Gesundheits - Fachstelle für Prävention und Gesundheitsförderung ...
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<strong>Fachstelle</strong> <strong>für</strong><br />
<strong>Prävention</strong> <strong>und</strong><br />
<strong>Ges<strong>und</strong>heits</strong>förderung<br />
im Land Berlin<br />
Die <strong>Fachstelle</strong> <strong>für</strong> <strong>Prävention</strong> <strong>und</strong> <strong>Ges<strong>und</strong>heits</strong>förderung<br />
wird finanziert durch die Senatsverwaltung <strong>für</strong><br />
Ges<strong>und</strong>heit, Umwelt <strong>und</strong> Verbraucherschutz.<br />
Für einen guten <strong>und</strong> ges<strong>und</strong>en<br />
Start ins Leben!<br />
Erfahrungen <strong>und</strong> Initiativen aus<br />
Berliner Bezirken <strong>und</strong> anderen Kommunen
Herausgeber:<br />
<strong>Fachstelle</strong> <strong>für</strong> <strong>Prävention</strong> <strong>und</strong><br />
<strong>Ges<strong>und</strong>heits</strong>förderung im Land Berlin<br />
c/o Ges<strong>und</strong>heit Berlin<br />
Friedrichstraße 231<br />
10969 Berlin<br />
Tel.: 030/ 44 31 90 60<br />
Fax: Tel.: 030/ 44 31 90 63<br />
Email: fachstelle@ges<strong>und</strong>heitberlin.de<br />
Redaktion: Carola Gold, Maren Janella,<br />
Isabell Merchan<br />
Layout: Connye Wolf, www.connye.com<br />
Die Tagung am 20. November 2008 <strong>und</strong> Dokumentation wurde ermöglicht durch:<br />
<strong>Fachstelle</strong> <strong>für</strong><br />
<strong>Prävention</strong> <strong>und</strong><br />
<strong>Ges<strong>und</strong>heits</strong>förderung<br />
im Land Berlin<br />
Die <strong>Fachstelle</strong> <strong>für</strong> <strong>Prävention</strong> <strong>und</strong> <strong>Ges<strong>und</strong>heits</strong>förderung<br />
wird finanziert durch die Senatsverwaltung <strong>für</strong><br />
Ges<strong>und</strong>heit, Umwelt <strong>und</strong> Verbraucherschutz.<br />
Bildnachweise<br />
Titel, S. 14, 19, 20, 23, 30, 39, 41, 46, 52, 53, 54 Stockxchange<br />
S.1 Senatsverwaltung <strong>für</strong> Ges<strong>und</strong>heit, Umwelt <strong>und</strong> Verbraucherschutz<br />
S. 4,19 Nadja Gowinkowski<br />
S. 6, 7 Prof. Raim<strong>und</strong> Geene<br />
S. 9 Franz-Mairinger, www.pixelio.de<br />
S. 12 Melanie Mieske, www.pixelio.de<br />
S. 13 Jutta Burdorf-Schulz<br />
S. 15, 16 Angelika Krebs<br />
S. 17 „BLiQ – Bewegtes Leben im Quartier“<br />
S. 21, 22 Unfallkasse Berlin<br />
S. 23 AOK Berlin<br />
S. 24 Landessportb<strong>und</strong> Berlin<br />
S. 25 Duxschulz, www.pixelio.de<br />
S. 26 Stephanie Hofschlaeger, www.pixelio.de<br />
S. 28,29 Zagg GmbH<br />
S. 32 Rolf van Melis, www.pixelio.de<br />
S. 35 Club Dialog<br />
S. 37, 49 Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg<br />
S. 39 Dr. Johann Böhmann / Klinikum Delmenhorst<br />
S. 42 Bezirksamt Mitte<br />
S. 44 Erysipel, www.pixelio.de<br />
S. 45 Martina Hartmann / REGSAM<br />
S. 47 Dissens e.V.<br />
Die lokalen Aktionsbündnisse<br />
Ges<strong>und</strong>e Lebensstile <strong>und</strong> Lebenswelten<br />
BliQ – Bewegtes Leben im Quartier werden gefördert<br />
im Rahmen des Nationalen Aktionsplans:<br />
„IN FORM – Deutschlands Initiative <strong>für</strong><br />
ges<strong>und</strong>e Ernährung <strong>und</strong> mehr Bewegung“<br />
www.in-form.de.
Für einen guten <strong>und</strong> ges<strong>und</strong>en Start ins Leben! Vorwort<br />
Sehr geehrte Damen <strong>und</strong> Herren,<br />
einen guten <strong>und</strong> ges<strong>und</strong>en Start ins Leben,<br />
das wünschen sich alle Eltern <strong>für</strong> ihre Kinder.<br />
Aber leider wissen wir auch, dass nicht alle<br />
Berliner Kinder wirklich einen optimalen Start<br />
ins Leben haben. Spätestens an Hand der<br />
Daten aus den Schuleingangsuntersuchungen<br />
zeigt sich, dass die Unterschiede hinsichtlich<br />
der ges<strong>und</strong>heitlichen Risiken der Kinder sehr<br />
unterschiedlich verteilt sind. Soziale<br />
Belastungen der Familien wirken sich auch<br />
auf die Ges<strong>und</strong>heit der Kinder aus. Und nicht<br />
alle Familien verfügen über die Kompetenzen<br />
<strong>und</strong> Ressourcen, um Kinder optimal zu fördern<br />
<strong>und</strong> ihnen ein positives <strong>und</strong> aktivierendes<br />
Umfeld von Beginn an zu bieten.<br />
Allen Kindern zu einem guten Start zu verhelfen<br />
ist nicht nur <strong>für</strong> die Mitarbeiter/innen, die<br />
in Kitas, <strong>Ges<strong>und</strong>heits</strong>- <strong>und</strong> Jugendämtern,<br />
Familienzentren, Nachbarschaftsheimen oder<br />
Initiativen tätig sind, eine tägliche Herausforderung,<br />
sondern stellt auch <strong>für</strong> die Berliner<br />
Politik eine zentrale Verantwortung dar.<br />
Wir haben uns in der Landesges<strong>und</strong>heitskonferenz,<br />
der Berliner Plattform zentraler<br />
Akteure des <strong>Ges<strong>und</strong>heits</strong>wesens, auf<br />
<strong>Ges<strong>und</strong>heits</strong>ziele zur Verbesserung der<br />
Ges<strong>und</strong>heit von Kindern bis sechs Jahre<br />
verständigt. Gemeinsam mit allen Partner/innen,<br />
die an der Gestaltung ges<strong>und</strong>er<br />
Lebenswelten von Kindern in Familie, Kita,<br />
Stadtteil <strong>und</strong> Schule beteiligt sind, wollen wir<br />
wirksame Maßnahmen zur Verbesserung des<br />
Ernährungs-, Bewegungsverhaltens <strong>und</strong> der<br />
Sprachfähigkeit umsetzen.<br />
Dabei stehen wir nicht am Anfang. Viele gute<br />
Projekte <strong>und</strong> Initiativen bestehen bereits. Und<br />
die in diesem Band dokumentierten Beiträge<br />
belegen eindrucksvoll, dass es gute <strong>und</strong><br />
erfolgreiche Konzepte gibt. Doch oft fehlt es<br />
noch an Abstimmung <strong>und</strong> Koordinierung,<br />
Partner/innen finden nicht zusammen oder<br />
Mittel zur Umsetzung wichtiger Vorhaben<br />
fehlen. Die Rahmenbedingungen <strong>für</strong><br />
nachhaltige Effekte sind nicht überall gegeben.<br />
Und zum Ringen um Qualität in der <strong>Prävention</strong><br />
gehört auch die Diskussion darüber, wo der<br />
größte Handlungsbedarf besteht <strong>und</strong> was<br />
erfolgreiches Handeln auszeichnet, das diese<br />
Zielgruppen tatsächlich erreicht.<br />
Die <strong>Ges<strong>und</strong>heits</strong>chancen der Kinder werden<br />
maßgeblich durch die Situation im Elternhaus<br />
bestimmt. Starke Kinder brauchen starke <strong>und</strong><br />
kompetente Eltern. Die Phase r<strong>und</strong> um die<br />
Geburt ist eine Zeit, die alle Eltern als großen<br />
Umbruch erleben. Wenn in dieser Phase die<br />
Unterstützung <strong>und</strong> Ansprache der Eltern<br />
gelingt, können wichtige Weichen <strong>für</strong> die<br />
Stärkung der Eltern in ihrer neuen Rolle <strong>und</strong> <strong>für</strong><br />
die Zuversicht in ihre eigene Kompetenz<br />
gestellt werden. Soziale Netzwerke, die Familien<br />
unterstützen, sind eine gute Investition in<br />
die Zukunft der Kinder. Dort wo es starke<br />
soziale Netzwerke gibt oder wo sie neu<br />
entstehen, kann Isolation <strong>und</strong> Überforderung<br />
von Eltern am besten entgegengewirkt<br />
werden.<br />
Ich freue mich daher, dass sich die <strong>Fachstelle</strong><br />
<strong>für</strong> <strong>Prävention</strong> <strong>und</strong> <strong>Ges<strong>und</strong>heits</strong>förderung im<br />
Land Berlin mit ihrer ersten Fachtagung gerade<br />
dieser Frage angenommen hat. Die große<br />
Resonanz, die die Veranstaltung mit über 400<br />
Akteuren aus Kitas, Familienzentren,<br />
<strong>Ges<strong>und</strong>heits</strong>ämtern, Vereinen <strong>und</strong> Initiativen<br />
gef<strong>und</strong>en hat, stimmt mich sehr zuversichtlich.<br />
Große Ziele, auch <strong>Ges<strong>und</strong>heits</strong>ziele, brauchen<br />
viele engagierte Partner/innen. Ich möchte die<br />
Gelegenheit nutzen <strong>und</strong> mich bei allen, die<br />
sich <strong>für</strong> die Ges<strong>und</strong>heit <strong>und</strong> das ges<strong>und</strong>e<br />
Aufwachsen von Kindern einsetzen, bedanken<br />
<strong>und</strong> <strong>für</strong> die weitere Arbeit viel Erfolg<br />
wünschen.<br />
Katrin Lompscher<br />
Senatorin <strong>für</strong> Ges<strong>und</strong>heit, Umwelt <strong>und</strong><br />
Verbraucherschutz<br />
1
2<br />
Kapitel 1 Einleitung<br />
Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .1<br />
Kapitel 1 Einführende Beiträge<br />
Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .3<br />
Kinderges<strong>und</strong>heit – Ein Handlungsfeld kommunaler Politik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .4<br />
Kinderges<strong>und</strong>heit <strong>und</strong> soziale Benachteiligung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .5<br />
Frühkindliche Entwicklung – das Kleinkind in seiner Umwelt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .9<br />
Kapitel 2 Ges<strong>und</strong> aufwachsen<br />
Der Early Excellence Ansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .13<br />
Elternbildung bewegt Kinder – das Prinzip der kleinen Schritte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .15<br />
Lokales Aktionsbündnis: „BLiQ – Bewegtes Leben im Quartier!“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .17<br />
Heiße Töpfe – coole Köche oder Essen lernt man beim Kochen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .19<br />
Entwicklungsförderung in der Kita . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .21<br />
Ges<strong>und</strong>e Kinder – ges<strong>und</strong>e Zukunft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .23<br />
Kleine kommen ganz groß raus – <strong>Ges<strong>und</strong>heits</strong>- <strong>und</strong> Bewegungsförderung <strong>für</strong> Kinder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .24<br />
Fitness <strong>für</strong> Kids . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .26<br />
Kapitel 3 Zugangswege zu Familien mit Migrationshintergr<strong>und</strong><br />
Erfahrungen aus der Arbeit der <strong>Ges<strong>und</strong>heits</strong>multiplikator/innen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .28<br />
Erfahrungen aus der Arbeit des Familienzentrums . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .30<br />
Erfahrungen aus der Arbeit der Kita . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .31<br />
Familien mit arabischem Migrationshintergr<strong>und</strong> . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .32<br />
Familien mit vietnamesischem Migrationshintergr<strong>und</strong> . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .33<br />
Familien mit russischem Migrationshintergr<strong>und</strong> . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .35<br />
Kapitel 4 Netzwerke zur <strong>Ges<strong>und</strong>heits</strong>förderung<br />
Das Netzwerk „R<strong>und</strong> um die Geburt“ in Berlin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .36<br />
Vernetzung von Bewegungsförderung in Delmenhorster Kitas . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .39<br />
Das Marburger <strong>Ges<strong>und</strong>heits</strong>netzwerk „mittendrin“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .41<br />
Das Netzwerk Bewegungsförderung in Berlin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .42<br />
Das Regionale Netzwerk <strong>für</strong> soziale Arbeit München (REGSAM) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .44<br />
Kapitel 5 Bewegung im Stadtteil<br />
Planung von Spiel- <strong>und</strong> Bewegungsflächen im Stadtteil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .46<br />
Nutzung von Bewegungsräumen im Stadtteil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .47<br />
Motive <strong>und</strong> Möglichkeiten von Wohnungsunternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .48<br />
Kiezdetektive – Kinderbeteiligung <strong>für</strong> eine ges<strong>und</strong>e Stadt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .49<br />
KIEZ – Kiezkinder im Labyrinth . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .51<br />
Kapitel 6 Diskussionen der Workshops<br />
Workshop A) Aktiv <strong>und</strong> Bewegt in Kitas, Familienzentren <strong>und</strong> anderen Treffpunkten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .52<br />
Workshop B) Bewegung im Stadtteil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .53<br />
Workshop C) Familien mit Migrationshintergr<strong>und</strong> . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .55<br />
Workshop D) Netzwerke <strong>und</strong> Partner <strong>für</strong> <strong>Prävention</strong> . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .55<br />
Anhang<br />
Teilnehmendenliste . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .57<br />
Tipps zum Weiterlesen
Für einen guten <strong>und</strong> ges<strong>und</strong>en Start ins Leben! Kapitel 1 Einleitung<br />
Vorwort<br />
Kapitel 1<br />
Einführende Beiträge<br />
Kinder <strong>und</strong> Jugendliche aus armen <strong>und</strong> bildungsfernen<br />
Haushalten haben einen schlechteren<br />
<strong>Ges<strong>und</strong>heits</strong>zustand <strong>und</strong> häufiger psychische<br />
Probleme als ihre Altersgenossen aus<br />
einkommensstarken <strong>und</strong> gebildeten Familien.<br />
Um ihre <strong>Ges<strong>und</strong>heits</strong>chancen zu verbessern<br />
bedarf es des Zusammenwirkens von Akteuren<br />
aus dem <strong>Ges<strong>und</strong>heits</strong>-, Sozial-, Stadtentwicklungs-<br />
<strong>und</strong> Bildungsbereich. Insbesondere in<br />
sozial benachteiligten Stadtteilen wurden<br />
zahlreiche Beispiele <strong>für</strong> solch eine erfolgreiche<br />
Zusammenarbeit entwickelt.<br />
Seit 2005 gibt es in Berlin die Landesges<strong>und</strong>heitskonferenz<br />
(LGK), die sich mit der<br />
„Verbesserung der ges<strong>und</strong>heitlichen Lebensbedingungen,<br />
der ges<strong>und</strong>heitlichen Versorgung<br />
<strong>und</strong> der ges<strong>und</strong>heitlichen Lage der<br />
Bevölkerung auf Berliner Ebene“ befasst <strong>und</strong><br />
Empfehlungen <strong>für</strong> politische Initiativen entwickelt.<br />
In einem solchen systemischen Prozess<br />
können Probleme der ges<strong>und</strong>heitlichen<br />
Lage <strong>und</strong> Versorgung der Bevölkerung benannt<br />
<strong>und</strong> entsprechende Lösungsstrategien entwickelt<br />
werden, die eng mit der Politik des<br />
Senats verzahnt sind.<br />
Die Landesges<strong>und</strong>heitskonferenz ist damit<br />
eine wichtige Plattform <strong>für</strong> die Beratung, Planung<br />
<strong>und</strong> Koordinierung von <strong>Ges<strong>und</strong>heits</strong>themen<br />
geworden. So wurde von den Mitgliedern<br />
der Landesges<strong>und</strong>heitskonferenz <strong>Ges<strong>und</strong>heits</strong>ziele<br />
zur Verbesserung der Kinderges<strong>und</strong>heit<br />
erarbeitet <strong>und</strong> beschlossen.<br />
Als zentrales Anliegen hat sich die Landesges<strong>und</strong>heitskonferenz<br />
im Jahr 2007 auf <strong>Ges<strong>und</strong>heits</strong>ziele<br />
zur „Verbesserung von <strong>Ges<strong>und</strong>heits</strong>förderung<br />
<strong>und</strong> <strong>Prävention</strong> <strong>für</strong> die<br />
Zielgruppe der Kinder <strong>und</strong> Jugendlichen mit<br />
besonderem Fokus auf sozial benachteiligte<br />
Gruppen, einschließlich derjenigen mit Migrationshintergr<strong>und</strong><br />
im Land Berlin“ verständigt.<br />
Abgeleitet aus den Ergebnissen der<br />
<strong>Ges<strong>und</strong>heits</strong>berichterstattung Berlin wurden<br />
konkrete Ziele <strong>für</strong> Kinder bis sechs Jahren in<br />
den Handlungsfeldern Ernährung, Bewegung<br />
<strong>und</strong> kognitive Sprachentwicklung vereinbart,<br />
die bis 2011 erreicht sein sollen. Die Ziele<br />
wurde so formuliert, dass Verbesserung in der<br />
Ges<strong>und</strong>heit der Berliner Kinder insbesondere<br />
durch Erfolge bei sozial benachteiligten Kindern<br />
erreicht werden, die im Bezug auf<br />
<strong>Prävention</strong> den größten Unterstützungsbedarf<br />
haben.<br />
Zur Unterstützung der Landesges<strong>und</strong>heitskonferenz<br />
<strong>und</strong> zur fachlichen Begleitung des<br />
<strong>Ges<strong>und</strong>heits</strong>zielprozesses wurde am 01.07.<br />
2008 bei Ges<strong>und</strong>heit Berlin die <strong>Fachstelle</strong> <strong>für</strong><br />
<strong>Prävention</strong> <strong>und</strong> <strong>Ges<strong>und</strong>heits</strong>förderung eingerichtet.<br />
Neben der Geschäftsstellenfunktion <strong>für</strong><br />
die Landesges<strong>und</strong>heitskonferenz nimmt sie<br />
auch Aufgaben im Bereich der Qualitätsentwicklung<br />
<strong>und</strong> Qualifizierung wahr.<br />
Seit seiner Gründung 1993 arbeitet Ges<strong>und</strong>heit<br />
Berlin als Landesarbeitsgemeinschaft <strong>für</strong> <strong>Ges<strong>und</strong>heits</strong>förderung,<br />
an der Stärkung <strong>und</strong><br />
Qualitätsentwicklung der <strong>Ges<strong>und</strong>heits</strong>förderung<br />
in Berlin. Die Einrichtung der <strong>Fachstelle</strong> <strong>für</strong><br />
<strong>Prävention</strong> <strong>und</strong> <strong>Ges<strong>und</strong>heits</strong>förderung eröffnet<br />
nun neue Möglichkeiten dieses Potential einzusetzen.<br />
Die erste Fachtagung der <strong>Fachstelle</strong> <strong>für</strong><br />
<strong>Prävention</strong> <strong>und</strong> <strong>Ges<strong>und</strong>heits</strong>förderung kann als<br />
voller Erfolg gewertet werden. 400 Teilnehmer/innen<br />
aus den unterschiedlichsten Bereichen<br />
der <strong>Ges<strong>und</strong>heits</strong>förderung, der Jugendhilfe,<br />
der Kinderbetreuung, der Arbeit mit<br />
Migrant/innen <strong>und</strong> der Politik haben sich in<br />
acht Workshops zu Möglichkeiten <strong>und</strong> Herausforderungen<br />
eines Aufwachsen in Ges<strong>und</strong>heit<br />
<strong>für</strong> alle Kinder, insbesondere der<br />
<strong>Ges<strong>und</strong>heits</strong>förderung bei sozial benachteiligten<br />
Kindern <strong>und</strong> ihren Familien, verständigt.<br />
Die Ergebnisse zeigen, wie gut es vielerorts<br />
bereits gelungen ist, erfolgreiche Projekte <strong>und</strong><br />
Initiativen zu entwickeln. Diese vielen Projekte<br />
guter Praxis machen deutlich, dass es gelingen<br />
kann allen Kindern einen guten <strong>und</strong> ges<strong>und</strong>en<br />
Start ins Leben zu ermöglichen.<br />
Carola Gold<br />
Geschäftsführerin<br />
Ges<strong>und</strong>heit Berlin<br />
3
4<br />
Kapitel 1 Kinderges<strong>und</strong>heit – Ein Handlungsfeld kommunaler Politik Für einen guten <strong>und</strong> ges<strong>und</strong>en Start ins Leben!<br />
Kinderges<strong>und</strong>heit – Ein Handlungsfeld<br />
kommunaler Politik<br />
Dagmar Pohle, Bezirksbürgermeisterin Marzahn-Hellersdorf<br />
Kinderges<strong>und</strong>heit als ein zentrales Handlungsfeld<br />
auf Berliner Ebene wird seit Jahren<br />
auf Bezirksebene mit unterschiedlichen lokalen<br />
Akteuren problemorientiert diskutiert.<br />
Daraus werden Strategien entwickelt <strong>und</strong><br />
konkrete Maßnahmen abgeleitet.<br />
Beispielhaft hier<strong>für</strong> sind <strong>Ges<strong>und</strong>heits</strong>konferenzen<br />
wie sie z.B. im Oktober 2008 in Friedrichshain-Kreuzberg<br />
zum Thema „Ges<strong>und</strong>e<br />
Kita“ oder in Marzahn-Hellersdorf zum Thema<br />
„Mit Eltern – <strong>für</strong> Kinder“ durchgeführt wurden.<br />
Basierend auf der <strong>Ges<strong>und</strong>heits</strong>konferenz 2006<br />
zur „Bewegungsförderung <strong>für</strong> Kinder <strong>und</strong><br />
Jugendliche in Berlin-Mitte“ hat sich dort ein<br />
bezirkliches Netzwerk zur Bewegungsförderung<br />
gebildet.<br />
<strong>Ges<strong>und</strong>heits</strong>konferenzen auf Landes- <strong>und</strong> Bezirksebene<br />
sind, neben der <strong>Ges<strong>und</strong>heits</strong>- <strong>und</strong><br />
Sozialberichterstattung, eine Möglichkeit zur<br />
Diskussion <strong>und</strong> Definition von <strong>Ges<strong>und</strong>heits</strong>zielen.<br />
So haben in diesem Jahr die Bezirke<br />
Lichtenberg eine Resolution <strong>und</strong> Treptow-<br />
Köpenick <strong>Ges<strong>und</strong>heits</strong>ziele formuliert.<br />
Eine wichtige Schnittstelle zur Diskussion <strong>und</strong><br />
zum Erfahrungsaustausch über Handlungsfelder,<br />
<strong>Ges<strong>und</strong>heits</strong>ziele <strong>und</strong> Maßnahmen<br />
wurde mit der Einrichtung der <strong>Fachstelle</strong> <strong>für</strong><br />
<strong>Prävention</strong> <strong>und</strong> <strong>Ges<strong>und</strong>heits</strong>förderung in Berlin<br />
geschaffen. Dabei kann u.a. auf die positiven<br />
Erfahrungen in der Zusammenarbeit von Bezirken,<br />
Land Berlin <strong>und</strong> Landesarbeitsgemeinschaft<br />
<strong>für</strong> <strong>Ges<strong>und</strong>heits</strong>förderung im Rahmen<br />
des Ges<strong>und</strong>e Städte-Netzwerkes im Regionalverb<strong>und</strong><br />
Ges<strong>und</strong>e Stadt Berlin aufgebaut<br />
werden. Beispielhaft hier<strong>für</strong> sind die Leitlinien<br />
<strong>für</strong> eine ges<strong>und</strong>e Stadt Berlin, die Schwerpunkte<br />
der heutigen Fachtagung als Handlungsfelder<br />
benennen. Dazu gehören etwa:<br />
■ eine präventive <strong>und</strong> ressourcenorientierte<br />
<strong>Ges<strong>und</strong>heits</strong>politik, die die Schaffung <strong>und</strong><br />
Gestaltung ges<strong>und</strong>er Lebenswelten unterstützt<br />
■ der Ausgleich von ungleichen <strong>Ges<strong>und</strong>heits</strong>chancen<br />
(sozialkompensatorisch), der das<br />
ges<strong>und</strong>e Aufwachsen von Kindern maßgeblich<br />
beeinflusst<br />
■ <strong>Ges<strong>und</strong>heits</strong>förderung <strong>und</strong> <strong>Prävention</strong> als<br />
Gemeinschafts- <strong>und</strong> Querschnittsaufgaben<br />
zu verankern.<br />
Rahmenbedingungen <strong>für</strong> gelingende Strategien<br />
zur Kinderges<strong>und</strong>heit im Land Berlin sind<br />
u.a. das Berliner Bildungsprogramm <strong>für</strong> Kitas,<br />
das Schulgesetz <strong>und</strong> das Gesetz über den<br />
öffentlichen <strong>Ges<strong>und</strong>heits</strong>dienst. Die Ausweitung<br />
des erfolgreichen Programms „Gute ges<strong>und</strong>e<br />
Schule“ der Senatsverwaltung <strong>für</strong><br />
Bildung, Wissenschaft <strong>und</strong> Forschung auf den<br />
Kita-Bereich ist ein wesentlicher Beitrag auf<br />
dem Weg zu einer ges<strong>und</strong>heitsförderlichen Kita<br />
<strong>und</strong> unterstützt die Erzieher/innen in ihrer<br />
pädagogischen Arbeit.<br />
<strong>Ges<strong>und</strong>heits</strong>förderung setzt dort an, wo Menschen<br />
wohnen/leben, arbeiten <strong>und</strong> ihre Freizeit<br />
verbringen.<br />
Schwerpunkte der heutigen Fachtagung werden<br />
in diesem Zusammenhang gelingende Ansätze<br />
<strong>für</strong> Kinderges<strong>und</strong>heit in deren Lebenswelten<br />
<strong>und</strong> die Beeinflussung ges<strong>und</strong>er Lebensstile<br />
sein.<br />
Damit kommt den Bezirken eine zentrale Rolle<br />
bei der stadtteilbezogenen/quartiersbezogenen<br />
<strong>Ges<strong>und</strong>heits</strong>förderung <strong>und</strong> <strong>Prävention</strong> zu.<br />
Diese können sie aber nur erfüllen wenn entsprechende<br />
Rahmenbedingungen vorhanden<br />
sind.<br />
Zur Entwicklung <strong>und</strong> Förderung entsprechender<br />
Strukturen <strong>und</strong> Maßnahmen stehen hier<strong>für</strong><br />
auf kommunaler Ebene die Planungs- <strong>und</strong><br />
Koordinierungsstellen Ges<strong>und</strong>heit (Plan- <strong>und</strong><br />
Leitstellen Ges<strong>und</strong>heit <strong>und</strong> Soziales) zur<br />
Verfügung.<br />
Das <strong>Ges<strong>und</strong>heits</strong>amt richtet seine Maßnahmen<br />
sozialkompensatorisch <strong>und</strong> subsidär aus.<br />
Gebiete der Sozialen Stadt erfahren über die<br />
Senatsverwaltung <strong>für</strong> Stadtentwicklung eine<br />
besondere Förderung, um negativen Entwicklungen/Trends<br />
im Quartier entgegenzuwirken.<br />
Eine zentrale Rolle nehmen aber die vielen<br />
Einrichtungen <strong>und</strong> Institutionen mit ihren präventiven<br />
<strong>und</strong> ges<strong>und</strong>heitsförderlichen Angeboten<br />
<strong>und</strong> Projekten ein. Zahlreiche Projekte<br />
zur soziallagenbezogenen <strong>Ges<strong>und</strong>heits</strong>förderung<br />
mit bereits erfolgreichen Ansätzen wurden<br />
entwickelt <strong>und</strong> umgesetzt. Die Verstetigung<br />
<strong>und</strong> Implementierung in die Lebenswelten von<br />
Kindern <strong>und</strong> ihren Familien stellt eine besondere<br />
Herausforderung dar insbesondere nach<br />
Beendigung der Projektförderung.<br />
Unterstützung in der Umsetzung von Maßnahmen<br />
<strong>und</strong> Projekten erfahren die Bezirke z.B.<br />
von Krankenkassen die im Rahmen des § 20<br />
SGB V Maßnahmen zur <strong>Ges<strong>und</strong>heits</strong>förderung<br />
<strong>und</strong> <strong>Prävention</strong> in Settings fördern. Für unseren<br />
Bezirk möchte ich hier beispielhaft die<br />
Unterstützung der BZgA-Aktion „Ich geh’ zur U!<br />
Und du?“ (AOK) <strong>und</strong> des sich entwickelnden<br />
Netzwerkes R<strong>und</strong> um die Geburt (TK) benennen.<br />
Eine weitere Herausforderung sehe ich in der<br />
Erreichbarkeit sozial benachteiligter Familien<br />
<strong>und</strong> Familien mit Migrationshintergr<strong>und</strong>.<br />
■ Wie können Familien in einer bewegungsförderlichen<br />
<strong>und</strong> ernährungsbewussten Alltagsgestaltung<br />
unterstützt werden?<br />
■ Wie kann ein Stadtteil/Kiez so gestaltet werden,<br />
dass er barrierearme Zugangswege <strong>für</strong><br />
Kinder <strong>und</strong> Familien zu einer gemeinsamen<br />
Freizeit ermöglicht?<br />
■ Wo ist es bereits gelungen, Lebensräume<br />
entsprechend zu gestalten?<br />
Diesen Fragen wird auf der heutigen Fachtagung<br />
nachgegangen.<br />
In vier unterschiedlichen Themenbereichen<br />
werden Projekte, Netzwerke <strong>und</strong> Partner/innen<br />
in Impulsbeiträgen ihre Ansätze, Strategien<br />
<strong>und</strong> Maßnahmen zur Diskussion stellen.<br />
Sie sind ein Beispiel <strong>für</strong> das Engagement zur<br />
Kinderges<strong>und</strong>heit in Berlin, den Bezirken <strong>und</strong><br />
im Quartier. Da<strong>für</strong> möchte ich Ihnen allen<br />
danken <strong>und</strong> Sie ermuntern <strong>und</strong> auffordern, sich<br />
auch weiterhin <strong>für</strong> das ges<strong>und</strong>e Aufwachsen<br />
unserer Kinder <strong>und</strong> die Unterstützung ihrer<br />
Familien einzusetzen.<br />
Der <strong>Fachstelle</strong> <strong>für</strong> <strong>Prävention</strong> <strong>und</strong> <strong>Ges<strong>und</strong>heits</strong>förderung<br />
wünsche ich <strong>für</strong> ihre bevorstehenden<br />
Aufgaben viel Erfolg <strong>und</strong> danke ihr<br />
<strong>und</strong> dem Team von Ges<strong>und</strong>heit Berlin e.V. <strong>für</strong><br />
die Ausrichtung dieser Fachtagung.<br />
Kontakt:<br />
Dagmar Pohle<br />
Bezirksamt Marzahn-Hellersdorf<br />
12591 Berlin<br />
Tel.: 030/ 902 932 001<br />
FAX: 030/ 902 932 005<br />
E-Mail: buero.buergermeisterin@ba-mh.<br />
verwalt-berlin.de
Für einen guten <strong>und</strong> ges<strong>und</strong>en Start ins Leben! Kapitel 1 Kinderges<strong>und</strong>heit <strong>und</strong> soziale Benachteiligung<br />
Kinderges<strong>und</strong>heit <strong>und</strong> soziale<br />
Benachteiligung<br />
Professor Dr. Raim<strong>und</strong> Geene, Hochschule Magdeburg-Stendal<br />
Vielen herzlichen Dank, dass ich eingeladen<br />
wurde. Von mir aus zunächst einmal vor allem<br />
herzlichen Glückwunsch, dass es jetzt in Berlin<br />
diese <strong>Fachstelle</strong> <strong>für</strong> <strong>Prävention</strong> <strong>und</strong> <strong>Ges<strong>und</strong>heits</strong>förderung<br />
gibt. Auch in meiner früheren<br />
Tätigkeit bei Ges<strong>und</strong>heit Berlin habe ich mich<br />
da<strong>für</strong> eingesetzt, <strong>und</strong> dass Carola das jetzt hat<br />
verwirklichen können, ist eine tolle Sache. Es<br />
bietet <strong>für</strong> Berlin große Chancen, dass diese<br />
Koordinierungsstelle jetzt aufgebaut wird. Ich<br />
hoffe sehr, dass der heutige Fachtag dazu ein<br />
guter Auftakt ist, <strong>und</strong> ich will versuchen, von<br />
mir aus einen kleinen Beitrag dazu zu leisten.<br />
Ich werde dabei weniger über die biologischen<br />
Fragen reden, sondern mehr über die Frage<br />
sozialer Konstruktion von benachteiligten Kindern<br />
<strong>und</strong> Familien. Dazu werde ich zunächst<br />
über Kinderges<strong>und</strong>heit <strong>und</strong> Kinderarmut sprechen,<br />
den Ansatz der <strong>Ges<strong>und</strong>heits</strong>förderung<br />
vorstellen <strong>und</strong> das abschließend diskutieren.<br />
Gr<strong>und</strong>sätzlich zählt erst einmal dieser Satz:<br />
„Menschen in schwieriger sozialer Lage haben<br />
in jeder Lebenssituation – von der Wiege bis zur<br />
