S. Anm. 2, pag. 28.<br />
12 S. Anm. 2, S. 59 Zu Pfr. Alois Lindau, s.: Manfred Hermann,<br />
Zur Pfarr- und Kunstgeschichte Inneringens, HH<br />
1974, S. 12-15.<br />
13 S. Anm. 2, pag. 70.<br />
14 »Der furchtbare Hagelschlag im Jahr 1853 in Inneringen«,<br />
in: HH 1951, S. 30.<br />
15 Die Kunstdenkmäler des Kreises Sigmaringen, hg. v. Walther<br />
Genzmer, Stuttgart 1948, S. 176/77.<br />
immer noch in Privathäusern in Miete. Mit steigender<br />
Abonnentenzahl mußte der Betrieb jedoch vergrößert<br />
werden. 1881 schaffte Werner eine Schnellpresse an und<br />
zog gleichzeitig in einen Raum im Erdgeschoß des<br />
Schlosses um. In vielen Orten der Umgebung wurden<br />
Agenturen eingerichtet und Geschäftsleute wie Bevölkerung<br />
gewöhnten sich daran, Inserate, die natürlich spottbillig<br />
waren, aufzugeben. Besonders stolz war man, daß<br />
es sogar südlich von Sigmaringen und bei Hechingen<br />
Bezieher der Lauchert-Zeitung gab. Das Format der<br />
Zeitung war damals noch klein (etwa unser heutiges<br />
DIN A 4). Aber die Zeitungen der Umgebung waren<br />
auch nicht größer und erschienen ebenfalls nicht täglich.<br />
Werner erwarb sich durch seinen Fleiß und seine Tüchtigkeit<br />
großes Ansehen bei Mitbürgern und Lesern. Er<br />
galt als der eigentliche Gründer der Zeitung. 1886 zog er<br />
mit seiner Druckerei in ein eigenes Haus ein, in dem sich<br />
heute noch die Buchdruckerei Acker befindet. Mit der<br />
Zeit fühlte er sich gesundheitlich dem Betrieb nicht mehr<br />
gewachsen. Er verkaufte deshalb 1890 Verlag und Drukkerei<br />
an Paul Bosch aus Hechingen. Er selbst kaufte in<br />
Gammertingen den Gasthof „Sonne". Doch bald zog es<br />
ihn wieder zur Kunst Gutenbergs, und er übernahm in<br />
Ulm die Leitung einer größeren Zeitung.<br />
Bosch hatte es wesentlich leichter, als seine Vorgänger.<br />
Die Zeitung florierte und war in den Ortschaften des alten<br />
Oberamtes Gammertingen und den „angrenzenden<br />
Teilen Württembergs und Badens" unentbehrlich geworden.<br />
Nach zehnjähriger Tätigkeit als Redakteur und<br />
Druckereibesitzer kaufte Bosch eine größere Druckerei<br />
in Lahr.<br />
Am 1. Mai 1900 übernahm ein Schüler des bewährten<br />
Werner, Christian Daikeler aus Neufra, die Lauchert-<br />
Zeitung. Seither sind Verlag und Druckerei, wie wir<br />
noch sehen werden, fest in „Neufraer Hand". Durch den<br />
Bau der Hohenzollerischen Landesbahn kam mehr Leben<br />
ins einsame Laucherttal. Auswärtige Zeitungen, die teilweise<br />
jetzt täglich erschienen, drängten herein. Trotzdem<br />
gelang es Daikeler, den Leserkreis zu erhalten und zu erweitern.<br />
Verlagsleiter, Redakteur und oftmals auch Setzer<br />
und Drucker in einer Person, das war natürlich eine<br />
aufreibende Tätigkeit. Das Schwierigste war wohl, immer<br />
den Lokalteil zu füllen, denn es ereignete sich ja<br />
nicht viel. So mußte immer wieder das Wetter die Spalten<br />
ausfüllen. Tiefsinnig berichtete die Redaktion über<br />
den augenblicklichen Regen in Gammertingen und des-
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sierte. Die Bevölkerung war damals längst nicht so mobil<br />
wie heute. Man war zwar auch an der großen Politik interessiert,<br />
wollte aber in erster Linie wissen, was um einen<br />
herum vorging. Der Raum mittleres Hohenzollern,<br />
der früher ein selbstverständliches Zusammengehörigkeitsgefühl<br />
hatte, zerfällt heute durch Kreis- und Gemeindereform<br />
langsam aber sicher. Dazu tragen natürlich<br />
auch die Zeitungen bei, die nach den jeweiligen<br />
Kreisen hin orientiert sind.<br />
Zu Anfang der dreißiger Jahre lief alles gut und niemand<br />
konnte sich vorstellen, daß sich etwas ändern würde.<br />
Acker war Junggeselle, und er sah sich rechtzeitig<br />
nach einem Nachfolger um. So kam sein Neffe Edwin<br />
Stern aus Neufra schon frühzeitig ins Haus, um die<br />
Druckkunst zu lernen. Neben dem Zeitungsdruck war<br />
die Druckerei mit Aufträgen von Privat- und Geschäftsleuten<br />
gut beschäftigt. Die Lauchert-Zeitung kostete damals<br />
1,10 und 0,36 Post- und Zustellgebühren im Monat.<br />
Das Ende der Lauchert-Zeitung nahte mit dem Dritten<br />
Reich. Seit 1934 wurden Acker zunehmend Schwierigkeiten<br />
gemacht. Die Abonnenten wurden unter Druck<br />
gesetzt, eine Parteizeitung zu abonnieren. Die Sigmaringer<br />
Kreisleitung wollte mit allen Mitteln die Zeitung der<br />
parteinahen „Verbo" eingliedern. Bei Acker hagelte es<br />
unfreundliche Briefe von der Kreisleitung und anderen<br />
Parteistellen. Acker wollte jedoch seine Selbständigkeit<br />
auf keinen Fall aufgeben. Allen Anfeindungen zum<br />
Trotz erschien seine Zeitung weiter und behielt auch viele<br />
treue Leser. Natürlich berichtete Acker auch über<br />
Parteiveranstaltungen. Aber es wurde ihm dann vorgeworfen,<br />
daß er nicht „mit Begeisterung" berichtete.<br />
Auch von der NS-Presse wurde die Lauchert-Zeitung öffentlich<br />
angegriffen, wegen angeblicher Falschmeldungen<br />
usw.<br />
Der Kriegsbeginn 1939 verschärfte die Schwierigkeiten<br />
weiter. Die meisten Mitarbeiter wurden einberufen.<br />
Trotzdem konnte durch vermehrte Arbeitsleistung der<br />
„letzten Getreuen" die Zeitung weiter erscheinen. Aller-<br />
KARL-WERNER STEIM<br />
Eisenbahn brachte den Fortschritt nach Haigerloch<br />
Eyachtalbahn von Eyach über Haigerloch nach Stetten vor 75 ]ahren eröffnet<br />
Mit der Eröffnung der Eyachtalbahn von Eyach über<br />
Haigerloch bis nach Stetten/Haigerloch vor 75 Jahren<br />
war ein wichtiger Schritt in ein neues Zeitalter getan.<br />
Ein Jahr nach der Jahrhundertwende erfüllte sich der<br />
langgehegte Wunsch von Handel, Handwerk, Industrie<br />
und der ganzen Bevölkerung. Die großen finanziellen<br />
Opfer hatten sich gelohnt, „daß auch dieser schöne Fleck<br />
Erde dem großen Verkehr erschlossen wurde", wie eine<br />
Hechinger Zeitung damals schrieb.<br />
In der ersten Hälfte des vorigen Jahrhunderts waren die<br />
Verkehrsverhältnisse im unteren Eyachtal geradezu<br />
trostlos. Von Haigerloch nach Bad Imnau gab es noch<br />
keine Talstraße; nur ein teilweise schwindelerregender<br />
Fußpfad war der einzige Verbindungsweg mit Imnau.<br />
Fuhrwerke mußten den unbequemen Fahrweg über Tailfingen<br />
benützen. Ähnlich waren die Wegverhältnisse talaufwärts,<br />
Owingen zu.<br />
1838/1840 ließ der Fürst von Hohenzollern-Sigmaringen<br />
die Fabrik Karlstal bei Haigerloch bauen, um den Bewohnern<br />
der Umgebung eine Verdienstmöglichkeit zu<br />
bieten. Nach der Übernahme Hohenzollerns durch Preu-<br />
46<br />
dings gab die Papierrationierung dem NS-Regime nun<br />
ein Mittel in die Hand, mißliebige Blätter durch Streichung<br />
der Papierzuteilung auszuschalten. Im März 1943<br />
war es dann soweit. Am 31. März 1943 erschien die letzte<br />
Nummer der Lauchert-Zeitung. Es ist typisch für das<br />
damalige Regime, daß die Abonnenten von dem Verbot<br />
früher erfuhren, als Acker selbst.<br />
Er betrieb seine Druckerei noch bis zum 5. Juni 1943,<br />
dann wurde auch diese, als nicht kriegswichtig, geschlossen.<br />
Er selbst wurde auf das Wirtschaftsamt in Sigmaringen<br />
dienstverpflichtet. Einige Zeit später wurde das<br />
Schriftmaterial abgeholt und auf Lastwagen weggefahren.<br />
Dies wurde weder begründet, noch war von einer<br />
Bezahlung die Rede. Der getreue Peter Osswald hatte<br />
vorher schon so etwas kommen sehen und einiges versteckt.<br />
Nach Kriegsende war es Ackers Ziel, die Lauchert-Zeitung<br />
wieder erscheinen zu lassen. Er ging zu Fuß nach<br />
Stuttgart zu einer Schriftgießerei, um Schriftmaterial zu<br />
bekommen. Auch die Papierbeschaffung war schwierig,<br />
obwohl noch etwas Papier von der Lauchert-Zeitung<br />
vorsorglich „ausgelagert" war. Im September 1946 wurde<br />
erstmalig das „Katholische Kirchenblatt" für Gammertingen,<br />
Neufra und Burladingen gedruckt. Von allen<br />
Seiten wurde das Wiedererscheinen der Lauchert-Zeitung<br />
erwartet. Aber die französische Militärregierung verweigerte<br />
die Lizenz. Als sich die politischen Verhältnisse soweit<br />
gebessert hatten, daß eine Wiederbegründung möglich<br />
gewesen wäre, war die Lizenzpresse schon so fest etabliert,<br />
daß es nicht mehr möglich war, eine kleine Zeitung<br />
neu zu begründen. Deshalb bemühte sich Acker um<br />
den weiteren Ausbau der Druckerei. Fast 20 Jahre lang<br />
erschien die „Hohenzollerische Heimat" bei Sebastian<br />
Acker, der auch das ganze finanzielle Risiko trug. Er<br />
starb am 25. Februar 1968, mit ihm ein Stück <strong>Hohenzollerischer</strong><br />
Zeitungsgeschichte. Die Buchdruckerei Acker<br />
feiert in diesem Jahr unter Herrn Edwin Stern ihr<br />
100. Jubiläum. Ihre älteste Tochter, die Lauchert-Zeitung,<br />
verschied 1943 im Alter von 67 Jahren.<br />
ßen im Jahre 1850 verstärkte der neue Landesherr die<br />
Bemühungen zur Industrialisierung des Ländchens. Bald<br />
entstand die Saline in Stetten bei Haigerloch. Diese beiden<br />
größten Betriebe im Raum Haigerloch waren aber<br />
dringend auf einen Eisenbahnanschluß angewiesen, um<br />
konkurrenzfähig zu bleiben. Dasselbe galt vor allem für<br />
die Holzhändler, Säg- und ölmüller und gerade die<br />
Hopfenbauern, die ihre Waren nur mit entsprechenden<br />
Einbußen absetzen konnten. Der geringe Besuch des Bades<br />
Imnau war natürlich auch auf die schlechten Verkehrsverbindungen<br />
zurückzuführen. So wurde der Ruf<br />
nach einer Eisenbahn immer häufiger und immer dringender.<br />
Der damalige Haigerlocher Oberamtmann Emele nahm<br />
sich der gewünschten Eisenbahn besonders an. Unter seinem<br />
Vorsitz tagte dann am 1. Juni 1878 erstmals ein<br />
„Eisenbahnkomitee", das in der Folgezeit eine umfangreiche<br />
Verkehrsstatistik aufstellte. Berginspektor Bender<br />
von der Saline in Stetten entwarf eine entsprechende Petition,<br />
die noch im gleichen Jahr nach Stuttgart gesandt<br />
wurde. Die Württembergische Eisenbahnbaukommission,
für die Hohenzollern wohl „weit hinter dem Mond" lag,<br />
lehnte am 20. Dezember 1878 ab. Die Bemühungen<br />
schienen zunächst gescheitert. 1880 stellte Bezirksgeometer<br />
Schwenk einen Kostenüberschlag auf für eine Bahnlinie<br />
Eyach - Haigerloch - Balingen. Er belief sich auf<br />
413 350 Mark ohne Hochbauten, Maschinen, Wagen und<br />
dergleichen. Im selben Jahr trat Oberamtmann Emele<br />
vom Vorstand zurück.<br />
Sein Nachfolger wurde Stadtbürgermeister Stehle, der<br />
wiederum 1887 von Salineninspektor Bender abgelöst<br />
wurde, der sich besonders nachhaltig um das Vorhaben<br />
kümmerte. Letzter Komitee-Vorsitzender wurde schließlich<br />
Amtsgerichtsrat Kraus, der das Gelingen des Werkes<br />
auch sehen durfte. Mit Unterstützung der Königlichen<br />
Regierung und des Hohenzollerischen Kommunallandtags<br />
in Sigmaringen, der Preußischen Regierung, der<br />
Westdeutschen Eisenbahngesellschaft, des Amtsverbands<br />
der Stadt Haigerloch und weiterer Gemeinden sollte das<br />
schwere Werk zur glücklichen Vollendung kommen.<br />
Am 10. Juli 1899 wurden die ersten Sprengungen am<br />
Tunnel in Haigerloch gelöst, der Durchstich wurde am<br />
21. Februar 1900 vollzog en. Die Kosten für den 130 m<br />
langen Tunnel wurden auf rund 70 000 Mark veranschlagt.<br />
Die ehrenwerten Mitglieder des Haigerlocher<br />
Herrenmuseums unternahmen im März des Jahres 1900<br />
einen Festzug durch den Haigerlocher Tunnel. Beim<br />
Austritt an der Straße nach Stetten wurden Freudenschüsse<br />
abgefeuert, die nach einem zeitgenössischen Bericht<br />
„lange im Eyachtal verhallten".<br />
Auch die übrigen Eisenbahnarbeiten machten - sicher<br />
auch dank der erfahrenen italienischen Arbeiter - rasche<br />
Fortschritte. Der Tag der Eröffnung der Eyachtalbahn<br />
von Eyach bis Stetten/Haigerloch nahte. Wie es<br />
von Stetten aus weitergehen sollte, war noch unklar. Der<br />
Haigerlocher Bevölkerung erschien eine Fortsetzung<br />
nach Balingen wichtiger als nach Hechingen.<br />
Am 17. Juni 1901 war es dann soweit. Die Bahneröffnung<br />
wurde festlich begangen. Die Stadt war prächtig<br />
geziert, ebenso der Bahnhof und die neue Bahnhofbrücke.<br />
Gegen 13 Uhr fuhr der reich bekränzte Festzug,<br />
der die Gäste aus Württemberg in Eyach abgeholt<br />
hatte, auf dem Haigerlocher Bahnhof ein. Die gesamte<br />
JOH. WANNENMACHER<br />
Sprichwörtliche Redensarten und urwüchsige Ausdrücke<br />
aus unserer heimischen Mundart (Rangendingen)<br />
Sprichwörter und Redensarten sind das kernige Brot unserer<br />
Mundart, sind Richtungspunkte mit langer Erfahrung.<br />
Sie sagen mit wenigen Worten oft mehr und zutreffender<br />
über eine Sache aus, als viele Umschreibungen<br />
und Darlegungen in hochdeutscher Sprache dies vermögen.<br />
Heute spricht, redet, schreibt man mit Recht so<br />
vielseitig von der Kraft der notwendigen Liebe und<br />
Güte, die allein Menschen und Völker miteinander versöhnen,<br />
verstehen und verbinden können. - Ein treffliches<br />
Sprichwort in der Mundart, das viel im übertragenen<br />
Sinn gebraucht wird, sagt in dieser Richtung so<br />
kurz und anschaulich: „Mit einem Tropfen Honig fängt<br />
ma meh Flieaga als mit ama Faß vool Essig". Und seufzend<br />
unter der Last der Arbeit hört man mitunter: „'S<br />
dreht sich ällas ums Häs und 's Gfräß" (Kleidung und<br />
Essen). Andererseits lehrt die Erfahrung aus früher oft<br />
armen Zeitläuften: „Am Häs und am Gfräß muaß ma<br />
spara lerna!" Wer seinen Platz am Tisch oder auch seine<br />
Arbeitsstätte ungeordnet verläßt, „Dear lauft aweg (da-<br />
Schuljugend sang ein Eisenbahnlied. Ein Schulkind begrüßte<br />
den Sigmaringer Regierungspräsidenten, Graf<br />
Brühl, mit einem Gedicht. Ein anderes Mädchen sprach<br />
ein Verschen für den Vertreter des zuständigen Stuttgarter<br />
Ministers, Freiherr von Soden. Stadtrat Schaller begrüßte<br />
namens der Stadt Haigerloch. Sängerbund und<br />
Liederkranz umrahmten den Festakt auf dem Bahnhof.<br />
Nach der Rückkehr von Stetten bewegte sich ein langer<br />
Festzug unter Vorausmarsch der Tübinger Militärmusik<br />
zum Gasthof „Post". Dort wurden die gebührenden<br />
Trinksprüche ausgebracht. Soviel Prominenz hatte Haigerloch<br />
lange nicht gesehen. Mit Musik verrannen die<br />
Feststunden wie im Flug.<br />
Abends war ein Festbankett für die Bevölkerung in der<br />
Brauerei Maier. Dr. Mock führte den Vorsitz, die Festrede<br />
hielt Hauptlehrer Fink. Zahlreiche Gedichte, Trinksprüche<br />
usw. lockerten die Feier auf.<br />
An diesem Festtage kam morgens der letzte Dettinger<br />
Postwagen reich geschmückt in Haigerloch an. Während<br />
des Festessens nahm auch der Eyacher Postwagen Abschied.<br />
Er war mit Fahnen und Laubgewinden geziert,<br />
der Postillon mit Trauerflor.<br />
Zwar klang Wehmut mit, doch war der Tag der Eisenbahn-Eröffnung<br />
ein heiß herbeigesehntes Ereignis. Wie<br />
schrieb doch die Zeitung als Vorspruch zur Bahn-Eröffnung<br />
vor 75 Jahren: „Wo heutzutage die Eisenbahn<br />
nicht hingeht, da ist, wie man zu sagen pflegt, die Welt<br />