Bahre – ein mindestens doppelt so hohes<br />
Risiko, schwer zu verunfallen, zu erkranken<br />
oder von Gewalt betroffen zu sein“. Kinder in<br />
schwieriger sozialer Lage erleben deutlich<br />
mehr Unfälle, mehr Gewalt. Sie haben mehr<br />
Übergewicht. Sie haben viel mehr mit<br />
Depressionen zu tun. Sie werden häufiger auf<br />
ADS oder ADHS diagnostiziert. Sie sehen<br />
deutlich mehr Fernsehen. Sie haben weniger<br />
Bewegung, haben eine weniger abwechslungsreiche<br />
Ernährung. Die einzige Ausnahme<br />
bilden die Allergien, von denen – aus welchen<br />
Gründen sei an dieser Stelle dahingestellt –<br />
sozial Bessergestellte stärker betroffen sind.<br />
Wie definieren wir soziale Benachteiligung? Ein<br />
Blick in den Berliner Sozialstrukturatlas zeigt<br />
uns, dass alleine der Unterschied, ob ich in<br />
Kreuzberg lebe oder in Zehlendorf, einen<br />
Unterschied in der Lebenserwartung von fünf<br />
Jahren zur Folge hat. Dies betrifft alle Kreuzberger<br />
im Vergleich zu allen Zehlendorfern. Sie<br />
wissen, dass in Kreuzberg sicherlich nicht nur<br />
Benachteiligte leben, in Zehlendorf nicht nur<br />
Bessergestellte. Und dennoch, alleine der Blick<br />
auf die Bezirke zeigt diese weite Spreizung von<br />
fünf Lebensjahren Unterschied. Wenn man die<br />
Spreizung b<strong>und</strong>esweit betrachtet anhand von<br />
Einkommen, dem am häufigsten verwendete<br />
Indikator sozialer Benachteiligung, dann sehen<br />
wir, dass diese noch deutlicher bei Männern<br />
ausfällt. Während Männer aus dem unteren<br />
Einkommensviertel eine durchschnittliche Lebenserwartung<br />
von 72 Jahren haben, haben sie<br />
aus dem oberen Einkommensviertel eine Lebenserwartung<br />
von 82 Jahren, also zehn Jahre<br />
Unterschied in der Lebenserwartung, ob sie zu<br />
den oberen 25 Prozent der Einkommensstarken<br />
zählen oder zu den unteren. Bei Frauen<br />
ist der Unterschied fünf Jahre.<br />
Wie entsteht eigentlich Kinder- <strong>und</strong> Familienarmut?<br />
Deutlich zeigt sich, dass das Armutsrisiko<br />
mit der Zahl der Kinder wächst. Jede<br />
Mutter hat schon mit einem Kind ein deutlich<br />
höheres Armutsrisiko. Es liegt bei 18 Prozent<br />
versus 12 Prozent bei den kinderlosen Frauen.<br />
Mit zwei Kindern liegt das Risiko schon deutlich<br />
über 20 Prozent, mit drei <strong>und</strong> mehr Kindern ist<br />
das Armutsrisiko in Berlin sogar über 50<br />
Prozent. 2008 lebten b<strong>und</strong>esweit insgesamt 1,8<br />
Millionen Kinder unter 15 Jahren in Bedarfsgemeinschaften<br />
nach Hartz IV, die Sozialhilfequote<br />
von Kindern ist fast doppelt so hoch<br />
wie im Bevölkerungsdurchschnitt. In einer<br />
Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung wurde hier<br />
ein sog. „Prekariat“ ausgewiesen, ergänzt um<br />
die sog. „Abgehängten“ <strong>und</strong> die sog. „Autoritätsorientierten“.<br />
Nach der Studie besteht in<br />
Deutschland insgesamt eine Schicht von 15 bis<br />
20 Prozent der Bevölkerung, die nachhaltig <strong>und</strong><br />
langfristig abgehängt sind. Klaus Hurrelmann<br />
spricht hier von den „gefährdeten Kindern“. Die<br />
Größenordnung von 15 bis 20 Prozent der<br />
Bevölkerung, die von dieser Desintegrationsproblematik<br />
betroffen sind, ist in allen Sozialstudien<br />
weitgehend stabil.<br />
Ein früher deutlicher Ausdruck davon liegt im<br />
Problem der Jugendarbeitslosigkeit. Im Januar<br />
2008 waren 423.941 Jugendliche unter 25<br />
Jahren in Deutschland arbeitslos gemeldet. Die<br />
Jugendarbeitslosigkeit <strong>und</strong> die Desintegration<br />
von Jugendlichen ist die Gr<strong>und</strong>lage des<br />
Problems, das sich dann weiter dynamisiert.<br />
Thomas Altgeld hat dies mit dem Begriff der<br />
Armutsspirale belegt, die diesen Teufelskreis<br />
anschaulich darstellt.<br />
Dieser Teufelskreis beginnt mit Mangelerfahrungen.<br />
Junge Eltern stellen fest, weniger zu<br />
haben, <strong>und</strong> beginnen sich da<strong>für</strong> etwas zu<br />
schämen. Diese Scham wird mit einer Vermeidungsstrategie<br />
beantwortet: Man zieht sich zurück<br />
aus sozialen Kontakten, sozialen Netzwerken.<br />
Wir sehen diese Vermeidungsstrategie<br />
u.a. darin, dass sozial Benachteiligte deutlich<br />
größere Hemmungen haben, ihre Kinder in eine<br />
Kita zu geben. Sie haben Sorgen, dass ihr<br />
Mangel, ihr Missstand dort auffällig wird,<br />
innerhalb der Kita, innerhalb des sozialen<br />
Netzes. Je stärker die Vereinsamung in der<br />
frühen Lebensphase des Kindes eintritt, desto<br />
stärker ziehen sich die jungen Eltern auch im<br />
Folgenden zurück. Dieser Rückzug führt im<br />
Weiteren zu stark eingeschränkten Bildungschancen.<br />
Die Kinder sind dann weniger<br />
sprachtüchtig, weniger kommunikationsfähig,<br />
weniger konzentrationsgeübt. Nach der Einschulung<br />
wird ihre soziale Benachteiligung<br />
über Schulnoten quasi „objektiviert“. Benachteiligte<br />
Kinder haben – mit einer Regelmäßigkeit<br />
von weit über 80 Prozent – schlechte<br />
Schulnoten, was wiederum zu dem Problem<br />
der schlechten Einmündung in den Beruf führt,<br />
eben die Jugendarbeitslosigkeit. Allzu oft<br />
mündet dies in eine frühe <strong>und</strong> oft überforderte<br />
Elternschaft. Wir sehen das deutlich bei<br />
Teenagerschwangeren. Auch wenn ihre Anzahl<br />
in Deutschland international vergleichsweise<br />
gering ist, zeigt die Motivforschung, dass diese<br />
sehr jungen Mütter versuchen, mit einer<br />
Mutterschaft dem eigenen Leben einen Sinn<br />
geben zu wollen, eben weil ihre sonstige<br />
Sinnsuche, die gesellschaftliche Teilhabe, so<br />
wenig erfolgreich ist.<br />
Warum ist die Kinder- <strong>und</strong><br />
Familienarmut so groß <strong>und</strong> deutlich<br />
geworden?<br />
Hier müssen wir zunächst das Phänomen betrachten,<br />
dass in der Soziologie „Marginalisierung<br />
der Kindheit“ genannt wird. Die Kinder<br />
werden häufig von einer Stelle zur nächsten<br />
gefahren. „Verinselung“ ist hier ein Stichwort,<br />
das beschreibt, dass Kindheit in einzelnen<br />
„Kinderinseln“ stattfindet, aber nicht mehr im<br />
komplexen Zusammenhang. Und wir haben<br />
dabei einen starken Geburtenrückgang in den<br />
Mittel- <strong>und</strong> Oberschichten. Auch wenn sich im<br />
Moment eine leichte Gegentendenz andeutet,<br />
ist die Größenordnung immer noch sehr stabil,<br />
dass in Mittel- <strong>und</strong> Oberschichten wenige<br />
Kinder geboren werden, aber bei sozial Benachteiligten<br />
eine konstant hohe Geburtenrate<br />
existiert. Unser Blick, der gesellschaftliche<br />
Blick der veröffentlichten Meinung, entfernt<br />
sich von Kindheit.<br />
Wir haben in Deutschland weiterhin das<br />
Problem, dass es eine hohe Unvereinbarkeit<br />
von Familie <strong>und</strong> Beruf gibt, <strong>und</strong> wenn Mütter<br />
beruflich nicht gefordert sind – wir sprechen<br />
von Dequalifizierung durch lange Mutterschaftspausen<br />
– führt das zu geringer Teilhabe,<br />
zu mangelnder Integration in den gesellschaftlichen<br />
Prozess. Wir haben in Anbetracht<br />
dessen, dass Kindheit zunehmend marginalisiert,<br />
einen Unterschied dahingehend, dass die<br />
5
6<br />
Kapitel 1 Kinderges<strong>und</strong>heit <strong>und</strong> soziale Benachteiligung Für einen guten <strong>und</strong> ges<strong>und</strong>en Start ins Leben!<br />
gesellschaftlichen Ressourcen <strong>für</strong> die Kinder<br />
immer dünner werden. Wenn wir also<br />
beispielsweise 1970 in der DDR noch eine<br />
Quote von einem Kind hatten, auf das 2,3<br />
Erwachsene kommen, haben wir jetzt schon<br />
eine Quote von 1:4 <strong>und</strong> erwarten <strong>für</strong> 2020, hier<br />
gerechnet auf Brandenburg, eine Quote von<br />
1:6. Das heißt, auf ein Kind kommen sechs<br />
Erwachsene. Vielleicht stellen wir uns hier im<br />
ersten Moment ein verwöhntes Kind vor, das<br />
glücklich unterm Weihnachtsbaum steht, umringt<br />
von lauter Geschenken der Erwachsenen.<br />
Genauer betrachtet, stellen wir aber fest, dass<br />
die Art der Ressourcenverteilung dadurch zu<br />
Ungunsten der Kinder bestimmt wird: öffentliche<br />
Gelder, öffentliches Bewusstsein, öffentliche<br />
Investitionen richten sich nach quantitativen<br />
Größen. Fließen die Mittel in den<br />
Straßenausbau oder in den Ausbau von Grünflächen,<br />
von Kinderspielplätzen? Je mehr die<br />
Kinder aus dem öffentlichen Bewusstsein<br />
verschwinden, desto weniger gesellschaftliche<br />
Ressourcen werden ihnen eingeräumt.<br />
Seit gut zwanzig Jahren sprechen wir schon von<br />
dem erwachsenenzentrierten Leitbild der Risikogesellschaft,<br />
in der auch sozial Benachteiligte<br />
immer mehr gefordert sind, eine individuelle<br />
Lebensplanung vorzunehmen, selber<br />
ihre eigenen Lebensentwürfe zu managen, eine<br />
hohe zusätzliche Anforderung. Dass dies vielen<br />
Menschen nicht gelingt, zeigt die Entwicklung<br />
der Working Poor, also all jenen, die geringqualifizierte<br />
Minijobs machen, <strong>und</strong> vielfach von<br />
einem oder auch zwei Minijobs leben müssen.<br />
Diese Menschen, zumeist Frauen, arbeiten hart<br />
<strong>und</strong> sind trotzdem – das Phänomen kennen wir<br />
aus den USA schon seit Jahren – weitgehend<br />
isoliert <strong>und</strong> verarmt.<br />
Es gibt eine weitere Problematik der intergenerativen<br />
Brüche. Die benachteiligten jungen<br />
Familien haben zunehmend weniger mit den<br />
Omas <strong>und</strong> Großmüttern zu tun. Insbesondere<br />
bei sozial Benachteiligten gibt es starke<br />
Verständigungsprobleme zwischen den er-<br />
wachsenen Generationen. Die Jüngeren fühlen<br />
sich von den Älteren nicht mehr verstanden,<br />
<strong>und</strong> es fehlt ihnen an emotionaler <strong>und</strong><br />
materieller Unterstützung der Lebenserfahrungen.<br />
Im Westen Deutschlands werden diese<br />
intergenerativen Brüche schon seit Ende der<br />
60er Jahre beklagt, ausgedrückt im Generationenkonflikt<br />
um 1968. Dieses ursprünglich<br />
westdeutsche Problem gleicht sich im Osten<br />
Deutschlands zunehmend an. Bei den Benachteiligten<br />
fehlt im Übrigen ein Faktor, der in<br />
den Mittel- <strong>und</strong> Oberschichten sehr relevant<br />
ist: In der emotionalen <strong>und</strong> materiellen Belastungsphase<br />
der Familiengründung sind junge<br />
Eltern besonders auf Starthilfe, auf emotionale<br />
<strong>und</strong> finanzielle Unterstützung durch die<br />
eigenen Eltern angewiesen. Gerade der Generationentransfer<br />
durch – oft vorgezogene – Erbschaften,<br />
der in den Mittel- <strong>und</strong> Oberschichten<br />
so wichtig ist, fehlt den Unterschichten <strong>und</strong><br />
führt auf besondere Weise zur Isolation.<br />
Gewalt <strong>und</strong> Verwahrlosung nehmen entgegen<br />
landläufiger Ansicht nicht zu, werden aber<br />
öffentlich wesentlich stärker wahrgenommen.<br />
Wir haben hier eine erhöhte Sensibilität<br />
gegenüber Gewalt <strong>und</strong> Verwahrlosung, wenngleich<br />
– oder vielleicht auch weil – die Zahlen<br />
rückläufig sind. Seit etwa 30 Jahren ist Gewalt<br />
<strong>und</strong> Verwahrlosung innerhalb aller Familien<br />
<strong>und</strong> auch außerhalb der Familien konstant<br />
rückläufig. Aber in dem Maße, in dem die<br />
Gesellschaft Gewalt verdrängt, in dem Maße ist<br />
sie auch sensibilisiert da<strong>für</strong>, wo Gewaltproblematiken<br />
bestehen, wird stark reagiert, zum<br />
Teil vielleicht auch überreagiert.<br />
Ich habe die Problematik von Bildungsungleichheit<br />
schon angesprochen. Die Schule<br />
verfolgt zwar theoretisch das Ziel, Egalität<br />
herbeizuführen. Nichts kann – könnte – Benachteiligung<br />
so gut ausgleichen wie Bildung.<br />
Tatsächlich wirkt sich diese Egalisierungsfunktion<br />
der Bildung aber eher gering aus,<br />
während die Selektionsfunktion immer stärker<br />
hervortritt. Durch schlechte Schulnoten wird<br />
die soziale Ungleichheit scheinbar verobjektiviert,<br />
<strong>und</strong> im Weiteren wird die schulische<br />
Ungleichheit dann zu einem weiteren Stressfaktor<br />
<strong>für</strong> die Benachteiligten.<br />
Zusammengefasst zeigt sich, dass Benachteiligte<br />
durch wenig Geld <strong>und</strong> geringe Teilhabe<br />
schlechte Chancen haben. Das führt häufig zu<br />
Defiziten in der Tagesstrukturierung <strong>und</strong> negativen<br />
Bildungskarrieren. Wir haben häufig<br />
bei benachteiligten Gruppen einen Mangel an<br />
positiver Identifikation <strong>und</strong> Defizite in der<br />
Kommunikationsfähigkeit, insbesondere bei<br />
der Kommunikation mit uns, mit der bildungsbürgerlichen<br />
Gesellschaft. Wir haben insgesamt<br />
einen Ressourcenmangel, aber wir haben<br />
auch in dieser Benachteiligungssituation eine<br />
ganze Reihe eigener Sublogiken <strong>und</strong><br />
Subsystemen, die <strong>für</strong> uns zunächst – oft –<br />
schwer verständlich sind. Es geht da nämlich<br />
um sehr viele verschiedene Realitäten. Das,<br />
was wir hier als Benachteiligung subsumieren,<br />
wird von den Benachteiligten selbst nicht als<br />
Gemeinsamkeit empf<strong>und</strong>en oder erlebt. So<br />
empfinden sich Migrant/innen nicht als eine<br />
gemeinsame Gruppe, sondern haben ganz<br />
eigene Selbstbilder <strong>und</strong> Realitäten. Die Fremdbilder<br />
zu Migrant/innen, die im öffentlichen<br />
Bewusstsein sind, decken sich oft nicht mit<br />
ihren eigenen.<br />
Wenn wir es soziologisch betrachten, können<br />
wir eine grobe Unterteilung in zwei verschiedene<br />
quasi „Hauptbetroffenengruppen“<br />
konstatieren. Da haben wir auf der einen Seite<br />
die vor allem herkunftsdeutschen Multiproblemfamilien,<br />
die eine sehr hohe Desintegrationsproblematik<br />
aufweisen, <strong>und</strong> zum Zweiten<br />
haben wir die Familien mit Migrationshintergr<strong>und</strong>,<br />
die zum großen Teil innerhalb ihrer<br />
sozialen Gruppen gut integriert <strong>und</strong> sozial<br />
eingeb<strong>und</strong>en sind, aber in der gesellschaftlichen<br />
Teilhabe stark benachteiligt sind. Wir<br />
müssen dabei aber immer unterscheiden: Was<br />
ist bei diesen Gruppen eigentlich das Differente,<br />
das Unterschiedliche, <strong>und</strong> wo ist<br />
wirklich Defizitäres? Mit dem Begriff der<br />
sozialen Benachteiligung erklären wir alles <strong>für</strong><br />
defizitär, wie es sich durch das Wort von der<br />
Sozialkompensatorik quasi selbstverräterisch<br />
ausdrückt.<br />
Unser Blick beispielsweise auf ihr Bewegungs<strong>und</strong><br />
Ernährungsverhalten geht von unseren<br />
Wertesystemen aus, <strong>und</strong> wird von den Benachteiligten<br />
nicht so wahrgenommen. Es ist<br />
im engeren Sinne gar nicht ihr Problem, sondern<br />
eher unser Problem, dass wir ihnen<br />
oktroyieren. Wir bemühen uns darum, dass<br />
Benachteiligungssituationen durch Emanzipation<br />
<strong>und</strong> Selbstorganisation bearbeitet werden,<br />
also dass sich Migrant/innen zusammenfinden<br />
<strong>und</strong> sich gegenseitig stützen. Wir müssen aber<br />
zum Teil feststellen, dass es durch geringe<br />
Ressourcen <strong>und</strong> wenig Selbstwirksamkeitserfahrungen,<br />
die wir diesen Menschen ermöglichen,<br />
sehr schwer ist <strong>für</strong> sie, Zugang zu<br />
Emanzipation <strong>und</strong> Selbstorganisation zu
Für einen guten <strong>und</strong> ges<strong>und</strong>en Start ins Leben! Kapitel 1 Kinderges<strong>und</strong>heit <strong>und</strong> soziale Benachteiligung<br />
finden. Der durchaus selbstkritische Begriff der<br />
Zwangsbeglückung trifft diese Problematik: Wir<br />
können die Menschen gar nicht zwangsbeglücken.<br />
Wir müssen umgekehrt sagen: Wir<br />
müssen ihre Lebensrealitäten verstehen <strong>und</strong><br />
auch aufgreifen. Wir müssen ihren Habitus<br />
verstehen <strong>und</strong> auch <strong>für</strong> ihre speziellen Arten<br />
der Bewältigung <strong>und</strong> der Umgehensweise eine<br />
positive Haltung, eine Empathie finden. Und<br />
wenn wir versuchen, so eine Habitusentwicklung<br />
positiv zu beeinflussen, dann nähern<br />
wir uns dem Konzept des Diversity-Ansatzes,<br />
der einen wertschätzenden Bezug zur Lebenslage<br />
ausdrückt <strong>und</strong> immer auch eine Gleichzeitigkeit<br />
der drei Sozialisationsinstanzen<br />
Familie – Kita/Schule – Sozialarbeit. Kitas <strong>und</strong><br />
Schulen als zweite Sozialisationsinstanz haben<br />
die Aufgabe, die Erziehung der primären<br />
Sozialisationsinstanz Familie zu unterstützen.<br />
Kita, Schule <strong>und</strong> Sozialarbeit können aber<br />
letztlich nichts kompensieren, was im Elternhaus<br />
fehlt oder nicht da ist, denn jedes Kind ist<br />
zunächst <strong>und</strong> vor allem Teil der eigenen Familie.<br />
Wir können nur versuchen, den Eltern<br />
Vorschläge, Anregungen zu unterbreiten, ihnen<br />
dabei zu helfen, ihr eigenes Erziehungskonzept<br />
zu finden, zurückzufinden zu dem, was hier als<br />
intuitive Erziehungskompetenz bezeichnet<br />
wurde. Je stärker wir im Konflikt mit den Eltern<br />
arbeiten, desto mehr zertrampeln wir die<br />
intuitive Erziehungskompetenz der Eltern, was<br />
den Kindern nicht hilft, sondern sie massiv<br />
weiter belastet.<br />
Politische Strategien der<br />
<strong>Ges<strong>und</strong>heits</strong>förderung<br />
Nach der Ottawa-Charta, der Magna Charta der<br />
<strong>Ges<strong>und</strong>heits</strong>förderung von 1986, soll <strong>Ges<strong>und</strong>heits</strong>förderung<br />
die Menschen anwaltschaftlich<br />
vertreten (advocate), sie befähigen (enable)<br />
<strong>und</strong> ihnen Gemeinschaftsaktionen vermitteln<br />
(mediate). An uns als Mitarbeiter/innen der<br />
Sozial- <strong>und</strong> <strong>Ges<strong>und</strong>heits</strong>dienste wird die<br />
Aufgabe gestellt, Gemeinschaftsaktionen zu<br />
fördern, Menschen zu empowern, ges<strong>und</strong>e<br />
Lebenswelten zu organisieren <strong>und</strong> <strong>für</strong> eine<br />
ges<strong>und</strong>heitsfördernde Gesamtpolitik zu wirken.<br />
Die Ottawa-Charta orientiert strikt auf<br />
Soziallagenbezug. Auch im 5. Sozialgesetzbuch<br />
wird die <strong>Ges<strong>und</strong>heits</strong>förderung <strong>und</strong><br />
<strong>Prävention</strong> darauf verpflichtet, insbesondere<br />
zur Verringerung sozial bedingter Ungleichheit<br />
von <strong>Ges<strong>und</strong>heits</strong>chancen zu wirken.<br />
Soziallagenorientierung kennt vor allem drei<br />
verschiedene Strategien:<br />
■ den Setting-Ansatz, der auf ges<strong>und</strong>e Lebenswelten<br />
(Betriebe, Kitas, Schulen) abzielt<br />
■ den Sozialraum-Ansatz, manifest durch das<br />
B<strong>und</strong>-Länder-Programm „Soziale Stadt“ <strong>und</strong><br />
abzielend auf Restrukturierung von Wohngebieten,<br />
die sozial besonders belastet sind<br />
■ <strong>und</strong> den Gemeinwesen- bzw. Community-<br />
Ansatz, der in Deutschland augenblicklich<br />
etwas verkümmert ist.<br />
Ich werde versuchen, diese Strategien jetzt ein<br />
bisschen genauer darzustellen. Der Setting-<br />
Ansatz mit der Lebensweltorientierung kommt<br />
in Deutschland aus der betrieblichen <strong>Ges<strong>und</strong>heits</strong>förderung.<br />
Das Ziel des Setting-Ansatzes<br />
ist es, dass man Institutionen wie z.B. die<br />
Betriebe selber ges<strong>und</strong>heitsförderlich ausrichtet.<br />
Mit Hilfe von Organisationsentwicklung<br />
sollen Lebenswelten so gestaltet werden, dass<br />
Ges<strong>und</strong>heit zum Besten der Organisation<br />
beiträgt: „Make the healthier way the easier<br />
choice“ charakterisiert diesen Ansatz der<br />
verhältnisgestützten Verhaltensprävention,<br />
also Verhältnisse zu schaffen, in denen die<br />
gesündere Möglichkeit die leichtere Wahl<br />
bietet. Das Konzept der Betrieblichen <strong>Ges<strong>und</strong>heits</strong>förderung<br />
wurde in den letzten<br />
Jahren erfolgreich auf Schulen übertragen, die<br />
sich ebenfalls an Ges<strong>und</strong>heit ausrichten. Auch<br />
in Kitas ist es vielfach gelungen, <strong>Ges<strong>und</strong>heits</strong>förderung<br />
zum Leitbild der pädagogischen<br />
Arbeit <strong>und</strong> der Zusammenarbeit von Eltern,<br />
Kindern <strong>und</strong> Erzieher/innen aufzuwerten.<br />
Dieser Setting-Ansatz fokussiert auf die Rahmenbedingungen,<br />
unter denen die Menschen<br />
leben, arbeiten <strong>und</strong> lernen. Damit ist ein<br />
Politik- <strong>und</strong> Strategiewechsel innerhalb dieser<br />
Einrichtungen verb<strong>und</strong>en. Alle sollen partizipieren,<br />
auch <strong>und</strong> gerade die Kinder. <strong>Ges<strong>und</strong>heits</strong>förderung<br />
soll dabei nicht nur als Einzelprojekte<br />
umgesetzt werden, sondern integriert<br />
sein in die täglichen Aktivitäten. Dabei<br />
sind alle gleichermaßen gemeint, die Erzieher/innen<br />
ebenso wie die Eltern, die Kinder<br />
ebenso wie die Hauswirtschaft <strong>und</strong> die Reinigungskräfte.<br />
Alle Beteiligten sollen gemeinsam<br />
die Qualität <strong>für</strong> das Setting entwickeln.<br />
Der zweite Ansatz der Sozialraumorientierung<br />
ist insbesondere durch das B<strong>und</strong>-Länder-<br />
Programm „Soziale Stadt“ breit bekannt geworden<br />
<strong>und</strong> hier außerordentlich erfolgreich –<br />
die solcherart bearbeiteten Stadtteile stabilisieren<br />
sich nachhaltig. Es geht gegen eine<br />
Ghettoisierung, gegen ein „Abrutschen“ von<br />
Stadtteilen. Man versucht, Stakeholder zu<br />
identifizieren, also solche Menschen, die den<br />
Stadtteil stark machen können <strong>und</strong> lokale<br />
Aktivitäten initiieren. Letztlich sollen die<br />
Rahmenbedingungen des Stadtteiles nachhaltig<br />
verbessert werden. Es wird zielgerichtet<br />
in die räumliche Struktur investiert.<br />
Zum Dritten gibt es, wenngleich etwas verkümmert,<br />
den Community-Ansatz, der so beispielhaft<br />
in der AIDS-<strong>Prävention</strong> herausgearbeitet<br />
werden konnte. AIDS war in den 80er<br />
Jahren eine neue Krankheit, <strong>und</strong> es gab eine<br />
bürgerrechtlich höchst brisante Gr<strong>und</strong>satzfrage:<br />
Soll man HIV-Positive gesamtgesellschaftlich<br />
identifizieren <strong>und</strong> isolieren, um die<br />
weitere Ausbreitung zu verhindern (sog.<br />
Suchstrategie), oder kann man eine gesellschaftliche<br />
Lernstrategie entwickeln, mit der<br />
auf das Verantwortungsbewusstsein der Einzelnen<br />
<strong>und</strong> der Gesellschaft gesetzt wird, um<br />
eine Verbreitung der Infektionen soweit wie<br />
möglich einzugrenzen? Für Letzteres hat man<br />
sich parteiübergreifend entschieden. Hier wurde<br />
Diskriminierung abgebaut, um ges<strong>und</strong>heitlich<br />
riskantes Verhalten zu prävenieren. Für<br />
die damals stark marginalisierte Gruppe der<br />
schwulen Männer, zumeist noch sexuell anonym<br />
lebend, wurden offene Kommunikationsräume<br />
geschaffen <strong>und</strong> gefördert, um ihr<br />
Selbstbewusstsein zu stärken <strong>und</strong> um ihnen<br />
überhaupt eine Möglichkeit zu geben, sich zu<br />
artikulieren <strong>und</strong> die <strong>Ges<strong>und</strong>heits</strong>botschaft als<br />
eigene anzuerkennen. Die heute erfolgreiche<br />
Szenezeitschrift „Siegessäule“ ist im Zuge der<br />
AIDS-<strong>Prävention</strong> erstmals als AIDS-<strong>Ges<strong>und</strong>heits</strong>projekt<br />
herausgegeben worden, damit es<br />
überhaupt eine Zeitung gibt, in der die<br />
Schwulen miteinander offen kommunizieren<br />
<strong>und</strong> um diese Struktur <strong>und</strong> Diskussion zu<br />
öffnen <strong>und</strong> öffentlich zu machen. Tatsächlich<br />
war <strong>und</strong> ist das eine sehr erfolgreiche<br />
Strategie, die neben der Eindämmung der<br />
7
8<br />
Kapitel 1 Kinderges<strong>und</strong>heit <strong>und</strong> soziale Benachteiligung Für einen guten <strong>und</strong> ges<strong>und</strong>en Start ins Leben!<br />
Infektionszahlen auch dazu geführt hat, dass<br />
Schwulsein heute selbstverständlich im öffentlichen<br />
Leben ist <strong>und</strong> dass es innerhalb der<br />
schwulen Szene keine Probleme mehr gibt,<br />
über AIDS offen zu kommunizieren.<br />
Wenn wir diese Strategie der Community-<br />
Orientierung jetzt auf andere Gruppen beziehen,<br />
dann müssen wir uns vor allem auf die<br />
Gruppen beziehen, die in dem Allgemeinen<br />
Gleichstellungsgesetz (AGG) explizit erwähnt<br />
sind. Kurioserweise taucht dort als erster<br />
Begriff auch „Rasse“ oder „ethnische Herkunft“<br />
auf, also dass Menschen nicht nach<br />
Rasse oder ethnischer Herkunft diskriminiert<br />
werden dürfen. Die weiteren, vom AGG<br />
geschützten Lebenswelten <strong>und</strong> Lebensweisen,<br />
beziehen sich auf Religion <strong>und</strong> Weltanschauung,<br />
Geschlecht, Behinderung sowie auf<br />
Alter <strong>und</strong> sexuelle Identität. All diese Lebensbedingungen<br />
kennzeichnen soziale Ansätze,<br />
die nach dem Gesetz als besonders diskriminierungsgefährdet<br />
gelten. Sie haben aber<br />
umgekehrt auch besonders hohe Potenziale<br />
zur Community-Organisation.<br />
Schon vor Jahrh<strong>und</strong>erten ist dieses Prinzip<br />
angewendet worden, verwiesen sei hier auf die<br />
Bewegung von Turnvater Jahn, der schon vor<br />
200 Jahren in der Berliner Hasenheide Gymnastikübungen<br />
machte <strong>und</strong> damit eine große<br />
Jugendsportbewegung auslöste. Auch die<br />
Trimm-dich-Aktion des Deutschen Sportb<strong>und</strong>es<br />
seit 1974 orientierte auf diese Art der<br />
sozialen Bewegung. Bewegung ist dabei<br />
durchaus im doppelten Sinne zu sehen, hier<br />
nämlich auch unter dem ges<strong>und</strong>heitlichen<br />
Aspekt der körperlichen Bewegung. Den<br />
Kampagnen kann der Erfolg bescheinigt werden,<br />
Jugendliche zu einer eigenen Community<br />
animiert zu haben, die es vorher so nicht gab.<br />
Soweit einige Beispiele aus diesem Bereich der<br />
Community-Orientierung, die ich jetzt kurz<br />
noch einmal gegeneinander stellen möchte.<br />
Bei der Lebensweltorientierung mit den positiven<br />
Aspekten der Organisationsentwicklung<br />
<strong>und</strong> des diskriminierungsfreien Zugangs zeigt<br />
sich die Grenze, dass es bei den Beteiligten<br />
Ungleichheiten gibt. Zum Beispiel gelingt es<br />
regelmäßig kaum, Eltern angemessen einzubeziehen<br />
– im Vordergr<strong>und</strong> steht eben die<br />
Zielgröße der Organisation. Auch in der Sozialraumorientierung<br />
haben wir einen breiten<br />
Zugang über die Stadtteilentwicklung. Wir können<br />
gezielt auf die benachteiligten Wohnviertel<br />
fokussieren. Wir haben aber ein gewisses<br />
Problem damit, dass der Stadtteil die Zielgröße<br />
ist, nicht die einzelnen Menschen. Segregationsprobleme,<br />
d.h. dass Menschen abwandern<br />
oder auch verdrängt werden, können wir<br />
nicht ganz beseitigen – es entspricht auch nicht<br />
dem Kernziel des Soziale Stadt-Programms. In<br />
der Community-Orientierung haben wir hier<br />
einen großen Vorteil dahingehend, dass Stärken,<br />
Identität <strong>und</strong> gruppenbezogene Lernprozesse<br />
gefördert werden. Hier kann eine<br />
besondere Dynamik entstehen, die sich jetzt<br />
schon in einer eigenen, neuen Ästhetik vormals<br />
sozial benachteiligter Bevölkerungsgruppen<br />
ausdrückt. Die Erfolgsgeschichte der schwulen<br />
Bewegung verlief bereits nach einem ähnlichen<br />
Muster, das sich aktuell in der Karriere Barack<br />
Obamas zeigt. Der US-Präsident steht <strong>für</strong> die<br />
vormals stark marginalisierte Gruppe der<br />
Afroamerikaner <strong>und</strong> bietet jetzt ein besonders<br />
positives Identifikationsbild, was besonders<br />
bemerkenswert erscheint dadurch, dass seine<br />
Karriere als Streetworker in den Armenvierteln<br />
Chicagos begann. Er steht <strong>für</strong> das Phänomen,<br />
dass das, was vorher als bedrohlich <strong>und</strong><br />
negativ galt, jetzt als besonders interessant<br />
<strong>und</strong> tiefsinnig gilt.<br />
Eine moralische Schwierigkeit in der Community-Orientierung<br />
besteht darin, dass eine<br />
solche Ästhetisierung möglicherweise auch<br />
mitunter alte <strong>und</strong> tradierte Strukturen legitimiert.<br />
Es verlangt der Mehrheitsgesellschaft<br />
erhebliche Toleranz ab zu akzeptieren, wenn<br />
beispielsweise türkische Eltern ihre Töchter<br />
nicht zum Schwimmunterricht zulassen möchten.<br />
Ich möchte meine theoretische Erörterung der<br />
Soziallagenorientierung hier erstmal beenden,<br />
hoffend, dass wir diese wichtige Frage an<br />
anderer Stelle noch einmal vertiefen können.<br />
Es sei mir allerdings noch ein kurzer Exkurs<br />
erlaubt, an Hand von Praxisbeispielen darzustellen,<br />
dass die von mir hier skizzierte Haltung<br />
sich sehr praktisch ausdrücken kann. Ges<strong>und</strong>heit<br />
Berlin e.V. hat bereits mehrere<br />
Projekte durchgeführt <strong>und</strong> Initiativen angestoßen,<br />
die die Vielfältigkeit der Soziallagenorientierung<br />
schon antizipiert haben. Beispielhaft<br />
steht hier<strong>für</strong> das Projekt „Mütter als<br />
<strong>Ges<strong>und</strong>heits</strong>managerinnen ihrer Familien“ in<br />