mit Brettern vernagelt."<br />
Der Abschnitt Eyach - Stetten/Haigerloch ist 13,3 km<br />
lang. Als erste Strecke der Hohenzollerischen Kleinbahn-<br />
Gesellschaft, die am 5. Juli 1899 gegründet worden war,<br />
war am 28. 3. 1900 das 5,6 km lange Teilstück Sigmaringendorf<br />
- Bingen und am 18.3. 1901 Hechingen -<br />
Burladingen (14,7 km) eröffnet worden. Weiter folgten<br />
dann: Kleinengstingen - Gammertingen (19,7 km) am<br />
7. 9. 1901, Burladingen - Gammertingen und Hanfertal<br />
- Bingen (36,98 km) am 6. 12. 1908, Hanfertal -<br />
Sigmaringen (2,32 km) am 5.10.1910 und schließlich<br />
Stetten - Hechingen (14,83 km) am 24. 12. 1912. Die<br />
Gesamtlänge der Strecken beträgt 107,43 km, davon liegen<br />
92,55 km auf hohenzollerischem und 14,88 km auf<br />
württembergischem Gebiet.<br />
von), wiea d' Sau vom Trog". Als die Technik noch<br />
nicht in der Landwirtschaft eingezogen war, mußten<br />
einst ganze Äcker mit Kartoffeln oder Rüben mit der<br />
Hacke bearbeitet werden. Das war ein hartes und mühevolles<br />
Tun, und das Sprichwort sagt dazu: „'S Hacka<br />
geit schmale Backa und broate Händ!" Einer, der sich in<br />
allem hinausreden und schwierigen Situationen leicht<br />
und mit Erfolg entwinden kann, von dem heißt es:<br />
„Dear ischt aalglatt". Wer übermäßig viel ißt und<br />
trinkt, ist in der Mundart „a Fresser". Es heißt aber von<br />
einem solchen auch: „'S kommt koa Fresser uff d'Welt,<br />
ma zieaht a (ihn)". Der Einfluß der Umwelt auf den<br />
Menschen ist damit deutlich erkannt und hervorgehoben.<br />
Ist einer tappig, redet überall dumm und ungeschickt<br />
heraus, so daß er sich manchen Vorteil verscherzt, „Dös<br />
ischt a Tralaramm". Dagegen wird ein gescheiter Kopf<br />
bewundert und dies oft humorvoll und spaßig bestätigt:<br />
„'S goht nontz (nichts) über an gscheita Kopf als<br />
d'Haut". Eine Frau, die sich im Sprechen und vorschnel-<br />
47
len Handeln sehr zurückhält, aber alle Vorteile schlau<br />
wahrzunehmen versteht, doch wenig darüber verrät,<br />
„Ischt hälenga Fett wiea a Goaß (Geiß)". Will jemand<br />
unter allen Umständen, ja sogar mit Gewalt irgend ein<br />
Ziel erreichen, so sagt man: „Dear will parduu do na",<br />
etc. Ist eine Sache in keiner Weise erwünscht, ja überflüssig<br />
und lästig, dann meint der Volksmund dazu:<br />
„Dös ischt so überflüssig wiea an Kropf!" Streiten sich<br />
zwei, und die Zankerei mit bösen Vorwürfen und Worten<br />
wird dem einen Teil zuviel, so droht dieser plötzlich<br />
mit strengeren Mitteln, indem er entgegnet: „So, jetzt<br />
ischt aber gnuag Hai (Heu) honna!" Wenn sich ein paar<br />
Leute über ein unliebsames Vorkommnis am Orte besonders<br />
aufhalten und allerlei harte Urteile gefällt werden,<br />
so kann einer, der über der Sache steht, die Situation<br />
plötzlich aufhellen und beenden mit der Redeweise:<br />
„Ha, 's ischt jo schau schlimm, aber morga sprengt wieder<br />
a andere Sau da Ga(r)ta na, diea hot no a dreckeregares<br />
Fiedla wiea diea!" - Oft gebraucht man auch das<br />
Wort „Schieargar", was soviel bedeutet wie „beinahe".<br />
Da hört man beispielsweise: „I be schiergar en Bach nei<br />
gfalla; i hau me schiargar in Fenger nei gschnitte" usf.<br />
Jagt man einem immer wieder Angst ein, hetzt und<br />
treibt ihn, so wird dieser zuletzt ganz unsicher, wird<br />
„vergelschtaret" und weiß zuletzt nicht mehr, was er<br />
tun und lassen soll. „Hendaretfür" heißt soviel wie ganz<br />
quer und verkehrt. Wenn man immer in den Rock- und<br />
Hosentaschen herumkramt oder an anderen herumzumpft<br />
und sie auf diese Weise belästigt, so kann man<br />
vorwurfsvoll die Frage hören: „Was grooblescht denn<br />
älleweil heromm?" Und wenn in der Pfanne etwas Gutes<br />
brutzelt und brodelt, Luftblasen hinaus pustet, dann<br />
„pfuuzget" es. Kleine Kinder tragen oft ein Kettchen<br />
mit einer Medaille um den Hals. Diese Medaille nennt<br />
der Volksmund schlicht und einfach „a Deele".<br />
So trifft die Mundart, reichlich mit Beobachtungen und<br />
langen Erfahrungen, mit wendigem Geist und tiefem Gemüt<br />
erfüllt, sprachlich in einzigartiger Weise die Dinge<br />
des Lebens. Sie ist deswegen wohl wert, erhalten und gepflegt<br />
zu werden!<br />
900 Jahre Jungingen<br />
Fest und Heimatbuch<br />
Jungingen ist innerhalb des alten Hohenzollern ein ganz<br />
besonderer Ort. Die Junginger waren nicht nur in unserer<br />
ganzen Heimat als Hausierer bekannt und beliebt,<br />
ihre spezielle Industrie hat seit Jahrzehnten Weltgeltung.<br />
HOHENZOLLERISCHE HEIMAT<br />
herausgegeben vom Hohenzollerisdien <strong>Geschichtsverein</strong><br />
in Verbindung mit den Staatlichen<br />
Schulämtern. Verlag: <strong>Hohenzollerischer</strong><br />
<strong>Geschichtsverein</strong> 748 Sigmaringen,<br />
Karlstr. 3. Druck: M. Liehners Hofbuchdruckerei<br />
KG, 748 Sigmaringen, Karlstr. 10.<br />
Die Zeitschrift „Hohenzollerisdoe Heimat'<br />
ist eine heimatkundliche Zeitschrift. Sie<br />
will besonders die Bevölkerung in Hohenzollern<br />
mit der Geschichte ihrer Heimat<br />
vertraut machen. Sie bringt neben fachhistorischen<br />
auch populär gehaltene Beiträge<br />
aus der Geschichte unseres Landes.<br />
Sie veröffentl. bevorzugt Beiträge, die im<br />
Schulunterricht verwendet werden können.<br />
Bezugspreis: 3,00 DM halbjährlich<br />
Konten der „Hohenzollerisdien Heimat":<br />
802 507 Hohenz. Landesbank Sigmaringen<br />
123 63 Postscheckamt Stuttgart<br />
48<br />
Die Autoren dieser Nummer:<br />
Fritz Scheerer, Rektor i. R.,<br />
7460 Balingen, Am Heuberg 42<br />
Job. Adam Kraus, Erzb. Archivar i. R.,<br />
7800 Freiburg/Br., Badstr. 2<br />
Manfred Hermann, Pfarrer<br />
7451 Neufra/Hhz.<br />
Dr. med. Herbert Burkarth,<br />
7487 Gammertingen<br />
Karl-Werner Steim<br />
7400 Tübingen,Stauffenbergstr. 51<br />
Job. Wannenmacher, Schulrat i. R.,<br />
7487 Gammertingen, Goethestr.<br />
Schriftleitung:<br />
Dr. med. Herbert Burkarth,<br />
7487 Gammertingen<br />
Der Gemeindereform konnte Jungingen entrinnen. So<br />
nahm die rührige Gemeinde die erste urkundliche Nennung<br />
ihres Namens im Jahr 1075 zum Anlaß, sich in einem<br />
Fest und einem Buch darzustellen.<br />
Ein offizieller Festakt, ein historischer Umzug und die<br />
Ausstellung „Jungingen gestern und heute" waren die<br />
Höhepunkte der vier Festtage. Mittelpunkt des Festaktes<br />
war die ausgezeichnete Rede von Landrat i. R. Dr. Speidel<br />
„Jungingen gestern, heute und morgen".<br />
Für das Heimatbuch brauchte Bürgermeister Norbert<br />
King nicht mühsam nach einem Autor zu suchen. Er<br />
fand in Jungingen ein ganzes Dutzend Männer, welche<br />
die Aufgabe mit Begeisterung und Sachkenntnis übernahmen.<br />
Das Buch führt die Bezeichnung Heimatbuch<br />
zurecht, denn es berichtet nicht nur über die Ortsgeschichte,<br />
sondern bringt eine Fülle von Berichten über<br />
den Hausierhandel, die Industrie, Mundart, Heimatdichtung,<br />
Landschaft usw. Es stellt, wie es im Klappentext<br />
heißt, tatsächlich einen wesentlichen Beitrag zur hohenzollerischen<br />
Geschichte dar. Besonders zu loben ist die<br />
hervorragende Ausstattung. 103 Fotos begleiten den<br />
Text. Das Buch ist zum bescheidenen Preis von 25 DM<br />
erhältlich und kann allen Heimatfreunden nur wärmstens<br />
empfohlen werden.<br />
Richtigstellung der Pfarrlisten<br />
Stein und Zell (Boll)<br />
Zu Hohz. Heimat 1976, S. 2 und 18, ist ergänzend zu<br />
bemerken Der 1420 in Stein b. Hechingen aufgezogene<br />
Pfarrer Werner Schlaitz senior kam am 27. November<br />
1439 als Seelsorger nach Steinhofen und einigte sich mit<br />
der bischöflichen Behörde um 15 fl Erstfrüchte. Der jüngere<br />
Werner Schlaitz in Zell dagegen wurde (laut M.<br />
Krebs, Annatenregister Nr. 3387, veröff. im »Freiburger<br />
Diözesanarchiv Band 71) vom Kloster Stein am Rhein<br />
als »Ewiger Vikar« auf die klostereigene Pfarrei<br />
Schwenningen bei Werenwag unterm 27. November<br />
1439 präsentiert und zog bald von Zell weg. Aus dem<br />
am 8. Februar 1438 geplant gewesenen Bau der beiden<br />
Schlaitz im Burgstall zu Zell wird also kaum etwas geworden<br />
sein! Es müßte sich denn um ein ganz kleines<br />
Gebäude gehandelt haben, das in anderthalb Jahren fertig<br />
gestellt werden konnte. J. A. Kraus<br />
Redaktionsausschuß:<br />
Hubert Deck, Konrektor<br />
745 Hechingen, Tübinger Straße 28<br />
Telefon (07471) 2937<br />
Walther Frick, Journalist<br />
748 Sigmaringen, Hohe Tannen<br />
Telefon (07571) 8341<br />
Die mit Namen versehenen Artikel geben<br />
die persönliche Meinung der Verfasser<br />
wieder; diese zeichnen für den Inhalt<br />
der Beiträge verantwortlich. Mitteilungen<br />
der Sdiriftleitung sind als solche gekennzeichnet.<br />
Manuskripte und Besprechungsexemplare<br />
werden an die Adresse des Schriftleiters<br />
oder Redaktionsausschusses erbeten.<br />
Wir bitten unsere Leser, die „Hohenzollerische<br />
Heimat" weiter zu empfehlen.
HOHENZOLLERISCHE<br />
HEIMÄT<br />
Herausgegeben oom<br />
W <strong>3828</strong> F<br />
Hohenzollerilchen Gefchichteoerein<br />
26. Jahrgang Nr. 4/Dezember 1976
MANFRED HERMANN<br />
Die Dreifaltigkeits-Kapelle zu Inneringen<br />
Nach der abgegangenen Sebastianskapelle 1 und dem<br />
kleinen Wallfahrts-Heiligtum Maria-Nötenwang 2 zu Inneringen<br />
soll auch die dortige Dreifaltigkeits-Kapelle<br />
eine eingehendere Betrachtung erfahren. Sie liegt etwa<br />
1 km vor dem westlichen Dorfrand auf einem bewaldeten<br />
Hügel. Ihre seltene Form - sie ist als Rundbau mit<br />
einem inneren Durchmesser von 5,15 m errichtet — ließ<br />
im letzten Jahrhundert die Meinung aufkommen, es<br />
handle sich um ein röm. Bauwerk 3 . Der Sigmaringer<br />
Kunstdenkmäler-Band datiert dagegen das kleine Heiligtum<br />
ins 18. Jahrhundert 4 .<br />
Vor 25 Jahren hat Johann Adam Kraus ihren mittelalterlichen<br />
Ursprung nachgewiesen, indem er aus der Hs<br />
324 des Erzb. Archivs (S. 83) den Text einer wohl verlorenen<br />
Urkunde veröffentlichte 5 : „Der Generalvikar des<br />
Bischofs Hugo von Hohenlandenberg 1496-1529,<br />
32-32, durch Gottes Zulassung und des Apostolischen<br />
Stuhles Gnade Bischof von Konstanz, entbietet hiermit<br />
allen Lesern dieses Schriftstücks seinen Gruß . . . Wir<br />
sind den frommen Absichten des in Christo geliebten<br />
Johannes Herli, Leutpriester an der Pfarrkirche<br />
zu Inneringen und Dekan des Landkapitels Riedlingen<br />
in unserer Diözese gern gewogen. Er will an einem<br />
Platz, zum Heiligenberg genannt, nicht weit vom Dörflein<br />
Inneringen und noch im Gebiet der dortigen Pfarrei<br />
aus besonderer Andacht eine steinerne Kapelle bauen<br />
mit einem Altar in der Hoffnung, daß sie auch mit<br />
dem Nötigen ausgestattet werde, doch ohne Beeinträchtigung<br />
der Pfarrkirche und des jeweiligen Pfarrers,<br />
und zwar zum Lob des göttlichen Namens. Er bittet<br />
nach Erbauung auch um die Weihe. Nach Darlegung seiner<br />
Gründe gewähren wir ihm kraft bischöflicher Gewalt<br />
huldvoll im Herrn seine Bitte und geben Bauerlaubnis<br />
unter Wahrung aller Rechte der Pfarrkirche und<br />
des jeweiligen Seelsorgers. Gegeben zu Konstanz im Jahr<br />
1520" (vermutlich um den 18. Juni).<br />
So ist die Kapelle das Vermächtnis eines Priesters, der<br />
als Dekan des Landkapitels Riedlingen eine angesehene<br />
Persönlichkeit gewesen sein muß und dicht vor seinem<br />
Lebensende stand. Johann Herli oder Härdli wurde am<br />
21. Juni 1497, wohl durch die Grafen von Werdenberg,<br />
auf die Pfarrei Inneringen präsentiert G . Am 29. Juni d. J.<br />
verhandelte er vor dem bischöfl. Insiegler in Konstanz<br />
über die Zahlung der Hälfte der Erstfrüchte der Pfarrpfründe,<br />
die mit 45 fl recht hoch war und im Kapitel<br />
nur durch die Einkünfte von Riedlingen, (Dürren-)Waldstetten<br />
und Veringen(dorf) übertroffen wurde.<br />
Da sein Vorgänger Georg Meßner alias Rottengatter<br />
7 sich eine Pension vorbehalten hatte, wurde ihm die<br />
Summe um 5 fl ermäßigt 8 . Johannes Herli oder Härdli<br />
war am 15. Sept. 1519 als Dekan bestätigt worden 9 , am<br />
16. Januar 1522 folgte ihm Petrus Streng im Pfarramt.<br />
Wahrscheinlich war Härdli zu dieser Zeit tot.<br />
Daher ist es fraglich, ob er nach dem Bau der Kapelle sie<br />
auch entsprechend auszustatten vermochte. Immerhin<br />
wäre als Altarbild ein geschnitzter oder gemalter „Gnadenstuhl"<br />
vorstellbar, eine Darstellung des thronenden<br />
Gott Vaters mit dem gekreuzigten Sohn vor dem Schoß,<br />
darüber die Taube des Hl. Geistes. Leider ist kein Ausstattungsstück<br />
der Erbauungszeit mehr erhalten geblieben.<br />
Die Weihe des Heiligtums erfolgte relativ spät: Erst am<br />
11. Juli 1575 konsekrierte Weihbischof Balthasar von<br />
50<br />
Konstanz, Titularbischof von Askalon, die Kapelle auf<br />
dem Heiligenberg mit dem Altar zu Lob und Ehren der<br />
heiligsten Dreifaltigkeit und aller Heiligen. Zugleich<br />
verlieh er allen Gläubigen, die am Weihetag das Heiligtum<br />
besuchen, einen Ablaß von 40 Tagen 10 .<br />
Aus dem Ende des 17. Jahrhunderts berichtete der Dorfchronist<br />
Johann Ott 11 über den Inneringer Pfarrer Ludwig<br />
Freiherrn von Gall (1680 bis zu seinem Tod 1692 in<br />
Inneringen): Wenn ein Unwetter am Himmel stand, eilte<br />
der Seelsorger bisweilen in Hut und Mantel in die Dreifaltigkeits-Kapelle,<br />
um durch sein Gebet dem Sturm zuvorzukommen<br />
und alle Schäden abzuwenden. Hinter der<br />
Übung des Pfarrers stand sicher das Bewußtsein, daß<br />
Gott an besonderen Gnadenorten das Gebet eher erhören<br />
und zahlreichere Gnaden austeilen werde als anderswo.<br />
Als später der Ruf der Mariä-Nötenwang-Kapelle sich<br />
festigte, ein solcher Gnadenort zu sein, zogen die Inneringer<br />
mehr dorthin, um den Schutz der Gottesmutter<br />
für Haus, Vieh und Felder zu erbitten.<br />
Weiter hielt Ott fest, daß unter Pfarrer Johann Heinrich<br />
Gauch (1717-32 in Inneringen) neben der Sebastiansund<br />
der Nötenwangkapelle auch das Heiligtum zur<br />
hl. Dreifaltigkeit von Grund auf erneuert wurde. Teils<br />
geschah dies aus Mitteln der Heiligenpflege, teils aus<br />
Spenden der Gläubigen. Diese Maßnahme fällt wohl in<br />
die Zeit um 1725. Wie sehr das Heiligtum dem Seelsorger<br />
am Herzen lag, erkennen wir aus einer Bemerkung<br />
Otts: „Diser gemelte Pfahr Herr hat gar oft ihn Sommer<br />
Zeit wie auch in der Ernnt und Herbst mit denen kleinen<br />
Kindern eine Procession oder Kreuzgang in die haillige<br />
Dreyfaltigkeit Capällen mit einem lauten Rosencrantz<br />
hinauß und hinein angestelt, umb einen fruchtbahren<br />
regen oder aber umb ein guottes Weter zue verhofen,<br />
daß er über alles die Gröste Sorge getragen."<br />
Dem Anniversarium II 12 der Pfarrei Inneringen ist ein<br />
liturgischer Kalender der Gemeinde beigegeben, der von<br />
Pfarrer Johann Konrad Arbogast Gauch (1732-47 in<br />
Inneringen) angelegt bzw. aus dem Vorgängerbuch übernommen<br />
wurde. Danach ging man am Vigiltag des<br />
Dreifaltigkeitsfestes nach der Vesper in der Pfarrkirche<br />
zur Dreifaltigkeitskapelle, um dort ebenfalls eine Vesper<br />
zu singen. Am Dreifaltigkeitsfest selber zogen die Gläubigen<br />
in Prozession zur Kapelle, um dort mit dem Pfarrer<br />
einen Festgottesdienst zu halten. Auch am 11. Juli,<br />
dem Weihetag des Heiligtums, fand jeweils auf dem<br />
Heiligenberg eine hl. Messe statt. Sicherlich strömten<br />
zahlreiche Besucher nicht zuletzt deswegen dorthin, um<br />
den 1575 verliehenen Ablaß von 40 Tagen zu gewinnen.<br />
Aus der Zeit des Pfarrers Anton Joseph Freiherr von<br />
Langen (1747-72 in Inneringen) liegen uns keine Nachrichten<br />
zum Heiligtum der hl. Dreifaltigkeit vor. Wie er<br />
teilweise aus eigenen Mitteln den Altar der Sebastianskapelle<br />
(um 1755) errichten und fassen und 1760 die Nötenwang-Kapelle<br />
völlig neu erstellen ließ, hat er sich<br />
ohne Zweifel auch um jene auf dem Heiligenberg gekümmert.<br />
Der dortige hl. Johann Nepomuk in der östl.<br />
Außennische, eine sehr gute Steinhauerarbeit um 1750,<br />
ist wohl als Zeichen der besonderen Verehrung zu werten,<br />
die der Inneringer Seelsorger dem Patron der Priester<br />
und Beichtväter entgegenbrachte. Dieser Plastik soll<br />
nachher unsere Aufmerksamkeit gelten.<br />
Zum Abschluß des kunstfreudigen 18. Jahrhunderts ließ<br />
1799 Pfarrer Ignaz Freiherr von Laßberg (von 1784 bis
Hl. Johann Nepomuk aus der Dreifaltigkeitskapelle, von<br />
Franz Magnus Hops Foto: M. Hermann<br />
zu seinem Tod 1821 in Inneringen) aus der bekannten<br />
fürstenbergischen Forstmeistersfamilie in Heiligenberg 13<br />
auf seine Kosten ein neues Altarblatt mit der Dreifaltigkeit<br />
und allen Heiligen malen, das der Inneringer Dorfmaler<br />
Lukas Flöß (1751-1834) für Hfl lieferte. Leider<br />
hat erst in jüngster Zeit Pfarrer Alfred Heinzler<br />
(1936-59) das Blatt herausgenommen und durch eine<br />
Madonna von Lourdes ersetzt. Vermutlich ist es noch irgendwo<br />
vorhanden, zur Zeit jedoch nicht auffindbar. In<br />
den 50er Jahren unseres Jahrhunderts schließlich gab der<br />
bekannte und beliebte Beuroner Benediktiner-Pater Tutilo<br />
Gröner dem Heiligtum neuen Glanz, indem er den<br />
Sternenhimmel des Gewölbes mit zahlreichen Engeln und<br />
Heiligen übermalte.<br />
Noch immer kommen im Sommer zahlreiche Beter und<br />
Spaziergänger zu dem kleinen Heiligtum. Die Gemeinde<br />
tat in letzter Zeit ein übriges, um es wieder attraktiver<br />
zu machen: Sie beseitigte einen Teil des Baum- und<br />
Buschbestandes, so daß die Kapelle heute wieder weit<br />
sichtbar ist. Nicht zuletzt lohnt sich für den Kunstfreund<br />
ein Besuch, weil der dortige Johann Nepomuk zu<br />
den schönsten Steinfiguren dieses Themas in Hohenzollern<br />
gehört.<br />
Die ca. 150 cm hohe Plastik aus grauem Sandstein ist im<br />
Dreiviertelrund gearbeitet und zeigt einen geschlossenen<br />
Umriß. Der Heilige erscheint in seiner gewohnten priesterlichen<br />
Kleidung: in langem Talar, der vorn durch<br />
Knöpfe geschlossen ist, im Chorrock mit fein ausgearbeiteter<br />
Spitzenborte und mit breiter Pelz-Mozzetta, die am<br />
Rücken tief hinabreicht. Mit der Rechten hält Johannes<br />
den Fuß des Kreuzes, das er mit der Linken dicht vor<br />
sein Gesicht führt, sich liebevoll dem gemarterten Herrn<br />
zuwendend. Ein reizender geflügelter Engelskopf vor<br />
der Brust des Heiligen hilft gewissermaßen, das Kreuz<br />
zu stützen. Das Haupt des Märtyrerpriesters, mit einem<br />
Birett bedeckt, ist im ganzen mit tiefer Ausdruckskraft<br />
gestaltet, mit dem der Rokokozeit eigenen Pathos; die<br />
edlen Gesichtszüge werden von kurzem Bart und über<br />
den Ohren wegwehenden Haaren gerahmt. Lebendigkeit<br />
gewinnt die Gestalt des Heiligen auch durch den vorgestellten<br />
linken Fuß, dessen Knie sich durch die Gewänder<br />
drückt. Locker entfaltet sich der Chorrock im Raum,<br />
zarte Wellen spielen über den Talar. Leider ist die Oberfläche<br />
des Sandsteins schon stark angegriffen, Teile des<br />
Sockels und des Talarsaumes bröckeln ab. Es wäre zu<br />
überlegen, ob die Figur nicht in Bälde in Sicherheit gebracht<br />
und durch einen Abguß ersetzt werden sollte.<br />
Zum Schluß noch ein Wort zum Künstler: Der Sigmaringer<br />
Kunstdenkmäler-Band von 1948 vermutet als<br />
Bildhauer Johann Georg Weckenmann aus Haigerloch<br />
(1727-95). So liegt ein Vergleich mit dem dortigen Jo-<br />
Hl. Bischof Nikolaus, früher im Hochaltar der Sebastians-<br />
Kapelle, von Franz Magnus Hops Foto: M. Hermann<br />
51
hann Nepomuk vom Marktbrunnen 14 recht nahe. Auf<br />
den ersten Blick zeigt sich jedoch in der Gewandbehandlung<br />
ein deutlicher Unterschied: Die knittrige Oberfläche<br />
von Chorrock und Talar, die für Werke Weckenmanns<br />
typisch ist, findet sich bei der Inneringer Figur<br />
überhaupt nicht. Vielmehr ist an den Bildhauer des<br />
ehem. Hochaltars der Sebastianskapelle zu denken, dessen<br />
Mittelfigur - ein hl. Bischof Nikolaus - ähnliche<br />
Anmerkungen:<br />
1 HH 1974, 51-53.<br />
2 HH 1976, 40-44.<br />
3 Zingeler, Laur, Die Bau- und Kunstdenkmäler in den<br />
Hohenzollern'schen Landen, Stuttgart 1896, 19.<br />
4 Hoßfeld, Vogel, Genzmer, Die Kunstdenkmäler Hohenzollerns,<br />
Bd. II: Kr. Sigmaringen, Stuttgart 1948, 176.<br />
5 HH 1951, 48.<br />
6 PfArch. Inneringen, Aufzeichnungen im Anniversarium II.<br />
7 Mag. Georgius Meßner alias Rottengatter aus Konstanz<br />
wurde am 28. 2. 1483 als Pfarrer von Inneringen proklamiert<br />
u. am 7. April d. J. investiert. Am gleichen Tag verhandelte<br />
er vor dem bisch. Insiegler in Konstanz über die Zahlung<br />
der Hälfte der Erstfrüchte (40 fl, die auf Bitten der Grafen<br />
von Werdenberg auf 30 fl ermäßigt wurden). Vgl. Krebs,<br />
Anm. 8, Nr. 4936. Am 18. Sept. 1492 verschreibt er der<br />
Pfarrkirche Inneringen 600 fl für eine Seelenmesse, die jährlich<br />
zu halten ist. Vgl. Maier/Krezdorn, Die Geschichte des<br />
Ortes Inneringen, o. J., S. 180. Diese haben jedoch nicht<br />
erkannt, daß Gerg Meßner und Georg Rottengatter ein und<br />
dieselbe Person sind.<br />
8 M. Krebs, Die Annatenregister des Bistums Konstanz aus<br />
dem 15. Jh., Freib. Diöz. Arch. 1956, Nr. 4955.<br />
JOHANN ADAM KRAUS<br />
Züge aufweist. Es liegt doch sehr nahe, daß Pfarrer von<br />
Langen bei fast gleichzeitigem Auftrag sich an den selben<br />
Meister gewandt hat: an den Sigmaringer Franz Magnus<br />
Hops (1717-56). Wohl nur er kommt als Bildhauer<br />
des Johann Nepomuk in Frage. Seine Inneringer Arbeiten<br />
15 mehren nicht nur die Kenntnis seines Stils, sie<br />
zeigen eindringlich auch die Qualität seiner Schöpfungen.<br />
8 S. Anm. 5.<br />
10 PfArchiv Anniversarium Ecclesiae Inneringanae I (Einträge<br />
aus dem 16. u. 17. Jh.), f. 31.<br />
11 PfArchiv Inneringen, Hs. „Gedenkh- und Merkh-würdige<br />
Sachen, die sich bey meinen Lebzeiten hin und wieder zue<br />
getragen haben,. . . den Anfang darzue gemacht in Anno<br />
1722."<br />
12 PfArchiv Inneringen, angelegt 1733 v. Pfr. Johann Konrad<br />
Arbogast Gauch. Es enthält weitere wertvolle Angaben zur<br />
Pfarrgeschichte.<br />
13 Jos. v. Laßberg - Mittler und Sammler. Aufsätze zu seinem<br />
100. Todestag, hgbn. v. K.S.Bader, 1955. Ignaz v. L.<br />
war ein Onkel des Donaueschinger und Meersburger Privatgelehrten<br />
und Sammlers.<br />
14 Die Kunstdenkmäler Hohenzollerns, Bd. I, Kr. Hechingen,<br />
bearb. v. F. Hoßfeld, H. Vogel, W. F. Laur, A. Waldenspul<br />
und W. Baur, Hechingen 1939, Abb. 258.<br />
15 Außer dem hl. Nikolaus, dem hl. Sebastian u. dem hl. Rochus<br />
v. ehem. Altar d. Sebastians-Kap., dem hl. Johann<br />
Nepomuk d. Dreifaltigkeits-Kap. sind ferner ein Auferstandener,<br />
ein Wundenkreuz im Pfarrhaus und ein hl. Aloysius<br />
in der Kreuz-Kapelle Franz Magnus Hops zuzuschreiben.<br />
Wie mag wohl Luzius nach Hechingen gekommen sein?<br />
Der hl. Luzius wird als Bischof und Märtyrer und Patron<br />
der Bischofskirche in Chur verehrt, wo er nach der<br />
Überlieferung im 5/6. Jahrhundert lebte und wirkte.<br />
Das war zu einer Zeit, in der es bei uns im Schwabenland<br />
noch kaum eine christliche Kirche gab, mit Ausnahme<br />
wohl von Konstanz, dem alten Römerort. Nun steht<br />
in der Unterstadt Hechingen bei einem 1808 aufgehobenen<br />
Franziskanerkloster ein 1975 herrlich wiederhergerichtetes<br />
Gotteshaus zu diesem heiligen Bischof aus der<br />
Schweiz, erbaut am Ende des 16. Jahrhunderts, als einziges<br />
in ganz Württemberg und Baden diesem Bischof geweiht.<br />
Der Vorgängerbau mit einem um 1500 abgegangenen<br />
Frauenklösterlein des 3. Ordens des hl. Franziskus<br />
hatte ebenfalls schon diesen Schutzherrn, bestand bereits<br />
im J. 1318, ja war sogar im Jahre 1328 nachweisbar laut<br />
päpstlicher Ablaßurkunde die Pfarrkirche der Stadt Hechingen,<br />
deren Anfänge nicht auf der Höhe, sondern in<br />
der Niederung zu suchen sind. Vermutlich entstand die<br />
Oberstadt im Anschluß an die alte Burg, der Vorgängerin<br />
des sog. Neuen Schloßes. Die Pfarrei-Rechte wurden<br />
1488 in die neue Jakobuskirche übertragen, während der<br />
Friedhof unten noch lange in Gebraucht blieb, besonders<br />
in Pestzeiten.<br />
Wie der hl. Luzius (sicher nicht persönlich, wie eine Fabel<br />
meinte, sondern) als Patron nach Hechingen kam,<br />
wissen wir mangels Urkunden nicht. Man ist somit auf<br />
Kombinationen angewiesen, wie das geschehen sein<br />
könnte.<br />
Es müssen Leute im Spiel gewesen sein, die gute Beziehungen<br />
zu Chur gehabt haben und in unserer Gegend irgendwie<br />
begütert und tätig waren. Was läßt sich da<br />
52<br />
denn historisch feststellen? Haben etwa aus unserer weiteren<br />
Umgebung Beziehungen nach Chur bestanden, zur<br />
Wiege des Luziuskultes?<br />
Nun schenkte der deutsche König (spätere Kaiser) Otto<br />
I. zu Mainz am 23. Mai des Jahres 937 die bisher königliche<br />
Fischerei in der Echaz (Achaza) im Pfullichgau im<br />
Orte Hönau (Hohenouwa) samt Flußbett und Grund<br />
und Boden bis hinab zum Gumpen, den die Anlieger<br />
(Enten-) See (bei Pfullingen) heißen, dem Priester Hartbert,<br />
der offenbar hier wohnte, und in Diensten des<br />
Gaugrafen Hermann stand (WUB I, 209 und IV, 479).<br />
Dieser Priester Hartbert wurde im Jahre 949 Bischof<br />
von Chur und regierte bis 968. Er begleitete als solcher<br />
den König nach Italien und ging 951 mit dem Erzbischof<br />
Friedrich von Mainz als Gesandter nach Rom, um<br />
mit Papst Agapitus II. über die Herstellung des Kaisertums<br />
zu verhandlen, jedoch ohne Erfolg. Trotzdem bezeugte<br />
ihm der König durch reiche Schenkungen seine<br />
Zufriedenheit. Im Bürgerkrieg zwischen Otto und seinem<br />
Sohn und Schwiegersohn hielt er treu zu ersteren<br />
und vermittelte die die Unterwerfung Ludolfs bei Illertissen<br />
im J. 954. Auch später fand der Kirchenfürst sich<br />
häufig in der Umgebung des kaiserlichen Herrn". So<br />
steht zu lesen in der Oberamtsbeschreibung Reutlingen<br />
1893 I. 474 und II. 190 f.<br />
In Hönau findet sich später neben anderen Gütern auch<br />
eine Mühle als Churer Besitz, die im Jahre 1206 aus den<br />
Händen des Ritters Walther von Pfullingen als Lehen<br />
des Bistums Chur aus Kloster Weißenau (bei Ravensburg)<br />
und 1263 tauschweise an Ludwig von Lichtenstein<br />
kam (dem vermutlichen Gründer des Lichtensteins ob
Hönau). Chur gelangte auch früh, vielleicht ebenfalls<br />
durch obigen Bischof Hartbert oder noch früher in Besitz<br />
von Großengstingen mit Zubehör, worüber von<br />
1419 bif 1663 im bischöflichen Archiv von Chur viele<br />
Lehensurkunden vorliegen.<br />
So wohnte der Lehensinhaber Ritter Hans von Lichtenstein<br />
1373 in Großengstingen, und im J. 1419 war ein<br />
gleichnamiger Herr, 1430 aber ein Wolf von Lichtenstein<br />
Leheninhaber des Dorfes G. mit dem Kirchensatz<br />
und mit Rechten zu Melchingen, Undingen, Erpfingen,<br />
Meidelstetten, Bernloch, Kohlstetten, Ober- und Unterhausen,<br />
Hönau, Pfullingen. Aus der genannten Oberamtsbeschreibung<br />
II. 352wäre weiteres zuersehen.<br />
Somit ist für das 14. und die folgenden Jahrhunderte in<br />
ziemlicher Nähe von Hechingen in Melchingen, Undingen<br />
Erpfingen usw. Besitz des Bistums Chur nachgewiesen.<br />
Meines Vermutens nach muß dies auch ehemals für<br />
Hechingen selber der Fall gewesen sein! Somit wäre die<br />
Bischofskirche Chur als Gründerin der Pfarrei St. Luzen<br />
in Betracht zu ziehen. Warum sollte das Bistum nicht<br />
(offenbar vor dem 13. Jahrhundert) diesen Hechinger<br />
Besitz tauschweise an die Zollergrafen abgetreten haben,<br />
um anderswo seine Güter dafür abzurunden?<br />
Tatsächlich lesen wir von mancherlei derartigen Aktionen:<br />
Schon der genannte Bischof Hartbert von Chur<br />
JOSEF MÜHLEBACH<br />
übergab dem König Otto I. im Jahre 960 das früher von<br />
dem burgundischen König Konrad (dem Vater der Herzogin<br />
Gerberga von Schwaben) eingetauschte Besitztum<br />
Kirchheim unter Teck gegen Güter in Churrätien (WUB<br />
K, S. 213 Nr. 184). Im Jahre 961 wechselte derselbe Bischof<br />
Besitzungen seine Bistums im Breisgau gegen Güter<br />
in der Baar ans Kloster Schwarzach, ebenso im Nagoldgau,<br />
in der Munigishuntare, in der Grafschaft Affa und<br />
im Eritgau und Muntricheshuntare aus (K. Weller,<br />
Württbg. Kirchengesch. 1936, 101). Andere Bischöfe,<br />
Klöster und Herren handelten ähnlich, wie derselbe Autor<br />
aufzählt.<br />
Somit darf man einen ähnlichen Tausch auch bei Hechingen<br />
annehmen. Vermutlich jener Schwabe Hertbert<br />
oder ein Nachfolger als Bischof von Chur hat die Pfarrei<br />
St. Luzen in Hechingen begründet und damit die alte<br />
Pfarrkirche des hl. Martin auf dem Martinsberg in Niederhechingen,<br />
die wohl in die früheste Zeit des Christentums<br />
im 7/8. Jahrhundert zurückgereicht haben dürfte,<br />
abgelöst. Diese Martinskirche mit Friedhof wurde im<br />
18. Jh. von Stein aus noch gelegentlich versorgt und um<br />
1806/13 dem Abbruch überantwortet, nachdem es von<br />
ihr 1798 hieß:" Die Fenster sind durch Stürme ausgebrochen,<br />
die Kirche muß geschloßen werden, da sie Tag und<br />
Nacht dem Zugang von Gesindel offensteht." Also kümmerte<br />
sich kein Mensch mehr um sie.<br />
Aus der Geschichte des Klosters Gorheim Sigmaringen<br />
Die Eröffnung des Franz-von-Assisi-Hauses am l.Mai<br />
wird als bedeutungsvolles Ereignis in die Geschichte des<br />
Klosters und der Pfarrei Gorheim eingehen. Dieses Ereignis<br />
ist berechtigter Anlaß, der wechselvollen Geschichte<br />
des Klosters nachzuspüren, um ein Bild der Geschehnisse<br />
um das Schicksal der Klosteranlage zu gewinnen,<br />
ein Bild allerdings, das sich im Rahmen dieser Darstellung<br />
nur als eine kurze Schau in die Geschichte gewertet<br />
wissen will.<br />
Wenn man dabei zunächst nur an das Kloster Gorheim<br />
denkt, so muß berechtigterweise in diesen Rückblick<br />
auch die Zeit einbezogen werden, die der Klostergründung<br />
vorausgegangen ist. Gorheim war ursprünglich eine<br />
1303 gegründete Beginenklause vom Dritten Orden des<br />