Berlin-Wedding. Hier haben Frauen mit Migrationshintergr<strong>und</strong>,<br />
allesamt Hartz IV-Bezieherinnen<br />
<strong>und</strong> weitgehend von institutionalisierter<br />
Teilhabe ausgeschlossen, türkische Kochrezepte<br />
muttersprachlich zusammen getragen.<br />
Viele von Ihnen kennen das Projekt bereits,<br />
weil es Pate stand <strong>für</strong> zahlreiche Aktivitäten<br />
anderer Träger im Ernährungsbereich, mehrfach<br />
im türkischen Fernsehen TD1 dargestellt<br />
<strong>und</strong> auch häufig in Broschüren der <strong>Ges<strong>und</strong>heits</strong>förderung<br />
publiziert wurde. Bemerkenswert<br />
war hier, dass diese so stark benachteiligten<br />
Frauen gar nicht mit <strong>Ges<strong>und</strong>heits</strong>botschaften<br />
„beschult“ werden wollten, sondern<br />
vielmehr ihrerseits ihre eigenen Hinweise<br />
weiterverbreiten <strong>und</strong> mit ihren eigenen Rezepten<br />
<strong>für</strong> eine ges<strong>und</strong>e Küche arbeiten wollten.<br />
Sie waren nicht an Belehrung interessiert,<br />
sondern wollten sich eher selbst organisieren,<br />
um es anderen zu erzählen. Sie wollten nicht<br />
lernen, sondern lehren. Was wir heute auch als<br />
Zielgrößen moderner Pädagogik konstatieren –<br />
die Kinder wollen ihrer Neugier nachgehen, um<br />
anderen davon zu erzählen – haben die Frauen<br />
wie selbstverständlich, unbekümmert <strong>und</strong><br />
selbstbewusst umgesetzt.<br />
Vielfach vorgestellt, diskutiert <strong>und</strong> nachgeahmt<br />
wurde auch das ursprünglich aus Marzahn<br />
stammende Modellprojekt „Kiezdetektive“, in<br />
dem Schüler/innen ihr Wohnumfeld durchsuchen<br />
<strong>und</strong> dabei Schätze <strong>und</strong> Probleme<br />
identifizieren. Sie diskutieren ihre Ergebnisse<br />
mit der Politik <strong>und</strong> wirken im Folgenden selber<br />
aktiv <strong>und</strong> partizipativ an der Umsetzung mit.<br />
Das ist ein sehr schönes Projekt, mit dem<br />
Schüler/innen durch Selbstwirksamkeitserfahrungen<br />
gestärkt werden.<br />
Auch ein Modellprojekt von Ges<strong>und</strong>heit Berlin<br />
zur Ernährungssituation von Kindern am Kottbusser<br />
Tor zielte auf solche Selbstwirksamkeitserfahrungen<br />
ab. Im Zuge einer aktivierenden<br />
Befragung berichteten Kinder <strong>und</strong><br />
Jugendliche über ihre Bedürfnisse <strong>und</strong> Wünsche.<br />
Im Ergebnis entstand daraus ein Konzept<br />
<strong>für</strong> die Einrichtung von einer Schulkantine, die<br />
mit allen Beteiligten abgestimmt <strong>und</strong> gemeinsam<br />
umgesetzt wurde.<br />
Mit meinem Beitrag wollte ich soziale Benachteiligung<br />
darstellen, ohne in dem verbreiteten<br />
Opfer- <strong>und</strong> Beschützerblick zu verharren.<br />
Wichtig erscheint mir hier eine genaue Differenzierung,<br />
ausgehend von den eigenen Vorstellungen<br />
der Zielgruppen. Hier stehen wir<br />
immer wieder vor der Quadratur des Kreises<br />
zwischen anerkennender Unterstützung auf<br />
der einen Seite <strong>und</strong> der Kontrollaufforderung<br />
auf der anderen Seite. Ich plädiere hier entschieden<br />
<strong>für</strong> eine empathische, anerkennende<br />
Unterstützung der oft schwierigen – oder nur<br />
aus unserer Sicht schwierig anmutenden<br />
Lebenssituation. Das Diversity-Management<br />
mit dem Konzept der interkulturellen Öffnung<br />
hält da<strong>für</strong> ein Methoden-Repertoire bereit,<br />
aufbauend auf dem wichtigen Gr<strong>und</strong>satz, dass<br />
es um die gleichschrittige Entwicklung der<br />
Sozialisationsinstanzen geht: Die Kita, die<br />
Schule <strong>und</strong> die Sozialarbeit müssen den Eltern<br />
helfen, ihre eigene Erziehungskompetenz zu<br />
stärken. Mit dem Konzept der Kita als Familienzentrum<br />
wird das ja bereits flächendeckend<br />
verfolgt.<br />
Die <strong>Ges<strong>und</strong>heits</strong>förderung hat hier keine normierende<br />
Funktion, sondern eine dienende. Wir<br />
müssen uns bewusst machen, dass die Frage,<br />
wie unsere Leistungen in Anspruch genommen<br />
werden, kein Zugangsproblem ist, sondern<br />
davon abhängig ist, ob unsere Leistungen<br />
richtig ausgerichtet <strong>und</strong> angeboten sind, damit<br />
sie die Menschen auch wirklich erreichen <strong>und</strong><br />
ihnen helfen.<br />
Vielen Dank <strong>für</strong> Ihre Aufmerksamkeit!<br />
Kontakt:<br />
Professor Dr. Raim<strong>und</strong> Geene<br />
Hochschule Magdeburg-Stendal<br />
Osterburger Straße 25<br />
39576 Stendal<br />
Tel.: 03931/ 218 748 66<br />
E-Mail: raim<strong>und</strong>.geene@hs-magdeburg.de
Für einen guten <strong>und</strong> ges<strong>und</strong>en Start ins Leben! Kapitel 1 Frühkindliche Entwicklung – das Kleinkind in seiner Umwelt<br />
Frühkindliche Entwicklung – das Kleinkind in<br />
seiner Umwelt<br />
Professorin Dr. Hellgard Rauh, Universität Potsdam<br />
1. Ausgangslage:<br />
<strong>Ges<strong>und</strong>heits</strong>zustand<br />
In der Geschichte der Menschheit war die<br />
Säuglings- <strong>und</strong> Kindersterblichkeit noch nie so<br />
gering. Dabei überleben heute auch Kinder, die<br />
zu früheren Zeiten nur eine geringe Überlebenschance<br />
gehabt hätten, z.B. die extrem<br />
früh geborenen Kinder oder Kinder mit Herzfehlern,<br />
wenn auch häufiger mit lebenslangen<br />
ges<strong>und</strong>heitlichen Einschränkungen. Auch nach<br />
den Ergebnissen des Kinder- <strong>und</strong> Jugendges<strong>und</strong>heitssurveys<br />
2007 beurteilten fast 94<br />
Prozent der Eltern den <strong>Ges<strong>und</strong>heits</strong>zustand<br />
ihrer Kinder als gut bis sehr gut. Auch Armut in<br />
der Familie ist heute in unserer Gesellschaft<br />
kein Gr<strong>und</strong>, dass ein Kind verhungern oder an<br />
Krankheit sterben müsste. Bestehen überhaupt<br />
<strong>Ges<strong>und</strong>heits</strong>probleme bei unseren Kindern?<br />
2. Rahmenbedingungen<br />
2.1 Physische <strong>und</strong> psychische Anforderungen<br />
<strong>und</strong> <strong>Ges<strong>und</strong>heits</strong>probleme<br />
Was die körperliche Ges<strong>und</strong>heit betrifft, haben<br />
wir selbst in den Armutsfamilien eine Situation,<br />
um die uns viele Länder auf anderen Kontinenten<br />
beneiden würden. Die vorhandenen<br />
Unterschiede sind solche auf hohem Niveau.<br />
Physische Ges<strong>und</strong>heit wird bei uns fast wie<br />
selbstverständlich erwartet, <strong>und</strong> selbst erhebliche<br />
ges<strong>und</strong>heitliche Risiken <strong>und</strong> Einschränkungen<br />
im Kindesalter können durch medizinische<br />
<strong>und</strong> andere Maßnahmen beschränkt<br />
oder gar kompensiert werden.<br />
Mit der Sicherung der körperlichen Ges<strong>und</strong>heit<br />
stiegen die Erwartungen an die psychische<br />
Ges<strong>und</strong>heit, dies umso mehr, als die veränderten<br />
Lebensbedingungen immer geringere<br />
Anforderungen an Körperkraft <strong>und</strong> immer<br />
höhere an geistige Fähigkeiten <strong>und</strong> sozioemotionale<br />
Stabilität der Person stellen. Die<br />
sogenannten einfachen Berufe sind selten bzw.<br />
in andere Länder verlegt worden.<br />
Historisch verändert hat sich auch folgendes:<br />
(1) Berufswelt <strong>und</strong> Berufsort trennten sich<br />
immer deutlicher <strong>und</strong> immer weiter von der<br />
Familienwelt <strong>und</strong> dem Familienort, zunächst <strong>für</strong><br />
die Väter, dann auch <strong>für</strong> die Mütter. Während<br />
der elterlichen Arbeitszeit besucht die Mehrzahl<br />
der Kinder altersgestufte Einrichtungen<br />
speziell <strong>für</strong> Kinder. (2) In der Altersgruppe der<br />
berufstätigen Erwachsenen hat die Zahl der<br />
Ehepartner mit Kindern stark abgenommen.<br />
Berufstätige mit Kindern müssen mit Berufstätigen<br />
ohne Kinder konkurrieren. Häufig<br />
erlangt die Berufswelt gesellschaftlich höhere<br />
Priorität als die Familienwelt. (3) Schließlich<br />
verliert <strong>für</strong> etliche Kinder auch der Familienort<br />
seine einheitliche Stabilität: Sie pendeln<br />
zwischen ihren getrennt lebenden Eltern.<br />
Über Jahrtausende der Menschheitsgeschichte<br />
waren <strong>für</strong> Kinder der Familienort <strong>und</strong> die<br />
Nachbarschaft die wichtigsten Lernfelder:<br />
Durch Dabeisein <strong>und</strong> Mitmachen bzw. Nachmachen<br />
erwarben sie die notwendigen Fertigkeiten<br />
zur Daseinssicherung <strong>und</strong> zum sozialen<br />
Miteinander. Das Setting Familie hat viele<br />
dieser Funktionen ausgelagert oder abgeschafft.<br />
Wo früher mehrere Personen – einschließlich<br />
Kindern – gemeinsam eine Arbeit<br />
verrichteten, haben Geräte, die dann nur von<br />
einer Person bedient <strong>und</strong> kontrolliert worden,<br />
die Arbeit übernommen. Selbst die Mahlzeiten<br />
sind heute in vielen Familien nur noch selten<br />
eine gemeinsame Unternehmung.<br />
Die letzte verbliebene Funktion der Familie, so<br />
die Familienforscher, ist damit das Ausleben<br />
<strong>und</strong> Aushandeln sozialer <strong>und</strong> emotionaler<br />
Beziehungen. In diesem Bereich ist sie auch am<br />
stärksten verletzlich. Dieser Wandel der Familie<br />
erhöht die Bedeutung psychischer Probleme im<br />
Kindesalter, ob sie nun in ihrer Anzahl <strong>und</strong> Art<br />
gegenüber früheren Zeiten zugenommen<br />
haben oder nicht: Sie treten stärker in Erscheinung<br />
<strong>und</strong> belasten die Familien, die Kinder<br />
<strong>und</strong> die pädagogischen Einrichtungen.<br />
Schulleistungsprobleme <strong>und</strong> Sprachprobleme<br />
nicht mitgezählt, waren, nach den Bef<strong>und</strong>en<br />
des <strong>Ges<strong>und</strong>heits</strong>surveys (2007), nach Aussagen<br />
ihrer Eltern gut 13 Prozent der Kinder<br />
zwischen drei <strong>und</strong> sechs Jahren mehr oder<br />
minder emotional auffällig, 36 Prozent der<br />
Kinder verhaltensauffällig. Zu den Verhaltensauffälligkeiten<br />
in dieser Altersgruppe zählten<br />
die Hyperaktivität (14,6 Prozent), Probleme im<br />
Umgang mit Gleichaltrigen (20,5 Prozent) <strong>und</strong><br />
Probleme im mitfühlenden Sozialverhalten,<br />
also einem Vorläufer des moralischen Verhaltens<br />
(10,7 Prozent).<br />
2.2 Wissen über gute Entwicklung<br />
Nie waren Eltern theoretisch so gut über<br />
Entwicklung <strong>und</strong> Erziehung von Kindern infor-<br />
miert <strong>und</strong> praktisch so wenig vorgeübt wie<br />
heute. Das Erziehungswissen ist kaum noch in<br />
familiärer oder kultureller Tradition verankert.<br />
Wohnortmobilität der jungen Eltern oder gar<br />
Migration tragen zu dieser Lockerung der<br />
Traditionen bis hin zu Anzeichen von kultureller<br />
Entwurzelung bei. Dieser Kulturwandel ist<br />
übrigens in Ländern der Dritten Welt noch<br />
rascher <strong>und</strong> krasser als bei uns. Lange waren<br />
die ersten zwei bis drei Lebensjahre eines<br />
Kindes von den massiven Veränderungen weitgehend<br />
ausgenommen, die mit der Industrialisierung,<br />
der Elektronik <strong>und</strong> der Informationstechnologie<br />
die Familien verändert haben.<br />
Mit den modernen Lebensbedingungen der<br />
Eltern <strong>und</strong> der Familien haben sich die Erwartungen<br />
<strong>und</strong> die Anforderungen an eine „gute<br />
Entwicklung“ auch in dieser Altersgruppe<br />
gewandelt. Eltern greifen nun viel seltener auf<br />
familiäre <strong>und</strong> kulturelle Traditionen zurück <strong>und</strong><br />
holen sich ihr Erziehungswissen aus Medien<br />
<strong>und</strong> Kursen. Immer neue Superangebote bedrängen<br />
die jungen Eltern, dass sie bereits im<br />
Babyalter, oder sogar noch davor, mit intensivem<br />
Basistraining beginnen müssten, um<br />
ihrem Kind ein erfolgreiches Meistern der<br />
Schulzeit <strong>und</strong> der Berufsanforderungen zu<br />
sichern. So trainieren einige schwangere<br />
Frauen ihre werdenden Kinder im Zählen,<br />
indem sie mit leichten Schlägen auf ihren<br />
Bauch klopfen <strong>und</strong> dazu die Zahlwörter sagen.<br />
Andere Mütter benutzen das von Forschern<br />
entwickelte Testmaterial zur Untersuchung der<br />
Informationsverarbeitung bei Babys als Übungen<br />
zum Unterscheiden von Schachbrettmustern<br />
<strong>und</strong> Gesichtern. Andere machen mit ihren<br />
Babys spezielle motorische Übungen <strong>und</strong><br />
Massagen. Fast schon genormt sind die Activity<br />
Centers <strong>für</strong> Babys. Spezielle Musikkassetten<br />
(Baby Mozart, Baby Beethoven) <strong>und</strong> Fernsehsendungen<br />
(Baby Einstein) finden intensive<br />
Nachfrage.<br />
Besonders beliebt sind solche Kurse <strong>und</strong><br />
Trainings in Japan, den USA <strong>und</strong> neuerdings in<br />
China. Aber auch bei uns machen sie Furore,<br />
insbesondere wenn sie zugleich Babysitterfunktion<br />
übernehmen <strong>und</strong> das Kind beschäftigen,<br />
ohne dass der Erwachsene als<br />
Interaktionspartner gefordert wäre. Diesem<br />
Extrem der sensomotorischen <strong>und</strong> kognitiven<br />
Frühförderung <strong>und</strong> Frühschulung steht das<br />
9
10<br />
Kapitel 1 Frühkindliche Entwicklung – das Kleinkind in seiner Umwelt Für einen guten <strong>und</strong> ges<strong>und</strong>en Start ins Leben!<br />
Extrem der psychischen Vernachlässigung gegenüber,<br />
mitunter sogar in der gleichen Familie.<br />
Die Vernachlässigung ist oft wenig offensichtlich,<br />
da sie selten die körperliche Versorgung<br />
der kleinen Kinder betrifft. Vielen jungen<br />
Eltern fehlen die Kenntnisse <strong>und</strong> die Fähigkeiten,<br />
das kleine Kind in seinen kommunikativen,<br />
emotionalen, sozialen, <strong>und</strong> kognitiven<br />
Belangen angemessen zu fördern.<br />
Feinfühligkeit der Mütter ist in unserem Lande<br />
zudem erheblich bildungsabhängig. Übertriebene<br />
Erwartungen an eine frühe (vor allem<br />
emotionale) Selbstständigkeit der Kinder kann<br />
die Entwicklung der Kinder beeinträchtigen,<br />
wie auch ängstlich übertriebene Behütung sie<br />
nicht die notwendigen Erfahrungen sammeln<br />
lässt, die sie später brauchen werden. Ein<br />
großer Teil unserer Kinder wächst dennoch<br />
auch psychisch gut heran, mit Möglichkeiten<br />
<strong>und</strong> Chancen der Persönlichkeitsentwicklung,<br />
wie sie frühere Kinder- <strong>und</strong> Jugendgenerationen<br />
nur selten hatten. Und es gibt hervorragende<br />
Eltern <strong>und</strong> Erzieher/innen. Unsere<br />
Sorge sollte daher den Kindern in extremen<br />
Verhältnissen, den Kindern mit psychischen<br />
Vernachlässigungen <strong>und</strong> den Kindern unter<br />
psychischen Überforderungen gelten. Sie sollte<br />
aber auch den nächsten Generationen gelten,<br />
den künftigen Kindern der jetzigen Kinder.<br />
Welche Familien- <strong>und</strong> Kindheitserfahrungen,<br />
welches implizite Erziehungswissen werden sie<br />
einmal weitervermitteln?<br />
3. Struktur der Umwelten aus der<br />
Sicht der Kinder<br />
Im Folgenden werde ich auf einige neuere<br />
Forschungsbef<strong>und</strong>e der Entwicklungspsychologie<br />
zurückgreifen <strong>und</strong> sie in einem evolutionstheoretischen<br />
Konzept bündeln. Ich verspreche<br />
mir davon <strong>für</strong> Sie Anregungen <strong>für</strong> eine<br />
Gestaltung unserer Lebenswelt in solcher<br />
Weise, dass besonders die ganz kleinen Kinder<br />
ganz selbstverständlich dazu gehören sollten.<br />
Denn gerade das ist sicher eine Gefahr unserer<br />
modernen Welt, dass wir Kinder zu sehr<br />
ausgrenzen.<br />
3.1. Neugeborenenausstattung<br />
Das Neugeborene bringt bereits eine Wahrnehmungs-<br />
<strong>und</strong> Verhaltensausstattung mit, die<br />
es auf die nächsten Entwicklungsschritte vorbereitet.<br />
Es ist dabei aber weitestgehend auf<br />
die Interaktion mit einem es eng <strong>und</strong> <strong>für</strong>sorglich<br />
betreuenden Erwachsenen angewiesen.<br />
Obwohl ihr Sehvermögen erst mit etwa<br />
sechs Monaten ausgereift ist <strong>und</strong> sie zur<br />
eigenständigen Fortbewegung mitunter mehr<br />
als ein Jahr benötigen, sind die Nahsinne,<br />
Geruch, Geschmack <strong>und</strong> Tastsinn, von früh an<br />
funktionsfähig <strong>und</strong> sogar das Gehör, bzw. seine<br />
Repräsentanz im Gehirn, unterscheidet bereits<br />
zwischen Geräuschen, Tönen <strong>und</strong> Sprachlauten.<br />
Die rechte Hemisphäre hat einen kleinen<br />
Entwicklungsvorsprung vor der linken <strong>und</strong><br />
ermöglicht dem Kind die frühe Unterscheidung<br />
der musikalischen oder prosodischen <strong>und</strong><br />
rhythmischen Merkmale der Sprache. Mit<br />
wenigen Tagen können die Kinder nicht nur die<br />
Stimme ihrer Eltern von der anderer Personen<br />
unterscheiden, sondern auch ihre Muttersprache<br />
von anderen Sprachen. Sie sind schon,<br />
ab den letzten zwei Monaten im Mutterleib<br />
beginnend, mit dem Hören an ihrer sozialen<br />
Umwelt beteiligt. In der zweiten Jahreshälfte<br />
schränken sie ihre Hörschärfe auf diejenigen<br />
Lautklassen der Muttersprache ein, die inhaltliche<br />
oder grammatische Bedeutungsträger<br />
sind. So unterscheiden z.B. ungarische Kinder<br />
mehrere Klangfarben des Vokals a, schwäbische<br />
Kinder ei von ai, chinesische Kinder dagegen<br />
bald nicht mehr l von r. Diese Unterscheidungen<br />
sind wichtig, um später beim<br />
aktiven Spracherwerb sicher in der Grammatik<br />
zu werden.<br />
Mit dem Sehen beginnen die Kinder erst bei der<br />
Geburt, <strong>und</strong> ihr Sehen ist noch nicht sehr<br />
scharf, wenn sie frontal vor sich auf ein<br />
stehendes Bild schauen (was früher die übliche<br />
Untersuchungssituation war). Mit drei Monaten<br />
sehen sie wesentlich schärfer <strong>und</strong> studieren<br />
dann das Gesicht ihres Gegenübers mit<br />
größter Intensität. Sie reagieren aber deutlich<br />
auf Bewegungen, z.B. von Augen <strong>und</strong> M<strong>und</strong>,<br />
vor allem aber darauf, wenn von der Seite ein<br />
Kopf hereinkommt („conspec“ = conspecific),<br />
also ein vermutlicher Artgenosse. Babys<br />
nehmen Personen <strong>und</strong> deren Merkmale über<br />
alle Sinne früher <strong>und</strong> genauer wahr als Gegenstände<br />
<strong>und</strong> Geräusche <strong>und</strong> lernen dabei<br />
besonders rasch, Vertrautes von Unvertrautem<br />
zu unterscheiden – mit zunächst einer Bevorzugung<br />
des Vertrauten.<br />
Aber auch der physikalischen Umwelt begegnen<br />
sie nicht ungewappnet. Selbst bei noch<br />
fehlender Erfahrung scheinen sie davon auszugehen,<br />
dass Objekte, die sie sehen, aus<br />
fester Materie bestehen, gegen die man stoßen<br />
könnte. Objekte haben offenbar von vornherein<br />
so etwas wie Dingcharakter. Das muss nicht<br />
erst mühsam über das Kombinieren von isolierten<br />
Sinneserfahrungen erworben werden.<br />
Außerdem interessieren sie sich in der Objektwelt<br />
früh <strong>für</strong> das jeweils Neue <strong>und</strong> Neuartige,<br />
vor allem, wenn es nicht zu sehr vom Vertrauten<br />
abweicht. Anscheinend sind wir aus der<br />
langen Evolution mit Basisfertigkeiten, Basisbereitschaften<br />
<strong>und</strong> „Basiswissen“ ausgestattet,<br />
die uns von Anfang an eine Unterscheidung<br />
einer sozialen Welt von einer physikalischen<br />
Welt erlauben. Innerhalb jeder dieser Welten,<br />
<strong>und</strong> mit speziellen Funktionen <strong>für</strong> diese Welten,<br />
lernen wir besonders rasch.<br />
3.2 Objektwelt<br />
Lange Zeit hatte sich die Entwicklungspsychologie<br />
vor allem mit dem wachsenden Verständnis<br />
des Kindes mit der Objektwelt be-<br />
fasst, z.B. von Objekten im Raum, ihm selbst im<br />
Raum <strong>und</strong> von Objekten, die in oder unter<br />
einem anderen aus dem Sichtfeld verschwinden,<br />
aber doch noch da sind. Dann fand<br />
man heraus, dass die Kinder schon im 1.<br />
Lebensjahr erwarten, dass sich die Objekte<br />
nach den typischen physikalischen Gesetzen<br />
verhalten, also Objekte nicht einfach durch<br />
eine Wand hindurchgehen.<br />
Im Alter von einem halben Jahr reagieren Kinder<br />
bereits auf die Zahligkeit von Objekten: Sie<br />
w<strong>und</strong>ern sich <strong>und</strong> schauen länger, wenn hinter<br />
einem Schirm nur ein Objekt auftaucht, obgleich<br />
zwei hineingewandert sind (<strong>und</strong> umgekehrt),<br />
sie unterscheiden große von kleinen<br />
Mengen.<br />
Im Verlaufe des zweiten Lebensjahres erk<strong>und</strong>en<br />
die Kinder die Räume der Wohnung<br />
<strong>und</strong> ihnen vertraute Bereiche. Sie können aber<br />
erst im Laufe des 3. Lebensjahres von einem<br />
Modell her ableiten, wo sie z.B. einen Ball<br />
finden werden. Das praktische Wissen wird erst<br />
allmählich repräsentiert <strong>und</strong> dann Repräsentation<br />
<strong>und</strong> Wirklichkeit miteinander verb<strong>und</strong>en.<br />
3.3. Sozialwelt<br />
Noch erstaunlicher sind die Erkenntnisse zur<br />
Sozialwelt der Kinder. Nicht nur, dass die Kinder<br />
sich früh <strong>für</strong> menschliche Gesichter <strong>und</strong> Stimmen<br />
interessieren <strong>und</strong> mit etwa sechs Wochen<br />
auf beide hin lächeln; mit drei Monaten versuchen<br />
sie mit Lächeln <strong>und</strong> Gurren einen<br />
Interaktionspartner wieder zu aktivieren, dessen<br />
Mimik eingefroren ist („still face-Paradigma“)<br />
bzw. sie schauen wartend weg <strong>und</strong> üben<br />
sich in Selbstberuhigung (Geduld), um sich<br />
dann wieder zuzuwenden, <strong>und</strong> sind schließlich<br />
enttäuscht, wenn der/die Partner/in sich nicht<br />
aus seiner Starre löst. Bei Puppen strengen sie<br />
sich nicht an.<br />
Präsentiert man ihnen mit vier Monaten ihre<br />
Mutter online über den Bildschirm, dann<br />
interagieren sie mit ihr fröhlich; präsentiert<br />
man ihnen aber das Verhalten der Mutter von<br />
wenigen Minuten zuvor, reagieren sie mit<br />
Unmut. Sie merken sehr empfindlich, ob ein<br />
Verhalten auf ihr eigenes Verhalten fein abgestimmt<br />
ist oder nicht.<br />
Mit sieben bis neun Monaten unterscheiden<br />
die Kinder bereits Menschen von Tieren <strong>und</strong><br />
Tiere von Objekten, <strong>und</strong> mit neun bis elf Monaten<br />
Möbel von Fahrzeugen, <strong>und</strong> das jeweils<br />
anhand von Replica aus Plastik, die sie mit<br />
ihren Händen <strong>und</strong> Augen erk<strong>und</strong>en dürfen, die<br />
also sehr viel kleiner sind als in Wirklichkeit.<br />
Schon als Neugeborene zeigen die Kinder<br />
Nachahmung von Mimik, M<strong>und</strong>formen <strong>und</strong><br />
Handbewegungen, eine Besonderheit, die<br />
lange unerklärt blieb, jetzt aber durch die Entdeckung<br />
der Spiegelneurone eine neuronale<br />
Basis erhielt. Diese Fähigkeit dient dem unmittelbaren<br />
Miterleben <strong>und</strong> innerlichen Mitvoll-
Für einen guten <strong>und</strong> ges<strong>und</strong>en Start ins Leben! Kapitel 1 Frühkindliche Entwicklung – das Kleinkind in seiner Umwelt<br />
ziehen der Handlung des Interaktionspartners.<br />
Spiegelneurone finden sich auch bei sozialen<br />
Säugetieren, aber ganz besonders viele beim<br />
Menschen.<br />
Das Kind kann im Verlaufe des ersten Lebensjahres<br />
aber nicht nur einfaches Verhalten des<br />
Gegenübers nacherleben <strong>und</strong> spiegeln, es<br />
reagiert selbst intensiv darauf, nachgeahmt zu<br />
werden, ein Schritt auf dem Weg, sich selbst im<br />
Spiegel zu erkennen (mit 18 Monaten) <strong>und</strong> eine<br />
Vorstellung von sich selbst zu entwickeln. Von<br />
besonderer Bedeutung ist aber auch, dass das<br />
Kind im letzten Viertel des ersten Lebensjahres<br />
seine Aufmerksamkeit gezielt auf die Richtung<br />
einschwenken kann, in die der/die Partner/in<br />
schaut, <strong>und</strong> dann auch in die Richtung, in die er<br />
zeigt. Mit zwölf Monaten zeigt es dann selbst<br />
auf Objekte, um die Aufmerksamkeit des Partners/der<br />
Partnerin zu lenken. Offensichtlich hat<br />
es dann schon eine rudimentäre Vorstellung<br />
davon, dass der Andere so etwas wie Aufmerksamkeit<br />
hat.<br />
Schließlich wird es im ersten Lebensjahr Experte<br />
im Lesen des Emotionsausdrucks im<br />
Gesicht der Partner/innen. Es kann sich dann<br />
nicht nur mitfühlend hineinversetzen, sondern<br />
sich davon auch abgrenzen. So z.B. beim<br />
visuellen Kliff: Gewöhnlich verharren Babys<br />
beim Krabbeln, wenn der Boden unter ihnen<br />
abzusinken scheint, <strong>und</strong> krabbeln nur weiter,<br />
wenn die Mutter aufmunternd nickt.<br />
Rückversichern ist auch sonst eine wichtige<br />
Strategie im Erk<strong>und</strong>ungsverhalten von Kindern<br />
<strong>und</strong> spricht da<strong>für</strong>, dass sie eine Art inneres<br />
Beziehungsband zu ihrer Hauptbezugsperson<br />
entwickelt haben. Ein solches psychologisches,<br />
inneres Band erscheint zu dem individuellen<br />
Entwicklungszeitpunkt, in dem die Kinder die<br />
Fortbewegung erlernen <strong>und</strong> – sonst möglicherweise<br />
– verloren gehen könnten. Es ist also ein<br />
über die Evolution entstandener Sicherungsmechanismus,<br />
übrigens nicht nur bei uns Menschen.<br />
4. Ein Vorschlag aus der Sicht der Evolution<br />
<strong>und</strong> der Entwicklungspsychologie<br />
Die Umwelten des Menschen sind aus Sicht der<br />
Evolution wahrscheinlich in „Module“ unterteilt.<br />
So unterschieden schon die frühen Menschen<br />
in der physikalischen Welt vermutlich<br />
Großobjekte wie Berge <strong>und</strong> Flüsse, aber auch<br />
Felsen <strong>und</strong> Bäume bzw. Sträucher, die ihnen als<br />
Wegmarkierungen dienten, von kleineren Objekten,<br />
wie Steinen <strong>und</strong> Zweigen, die als Werkzeuge<br />
zu gebrauchen waren. Diese Basisunterscheidungen<br />
sollen im Prinzip bis heute<br />
gelten, <strong>und</strong> auch schon beim Kleinkind. Im<br />
Verlaufe der ersten beiden Lebensjahre wird es<br />
recht kompetent im konkreten Zurechtfinden in<br />
seiner physikalischen Umwelt <strong>und</strong> im Umgang<br />
mit einfachen Objekten.<br />
Im zweiten Lebensjahr zieht es aber eine neue<br />
Vorstellungsebene ein <strong>und</strong> beginnt die Objektwelt<br />
zu repräsentieren, sei es durch andere<br />
Objekte im Symbolspiel, sei es durch sprachliche<br />
Bezeichnungen oder durch Kritzelzeichen<br />
oder Malen, oder auch nur in der phantasievollen<br />
Vorstellung. Dadurch löst es die Objekte<br />
aus ihren physikalischen Gesetzmäßigkeiten<br />
von Zeit, Raum <strong>und</strong> Kausalität, kann vorwegnehmend<br />
planen oder denkend nachvollziehen<br />
<strong>und</strong> wiederholen. Um hier nicht in einen Irrgarten<br />
oder in ein Chaos zu geraten, beginnt<br />
es, seine Vorstellungen <strong>und</strong> Begriffe zu ordnen<br />
<strong>und</strong> in die Struktur der Logik einzubinden, ein<br />
Vorgang, dessen Entwicklung bis weit in das<br />
Jugendalter reichen wird.<br />
Zur konkreten Umwelt des Menschen gehören<br />
auch die biologische Umwelt, also die Tiere <strong>und</strong><br />
Pflanzen. Kinder zählen schon früh die Tiere zu<br />
Lebewesen, aber erst später die Pflanzen. Bei<br />
den Tieren unterscheiden sie im zweiten Lebensjahr,<br />
ob diese laufen oder kriechen bzw.<br />
schwimmen oder fliegen. Aus Sicht der Evolution<br />
ist sicherlich eine wesentliche Aufgabe<br />
unterscheiden zu lernen, was eine Gefahr ist,<br />
etwa ein feindliches Tier, was giftig ist (Pflanzen)<br />
<strong>und</strong> was essbar ist. Beim Essenlernen<br />
erwerben die Kinder im kulturellen Kontext<br />
sehr früh solche basalen Unterscheidungen.<br />
Hier hat das <strong>Ges<strong>und</strong>heits</strong>verhalten beim Essverhalten<br />
einen wichtigen Ursprung. Woran<br />
können aber Kinder heute die wesentlichen<br />
Unterscheidungen lernen?<br />
Von ganz besonderer Bedeutung <strong>für</strong> das<br />
Heranwachsen des Menschen ist seine soziale<br />
Umwelt. Länger <strong>und</strong> mehr noch als unsere<br />
nächsten Verwandten im Tierreich ist das Kind<br />
auf individuelle Pflege, Versorgung, Betreuung<br />
<strong>und</strong> Unterweisung angewiesen. Die sozialemotionale<br />
Bindung als eine wichtige Basis,<br />
die Kind <strong>und</strong> Bezugsperson in räumlicher Nähe<br />
zueinander halten, habe ich schon erwähnt,<br />
ebenso die frühe Fähigkeit der Kinder, mit dem<br />
Anderen innerlich mithandeln zu können. So<br />
können Kinder mit wenig über einem Jahr eine<br />
einfache Handlung, die sie bei einem Erwachsenen<br />
erstmalig beobachtet haben, die dieser<br />
aber nicht erfolgreich beenden konnte, nach<br />
mehreren St<strong>und</strong>en selbst durchführen, <strong>und</strong><br />
zwar erfolgreich. Schon mit zehn Monaten<br />
können sie eine mechanische Aktion von einer<br />
physikalisch sehr ähnlichen Handlung unterscheiden:<br />
Bei der mechanischen Version<br />
schauen sie auf den Hebel, bei der Handlung<br />
auf das Ziel. Eine ganz besondere Rolle in der<br />
sozialen Welt spielt die Kommunikation, die<br />
sich in der abgestimmten Interaktion, in der<br />
gegenseitigen Regulation von Erregung <strong>und</strong><br />
Emotionen, im Austausch von Mimik, in Gestik<br />
<strong>und</strong> Lautierung oder dann auch in Worten, <strong>und</strong><br />
damit symbolisch, ausdrückt. Sprachentwicklung<br />
hebt die Kommunikation auf die<br />
Repräsentationsebene. Sie erlaubt zudem,<br />
innere Zustände in Begriffe zu bringen, Gefühle<br />
zu konkretisieren <strong>und</strong> sie der Bearbeitung <strong>und</strong><br />
kulturellen Formung zugänglich zu machen.<br />
Das Kind am Ende des ersten Lebensjahres<br />
erlebt sich in intensiven sozial-emotionalen<br />
Beziehungen. Es beginnt gegen Ende des<br />
zweiten Lebensjahres, sich diese ebenfalls auf<br />
der Repräsentationsebene vorzustellen, etwa<br />
im Spiel mit Puppen, im eigenen Rollenspiel<br />
<strong>und</strong> später im tagträumenden Phantasiespiel.<br />
Im Spiel hat es noch eine gewisse Kontrolle<br />
über die Figuren, nicht jedoch im Traum, von<br />
dem es dann manchmal heimgesucht wird.<br />
Auch die soziale Vorstellungswelt bedarf ordnender<br />
Strukturen, die dann in die Realität <strong>und</strong><br />
das konkrete Miteinander ausstrahlen.<br />
Wenn ein Kind keine Ordnung in diese Welten<br />
bringen kann, werden diese <strong>für</strong> es bedrohlich.<br />
Viele Kinderängste bis hin zur Pathologie<br />
haben hier ihren Ursprung. Soziale Skripte, wie<br />
etwa das Essensritual am Mittagstisch oder<br />
das Schlafengehritual, geben einen ersten<br />
Ordnungsrahmen. Soziale Regeln, nach denen<br />
die verschiedenen Rollenträger sich verhalten,<br />
bilden eine weitere Basis.<br />
Gegen Ende des zweiten Lebensjahres möchten<br />
die Kinder in der Regel mitmachen <strong>und</strong><br />
nachmachen, mithelfen <strong>und</strong> dabei sein (compliance).<br />
Sie üben das beobachtete soziale<br />
Miteinander im Spiel. Man kann sie zum Mitmachen<br />
bei einfachen Tätigkeiten gewinnen,<br />
<strong>und</strong> sie beginnen, Verbote zu verstehen <strong>und</strong> zu<br />
beachten, aber auch deren Grenzen zu erproben.<br />
In dieser Zeit sind sie bereit dazu, in die<br />
soziale Gemeinschaft eingeführt, also „sozialisiert“<br />
zu werden. Sie beginnen ihr eigenes<br />
Verhalten nach gut <strong>und</strong> böse zu bewerten. Es<br />
wird der Gr<strong>und</strong>stein <strong>für</strong> moralisches Verhalten,<br />
moralische Gefühle <strong>und</strong> moralisches Urteilen<br />
gelegt. Auch dies ist ein wichtiger Gr<strong>und</strong>stein<br />
<strong>für</strong> unsere menschliche Entwicklung. Es ist<br />
durchaus denkbar, dass bei einigen Kindern<br />
dieser in der Evolution sehr späte Gr<strong>und</strong>stein<br />
nicht solide genug gelegt wurde.<br />
5. Gefährdungen durch Veränderung der<br />
Lebenswelt von Kleinkindern?<br />
Gerade in den ersten beiden Lebensjahren ist<br />
die biopsychosoziale Entwicklung der Kinder<br />
noch stark von der Evolution gestützt. Das gilt<br />
auch, mit Einschränkungen, <strong>für</strong> das komplementäre,<br />
unmittelbare Elternverhalten. Weil<br />
beides evolutionsgestützt ist, scheint es über<br />
viele unterschiedliche Lebensbedingungen<br />
hinweg gut zu funktionieren. Kinder sind mit<br />
ihren in Erziehungsfragen meist unerfahrenen<br />
Eltern in der Regel sehr nachsichtig <strong>und</strong> großzügig.<br />
Sie geben ihnen Zeit, sich zu guten Eltern<br />
zu entwickeln, die den komplementären Part zu<br />
ihrer eigenen Entwicklung ausbilden. Selbst<br />
materielle Armut muss nicht notwendigerweise<br />
die Kinder in ihren Basiserfahrungen gefährden,<br />
sie kann diese aber einfärben. In Ländern,<br />
die in der Geschichte häufig mit Krieg überzogen<br />
<strong>und</strong> besetzt wurden, scheinen noch Generationen<br />
danach die Kinder eine eher un-<br />
11
12<br />
Kapitel 1 Frühkindliche Entwicklung – das Kleinkind in seiner Umwelt Für einen guten <strong>und</strong> ges<strong>und</strong>en Start ins Leben!<br />
sicher-vermeidende Bindungsstrategie zu entwickeln:<br />
Sie reduzieren ihren Angstausdruck,<br />
um nicht mit zu viel Emotionsausdruck die<br />
Hauptbezugsperson zu vertreiben oder zu gefährden.<br />
Obgleich das intuitive Elternverhalten, als evolutionsgestütztes<br />
Basisrepertoire zumindest<br />
<strong>für</strong> die ersten zwei Jahre, durch das kindliche<br />
Verhalten aktiviert wird, kann es bei hoher<br />
Stressbelastung der Eltern oder einer depressiven<br />
Erkrankung verschüttet sein. Oder aber<br />
es ist in der eigenen Kindheit nicht oder nicht<br />
ausreichend gr<strong>und</strong>gelegt worden. Risiken <strong>und</strong><br />
Gefährdungen können aber auch daher<br />
stammen, dass das Kind krankheitsbedingt in<br />
seinem Repertoire an Verhaltensweisen erheblich<br />
abweicht, wie etwa bei autistischen<br />
Kindern oder Kindern, deren Erkrankungen <strong>und</strong><br />
Behinderungen erhebliche psychische Auswirkungen<br />
haben (z.B. Alkoholembryopathie).<br />
Rückzug <strong>und</strong> Ausgrenzung sind hier die<br />
größten Gefahren <strong>für</strong> die Familien.<br />
Solche Gefährdungen gab es schon immer; sie<br />
wirken heute nur schwerwiegender <strong>und</strong> länger,<br />
gerade weil auch behinderte <strong>und</strong> kranke Kinder<br />
<strong>und</strong> Eltern eine lange Lebenserwartung haben<br />
<strong>und</strong> sich die Problemlasten auf nur wenige<br />
Schultern verteilen. Es gibt aber Veränderungen<br />
in den Lebenswelten selbst kleiner<br />
Kinder, die in der Menschheitsgeschichte neu<br />
sind <strong>und</strong> deren langfristige Auswirkungen wir<br />
noch nicht abschätzen können. Hierzu zählen<br />
u. a. die folgenden:<br />
■ Die Zahl der stabilen Personen (Familie) hat<br />
abgenommen; die an der Betreuung beteiligten,<br />
aber mitunter wechselnden Personen<br />
hat zugenommen (Betreuer/innen,<br />
wechselnde Familienzusammensetzung). In<br />
vielen Kulturen ist zwar auch meist mehr als<br />
eine Person am Aufziehen eines Kindes<br />
beteiligt, mitunter sogar ein ganzes Dorf;<br />
aber es sind <strong>für</strong> das Kind stabile Personen in<br />
seiner sozialen Umwelt.<br />
■ Viele Kinder wachsen mit nur einem Erwachsenen<br />
auf, ohne Geschwister oder Kinder im<br />
alltäglichen Umkreis, es sei denn sie besuchen<br />
eine Kita/Krippe oder eine Tagesmutter.<br />
■ Es gibt jede Menge anregendes Baby- <strong>und</strong><br />
Kleinkinder-Spielzeug, das in der Regel nicht<br />
die Interaktion mit einem Erwachsenen verlangt.<br />
Eltern sind stolz, wenn ihr Baby sich<br />
möglichst lange „allein“ beschäftigen kann.<br />
■ Kleinstkinder legen zum Teil große Entfernungen<br />
zurück, <strong>und</strong> dies oft in sehr schnellem<br />
Tempo – übrigens ohne sich selbst deswegen<br />
bewegen zu müssen.<br />
■ Auch der Weg zu den Einrichtungen erfolgt in<br />
der Regel im Auto oder in Fahrzeugen. Eine<br />
Art Überblick über die Umwelträume <strong>und</strong><br />
ihre Beziehungen untereinander zu gewinnen,<br />
dürfte ihnen sehr schwer fallen.<br />
■ Personen begegnen ihnen zunehmend –<br />
auch – über elektronische Medien. Diese<br />
reagieren aber nicht auf das Kind, sie sind<br />
nicht auch über die Nahsinne erfassbar –<br />
<strong>und</strong> zwingen zu einem eher abstrakten Umgang.<br />
■ Objekte funktionieren im Wesentlichen über<br />
identische Handhabungen (Knopfdruck) <strong>und</strong><br />
lassen sich auch kaum mehr über je spezifische<br />
Geräusche oder Bewegungsmuster<br />
identifizieren. Auch das zwingt zu früher<br />
Abstraktion. Nur die Tiere machen noch ihre<br />
individuellen Laute <strong>und</strong> haben ihre spezifischen<br />
Bewegungsmuster.<br />
■ Die Lebenswelt der Kinder ist stark altersgestuft<br />
<strong>und</strong> oft getrennt von der der Erwachsenen.<br />
Die Erwachsenen begegnen<br />
dem Kind in einer Art Lehrerhaltung. Die<br />
Eltern begeben sich evtl. in die (vermeintliche)<br />
Lebenswelt des Kindes, aber das Kind<br />
hat wenig Möglichkeiten, an der Lebenswelt<br />
der Erwachsenen (<strong>und</strong> größeren Kinder) teilzunehmen.<br />
Bereits das Säuglingsalter wird zunehmend<br />
„verschult“. Das mag die kognitiven Fähigkeiten<br />
der Kinder, wenn vielleicht auch etwas<br />
einseitig, herausputzen; viele eingebettete<br />
Erfahrungen emotionaler <strong>und</strong> sozialer Art<br />
kommen dabei aber möglicherweise zu kurz.<br />
Kleinkinder sind aber <strong>für</strong> ihr psychisches<br />
Gedeihen von direkter Interaktion mit stabilen<br />
Betreuungspersonen sowie direktem Umgang<br />
mit (Alltags-)Objekten abhängig. Gegen Ende<br />
des ersten Jahres beobachten sie zudem<br />
intensiv die Interaktion Anderer miteinander<br />
<strong>und</strong> deren praktisches Handeln, z.B. im<br />
Haushalt. Dieses Lernangebot <strong>für</strong> Kleinstkinder<br />
hatte sich über die historischen Zeiten relativ<br />
wenig verändert. Entsprechend machte man<br />
sich über Kleinstkindpädagogik wenig Gedanken.<br />
Wie heute noch in traditionellen<br />
Dörfern in Mittelamerika, Asien <strong>und</strong> Afrika<br />
waren die Kinder einfach mit dabei. Die<br />
Erwachsenen (nicht nur die eigenen Eltern)<br />
sorgten <strong>für</strong> die Gr<strong>und</strong>bedürfnisse <strong>und</strong> die<br />
körperliche Sicherheit der Kinder, so gut sie<br />
konnten. Die wichtigsten Lehrer/innen der<br />
Kinder unter drei Jahren waren aber die älteren<br />
Geschwister <strong>und</strong> andere Kinder der Dorfgemeinschaft.<br />
Lernen durch Beobachten <strong>und</strong><br />
Mittun ist dort <strong>und</strong> war früher auch bei uns die<br />
Haupterfahrungsquelle <strong>für</strong> kleine Kinder,<br />
möglicherweise auch bereits in den frühen<br />
Zeiten der Menschheit. Auf diese Art des<br />
Lernens ist das Kleinkind „voreingestellt“.<br />
Die frühe Vereinzelung, die Abstraktheit der<br />
Erfahrungen <strong>und</strong> die geringe Stabilität stellen<br />
wesentliche Veränderungen dar, deren langfristige<br />
Auswirkungen wir noch gar nicht abschätzen<br />
können, vor allem nicht die Auswirkungen<br />
über zwei oder drei Generationen,<br />
wenn die traditionellen Weisen des Aufwachsens<br />
auch nicht mehr Teil der Familienerinnerung<br />
sein werden.<br />
Literatur<br />
Pauen, S., Rauh, H. (2008). Frühe Kindheit: Das<br />
Säuglingsalter. In M. Hasselhorn <strong>und</strong><br />
R. K. Silbereisen (Hrsg) Enzyklopädie der Psychologie,<br />
Serie V (Entwicklung), Band 4:<br />
Entwicklungspsychologie des Säuglings- <strong>und</strong> Kindesalters<br />
(67 – 126). Göttingen: Hogrefe<br />
Verlag <strong>für</strong> Psychologie<br />
Rauh, H. (2008) Vorgeburtliche Entwicklung <strong>und</strong> Frühe<br />
Kindheit. In R. Oerter <strong>und</strong> L.<br />
Montada (Hrsg.). Lehrbuch Entwicklungspsychologie, 6.<br />
Überarbeitete Auflage.<br />
Weinheim: Beltz/PVU.<br />
Kontakt:<br />
Professorin Hellgard Rauh<br />
Großbeerenstraße 17<br />
14482 Potsdam<br />
Tel.: 0331/ 550 999 6<br />
E-Mail: rauh@uni-potsdam.de
Für einen guten <strong>und</strong> ges<strong>und</strong>en Start ins Leben! Kapitel 2 Der Early Excellence Ansatz<br />
Kapitel 2<br />
Ges<strong>und</strong> aufwachsen<br />
Der Early Excellence Ansatz<br />
Jutta Burdorf-Schulz, Leiterin des Nachbarschafts- <strong>und</strong> Familienzentrums<br />
„Kiezoase“<br />
Der Early Excellence Ansatz<br />
Der Name „Early Excellence“ ist Programm <strong>und</strong><br />
macht den Anspruch deutlich, dass eine bestmögliche<br />
frühe Förderung im frühkindlichen<br />
Bereich eine wichtige Forderung <strong>für</strong> den Bildungsbereich<br />
ist <strong>und</strong> mit familienunterstützenden<br />
Angeboten gekoppelt sein sollte. Das<br />
Early Excellence – Programm wurde 1997 auf<br />
nationaler Ebene von der englischen Regierung<br />
ins Leben gerufen. Die konzeptionellen Anforderungen<br />
verknüpfen einen hohen Qualitätsanspruch<br />
an die pädagogische Arbeit mit<br />
intensiver Zusammenarbeit mit den Eltern <strong>und</strong><br />
neuen integrierten Unterstützungs- <strong>und</strong> Bildungsangeboten<br />
<strong>für</strong> die ganze Familie. Eine<br />
Gr<strong>und</strong>voraussetzung <strong>für</strong> die Förderung nach<br />
diesem Programm ist es, dass Eltern als die<br />
ersten Erzieher/innen ihrer Kinder partnerschaftlich<br />
in die pädagogische Arbeit einbezogen<br />
werden <strong>und</strong> nach Bedarf Elternbildung,<br />
Familienhilfe <strong>und</strong> weiterführende Angebote<br />
vernetzt angeboten werden.<br />
Das nationale Förderprogramm ‚Early Excellence’<br />
wurde in England inzwischen in ein noch<br />
umfassenderes Programm der ‚Children Centre’<br />
umgewandelt, die Zielsetzungen sind jedoch<br />
auch hier integriert.<br />
Einführung:<br />
Kindertageseinrichtungen stehen heute vor der<br />
Herausforderung sowohl sozialer Lernraum<br />
<strong>und</strong> Bildungsstätte <strong>für</strong> Kinder als auch Dienstleistungs-<br />
<strong>und</strong> Kommunikationsort <strong>für</strong> Familien<br />
zu sein.<br />
Im Workshop der Fachtagung „Für einen guten<br />
<strong>und</strong> ges<strong>und</strong>en Start ins Leben“ wurde die<br />
Entwicklung <strong>und</strong> Zielsetzung des Early Excellence<br />
Ansatzes im Pestalozzi-Fröbel Haus in<br />
Berlin vorgestellt, das seit einigen Jahren<br />
modellhaft neue Wege der Qualitätsentwicklung<br />
erprobt.<br />
Vorbild <strong>für</strong> die Neuorientierung ist das Pen<br />
Green Centre im englischen Corby, einem der<br />
ersten Early Excellence Centre in Großbritannien.<br />
Bei einem Besuch im Pen Green Centre in<br />
der ehemaligen Stahlarbeiterstadt Corby wird<br />
jedem/jeder Besucher/in schnell deutlich,<br />
dass das Besondere dieses Zentrum die po-<br />
sitive <strong>und</strong> ressourcenorientierte Gr<strong>und</strong>haltung<br />
aller Beteiligten ist. Bei der daraus resultierenden<br />
Vielzahl von Angeboten <strong>für</strong> Eltern,<br />
Kinder <strong>und</strong> Familien kann man dann schon mal<br />
den Überblick verlieren. Besucher/innen erleben<br />
jedoch die kindzentrierte Ausrichtung <strong>und</strong><br />
Atmosphäre <strong>und</strong> fühlen sich willkommen.<br />
Zur absolut wichtigsten Gruppe, den Kindern<br />
im Pen Green Centre, gibt es eigentlich nur zu<br />
sagen, dass sie sich sichtlich wohl fühlen <strong>und</strong><br />
vielfältige Möglichkeiten haben, als kleine<br />
Forscher die Welt zu erobern. Sie können sich<br />
entscheiden, wie sie ihr Spiel <strong>und</strong> ihre Aktivitäten<br />
gestalten wollen <strong>und</strong> erhalten dabei aufmerksame<br />
Unterstützung <strong>und</strong> Anregungen<br />
durch die Family-Worker. Als Family-Worker<br />
werden die pädagogischen Fachkräfte in den<br />
Centern bezeichnet.<br />
Das Pen Green Centre war eine der ersten<br />
Einrichtungen, die in das Programm der Early<br />
Excellence in England aufgenommen wurde<br />
<strong>und</strong> bis heute gehen von hier national <strong>und</strong><br />
international viele Impulse der Weiterentwicklung<br />
im Elementarbereich aus. Im Rahmen<br />
einer Recherche <strong>für</strong> die Heinz- <strong>und</strong> Heide Dürr<br />
Stiftung stieß die Psychologin Annette Lepenies<br />
auf das Pen Green Centre in Corby. Das<br />
Pestalozzi-Fröbel-Haus wurde als Trägereinrichtung<br />
gewonnen <strong>und</strong> bei einem Besuch des<br />
Pen Green Centres im Mai 2000 überzeugten<br />
13
14<br />
Kapitel 2 Der Early Excellence Ansatz Für einen guten <strong>und</strong> ges<strong>und</strong>en Start ins Leben!<br />
sich die Verantwortlichen vor Ort von der<br />
überzeugenden pädagogischen Arbeit <strong>und</strong> es<br />
entstand die Idee einer Übertragung, die den<br />
hiesigen Rahmenbedingungen angepasst sein<br />
sollte.<br />
Der Gr<strong>und</strong>gedanke der Early Excellence Centre<br />
ist im deutschen Bildungswesen noch nicht<br />
verankert. Anders als der Name suggeriert,<br />
handelt es sich nicht um elitäre Leistungszentren.<br />
Early Excellence Centre verstehen sich<br />
vielmehr als „Gemeinschaft forschend Lernender“,<br />
zu der die Kinder <strong>und</strong> ihre Familien<br />
ebenso gehören wie das pädagogische Fachpersonal.<br />
Leitgedanken dieses Ansatzes sind:<br />
1. Jedes Kind ist einzigartig<br />
Im Mittelpunkt der pädagogischen Arbeit steht<br />
das Kind mit seinen Stärken <strong>und</strong> Kompetenzen.<br />
Ziel ist es, kindliche Lernprozesse zu beobachten,<br />
zu dokumentieren <strong>und</strong> individuell zu<br />
fördern.<br />
2. Eltern sind die ersten Erzieher/innen <strong>und</strong><br />
Expert/innen ihrer Kinder<br />
Eltern <strong>und</strong> Erzieher/innen gehen eine neue<br />
Erziehungspartnerschaft ein. Der Dialog über<br />
die Lernprozesse <strong>und</strong> die Entwicklung der<br />
Kinder steht im Mittelpunkt.<br />
3. Die Kita wandelt sich zu einem<br />
Familienzentrum<br />
Als Bildungsstätte öffnen sich die Einrichtungen<br />
nach innen <strong>und</strong> außen <strong>und</strong> bieten<br />
Unterstützung, Bildung <strong>und</strong> Beratung <strong>für</strong> die<br />
ganze Familie. Zielsetzung ist die stärkere<br />
Einbeziehung <strong>und</strong> Stärkung der ganzen Familie<br />
(weitere Informationen zu dem beschriebenen<br />
Ansatz <strong>und</strong> dem Pen Green Center finden sich<br />
unter www.pengreen.org).<br />
Kontakt:<br />
Jutta Burdorf-Schulz<br />
Mehrgenerationenhaus Kiezoase<br />
Barbarossastraße 65<br />
10781 Berlin<br />
Tel.: 030/ 217 302 74<br />
E-Mail: burdorf-schulz@kiezoase.de
Für einen guten <strong>und</strong> ges<strong>und</strong>en Start ins Leben! Kapitel 2 Elternbildung bewegt Kinder – das Prinzip der kleinen Schritte<br />
Elternbildung bewegt Kinder – das Prinzip<br />
der kleinen Schritte<br />
Angelika Krebs, Hochschule Magdeburg-Stendal<br />
Ausgangslage:<br />
Die Auswertung des sozio-ökonomischen<br />
Panels (Repräsentativstichprobe) einer Studie<br />
der Universität Marburg 2007 ergab einen direkten<br />
kausalen Zusammenhang zwischen Armut<br />
<strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heit bei Kindern <strong>und</strong> Jugendlichen:<br />
Wer in Armut aufwächst, hat als Erwachsener<br />
eine schlechtere Ges<strong>und</strong>heit. Im Zusammenhang<br />
mit der Armutsentwicklung in<br />
Deutschland spricht man mittlerweile auch von<br />
einer Infantilisierung bzw. Familialisierung von<br />
Armut.<br />
Dass sich die sozio-ökonomische Lage, die<br />
Ausstattung mit finanziellen Ressourcen auch<br />
auf die Ges<strong>und</strong>heit auswirkt, wissen wir seit<br />
geraumer Zeit. Gerade <strong>für</strong> Kinder <strong>und</strong> Jugendliche<br />
trifft dies in verstärktem Maße zu. PISA<strong>und</strong><br />
IGLU-Studie zeigen auf, wie erheblich der<br />
Einfluss der sozialen Herkunft der Kinder auch<br />
auf ihren späteren Schul- <strong>und</strong> Ausbildungserfolg<br />
ist. Überdurchschnittlich viele Kinder aus<br />
sozial benachteiligten Familien verlassen die<br />
Schule ohne qualifiziertes Zeugnis. Eine<br />
ebenfalls erhebliche Anzahl scheitert anschließend<br />
in der beruflichen Ausbildung.<br />
Die negative Karriere beginnt bereits in den<br />
Kinderschuhen <strong>und</strong> bestimmt maßgeblich den<br />
weiteren Lebenslauf. Die Mehrzahl neuer Forschungsarbeiten<br />
belegt, dass der Lebensphase<br />
der frühen Kindheit <strong>und</strong> des Vorschulalters die<br />
größte Bedeutung <strong>für</strong> <strong>Prävention</strong> <strong>und</strong> Intervention<br />
zukommt. Die meisten sozialen, psychischen<br />
aber auch viele ges<strong>und</strong>heitliche Probleme<br />
des Jugend- <strong>und</strong> Erwachsenenalters<br />
haben ihren Ursprung in Störungen der Kindheit,<br />
ausgelöst durch unbeabsichtigte Erziehungsfehler,<br />
elterliche Fehlhaltungen <strong>und</strong> eine<br />
nicht gelingende Eltern-Kind-Interaktion.<br />
Weil eine effektive Prophylaxe fehlt, müssen in<br />
der Regel öffentliche Hand <strong>und</strong> Krankenkassen<br />
<strong>für</strong> die immensen, oft lebenslangen Folgekosten<br />
aufkommen. Ein <strong>Prävention</strong>sprogramm,<br />
besonders <strong>für</strong> sozial benachteiligte Eltern mit<br />
jungen Kindern, liegt im öffentlichen Interesse<br />
<strong>und</strong> ist neben ethischen Gründen auch<br />
volkswirtschaftlich angezeigt.<br />
Konzept<br />
Das praxisorientierte <strong>Prävention</strong>sprogramm<br />
ELTERN-AG ist eine völlig neuartige Mischung<br />
aus Elternschule <strong>und</strong> Selbsthilfe. Es richtet sich<br />
an Paare in der Familienplanungsphase <strong>und</strong><br />
Eltern von Kindern im Vorschulalter, das heißt<br />
von der Schwangerschaft bis zur Einschulung,<br />
um schon in dieser frühen Phase der<br />
Entwicklung langfristig Benachteiligungen<br />
vorzubeugen. Das Angebot eignet sich durch<br />
seine Betonung des prozessorientierten Lernens,<br />
durch seine lange zeitliche Erstreckung<br />
sowie seinen Selbsthilfecharakter ganz besonders<br />
<strong>für</strong> bildungsferne Eltern, Migrant/innen<br />
<strong>und</strong> Menschen in besonderen Lebenslagen, die<br />
den konventionellen Angeboten eher ablehnend<br />
gegenüberstehen.<br />
Ein Ziel der Elternschule ist es, eine Verselbständigung<br />
der Elterntreffen durch eine Überführung<br />
in Selbsthilfegruppen zu erreichen,<br />
weshalb diese, neben der Betreuung durch die<br />
hauptamtlichen Mentoren, zusätzlich durch<br />
ELTERN-AG-Paten begleitet werden. Durch die<br />
Dauer der Elternschule über mindestens 20<br />
Wochen, durch nachfolgende Auffrischungskurse<br />
<strong>und</strong> die von Paten begleiteten Selbsthilfegruppen<br />
sind die Steigerung der Erziehungskompetenz,<br />
Ressourcenaktivierung, Nachhaltigkeit<br />
<strong>und</strong> Netzwerkbildung des Programms<br />
gesichert. Die ELTERN-AG-Gruppen sind durch<br />
Wohnortnähe <strong>und</strong> die angebotene Kinderbetreuung<br />
während der Sitzungen besonders<br />
klientenorientiert.<br />
Der Ablauf des Konzepts <strong>und</strong> seine Erfolge<br />
Das ELTERN-AG-Programm umfasst den Gr<strong>und</strong>kurs<br />
mit 20 Treffen <strong>und</strong> zwei Auffrischungskurse<br />
mit je zehn Treffen sowie die Begleitung<br />
der Zwischenzeiten durch Paten/innen.<br />
Für die Durchführung von Elternschulen werden<br />
Sozialarbeiter/innen, Sozialpädagog/innen,<br />
Erzieher/innen sowie Personen, die anderweitig<br />
entsprechende Qualifikationen nachweisen<br />
können, von der MAPP-Akademie (Magdeburger<br />
Akademie <strong>für</strong> Praxisorientierte Psychologie)<br />
in einer berufsbegleitenden neunmonatigen<br />
Zusatzqualifikation zu ELTERN-AG-<br />
Mentor/innen („Mentor <strong>für</strong> Empowerment in<br />
der frühen Bildung <strong>und</strong> Erziehung“) ausgebildet.<br />
Die Ausbildung soll ab 2008/09 in<br />
einen Zertifikatsstudiengang der Hochschule<br />
Magdeburg-Stendal (FH) überführt werden.<br />
Das Programm beginnt mit einer sechs- bis<br />
zehnwöchigen Vorlaufphase zur Eltern- <strong>und</strong><br />
Multiplikator/innenwerbung. In den folgenden<br />
zehn Wochen der ELTERN-AG (Initialphase)<br />
werden die Eltern durch die Mentor/innen in<br />
das Programm eingeführt <strong>und</strong> mit dem Konzept<br />
vertraut gemacht. In weiteren zehn Treffen, der<br />
sog. Konsolidierungsphase, werden die<br />
konzeptionellen Abläufe der ELTERN-AG <strong>und</strong><br />
die bisher vermittelten Inhalte gefestigt. Die<br />
Auffrischungskurse mit jeweils zehn Treffen<br />
finden an den entwicklungspsychologisch<br />
wichtigen Übergängen „Eintritt in den<br />
Kindergarten“ <strong>und</strong> „Eintritt in die Gr<strong>und</strong>schule“<br />
statt.<br />
Das präventive Empowermentprogramm EL-<br />
TERN-AG wurde durch die Ernennung zum<br />
Modellprojekt von „McKinsey bildet“ <strong>und</strong> zum<br />
Good Practice Modell der B<strong>und</strong>eszentrale <strong>für</strong><br />
ges<strong>und</strong>heitliche Aufklärung gewürdigt <strong>und</strong> hat<br />
auch b<strong>und</strong>esweit durch die Nominierung zum<br />
Deutschen <strong>Prävention</strong>spreis 2006 viel Aufmerksamkeit<br />
gewonnen. Ebenso haben namhafte<br />
Global Player der freien Wirtschaft das<br />
gesellschaftliche Potenzial des ELTERN-AG-<br />
Ansatzes erkannt <strong>und</strong> unterstützen selbige<br />
deshalb im Rahmen ihrer Pro-bono-Aktivitäten.<br />
Bis Mai 2008 wurden mit dem Programm 80<br />
15
16<br />
Kapitel 2 Elternbildung bewegt Kinder – das Prinzip der kleinen Schritte Für einen guten <strong>und</strong> ges<strong>und</strong>en Start ins Leben!<br />
Mentor/innen ausgebildet, die mit ihrer Arbeit<br />
mindestens 600 Eltern mit r<strong>und</strong> 1.200 Kindern<br />
erreicht haben. Durch die genaue Auswahl<br />
(Kriterienkatalog) <strong>und</strong> besonders innovative<br />
<strong>und</strong> zugehende Konzepte der Elternwerbung<br />
setzen sich die ELTERN-AG-Gruppen vollständig<br />
aus der anvisierten Klientel zusammen. Die<br />
ELTERN-AG ist durch einen Stab zertifizierter<br />
<strong>und</strong> kontinuierlich fortgebildeter Mentor/innen<br />
sowie den selbst organisierten Elterngruppen<br />
in der Lage, sich regional <strong>und</strong> überregional<br />
auszubreiten.<br />
Ziele<br />
■ Verbesserung der elterlichen Erziehungskompetenzen<br />
<strong>und</strong> des <strong>Ges<strong>und</strong>heits</strong>wissens<br />
■ Stärkung der kindlichen Resilienz<br />
■ Förderung der familiären<br />
Problembewältigungsfähigkeiten<br />
■ Stärkung sozialer Netze <strong>und</strong> Schutzfaktoren<br />
■ Verbesserung des aufsuchenden Verhaltens<br />
der Eltern bezüglich aller relevanten<br />
Institutionen <strong>und</strong> Kooperationspartner/innen<br />
(Beratungsstellen, Ämter,<br />
<strong>Ges<strong>und</strong>heits</strong>- <strong>und</strong> Sozialdienste)<br />
Eckpunkte der Erziehungsphilosophie<br />
ELTERN-AG vertritt die Auffassung, dass wenige<br />
<strong>und</strong> einfache Erziehungsgr<strong>und</strong>sätze/-regeln<br />
ausreichend sind. Voraussetzung ist, dass<br />
Eltern lernen, diese angemessen <strong>und</strong> konsequent<br />
umzusetzen:<br />
■ Liebe <strong>und</strong> Respekt vor dem Kind<br />
■ Förderung <strong>und</strong> Ansprechbarkeit<br />
■ Konsequenz <strong>und</strong> Grenzen-Setzen<br />
■ Verstärkung des erwünschten Verhaltens,<br />
ignorieren des unerwünschten Verhaltens<br />
■ konstruktives Austragen von Konflikten<br />
■ Gewaltfreiheit<br />
Kernpostulate<br />
■ Erziehungsfähigkeiten sind bei allen Eltern<br />
vorhanden. Sie lassen sich gemeinsam entwickeln<br />
<strong>und</strong> stärken: „Eltern als Expert/innen<br />
ihrer Kinder“<br />
■ Verstärken Eltern ihre Basisfertigkeiten in<br />
der Erziehung, entwickeln die Kinder selbstregulierende<br />
<strong>und</strong> stabilisierende Verhaltensweisen:<br />
„Angeleitete Kinder als kreative Gestalter<br />
ihrer Entwicklung“<br />
■ Empowerment <strong>und</strong> Selbsthilfeorientierung:<br />
„Gemeinsames Lernen auf gleicher Augenhöhe“<br />
Wissenschaftliche Orientierung<br />
ELTERN-AG ist trotz einfach formulierter Postulate<br />
explizit wissenschaftlich ausgerichtet.<br />
Der Ansatz integriert im Besonderen die<br />
aktuellen Erkenntnisse der Neurowissenschaften,<br />
der Entwicklungspsychologie <strong>und</strong> der Pädagogik<br />
über die Bedeutung der frühen<br />
Kindheit. Die wissenschaftlichen Prinzipien<br />
sind geleitet durch Entwicklungsorientierung,<br />
Ressourcen- <strong>und</strong> Empowerment-Ansatz, kon-<br />
tinuierliche Evaluation <strong>und</strong> Überprüfung der<br />
Angemessenheit anhand evidenz-basierter Kriterien.<br />
Einsatzmöglichkeiten<br />
Die ELTERN-AG-Gruppen werden von zertifizierten<br />
Mentor/innen durchgeführt. Der Auftraggeber<br />
einer ELTERN-AG (zum Beispiel. Jugendamt,<br />
Freier Träger, Stiftung), welcher die<br />
Maßnahme finanziert, wählt die Kommune, die<br />
Stadt oder den Stadtteil, in dem die Eltern <strong>für</strong><br />
die Gruppe geworben werden <strong>und</strong> die Sitzungen<br />
stattfinden sollen. ELTERN-AG ist besonders<br />
<strong>für</strong> die Arbeit in sozialen Brennpunkten<br />
<strong>und</strong> mit Familien mit mehreren Risikofaktoren<br />
geeignet. Eine Vermittlung der Eltern<br />
in die Elterngruppen ist bei Wahrung bestimmter<br />
datenschutzrechtlicher Bestimmungen<br />
ebenfalls möglich.<br />
Durch die Merkmale „Einfachheit“, „niedrige<br />
Zugangsschwelle“ <strong>und</strong> „überprüfbare Effektivität“<br />
findet das Projekt bei den Adressat/innen<br />
der Zielgruppe eine hohe Akzeptanz – auch<br />
bei solchen, die sich durch konventionelle<br />
Beratungsangebote nicht angesprochen fühlen.<br />
Die Mentor/innen übernehmen in eigener<br />
Verantwortung <strong>und</strong> unabhängig vom/ von der<br />
Auftraggeber/in die Vorbereitung <strong>und</strong> Durchführung<br />
der Elterntreffen. Die Teilnahme an der<br />
ELTERN-AG beruht immer auf Freiwilligkeit. Die<br />
„Auftraggeber“ erhalten einen anonymisierten<br />
<strong>und</strong> qualifizierten Abschlussbericht über die<br />
Anzahl der Teilnehmer/innen, den Verlauf <strong>und</strong><br />
die auftragsrelevanten Erfolgsdaten des Elterntrainings.<br />
Sie wünschen weitere Informationen zur<br />
ELTERN-AG ® oder möchten sich zum „Mentor<br />
<strong>für</strong> Empowerment in der frühen Bildung <strong>und</strong><br />