heiligen Franziskus, die sich schon 1312 dem Franziskanerorden<br />
anschloß. In der ersten Zeit treffen wir in<br />
Gorheim nur eine Klause mit einigen Klausnerinnen bei<br />
der Michaelskapelle (Terziarinnen). Als „Anheberinnen",<br />
also als erste Anfängerinnen, werden Klara und Luggen<br />
Müller genannt. Die Michaelskapelle war eine Filialkapelle<br />
von Laiz, wo 1308 ebenfalls eine Beginenklause ihren<br />
Anfang genommen hatte.<br />
Älter als die Beginenklause ist die Siedlung Gorheim mit<br />
dem Goremer Bach, der einst eine Mühle getrieben hat.<br />
Das Wort Gorheim dürfte mit dem Personennamen Goro<br />
zusammenhängen (Gorinheim). Die Entstehung der Siedlung<br />
Gorheim geht in die fränkische Siedlungsperiode,<br />
also etwa in das siebte Jahrhundert, zurück. Die Orte<br />
mit der Endung -heim sind fränkische Siedlungen.<br />
Die erste Tertiarinnenklause lag höher auf dem Berg als<br />
das heutige Klostergebäude. Wohl um die Mitte des<br />
14. Jahrhunderts dürften das Dorf Gorheim und seine<br />
Gemarkung in Sigmaringen aufgegangen sein. Am<br />
30. Mai 1347 übergab Konrad von Reischach, Pfarrer in<br />
Laiz, die Michaelskapelle mit all ihren Gütern und<br />
Rechten auf ewige Zeigen den frommen Jungfrauen der<br />
Klause. Im Verlauf der Jahre konnten die Schwestern<br />
ihren Grundbesitz durch den Ankauf und die Schenkung<br />
an Grundstücken erweitern. Für den Ankauf standen die<br />
Mitgift der neu aufgenommenen Schwestern und Mittel<br />
aus Almosen zur Verfügung. So konnten die Klausnerinnen<br />
nach 1347 den Bau eines Klosters neben der Michaelskapelle<br />
beginnen und diesen bald fertigstellen.<br />
Noch hatten die Schwestern keinen eigenen Geistlichen<br />
zur Feier des Gottesdienstes, zur Spendung der Sakramente<br />
und zur religiösen Leitung. Der Wunsch nach einer<br />
solchen geistlichen Hilfe war gewiß berechtigt, einmal<br />
wegen des Anwachsens der Schwesternzahl und<br />
auch deshalb, weil der Pfarrer in Laiz mit der Seelsorge<br />
in der ausgedehnten Pfarrei sehr stark beansprucht war.<br />
Mit der Gründung einer Pfründe im Jahre 1395 bekamen<br />
die Schwestern den längst ersehnten ersten Kaplan<br />
und Beichtvater: Heinrich Röhlinger. Die Tagesarbeiten<br />
der Schwestern waren Chorgebete, Besorgung der Hausund<br />
Feldarbeiten, das Weben von Stoffen für eigenen<br />
und fremden Bedarf. Sehr wahrscheinlich pflegten sie<br />
auch die Kranken in dem schon im 14. Jahrhundert in<br />
der Siedlung Gorheim erbauten Siechenhaus.<br />
Schwere Drangsale hatten die Schwestern im Dreißigjährigen<br />
Krieg zu erleiden. Am 5. März zündeten die<br />
Schweden die Klosterscheune zu Gorheim an. Bei dem<br />
Brand kamen zwei Schwestern, die sich in die Gewölbe<br />
der Scheuer geflüchtet hatten, ums Leben. Auch wurde<br />
den Nonnen danach alles Vieh weggenommen. Sie selbst<br />
flüchteten in die Stadt, in der sie 18 Jahre verbleiben<br />
mußten. Erst 1651 kehrten von 17 vertriebenen Ordensfrauen<br />
sieben wieder ins Kloster zurück.<br />
Nach dem Dreißigjährigen Krieg mußte das alte Klostergebäude,<br />
das wegen der Brandschäden baufällig geworden<br />
war, von Grund auf erneuert werden. Wegen<br />
53
des äußerst bedenklichen Bauzustandes entschlossen sich<br />
die Schwestern zu einem Neubau. Unter der aus Laiz<br />
stammenden Schwester M. Seraphina Wirth wurden Kirche<br />
und Kloster unter großen Anstrengungen und Opfern<br />
nach den Plänen des Schweizer Terziarenbruders IIluminatus<br />
Roth neu aufgebaut, und zwar so, daß Kirche<br />
und Kloster zu einem Trakt verbunden wurden. Das alte<br />
Kloster stand ehemals höher am Berg, der Neubau wurde<br />
weiter heruntergerückt. Die Kirche diente dann bis<br />
1814 und dann wieder von 1852 bis zur Erbauung der<br />
jetzigen Herz-Jesu-Kirche als Gotteshaus.<br />
Ein harter Schicksalsschlag traf das Kloster, das auch im<br />
Spanischen Erbfolgekrieg viele Drangsale zu überstehen<br />
hatte, im Jahre 1782: in jenem Jahr fiel das Terziarinnenkloster<br />
des heiligen Franziskus zu Gorheim zusammen<br />
mit dem gleichartigen Kloster in Laiz dem Josefinismus<br />
zum Opfer. 1783 wurden die Klostergüter zu<br />
Gunsten des österreichischen Religionsfonds verkauft.<br />
Durch den Preßburger Frieden 1805 kamen die Klostergebäude<br />
mit dem dazu gehörenden Grundbesitz an das<br />
Fürstliche Haus Hohenzollern-Sigmaringen, das bis zur<br />
späteren Ausgleichung die Pensionen an die vertriebenen<br />
Schwestern zahlte.<br />
Nach 1783 war das Klostergebäude von der österreichischen<br />
Regierung als Versammlungsort für Exnonnen<br />
von verschiedenen Klöstern eingerichtet worden. Seit<br />
1807 diente es als Waffendepot und seit 1814 zugleich<br />
als Kaserne des Fürstlich-Hohenzollernschen Militärs,<br />
nachdem Hohenzollern-Sigmaringen durch die Rheinbundakte<br />
1806 souveränes Fürstentum geworden war.<br />
Von 1852 an, nach dem Übergang Hohenzollerns an<br />
Preußen, wurden die hohenzollerischen Soldaten zu den<br />
preußischen Kasernen eingezogen. Schon 1836 war die<br />
Klosteranlage an den allgemeinen Kirchenfond übergegangen.<br />
So konnte 1852 Erzbischof Hermann von Vikari<br />
auf Betreiben von Thomas Geiselhart, damals noch Pfarrer<br />
in Veringenstadt, die leeren Klosterräume den Jesuiten<br />
überlassen, die in den folgenden Jahren eine segensreiche<br />
missionarische Tätigkeit entfalteten. Aber dieses<br />
JOHANN ADAM KRAUS<br />
Aus Harthausen auf der Scher<br />
Die jetzt Winterlingen zugeschlagene Gemeinde Harthausen<br />
auf der Scher hat im Jahre 1974 durch die<br />
Kunsthistorikerin Mariela D. Siepmann ein bebildertes<br />
Heimatbuch herausgegeben, das die Geschichte des Albdorfes<br />
auf 310 Seiten schildert, indem es sich auf die<br />
Vorarbeiten des inzwischen verstorbenen Oberlehrers<br />
Max Beuter stützt. Das Buch führt durch die Römerzeit<br />
über Alemannen und Franken zum Scherragau, über die<br />
Grafen von Veringen und Werdenberg und Hohenzollern<br />
bis zur Jetztzeit. Die frühgeschichtlichen Funde sind<br />
liebevoll geschildert, Name und Lage der Siedlung behandelt.<br />
Die Mauritiuspfarrei und Pfarrkirche mit ihren<br />
Kunstschätzen (und der Frage des „Meisters von Meßkirch",<br />
S. 51-57) werden erörtert. Die ehemaligen Pestbruderschaft,<br />
zwei Kapellen, das Schulwesen, die Gemeindeverwaltung,<br />
der Waldbesitz und die damit zusammenhängenden<br />
Streitigkeiten aus Gerichtsprotokollen,<br />
Lehens- und Grundbesitzverhältnisse, Wasserversorgung,<br />
Bevölkerung, Auswanderung, Sitte und Gebräuche<br />
sind beschrieben. Die auf Seite 30 aufgeführte Liste der<br />
Pfarrer der Gemeinde, die mit dem Magister Jakob<br />
Griener 1635 beginnt, soll hier ergänzt werden bis heute:<br />
1254. Plebanus oder Leutpriester Konrad (Mitt. Hohz.<br />
III. 48).<br />
54<br />
Wirken war nur von kurzer Dauer. Schon im Jahre<br />
1872 wurde der Jesuitenorden in dem damals einsetzenden<br />
Kulturkampf aufgehoben.<br />
Die Jesuiten mußten Deutschland verlassen. Nach dem<br />
Weggang der Jesuiten waren die Räume eine Weile von<br />
Privatpersonen bewohnt, bis nach dem Ende des Kulturkampfes<br />
im März 1890 der Franziskanerorden das Kloster<br />
übernehmen konnte. 1894 wurde das Kloster Konvent-<br />
u. Studienhaus mit der Einrichtung einer Hochschule<br />
für Philosophie. Weil im Laufe der Zeit das Klostergebäude<br />
und Kirche nicht mehr ausreichten, erfolgte<br />
eine Erweiterung der Gebäude und ein Kirchenneubau,<br />
letzterer aber auf einem anderen Platz. Die Grundsteinlegung<br />
der neuen, geräumigen Kirche war am 4. Oktober<br />
1911 und die Einweihung durch den Franziskaner-Erzbischof<br />
P. Dionysius Schuler am 19. November 1912.<br />
Wie ehemals die Jesuiten, so leisteten auch die Franziskaner<br />
reichlich Aushilfe in der Seelsorge und hielten in<br />
der näheren und weiteren Umgebung Missionen und<br />
Exerzitien ab. In jüngster Zeit begann für Gorheim ein<br />
neuer Geschichtsabschnitt. Der Nachwuchs im Franziskanerorden<br />
hat sich nach dem Zweiten Weltkrieg so verringert,<br />
daß die Philosophische Abteilung des Studienhauses<br />
der Philosophisch-Theologischen Hochschule der<br />
Thüringischen Franziskanerprovinz nicht mehr aufrechterhalten<br />
werden konnte und von der Ordensleitung im<br />
Sommer 1967 nach Fulda verlegt werden mußte.<br />
Der Konvent des Klosters Gorheim schmolz infolgedessen<br />
spürbar zusammen. Zunächst bot sich bei dieser Entwicklung<br />
für die Stadtpfarrei Sigmaringen die Bildung<br />
der Kuratie Gorheim mit den Filialen Unterschmeien<br />
und Oberschmeien an, nachdem einige Jahre zuvor<br />
(1963) die Pfarrgemeinde St. Fidelis errichtet worden<br />
war. Die Kuratie Gorheim ist am 1. September 1967 mit<br />
der Bestellung des Franziskanerpaters Edwin Kremer als<br />
Pfarrkurat ins Leben getreten; die Erhebung zur Pfarrei<br />
verfügte der Freiburger Erzbischof anläßlich der Einweihung<br />
des Franz-von-Assisi-Hauses.<br />
1275. Ein ungenannter Pfarrer, der auch Hindelwangen<br />
versieht.<br />
1386 verlieh Hz. Leopold von Österreich die hiesige<br />
Pfarrei dem Hugo von Hornstein. Doch war die Verleihung<br />
strittig, denn<br />
1397 wird Konrad, Sohn des Grafen Wolfrad von Veringen,<br />
als „Kirchherr" dahier bezeichnet. Eine Urkunde<br />
vom 14. August dieses Jahres berichtet, daß betr. die<br />
drei Kirchen Veringendorf, Benzingen und Harthausen<br />
eine Übereinkunft getroffen sei. Graf Eberhard von<br />
Wirtemberg habe s. Zt. alle drei dem Konrad, Gr. Wölflins<br />
Sohn geliehen, aber auch Hz. Leopold selig alle drei<br />
dem Hugen, dem Sohn des Ritters Manz von Hornstein.<br />
Beide Herrschaften stritten also darüber. Jetzt wurde<br />
ausgemacht: Stirbt der eine Geistliche vor dem andern,<br />
so soll der Überlebende alle drei Kirchen haben und<br />
wenn beide tot sind, sollen beide Herrschaften Österreich<br />
und Wirtemberg jegliche ihr Recht behalten<br />
(Mitt. Hohz. 5, 22).<br />
1410 am 15. Juni präsentierte Gr. Eberhard III. von<br />
Wirtemberg dem Bischof nun den Hugo von Hornstein<br />
auf Harthausen (W. Reg. 4821), und am 14. Juni auf<br />
Veringen und am 15. Juni auch auf Benzingen.<br />
1420 am 15. März traf Herr Johannes Smid als neuer
Pfarrer mit der bischöflichen Behörde ein Abkommen<br />
wegen der Erstfrüchte Harthausens in Höhe von 26 fl<br />
(Krebs Annaten). Jedoch im September desselben Jahres<br />
ist ein Heinrich Frank, Pfarrektor dahier, der auf Bitten<br />
Hermanns von Hornstein 20 fl Erstfrüchte zahlen soll<br />
(Krebs, ebenda).<br />
1436 resignierte Heinrich Frank am 19. Mai auf die<br />
Pfarrei H. und auf 1 Jahr wurde ein Verweser bestellt.<br />
1437 wird am 30. April für die Pfarrei H. proklamiert<br />
und am 13. Mai investiert: der Priester Johann Nobel,<br />
auf Präsentation des „Ballivus" der Herzöge von Österreich<br />
namens Maximilian von Rappolstein und Hohenack.<br />
Im Jahre 1489 am 24. Juni bekam Nobel für ein<br />
Jahr Absenzerlaubnis und verzichtet 1491 auf die Pfarrei.<br />
1491 am 10. Sept. proklamiert der Diakon und am<br />
1. Okt. investiert der Priester Balthasar Raming, präsentiert<br />
durch Kaiser Maximilian. Erstfrüchte zahlte Räming<br />
12 fl.<br />
1504 den 22. Oktober zahlte der neue Pfarrer Johannes<br />
Rott als Erstfrüchte der Pfarrei Harthausen nur 12 fl.<br />
1533 ist ein Johannes (vielleicht obiger Rott) Pfarrer<br />
dahier.<br />
1555 dagegen im Februar ist die Pfründe unbesetzt oder<br />
vakant. Seit<br />
1555 dem 24. Juni erscheint als Pfarrer ein Martin Wagner.<br />
1575 wird der Pfarrer Kaspar Krausenbuch von Harthausen<br />
als tot gemeldet. Wann er aufgezogen war, ist<br />
nicht bekannt.<br />
1575 schon am 5. Oktober wird auf Präsentation Ferdinands<br />
von Österreich Konrad Sauiger (Sulger) als Pfarrer<br />
bestimmt.<br />
HERBERT BURKARTH<br />
200 Jahre Gammertinger Post<br />
1776 wurde als zweite Poststation in Hohenzollern die<br />
Kaiserliche Reichsposthalterei Gammertingen gegründet.<br />
Das Hechinger Amt war schon 20 Jahre früher an der<br />
Poststrecke Cannstatt-Tübingen-Rottweil-Schaffhausen<br />
eröffnet worden (1756). Eine Kaiserliche Poststation, die<br />
1692 in Hechingen entstanden war, hatte keinen Bestand.<br />
Im Februar 1776 beantragte der Fürst von Hechingen<br />
beim Fürsten von Thum und Taxis die Einrichtung einer<br />
Postverbindung von Hechingen über Gammertingen<br />
nach Riedlingen. Die bisherige Verbindung von Hechingen<br />
über Cannstatt-Göppingen-Ulm sei viel zu umständlich.<br />
Fast gleichzeitig ging in Regensburg ein Schreiben<br />
des Gammertinger Freiherrn Marquardt Carl Anton<br />
Speth von Zwiefalten ein, der um Errichtung einer Poststation<br />
in Gammertingen bat. Er wies auf die günstige<br />
Lage von Gammertingen hin, welche es erlaube, die beiden<br />
Postkurse Cannstatt-Schaffhausen und Schaffhausen-Ulm<br />
zu verknüpfen. Er betonte, daß jetzt die meisten<br />
Briefe durch Boten befördert würden, um die lange<br />
Laufzeit über Cannstatt zu vermeiden. Es seien auch<br />
einige Klöster an der Postlinie interessiert. Im übrigen<br />
ließ er, wie damals üblich, sein Anliegen beim Fürsten<br />
von Thurn und Taxis und beim Oberpostamt Augsburg<br />
durch Freunde und Verwandte vortragen.<br />
Ein Gutachten, das aus Regensburg beim Oberpostamt<br />
Augsburg angfordert wurde, war allerdings entmutigend.<br />
Die Rentabilitätsberechnung ergab, daß die Briefbeförderung<br />
auf dieser Strecke nur Verluste bringen<br />
1593. Nach Sulgers Tod wird Georg Föler (Failer) auf<br />
Präsentation des Grafen Karl von Hohenzollern verkündet<br />
und am 10. November investiert. Er zahlt 12 fl Erstfrüchte<br />
an den Bischof.<br />
1594 war schon wieder ein anderer Pfarrer dagewesen<br />
und alsbald verstorben: Johannes Agrikola. Ihm folgt<br />
am 9. Dezember Udalrikus (Ulrich) Haak und wird am<br />
19. Januar 1595 investiert, präsentiert von Gr. Carl von<br />
Hohenzollern.<br />
1635 wird genannt Mgr. Jakob Grien (wohl von Veringen).<br />
1638 erscheint Mgr. Johannes Kienlin, der 1641 zurücktritt.<br />
1641-1653. Simon Speh wurde am 16. April als Seelsorger<br />
verkündet und am 22. April 1641 investiert; zahlte<br />
Erstfrüchte 50 fl 54 kr.<br />
1653 folgt nach Speh's Tod am 22. Januar Mg. Andreas<br />
Benkler, investiert am 18. Februar. Starb 1661.<br />
1661 folgt am 11. Juni Christian Widenmann, invest.<br />
29. November.<br />
1673 am 24. Mai kommt Mg. Jodokus Schneider, invest.<br />
7. März 1674, geht schon 1675 nach Veringen und<br />
starb 1698.<br />
1678-80 Franz Wilhelm Ungedult.<br />
1680-83 Dr. Josef Ignaz Bildstein; 1683-1715 Johann<br />
Franz Scherdin usw. Erwähnt sei noch, daß ein Andreas<br />
Göggel aus Veringenstadt, gb. 29. Novb. 1803, Priester<br />
seit 20. Sept. 1827, als Vikar in Harthausen starb am<br />
4. Februar 1830. Der bisherige letzte Pfarrer Christian<br />
Dietz aus Ringingen ging zu Beginn 1976 in den Ruhestand<br />
heim. Seitdem wird die Pfarrei von Neufra aus<br />
durch Pfr. Manfred Hermann versehen.<br />
würde. Ein Punkt sprach jedoch für Gammertingen. Es<br />