Erziehung“ fortbilden? Dann kontaktieren Sie<br />
uns:<br />
Kontakt:<br />
Hochschule Magdeburg-Stendal,<br />
Projekt Eltern-AG<br />
Breitscheidstr. 2<br />
39114 Magdeburg<br />
Tel.: 0391 / 886-4612, Fax: 0391 / 886-4293<br />
www.eltern-ag.de
Für einen guten <strong>und</strong> ges<strong>und</strong>en Start ins Leben! Kapitel 2 Lokales Aktionsbündnis: „BLiQ – Bewegtes Leben im Quartier!“<br />
Lokales Aktionsbündnis: „BLiQ – Bewegtes<br />
Leben im Quartier!“<br />
Maren Janella, Ges<strong>und</strong>heit Berlin<br />
Kindern von Anfang an ein ges<strong>und</strong>es Aufwachsen<br />
ermöglichen <strong>und</strong> Familien in einer<br />
ges<strong>und</strong>heits- <strong>und</strong> bewegungsförderlichen Alltagsgestaltung<br />
unterstützen – dies ist das Ziel<br />
des Lokalen Aktionsbündnisses „BLiQ – Bewegtes<br />
Leben im Quartier“. Insbesondere die<br />
Bedürfnisse von Familien in sozial benachteiligter<br />
Lage <strong>und</strong> mit Migrationshintergr<strong>und</strong><br />
sollen durch das Aktionsbündnis unterstützt<br />
werden. Zielgruppe sind dabei Kinder bis sechs<br />
Jahre <strong>und</strong> ihre Eltern.<br />
Das Bündnis führt Familienzentren, Kitas, Freizeitangebote,<br />
Ärzt/innen <strong>und</strong> Sportvereine<br />
sowie Akteure <strong>und</strong> Initiativen aus den lokalen<br />
Berliner Regionen Kreuzberg <strong>und</strong> Marzahn<br />
zusammen.<br />
Marzahn <strong>und</strong> Kreuzberg weisen bevölkerungsbezogen<br />
einen besonders hohen Anteil an<br />
Menschen in sozial benachteiligten Lebenslagen<br />
sowie mit Migrationshintergr<strong>und</strong> auf. Der<br />
Anteil untergewichtiger Kinder in Marzahn-Hellersdorf<br />
beispielsweise beträgt 15 Prozent. In<br />
Friedrichshain-Kreuzberg sind deutsche Kinder<br />
türkischer Herkunft dreimal häufiger von Adi-<br />
positas betroffen als Kinder deutscher Herkunft.<br />
Die Stadtteilakteure bringen unterschiedliche<br />
Kompetenzen z.B. in Bewegungsförderung,<br />
<strong>Prävention</strong>, <strong>Ges<strong>und</strong>heits</strong>versorgung, Elternarbeit,<br />
der Arbeit mit Migrant/innen oder Mul-<br />
tiplikator/innenkonzepten mit. Gemeinsam<br />
wurde in einem partizipativen Ansatz ein ges<strong>und</strong>heitsförderliches<br />
Gesamtkonzept entwickelt.<br />
An Hand des ermittelten Bedarfs <strong>und</strong><br />
der Bedürfnisse wurden Angebote konzipiert,<br />
die zu einer nachhaltigen Veränderung der<br />
Lebenswelt der Kinder führen. Die Nachhaltigkeit<br />
wird dabei auf zwei Ebenen angestrebt,<br />
auf der Ebene der Wirkungen <strong>und</strong> auf<br />
der Ebene der Strukturen. Alle da<strong>für</strong> aus der<br />
Wissenschaft bekannten begünstigenden Komponenten<br />
wurden berücksichtigt <strong>und</strong> sind<br />
wesentlicher Bestandteil des Konzeptes. Die<br />
vorgesehenen Interventionen lassen im Alltag<br />
der Kitas <strong>und</strong> Familienzentren neue bewegungsförderliche<br />
Alltagsroutinen entstehen. Zu<br />
diesem Zweck werden Veränderungen in allen<br />
Lebensbereichen der Kinder initiiert: Im Kita-<br />
Alltag, im Stadtteil als unmittelbarem Lebensumfeld<br />
<strong>und</strong> vor allem in der Familie. In diesem<br />
Prozess stellen unterstützende Multiplikator/innen<br />
sicher, dass die Ansprache der Familien<br />
gelingt <strong>und</strong> bewegungs- <strong>und</strong> ges<strong>und</strong>heitsförderliche<br />
Routinen in den Alltag der<br />
Familien aufgenommen werden.<br />
Bedarf- <strong>und</strong> Bedürfnisermittlung<br />
In einem ersten Schritt wurden die objektiven<br />
Bedarfe aus den vorhandenen Sozial- <strong>und</strong><br />
<strong>Ges<strong>und</strong>heits</strong>daten ermittelt. Dies erfolgte auf<br />
der Gr<strong>und</strong>lage der Analyse der Sozial- <strong>und</strong><br />
<strong>Ges<strong>und</strong>heits</strong>berichte der Bezirke Friedrichs-<br />
hain-Kreuzberg <strong>und</strong> Marzahn-Hellersdorf. Die<br />
Auswertung zeigte, dass die Gruppe sozial<br />
benachteiligter Familien, insbesondere türkischer<br />
Herkunft im Teilbezirk Kreuzberg <strong>und</strong> die<br />
Gruppe sozial benachteiligter Familien, insbesondere<br />
osteuropäischer <strong>und</strong> vietnamesischer<br />
Herkunft im Teilbezirk Marzahn, die Gruppe mit<br />
dem größten Förderbedarf ist. Förderrelevante<br />
Bereiche in Marzahn-Hellersdorf sind in erster<br />
Linie die Zahnges<strong>und</strong>heit, gefolgt von Unter<strong>und</strong><br />
Übergewicht, psychischen Erkrankungen,<br />
Erkrankungen vor <strong>und</strong> während der Geburt,<br />
Verhaltensauffälligkeiten <strong>und</strong> körperkoordinatorische<br />
Fähigkeiten. Förderrelevante Bereiche<br />
in Friedrichshain-Kreuzberg sind ebenfalls in<br />
erster Linie die Zahnges<strong>und</strong>heit, gefolgt von<br />
Unter- <strong>und</strong> Übergewicht <strong>und</strong> körperkoordinatorischen<br />
Fähigkeiten. Die Ergebnisse weisen<br />
in beiden Bezirken darauf hin, dass die ges<strong>und</strong>heitlichen<br />
Beeinträchtigungen der Kinder<br />
in einem nachweislichen <strong>und</strong> klaren Zusammenhang<br />
mit der sozialen Schicht <strong>und</strong> der<br />
Herkunft der Eltern stehen.<br />
Die subjektive Bedarfsermittlung erfolgte als<br />
qualitative Zielgruppenbefragung im öffentlichen<br />
Raum. Die Ergebnisse weisen darauf hin,<br />
dass viele der befragten Familien mit Migrationshintergr<strong>und</strong><br />
nur über ein unzureichendes<br />
soziales Netz an verwandtschaftlichen Kontakten<br />
verfügt <strong>und</strong> diese Situation als belastend<br />
erlebt. Die Familien sind deshalb in erhöhtem<br />
Maß bei der Bewältigung ihrer Alltagsaufgaben<br />
auf Unterstützung angewiesen. Neben vielfältigen<br />
Belastungen wie der prekären finanziellen<br />
Situation <strong>und</strong> der knappen Zeit, verfügen<br />
die Familien aber auch über Ressourcen.<br />
Alle befragten Mütter gaben z.B. an, gerne <strong>und</strong><br />
viel zu kochen <strong>und</strong> scheinen insgesamt sehr an<br />
Themen wie der Bewegung <strong>und</strong> Ernährung<br />
ihrer Kinder interessiert zu sein.<br />
Bezogen auf das Wohnumfeld wurde deutlich,<br />
dass die Familien die wohnortnahen Spielplätze<br />
viel <strong>und</strong> gerne nutzen. Der Zustand der<br />
Spielplätze <strong>und</strong> Parkanlagen wurde allerdings<br />
durchweg als zu verschmutzt <strong>und</strong> nicht kleinkindgerecht<br />
beschrieben. Die befragten Familien<br />
wünschen sich mehr Bewegungsmöglichkeiten<br />
<strong>und</strong> spezielle Sportangebote <strong>für</strong><br />
Kleinkinder. Vor allem fehlt es ihnen in den<br />
Teilbezirken Marzahn <strong>und</strong> Kreuzberg an Sportangeboten<br />
am Wochenende <strong>und</strong> in der kalten<br />
Jahreszeit. Ferner wurde deutlich, dass die<br />
Mütter gerne Sportangebote zum Ausgleich <strong>für</strong><br />
ihren häufig sehr anstrengenden Alltag in Anspruch<br />
nehmen würden, wenn in dieser Zeit<br />
eine Versorgung der Kinder gewährleistet wäre.<br />
Auch besteht ein Interesse an Angeboten, die<br />
den Eltern zusätzlich die Möglichkeit <strong>für</strong> den<br />
Austausch mit anderen Eltern <strong>und</strong> Entlastung<br />
im Alltag geben. Sprachprobleme, Schwellenängste,<br />
bürokratische Hürden <strong>und</strong> Unkenntnis<br />
der Angebotsstrukturen sind Hindernisse, die<br />
eine Teilnahme der Kinder <strong>und</strong> ihrer Eltern an<br />
bereits vorhandenen Angeboten erschweren.<br />
17
18<br />
Kapitel 2 Elternbildung bewegt Kinder – das Prinzip der kleinen Schritte Für einen guten <strong>und</strong> ges<strong>und</strong>en Start ins Leben!<br />
Workshopphasen<br />
In insgesamt sechs moderierten Workshops<br />
(drei pro Bezirk) wurden die fachliche Expertise<br />
<strong>und</strong> die Potenziale der Akteure im Stadtteil<br />
ermittelt <strong>und</strong> zur Entwicklung gemeinsamer<br />
Maßnahmen genutzt.<br />
In den ersten beiden Workshops wurde ein<br />
Überblick über vorhandene Strukturen <strong>und</strong><br />
Netzwerke erarbeitet <strong>und</strong> Überlegungen angestellt,<br />
welche weiteren Akteure am Bündnis<br />
zu beteiligen sind, bzw. welche Unterstützung<br />
hilfreich ist (Analyse der bestehenden Strukturen).<br />
In Friedrichshain-Kreuzberg bestand großes<br />
Einvernehmen, dass es bereits zahlreiche Angebote<br />
gibt, diese jedoch zu wenig bekannt<br />
<strong>und</strong> aufeinander abgestimmt sind. Positiv ist,<br />
dass viele Anbieter/innen ein großes Interesse<br />
daran haben, sich mit ihrem Angebot auch an<br />
anderen Orten zu präsentieren. Auch bei Partner/innen,<br />
die nur über begrenzte Ressourcen<br />
verfügen, z.B. ehrenamtlich organisierte Sportvereine,<br />
wird diese Möglichkeit gesehen. Beispielsweise<br />
könnten sie sich an einem Angebot,<br />
z.B. einem Stadtteil- oder Kitafest durch<br />
die Durchführung eines Schnupperangebots<br />
beteiligen.<br />
In Marzahn-Hellersdorf ist es bereits in der<br />
Vergangenheit gelungen, in Einrichtungen bewegungsorientierte<br />
Angebote zu etablieren<br />
(z.B. bewegte Kita). Insgesamt werden jedoch<br />
mehr Räume benötigt, die <strong>für</strong> Bewegungsangebote<br />
<strong>für</strong> Kinder <strong>und</strong> Familien genutzt<br />
werden können. Hier entstand der Vorschlag,<br />
über den Kontakt zur Wohnungsbaugesellschaft<br />
zu erreichen, dass in der Plattensiedlung<br />
Höfe <strong>und</strong> Freiflächen genutzt werden können.<br />
Als Problem wurde in beiden Bezirken die<br />
fehlende Information über die Angebote <strong>und</strong><br />
die geringe Nutzung durch Zielgruppen mit<br />
besonders hohem <strong>Prävention</strong>sbedarf eingeschätzt.<br />
Ein großer Wunsch bestand nach<br />
besserer Zusammenarbeit <strong>und</strong> Vernetzung mit<br />
Kinderärzt/innen. Hier sehen die Partner/innen<br />
große Potenziale um eine direkte Vermittlung<br />
der Zielgruppe an bedarfsgerechte Angebote<br />
zu erleichtern. Wie die Zusammenarbeit verbessert<br />
werden könnte, wurde ausführlich<br />
beraten. Eine Kinderärztin aus dem Aktionsbündnis<br />
gab den Hinweis, dass auch gegenüber<br />
den Kinderärzt/innen eine erfolgreiche<br />
Kommunikationsstrategie entwickelt werden<br />
muss. Sie erklärte sich bereit hieran mitzuwirken<br />
<strong>und</strong> beim Aufbau eines effizienten<br />
Informationssystems als „Türöffnerin“ zu fungieren.<br />
Bestehende Initiativen zeigen, dass auch seitens<br />
der Ärzteschaft eine Aufgeschlossenheit<br />
<strong>für</strong> das Anliegen der Aktionsbündnisse besteht.<br />
So organisiert ein Zahnmediziner im Gebiet<br />
eines Kreuzberger lokalen Aktionsbündnisses<br />
regelmäßig mit guter Resonanz einen „Bambini“-Lauf.<br />
In der zweiten Workshopphase wurden die vorhandenen<br />
lokalen <strong>und</strong> kommunalen Angebote<br />
erörtert sowie Angebote <strong>und</strong> erste Ideen <strong>für</strong><br />
neue bewegungsfördernde Interventionen <strong>und</strong><br />
Konzepte im Sozialraum entwickelt. Besonders<br />
diskutiert wurde dabei die Erreichbarkeit sozial<br />
benachteiligter Familien, Alleinerziehender,<br />
von Familien mit Migrationshintergr<strong>und</strong> <strong>und</strong><br />
desintegrieter deutscher Familien, sowie die<br />
Niedrigschwelligkeit der vorhandenen Angebote.<br />
Die Teilnehmer/innen brachten dazu ihre<br />
Erfahrungen mit Bewegungsaktivitäten in ihren<br />
Einrichtungen <strong>und</strong> aus den Kontakten mit<br />
Eltern ein. Hier wurde betont wie wichtig die<br />
geschlechts- <strong>und</strong> kultursensible Kommunikation<br />
mit den Eltern ist. Es zeigte sich aber auch,<br />
dass zum Teil bereits Sprachschwierigkeiten,<br />
lange Arbeitszeiten oder die familiäre Situation<br />
(z.B. viele Kinder in unterschiedlichem Alter<br />
sind zu versorgen, alleinerziehend) die Ansprache<br />
der Eltern erschweren.<br />
In der abschließenden dritten Workshopreihe<br />
wurden die Partner/innen über die Ergebnisse<br />
der Bedarfs- <strong>und</strong> Bedürfnisermittlung informiert<br />
<strong>und</strong> daraus resultierende Bewertungen<br />
<strong>und</strong> Schlussfolgerungen mit ihnen beraten.<br />
Anschließend wurde <strong>für</strong> die jeweiligen Bezirke<br />
diskutiert, welche Angebotslücken bestehen,<br />
was an Aktivitäten initiiert bzw. gemeinsam<br />
gestaltet werden sollte <strong>und</strong> welche Prioritäten<br />
da<strong>für</strong> festzulegen sind. Kleingruppen erörterten<br />
Umsetzungsschritte, erforderliche Partner/innen<br />
<strong>und</strong> Ressourcen.<br />
Im Anschluss wurden Ergebnisse beider Bezirke<br />
im Plenum diskutiert. Dabei konnte zum<br />
gr<strong>und</strong>sätzlichen Vorgehen (Prozessgestaltung,<br />
Organisationsstruktur, Prozessverlauf, Maßnahmecharakter)<br />
Einvernehmen erzielt werden.<br />
Die Umsetzung folgender Maßnahmen wurde<br />
beschlossen:<br />
1.) Bewegter Spielplatz<br />
Der bewegte Spielplatz wird v.a als Wochenendangebot<br />
umgesetzt, um den Bedarf an attraktiver<br />
Freizeitgestaltung auch am Wochenende<br />
zu decken. Es sollen dabei Bewegungsspiele<br />
angeboten werden, die Eltern mit ihren<br />
Kindern zusammen wahrnehmen können.<br />
2.) Bewegte Wege<br />
Diese dienen der Bewältigung alltäglicher<br />
Wege zu Fuß oder per Fahrrad, als Alternative<br />
zum PKW <strong>und</strong> Bus. Angedacht sind z.B. „Gehgemeinschaften<br />
zur Kita“ oder die bewegungs-<br />
förderliche Gestaltung alltagsrelevanter Wege.<br />
Vorhandene Elemente werden wenn möglich<br />
genutzt <strong>und</strong> so gestaltet, dass diese dazu<br />
anregen sich zu bewegen (z.B.: „Hüpfpoller“).<br />
3.) Bewegte Räume<br />
Die bewegten Räume sind eng verb<strong>und</strong>en mit<br />
den bewegten Wegen. Hier sollen im Lebensumfeld<br />
der Kinder Freiräume geschaffen werden,<br />
die zur Bewegung einladen. Wenn möglich<br />
können dabei auch Freiflächen zwischen genutzt<br />
werden.<br />
4.) Qualifizierung <strong>und</strong> Kompetenzsteigerung<br />
Die Kompetenzen der Erziehenden sollen erhöht<br />
werden, um bewegungs- <strong>und</strong> ges<strong>und</strong>heitliche<br />
Alltagsroutinen in den Familienalltag<br />
zu integrieren. Die Eltern sollen systematisch in<br />
die Aktivitäten einbezogen werden, wobei<br />
sprachliche <strong>und</strong> kulturelle Besonderheiten berücksichtigt<br />
werden. Zusätzlich sollen Multiplikator/innen<br />
geschult werden, die in der Kita<br />
oder dem Stadtteil gemeinsam mit den Eltern<br />
Ideen zur Bewegungsförderung entwickeln <strong>und</strong><br />
umsetzten.<br />
Ausblick<br />
Die innerhalb der ersten Förderphase (Aufbauphase)<br />
aufgebauten Strukturen <strong>und</strong> gewonnenen<br />
Erkenntnisse bezüglich der Bedarfe <strong>und</strong><br />
Bedürfnisse der Zielgruppe werden in einer<br />
zweiten Förderphase (Durchführungsphase)<br />
weitergeführt <strong>und</strong> vertieft.<br />
Sechs lokale Aktionsbündnisse (drei in Kreuzberg,<br />
eins in Marzahn, eins in Potsdam <strong>und</strong> eins<br />
in Brandenburg) werden in der Gestaltung<br />
einer bewegungsfre<strong>und</strong>lichen Lebenswelt unterstützt.<br />
Außerdem wird der Transfer der<br />
Konzepte im Rahmen der Berliner <strong>und</strong> Brandenburger<br />
<strong>Ges<strong>und</strong>heits</strong>zieleprozesse vorangetrieben.<br />
Das Projekt wird finanziert aus Mitteln des<br />
Nationalen Aktionsplans „IN FORM – Deutschlands<br />
Initiative <strong>für</strong> ges<strong>und</strong>e Ernährung <strong>und</strong><br />
mehr Bewegung“ innerhalb der Förderinitiative<br />
„Aktionsbündnisse Ges<strong>und</strong>e Lebensstile <strong>und</strong><br />
Lebenswelten“.<br />
Kontakt:<br />
Maren Janella<br />
Ges<strong>und</strong>heit Berlin<br />
Friedrichstraße 231<br />
10969 Berlin<br />
Tel.: 030/ 443 190 76<br />
E-Mail: janella@ges<strong>und</strong>heitberlin.de
Für einen guten <strong>und</strong> ges<strong>und</strong>en Start ins Leben! Kapitel 2 Lokales Aktionsbündnis: „BLiQ – Bewegtes Leben im Quartier!“<br />
Heiße Töpfe – coole Köche oder Essen lernt<br />
man beim Kochen<br />
Bärbel Schock, JAO e.V.<br />
Ich möchte Ihnen heute ein Projekt vorstellen,<br />
in dem Eltern von Kindergartenkindern unter<br />
Anleitung einer Ernährungsberaterin lernen,<br />
schnelle <strong>und</strong> preiswerte <strong>und</strong> dennoch ges<strong>und</strong>e<br />
Gerichte zuzubereiten.<br />
Warum ist so ein Projekt überhaupt<br />
erforderlich?<br />
In einer Vernetzungsr<strong>und</strong>e mit Vertreter/innen<br />
von Jugendförderung, Schulen, Kitas, Jugendeinrichtungen<br />
<strong>und</strong> dem Regionalen sozialen<br />
Dienst wurde im Jahr 2005 festgestellt, dass im<br />
Stadtteil Marzahn NordWest ein hoher Anteil<br />
der Kinder Anzeichen von Mangel- bzw. Fehlernährung<br />
aufweist.<br />
Was also tun?<br />
Es war <strong>für</strong> uns keine Lösung, die Kinder über<br />
die Kita mit ausgewogener Ernährung zu<br />
versorgen – das sollte sowieso als gegeben<br />
vorausgesetzt sein – noch wollten wir über die<br />
Eröffnung einer Suppenküche oder ähnlichem<br />
die Eltern aus ihrer Verantwortung <strong>für</strong> eine<br />
ges<strong>und</strong>e Ernährung ihres Kindes entlassen.<br />
Blieb also nur noch, das „Übel“ an der Wurzel<br />
zu packen <strong>und</strong> die Eltern zu befähigen, ihren<br />
Kindern ges<strong>und</strong>e <strong>und</strong> ausgewogene Mahlzeiten<br />
zuzubereiten. Da das Essverhalten vorwiegend<br />
in den ersten zehn Lebensjahren erlernt<br />
<strong>und</strong> geprägt wird, haben wir als Zielgruppe<br />
Eltern von Klein- <strong>und</strong> Vorschulkindern ausgewählt.<br />
Geboren war das Projekt „Heiße Töpfe<br />
– coole Köche“. Nun machen wir uns nichts vor:<br />
Unsere Kinder lieben Spaghetti, Pizza, Fastfood<br />
<strong>und</strong> Co., <strong>und</strong> viele Eltern scheuen auch die<br />
Auseinandersetzung mit ihren Kindern um das<br />
Essen. Es galt also zunächst das Bewusstsein<br />
der Eltern zu schärfen, wie wichtig ges<strong>und</strong>es<br />
Essen <strong>für</strong> das Wohlbefinden <strong>und</strong> die körperliche<br />
<strong>und</strong> geistige Entwicklung des Kindes ist –<br />
es reicht eben nicht aus, dass das Kind satt ist.<br />
Ziel des Projektes war also zum einen, den<br />
Eltern zu verdeutlichen, dass Ernährungser-<br />
ziehung in der Familie stattfindet <strong>und</strong> ihnen<br />
dabei eine Vorbildfunktion zukommt, da Kinder<br />
durch Nachahmung lernen. Ein Kind, dem zu<br />
Hause kein Obst <strong>und</strong> Gemüse oder exotische<br />
Früchte angeboten werden, wird auch später<br />
nicht zu bewegen sein, diese zu essen <strong>und</strong><br />
noch schlimmer, es den eigenen Kindern wiederum<br />
nicht anbieten. Anderseits sollten die<br />
Eltern praktisch erfahren, wie einfach es ist,<br />
Mahlzeiten abseits von Suppendosen <strong>und</strong> Tiefkühlpizza<br />
zuzubereiten.<br />
Bei der Auswahl der Gerichte standen <strong>für</strong> uns<br />
folgende Aspekte im Mittelpunkt:<br />
Die Gerichte sollten...<br />
■ preiswert sein (max. 2,00 Euro pro Person)<br />
■ aus nicht viel mehr als sieben Zutaten<br />
bestehen<br />
■ in maximal 30 Minuten zuzubereiten sein<br />
■ Zutaten der Saison beinhalten, die in den<br />
Märkten der Region gekauft werden können<br />
■ in Deutschland übliche Mahlzeitengewohnheiten<br />
<strong>und</strong> Essensvorlieben von Kindern<br />
berücksichtigen<br />
Gemeinsam mit der Ernährungsberaterin Astrid<br />
Alter wurden entsprechende Rezepte konzipiert<br />
<strong>und</strong> zusammengestellt. Neben ganz<br />
neuen Gerichten wurden auch Tipps <strong>und</strong> Tricks<br />
verraten, wie man Fertiggerichte so aufpeppen<br />
kann, dass sie doch noch vollwertig sind, denn<br />
es ist immer noch besser, dass sich das Kind,<br />
wenn es allein aus der Schule kommt, eine<br />
Tiefkühlpizza aufwärmt, als dass es zu McDonalds<br />
<strong>und</strong> Co. geht. So entstanden pro Kurs <strong>und</strong><br />
Jahr etwa 50 Rezepte, die alle Bereiche vom<br />
Frühstück bis zum Abendbrot abdecken. Ein<br />
Kochkurs umfasste drei Veranstaltungen mit je<br />
drei St<strong>und</strong>en. Die Veranstaltungen fanden in<br />
den späten Nachmittagsst<strong>und</strong>en statt, sodass<br />
die Kinder währenddessen noch in der Einrichtung<br />
betreut werden konnten.<br />
Die Veranstaltungen gliederten sich in einen<br />
theoretischen Teil zu Fragen wie<br />
■ Was ist die Ernährungspyramide?<br />
■ Brauchen Kinder spezielle Kinderlebensmittel?<br />
■ Wie gestalte ich ein optimales Familienessen?<br />
<strong>und</strong> einen praktischen Teil zu Themen wie<br />
■ Suppenkasper <strong>und</strong> Gemüsemuffel<br />
■ Nudeln machen glücklich<br />
■ Burger <strong>und</strong> Co. mal ganz anders<br />
■ Süße Überraschungen <strong>für</strong> die Naschkatze<br />
Rezeptvorschlag – die Nutella-Alternative<br />
Zu diesem Thema habe ich ein Beispiel mitebracht.<br />
Wie heißt es immer so schön in den<br />
Kochsendungen: „Ich hab hier schon mal was<br />
vorbereitet“ <strong>und</strong> „Man nehme“:<br />
– 200 g Mandeln mit Schale, fein gemahlen<br />
– 100 g flüssigen Honig oder Sirup (ich habe<br />
hier Honig)<br />
– 100 g Joghurt oder Magerquark (ich nehme<br />
Quark)<br />
– 1 TL Kakaopulver oder Carobpulver (hier Kakao)<br />
Alle Zutaten werden in der Schüssel gut verrührt<br />
<strong>und</strong> fertig ist die Nutella-Alternative, garantiert<br />
ohne Geschmacksverstärker <strong>und</strong> Konservierungsstoffe.<br />
Die fertige Creme kann gut<br />
in einem geschlossenen Gefäß (Schraubglas)<br />
im Kühlschrank aufbewahrt werden <strong>und</strong> ist so<br />
etwa 14 Tage haltbar. Sie sehen, die Menge ist<br />
ungefähr identisch. Ein Glas Nutella kostet 1,69<br />
Euro, die Zutaten zur Schoko-Mandel-Creme<br />
kosten 1,30 Euro.<br />
Zum Abschluss des Kochkurses erhielten die<br />
Teilnehmenden eine Sammlung von r<strong>und</strong> 40<br />
Rezepten. Die Umsetzung unseres Konzeptes<br />
gestaltete sich schwieriger als zunächst gedacht.<br />
Die Kindertagesstätten des Stadtteils<br />
sind finanziell nicht so ausgestattet, dass sie<br />
sich das Projekt „leisten“ konnten, sodass<br />
nach einer Fremdfinanzierung gesucht werden<br />
musste, die in den Jahren 2005-2007 von der<br />
Quartiersagentur Marzahn NordWest übernommen<br />
wurde. Seitdem konnte das Projekt<br />
nicht durchgeführt werden, da keine Finanzierung<br />
gegeben war. Doch auch die Kooperation<br />
mit den Kitas verlief nicht reibungslos:<br />
Obwohl die Einrichtungen die Notwendigkeit<br />
des Projektes bestätigten, fanden sich im<br />
ersten Jahr nur sechs Kitas im Stadtteil <strong>und</strong> im<br />
zweiten Jahr drei Kitas, in denen wir den<br />
Kochkurs auch wirklich realisieren konnten.<br />
19
20<br />
Kapitel 2 Entwicklungsförderung in der Kita Für einen guten <strong>und</strong> ges<strong>und</strong>en Start ins Leben!<br />
Die Kitas sollten die Räumlichkeiten (Küche)<br />
zur Verfügung stellen, die Anwesenheit<br />
eines/einer Koches/Köchin garantieren sowie<br />
die Werbung <strong>für</strong> den Kochkurs übernehmen,<br />
damit gezielt Eltern angesprochen werden<br />
konnten. Zeitliche, personelle <strong>und</strong> räumliche<br />
Defizite wurden daher am häufigsten als<br />
Gründe gegen eine Durchführung genannt.<br />
Ergänzend zu den Veranstaltungen in den Kitas<br />
fanden sich jedoch weitere Einrichtungen, vor<br />
allem der Kinder- <strong>und</strong> Jugendhilfe, wo der Kurs<br />
stattfinden konnte. Im letzten Jahr wurde ein<br />
Kochkurs in einer Kita durchgeführt, zwei<br />
fanden in der Hauptschule <strong>und</strong> zwei bei freien<br />
Trägern statt. Insgesamt wurden pro Jahr etwa<br />
50 Mütter, leider keine Väter, erreicht. Viele<br />
waren bereit im nächsten Jahr noch einmal<br />
teilzunehmen. Trotz der geschilderten Schwierigkeiten<br />
<strong>und</strong> der fehlenden Finanzierung <strong>für</strong><br />
dieses Jahr möchte ich das Projekt nicht als<br />
gescheitert erklären. Wichtige Indikatoren, an<br />
denen wir dieses Projekt bewerten, sind unter<br />
Beachtung der Wirkung auf die Kompetenz der<br />
Eltern folgende:<br />
■ Kenntnisgewinn über ges<strong>und</strong>e Ernährung<br />
■ Erwerb praktischer Fähigkeiten <strong>und</strong> Fertigkeiten<br />
■ Erkenntnis über eigene Ressourcen<br />
■ Erwerb von Wissen über preiswerte <strong>und</strong> ausgewogene<br />
Kinderkost<br />
Kontakt:<br />
Bärbel Schock<br />
Haus Windspiel JAO e.V.<br />
Golliner Straße 6<br />
12689 Berlin<br />
Tel.: 030/ 934 914 20<br />
E-mail: familientreff.schock@jao-berlin.de
Für einen guten <strong>und</strong> ges<strong>und</strong>en Start ins Leben! Kapitel 2 Entwicklungsförderung in der Kita<br />
Entwicklungsförderung in der Kita<br />
Manuel Ahrens, Unfallkasse Berlin<br />
Unfallversicherung <strong>für</strong> Kinder<br />
Jedes Berliner Kind, das eine Kindertagesstätte<br />
(Kita) besucht, ist automatisch bei der Unfallkasse<br />
Berlin unfallversichert. Das gilt auch <strong>für</strong><br />
Schüler/innen, Studierende, ehrenamtlich Tätige,<br />
Arbeiter/innen <strong>und</strong> Angestellten im öffentlichen<br />
Dienst <strong>und</strong> andere Gruppen. Gr<strong>und</strong>-<br />
sätzlich ist jeder in Deutschland, der in einem<br />
Arbeits- oder Dienstverhältnis steht, gesetzlich<br />
unfallversichert.<br />
Vielen Menschen ist das gar nicht bekannt, weil<br />
die Beiträge zu diesem Zweig der Sozialversicherung<br />
nicht auf der Lohn- oder Gehaltsabrechnung<br />
auftauchen. Der <strong>Ges<strong>und</strong>heits</strong>schutz<br />
<strong>für</strong> Beschäftigte liegt in der Verantwortung der<br />
Unternehmer/innen, daher besteht auch nur<br />
<strong>für</strong> sie die gesetzliche Pflicht, die Beiträge zu<br />
entrichten.<br />
<strong>Prävention</strong> <strong>und</strong> <strong>Ges<strong>und</strong>heits</strong>förderung<br />
Die Hauptaufgabe der gesetzlichen Unfallversicherungsträger<br />
ist die <strong>Prävention</strong> von Unfällen<br />
<strong>und</strong> so genannten arbeitsbedingten <strong>Ges<strong>und</strong>heits</strong>gefahren.<br />
Für den Bereich der Berliner<br />
Kitas hatten wir vor r<strong>und</strong> sechs Jahren<br />
unsere <strong>Prävention</strong>sarbeit überprüft <strong>und</strong> dabei<br />
festgestellt, dass viele Kitas <strong>und</strong> Eltern die<br />
Unfallkasse Berlin <strong>und</strong> deren Angebote kaum<br />
kannten. Es bestand in den Einrichtungen<br />
durchaus Bedarf, den Kenntnisstand in den<br />
Bereichen <strong>Prävention</strong> <strong>und</strong> <strong>Ges<strong>und</strong>heits</strong>förderung<br />
zu erweitern.<br />
Zugleich wuchs in der <strong>Prävention</strong>sabteilung der<br />
Unfallkasse Berlin die Erkenntnis, dass die<br />
häufigsten Unfälle in den Kitas nicht aufgr<strong>und</strong><br />
technischer oder baulicher Mängel entstanden<br />
(wir haben hier heute hohe Standards), sondern<br />
dass psychosoziale Zusammenhänge, die<br />
soziale Lage der Kinder zu Hause, entwicklungsbedingte<br />
Ursachen, aber auch das soziale<br />
Klima in der Einrichtung als Hauptfaktoren zu<br />
betrachten waren. Die Entstehungsbedingun-<br />
gen von Unfällen <strong>und</strong> ges<strong>und</strong>heitlichen Störungen<br />
sind also durchaus vergleichbar.<br />
Vor diesem Hintergr<strong>und</strong> wird der ausschließlich<br />
auf den einzelnen Unfall gerichtete Blick dem<br />
komplexen Ursachengefüge nicht gerecht. Wir<br />
richteten daher unsere Aufmerksamkeit zunehmend<br />
ganzheitlich aus, weg von einer auf<br />
Vermeidung, Verhütung <strong>und</strong> rein risikoorientiert<br />
ausgerichteten <strong>Prävention</strong>, hin zu einer<br />
<strong>Ges<strong>und</strong>heits</strong>förderung, die an den Potenzialen<br />
einer ges<strong>und</strong>en Entwicklung ausgerichtet ist,<br />
Fertigkeiten <strong>und</strong> Lebenskompetenzen fördert.<br />
Anforderungen an ein Kinderbuch zur<br />
<strong>Ges<strong>und</strong>heits</strong>bildung<br />
Das selbst gestellte Ziel war, zunächst ein ganzheitliches<br />
Verständnis von Sicherheit <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heit<br />
in allen Berliner Kitas zu vermitteln<br />
<strong>und</strong> dabei auch den Bekanntheitsgrad der Unfallkasse<br />
Berlin zu erhöhen, um auf Unterstützungsangebote<br />
des Sozialversicherungsträgers<br />
aufmerksam zu machen. Dazu erschien<br />
uns ein Vorlesebuch als niedrigschwelliges<br />
Angebot geeignet, da Kinderbücher in Kitas<br />
gern zur pädagogischen Arbeit genutzt werden.<br />
Anders als in vielen Medien zur ges<strong>und</strong>heitlichen<br />
„Aufklärung“ sollte auf einen warnenden,<br />
auf Defizite ausgerichteten Charakter in<br />
den Geschichten verzichtet werden. Auch das<br />
Gegenüberstellen von falschem <strong>und</strong> richtigem<br />
Verhalten sollte entfallen, denn gerade Kinder<br />
aus den Risikogruppen müssten sich sonst mit<br />
den Negativfiguren identifizieren. Entscheidende<br />
Gr<strong>und</strong>lage der Konzeption war die<br />
Ausrichtung der Geschichten auf die Vermittlung<br />
von positiven Emotionen, um Lust auf das<br />
Thema zu machen <strong>und</strong> sich Bildungsinhalte<br />
nachhaltig anzueignen. Um dies zu erreichen,<br />
müssen sich Gestaltung <strong>und</strong> Themen auf<br />
Augenhöhe der Kinder befinden.<br />
Berücksichtigung sollten daher die Entwicklungsbesonderheiten<br />
der jungen Zielgruppe<br />
(viertes bis siebtes Lebensjahr) finden, deren<br />
Interessen <strong>und</strong> Bedürfnisse. Dazu gehört auch<br />
entwicklungsspezifische Themen aufzugreifen,<br />
wie Furcht <strong>und</strong> Mut, Nichtkönnen <strong>und</strong> Können,<br />
Geborgenheit <strong>und</strong> Selbstständigkeit, Ausgrenzung<br />
<strong>und</strong> Integration <strong>und</strong> andere mehr. Hier<br />
wird der ganzheitliche Charakter deutlich, der<br />
im Schulterschluss mit dem Konzept der <strong>Ges<strong>und</strong>heits</strong>förderung<br />
steht: Die Wechselwirkung<br />
verschiedener allgemeiner Lebenskompetenzen<br />
auf das eigentliche <strong>Ges<strong>und</strong>heits</strong>thema<br />
sollte aufgezeigt werden mit dem Ziel, eine<br />
größere Selbstbestimmung zu erlangen. Klassische<br />
<strong>Prävention</strong>sziele (Beispiel: Verhütung<br />
von Sturzunfällen) sollten in Ziele der <strong>Ges<strong>und</strong>heits</strong>förderung<br />
überführt werden, die sich an<br />
Fähigkeiten <strong>und</strong> dem Aufbau von Fertigkeiten<br />
ausrichtet (Beispiel: Bewegungsförderung mit<br />
dem Ziel größere Bewegungssicherheit zu erlangen).<br />
Eine Geschichte allein bewirkt noch keinen<br />
Bildungsprozess. Sie ist zunächst, wenn sie<br />
emotionalisierend wirkt, in der Lage, Interesse<br />
zu wecken. Der eigentliche Lernvorgang findet<br />
bei Kindern des Elementarbereichs im praktischen<br />
Spiel statt. Dies machen sie in der Regel<br />
selbsttätig, manche Kinder müssen jedoch<br />
dazu ermutigt werden. Teil des Kinderbuchkonzepts<br />
war daher, der Geschichte einen Anhang<br />
mit Spielvorschlägen folgen zu lassen,<br />
um Inhalte aufzugreifen <strong>und</strong> im geschützten<br />
Rahmen zu erproben.<br />
Die Erwachsenen gelten als heimliche Zielgruppe<br />
im Rahmen des Konzepts: Als Vorleser/innen<br />
werden sie in den <strong>Prävention</strong>sprozess mit<br />
einbezogen. Sie lernen mit <strong>und</strong> motivieren die<br />
Kinder, die Themen anschließend spielerisch zu<br />
verarbeiten. Voraussetzung ist, dass auch ihnen<br />
das Buch gefällt, denn sie sind Entscheider/innen<br />
<strong>und</strong> Multiplikator/innen.<br />
Die Abenteuer von Upsi<br />
Das Ergebnis der r<strong>und</strong> einjährigen konzeptionellen<br />
Vorarbeit kann sich sehen lassen: Bis<br />
heute sind fünf Bücher <strong>und</strong> ein Hörspiel zu<br />
unterschiedlichen <strong>Ges<strong>und</strong>heits</strong>themen entstanden<br />
<strong>und</strong> – über die Berliner Grenzen hinaus<br />
– sehr nachgefragt. Hauptperson ist Upsi, eine<br />
Fantasiefigur, die nicht Lehrmeister oder Besserwisser<br />
ist, sondern die Erlebniswelt von<br />
Kindern widerspiegelt. Er ist neugierig, expe-<br />
21
22<br />
Kapitel 2 Entwicklungsförderung in der Kita Für einen guten <strong>und</strong> ges<strong>und</strong>en Start ins Leben!<br />
rimentierfreudig <strong>und</strong> stößt oft an Grenzen. Die<br />
folgende Tabelle gibt einen Überblick zu den<br />
Themen <strong>und</strong> Zielen der bisher veröffentlichten<br />
Bücher:<br />
Titel Ziel<br />
Klassische <strong>Prävention</strong><br />
Upsi lernt fliegen Verhütung von<br />
Sturzunfällen<br />
Upsi <strong>und</strong> der grüne<br />
Drache machen Feuer<br />
Upsi <strong>und</strong> der laute<br />
Seebär<br />
Upsi findet den<br />
schönsten Klang der<br />
Welt (CD)<br />
Upsi rettet den großen<br />
Wal<br />
Upsi <strong>und</strong> das<br />
Seepferdchen<br />
Verhütung von<br />
Brandunfällen<br />
Verhütung von<br />
Gehörschäden<br />
Verhütung von<br />
Hautschädigungen<br />
Verhütung von<br />
Ertrinkungsunfällen<br />
Die Medien schickte die Unfallkasse Berlin an<br />
alle Kitas <strong>und</strong> – seit 2007 – alle Erstklassen der<br />
Gr<strong>und</strong>schulen in Berlin. Die Akzeptanz ist bis<br />
heute sehr hoch, wie eine Abfrage ergab:<br />
■ Aus mehr als 200 Einrichtungen gaben über<br />
90 Prozent an, die Bücher regelmäßig vorzulesen,<br />
mehr als die Hälfte nutzen die Bücher<br />
häufig.<br />
Ziel<br />
<strong>Ges<strong>und</strong>heits</strong>förderung<br />
Bewegungsförderung,<br />
Spaß an Bewegung<br />
Umgang mit Feuer<br />
lernen<br />
Bewusstes Zuhören<br />
fördern<br />
Sensibilisierung <strong>für</strong><br />
Hautempfindungen<br />
Vertrauen zur Bewegung<br />
im Wasser aufbauen,<br />
Schwimmen<br />
lernen<br />
Nebenziele<br />
Möglichkeiten <strong>und</strong><br />
Grenzen des eigenen<br />
Körpers ausloten, u.a.<br />
Möglichkeiten <strong>und</strong><br />
Grenzen von<br />
Selbstständigkeit, u.a.<br />
Wahrnehmungsförderung,Sprachentwicklung,Stressregulation,<br />
u.a.<br />
Zusammenhang<br />
Emotionen <strong>und</strong> Haut,<br />
Selbstwahrnehmung<br />
stärken, u.a.<br />
Überwindung von<br />
Ängsten, Umgang mit<br />
Trauer, u.a.<br />
■ Die Inhalte der Geschichten werden von<br />
nahezu allen Pädagoge/-innen als zusätzliche<br />
Unterstützung bei der Umsetzung eigener<br />
Bildungsziele bewertet. Über 60 Prozent<br />
betrachten dies sogar als vollständig<br />
erfüllt.<br />
■ Die Auswertung zeigt, dass es in den Einrichtungen<br />
nicht allein beim Vorlesen bleibt.<br />
Die <strong>Prävention</strong>sinhalte der Bücher werden<br />
regelmäßig (95 Prozent) auch nach dem Vorlesen<br />
zum Thema gemacht.<br />
■ Obwohl die Upsi-Bücher in Berlin nur an<br />
Kitas <strong>und</strong> Schulen ausgegeben werden, ist<br />
Upsi in einem Viertel der Einrichtungen auch<br />
einem überwiegenden Teil der Eltern bekannt.<br />
Gänzlich unbekannt ist Upsi den<br />
Eltern nur in zwölf Prozent aller befragten<br />
Einrichtungen. Vermutlich führt die Begeisterung<br />
der Kinder dazu, ihren Eltern von Upsi<br />
zu erzählen.<br />
■ In den Gr<strong>und</strong>schulen wird besonders die<br />
Didaktik <strong>und</strong> kindgerechte Umsetzung der<br />
Themen gelobt. Die Illustrationen haben den<br />
häufigsten Zuspruch, aber auch die fantasievollen<br />
Geschichten <strong>und</strong> Spielvorschläge im<br />
Anhang der Bücher kommen gut an.<br />
Berliner Kitas <strong>und</strong> Gr<strong>und</strong>schulen erhalten Upsi-<br />
Bücher kostenfrei <strong>und</strong> können bei Bedarf<br />
weitere Exemplare bei der Unfallkasse Berlin<br />
nachbestellen. Institutionen außerhalb Berlins<br />
<strong>und</strong> Privathaushalte wenden sich an den Kooperationspartner<br />
Aktion DAS SICHERE HAUS.<br />
Dort kann das Buch gegen Einsendung von<br />
Briefmarken bestellt werden.<br />
Kontakt:<br />
Manuel Ahrens<br />
Unfallkasse Berlin<br />
Culemeyerstraße 2<br />
12277 Berlin<br />
Tel.: 030/ 762 413 76<br />
E-Mail: m.ahrens@unfallkasse-berlin.de<br />
www.unfallkasse-berlin.de
Für einen guten <strong>und</strong> ges<strong>und</strong>en Start ins Leben! Kapitel 2 Ges<strong>und</strong>e Kinder – ges<strong>und</strong>e Zukunft<br />
Ges<strong>und</strong>e Kinder – ges<strong>und</strong>e Zukunft<br />
Werner Mall, AOK Berlin<br />
Soziale Benachteiligung beeinträchtigt nicht<br />
zuletzt die Ges<strong>und</strong>heit <strong>und</strong> dies auch bereits<br />
bei Kindern. Ob Übergewicht, Essstörungen,<br />
Verhaltensauffälligkeiten oder Unfälle – die Risiken<br />
sozial benachteiligter Kinder liegen<br />
teilweise um das Dreifache über denen von<br />
Kindern aus Mittel- <strong>und</strong> Oberschicht. Bewährtes<br />
ausbauen <strong>und</strong> Lücken schließen, könnte<br />
daher als Motto über der Initiative „Ges<strong>und</strong>e<br />
Kinder – Ges<strong>und</strong>e Zukunft“ stehen, die im Jahr<br />
2007 von AOK, Stern <strong>und</strong> RTL gestartet wurde.<br />
Auf der Basis einer Studie von Professor Klaus<br />
Hurrelmann von der Universität Bielefeld baut<br />
die b<strong>und</strong>esweite Kampagne auf ein langfristiges<br />
Engagement mit konkreten Hilfen <strong>und</strong><br />
Unterstützung <strong>für</strong> Kinder...<br />
■ in allen Entwicklungsphasen (von der<br />
Schwangerschaft bis in die Pubertät)<br />
■ in verschiedenen Themen (Ges<strong>und</strong>heit allgemein,<br />
Ernährung, Bewegung, Entspannung,<br />
Entwicklung)<br />
■ in allen sozialen Schichten<br />
■ in verschiedenen Lebenswelten (Familien,<br />
Kindergärten, Schulen, Stadtteile/Vereine).<br />
Die AOK Berlin bietet schon vor der Geburt des<br />
Kindes den Eltern Informationen <strong>für</strong> eine<br />
ges<strong>und</strong>e Ernährung in der Schwangerschaft an<br />
(AOK „Baby Care Nutrition“) <strong>und</strong> führt <strong>für</strong><br />
werdende Mütter diverse <strong>Prävention</strong>skurse zur<br />
Bewegung <strong>und</strong> Entspannung durch. Nach der<br />
Geburt schließen sich Angebote r<strong>und</strong> um die<br />
ges<strong>und</strong>e Entwicklung des Kindes <strong>und</strong> die junge<br />
Familie an. Zu den ersten Schritten aus dem<br />
Schutz der Familie heraus zählt der Eintritt in<br />
die Kindertagesstätte.<br />
Außerdem engagiert sich die AOK Berlin bereits<br />
seit Jahren in Berliner Kitas. Zum Beispiel mit<br />
dem Bewegungsprojekt „Kleine kommen ganz<br />
groß raus“, das gemeinsam mit dem Landessportb<strong>und</strong><br />
Berlin durchgeführt wird oder mit<br />
„Kitas bewegen“ in Zusammenarbeit mit der<br />
Senatsverwaltung <strong>für</strong> Bildung, Wissenschaft<br />
<strong>und</strong> Forschung <strong>und</strong> der Bertelsmann-Stiftung.<br />
Beispielhaft <strong>für</strong> diese Angebote wird im Folgenden<br />
das Programm „Tiger Kids“ vorgestellt:<br />
„TigerKids“ – Kindergarten aktiv<br />
Die Chancen, das Bewegungs- <strong>und</strong> Ernährungsverhalten<br />
im Kita-Alter erfolgreich zu<br />
beeinflussen, sind besonders groß, weil es in<br />
den ersten Lebensjahren entscheidend geprägt<br />
wird. Außerdem sind Eltern, deren Mitarbeit <strong>für</strong><br />
eine erfolgreiche Verhaltensprävention unverzichtbar<br />
ist, in der Kita ihrer Kinder noch<br />
vergleichsweise präsent <strong>und</strong> leichter anzusprechen.<br />
Nicht zuletzt werden in der Kita<br />
Bevölkerungsgruppen erreicht, die aufsuchende<br />
Angebote wie Beratung <strong>und</strong> Kurse nicht<br />
oder nur ungenügend annehmen.<br />
Das Programm „TigerKids“ ist darauf<br />
ausgerichtet<br />
■ Verhaltensänderung der ganz Kleinen <strong>und</strong><br />
damit ein ges<strong>und</strong>es, aktives Erwachsenwerden<br />
zu ermöglichen;<br />
■ regelmäßige Bewegung, die Spaß macht, zu<br />
fördern;<br />
■ die Auswahl von Speisen <strong>und</strong> Getränken<br />
ges<strong>und</strong>heitsförderlich zu gestalten <strong>und</strong><br />
■ einen ges<strong>und</strong>en Lebensstil zu erleben <strong>und</strong><br />
einzuüben.<br />
Das Programm, das von der Stiftung Kinderges<strong>und</strong>heit<br />
in München entwickelt wurde, ist<br />
wissenschaftlich überprüft <strong>und</strong> konnte in einer<br />
Wirksamkeitsstudie respektable Ergebnisse<br />
vorweisen.<br />
Außerdem arbeitet „TigerKids“ mit den Kindern,<br />
dem Kita-Team <strong>und</strong> den Eltern.<br />
Das Programm<br />
■ vermittelt spielerisch den Wert von<br />
ges<strong>und</strong>em Essen <strong>und</strong> mehr Bewegung <strong>für</strong><br />
die Kitakinder<br />
■ bietet ein mehrtägiges Schulungsangebot<br />
<strong>für</strong> Erzieher/innen <strong>und</strong> gegebenenfalls dem<br />
Küchenpersonal, einschließlich ausführlichem<br />
Lern- <strong>und</strong> Arbeitsmaterial durch die<br />
AOK Berlin<br />
■ offeriert eine Fortbildung nach einem Jahr<br />
durch die AOK Berlin<br />
■ gibt weitere Unterstützung via Internet<br />
■ organisiert Elternabende mit Unterstützung<br />
durch die AOK Berlin<br />
■ informiert mittels Elternbriefen<br />
Am Programm „Tiger Kids“, das im neuen EU-<br />
Weißbuch zur Adipositasprävention als beispielhaftes<br />
Projekt benannt wird, haben in den<br />
vergangenen zwei Jahren bereits r<strong>und</strong> 40 Berliner<br />
Kitas mit über 4000 Kindern teilgenommen.<br />
Weitere Informationen zu dem Programm unter<br />
www.tigerkids.de.<br />
Kontakt:<br />
Werner Mall<br />
AOK Berlin<br />
Geschäftsstelle Schöneberg<br />
Pallasstraße 25<br />
10781 Berlin<br />
Tel.: 030/ 253 163 50<br />
E-Mail: werner.mall@bln.aok.de<br />
23
24<br />
Kapitel 2 Kleine kommen ganz groß raus – <strong>Ges<strong>und</strong>heits</strong>- <strong>und</strong> Bewegungsförderung <strong>für</strong> Kinder Für einen guten <strong>und</strong> ges<strong>und</strong>en Start ins Leben!<br />
Kleine kommen ganz groß raus – <strong>Ges<strong>und</strong>heits</strong><strong>und</strong><br />
Bewegungsförderung <strong>für</strong> Kinder<br />
Dr. Heiner Brandi, Jugendreferent des Landessportb<strong>und</strong>es Berlin<br />
1. <strong>Ges<strong>und</strong>heits</strong>förderung im Leitbild der<br />
Sportjugend Berlin<br />
Die Sportjugend Berlin ist Dachorganisation <strong>für</strong><br />
den Kinder- <strong>und</strong> Jugendsport <strong>und</strong> anerkannter<br />
freier Träger der Jugendhilfe. Sie ist Interessenvertretung<br />
<strong>für</strong> r<strong>und</strong> 220.000 Kinder, Jugendliche<br />
<strong>und</strong> junge Menschen in fast 2.000 Berliner<br />
Sportvereinen sowie Träger von Einrichtungen<br />
<strong>und</strong> Projekten der Kinder- <strong>und</strong> Jugendhilfe. Die<br />
Sportjugend Berlin unterstützt auf Gr<strong>und</strong>lage<br />
des Kinder- <strong>und</strong> Jugendhilfegesetzes die Erziehung<br />
<strong>und</strong> Bildung junger Menschen zu eigenverantwortlichen<br />
<strong>und</strong> gemeinschaftsfähigen<br />
Persönlichkeiten. Sie ist offen <strong>für</strong> alle Kinder<br />
<strong>und</strong> Jugendlichen, unabhängig von ihrer Herkunft,<br />
Hautfarbe, Religion <strong>und</strong> Weltanschauung.<br />
Die Sportjugend Berlin fördert junge Menschen<br />
in ihrer individuellen <strong>und</strong> sozialen Entwicklung,<br />
setzt sich da<strong>für</strong> ein, Benachteiligungen zu<br />
vermeiden oder abzubauen <strong>und</strong> trägt zu den<br />
Voraussetzungen <strong>für</strong> ein ges<strong>und</strong>es Aufwachsen<br />
bei.<br />
2. <strong>Ges<strong>und</strong>heits</strong>förderung als Querschnittsaufgabe<br />
in einem Kooperationsnetzwerk von<br />
Sport, Jugendhilfe <strong>und</strong> sozialer Arbeit<br />
Sport <strong>und</strong> Sportvereine sind Orte, an denen<br />
soziales Lernen stattfindet <strong>und</strong> informelle Bildungsprozesse<br />
angeregt werden. Nach Elternhaus,<br />
Kindertagesstätte <strong>und</strong> Schule ist der<br />
Sport eine bedeutsame Institution, in der eine<br />
große Zahl von Kindern <strong>und</strong> Jugendlichen<br />
soziale Erfahrungen gewinnt, wo Einstellungen<br />
<strong>und</strong> Verhaltensmuster mit geprägt werden <strong>und</strong><br />
sich soziales Verhalten ausbildet. Das gilt auch<br />
im Hinblick auf die Ausbildung eines aktiven<br />
<strong>und</strong> ges<strong>und</strong>en Lebensstils.<br />
Sportorganisationen sind in der Regel attraktiv<br />
<strong>und</strong> offen <strong>für</strong> alle Bevölkerungs- <strong>und</strong> Altersgruppen.<br />
Sie erreichen auch untere soziale<br />
Schichten, inzwischen auch eine große Zahl<br />
von Kindern <strong>und</strong> Jugendlichen mit Migrationshintergr<strong>und</strong><br />
<strong>und</strong> binden in dieser Hinsicht mehr<br />
Menschen als jede andere vergleichbare Organisation<br />
in Deutschland.<br />
Gleichwohl sind sozial benachteiligte Kinder<br />
<strong>und</strong> Jugendliche noch immer unterrepräsentiert.<br />
Die Sportjugend Berlin hat in den vergangenen<br />
Jahren mit Unterstützung der Senatsverwaltung<br />
<strong>für</strong> Bildung, Wissenschaft <strong>und</strong><br />
Forschung ein Kooperationsnetzwerk von<br />
Sportorganisationen, Jugendhilfe <strong>und</strong> sozialer<br />
Arbeit etabliert, das nicht nur, aber insbeson-<br />
dere an sozial benachteiligte junge Menschen<br />
adressiert ist. Ziel ist die Herstellung von mehr<br />
Chancengerechtigkeit in der Beteiligung an<br />
Sport- <strong>und</strong> Bewegungsangeboten zur gesellschaftlichen<br />
Teilhabe <strong>für</strong> alle Kinder <strong>und</strong> Jugendlichen<br />
– unabhängig von ihrer sozialen<br />
<strong>und</strong> ethnischen Herkunft. In das Kooperationsnetzwerk<br />
<strong>und</strong> dessen Handlungsansätze sind<br />
Kindertagesstätten, Schulen, Jugendfreizeitstätten<br />
sowie Projekte <strong>und</strong> Einrichtungen der<br />
Jugendsozialarbeit <strong>und</strong> Sportvereine als<br />
integrale Bestandteile eingeb<strong>und</strong>en. <strong>Prävention</strong><br />
<strong>und</strong> <strong>Ges<strong>und</strong>heits</strong>förderung stehen in<br />
einzelnen Elementen explizit im Vordergr<strong>und</strong><br />
bzw. sind mindestens als Querschnittsaufgabe<br />
verankert.<br />
3. Das Kooperationsnetzwerk in der Übersicht<br />
4. Ausgewählte Beispiele der <strong>Prävention</strong> <strong>und</strong><br />
<strong>Ges<strong>und</strong>heits</strong>förderung<br />
Das vollständige Netzwerk kann an dieser<br />
Stelle nicht vorgestellt <strong>und</strong> diskutiert werden.<br />
Zwei bedeutsame Elemente, die <strong>Prävention</strong><br />
<strong>und</strong> <strong>Ges<strong>und</strong>heits</strong>förderung in der frühen Kindheit<br />
sowie die Ausbildung von Schutzfaktoren<br />
<strong>für</strong> die Ges<strong>und</strong>heit im späteren Leben zum Ziel<br />
haben, sollen jedoch exemplarisch herausgestellt<br />
werden.<br />
„Kleine kommen ganz groß raus – Bewegungs<strong>und</strong><br />
<strong>Ges<strong>und</strong>heits</strong>förderung von Kindern“<br />
Der aktuelle Bewegungsmangel im Lebensalltag<br />
vieler Kinder führt nachweislich zu erheblichen<br />
motorischen <strong>und</strong> psycho-sozialen Entwicklungsstörungen<br />
bei den Betroffenen. Zudem<br />
sind mit der Bewegungsarmut erhebliche<br />
Risikofaktoren <strong>für</strong> den ges<strong>und</strong>heitlichen Status<br />
im Lebenslauf verb<strong>und</strong>en. Vor diesem Hintergr<strong>und</strong><br />
unterstützt das Förderprogramm ‚Kleine<br />
kommen ganz groß raus’ die Zusammenarbeit<br />
von Kindertagesstätten <strong>und</strong> Sportvereinen.<br />
Gemeinsam mit der AOK Berlin soll intensive<br />
Bewegung <strong>und</strong> ges<strong>und</strong>e Ernährung in den<br />
Lebensalltag von Kindern ins „Setting“ Kindertagsstätte<br />
gebracht werden. An dem Programm<br />
zur <strong>Prävention</strong> von Bewegungsmangel <strong>und</strong><br />
Fehlernährung beteiligen sich bisher r<strong>und</strong> 140<br />
Kindertagesstätten <strong>und</strong> etwa 110 Sportvereine.<br />
Begleitet wird das finanzielle Förderprogramm<br />
durch entsprechende Informations- <strong>und</strong> Beratungsveranstaltungen<br />
– auch unter Einbeziehung<br />
von Eltern – sowie durch Fortbildungsveranstaltungen<br />
<strong>für</strong> die beteiligten Akteure in der<br />
Bildungsstätte der Sportjugend Berlin.<br />
Kinder in Bewegung gGmbH (KiB)<br />
Gemeinnützige Kindergarten-<br />
Trägergesellschaft des Berliner Sports<br />
Seit 2005 betreibt die Sportjugend Berlin in<br />
eigener Trägergesellschaft 21 Kindertagesstätten<br />
mit r<strong>und</strong> 2500 Plätzen. Im Rahmen des<br />
Berliner Bildungsprogramms <strong>für</strong> die Betreuung<br />
<strong>und</strong> Erziehung in Kindertagesstätten hat die<br />
Kinder in Bewegung gGmbH (KiB) ein besonderes<br />
Profil im Bildungsbereich ‚Körper,
Für einen guten <strong>und</strong> ges<strong>und</strong>en Start ins Leben! Kapitel 2 Fitness <strong>für</strong> Kids<br />
Ges<strong>und</strong>heit <strong>und</strong> Bewegung’ in Kombination mit<br />
der Förderung der Sprachentwicklung ausgebildet.<br />
Hinreichende Bewegungsaktivitäten<br />
sind im frühen Kindesalter Motor der Entwicklung<br />
<strong>und</strong> gleichzeitig wesentliche Gr<strong>und</strong>lage<br />
<strong>für</strong> das Lernen <strong>und</strong> <strong>für</strong> ein ges<strong>und</strong>es Aufwachsen.<br />
Hinreichende Bewegungsanlässe <strong>und</strong> Bewegungsangebote<br />
gehören deshalb zum festen<br />
Bestandteil des Tagesablaufs in den Kindertagesstätten.<br />
Die Kitas in der eigenen<br />
Trägerschaft sollen den <strong>Ges<strong>und</strong>heits</strong>zustand<br />
der Kinder unmittelbar verbessern, durch<br />
entsprechende Anregungen, ges<strong>und</strong>e Ernährung<br />
<strong>und</strong> die nachhaltige Entwicklung von<br />
ges<strong>und</strong>heitsbezogenen Einstellungen <strong>und</strong><br />
Verhaltensweisen. Dabei soll durch gezielte<br />
Elternarbeit auch das familiäre <strong>Ges<strong>und</strong>heits</strong>verhalten<br />
modifiziert <strong>und</strong> verbessert werden.<br />
Die fachliche <strong>und</strong> organisatorische Zusammenarbeit<br />
mit anderen Einrichtungen <strong>und</strong><br />
Programmen des skizzierten Kooperationsnetzwerks<br />
kann hier<strong>für</strong> vielfältige Impulse<br />
geben <strong>und</strong> Synergieeffekte auslösen.<br />
Kontakt:<br />
Dr. Heiner Brandi<br />
Sportjugend im Landessportb<strong>und</strong> Berlin e.V.<br />
Jesse-Owens-Allee 2<br />
14053 Berlin<br />
Tel.: 030/ 300 021 66<br />
E-Mail: h. brandi@sportjugend-berlin.de<br />
25
26<br />
Kapitel 2 Fitness <strong>für</strong> Kids Für einen guten <strong>und</strong> ges<strong>und</strong>en Start ins Leben!<br />
Fitness <strong>für</strong> Kids<br />
Dr. Kerstin Ketelhut, Humboldt Universität Berlin, Institut <strong>für</strong><br />
Sportwissenschaften<br />
Einführung<br />
Immer mehr Kinder in Deutschland sind übergewichtig<br />
<strong>und</strong> leiden unter Bewegungsmangel.<br />
Die Ursachen hier<strong>für</strong> sind in den veränderten<br />
Lebensgewohnheiten zu finden. Die nachteiligen<br />
Auswirkungen einer medienorientierten<br />
Welt auf das Spiel- <strong>und</strong> Freizeitverhalten<br />
von Kindern <strong>und</strong> Jugendlichen werden immer<br />
deutlicher. Viele Kinder sind zu passiven<br />
Konsument/innen geworden <strong>und</strong> sind folglich<br />
körperlich zu wenig aktiv. Untersuchungen in<br />
Deutschland ergaben, dass sich Kinder<br />
durchschnittlich nur eine St<strong>und</strong>e am Tag bewegen.<br />
Dieser Bewegungsmangel, ein inzwischen<br />
anerkannter kardiovaskulärer Risikofaktor,<br />
führt zunehmend dazu, dass Kinder<br />
sowohl motorische Defizite als auch eine<br />
verringerte körperliche Fitness aufweisen. In<br />
der Folge treten Risikofaktoren <strong>und</strong> Krankheiten<br />
wie erhöhter Blutdruck, Fettstoffwechselstörungen,<br />
Adipositas <strong>und</strong> Diabetes mellitus,<br />
aber auch Schwächen des Stütz- <strong>und</strong><br />
Bewegungsapparates häufiger bereits im Kindes-<br />
<strong>und</strong> Jugendalter auf.<br />
Dass vielfach bereits zum Schulbeginn Defizite<br />
vorliegen, zeigen die Ergebnisse der Schuleingangsuntersuchungen,<br />
aber auch die Beobachtung<br />
der Sportlehrer/innen, die belegen,<br />
dass viele Kinder einfachste sportliche Übungen<br />
nicht mehr ausführen können. Insofern war<br />
es das Anliegen der Berliner Gesellschaft <strong>für</strong><br />
<strong>Prävention</strong> <strong>und</strong> Rehabilitation von Herz-Kreislauferkrankungen<br />
e.V. (BGPR), der Unfallkasse<br />
Berlin sowie der Universität Potsdam, ein<br />
<strong>Prävention</strong>skonzept zu entwickeln, das Kinder<br />
in einem Alter erreicht, in dem sie noch keine<br />
körperlichen Vorschädigungen <strong>und</strong> motorischen<br />
Defizite aufweisen.<br />
Projektbeschreibung<br />
Das zweijährige Pilotprojekt „Fitness <strong>für</strong> Kids“<br />
hatte zum Ziel, den oben genannten Problemen<br />
durch eine regelmäßige ges<strong>und</strong>heitsorientierte<br />
Bewegungserziehung bereits im Kindergartenalter<br />
zu begegnen. Es sollte zu einem Zeitpunkt<br />
ansetzen, zu dem bei den Kindern noch keine<br />
Defizite <strong>und</strong> Vorschädigungen vorliegen. Diese<br />
<strong>Prävention</strong>smaßnahme wurde zunächst in<br />
sechs Kitas mit 160 Kindern in verschiedenen<br />
Berliner Bezirken unterschiedlicher Sozialstruktur<br />
durchgeführt.<br />
Weitere sechs Kitas mit insgesamt 105 Kindern<br />
aus vergleichbaren sozialen Einzugsgebieten<br />
dienten als Kontrollgruppe. Um die Wirksam-<br />
keit dieser Maßnahme zu überprüfen, wurde<br />
das Projekt wissenschaftlich begleitet. Die<br />
Evaluierung dieser regelmäßigen Bewegungsförderung<br />
zeigte eindeutig, wie positiv sich<br />
diese <strong>Prävention</strong>smaßnahme auf den <strong>Ges<strong>und</strong>heits</strong>zustand<br />
<strong>und</strong> die motorischen Fertigkeiten<br />
der Kinder ausgewirkt hat. Die Intervention<br />
bestand in einem wöchentlichen Bewegungsprogramm<br />
(dreimal wöchentlich jeweils 45<br />
Minuten), das zunächst einmal pro Woche von<br />
qualifizierten Übungsleitern <strong>und</strong> die zwei weiteren<br />
Male von den zwischenzeitlich geschulten<br />
Erzieher/innen durchgeführt wurde. Dabei<br />
ging es um eine vielfältige spielerische Bewegungserziehung,<br />
die neben der Freude an der<br />
Bewegung die motorischen Gr<strong>und</strong>eigenschaften<br />
wie Ausdauer, Kraft, Schnelligkeit <strong>und</strong> Geschicklichkeit<br />
der Kinder schulen sollte.<br />
Diese spielerischen Übungen waren <strong>für</strong> jedes<br />
Kind leicht umsetzbar, einfach zu verstehen<br />
<strong>und</strong> erforderten keine großen Sprachkenntnisse.<br />
Insbesondere Bewegungsspiele mit Alltagsmaterialien<br />
(zum Beispiel Zeitungen,<br />
Fliegenklatschen, Spülschwämme etc.) erwiesen<br />
sich als sehr motivierend bei den Kindern<br />
<strong>und</strong> waren zugleich eine kostengünstige Alternative<br />
<strong>für</strong> teure Spiel- <strong>und</strong> Sportgeräte. Neben<br />
der regelmäßigen Schulung der Übungsleiter/innen<br />
vor Ort wurden Workshops unter<br />
dem Motto „Bewegungsspaß im Kindergarten“<br />
angeboten, sodass diese nach einer anfänglichen<br />
Qualifizierungsphase in der Lage waren,<br />
die Bewegungserziehung ohne fremde Hilfe<br />
völlig selbstständig fortzusetzen.<br />
Im Rahmen des zweijährigen Projekts war es<br />
wichtig, neben der Förderung der Kinder auch<br />
die Dauerhaftigkeit der Maßnahme zu gewährleisten.<br />
Aus diesem Gr<strong>und</strong> wurden die<br />
Erzieherinnen der jeweiligen Einrichtungen regelmäßig<br />
vor Ort geschult, indem sie an der Bewegungsst<strong>und</strong>e<br />
teilnahmen, die die Übungsleiter<br />
mit den Kindern durchführten. Die<br />
Übungsleiter fungierten stets auch als Beratung<br />
<strong>für</strong> die Erzieher/innen. Anschließend<br />
war es ihre Aufgabe, das Gelernte in den ein<br />
bzw. zwei weiteren wöchentlichen Bewegungsst<strong>und</strong>en<br />
anzuwenden <strong>und</strong> mit den Kindern zu<br />
erproben. Um ihre Arbeit zu erleichtern, erhielten<br />
sie zahlreiche Arbeitsmaterialien. Zusätzlich<br />
erfolgte im Zuge von begleitenden<br />
Workshops eine weitere Qualifizierung der<br />
beteiligten Erzieherinnen, sodass diese das<br />
„Know-how“ erwarben, das Bewegungsprogramm<br />
selbstständig fortzusetzen. Den Nachweis<br />
ihrer Kenntnisse erbrachten sie in einer<br />
Lehrprobe. Auf diese Weise wurden kompetente<br />
Multiplikator/innen ausgebildet, die<br />
dieses Konzept selbstständig umsetzen <strong>und</strong> es<br />
innerhalb ihrer Einrichtung an andere Kolleg/innen<br />
weitervermitteln können.<br />
Der/die kostenträchtige Übungsleiter/in kann<br />
nach Beendigung des Projekts in neuen Kindergärten<br />
eingesetzt werden. Durch dieses<br />
Multiplikator/innenkonzept kann der langfristige<br />
Fortbestand des Angebots nach einer<br />
anfänglichen Starthilfe kostenneutral gesichert<br />
werden. Durch die Qualifizierung <strong>und</strong> Verselbstständigung<br />
der Multiplikator/innen erzeugt<br />
das Projektvorgehen Strukturen <strong>und</strong><br />
Wirkungen, die unabhängig vom Gesamtprojekt<br />
über die Laufzeit hinaus fortwirken.<br />
Unter der Bedingung einer kontinuierlichen<br />
Durchführung in den Kindertagesstätten ist von<br />
überdauernden positiven Wirkungen auf die<br />
motorische Entwicklung der Kinder auszugehen.<br />
Die Tatsache, dass sich regelmäßig<br />
weitere Erzieher/innen aus Einrichtungen, die<br />
an dem Pilotprojekt beteiligt waren, <strong>für</strong> den<br />
Workshop „Bewegungsspaß im Kindergarten“<br />
anmelden, zeigt, dass das Konzept der Multiplikator/innenschulung<br />
erfolgreich ist. Auch<br />
die Tatsache, dass dieses motivierende Bewegungsprogramm<br />
sehr gut bei den Kindern<br />
ankommt, sorgt <strong>für</strong> eine schnelle Verbreitung<br />
dieses einfachen <strong>und</strong> wirkungsvollen Konzepts.<br />
Auch die Nachfrage von Seiten der Eltern führt<br />
dazu, dass immer mehr Erzieherinnen auf<br />
diesem Gebiet aktiv werden.<br />
Die Resonanz auf dieses Pilotprojekt hat dazu<br />