lag nicht auf österreichischem Territorium, wie die übrigen<br />
Poststationen im Donaugebiet. Die Frage wurde<br />
vom Fürsten persönlich entschieden, der die Einrichtung<br />
der beantragten Poststrecke Hechingen-Gammertingen-<br />
Riedlingen anordnete.<br />
Die Gründung der Poststation Gammertingen<br />
Schon am 3. April 1776 ließ der Fürst von Thurn und<br />
Taxis Baron Speth in Gammertingen mitteilen, daß er<br />
die Einrichtung eines Ordinari Post-Courses Hechingen-<br />
Gammertingen-Riedlingen beabsichtige, mit einer Relaisstation<br />
(Pferdewechsel) in Gammertingen. Die Annahme<br />
von Briefen war nicht vorgesehen. Baron Speth wurde<br />
gebeten, einen geeigneten Posthalter vorzuschlagen. Dieser<br />
bedankte sich umgehend und schlug als Posthalter<br />
den Ochsenwirt Franz Xaver Göckel vor. Seine Enttäuschung<br />
über die Ablehnung der Briefbeförderung<br />
schluckte er zunächst. Mit Dekret vom 23. Juni 1776<br />
wurde Göckel zum Kaiserlichen, Fürstlich Thurn und<br />
Taxis'schen Reichsposthalter ernannt. Der Verkehr wurde<br />
aufgenommen und Göckel schrieb im September 1776<br />
nach Regensburg, daß er schon im Besitz einer Postuniform<br />
sei. Die Gammertinger waren stolz auf ihre Post.<br />
Als Baron Speth 1777 heiratete, ritt Posthalter Göckel in<br />
Uniform mit zwei blasenden Postillionen dem Hochzeitszug<br />
voraus. Im übrigen entwickelte sich der Verkehr<br />
auf der neuen Poststrecke über Erwarten gut, vor allem<br />
der Personenverkehr, welcher ursprünglich nicht vorge-<br />
55
sehen war. Baron Speth bemühte sich weiterhin in Eingaben<br />
an die Postdirektion in Regensburg um eine Briefpost,<br />
erreichte aber nichts.<br />
Übergang der Posthalterei an die Familie Schmid<br />
Posthalter Göckel starb 1787 an einem Schlaganfall. Die<br />
Witwe teilte den Tod ihres Mannes dem Oberpostamt<br />
Augsburg mit und bat gleichzeitig um Überlassung der<br />
Posthalterei. Da die Frau schon 70 Jahre alt und kein<br />
männlicher Erbe vorhanden war, wurde die Posthalterei<br />
neu vergeben. Als erster bewarb sich der Stiefsohn des<br />
Verstorbenen, Kronenwirt Heinrich Deifel. Er schrieb,<br />
daß für das Postfuhrwerk nur ein Mann wie er, der vier<br />
Pferde habe, in Frage komme. Daß seine Wirtschaft<br />
nicht in Gammertingen, sondern in Bronnen, also weit<br />
entfernt von der Poststraße lag, verschwieg er. (Die heutige<br />
Krone in Gammertingen hieß damals „Lamm".)<br />
Zweiter Bewerber war Sonnenwirt Joseph Schmid. (Die<br />
Sonne lag in der Reutlinger Straße und wurde später<br />
„Post" genannt.) Schmid war sogar bereit, 9000 Gulden<br />
Kaution zu stellen. Erkundigungen bei den Posthaltern<br />
in Hechingen und Riedlingen ergaben, daß diese mit ihm<br />
verwandt waren und nichts mehr wünschten, als einen<br />
Posthalter Schmid in Gammertingen. Baron Speth gab<br />
sich sachlich und schrieb, daß beide Wirte zuverlässige<br />
Männer seien, aber Schmid einen besseren Gasthof habe.<br />
Am 26. 12. 1787 wurde Joseph Schmid zum Posthalter<br />
ernannt, ein Amt, das für genau 121 Jahre in seiner Familie<br />
bleiben sollte. Das Posthalterpatent für Joseph<br />
Schmid ist heute noch im Besitz seiner Nachkommen; es<br />
hängt im Speisesaal des Hotel Post in Gammertingen.<br />
Schmid renovierte seinen Gasthof und baute neue Scheuern<br />
und Stallungen. Er konnte jedoch sein Amt nur<br />
8 Jahre ausüben. Nach längerer Krankheit verstarb er<br />
im Januar 1795. Seine Witwe, Agathe, geb. Göggel, bat<br />
darum, ihr die Posthalterei zu lassen, zumal sie einen<br />
20jährigen Sohn habe, der als Nachfolger in Frage komme.<br />
Baron Speth setzte sich persönlich für Frau Schmid<br />
ein; sie bekam ohne Anstand das Posthalterpatent. Es<br />
kamen harte Zeiten. Durch eine Viehseuche verlor Frau<br />
Schmid innerhalb von einer Woche 5 Pferde. Sie wandte<br />
sich um finanzielle Hilfe an die Postdirektion, unterstützt<br />
durch ein Schreiben der Speth'schen Kanzlei. Aus<br />
der Armenkasse wurden ihr 100 Gulden bewilligt. Das<br />
nächste Jahr, 1796 brachte Truppendurchmärsche, damit<br />
verbunden häufige Zwangseinquartierungen. Im Oktober<br />
d. J. wurden Haus und Hof von den Franzosen auf dem<br />
Rückzug geplündert. Der angerichtete Schaden betrug<br />
mehr als 2000 Gulden. Im September 1798 bat Frau<br />
Schmid wegen ihres schlechten Gesundheitszustandes um<br />
Entlassung aus dem Postdienst und Übertragung der<br />
Posthalterei auf ihren Sohn Joseph. Dies ging reibungslos<br />
vor sich.<br />
'4/ '6 M<br />
r<br />
Politische Veränderungen<br />
1805 wurde die Speth'sche Herrschaft Gammertingen-Hettingen<br />
von Württemberg besetzt. Vom Gammertinger<br />
Posthaus wurde das Thum- und Taxiswappen<br />
abgenommen und durch ein württembergisches ersetzt.<br />
Ein Jahr später kam Gammertingen jedoch zum Fürstentum<br />
Hohenzollern-Sigmaringen und stolz hängten die<br />
Sigmaringer ihr Wappen an das erste Postamt, das in ihren<br />
Besitz kam. Es wurden langwierige Übernahmeverhandlungen<br />
mit Thum und Taxis geführt, was aber völlig<br />
sinnlos war, weil ein Postamt ohne Postverbindungen<br />
keinen Wert hatte. Die fürstliche Regierung richtete zu<br />
den Rentämtern einen Amtsbotendienst ein. Der Gammertinger<br />
Josef Anton Teufel betrieb eine private Postlinie<br />
Hechingen-Gammertingen-Sigmaringen. Erst 1819<br />
schloß Hohenzollern-Sigmaringen einen Postvertrag mit<br />
Württemberg, und Joseph Schmid wurde wieder württembergischer<br />
Posthalter. Noch im gleichen Jahr ging<br />
die württembergische Post an Thum und Taxis über und<br />
Schmid war nach 14jähriger Unterbrechung wieder<br />
Thum- und Taxis'scher Posthalter.<br />
Einrichtung von Postexpeditionen<br />
Sigmaringen hatte 1819 ein württembergisches Postamt<br />
bekommen, das noch im gleichen Jahr von Thum und<br />
Taxis übernommen wurde. Erst 1825 gelang es der Sigmaringer<br />
Regierung, die Einrichtung eines Postkurses<br />
Haigerloch-Hechingen-Gammertingen-Sigmaringen, bei<br />
der Thum und Taxis'schen Postverwaltung durchzusetzen.<br />
Haigerloch und Gammertingen bekamen Postexpeditionen.<br />
Kurz vor Eröffnung der Gammertinger Postexpedition<br />
starb Posthalter Schmid. Die Posthalterei<br />
wurde der Witwe, Theresia geb. Buck, übertragen, die aus<br />
Hitzkofen stammte. Ein Jahr später verheiratete sie sich<br />
mit Johann Haller aus Gammertingen, der nun für<br />
32 Jahre Posthalter in Gammertingen wurde.<br />
Die abgehende Post wurde damals mit einem einzeiligen<br />
Stempel GAMMERTINGEN abgestempelt. Der Postverkehr<br />
war noch dürftig. Es fuhr nur einmal in der<br />
Woche ein Postwagen nach Sigmaringen und einer von<br />
Sigmaringen über Gammertingen nach Hechingen. Für<br />
wenige Monate wurde 1842 in Gammertingen ein zweizeiliger<br />
Datumstempel benützt, der anscheinend aber<br />
nicht funktionierte. 1844 bekam das Postamt dann einen<br />
Steigbügelstempel mit Datum und Jahreszahl. Seit 1845<br />
wurde die Strecke Haigerloch-Sigmaringen zweimal<br />
wöchentlich von Eilpostwagen befahren. Zur Zeit Posthalters<br />
Haller wurden die Briefmarken eingeführt. Sie<br />
wurden in Gammertingen mit einem Vierringstempel mit<br />
der Ortsnummer 303 entwertet. Der Datumstempel wurde<br />
nicht auf die Marke gesetzt. 1852 war für einige Monate<br />
ein Achtringstempel (Versuchsstempel) in Gebrauch.<br />
Seine Abdrücke sind sehr selten und werden mit heute<br />
vierstelligen Summen bezahlt.<br />
1) Einzeller (47 x 3,25 mm) 1825-44, danach im Innendienst und als Fahrpost-Stempel; 2) Steigbügel-Stempel, Dezember 1844<br />
bis Oktober 1864 (schwarz, blau, blaugrün, grün, rot, schwarz); 3) Nummern-Stempel 303 als Nachfolger des stummen 8-Ring-<br />
Stempels (Juni 1852-Februar 1853) zunächst rot, dann schwarz ab Februar 1853-30. Juni 1867; 4) Einkreiser Oktober 1864<br />
bis Juli 1874, schwarz.<br />
56
Abfahrt der letzten Postkutsche am 5. November 1901 ab Gammertingen nach Kleinengstingen. Der Mann mit dem Bart im<br />
Hintergrund ist der preußische Landtagsabgeordnete Hirschwirt Schmid. Postillion ist Johann Hönes (f 1970).<br />
Foto: Müllermeister Josef Reiser, Gammertingen<br />
Posthalter Theodor Schmid<br />
Johann Haller bat 1858 um Entlassung aus dem Postdienst.<br />
Nachfolger wurde Theodor Schmid, ein Sohn aus<br />
erster Ehe. Seit 1850 hatte in Hohenzollern Preußen die<br />
Posthoheit und die Ernennung von Schmid mußte deshalb<br />
von der Regierung in Sigmaringen bestätigt werden.<br />
Die Einsetzung als Postexpeditor war nur vorbehaltlich,<br />
denn es war die Errichtung eines eigenen Postamtes<br />
geplant.<br />
Im gleichen Jahr wurde die tägliche Personenpost<br />
Hechingen-Gammertingen-Sigmaringen eingeführt.<br />
Trochtelfingen bekam eine Postexpedition und 1859<br />
wurde die Personenpost Reutlingen-Gammertingen eröffnet.<br />
Ein wichtiges Jahr war 1864. In diesem Jahr<br />
wurde die Landbotenpost eingeführt. Zum Postamt<br />
Gammertingen gehörten die Orte Neufra, Gauselfingen,<br />
Kettenacker, Feldhausen und Harthausen b. F. Die Orte<br />
wurden dreimal in der Woche von den Landpostboten<br />
aufgesucht. Im gleichen Jahr bekam Gammertingen eine<br />
Telegraphenstation, die aber nur stundenweise in Betrieb<br />
war. Schließlich bekam das Postamt 1864 einen neuen<br />
Stempel, einen Einkreiser mit Datum und Uhrzeit, aber<br />
ohne Jahreszahl. Die Posthalterei war damals ein recht<br />
großer Betrieb, der mehrere Personen beschäftigte, welche<br />
teils Postangestellte waren, teils vom Posthalter besoldet<br />
wurden. Innerhalb der Postexpedition war neben<br />
dem Posthalter ein Postbeamter tätig. Die Briefträger innerhalb<br />
von Gammertingen wurden vom Posthalter besoldet,<br />
während die Landpostboten Postangestellte waren.<br />
Daneben gab es Postillione, Postfuhrleute, Pferdeknechte<br />
und Taglöhner für Haus und Landwirtschaft.<br />
Ende der Thum- und Taxispost<br />
Am 16. 2. 1867 ging die ganze Thum- und Taxispost an<br />
den preußischen Staat über. Alle Beamten und Angestellten<br />
wurden von der staatlichen Oberpostdirektion<br />
Frankfurt übernommen. In Gammertingen wurde der<br />
Thum- und Taxisstempel weiter verwendet, mit dem<br />
jetzt die preußischen Briefmarken entwertet wurden.<br />
Kurz danach kam die Post an den Norddeutschen Bund<br />
und ab 1. 1. 1872 zur Reichspost. Da Württemberg seine<br />
eigene Post behielt, kam Hohenzollern zur Oberpostdirektion<br />
Konstanz.<br />
Trennung von Postamt und Posthalterei<br />
1881 wurde in Gammertingen ein eigenes Postamt eröffnet.<br />
Postassistent Johann Heinzelmann, der bisher bei<br />
Posthalter Schmid beschäftigt war, wurde zum Postverwalter<br />
ernannt. Die ganze Post- und Personenbeförderung<br />
blieb jedoch Aufgabe der Posthalterei. 1887 feierte<br />
die Familie Schmid das 100jährige Jubiläum als Posthalterfamilie.<br />
Generalpostdirektor Heinrich v. Stephan gratulierte<br />
in einem persönlichen Schreiben. Theodor<br />
Schmid starb 1885. Nachfolger war sein Sohn Karl<br />
Theodor.<br />
Der älteste Sohn von Karl Theodor Schmid war Wilhelm<br />
Schmid, welcher als Landesbaurat in Hohenzollern<br />
und vor allem in Sigmaringen der älteren Generation<br />
noch gut bekannt ist. Die Aufgaben der Posthalterei<br />
wurden nach und nach abgebaut. 1901 eröffnete man<br />
die Bahnstrecke Kleinengstingen-Gammertingen und<br />
1908 die Bahnstrecken Gammertingen-Sigmaringen und<br />
Gammertingen-Hechingen.<br />
Am 6. 12. 1908 fuhr, festlich geschmückt, der letzte<br />
Postwagen durch das Laucherttal nach Sigmaringen. Die<br />
Posthalterei wurde aufgehoben. Karl Theodor Schmid<br />
war im gleichen Jahr gestorben. Der jüngste Sohn Theodor,<br />
der das Anwesen übernehmen sollte, fiel im Ersten<br />
Weltkrieg. Die Gastlichkeit der alten Posthalterei wird<br />
heute von den Nachkommen im Hotel Post weitergeführt<br />
(Frau Baur ist eine Enkelin von Karl Theodor<br />
Schmid).<br />
Noch einige Daten zur weiteren Geschichte des Postamtes<br />
Gammertingen. 1901 Eröffnung des Fernsprechverkehrs.<br />
Seit 1907 war Karl Barth Leiter des Postamtes<br />
(bis 1946!). Dem Amt Gammertingen waren 18 Zweigpostämter,<br />
Poststellen und Posthilfsstellen zugeteilt.<br />
1929 Einführung der Landkraftpost mit Personenbeförderung.<br />
24. 4. 1946 völlige Einstellung des Postbetriebes<br />
57
durch die Franzosen. 1. 9. 46 Wiederaufnahme der Briefbeförderung.<br />
1949 Wiedereinrichtung des Landkraftpostdienstes.<br />
1957 Umbau des Postamtes und Aufnahme des<br />
Selbstwählfernsprechdienstes. Seither schrittweiser Abbau<br />
des Postamtes Gammertingen („Rationalisierung").<br />
Übernahme aller Poststellen durch die Ämter Sigmaringen,<br />
Reutlingen und Hechingen. Am 1. 10. 1961 wurde<br />
Postmeister Martin Reiser versetzt und Gammertingen in<br />
ein Amt ohne Verwaltungsdienst umgewandelt.<br />
Quellen und Literatur<br />
Fürstlich Thurn und Taxis'sches Zentralarchiv Regensburg,<br />
Stationsakten Gammertingen 1776-98 Nr. 6326, 1825-1865<br />
Nr. 6327.<br />
Div. Urkunden im Hotel „Post" Gammertingen.<br />
Unveröffentlichte „Postgeschichtliche Aufzeichnungen" des<br />
JOHANN WANNENMACHER<br />
Postamtes Gammertingen von Karl Barth, fortgeführt von<br />
Martin Reiser.<br />
K. Barth, Aus der Postkutschenzeit Hohenzollerns, Hohenz.<br />
Heimat 1954, S. 53.<br />
A. H. Buckenmaier, Das Postwesen im Fürstentum Hohenz.<br />
Hechingen unter den letzten beiden Fürsten, Hohenz. Heimat<br />
1973, S. 38.<br />
M. Hermann, Die Thurn und Taxis'schen Postanstalten in<br />
Hohenzollern, Hohenz. Heimat 1973, S. 38.<br />
A, Rist, 190 Jahre Reichspoststation Gammertingen, Hohenz.<br />
Heimat 1967, S. 27.<br />
F. Wölffing-Seelig, 500 Jahre Post in Württemberg, Lorch<br />
1965.<br />
/. Wiest, Geschichte der Stadt Gammertingen unter der<br />
Speth'schen Herrschaft, Gammertingen 1961.<br />
Herrn Pfarrer Hermann, Neufra, danke ich für zahlreiche<br />
Hinweise und Anregungen.<br />
Ein Rangendinger Auswanderer schreibt 1859 einen Brief aus Amerika an<br />
seine Eltern und Geschwister in der Heimat<br />
Rangendingen. Am Kirchweihfest des Jahres - 17. Oktober<br />
- nahm der Festprediger auch Bezug auf die früher<br />
so zahlreichen Auswanderer aus Rangendingen. Wegen<br />
ihrer an den Tag gelegten glaubensstarken Haltung<br />
und Gesinnung erwähnte er hierbei besonders die beiden<br />
Brüder Wendelin und Valentin Heck, die am 3. September<br />
1853 in die USA auswanderten. Die zwei Auswanderer<br />
waren tüchtige Schmiede und wurden von nah und<br />
fern aufgesucht, weil sie ein besonders wirksames Mittel<br />
beim Härten und Schleifen von Stahl und Eisen anzuwenden<br />
wußten. Ihre Werkstatt ist am Orte noch erhalten<br />
und steht als kleines Häuschen, das heute als Schuppen<br />
dient, unmittelbar vor dem Hause des Sebastian<br />
Heck an der Landstraße nach Haigerloch. Aus jetzt<br />
noch vorhandenen Briefen und der Familienüberlieferung<br />
ist der Grund ihrer Auswanderung bekannt. Er lag<br />
in der Hauptsache in der Armut und den schlechten<br />