geführt, dass „Fitness <strong>für</strong> Kids“ inzwischen<br />
unter Leitung der Berliner Gesellschaft <strong>für</strong><br />
<strong>Prävention</strong> <strong>und</strong> Rehabilitation von Herz-Kreislauferkrankungen<br />
e.V. in 49 Berliner Kindergärten<br />
(insbesondere in sozialen Brennpunkten<br />
im Bezirk Berlin-Mitte) durchgeführt wird<br />
<strong>und</strong> mittlerweile auch in den ersten Gr<strong>und</strong>schulen<br />
seine Umsetzung findet. Inzwischen<br />
wird auf eine wissenschaftliche Evaluation verzichtet,<br />
da die Effizienz des Programms belegt<br />
ist. Aus diesem Gr<strong>und</strong> konnte die so genannte
Für einen guten <strong>und</strong> ges<strong>und</strong>en Start ins Leben! Kapitel<br />
Qualifikationsphase durch den Übungsleiter<br />
bzw. die Übungsleiterin auf sechs Monate<br />
reduziert werden. Es ist geplant, stets weitere<br />
Kindergärten in das Projekt einzubeziehen <strong>und</strong><br />
Erzieherinnen sowie Erzieher auszubilden. Weiterhin<br />
vorgesehen ist, in nächster Zukunft<br />
zusätzlich auch den Bereich „Ges<strong>und</strong>e Ernährung“<br />
in das Gesamtkonzept aufzunehmen<br />
mit dem Ziel, die Kinder frühzeitig zu einem<br />
aktiven <strong>und</strong> ges<strong>und</strong>en Lebensstil zu motivieren.<br />
Das Projekt wurde im Rahmen einer wissenschaftlichen<br />
Begleitung evaluiert. Das methodische<br />
Vorgehen beinhaltete eine Messung<br />
verschiedener ges<strong>und</strong>heitsbezogener Parameter<br />
vor <strong>und</strong> während der Intervention sowie die<br />
Messung motorischer Fertigkeiten. Um natürliche<br />
Entwicklungsprozesse bei den Kindern zu<br />
berücksichtigen, wurde eine Kontrollgruppe<br />
gebildet.<br />
Die Evaluation beinhaltete zunächst eine<br />
Eingangsuntersuchung, bei der verschiedene<br />
medizinische <strong>und</strong> motorische Tests durchgeführt<br />
wurden. Die Untersuchungen zeigten,<br />
dass Kinder in diesem jungen Alter noch über<br />
einen guten <strong>Ges<strong>und</strong>heits</strong>status verfügen.<br />
Hinsichtlich der Motorik ergab sich, dass die<br />
Kinder aus sozial benachteiligten Familien in<br />
allen motorischen Tests schlechter abschnitten<br />
als Kinder der Mittel- <strong>und</strong> Oberschicht.<br />
Bereits nach einem Jahr der Intervention<br />
zeigten sich Unterschiede zwischen der Interventions-<br />
<strong>und</strong> der Kontrollgruppe, die nach<br />
dem zweiten Jahr hochsignifikant ausfielen.<br />
Insbesondere bei der motorischen Entwicklung<br />
sowie dem diastolischen Blutdruck in Ruhe <strong>und</strong><br />
bei Belastung wies die Interventionsgruppe<br />
deutlich bessere Ergebnisse als die Kontrollgruppe<br />
auf. Besonders die Kinder aus sozial<br />
schwachen Familien profitierten von dieser<br />
Bewegungsförderung, da sich die anfänglichen<br />
schichtabhängigen Unterschiede am Ende der<br />
Projektzeit aufgehoben hatten. Des Weiteren<br />
wirkte sich dieses Konzept durch seinen starken<br />
integrativen Charakter nach Aussage der<br />
Erzieher/innen positiv auf die soziale Kompetenz<br />
der Kinder aus.<br />
Kontakt:<br />
Dr. Kerstin Ketelhut<br />
Humboldt-Universität Berlin<br />
Institut <strong>für</strong> Sportwissenschaften<br />
Konrad-Wolfstraße 45<br />
13055 Berlin<br />
Tel.: 030/ 351 305 46<br />
E-Mail: K-Ketelhut@t-online.de<br />
27
28<br />
Kapitel 3 Erfahrungen aus der Arbeit der <strong>Ges<strong>und</strong>heits</strong>multiplikator/innen Für einen guten <strong>und</strong> ges<strong>und</strong>en Start ins Leben!<br />
Kapitel 3<br />
Zugangswege zu Familien<br />
mit Migrationshintergr<strong>und</strong><br />
Erfahrungen aus der Arbeit der <strong>Ges<strong>und</strong>heits</strong>multiplikator/innen<br />
Dilek Toptas <strong>und</strong> Detlef Kuhn, Zentrum <strong>für</strong> angewandte<br />
<strong>Ges<strong>und</strong>heits</strong>förderung <strong>und</strong> <strong>Ges<strong>und</strong>heits</strong>wissenschaften (ZAGG GmbH)<br />
Allgemeine Hintergr<strong>und</strong>informationen<br />
Der Berliner Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg ist<br />
der von der Fläche her kleinste, da<strong>für</strong> aber am<br />
dichtesten besiedelte Bezirk Berlins. Im Bezirk<br />
leben r<strong>und</strong> 260 bis 440 Einwohner auf einer<br />
Fläche von 20,2 Quadratkilometern. Mit einer<br />
Arbeitslosenrate von 24 Prozent, einem Anteil<br />
von r<strong>und</strong> 13 Prozent Sozialhilfeempfänger/innen,<br />
einem niedrigen Wohnungsstandard mit<br />
hoher Belegungsdichte <strong>und</strong> dem <strong>für</strong> Berlin<br />
höchsten Anteil an Kindern unter 15 Jahren<br />
weist der Bezirk vielschichtige soziale <strong>und</strong><br />
ges<strong>und</strong>heitliche Probleme auf.<br />
In Friedrichshain-Kreuzberg liegt der Anteil<br />
übergewichtiger Kinder zum Zeitpunkt der<br />
Einschulung bei 9,7 Prozent, der Anteil der<br />
adipösen (schwer übergewichtigen) Kinder bei<br />
5,4 Prozent. Kinder mit türkischem <strong>und</strong><br />
arabischem Migrationshintergr<strong>und</strong> sind mit<br />
14,7 <strong>und</strong> 14,6 Prozent wesentlich häufiger<br />
übergewichtig, sie sind auch wesentlich<br />
häufiger adipös (8,7 Prozent <strong>und</strong> 7 Prozent) als<br />
ihre Altersgenossen deutscher Herkunft (5,9<br />
Prozent übergewichtig, 3,3 Prozent adipös.<br />
Diese Daten stammen aus der Einschulungsuntersuchung<br />
2007). Gleichzeitig verfügt der<br />
Bezirk über besondere Ressourcen: Eine große<br />
Vielfalt der Kulturen, eine reiche Projektlandschaft,<br />
eine nachbarschaftliche Kiezstruktur,<br />
eine lange Tradition der Bürgerbeteiligung <strong>und</strong><br />
eine sehr engagierte Bezirkspolitik, doch dazu<br />
später mehr.<br />
Zielgruppe<br />
Die Zielgruppe des Projekts sind Schwangere<br />
<strong>und</strong> ihre Angehörigen <strong>und</strong> Familien mit Kindern<br />
im Alter von null bis drei Jahren, maximal bis<br />
sechs Jahren, vorrangig mit türkischem <strong>und</strong><br />
arabischem Migrationshintergr<strong>und</strong>. Ältere Kinder<br />
in diesen Familien werden von der Intervention<br />
ebenfalls berührt, sind aber nicht vorrangige<br />
Zielgruppe.<br />
Ziele<br />
Ziel der Beratungsarbeit mit der Zielgruppe ist<br />
es, ges<strong>und</strong>heitsfördernde, kindliches Übergewicht<br />
vorbeugende Anteile im Lebensstil der<br />
Familien mit türkischem/arabischem Migrationshintergr<strong>und</strong><br />
zu verstärken. Mit Hilfe des<br />
systemischen Beratungsansatzes wird schwer-
Für einen guten <strong>und</strong> ges<strong>und</strong>en Start ins Leben! Kapitel 3 Erfahrungen aus der Arbeit der <strong>Ges<strong>und</strong>heits</strong>multiplikator/innen<br />
punktmäßig auf die Themen „Ausgewogene<br />
Ernährung, z. B. der Schwangeren, in Familien<br />
mit Kindern“ <strong>und</strong> „Bewegung von Kindern (<strong>und</strong><br />
ihren Bezugspersonen) im Alltag <strong>und</strong> durch<br />
sportliche Aktivitäten“ eingegangen. Erster<br />
Projektschritt bis Juni 2007 war die Ausbildung<br />
von 60 zum großen Teil muttersprachlichen<br />
Multiplikatoren in den Bereichen „Ausgewogene,<br />
Übergewicht vorbeugende Ernährung“,<br />
„Bewegungsförderung“ <strong>und</strong> „Systemischer Beratung“.<br />
Die Multiplikatoren flechten die Ausbildungsinhalte<br />
in ihre privaten <strong>und</strong> beruflichen<br />
Aktivitäten ein. Dabei werden sie von einem<br />
systematischen Qualitätsmanagement-<br />
Programm unterstützt.<br />
Vorerfahrungen der Beteiligten,<br />
bisherige Projekte<br />
Zahlreiche Initiativen, Vereine im Bezirk <strong>und</strong><br />
Abteilungen der Bezirksämter im Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg<br />
befassen sich mit der sozialen<br />
Betreuung von Familien (siehe „Netzwerk“).<br />
So wurden die Einrichtung des Kreuzberger<br />
Geburtshauses unterstützt <strong>und</strong> Geburtsvor-<br />
<strong>und</strong> -nachbereitungskurse (auch türkisch<br />
<strong>und</strong> arabisch), PEKIP-Gruppen <strong>und</strong><br />
Eltern-Kind-Selbsthilfegruppen angeboten. Es<br />
wurden Wegweiser <strong>für</strong> Schwangere in Kreuzberg<br />
<strong>und</strong> <strong>für</strong> „Junge Familien im Friedrichshain-<br />
Kreuzberger Kiez“ erstellt <strong>und</strong> auch in türkischer<br />
Sprache veröffentlicht. Außerdem existiert<br />
eine Anlaufstelle <strong>für</strong> die Probleme von<br />
Vätern. Der Kinder- <strong>und</strong> Jugendges<strong>und</strong>heitsdienst<br />
besucht regelmäßig junge Mütter im<br />
Kreuzberger Klinikum „Am Urban“. Seit 1999<br />
gehört der Bezirk dem Ges<strong>und</strong>e-Städte-Netzwerk<br />
der B<strong>und</strong>esrepublik an. Im Zuge dieser<br />
Beteiligung wurde eine systematische <strong>Ges<strong>und</strong>heits</strong>förderung<br />
mit Kindern, Jugendlichen, Familien<br />
<strong>und</strong> insbesondere sozial Benachteiligten<br />
etabliert sowie die Verbesserung der ges<strong>und</strong>heitlichen<br />
<strong>und</strong> psychosozialen Situation von<br />
Migrant/innen verstärkt in Angriff genommen.<br />
Netzwerk<br />
Das ZAGG Zentrum <strong>für</strong> angewandte <strong>Ges<strong>und</strong>heits</strong>förderung<br />
<strong>und</strong> <strong>Ges<strong>und</strong>heits</strong>wissenschaften<br />
GmbH (in Kooperation mit der Plan- <strong>und</strong><br />
Leitstelle Ges<strong>und</strong>heit im Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg<br />
von Berlin) hat die Projektkoordination<br />
<strong>und</strong> die Verantwortung <strong>für</strong> Verwaltung<br />
<strong>und</strong> Finanzierung inne.<br />
Das Konzept wurde von diesen beiden Partner/innen<br />
gemeinsam mit SW – Ernährungswissenschaftliche<br />
Dienstleistungen entwickelt.<br />
Weitere Netzwerkakteure sind unter anderem<br />
der „Arbeitskreis <strong>Ges<strong>und</strong>heits</strong>förderung vor<br />
<strong>und</strong> nach der Geburt“, der Verein AKARSU, das<br />
Bayouma-Haus, die Türkische Gemeinde zu<br />
Berlin, das Väterzentrum MANNEGE, der Verein<br />
Ges<strong>und</strong>heit Berlin e. V., der Berliner Hebammenverband,<br />
verschiedene (Kinder-)Ärzte, das<br />
Vivantes Klinkum Am Urban, Kotti e. V., die<br />
Interkulturelle Familienberatung des Arbeitskreises<br />
Neue Erziehung, das AWO-Begeg-<br />
nungszentrum im Bezirk, die Quartiersbeauftragten<br />
„Soziale Stadt“, vier interkulturelle<br />
Familien- <strong>und</strong> Stadtteilzentren, der Kinder- <strong>und</strong><br />
Jugendges<strong>und</strong>heitsdienst <strong>und</strong> verschiedene<br />
Einrichtungen der interkulturellen Familienhilfe<br />
im Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg.<br />
Interventionsansatz<br />
Die gr<strong>und</strong>legende Interventionsstrategie besteht<br />
darin, vorhandene Ressourcen, die<br />
geeignet sind, Übergewicht bei Kindern mit<br />
türkischem <strong>und</strong> arabischem Migrationshintergr<strong>und</strong><br />
vorzubeugen, weiter zu entwickeln. Zu<br />
diesem Zweck wurden 60 Multiplikator/innen<br />
in den Bereichen „Ausgewogene Ernährung,<br />
Vorbeugung von Übergewicht, Bewegung im<br />
Alltag, Förderung der Entwicklung <strong>und</strong> körperlichen<br />
Aktivität der Kinder, Systemische Beratung<br />
im individuellen Kontext“ ausgebildet.<br />
Die Multiplikator/innen sind zum Beispiel als<br />
Hebammen, Sozialarbeiter/innen <strong>und</strong> Erzieher/innen<br />
berufstätig <strong>und</strong> beziehen die Ausbildungsthemen<br />
in Aktivitäten in ihrem üblichen<br />
beruflichen Umfeld ein. Sie starten aber<br />
auch, angeregt durch die Ausbildung, neue<br />
Aktivitäten (z. B. Einbeziehung von Ernährungsberatung<br />
bei der Neugründung eines <strong>Ges<strong>und</strong>heits</strong>zentrums<br />
durch eine Hebamme).<br />
Diese Gruppe der professionellen Berater/innen<br />
wird von uns „<strong>Ges<strong>und</strong>heits</strong>trainer/innen“<br />
genannt.<br />
Ein Teil der Multiplikator/innen sind Muttersprachler,<br />
die bisher nicht als Pädagogen/innen<br />
oder in <strong>Ges<strong>und</strong>heits</strong>berufen tätig waren,<br />
aber beratend tätig werden möchten. Sie sind<br />
die „<strong>Ges<strong>und</strong>heits</strong>mentor/innen“. Sie setzen<br />
die Ausbildungsinhalte in ihrem privaten Umfeld<br />
um. Oder sie schließen sich bestehenden<br />
Initiativen mit einem Angebot zum Thema<br />
„Übergewichtsprävention bei Kindern“ an, zum<br />
Beispiel, in dem sie als Kulturmittler/innen in<br />
Kooperation mit <strong>Ges<strong>und</strong>heits</strong>- oder sozialen<br />
Berufsgruppen arbeiten.<br />
Bei dieser Beratungsarbeit werden Trainer/innen<br />
<strong>und</strong> Mentor/innen durch regelmäßige<br />
Supervisionen <strong>und</strong> Qualitätszirkel-Treffen in<br />
ihren Aktivitäten begleitet <strong>und</strong> gefördert. Auf<br />
diese Weise wird sichergestellt, dass die Aktivitäten<br />
zielorientiert verlaufen <strong>und</strong> jede<br />
mögliche Unterstützung gewährt wird. Diese<br />
engmaschige Unterstützung wird mindestens<br />
bis November 2009 gewährt.<br />
Erfolge<br />
Die Ausbildungsinhalte ergänzen die bereits<br />
bestehenden Aktivitäten der sozialen <strong>und</strong><br />
<strong>Ges<strong>und</strong>heits</strong>-Berufe in unseren Gruppen. Es<br />
haben sich Teilnehmer/innen gef<strong>und</strong>en, die an<br />
den Themen „Ernährung, Bewegung, Übergewichtsprävention“<br />
großes Interesse mitbringen.<br />
Folgerichtig setzen die Trainer/innen <strong>und</strong><br />
Mentor/innen die Ausbildungsinhalte sofort in<br />
ihrem Umfeld um:<br />
■ in dem sie sie selbst in ihrem Alltag<br />
erproben,<br />
■ in dem sie ihr privates Umfeld informieren<br />
<strong>und</strong> anregen,<br />
■ in dem sie gezielt Aktivitäten planen <strong>und</strong><br />
umsetzen.<br />
Derzeit werden diese Aktivitäten von der<br />
Projektleitung systematisch gesammelt <strong>und</strong><br />
ausgewertet. Außerdem werden das Projekt<br />
bzw. die Beratungsaktivitäten der Teilnehmer/innen<br />
von einem externen Evaluationsteam<br />
des Max Rubner-Instituts, B<strong>und</strong>esforschungsinstitut<br />
<strong>für</strong> Ernährung <strong>und</strong> Lebensmittel<br />
in Karlsruhe im Auftrag des B<strong>und</strong>esministeriums<br />
<strong>für</strong> Ernährung, Landwirtschaft<br />
<strong>und</strong> Verbraucherschutz evaluiert. Zu einem<br />
späteren Zeitpunkt sind detailliertere Aussagen<br />
über Erfolge dieser vielfältigen Beratungsaktivitäten<br />
möglich.<br />
Kontakt:<br />
Dilek Toptas <strong>und</strong> Detlef Kuhn<br />
ZAGG GmbH<br />
Kantstraße 72, 10627 Berlin<br />
Tel.: 030/ 306 956 20<br />
E-Mail: info@zagg.de<br />
29
30<br />
Kapitel 3 Erfahrungen aus der Arbeit des Familienzentrums Für einen guten <strong>und</strong> ges<strong>und</strong>en Start ins Leben!<br />
Erfahrungen aus der Arbeit des<br />
Familienzentrums<br />
Gertrud Möller-Frommann, Leiterin Familienzentrum Mehringdamm<br />
1. Träger <strong>und</strong> konzeptionelle Ausrichtung<br />
Das Familienzentrum Mehringdamm ist seit<br />
Juni 2007 in Trägerschaft des Pestalozzi-Fröbel-<br />
Hauses (PFH), einer Stiftung des öffentlichen<br />
Rechts. Seitdem setzen wir den aus England<br />
kommenden Early Excellence-Ansatz um. Dieses<br />
pädagogische Konzept richtet sich an den<br />
individuellen Stärken des Menschen aus. Wir<br />
fördern die Kinder ausgehend von ihren Stärken<br />
<strong>und</strong> Interessen <strong>und</strong> gehen mit den Eltern<br />
eine enge Erziehungspartnerschaft ein. Das<br />
bedeutet, dass wir an den Erfahrungen <strong>und</strong> der<br />
Lebenssituation der Familien interessiert sind<br />
<strong>und</strong> uns mit den Eltern darüber austauschen.<br />
2. Lage<br />
Das Familienzentrum Mehringdamm befindet<br />
sich im Sozialraum II am Rande des Bergmannkiezes<br />
<strong>und</strong> in der Nähe des Victoriaparks in<br />
Kreuzberg. Nach Süden grenzt es direkt an den<br />
Bezirk Tempelhof-Schöneberg. Die Familien<br />
haben in der Region eine sehr unterschiedliche<br />
Bildungs- <strong>und</strong> Einkommensstruktur: Es gibt<br />
einen großen Teil gut ausgebildeter deutscher<br />
Familien, die oft noch nicht lange in Berlin<br />
wohnen. Außerdem leben viele Familien mit<br />
Migrationshintergr<strong>und</strong> in der näheren Umgebung<br />
des Familienzentrums. Diese haben einen<br />
überwiegend niedrigen Bildungsgrad <strong>und</strong> sind<br />
häufig arbeitslos. Der Anteil der Familien mit<br />
türkischem Migrationshintergr<strong>und</strong> ist am größten.<br />
3. Personelle Bedingungen<br />
Das über den Leistungsvertrag mit dem Bezirksamt<br />
Friedrichshain-Kreuzberg finanzierte<br />
Team setzt sich aus vier fest angestellten Mitarbeiter/innen<br />
zusammen: Eine Sozialpädagogin,<br />
zwei Erzieherinnen <strong>und</strong> eine Verwaltungskraft.<br />
Eine Erzieherin hat einen türkischen<br />
Migrationshintergr<strong>und</strong>. Außerdem arbeiten<br />
zahlreiche Honorarkräfte im Familienzentrum,<br />
die Kurse <strong>für</strong> Eltern <strong>und</strong> Kinder geben, Beratung<br />
anbieten oder im offenen pädagogischen<br />
Bereich unterstützen.<br />
4. Wie sind die Angebote gestaltet?<br />
Das Familiencafé mit offenem Spielbereich ist<br />
von Montag bis Freitag von 9-18 Uhr <strong>für</strong> alle<br />
Familien mit Kindern offen zugänglich. Besonders<br />
in den Nachmittagsst<strong>und</strong>en gibt es kostenlose<br />
pädagogische Angebote. Hier<strong>für</strong> ist<br />
keine Anmeldung erforderlich. Es gibt täglich<br />
kreative Angebote, ein Mal wöchentlich eine<br />
musikalische St<strong>und</strong>e, ein Mal monatlich eine<br />
Vorlesest<strong>und</strong>e, Einzelveranstaltungen zu Experimenten<br />
aus dem naturwissenschaftlichen<br />
Bereich <strong>und</strong> das Feiern von Festen zu Themen<br />
des Jahreskreises. Der offene Spielbereich ist<br />
so gestaltet, dass Kinder nach ihren Interessen<br />
selbst gewählte Spiel- <strong>und</strong> Bewegungsmöglichkeiten<br />
wahrnehmen können. Zum Familiencafe<br />
gehört ein großes Außengelände mit<br />
Spielgeräten, Fahrzeugen, Barfußpfad, Sand-<br />
spielplatz, Spielhaus <strong>und</strong> Beeten. Neben den<br />
kostenlosen, offenen Angeboten bieten wir<br />
Kurse im Bereich musische, kreative, ges<strong>und</strong>heits-<br />
<strong>und</strong> bewegungs- Förderung <strong>für</strong> Eltern<br />
<strong>und</strong> Kinder an. Für diese Angebote wird ein<br />
kleiner Kostenbeitrag erhoben. Außerdem gibt<br />
es kostenfreie Elternkurse zu Erziehungsthemen.<br />
5. Zugang zu Familien mit<br />
Migrationshintergr<strong>und</strong><br />
Wichtig <strong>für</strong> den niedrigschwelligen Zugang zum<br />
Familienzentrum ist die Offenheit <strong>und</strong> Fre<strong>und</strong>lichkeit<br />
der Mitarbeiter/innen. Wir begrüßen<br />
die Eltern beim Ankommen. Neue Eltern fragen<br />
wir, ob wir ihnen weiterhelfen können. Wir<br />
informieren neue Besucher/innen über unsere<br />
Angebote. Dabei ist es wichtig, dass eine<br />
Erzieherin die Eltern z.B. in der türkischen<br />
Muttersprache ansprechen kann. An einem<br />
Nachmittag in der Woche bieten wir soziale<br />
Beratung in türkischer Sprache an, an einem<br />
weiteren Nachmittag Rechtsberatung mit<br />
türkische Sprachmittlerin.<br />
Das Familienzentrum kooperiert mit zwei<br />
Trägern, die im Haus Deutschkurse durchführen.<br />
Einer der Deutschkurse findet an vier<br />
Vormittagen in der Woche mit Kinderbetreuung<br />
im offenen Spielbereich des Familiencafes<br />
statt. In der Pause kommen die Mütter<br />
ebenfalls ins Familiencafe. Dadurch kommen<br />
sie in Kontakt mit den Mitarbeiterinnen des<br />
Familienzentrums, die die Mütter über Angebote<br />
informieren, bei der Eingewöhnung der<br />
Kinder begleiten <strong>und</strong> den Austausch über die<br />
Entwicklung des Kindes mit den Eltern pflegen.<br />
In den Deutschkursen stellen wir neue Angebote<br />
durch die Kursleiterinnen vor, zum<br />
Beispiel ges<strong>und</strong>es Kochen oder den Elternkurs<br />
„Starke Eltern – Starke Kinder“ in türkischer<br />
Sprache. Viele Mütter aus den Deutschkursen<br />
besuchen auch nachmittags mit ihren Kindern<br />
das Familiencafe. Manchmal kommen auch die<br />
Väter mit.<br />
Ein weiterer Kooperationspartner ist der Jugendhilfeträger<br />
Lebenswelt gGmbH. Lebenswelt<br />
betreut vor allem Familien mit Migrationshintergr<strong>und</strong><br />
durch Fachleute mit vielen verschiedenen<br />
Migrationshintergründen.<br />
Die Familienhelfer begleiten Familien oft ins<br />
Familienzentrum, um ihnen die Angebote zu<br />
zeigen <strong>und</strong> mit den Mitarbeiter/innen des Familienzentrums<br />
in Kontakt zu bringen. Die<br />
Beziehungspflege, die Ansprache durch Mitarbeiter/innen<br />
aus dem Kulturkreis der Familie,<br />
das Einbeziehen in die Bildungsprozesse der<br />
Kinder, der Austausch mit den Eltern über ihre<br />
Erfahrungen, die Beteiligung bei der Angebotsplanung<br />
<strong>und</strong> die Vernetzung mit anderen<br />
Einrichtungen im Stadtteil fördert den Kontakt<br />
zu den Familien. Das führt dazu, dass Eltern<br />
andere Eltern mitbringen, weil sie die Atmosphäre<br />
im Familienzentrum mögen <strong>und</strong><br />
anderen Familien davon erzählen. Familien aus<br />
verschiedenen Kulturkreisen nutzen auch die<br />
Möglichkeit, sich im Familienzentrum in einem<br />
separaten Raum zu treffen.<br />
Zurzeit gibt es Familien tschechischer, ukrainischer,<br />
tamilischer <strong>und</strong> türkischer Herkunft<br />
<strong>und</strong> eine Gruppe spanisch sprechender Familien<br />
aus verschiedenen südamerikanischen<br />
Ländern. Neben dem Treffen in der Gruppe nehmen<br />
die Familien auch an anderen Angeboten<br />
des Familienzentrums teil. Ein wichtiges Anliegen<br />
dieser Familiengruppen eines Kulturkreises<br />
ist die Pflege <strong>und</strong> Aufrechterhaltung der<br />
eigenen Muttersprache.<br />
Kontakt:<br />
Gertrud Möller-Frommann<br />
Familienzentrum Mehringdamm<br />
Mehringdamm 114<br />
10965 Berlin<br />
Tel.: 030/ 285 047 17<br />
E-Mail: familienzentrummehringdamm@pfh-berlin.de
Für einen guten <strong>und</strong> ges<strong>und</strong>en Start ins Leben! Kapitel 3 Erfahrungen aus der Arbeit der Kita<br />
Erfahrungen aus der Arbeit der Kita<br />
Edith Giere, V.A.K. Kita<br />
Einführung:<br />
Ich bin Kita-Leiterin im VAK e.V. (Verein zur<br />
Förderung ausländischer <strong>und</strong> deutscher Kinder).<br />
Unsere Kita befindet sich in Kreuzberg in<br />
der Oranienstr. 4. Die Kita bietet Platz <strong>für</strong> 90<br />
Kinder im Alter von ein bis sechs Jahren. 90<br />
Prozent unserer Kinder haben Eltern mit<br />
türkischen Wurzeln <strong>und</strong> Migrationserfahrungen.<br />
Schwerpunkte unserer Konzeption sind<br />
zweisprachige (türkisch/deutsch) Erziehung,<br />
Sport <strong>und</strong> Bewegungserziehung. Mit dem<br />
Thema „Ges<strong>und</strong>e Ernährung <strong>und</strong> ges<strong>und</strong>e<br />
Lebensweise“ beschäftigen wir uns schon sehr<br />
lange. Vor drei Jahren haben wir mit der<br />
Zusammenarbeit mit der Krankenkasse BKK<br />
VBU begonnen. Im Jahr 2007, wurden wir zur<br />
„Ges<strong>und</strong>en Kita“ zertifiziert.<br />
Besonderheiten in der Arbeit mit<br />
türkischen Familien:<br />
Eltern deren Kinder unsere Kita besuchen,<br />
interessieren sich sehr <strong>für</strong> die Sauberkeit in<br />
den Gruppenräumen <strong>und</strong> <strong>für</strong> die Mahlzeiten,<br />
die die Kinder in der Kita zu sich nehmen.<br />
Insbesondere achten muslimische Eltern auf<br />
das Essen <strong>für</strong> ihre Kinder. Sie legen großen<br />
Wert darauf, dass es weder zum Mittagessen<br />
noch zum Frühstück Schweinefleisch gibt.<br />
Zunehmend fordern sie auch, dass das Tier,<br />
dessen Fleisch die Kinder bekommen, nach<br />
islamischen Regeln geschlachtet worden ist.<br />
Vielen muslimischen Eltern ist es nicht so<br />
wichtig, dass die Kinder ges<strong>und</strong> ernährt<br />
werden, im Sinne von Vollwertkost, sondern,<br />
dass die Kinder reichlich essen. Nach wie vor<br />
gilt in vielen Familien ein dickes Kind auch als<br />
ein ges<strong>und</strong>es Kind. Eine gute, sich sorgende<br />
Mutter füttert ihr Kind lange über den Zeitpunkt<br />
hinaus, an dem es eigenständig essen könnte.<br />
In der traditionellen türkischen Küche wird sehr<br />
viel Öl verwendet <strong>und</strong> überwiegend weißes<br />
Mehl <strong>für</strong> die Herstellung von Teiggerichten.<br />
Üblicherweise wird zu jedem Essen Fladenbrot<br />
gereicht. Auch die Süßspeisen sind sehr öl- <strong>und</strong><br />
zuckerhaltig. Zuviel Zucker nehmen die Kinder<br />
auch durch Getränke wie Eistee, Säfte <strong>und</strong><br />
Limonaden auf. Im Vertrauen darauf, dass die<br />
in der Werbung angepriesenen Kinderartikel<br />
wie Kinderschokolade, Kindertee oder -joghurts<br />
auch ges<strong>und</strong> sind, kaufen die Eltern sie<br />
gern <strong>für</strong> ihre Kinder. Neben dieser <strong>für</strong> die<br />
Ges<strong>und</strong>heit <strong>und</strong> Entwicklung der Kinder ungünstigen<br />
Ernährung, kommt der Bewegungsmangel<br />
der Kinder dazu. Noch Vorschulkinder<br />
werden oft mit dem Buggy zur Kita gefahren.<br />
Ein eigenes kleines Fahrrad <strong>für</strong> die Kinder<br />
halten die Eltern <strong>für</strong> zu gefährlich. Auch aus<br />
diesem Gr<strong>und</strong> wird den Kindern oft das Toben<br />
<strong>und</strong> Klettern auf Spielplätzen untersagt.<br />
Wir sehen es als unsere Aufgabe an, die Eltern<br />
über die Folgen von ungünstiger Ernährung<br />
<strong>und</strong> Bewegungsmangel aufzuklären. Uns ist<br />
bewusst, dass eine einmalige Aktion zum<br />
Thema „Ges<strong>und</strong>e Lebensweise“ nicht ausreicht,<br />
um Ernährungsgewohnheiten zu ändern.<br />
Daher ist dieses Thema im Kita-Alltag<br />
verankert.<br />
Was tun?<br />
Die Eltern werden gebeten, täglich frisches<br />
Obst <strong>für</strong> den Nachmittagsimbiss mitzubringen.<br />
Gemeinsam mit den Eltern wird überlegt<br />
welche leckeren Alternativen es anstelle der<br />
üblichen Torten zum Kindergeburtstag geben<br />
kann. Alle Kindergruppen im Haus beschäftigen<br />
sich regelmäßig mit dem Thema „Was<br />
macht Kinder groß <strong>und</strong> stark “.<br />
In dieser Zeit werden auch Elternabende von<br />
einer Kinderärztin <strong>und</strong> einer Ernährungsberaterin<br />
durchgeführt. Mit Eltern, deren Kinder<br />
zu dick sind, führen wir Einzelgespräche durch.<br />
Gemeinsam überlegen wir, wie die Ernährung<br />
ihres Kindes umgestellt werden kann, ohne<br />
dass das Kind das Gefühl hat, eine Diät<br />
einhalten zu müssen. Oft reicht es schon <strong>für</strong><br />
eine Gewichtsreduzierung, wenn das Kind auf<br />
Softdrinks verzichtet.<br />
Regelmäßig führen wir Sport- <strong>und</strong> Bewegungsst<strong>und</strong>en<br />
mit den Kindern durch. Die Übungsleiter<br />
kommen zu den Elternabenden <strong>und</strong><br />
erklären den Eltern wie <strong>und</strong> warum sie mit den<br />
Kindern turnen. In unregelmäßigen Abständen<br />
führen wir Elterngesprächskreise r<strong>und</strong> um das<br />
Thema „Ges<strong>und</strong>e Lebensweise“ durch.<br />
Alle Gespräche werden in Türkisch geführt oder<br />
ins Türkische übersetzt. Die türkische Sprache<br />
ist der Zugang zu den Eltern. Die Gespräche<br />
finden auf Augenhöhe mit den Eltern statt, sie<br />
sind niemals belehrend, sondern beratend.<br />
Verständnis <strong>für</strong> die individuelle Lebenssituation<br />
der Eltern <strong>und</strong> Respekt vor ihren kulturellen<br />
Gewohnheiten sind immer die Gr<strong>und</strong>lage<br />
<strong>für</strong> unsere Gespräche.<br />
Kontakt:<br />
Edith Giere,<br />
Europa Kitas des VAK e.V.<br />
Oranienstraße 2a<br />
10997 Berlin<br />
Tel.: 030/ 618 657 4<br />
E-Mail: VAK-Kitas@t-online.de<br />
31
32<br />
Kapitel 3 Familien mit arabischem Migrationshintergr<strong>und</strong> Für einen guten <strong>und</strong> ges<strong>und</strong>en Start ins Leben!<br />
Familien mit arabischem Migrationshintergr<strong>und</strong><br />
Lina Ganama, „Al-Nadi“ Beratungsstelle <strong>für</strong> arabische Frauen<br />
Wenn wir über Migranten/innen sprechen, <strong>und</strong><br />
dabei unweigerlich auch über Araber/innen<br />
sprechen, dann sprechen wir nicht über die<br />
Araber/innen mit verschiedenen Hintergründen.<br />
Sie befinden sich in Deutschland aus<br />
vielerlei Gründen: Heirat, Studium oder Arbeit,<br />
aber auch aus Gründen des Krieges <strong>und</strong> der<br />
Unterdrückung.<br />
Ferner dürfen wir die Araber/innen nicht vergessen,<br />
die in Deutschland keine Gastarbeiter<br />
sind. Der Umgang mit dieser Gruppe erfordert<br />
eine große Verantwortung <strong>und</strong> großes Hintergr<strong>und</strong>wissen<br />
bezüglich ihrer Kultur, Religion,<br />
Lebensweisen <strong>und</strong> ihrer wirtschaftlichen Verhältnisse.<br />
Die Araber/innen sind die, die aus<br />
dem Irak, aus Algerien, Marokko, Tunesien,<br />
Somalia, Sudan, Libyen, Syrien, Palästina, dem<br />