Verdienstmöglichkeiten der damaligen Zeit. Dazu waren<br />
die fünfziger Jahre des letzten Jahrhunderts außergewöhnlich<br />
nasse und für die Landwirtschaft sehr schlechte<br />
Jahre. Das Getreide ist teilweise auf dem Halme ausgewachsen.<br />
In vielen Familien sah man oft tagelang kein<br />
Stückchen Brot. Kartoffeln gab es so wenig, daß sie<br />
nicht einmal für die Menschen ausreichten, vielweniger<br />
aber zur Schweinefütterung verwendet werden konnten.<br />
Für zwei oder drei Säcke Korn wurden Acker, Wiesen<br />
und Wälder verkauft. Industrie war noch keine vorhanden.<br />
Wie soviele in jenen Jahren entschlossen sich deswegen<br />
auch die beiden Brüder Wendelin und Valentin<br />
Heck - 24 und 19 Jahre alt - zur Auswanderung. Am<br />
3. September 1853 machten sie sich auf den weiten Weg.<br />
Ein leichtes Pferdefuhrwerk brachte sie und ihre geringe<br />
Habe bis zur nächstgelegenen Bahnstation Reutlingen.<br />
Zur Überfahrt nach Amerika benutzten sie der geringen<br />
Kosten wegen ein Segelschiff. Außergewöhnlich schlechte<br />
Verhältnisse bewirkten, daß sie 90 Tage auf dem Wasser<br />
waren. In Amerika angelangt, erhielten die beiden<br />
Auswanderer erst Obdach bei Bekannten im Staate<br />
Ohio. Später arbeiteten sie auf ihrem Handwerk bei einer<br />
Gesellschaft, machten sich aber schon nach fünf Jahren<br />
selbständig. Am sechsten Jahrestag ihrer Auswanderung<br />
schrieb der Ältere, Wendelin Heck, einen Brief an<br />
seine Eltern und Geschwister in Rangendingen. Der<br />
Brief bietet manche interessante Einblicke in das Leben<br />
der ehemaligen Auswanderer und gibt weiterhin ein anschauliches<br />
Bild der damaligen Zeitverhältnisse. Deswegen<br />
sei er nachfolgend wiedergegeben:<br />
58<br />
Braire du Rocher, September -3- 1859<br />
Theuerste Eltern und Geschwister!<br />
Euren letzten Brief haben wir erhalten und daraus vernommen,<br />
daß Ihr alle gesund und wohlbehalten seid.<br />
Danken wir Gott dafür. Auch wir sind soweit gesund.<br />
Ich und Valentin hatten letzten Winter harte Krankheiten<br />
mitzumachen. Auch meine Frau war den ganzen<br />
Winter nicht gesund. Es waren meistenteils die Nachfolgen<br />
von Fiebern. Ich und der Valentin arbeiteten hart<br />
auf unserem Handwerk. Wir arbeiten nicht mehr in der<br />
Companie. Letztes Neujahr habe ich alles gekauft und<br />
habe zwei Arbeiter. Auch Valentin hat zwei Arbeiter,<br />
und wir haben ein ziemlich gutgehendes Geschäft. Ich<br />
will dieses Spätjahr noch ein Haus bauen. Wir werden<br />
noch einige Jahre unser Geschäft treiben und sobald es<br />
uns schickt, ein Stück Land kaufen. Dieses bezahlt harte<br />
Arbeit am besten. Das Land wird alle Jahre teurer, allein<br />
die Sachen haben einen guten Preis. Doch ist es<br />
nicht mehr so gut wie vor vier Jahren. Aber die Leute<br />
leben frei. - Wie es in Amerika ist, will ich schreiben.<br />
Vielen Leuten geht es sehr gut. Leute, welche in Europa<br />
in größter Armut gelebt haben, werden hier reiche Leute.<br />
Manche sind reich von Europa gekommen, geht ihnen<br />
schlecht, geraten in Armut. Sobald sie diese erkennen,<br />
fangen manche ihre Sachen an, besser zu leiten und kommen<br />
wieder zu Vermögen. Viele haben nichts nach Amerika<br />
gebracht und werden nie nichts haben. Viele werden<br />
überhäuft mit Krankheiten und bleiben arm. Kurz, es ist<br />
auch nach den Einrichtungen, die sie machen, wie sie arbeiten<br />
und wie sie das Verdiente anwenden, zur Sparsamkeit<br />
oder zur Verschwendung. Viele, welche leichtgläubig<br />
sind, werden nicht selten betrogen um alles, was<br />
sie haben, aber im Grunde genommen, wer es recht anfaßt,<br />
das Verdiente spart, kann sich etwas erwerben und<br />
hat nach harter Arbeit ein besseres Leben als in Europa.<br />
- Mein Vermögen ist zur Zeit 1800 Dollar. Aber wir<br />
haben nicht leichtsinnig gelebt oder verschwendet. Unermüdliche<br />
Arbeit bringt einem diese Mittel und Gottes<br />
Glück und Segen. Er hat uns hart geprüft und heimgesucht,<br />
allein zur Bewährung, damit man ihn nicht vergißt.<br />
— Sonst ist in Amerika ein ganz anderes Leben wie<br />
in Europa. Man lebt hier mehr sorgenfreier als dort. -<br />
Man ist nicht geplagt von den Behörden, wie in<br />
Deutschland. Alles, was man pflanzt und aufzieht, ist<br />
keinem Zehnten und keinem Lehen, sondern nur einer<br />
leichten Staatssteuer unterworfen, welche jedermann im-
Stande ist zu zahlen. Ich bezahlte letztes Jahr 35 Cent<br />
Steuer — oder einen deutschen Gulden. Das sind alle<br />
meine Abgaben an den Staat, und habe niemand keine<br />
andere zu bezahlen. - Meine Lieben, der 3. September<br />
ist der Tag unserer Auswanderung. Mein Wunsch wäre,<br />
noch einmal zu Euch zu kommen und zu sagen, wie es<br />
hier ist. Allein, sagen ist leichter als tun. Soviel Geld, um<br />
zu Euch zu kommen, hätte ich in einem halben Jahr verdient.<br />
Wer einmal in Amerika ist, geht nicht leicht zurück.<br />
Wer sein Leben gut machen kann, wünscht sich<br />
nicht in das eiserne Joch und in die Tyrannei nach Europa<br />
zurück. Bruder Valentin hat besser getan als Max,<br />
der ja zurückgeblieben ist. In einigen Jahren hat er sich<br />
ein Vermögen erworben und ist noch jung. Es war so<br />
besser, als bei den Preußen dienen, sich plagen und quälen<br />
zu lassen. Wir wünschen uns nicht nach Europa zu-<br />
WALTHER FRICK<br />
Das einstige „Chalet" in Sigmaringen<br />
Ein Baudenkmal des 19. Jahrhunderts verschwindet ganz<br />
Bis diese Zeilen gedruckt sind, wird vermutlich der<br />
letzte Rest der einstigen „Besitzung Teufel" nordwestlich<br />
des Sigmaringer Stadtkerns verschwunden sein. Während<br />
des Spätsommers wurde der einstige untere Park durch<br />
die Baumaschinen zerstört, jene viereckige Fläche zwischen<br />
dem Gorheimer Bächle im Süden, der Gorheimerund<br />
Jungnauer Straße im Norden und Osten, und einer<br />
schnurgeraden Fichtenreihe im Westen. Gerade diese<br />
Fichtenreihe war noch ein deutlich sichtbarer Teil des<br />
Anwesens, das sich einst vom genannten Bach bis zum<br />
Antoniustäle hinzog.<br />
Das Ganze ist interessant und sein Verlust bedauerlich<br />
genug, um hier festgehalten zu werden, denn es gehört<br />
in jene Mode der zweiten Jahrhunderthälfte, auch<br />
in nicht-alpinen Regionen „schweizerisch" zu bauen. Es<br />
gibt in Hohenzollern nur wenige Beispiele; im Stadtkern<br />
von Gammertingen stand so ein „Schweizerhaus" mit<br />
hölzernen, verzierten und sozusagen laubgesägten Giebeln,<br />
wie es das „Chalet" einmal geradezu musterhaft<br />
war. Ein reicher Mann namens Teufel - wir wissen<br />
nicht einmal seinen Vornamen - übernahm aus dem Besitz<br />
des Hauptmanns Dopfer vom Hohenzollerischen Bataillon<br />
(der mußte nämlich 1849 gehen als Revoluzzer!)<br />
dessen „Hüttie", wie Dopfer es nannte, eben dieses ursprüngliche<br />
Schweizerhäuschen. Es stand übrigens auch<br />
geografisch an einer interessanten Stelle: die Linie vom<br />
Kloster Gorheim über die Brauerei „Zollerhof" und den<br />
Brenzkofer Berg entlang nach Osten markiert sozusagen<br />
messerscharf das Südende der Alb; das Mittelgebirge ist<br />
hier deutlich zu Ende, die Talaue beginnt, mit der Donau<br />
drin, und was im Süden ansteigt zwischen Laiz und<br />
Sigmaringen, ist Oberschwaben. Das Haus stand wenige<br />
Dutzend Meter von der Straße ab, jedoch beträchtlich<br />
höher als sie. An seiner Stelle, um das vorweg zu nehmen,<br />
steht jetzt das Altersstift St. Michael. - Jener<br />
Herr Teufel war offenbar sehr reich und sehr weitgereist.<br />
Das Haus muß prachtvolle Teppiche, Gemälde,<br />
Skulpturen und Möbel besessen haben, wie Dr. Karl<br />
Theodor Zingeler, späterer Leiter des Haus- und Domänenarchivs,<br />
1877 schreibt. Der Besitzer hat aber außerdem<br />
das ganze Gelände vom Bach an bis hinauf an den<br />
Stadtwald gärtnerisch und landwirtschaftlich genutzt.<br />
Er hatte Gemüseland, richtige Gartenanlagen, Obstbäume<br />
die Menge, und er hatte die „Villa Muh", die noch in<br />
diesem Jahr abgerissen wird. Das ist der scherzhafte<br />
rück, um dort zu leben, nur um Euch wiederzusehen.<br />
Wenn es der Wille Gottes ist, werdet Ihr das erleben,<br />
wenn ich gesund bleibe.<br />
Wir grüßen Euch alle herzlich, Eltern und Geschwister<br />
und hoffen auf baldige Antwort! Wendelin Heck,<br />
P. Caroline (Frau)<br />
Valentin Heck<br />
Wendelin Heck kam im Jahre 1862 zu Besuch nach<br />
Rangendingen und nahm dann seinen jüngsten Bruder<br />
Medard mit nach Amerika. Auch dieser wurde Farmer.<br />
Alle drei Brüder gelangten zu ansehnlichem Wohlstand.<br />
Wendelin Heck aber ereilte ein tragisches Geschick. Als<br />
er einen Maulesel zur Tränke führte, wurde er von diesem<br />
geschlagen und starb darauf im Jahre 1876. - Seine<br />
Witwe hat die Verbindung nach Rangendingen bis vor<br />
dem Ersten Weltkrieg aufrecht erhalten.<br />
Name für eine kleine Sennerei, wie Teufel sie nannte,<br />
ebenfalls ein Schweizer Chalet, mit Kuhstall und Scheunenteil<br />
und Knechtswohnung. Alles ganz winzig, aber für<br />
Herrn Teufels Haushalt offenbar ausreichend. Ganz hinten<br />
im Norden, auf Felszacken, standen zwei Aussichtpavillons,<br />
von denen einer vor mehreren Jahren offenbar<br />
im Sturm zusammenbrach. Seine Trümmer liegen in einer<br />
sonnenlosen, feuchten Schlucht und vermodern. Der<br />
andere steht noch, und zwar so weit im Norden, daß die<br />
Straßenschneise für die Bundesstraße 32 und ihre Fortführung<br />
durch die Talaue — denn dies ist der Grund für<br />
das Verschwinden der Teufeischen Anlage - sie nicht<br />
tangiert. Zwischen Chalet und Villa Muh breitet sich<br />
eine grüne Matte aus, auf der Teufels Kühe weideten.<br />
Sie wird demnächst tief hinunter abgetragen und weicht<br />
der Straßenschneise, die im übrigen den Insassen des erst<br />
wenige Jahre alten Stifts das zweifelhafte Vergnügen<br />
bringt, den Verkehr unmittelbar unter ihren Fenstern<br />
dahindonnern zu hören.<br />
Wann Teufel starb, haben wir nicht erforscht, aber<br />
nach ihm kamen drei andere Besitzer - und beinahe ein<br />
Schloß. Denn zunächst wohnte hier Baurat Leibrand,<br />
damals Leiter des Hohenzollerischen Landesbauamtes,<br />
derselbe, der zu Beginn unseres Jahrhunderts die steinerne<br />
Kleinbahnbrücke in Sigmaringen erbaute. Nach ihm<br />
lebt hier Prinz Karl von Hohenzollern, und der hätte<br />
neben oder anstelle des Chalets gerne ein Schloß gebaut.<br />
Dazu soll es deshalb nicht gekommen sein, weil der damalige<br />
Hofmarschall von Wangenheim es dem fürstlichen<br />
Haus abriet. Schließlich erwarben den Besitz die<br />
Barmherzigen Schwestern, die das „Klösterle", das Josefinenstift<br />
leiten und einige Jahrzehnte auch im Fidelishaus<br />
ein Altersheim hatten, wie nunmehr auch im Chalet.<br />
Sie selber rissen es in den 60er Jahren ab und bauten<br />
das jetzige Stift. Aber den großen Parkgarten südlich<br />
der Gorheimer Straße bewirtschafteten sie bis vor wenigen<br />
Jahren mit Gemüse und Beeren. Zu Teufels Zeiten<br />
gab es die Gorheimer Straße auch schon, einen Fahrweg<br />
der vormotorisierten Zeit, wahrscheinlich nur einen besseren<br />
Feldweg, den er offenbar auf Grund des jahrhundertealten<br />
Wegerechtes offenhalten mußte. - Die Fichtenreihe,<br />
von der die Rede war, wurde durch diesen Weg<br />
nur geringfügig unterbrochen und bildet im oberen Teil,<br />
wo der Stadtwald anfängt, noch jetzt die sichtbare<br />
Grenze des einstigen Anwesens.<br />
59
Diese Zeilen sind auch deshalb geschrieben, weil am<br />
Beispiel des einstigen Chalets deutlich wird, wie individuell<br />
man im 19. Jahrhundert baute. Gerade Sigmaringen<br />
hat dafür gute Beispiele. So baute ein Bruder jenes<br />
Hauptmanns Dopfer eine italienische Villa (heute Haus<br />
Bumiller) neben der späteren Handwerkskammer, ähnlich<br />
die Juweliere Zimmerer ihre heute verschwundene<br />
Villa in Hedingen. Und wenn man noch weiter ausgrei-<br />
JOSEF DESCHLER<br />
Vom Schulwesen der Gemeinde Ablach<br />
Zur Geschichte einer Zwergschule (1776-1966)<br />
Im Verfolge der Gemeinde- und Schulreformen büßten<br />
viele kleine Gemeinden ihre Selbständigkeit als politisches<br />
Gebilde und oft auch ihre eigene Schule mit mehr<br />
oder weniger Freiwilligkeit oder Zwang ein. Meist handelte<br />
es sich um einklassige Schulen, jetzt Zwergschulen<br />
genannt. Wie bedeutend sie aber im ganzen Schulwesen<br />
des früheren Hohenzollerns waren, zeigt die Angabe aus<br />
Keßlers Beschreibung der Hohenzollerischen Lande vom<br />
Jahre 1893, daß von insgesamt 117 öffentlichen Schulen<br />
59 Einklaßschulen, mithin 50 Prozent vorhanden waren.<br />
Ihre Zahl nahm zwar dauernd ab, aber vor der Einführung<br />
der Hauptschule gab es in Hohenzollern immer<br />
noch 49 einklassige Volksschulen. (Hohenz. Landeskalender<br />
1967)<br />
Daß aus diesen Zwergschulen trotz mancher Mängel<br />
wackere Männer aller Berufe und tüchtige Frauen hervorgingen,<br />
braucht nicht bewiesen zu werden, da allerorts<br />
bekannt, und daß neben der Vermittlung der notwendigen<br />
Kenntnisse und Fertigkeiten auch auf die Erziehung<br />
in Eintracht mit dem Elternhaus großer Wert<br />
gelegt wurde, ist eine Binsenwahrheit. Daß diese kleinen<br />
Schulen in der heutigen Zeit ein Anachronismus wären,<br />
wird jedermann verstehen, aber zu ihrer Zeit haben sie<br />
ihre Aufgabe, so weit es möglich war, aufs beste erfüllt.<br />
Zu diesen einklassigen Schulen zählte auch lange Zeit die<br />
Volksschule Ablach. In den folgenden Ausführungen<br />
wird versucht, ihre Geschichte von den Anfängen bis zur<br />
Einführung der Hauptschule und die Eingliederung in<br />
die Schule Krauchenwies darzustellen.<br />
Das Dorf Ablach bildete mit den Dörfern Gutenstein,<br />
Engelswies und Altheim bei Meßkirch die Herrschaft<br />
Gutenstein, die dem Grafen von Schenk-Castell gehörte<br />
und bis zur Auflösung des alten Reiches unter österreichischer<br />
Landeshoheit stand. (K. u. k. Oberamt Stockach<br />
der Landgrafschaft Nellenburg) Ob nun schon vor dem<br />
Erlaß der „Allgemeinen Schulordnung für die deutschen<br />
Normal-, Haupt- und Trivialschulen in sämtlichen<br />
k. u. k. Erblanden" im Jahre 1774 durch die Kaiserin<br />
Maria Theresia 1 und ihren Sohn Josef II. in Ablach<br />
Schule gehalten wurde, wie in den größeren Nachbarorten,<br />
ist zweifelhaft, weil die Kuratkaplanei erst im Jahre<br />
1773 mit einem ortsansässigen Kaplan (Ignaz Menzinger)<br />
2 besetzt wurde, und die Kirche damals in den kleineren<br />
Dörfern die Hauptschulträgerin war, weil die<br />
Mesner meistens auch als Lehrer fungierten 3 . Es wird<br />
wohl so gewesen sein, wie es in den Betrachtungen eines<br />
alten Dorfschulmeisters im Wochenblatt für das Fürstentum<br />
Hohenzollern-Sigmaringen (9. Jahrgang 1817,<br />
Stück 47) erzählt wird. „Ich bin ein alter Schulmann.<br />
Die Geige unter dem Arme bin ich vor 60 Jahren zum<br />
ersten Male in die Schule getreten. Damals lag tiefe<br />
Nacht über dem Acker des Herrn, den ich bearbeiten<br />
sollte. Ich selber wußte kaum erträglich in dem großgedruckten<br />
Himmelsschlüssel zu lesen. Schreiben und<br />
60<br />
fen möchte, sind alle fürstlichen Gebäude in der Karlstraße,<br />
von der früheren Reithalle an, kühne Zeugnisse<br />
solchen Bauwillens. Ein Gegenbeispiel von heute, leider<br />
nur eines von zahlreichen: in der Au, wo man auf völlig<br />
leerer Fläche städtebaulich Wertvolles hätte schaffen<br />
können, erstellte als erstes die Bundespost ein Fernmelde-<br />
Zentrum - nach einem Bauplan, den sie von der Küste<br />
bis zu den Alpen überall gleich verwendet.<br />
Rechnen waren eine Rarität." Der Schulbesuch war freiwillig,<br />
unterrichtet wurde nur im Winter von Martini<br />
bis Georgi, die Lehrer waren meistens Handwerker<br />
(Schuhmacher, Schneider, Weber, Stricker) und das<br />
Schulzimmer zugleich ihre Arbeitsstätte. Neben religiösen<br />
Belehrungen umfaßte der Unterricht nur kümmerliches<br />
Lesen, Schreiben und Rechnen. Durch die Schulordnung<br />
Maria Theresias besserte sich dieser Zustand langsam.<br />
Unser Freund aus dem Wochenblatt schreibt darüber:<br />
„Die Finsternis, die das Schulfach bedeckte, war<br />
mit einem Male durch den Strahl der herrlichsten Morgenröte<br />
beleuchtet, da unter Maria Theresias und Josef<br />
II. denkwürdiger Regierung der Bildung und Erziehung<br />
der Jugend eine sorgfältige Aufmerksamkeit gewidmet<br />
wurde. Ein planmäßiger Unterricht trat an die<br />
Stelle des alten Schlendrians. Der Lehrer, früher dem<br />
Kuhhirten gleichgestellt (weil er wie dieser jedes Jahr<br />
um das Amt anhalten mußte), gelangte nun zu einer ständigen<br />
Anstellung."<br />
Schon vom Jahre 1775 ab wurde durch das Obervogteiamt<br />
Gutenstein auch in Ablach bei Hofübergaben und<br />
Erbschaften ein sogenannter Normalschulgroschen eingezogen<br />
und an die Landschaftskasse nach Stockach abgeführt.<br />
Im Jahre 1776 übersendet der Obervogt von<br />
Gutenstein die Winterschultabellen der 4 Dörfer an das<br />
Oberamt Stockach, ein Beweis dafür, daß mit der Durchführung<br />
der Schulordnung Ernst gemacht wurde. Nun<br />
wurde auch in Ablach regelmäßig Schule gehalten. Als<br />
erster namentlich bekannter Lehrer und Mesner ist ein<br />
Xaver Uetz vom Jahre 1780-1802 zu erwähnen. Seine<br />
Vorbildung wie die seines Nachfolgers und Sohnes Josef<br />
Uetz, der von 1802 bis 1824 Lehrer und Mesner war, ist<br />
nicht bekannt, sie dürfte aber nur handwerklich erfolgt<br />
sein. (Schulbesuch und Lehre bei einem Musterlehrer und<br />
Prüfung vor einer Kommission, ob er lesen, schreiben<br />
und rechnen kann. Religion und Musik waren sehr wichtig.)<br />
Entsprechend der Ausbildung war auch die Bezahlung.<br />
Neben dem bekannten Schulkreuzer je Kind und<br />
Woche bestand sie in Naturalien, wie folgende Aufzeichnungen<br />
des Schultheiß Single besagen. „1798, den 12.<br />
Jänner dem Xaver Uetz zu Besoldung Fesen gegeben<br />
8 Viertel, den 16. März 1799 2 Viertel Kernen, den 19.<br />
Juni 1802 erhält der Lehrer zu seiner Besoldung 2 Viertel<br />
Kernen und 2 Viertel Millfrucht." Zu einem weiteren,<br />
wesentlichen Aufschwung des gesamten Schulwesens im<br />
Fürstentum Hohenzollern-Sigmaringen (zu dem Ablach<br />
allerdings erst vom Jahre 1812 gehörte, denn als Teil der<br />
Herrschaft Gutenstein kam es im Jahr 1806 zum Lande<br />
Baden und wurde im Jahre 1812 gegen das Dorf Rast<br />
eingetauscht) trug die „Allgemeine Schulordnung für die<br />
Stadt- und Landschulen" vom 16. November 1809 bei 4 .<br />
In 6 großen Abschnitten mit viel Paragraphen regelte<br />
sie das gesamte Volksschulwesen des Fürstentums hinsichtlich<br />
Schulpflicht, Schuldauer, Schulzucht, Schulein-
ichtung, Lehrgegenstände, Lehrmethode, Lehrerbildung,<br />
Lehrerbesoldung, Schulaufsicht und Schulgebäude. Unser<br />
Freund im Wochenblatt schreibt hierzu: „Wir haben nun<br />
keinen Schullehrer mehr, der bei Hochzeiten den Hanswurst<br />
spielen, an den Sonntagen vor der Kirchtüre Brot<br />
und Eier sammeln oder gleich dem Bettler von den eigenen<br />
Kindern den Kreuzer holen muß." Mit dem Schuldienst<br />
war in den meisten Dörfern auch der Mesner- und<br />
Organistendienst verbunden, was in Ablach bis 1894 der<br />
Fall war. Selbstverständlich wurden nun auch an die Vorbildung<br />
der Lehrer andere Maßstäbe angelegt, und es bildete<br />
sich langsam aus dem Schulhandwerker der seminaristisch<br />
gebildete Lehrer, wie das Bewerbungsschreiben des<br />
Provisors Joachim Haag von Ablach aufzeigt 5 .<br />
Die Schulstube, denn von einem Schulhaus ist in Ablach<br />
erst vom Jahre 1840 die Rede, befand sich zunächst in<br />
dem Hause neben der Kirche. Der Lehrer Josef Uetz<br />
hielt einige Jahre in seinem Hause Schule, bis dann im<br />
Jahre 1809 laut Feuerkataster des Obervogts von Gutenstein<br />
auf der Nordseite des jetzigen Pfarrhauses ein<br />
Schulzimmer eingerichtet wurde. Dieses wurde im Jahre<br />
1825 zum Preise von 153 Gulden erweitert, wobei das<br />
Rentamt Gutenstein den Betrag von 37 Gulden für Holz<br />
beisteuerte. Doch dieser Schulraum genügte den unterrichtlichen<br />
und hygienischen Anforderungen in keiner<br />
Weise, was die Revisionsberichte der Schulkommissäre<br />
jedes Mal betonten, besonders der Bericht des Schulkommissars<br />
Pfarrer Emele von Krauchenwies vom Jahr 1840<br />
mit folgenden Ausführungen: „daß das Schullokal zu<br />
klein, (1834 waren es 60 Schüler) zu nieder, mit schlechtem<br />
Licht, schadhaftem Ofen und vielen anderen Mängeln<br />
besonders der Abtritte behaftet sei, und daß er der<br />
wiederholten Versprechungen überdrüssig sei, und daß<br />
ein Bausachverständiger untersuchen möge, ob eine Erweiterung<br />
oder ein Neubau vorgenommen werden soll."<br />
Nach langem Hin und Her zwischen der fürstlichen Regierung,<br />
dem Oberamt, dem Schulkommissar und der<br />
Gemeinde von 1840 bis 1842, der Einreichung verschiedener<br />
Baupläne und Auswahl verschiedener Bauplätze<br />
kam es endlich zu dem Beschluß, das Schulhaus auf dem<br />
Platz neben dem Pfarrhaus zu erstellen. Der Bau wurde<br />
im Jahre 1843/44 nach dem Plane und unter Leitung des<br />
Werkmeisters Kirn von Wald um den Preis von 4729<br />
Gulden 28 Kreuzer erstellt und bildete mit verschiedenen<br />
Um- und Ausbauten bis zum Jahre 1966 das Schulund<br />
Rathaus der Gemeinde. Es enthielt einen großen<br />
Schulsaal, den Rathaussaal, eine Wohnung für den Lehrer,<br />
auch einen kleinen Stall und eine Scheune für die<br />
Landwirtschaft des Lehrers. Nach Aufgabe derselben<br />
diente dieser Teil als Geräteschuppen für die Feuerwehr<br />
und nach Errichtung der 2. Lehrerstelle als 2. Schulsaal<br />
und als Zimmer für den 2. Lehrer. Bemerkenswerter<br />
Weise bestand schon im Jahre 1842 der Plan, das Schulhaus<br />
auf dem Platze des heutigen, neuen Schulhauses<br />
beim Friedhof zu erstellen. Der große Schulsaal wurde<br />
1956 durch den Einbau großer Fenster und der Ausstattung<br />
mit modernen Schulmöbeln zu einem schönen, hellen<br />
Klassenzimmer umgestaltet, in dem auch noch heute<br />
Schule gehalten wird. Da die Schulaborte von der Gesundheitsbehörde<br />
abgesprochen wurden, da überdies für<br />
den Kindergarten bis zur Erstellung eines eigenen Gebäudes<br />
Räume benötigt wurden, beschloß die Gemeinde<br />
nach Besprechungen mit den Behörden den Bau eines<br />
neuen Schulhauses auf dem schon 1842 geplanten Platze.<br />
Der Bau wurde nach den Plänen der Architekten Gäßler<br />
und Böhmer zum Preise von 600 000 DM in den Jahren<br />
1965/66 ausgeführt und im November 1966 festlich eingeweiht<br />
und bezogen. Neben 3 Schulsälen und den entsprechenden<br />
Nebenräumen, Aborten, Pausenhalle und<br />
Duschbad gehört auch ein Gymnastikraum dazu, der in<br />
den letzten Jahren zu einer geräumigen behaglichen<br />
Mehrzweckhalle für Feste und Feiern der Gemeinde erweitert<br />
wurde. Nach Einführung der Hauptschule wurde<br />
die Schule Ablach in die Hauptschule Krauchenwies eingegliedert.<br />
Wie ja auch die Gemeinde Ablach trotz heftigen<br />
Widerstandes 1975 an die Gemeinde Krauchenwies<br />
angeschlossen wurde.<br />
Eine Lehrerwohnung wurde erst im Jahre 1855 benötigt,<br />
da die früheren Lehrer Ablacher Bürger waren und Eigenhäuser<br />
besaßen. Sie wurde dann im unteren Stock des<br />
Schulhauses unter dem großen Schulsaal eingerichtet und<br />
bildete oft einen Streitpunkt zwischen Lehrer und Gemeinde.<br />
Zwar war im Jahre 1904 ein Umbau des Hauses<br />
geplant, bei dem aber nur die Erstellung armseliger<br />
Schüleraborte außerhalb des Gebäudes herauskam, die<br />
dann 1945 bei der Beschießung Ablachs durch die Franzosen<br />
auch Granattreffer abbekamen. Im Jahre 1938/39<br />
wurde am Südhang des Kirchberges um den Preis von<br />
20 000 RM eine geräumige Lehrerwohnung erbaut, die<br />
jetzt aber verkauft wurde, da die Lehrer auf eine<br />
Dienstwohnung verzichteten. Die ehemalige Lehrerwohnung<br />
im alten Schulhaus dient seither als Büroraum der<br />
Gemeindeverwaltung.<br />
Die Volksschule Ablach war trotz großer Kinderzahl<br />
(durchschnittlich 60-70) bis zum Jahre 1919 einklassig,<br />
das heißt alle Schüler vom 1. bis 8. Schuljahr wurden<br />
von einem Lehrer in einem Klassenzimmer, manchmal zu<br />
gleicher Zeit und im gleichen Unterrichtsfach unterrichtet<br />
und betreut, teils „Stille Beschäftigung mit Helfersystem,<br />
teils direkter Unterricht". Weil aber im Jahre<br />
1919 die Schülerzahl eine Höhe (83 Kinder) erreicht<br />
hatte, die für eine Lehrkraft untragbar war, wurde<br />
eine 2. Lehrstelle errichtet. Da noch kein 2. Schulsaal<br />
vorhanden war, mußte Halbtagsunterricht erteilt<br />
werden: sommers von 7-10 Uhr Obere Jahrgänge,<br />
10-12 Uhr Grundschule, winters vormittags Obere<br />
Jahrgänge, nachmittags Grundschule, bis dann nach Einbau<br />
eines 2. Schulsaales im Spritzenhaus die Schule von<br />
1922-1938 zweiklassig geführt wurde. Von 1938 bis<br />
1964 war die Schule mit einer kurzen Unterbrechung<br />
1946/47 wieder einklassig, da die Schülerzahl nach<br />
Heimkehr der Evakuierten und Verteilung der Flüchtlinge<br />
und Vertriebenen im Jahr 1957 bis auf 29 Schüler<br />
abgesunken war. Nach Wiederanstieg der Schülerzahl<br />
auf 54 wurde ab Ostern 1964 wieder eine 2. Lehrerstelle<br />
errichtet. Als 2. Schulsaal diente vorübergehend der Rathaussaal,<br />
weil der untere Schulsaal schon einige Jahre<br />
für die zahlreiche Kleinkinderschar als Kindergarten benützt<br />
wurde.<br />
Es mögen nun einige Angaben über die Schülerzahlen<br />
folgen: 1834 waren es 60 Schüler, 1857: 62 Schüler,<br />
1887: 80 Schüler, 1919: 83 Schüler, 1940: 53 Schüler,<br />
1945: 77 Schüler, davon 15 Evakuierte, 1957: 29 Schüler,<br />
die niedrigste Zahl seit Schulbestand, 1963: 48 Schüler,<br />
1965: 64 Schüler.<br />
Uber die innere Einrichtung, den eigentlichen Schulbetrieb<br />
des Ablacher Schulwesens (Lehrgegenstände, Lehrmethode,<br />
Lehrbücher, Schulzucht) ist nichts Besonderes<br />
zu berichten, da hierfür die für alle Volksschulen des<br />
Fürstentums Hohenzollern-Sigmaringen bzw. der Preußischen<br />
Regierung, bzw. des Kultusministeriums von Baden-Württemberg<br />
geltenden Gesetze und Bestimmungen<br />
maßgebend waren oder sind. Für die ab 1862 ab geforderten<br />
gymnastischen Übungen für Knaben, später Turnunterricht,<br />
jetzt Leibesübungen genannt, stand bis 1930<br />
nur der kleine Platz zwischen dem Schul- und Nachbarhaus,<br />
später ein Wiesenstück hinter dem Schulhaus zur<br />
Verfügung. Ein eigentlicher Sportplatz fehlt noch immer.<br />
Der Arbeitsunterricht für Mädchen, später als Industrieschule,<br />
Handarbeitsunterricht oder Weibliche<br />
61
Handarbeit bezeichnet, wurde bis 1966 von nebenberuflichen<br />
Laienlehrerinnen (Näherinnen, Schneiderinnen) erteilt.<br />
Der katholische Religionsunterricht erfolgte durch<br />
den Ortsgeistlichen und den Lehrer, während der evang.<br />
Religionsunterricht durch den evang. Geistlichen von<br />
Sigmaringen in der Schule Krauchenwies erteilt wurde.<br />
Bezüglich der vorgeschriebenen Wiederholungsschule,<br />
auch Sonntag- oder Abendschule, später Fortbildungsschule<br />
genannt, sei nur bemerkt, daß dieselbe vom jeweiligen<br />
Lehrer abgehalten wurde, und daß Pfarrkurat<br />
Wendelin Eger von Ablach im Jahre 1844 bei Bucher u.<br />
Liehner in Sigmaringen ein „Lesebuch für Werk- und<br />
Sonntagschulen" herausgab, in dem in Briefform mit verschiedenen<br />
Stil- und Schriftarten Gebote und Verbote<br />
der Landesregierung, bürgerliche und volkstümliche Fragen<br />
dargestellt wurden.<br />
Der Schulfond erhielt im Jahre 1840 durch die Brüder<br />
Anton und Xaver Single eine namhafte Stiftung und betrug<br />
im Jahr 1910 15 000 Mark, so daß an der Schule<br />
Ablach schon seit langer Zeit die Lernmittelfreiheit bestand<br />
und diese auch nach Aufhebung des Fonds nach<br />
der Inflation 1923 seitens der Gemeinde beibehalten<br />
wurde. Auch bei der Beschaffung von Lehrmitteln und<br />
Büchern für die Lehrer- und Schülerbücherei war die<br />
Gemeinde nicht kleinlich. Es bestand auch lange Zeit ein<br />
großer Schulgarten, der teils dem Lehrer als Gemüsegarten<br />
diente, teils als eine vom Lehrer geleitete Baumschule<br />
fungierte.<br />
Über die Schulaufsicht ist nichts Besonderes zu bemerken.<br />
Sie vollzog sich nach den gesetzlichen Bestimmungen<br />
der jeweiligen Regierung. Weil die Gemeinde Ablach<br />
früher ihren Lehrer aus eigenen Mitteln besoldete, hatte<br />
sie auch lange Zeit das Recht, den Lehrer zu wählen, wie<br />
folgende Ausschreibung im Amtsblatt der Regierung Sigmaringen,<br />
Jahrgang 1857, Nr. 18, beweist: „Die erledigte<br />
Schulstelle in Ablach, mit welcher der Mesnerdienst verbunden<br />
werden wird (nach Zustimmung des Ordinariats<br />
Freiburg), soll wieder besetzt werden. Die Bewerber werden<br />
aufgefordert, ihre mit den vorgeschriebenen Attesten<br />
belegten Gesuche beim Gemeinderath in Ablach binnen<br />
4 Wochen einzureichen. Sigmaringen, den 23. April 1857,<br />
Königl. Preuß. Regierung." Es meldeten sich 3 Bewerber.<br />
Die Gemeinde wählte den Provisor Friedrich Eger, der<br />
von 1857 bis 1883 als tüchtiger Lehrer tätig war und<br />
eines plötzlichen Todes starb, als Kreisschulinspektor<br />
Dr. Schmitz zu einem Schulbesuch erschien.<br />
Es möge nun eine Liste der Lehrer und Lehrerinnen folgen,<br />
die an der Volksschule Ablach bis zur Eingliederung<br />
nach Krauchenwies tätig waren:<br />
1780-1802 Xaver Uetz, Lehrer und Mesner, von<br />
Ablach gebürtig<br />
1802-1824 Josef Uetz, Lehrer und Mesner, von<br />
Ablach gebürtig<br />
1824-1855 Joachim Haag, Lehrer und Mesner,<br />
von Ablach gebürtig<br />
1855-1856 Karl Karle, Provisor<br />
1857-1883 Friedrich Eger, Lehrer und Mesner<br />
1883 Anton Mühlebach, Provisor<br />
1883-1924 Paul Bischof, Lehrer und bis 1894 Mesner<br />
1919-1921 August Wolf, 2. Lehrer<br />
1921 Johann Wannenmacher, 2. Lehrer<br />
1922 August Fritz, 2. Lehrer<br />
1923-1934 Anton Stehle, 2. Lehrer, ab 1924<br />
1. Lehrer<br />
1924 Fidelis Teufel, 2. Lehrer<br />
1925-1934 Theophil Porzych, 2. Lehrer<br />
1933 Rosa Bieger, Vertreterin für erkrankten<br />
Lehrer Stehle<br />
Thomas Wannenmacher, ab 1936<br />
62<br />
1. Lehrer<br />
1936-1938 Kilian Schnitzler, 2. Lehrer<br />
1939-1940 Franz Keller, Rektor a. D., als Vertreter<br />
für den zum Heeresdienste eingezogenen<br />
Lehrer Wannenmacher<br />
1945 Okt./Dez. Michael Stöhr, gemeinsam für Krauchenwies<br />
und Ablach<br />
1945 Okt./Dez. Franz Gaiser, Hilfslehrer<br />
1945 Dez.-1947 Josef Deschler<br />
1946-1947 Helmut Dörfer und Helmut Oelker,<br />
gemeinsam für Krauchenwies und Ablach,<br />
2. Lehrer<br />
1947 Maria Stahl, Hilfslehrerin<br />
1947-1948 Ludwig Pfeffer<br />
1948-1966 Josef Deschler, ab 1964 1. Lehrer<br />
1964-1965 Dorothea Derschka, 2. Lehrerin<br />
1965-X Anna Maria Acker, 2. Lehrerin<br />
1966-X Ludwig Pfeffer, 1. Lehrer<br />
Es mögen noch einige Angaben über die Lehrerbesoldung<br />
in Ablach folgen:<br />
Gehaltsberechnung des Schullehrers und Meßners Joachim<br />
Haag von Ablach für das Jahr 1834:<br />
I. Aus dem Schuldienst<br />
an Geld von der Heiligenfabrik (Heiligenpflege)<br />
von der Ortssteuerkasse: 2 fl (Gulden)<br />
das Gehalt für das Schulehalten ist veränderlich,<br />
indem es nach der Kinderzahl berechnet<br />
werden muß. Für den Winterkurs<br />
(Martini bis Georgi) zahlt ein Kind für eine<br />
Woche 2 x (Kreuzer) und für den Sommerkurs<br />
(Georgi-Martini) in der Woche 1 x.<br />
Im Durchschnitt können jährlich 60 Kinder<br />
angenommen werden, so macht der Betrag<br />
für den Winterkurs 24 Wochen ä 2 x mal 60 40 fl<br />
für den Sommerkurs 28 Wochen ä 1 x mal 60 28 fl<br />
für die Sonntagsschule 12 fl<br />
für die Anschaffung von Tinte und Papier 5 fl 24 x<br />
an Naturalien:<br />
vom fürstlichen Rentamt in Sigmaringen,<br />
Gnadensache Sr. Fürstl. Durchlaucht<br />
Roggen, 2 Simri ä 45 x<br />
Gersten, 2 Simri a 45 x<br />
aus der Ortssteuerkasse von jedem Baurenkind<br />
jährlich 1 Jmi Gersten macht im Durchschnitt<br />
für 16 Kinder 3 Simri<br />
für das Heizen des Schulzimmers Mühlfrucht<br />
5 Simri<br />
Dienstwohnung besitzt der Lehrer keine und<br />
hat auch keine Entschädigung hierfür, da Eigenheim<br />
Summe vom Schuldienst<br />
1 fl 30 x<br />
1 fl 30 x<br />
3 fl<br />
3 fl 40 x<br />
105 fl 9 x<br />
II. Aus dem Meßnerdienst:<br />
an barem Geld aus den Stiftungen der Heiligenpflege<br />
für gestiftete Jahrtäge 56 a 6 x 5 fl 36 x<br />
für Kirchenwasch 3 fl<br />
für das Orgelspielen 40 x<br />
für das Läuten bei der öschprozession 16 x<br />
für das Richten der Turmuhr<br />
aus Gemeindemitteln von den Söldnern statt<br />
1 fl<br />
der Brotlaibe<br />
Gütergenuß: 1 Mannsmad Wiese i. Kl. ohne<br />
3 fl<br />
Lasten 24 fl<br />
gesamt 37 fl 32 x<br />
III. Zufällige Einkünfte (Stolgebühren)<br />
für das Begraben einer erwachsenen Person<br />
1 fl 41 x macht für 3 Pers. im Durchschnitt 5 fl 3 x<br />
Kinderleichen im Durchschnitt 5 a 12 x 1 fl<br />
Taufen jährlich im Durchschnitt 17ä5x 1 fl 42 x
Trauungen im Durchschnitt 1 a 1 fl 1 fl<br />
30 Läutelaibe (Wetterläuten) a 15 x 7 fl 30 x<br />
gesamt 16 fl 47 x<br />
Gesamt aus dem Meßnerd. 53 fl 47 x<br />
dazu Gesamtsumme aus dem Schuld. 105 fl 9 x<br />
Gehalt mithin: 158 fl 56 x<br />
Ablach, den 18. Oktober 1834<br />
Pfarramt: Zimmermann<br />
Schultheiß: Waibel<br />
Gerichtsmann: Teufel, Strobel, Wetz, Häberle<br />
Lehrer: Haag.<br />
Da das Gehalt des Lehrers aber 200 Gulden betragen<br />
soll, muß der Unterschiedsbetrag von der Landesschulkasse<br />
übernommen werden, denn nach Mitteilung des<br />
Oberamts Sigmaringen hat die Gemeinde Ablach laut<br />
Gemeindehaushaltstabelle kein Vermögen und außer einem<br />
kleinen Pferch- und Pachtvertrag von Schafen kein<br />
Einkommen, dagegen 3500 Gulden Schulden. An Stiftungen<br />
ist nur ein unbedeutender Schulfond und eine für<br />
ihre eigentlichen Zwecke unzulängliche Heiligenfabrik da.<br />
Die Gemeinde sei arm, aber die Einwohner nicht unvermögend<br />
(Staatsarchiv Sigmaringen Abt. XI C2 Nr. 166).<br />
Bei der Gehaltsregulierung vom 17. Jänner 1856 sah die<br />
Sache schon wesentlich anders aus. Die Naturalien waren<br />
alle auf Geld umgestellt.<br />
I. Aus dem Schuldienst<br />
aus der Gemeindekasse bar<br />
statt der 4 Simri Mühlfrucht ä 45 x<br />
statt früher von jedem Bauernkind 1 Jmi<br />
Fruchthaber = 4 Simri ä 45 x<br />
aus dem Ortsschulfond<br />
Summa:<br />
an Gütern:<br />
Acker im Neutheil Nr. 256 3 /8 Morgen<br />
Acker im Herdstrich Nr. 164 °/8 Morgen<br />
Dienstwohnung besitzt der Lehrer im Schulund<br />
Gemeindehaus frei. Holz bezieht er<br />
2 Klafter oder hierfür 10 Gulden.<br />
II. Aus dem Meßnerdienst:<br />
an barem Geld aus Stiftungen der Heiligenfabrik<br />
für 81 gestiftete Jahrtäge ä 6x<br />
aus einer Stiftung von Konrad Schultheiß<br />
für das Richten der Turmuhr jährlich<br />
von den Söldnern (Kleinbauern) statt der<br />
Brotlaibe aus der Ortssteuerkasse bar<br />
für das Orgelspielen jährlich<br />
für das Läuten bei der öschprozession<br />
aus Stolgebühren:<br />
für das Begraben einer erwachsenen Person<br />
1 fl 41 t, durchschn. jährlich 5 Personen<br />
Kinderleichen jährlich durchschn. 8 a 12 x<br />
Trauungen jährlich gerechnet<br />
für 30 Läutelaibe a 15 x thut<br />
Gütergenuß: Karte IX Nr. 977 Wiese l 3 /,<br />
Morgen in der Au ohne alle Lasten<br />
Summa:<br />
dazu aus Schuldienst<br />
169 fl 38 x<br />
3 fl<br />
3 fl<br />
22 fl<br />
197 fl 36 x<br />
5 fl<br />
5 fl<br />
207 fl 36 x<br />
8 fl<br />
2 fl<br />
1 fl<br />
3 fl<br />
6 x<br />
40 x<br />
16 x<br />
8 fl 25 x<br />
1 fl 36 x<br />
1 fl<br />
7 fl 30 x<br />
24 fl<br />
59 fl 34 x<br />
207 fl 36 x<br />
zusammen: 267 fl 10 x<br />
Ablach, den 17. Jänner 1856<br />
Johann Mayer, Kaplan<br />
Bürgermeister: Uetz<br />
Gemeinderath: Häberle, Teufel<br />
Heiligenpfleger: Schweikart.<br />
Im Oktober 1873 betrug das Gehalt des Lehrers 403 fl<br />
17 x. Da es laut Verfügung der Königl. Regierung aber<br />
500 fl betragen sollte, mußte die Gemeinde nach anfänglichem<br />
Sträuben den Unterschiedsbetrag von 96 fl 43 x<br />
aus der Gemeindekasse entrichten. Für das Zahlenkönnen<br />
führt das Oberamt Sigmaringen an: „Die Gemeinde sei<br />
schuldenfrei, habe einen Waldbesitz von namhafter<br />
Größe, jeder Bürger sei im Genüsse eines zu 26 fl gewerteten<br />
Bürgernutzens und die Umlagen zu den Gemeindebedürfnissen<br />
betragen im 10jährigen Durchschnitt nur<br />
9x per 100 Gulden Steuerkapital." (Staatsarchiv Sigmaringen.<br />
XI C2 Nr. 166 und Rub. xiv Abt, 2 Nr. 32.)<br />
Wenn man die Stellungsnahmen des Oberamts zu Lehrergehalt<br />
von 1834 und 1873 vergleicht, so kann man sich<br />
über den wirtschaftlichen Aufschwung der Gemeinde nur<br />
wundern. Nach Abtrennung des Mesnerdienstes im Jahre<br />
1894 betrug das Lehrergehalt mit Organistendienst<br />
1001 Mark nebst freier Wohnung und 7 rm Buchen- oder<br />
11 rm Fichtenholz. Später regelte sich das Gehalt des<br />
Lehrers nach den Sätzen der staatlichen Besoldungsordnungen,<br />
und die Gemeinde entrichtete die geforderten<br />
Schulstellenbeiträge.<br />
Anmerkungen:<br />
1 Maria Theresia war es auch, die im Jahre 1770 auf Vorsprechen<br />
einer Deputation von 3 Mann unter Führung des Adlerwirts<br />
von Ablach dem Fürsten Karl Friedrich von Hohenzollern-Sigmaringen<br />
als Lehenshoheit die Auflage machte,<br />
einen Teil des starken Wildbestandes im Faulbronnen (jetzt<br />
Wildpark Josefslust) abzuschießen, und den anderen Teil in<br />
einem mit Planken versehenen Tiergarten zu hegen.<br />
2 Catalogus Personarum Ecclesiaticarum Dioecesis Constantiensis<br />
ad an. 1779 pag. 109 Ablach Parochiae Krauchenwies.<br />
D. Petrus de Alcant. Ignat. Menzinger, Capellan. Curat, ad<br />
S. Annam 6. an.<br />
3 Auf der Diözesan-Synode in Konstanz wurde um 1567 bezüglich<br />
der Schule beschlossen, daß in allen Pfarreien Elementarlehrer<br />
angestellt werden sollen, die im Hauptamte den<br />
Mesnerdienst versahen. Nach Dehner Chronik von Sigmaringendorf.<br />
4 Kallenberg, Die Schulorganisation von 1809 im Fürstentum<br />
Sigmaringen, Hohenz. Jahreshefte, 22. Bd., Jahrgang 1962.<br />
5 Bewerbung des Schulprovisors Joachim Haag von Ablach<br />
um eine Schulstelle.<br />
Hochjürstliche, Hochpreißliche Landesregierung<br />
Nachdem der Unterzeichnete die in voriger Woche abgehaltene<br />
Prüfung der Schulkandidaten erstanden hat, so will er auf<br />
den Fall hin, daß er dabei fähig befunden worden seyn sollte,<br />
der Hochpreißlichen Landesregierung die unterthänigste Bitte<br />
vortragen, ihm zu einer Schulstelle, wo er seine erworbenen<br />
Kenntniße praktisch üben kann, gnädigst beförderlich zu seyn.<br />
Dem Unterzeichneten müßte eine wie immer kärgliche Anstellung<br />
um so erwünschter sein, als er schon 2 Jahre mit Erwerbung<br />
der nötigen Kenntniße im Schulfach zugebracht hatte<br />
und während dieser Zeit ein unnützer Miteßer am Tische seiner<br />
Eltern war, die überdies ein sehr beschwerliches Hauswesen<br />
haben und seiner Unterstützung in der Haus- und Feldarbeit<br />
nur sehr schwer entbehrten. Wäre der Unterzeichnete so<br />
glücklich durch die hohe Gnade Hochpreißlicher Landesregierung<br />
seine armen Eltern von der Last seiner ferneren Verpflegung<br />
und Aufwendung anderer Kosten entheben zu können,<br />
so würde er dankbar nie ermüden, durch stete Vervollkommnung<br />
seiner Kenntniße und durch gute Aufführung in seinem<br />
wichtigen Berufe, soviel möglich nützlich zu werden. In tiefer<br />
Ehrfurcht harrend.<br />
Ablach, den 31. Oktober 1822<br />
Hochpreißlicher Landesregierung unterthänig gehorsamster<br />
Ioachim Haag, Schukandidat.<br />
(Staatsarchiv Sigmaringen, Rubrik Schulsachen, Rep. CII<br />
Nr. 17 F. 217.) Von 1824 bis 1855 war Haag dann Lehrer an<br />
der Volkschule Ablach. Aber der Mensch ist schwach und aus<br />
dem soliden Provisor Haag entwickelte sich dann ein Mann,<br />
der später dem Trünke ergeben war und 1855 seines Schulamtes<br />
enthoben wurde. Seine Pension ergab sich aus dem Unterschiedsbetrag,<br />
der nach Abzug des Gehalts für den nachfolgenden<br />
Provisor (Karl Karle) überig blieb.<br />
Quellen: Schulchronik von Ablach<br />
Gemeindechronik von Ablach<br />
Gemeindearchiv Ablach<br />
Staatsarchiv Sigmaringen<br />
63
Woher kommt „Maria Schray"?<br />
Der Schreiber glaubt, sich dunkel daran erinnern zu<br />
können, daß vor Jahren einmal an dieser Stelle oder in<br />
den „Jahresheften" in irgendeinem Zusammenhang die<br />
Marienkapelle dieses Namens bei Pfullendorf genannt<br />
wurde; danach sollte der Name nichts mit „schreien" zu<br />
tun haben, sondern - Irrtum ist keineswegs ausgeschlossen<br />
- mit irgendeiner Art charakteristischer Abgrenzung<br />
oder Umzäunung eines bestimmten Gebietes, also<br />
um einen Flurnamen, der mit dem sakralen (späteren)<br />
Gehalt der Stätte nichts zu tun hat. Nun berichtet der<br />
„Südkurier" aus gegebenem Anlaß, die Kapelle ist in ihrer<br />
jetzigen Gestalt 500 Jahre alt, ganz anders: danach<br />
soll die Bezeichnung zunächst vom „Verschreien" kommen.<br />
Hierher habe man, bevor es die Kapelle gab, nach<br />
mittelalterlicher Rechtsordnung jene geführt, die verjagt<br />
und für vogelfrei erklärt wurden. Dies sei der Ort der<br />
„scraiata", wo der Richter öffentlich den Spruch verlas,<br />
den Delinquenten also „verschrie", wonach man ihn verjagte.<br />
- Daraus sei dann die Kapelle als Ort des Gebetes<br />
solcher Armen geworden, als Schrei zu Maria. Die<br />
Legende legt zu einer Zeit, als das alte Verschreien offenbar<br />
in Vergessenheit geraten war, den Schrei sogar in<br />
den Mund des dortigen Marienbildes. Das sei unter dreimaligem<br />
Schreien davon und in den Wald geflogen, als<br />
die Kapelle 1632 von den Schweden in Brand geschossen<br />
wurde. - Der Wandel zu diesem doppelten Verständnis<br />
des Schreis entspricht wohl der Wirklichkeit, aber welches<br />
Wort liegt dem eigentlich zugrunde? Und ist es<br />
möglich, daß zufällig die alte Flurbezeichnung ähnlich<br />
lautete wie das richterliche „Schray"? Frick<br />
Buchbesprechung<br />
Hohenzollerische Münzen<br />
Heft 1: Kunsthistorisches Museum, Sammlung von Medaillen,<br />
Münzen und Geldzeichen, Burgring 5, A-1010<br />
Wien.<br />
Heft 2: Staatl. Museen zu Berlin und Staatl. Kunstsammlungen<br />
Dresden.<br />
Beide bearb. v. Karl Werner Steim, Tübingen 1976.<br />
Für die Freunde hohenzollerischer Münzen und Medaillen<br />
hat Karl Werner Steim wertvolle und seltene Prägungen<br />
in den Museen von Wien, Ost-Berlin und Dresden<br />
zusammengetragen und verzeichnet. Es sind darun-<br />
HOHENZOLLERISCHE HEIMAT<br />
herausgegeben vom Hohenzollerischen <strong>Geschichtsverein</strong><br />
in Verbindung mit den Staatlichen<br />
Schulämtern. Verlag: <strong>Hohenzollerischer</strong><br />
<strong>Geschichtsverein</strong> 748 Sigmaringen,<br />
Karlstr. 3. Druck: M. Liehners Hofbuchdruckerei<br />
KG, 748 Sigmaringen, Karlstr. 10.<br />
Die Zeitschrift „Hohenzollerische Heimat'<br />
ist eine heimatkundliche Zeitschrift. Sie<br />
will besonders die Bevölkerung in Hohenzollern<br />
mit der Geschichte ihrer Heimat<br />
vertraut machen. Sie bringt neben fachhistorischen<br />
auch populär gehaltene Beiträge<br />
aus der Geschichte unseres Landes.<br />
Sie veröffentl. bevorzugt Beiträge, die im<br />
Schulunterricht verwendet werden können.<br />
Bezugspreis: 3,00 DM halbjährlich<br />
Konten der „Hohenzollerischen Heimat":<br />
802 507 Hohenz. Landesbank Sigmaringen<br />
123 63 Postscheckamt Stuttgart<br />
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Die Autoren dieser Nummer:<br />
Manfred Hermann, Pfarrer,<br />
7451 Neufra<br />
Johann Adam Kraus, Erzb. Archivar i. R.<br />
Badstraße 2, 7800 Freiburg/Br.<br />
Josef Mühlebach, Landesverw.-Rat a. D.,<br />
Leopoldstraße 41, 7480 Sigmaringen<br />
Dr. med. Herbert Burkarth,<br />
7487 Gammertingen<br />
Johann Wannenmacher, Schulrat i. R.,<br />
Goethestraße, 7487 Gammertingen<br />
Walther Frick, Journalist,<br />
Hohe Tannen, 7480 Sigmaringen<br />
Josef Deschler, Oberlehrer i. R.,<br />
7482 Krauchenwies-Ablach<br />
Schriftleitung:<br />
Dr. med. Herbert Burkarth,<br />
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7400 Tübingen, zu beziehen.<br />
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Redaktionsausschuß:<br />
Hubert Deck, Konrektor<br />
745 Hechingen, Tübinger Straße 28<br />
Telefon (07471) 2937<br />
Walther Frick, Journalist<br />
748 Sigmaringen, Hohe Tannen<br />
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Die mit Namen versehenen Artikel geben<br />
die persönliche Meinung der Verfasser<br />
wieder; diese zeichnen für den Inhalt<br />
der Beiträge verantwortlich. Mitteilungen<br />
der Schriftleitung sind als solche gekennzeichnet.<br />
Manuskripte und Besprechungsexemplare<br />
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oder Redaktionsausschusses erbeten.<br />
Wir bitten unsere Leser, die „Hohenzollerische<br />
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