Libanon <strong>und</strong> anderen arabischen Ländern<br />
kommen.<br />
Die größte arabische Gemeinde in Berlin<br />
kommt aus dem Libanon. Es sind sowohl<br />
Palästinenser als auch Kurden unter ihnen.<br />
Jede dieser Gruppen hat ebenfalls ihren eigenen<br />
kulturellen Hintergr<strong>und</strong> <strong>und</strong> ihre eigenen<br />
wirtschaftlichen Verhältnisse, <strong>und</strong> zwar so<br />
unterschiedlich, wie die Orte, aus denen sie<br />
gekommen sind. Und was <strong>für</strong> den Libanon gilt,<br />
gilt ähnlich auch <strong>für</strong> den Irak, vielleicht mit<br />
kleinen Abweichungen.<br />
Wenn wir über diese Bevölkerungsgruppe<br />
sprechen, müssen wir folgendes berücksichtigen:<br />
Die zweite Generation, die unter dem Bürgerkrieg<br />
<strong>und</strong> den ständige Bombardements<br />
gelitten hat, musste auch die bescheidensten<br />
Dinge des Lebens in den Camps entbehren.<br />
Diese zweite Generation litt nicht nur an der<br />
Trennung von ihren Familien <strong>und</strong> Verwandten in<br />
der Heimat, sondern auch hier in der Fremde an<br />
Arbeitsverbot, Leben in Heimen <strong>und</strong> Reiseverbot.<br />
Diese Bevölkerungsgruppe bekommt ihre<br />
Nachrichten verbal <strong>und</strong> nicht geschrieben, da<br />
sie nicht lesen kann. Diese Gruppe ist zwar<br />
interessiert an vielem was neu ist, doch oft<br />
nicht fähig, selbst eine Initiative zu ergreifen;<br />
aus Schamgefühl, Minderwertigkeitsgefühl<br />
<strong>und</strong> mangelnder Sprachkenntnisse. Sie wollen<br />
keine Fehler begehen oder Problemen aus dem<br />
Weg gehen.<br />
Was kann man tun um das Interesse zu<br />
wecken? Alle ins Boot holen!<br />
■ so früh wie möglich anfangen mit Aufklärungsarbeiten,<br />
besonders bei Feststellung<br />
der Schwangerschaft bzw. einer<br />
Mutterpasserteilung<br />
■ Einführung von Pflichtkursen <strong>für</strong> Eltern in<br />
Kitas über die Entwicklung ihrer Kinder<br />
(ca. drei Mal im Jahr), mit verschiedenen<br />
Themen: Ernährung, Bewegung,<br />
Krankheiten…<br />
■ <strong>Prävention</strong>sarbeit von Krankenkassen <strong>und</strong><br />
Beratungsstellen bzw. Gemeinden<br />
■ ansprechende Angebote durchführen, die<br />
auf die Bedürfnisse der Menschen<br />
abgestimmt sind<br />
■ darauf achten, in welchen Bereichen<br />
Handlungsbedarf besteht<br />
■ Aufmerksamkeit bei den Schulkindern <strong>für</strong><br />
ges<strong>und</strong>e Lebensstile wecken<br />
■ Broschüren <strong>und</strong> Plakate in der<br />
Muttersprache formulieren<br />
Wie kann man überzeugend arbeiten:<br />
■ persönliche Kontakte knüpfen<br />
■ auf die Menschen zu gehen<br />
■ Vertrauen aufbauen<br />
■ schnell <strong>und</strong> effektiv handeln<br />
■ nicht nur Vorschläge sondern konkrete<br />
Hilfsangebote anbieten<br />
■ über Anlaufspunke (Aktivitätsmöglichkeiten,<br />
wie z.B. einen Sportverein) informieren<br />
■ Kontakt-Adressen aushändigen<br />
■ Interesse zeigen<br />
■ nachfragen<br />
Kontakt:<br />
Lina Ganama, AL-Nadi –<br />
Beratungsstelle <strong>für</strong> arabische Frauen<br />
Moselstraße 2<br />
12159 Berlin<br />
Tel.: 030/ 852 060 2<br />
E-Mail: alnadi@nachbarschaftsheimschoeneberg.de
Für einen guten <strong>und</strong> ges<strong>und</strong>en Start ins Leben! Kapitel 3 Familien mit vietnamesischem Migrationshintergr<strong>und</strong><br />
Familien mit vietnamesischem<br />
Migrationshintergr<strong>und</strong><br />
Phan Huy Thao, Reistrommel e.V.<br />
Einführung:<br />
Ich freue mich sehr, dass der <strong>Ges<strong>und</strong>heits</strong>zustand<br />
der Migrant/innen aus Vietnam in<br />
einem solchen Rahmen thematisiert wird. Mein<br />
Bericht ist aus den Erfahrungen meiner Beratungstätigkeit<br />
gespeist, die ich in nahezu 20<br />
Jahren sammeln durfte, aber auch aus meiner<br />
Verwurzelung in den ethnischen Netzwerken<br />
der Gruppe.<br />
1. Kulturelle Besonderheiten<br />
Die ges<strong>und</strong>heitliche Lage der vietnamesischen<br />
Migrant/innen ist von ihrem kulturellen Hintergr<strong>und</strong><br />
<strong>und</strong> dem gesellschaftlichen Umfeld in<br />
Deutschland geprägt. Bevor die Vietnamesen/innen<br />
damals in die DDR einreisen durften,<br />
mussten sie im Heimatland eine <strong>Ges<strong>und</strong>heits</strong>überprüfung<br />
bestehen. In einigen wenigen<br />
Fällen wurden allerdings auch Krankheiten<br />
durch Bestechung von Ärzten vertuscht.<br />
Im Allgemeinen aber kamen die Vietnamesen/innen<br />
als ges<strong>und</strong>e Arbeitskräfte zum Arbeitseinsatz<br />
in die Betriebe der DDR. Es gibt zwar<br />
bislang keine öffentlich bekannte Meldung,<br />
dass Vietnamesen/-innen aufgr<strong>und</strong> schlechter<br />
Arbeitsbedingungen in der DDR frühverrentet<br />
wurden, nach den Erfahrungen in den Beratungsstellen<br />
aber ist der <strong>Ges<strong>und</strong>heits</strong>zustand<br />
bei einigen Vietnamesen/-innen, die insbesondere<br />
in der chemischen Industrie eingesetzt<br />
wurden, im Dreischichtsystem oder im Akkord<br />
gearbeitet haben <strong>und</strong> immer unter dem Druck<br />
der Normerfüllung standen, schon damals in<br />
Folge der schweren Arbeit instabil geworden.<br />
Sie litten z.B. verstärkt an Migräne, Ess- oder<br />
Schlafstörungen.<br />
Nach der Wende mussten die Vietnamesen/innen,<br />
die sich zum Verbleib entschieden<br />
haben, jahrelang <strong>und</strong> unter permanenten <strong>und</strong><br />
massiven Unsicherheiten um ihr Bleiberecht<br />
kämpfen. Dabei waren viele mehrfachen Belastungen<br />
wie Arbeitslosigkeit, Beantragung<br />
von Aufenthaltsverlängerungen <strong>und</strong> Arbeitserlaubnissen,<br />
Auseinandersetzungen mit Behörden,<br />
Abwehr von Abschiebungsandrohungen,<br />
ökonomische <strong>und</strong> familiäre Schwierigkeiten,<br />
ein ständiges Abwägen von Vor- <strong>und</strong><br />
Nachteilen einer möglichen Rückkehr nach<br />
Vietnam <strong>und</strong> dazu noch der anwachsenden<br />
Fremdenfeindlichkeit ausgesetzt. Das führte<br />
häufig zu psychosomatischen <strong>und</strong> gar psychischen<br />
Erkrankungen.<br />
Nur sehr wenige Vietnamesen/-innen arbeiten<br />
gegenwärtig als Angestellte bei deutschen<br />
Firmen bzw. Institutionen. Einige arbeiten als<br />
Facharbeiter/innen in der Industrie, als Reinigungskräfte<br />
oder Transportarbeiter/innen<br />
bei Dienstleistungsfirmen oder als Bauhelfer/innen<br />
bei Baufirmen. Die überwiegende<br />
Mehrheit ist aber selbständig oder arbeitet in<br />
Firmen des Dienstleistungsbereichs, die im<br />
Besitz von Landsleuten sind. Diejenigen, die als<br />
Einzelhändler/innen auf Wochenmärkten tätig<br />
sind, müssen unter äußerst schlechten Bedingungen<br />
sehr lang arbeiten. Arbeitstage mit<br />
zehn bis zwölf St<strong>und</strong>en im ununterbrochenen<br />
Einsatz sind die Regel.<br />
Manche sind inzwischen körperlich stark<br />
angeschlagen. Krankheiten wie Rheuma, Gelenkentzündungen,<br />
Nierenprobleme oder Magengeschwüre<br />
haben sich in der letzten Zeit<br />
gehäuft. Die Hälfte von ihnen klagt über<br />
Rückenschmerzen, bei fast einem Viertel sind<br />
diese bereits chronisch. Außerdem sind Allergien<br />
im Sommer sowie Asthma verbreitet.<br />
Selbständige Frauen leiden häufig an Erkrankungen<br />
der Geschlechtsorgane. Durch diese<br />
andauernde Tätigkeit haben sie zu wenig Zeit<br />
<strong>für</strong> sich <strong>und</strong> ihre Familien. Sie sind körperlich<br />
<strong>und</strong> nervlich ermüdet <strong>und</strong> fühlen sich ständig<br />
ausgepowert. Die unendliche Anspannung<br />
können sie nicht mehr ertragen. Deshalb sind<br />
sie gestresst, nervös <strong>und</strong> sehr leicht aufzuregen.<br />
Schon eine Kleinigkeit genügt häufig,<br />
damit sie aufgebracht sind. Das Familienleben<br />
kann dadurch stark gestört sein. Sie sind<br />
schnell erregbar <strong>und</strong> fühlen sich schnell beleidigt.<br />
In Folge sind sie unfre<strong>und</strong>lich zu<br />
Partnern <strong>und</strong> Kindern. Dieser Dauerzustand<br />
führt dann oft zu Überreaktionen wie Unbeherrschtheit<br />
<strong>und</strong> Gewalttätigkeit in der Familie,<br />
aber auch zum Alkoholmissbrauch. Auch<br />
Krankheitsbilder wie organische Störungen<br />
oder Probleme im Bewegungsapparat <strong>und</strong> im<br />
Knochenbau können die Folge sein.<br />
Da die Vietnamesen/-innen durch ihre intensiven<br />
Tätigkeiten zumeist keine Zeit <strong>für</strong> sich<br />
selbst haben, werden manche am Anfang<br />
harmlos auftretende Krankheiten wie Husten<br />
oder Gelenkentzündung nicht richtig behandelt<br />
<strong>und</strong> entwickeln sich dann zu ernsthaften<br />
chronischen Beschwerden, die wiederum so<br />
lange es irgendwie geht verschleppt werden.<br />
Daneben können die Migration selbst sowie die<br />
Umstände, unter denen sie erfolgte, psychische<br />
Belastungen nach sich ziehen.<br />
Die Trennung von Familien <strong>und</strong> Bekannten,<br />
besonders bei Vietnamesen/-innen, die als<br />
Familienvater bzw. Mutter ohne Partner <strong>und</strong><br />
Kinder in die DDR gekommen sind, ist sehr<br />
belastend. Aber auch die Anpassungsleistungen<br />
an ein anderes Klima, andere Ernährungsmöglichkeiten<br />
<strong>und</strong> einen anderen Lebensrhythmus<br />
haben sehr viel Energie verbraucht.<br />
Im Alltag müssen die Vietnamesen/-innen<br />
häufig erleben, dass Behandlungserfolge wegen<br />
Verständigungsproblemen mit dem/der<br />
Arzt/Ärztin erschwert werden. Ein/Eine Arzt/<br />
Ärztin, der seinen/seine Patienten/Patientin<br />
sprachlich nicht verstehen kann <strong>und</strong> darüber<br />
hinaus auch dessen ethnische Besonderheiten<br />
nicht kennt, hat natürlich Schwierigkeiten,<br />
seine/ihre Behandlung durchzuführen. Manche<br />
Vietnamesen/-innen gehen bei auftretenden<br />
Krankheiten nicht sofort zum/zur Arzt/<br />
Ärztin, wenn sie nicht gleich einen/eine Dolmetscher/in<br />
gef<strong>und</strong>en haben.<br />
Die Vietnamesen/-innen haben die erste Phase<br />
der Integration, die so genannte Phase des<br />
Kulturschocks in der DDR-Zeit, aufgr<strong>und</strong> der<br />
damaligen Rechtslage ohne es zu merken<br />
überw<strong>und</strong>en. Sie befinden sich jetzt in der<br />
zweiten Phase ihrer Integration, der so genannten<br />
Phase des Kulturwandels, in der mit<br />
Sicherheit die Anzahl der psychisch erkrankten<br />
Vietnamesen/-innen zunehmen wird. Leider<br />
gibt es noch keine Untersuchungen, die über<br />
das Auftreten möglicher kultur- <strong>und</strong> herkunftsabhängiger<br />
Störungen f<strong>und</strong>iert Auskunft geben<br />
könnten.<br />
Die häufigen Erkrankungen, die in den<br />
Beratungsstellen sichtbar sind:<br />
■ Lungenentzündung<br />
■ Hepatitis B<br />
■ Rückenschmerzen<br />
■ Rheuma<br />
■ Magen-Darmerkrankung<br />
■ Allergien / Hautprobleme<br />
■ Sucht<br />
2. Angebote<br />
Spezifische Angebote <strong>für</strong> diese Zielgruppe gibt<br />
es kaum. Einige Regeldienste haben sich<br />
allerdings <strong>für</strong> diese Zielgruppe interkulturell<br />
geöffnet wie zum Beispiel die Schwangerenberatung<br />
in Marzahn-Hellersdorf. Einige wenige<br />
vietnamesischsprachige Ärzt/innen sind<br />
völlig überlaufen.<br />
In den Handelszentren gibt es (illegale) Angebote<br />
der traditionellen Medizin, die stark<br />
beansprucht werden. Vielleicht sollte darüber<br />
nachgedacht werden, wie solche Angebote zur<br />
Verbesserung der ges<strong>und</strong>heitlichen Versorgung<br />
der Vietnamesen/-innen in die hiesige<br />
33
34<br />
Kapitel 3 Familien mit vietnamesischem Migrationshintergr<strong>und</strong> Für einen guten <strong>und</strong> ges<strong>und</strong>en Start ins Leben!<br />
<strong>Ges<strong>und</strong>heits</strong>netzwerke einbezogen werden<br />
können. Da keine vietnamesischen Kinderärzt/innen<br />
<strong>und</strong> insbesondere Kinderpsycholog/innen<br />
vorhanden sind, wird häufig der<br />
Besuch beim/bei der Kinderarzt/-ärztin nur im<br />
Notfall wahrgenommen, wobei auch die korrekte<br />
Anwendung von Medikamenten Unsicherheiten<br />
birgt. Es mehren sich die Fälle von<br />
Selbständigen ohne Krankenversicherung. Es<br />
fehlen gänzlich Angebote <strong>für</strong> Frührentner/innen<br />
aus ges<strong>und</strong>heitlichen Gründen <strong>und</strong> vor<br />
allem Angebote <strong>für</strong> Behinderte.<br />
Hier ist es notwendig, dass Informationen über<br />
das Helfersystem in der Muttersprache bei der<br />
Zielgruppe ankommen. Die Angebote der<br />
Suchtberatung <strong>und</strong> -prävention im Bezirk<br />
greifen bei dieser Gruppe nicht (Sprachbarriere,<br />
Fehlen von Fachleuten mit vietnamesischer<br />
Kulturkompetenz). Ein sehr großes<br />
Problem mit allen negativen Folgen bildet die<br />
Verständigung mit Ärzt/innen auf Gr<strong>und</strong><br />
sprachlicher <strong>und</strong> in erster Linie kultureller<br />
Schranken. Dolmetschleistungen werden von<br />
den Krankenkassen nicht bezahlt, daher<br />
werden <strong>für</strong> die Übersetzung Familienmitglieder<br />
oder Muttersprachler/innen zumeist aus fachfremden<br />
Berufen hinzugezogen, die zwar<br />
besser Deutsch können, aber doch nicht in der<br />
Lage sind, komplizierte medizinische Zusammenhänge<br />
zu vermitteln. Das führt zwangsläufig<br />
zu zusätzlichen Übermittlungs- <strong>und</strong><br />
Offenbarungsschwierigkeiten <strong>und</strong> zu Missverständnissen.<br />
Die Ethnomedizin war als Ausbildungsinhalt<br />
kein Bestandteil der Arzt/Ärztinausbildung der<br />
meisten im Bezirk niedergelassenen Ärzt/innen.<br />
Inwieweit Fortbildungsangebote auf dem<br />
Gebiet wahrgenommen werden, ist uns unbekannt.<br />
Folgen vor allem der kulturellen<br />
Verständigungsschwierigkeiten sind verspätete<br />
oder Fehldiagnosen, ein Kreislauf aus<br />
immer weiteren Überweisungen der Patienten<br />
mit negativen pathologischen Organbef<strong>und</strong>en,<br />
immer invasivere Untersuchungen <strong>und</strong> Medikationen<br />
<strong>und</strong> letztendlich kostenintensivere<br />
<strong>und</strong> unbefriedigendere Ergebnisse – <strong>für</strong><br />
den/die Arzt/Ärztin <strong>und</strong> <strong>für</strong> den/die Patient/in,<br />
die beide Seiten frustrieren. Es ist darüber<br />
ernsthaft nachzudenken, wie die zweite Generation<br />
mit besten schulischen Leistungen zu<br />
Berufen im <strong>Ges<strong>und</strong>heits</strong>wesen hingelenkt werden<br />
kann.<br />
3. Ausblick<br />
Die Beratungsangebote des Regionalen Sozialdienstes<br />
des Sozialamtes (RSD) werden<br />
vornehmlich von vietnamesischen Rat-Suchenden<br />
genutzt, die sich weitestgehend in Deutsch<br />
verständigen können <strong>und</strong> dadurch relativ gut<br />
integriert sind. Zur Klärung der Belange (Sozialhilfeantragsaufnahme,<br />
Anhörungen gem.<br />
§ 7 Abs. 4 AsylblG <strong>und</strong> ähnliches) von Vietnamesen/innen<br />
mit unzureichenden Deutschkenntnissen<br />
setzt das Sozialamt ein/eine<br />
Sprachmittler/in ein, die/der ebenso im <strong>Ges<strong>und</strong>heits</strong>amt<br />
Einsatz findet.<br />
Es wird vom RSD nach wie vor festgestellt, dass<br />
sich die Angehörigen dieser Zielgruppe kaum<br />
öffnen <strong>und</strong> somit keine Probleme erkennen<br />
lassen, sie wollen nicht auffallen <strong>und</strong> leben<br />
zurückgezogen. Schwierigkeiten werden im<br />
Familienverband oder mit vertrauten Landsleuten<br />
bewältigt.<br />
Unabhängig davon fühlt sich der RSD dennoch<br />
verantwortlich, auch den Vietnamesen/innen<br />
Unterstützung in der Wahrnehmung ihrer<br />
Rechte anzubieten, die noch keine Chance zum<br />
Erlernen der deutschen Sprache hatten: Gegenwärtig<br />
ist der RSD in Zusammenarbeit mit<br />
einer Sprachmittlerin dabei, zum Erreichen<br />
dieser Zielgruppe entsprechende Informationsmaterialien<br />
wie Flyer <strong>und</strong> Wegweiser auf<br />
Vietnamesisch zu erarbeiten, welche dann mit<br />
den Stadtteil- bzw. soziokulturellen Zentren<br />
<strong>und</strong> den spezialisierten Diensten freier Träger<br />
abgestimmt werden sollen.<br />
Zur Erweiterung der interkulturellen Kompetenzen<br />
wurde die Teilnahme von Mitarbeiter/innen<br />
des Sozialamtes an entsprechenden<br />
Fortbildungen <strong>und</strong> Diversity-Trainings ermöglicht.<br />
Es wird gezielt die Nachbarschaftsarbeit<br />
<strong>für</strong> <strong>und</strong> mit Vietnamesen/innen gefördert<br />
(siehe oben), weil dadurch Schwellen gesenkt<br />
werden <strong>und</strong> vor Ort im unmittelbaren Lebensbereich<br />
Unterstützung gewährt oder organisiert<br />
werden kann. Das gewonnene Vertrauen<br />
kann dann in das Nachbarschaftsleben münden,<br />
was Integration fördert.<br />
Für Vietnamesen/-innen ohne deutsche<br />
Sprachkenntnisse, die Fachdienste des <strong>Ges<strong>und</strong>heits</strong>amtes<br />
aufsuchen, wird eine Sprachmittlerin<br />
eingesetzt, die sich seit dem<br />
01.01.2007 im Personalüberhangseinsatz befindet.<br />
Eine Festeinstellung im Zentrum <strong>für</strong><br />
Sexuelle Ges<strong>und</strong>heit <strong>und</strong> Familienplanung ist<br />
vorgesehen. Mit der Einbeziehung der Sprachmittlerin<br />
in die Klientenarbeit sind der sprachliche<br />
Zugang <strong>und</strong> damit ein individuelles Beratungsgespräch<br />
möglich. Sozialarbeiter/innen<br />
des bezirklichen <strong>Ges<strong>und</strong>heits</strong>dienstes führen<br />
regelmäßig im Haus „urban-social“ in enger<br />
Zusammenarbeit mit einer Kinderärztin Sprechst<strong>und</strong>en<br />
<strong>für</strong> minderjährige Mütter durch. Ebenfalls<br />
führen sie bei Familien mit Neugeborenen<br />
<strong>und</strong> Säuglingen Hausbesuche <strong>und</strong> Beratungen<br />
vor Ort sowie regelmäßige Sprechst<strong>und</strong>en mit<br />
Beratung zu Säuglingen <strong>und</strong> Kleinkindern<br />
durch. Ärzt/innen <strong>und</strong> Sozialarbeiter/innen<br />
nehmen an Weiterbildungen zu migrationsspezifischen<br />
Fragen ihres Fachgebietes teil.<br />
Kontakt:<br />
Phan Huy Thao<br />
Reistrommel e.V.<br />
Märkische Allee 414<br />
12689 Berlin<br />
Tel.: 030/ 21 75 85 49<br />
info@reistrommel-ev.de
Für einen guten <strong>und</strong> ges<strong>und</strong>en Start ins Leben! Kapitel 3 Familien mit russischem Migrationshintergr<strong>und</strong><br />
Familien mit russischem Migrationshintergr<strong>und</strong><br />
Marina Bondarew, Club Dialog e.V.<br />
Der Club Dialog e.V. wurde 1988 von Bürger/innen<br />
der ehemaligen Sowjetunion in Ost-<br />
Berlin als unabhängige Interessenvertretung<br />
gegründet. Dialog ist ein viel besuchter russisch-deutscher<br />
Begegnungsort sowie Mittler<br />
zwischen beiden Kulturkreisen deutsch- <strong>und</strong><br />
russischsprachiger Menschen.<br />
1. Club in der Friedrichstraße<br />
Kommunikations-, Informations- <strong>und</strong><br />
Beratungszentrum (KIB)<br />
Friedrichstr. 176-179, 10117 Berlin<br />
Tel.: 030-2044859, Fax.: 030 2044610<br />
info@club-dialog.de<br />
Der Club in der Friedrichstraße ist ein viel<br />
besuchter Ort der Begegnung, des Informationsaustausches<br />
<strong>und</strong> des kulturellen Dialoges,<br />
der russisch- wie deutschsprachigen Berliner/innen<br />
offen steht<br />
Wir bieten unseren Besucher/innen:<br />
■ Information <strong>und</strong> Beratung zu sozialen <strong>und</strong><br />
juristischen Fragen, psychologische<br />
Beratung<br />
■ Informationsveranstaltungen, thematische<br />
Veranstaltungen <strong>und</strong> Seminare zu<br />
„Russlanddeutschen <strong>und</strong> ihrer Geschichte“,<br />
„Migration <strong>und</strong> Integration aus Osteuropa“,<br />
„Das Russisch Berlin“ u.a.<br />
■ Literaturveranstaltungen, Präsentationen,<br />
Konzerte, Ausstellungen, Diskussionen,<br />
thematische Reihen „Meine Geschichte“,<br />
„die Deutschen <strong>und</strong> wir“, „Ost-Westkreuzung<br />
Berlin“ u.a.<br />
■ Treffen von Interessengruppen <strong>und</strong> Klubs,<br />
z.B. „Der weibliche Blick“<br />
■ Literaturstudio, Klub 50 +; Klub „Sphäre“<br />
usw.<br />
KIB wird von der Senatsverwaltung <strong>für</strong> Ges<strong>und</strong>heit<br />
<strong>und</strong> Soziales, dem Büro des Beauftragten<br />
<strong>für</strong> Integration <strong>und</strong> Migration <strong>und</strong> der gsub<br />
gefördert.<br />
2. „Schalasch“-Mitte – Das interkulturelle<br />
Jugendzentrum<br />
Lindower Str. 18, 13347 Berlin<br />
Tel.: 030- 28599485, Fax.: 030- 28599486<br />
Ansprechpartner/innen: Walentina Zapp,<br />
Irina Kuzmin<br />
Das interkulturelle Jugendzentrum „Schalasch“<br />
steht seit 1995 jungen Menschen unterschiedlicher<br />
Nationalitäten offen. Besonders beliebt<br />
ist das „Schalasch“ unter russischsprachigen<br />
Kindern <strong>und</strong> Jugendlichen. Es fördert ihre<br />
Integration, unterstützt ihre Initiativen <strong>und</strong> hilft<br />
ihnen, den eigenen Weg unter den neuen<br />
Lebensbedingungen zu finden.<br />
„Schalasch“ bietet:<br />
■ Beratung zu Fragen der Schul- <strong>und</strong> Berufsbildung,<br />
Hilfe beim Zusammenstellen von<br />
Bewerbungsunterlagen, Vorbereitung auf<br />
Vorstellungsgespräche, Suche nach Ausbildungsplätzen<br />
■ Hausaufgabenhilfe <strong>und</strong> Nachhilfeunterricht<br />
in Mathematik, Chemie, Physik, Deutsch,<br />
Englisch <strong>und</strong> Russisch<br />
■ Kunstschule <strong>für</strong> Vorschulkinder<br />
■ Mädchentreff<br />
■ Musikstudio, Bollywoodtänze <strong>und</strong><br />
Orientalischer Tanz<br />
■ Kindermusiktheater <strong>und</strong> Jugendtheater –<br />
offene Gruppen<br />
■ Kurse in Selbstverteidigung, Hapkido <strong>und</strong><br />
Taek Wondo <strong>für</strong> Kinder <strong>und</strong> Jugendliche<br />
■ Internationaler Jugendaustausch,<br />
Jugendreisen, Fahrradtouren in die<br />
Umgebung Berlins<br />
■ Jugendcafé mit Musik, Billard <strong>und</strong> Internet<br />
„Schalasch-Mitte“ wird finanziert von der Senatsverwaltung<br />
<strong>für</strong> Jugend, Kultur <strong>und</strong> Sport,<br />
der Jugendförderung des Bezirks Mitte <strong>und</strong> der<br />
gsub.<br />
3. Schalasch-Ost<br />
Kinder- <strong>und</strong> Jugendzentrum Berlin-Marzahn<br />
Wuhletalstraße 70, 12687 Berlin<br />
Tel.: 030-93492331, Fax.: 030-93495845<br />
Ansprechpartner/in: Julia Merian<br />
Im Mai 2000 eröffnete der Club Dialog den<br />
Kinder- <strong>und</strong> Jugendklub „Schalasch-Ost“ im<br />
Stadtbezirk Marzahn-Hellersdorf von Berlin, in<br />
dem ca. 28.000 russischsprachige Berliner/innen<br />
wohnen. Zu den wichtigsten Aufgaben des<br />
Klubs gehören Integrations- <strong>und</strong> Orientierungshilfen<br />
<strong>für</strong> Kinder <strong>und</strong> Jugendliche, Entwicklung<br />
ihrer kreativen Fähigkeiten <strong>und</strong> Unterstützung<br />
einer ges<strong>und</strong>en Lebensweise.<br />
Der Klub „Schalasch-Ost“ bietet vielfältige <strong>und</strong><br />
interessante Möglichkeiten der Freizeitgestaltung:<br />
■ Kreativstudio <strong>für</strong> Vorschulkinder: Malen,<br />
Sport <strong>und</strong> Spiele<br />
■ Computerprojekte <strong>für</strong> Jugendliche/Internet<br />
■ Kreativwerkstatt <strong>für</strong> Mädchen: „Das kann<br />
ich selbst…“<br />
■ Gemeinsam kochen <strong>und</strong> essen – Schule <strong>für</strong><br />
ges<strong>und</strong>e Ernährung<br />
■ Freizeit mit Fahrrad: Ausleihe, Ausflüge,<br />
Reparieren<br />
■ Skaterclub<br />
■ Im Sommer auf den Außenplätzen:<br />
Volleyball, Basketball, Skateboard<br />
■ Im Winter in den Innenräumen: Tischtennis,<br />
Billard, Jugendcafé<br />
■ Projekte <strong>für</strong> Schulen <strong>und</strong> Kindergärten<br />
■ „Klub 30 +“, „Freitagsklub“ <strong>für</strong> Familien,<br />
Anglerklub <strong>für</strong> Jugendliche <strong>und</strong> Erwachsene,<br />
Touristikklub<br />
■ Beratung zur Berufsorientierung <strong>für</strong><br />
Migranten<br />
Die Jugendlichen sind durch einen Jugendrat an<br />
der Leitung des Klubs vertreten.<br />
4. Integrationscollege im Club Dialog e.V.<br />
Lindower Str. 18, 13347 Berlin<br />
Tel.: 030-28389152<br />
Ansprechpartner/innen: Marina Bondarew,<br />
Tsasa Neitzel<br />
■ Beratung in Russisch <strong>und</strong> Deutsch in den<br />
Bereichen Bildung, Qualifizierung,<br />
Anerkennung von Schul- <strong>und</strong><br />
Berufsausbildung<br />
■ Sprachkurse in Deutsch, Englisch <strong>und</strong><br />
Russisch<br />
■ Computerkurse<br />
■ Seminare zur Berufs- <strong>und</strong><br />
Arbeitsmarktorientierung<br />
■ Nachhilfeunterricht in Deutsch, Französisch,<br />
Englisch<br />
■ Abendkurse <strong>für</strong> Arbeitstätige in Deutsch,<br />
Englisch <strong>und</strong> Russisch sowie Computerkurse<br />
■ Samstagscollege <strong>für</strong> Kinder <strong>und</strong> Eltern<br />
Das Integrationscollege im Club Dialog e.V.<br />
wird gefördert durch den Europäischen Sozialfond<br />
<strong>und</strong> das Land Berlin<br />
Kontakt:<br />
Marina Bondarew, Club Dialog e.V.<br />
Friedrichstraße 176-179, 10117 Berlin<br />
info@club-dialog.de<br />
35
36<br />
Kapitel 4 Das Netzwerk „R<strong>und</strong> um die Geburt“ in Berlin Für einen guten <strong>und</strong> ges<strong>und</strong>en Start ins Leben!<br />
Kapitel 4<br />
Netzwerke zur <strong>Ges<strong>und</strong>heits</strong>förderung<br />
Das Netzwerk „R<strong>und</strong> um die Geburt“ in Berlin<br />
Ingrid Papies-Winkler, Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg<br />
Einführung<br />
1995 wurde in Berlin-Kreuzberg die erste bezirkliche<br />
<strong>Ges<strong>und</strong>heits</strong>konferenz zur „Standortbestimmung<br />
des Kreuzberger <strong>Ges<strong>und</strong>heits</strong>wesens“<br />
mit ca. 150 Akteuren der <strong>Ges<strong>und</strong>heits</strong>förderung<br />
<strong>und</strong> <strong>Ges<strong>und</strong>heits</strong>versorgung<br />
durchgeführt. Ein Ziel, das von den beteiligten<br />
Akteuren formuliert wurde, sollte die <strong>Ges<strong>und</strong>heits</strong>förderung<br />
von Schwangeren <strong>und</strong><br />
jungen Familien sein, insbesondere die Verbesserung<br />
der Zugangswege zu sozial benachteiligten<br />
Zielgruppen – oftmals Familien<br />
mit Migrationshintergr<strong>und</strong>.<br />
Ergebnisse der Berliner <strong>und</strong> der bezirklichen<br />
<strong>Ges<strong>und</strong>heits</strong>berichterstattung sowie Befragungen<br />
von Gynäkologen/innen <strong>und</strong> Hebammen<br />
zeigen auf, dass die Inanspruchnahme von Vor<strong>und</strong><br />
Nachsorge r<strong>und</strong> um die Geburt von Frauen<br />
mit türkischem Migrationshintergr<strong>und</strong> deutlich<br />
geringer ist. Die Auswertung Berliner Perinataldaten,<br />
bezogen auf türkischstämmige Migrant/innen<br />
von 1993 – 1999 (David 2005),<br />
zeigt außerdem, dass das „Risiko Migrationshintergr<strong>und</strong>“<br />
immer noch zuzutreffen scheint,<br />
insbesondere in Bezug auf einen schlechteren<br />
Zustand des Kindes nach der Geburt.<br />
Auch der Berliner Basisbericht 2006/2007 zu<br />
<strong>Ges<strong>und</strong>heits</strong>- <strong>und</strong> Sozialdaten bestätigt ausdrücklich<br />
den Handlungsbedarf im Bereich von<br />
Schwangeren <strong>und</strong> jungen Familien mit Migrationshintergr<strong>und</strong>.<br />
So wird eine erhöhte<br />
Säuglingssterblichkeit <strong>und</strong> die geringere Inanspruchnahme<br />
von Früherkennungsuntersuchungen<br />
benannt.<br />
Die Zahl der Geburten betrug 2007<br />
2.857<br />
davon 45 Prozent Deutsche<br />
34 Prozent mit türkischem<br />
Migrationshintergr<strong>und</strong><br />
2 Prozent mit Migrationshintergr<strong>und</strong> der<br />
westlichen Industrieländer<br />
5 Prozent mit Migrationshintergr<strong>und</strong> des<br />
ehemaligen Ostblocks<br />
14 Prozent mit Migrationshintergr<strong>und</strong><br />
sonstiger Staaten<br />
Aufbau <strong>und</strong> Arbeitsweise des Netzwerkes<br />
Unter Federführung der Plan- <strong>und</strong> Leitstelle<br />
Ges<strong>und</strong>heit bildete sich in Folge der <strong>Ges<strong>und</strong>heits</strong>konferenz<br />
ein Arbeitskreis mit weiteren<br />
folgenden Zielsetzungen:<br />
■ Mitwirkung bei der bezirklichen<br />
<strong>Ges<strong>und</strong>heits</strong>planung<br />
■ Verbesserung der Kooperation zwischen<br />
allen Einrichtungen <strong>und</strong> Personen, die mit<br />
Schwangeren <strong>und</strong> jungen Familien arbeiten<br />
■ Stärkung der Elternkompetenz<br />
■ Identifizierung von Versorgungslücken<br />
■ Initiierung von notwendigen Maßnahmen<br />
<strong>und</strong> Projekten<br />
■ Vermeidung von Doppelangeboten<br />
Der Arbeitskreis entwickelte sich zu einem<br />
interdisziplinären, ressort- <strong>und</strong> trägerübergreifenden<br />
Netzwerk mit ca. 40 beteiligten Einrichtungen<br />
auf freiwilliger Basis: Das Netzwerk<br />
ist gekennzeichnet durch eine stabile Kontinuität<br />
der Mitglieder. Die Netzwerksteuerung<br />
obliegt der Plan- <strong>und</strong> Leitstelle in enger Anbindung<br />
an den politischen Dezernenten <strong>für</strong><br />
Ges<strong>und</strong>heit. Ziele, Handlungsschwerpunkte<br />
<strong>und</strong> -strategien werden partizipativ entwickelt<br />
<strong>und</strong> jeweils mit den geeigneten Kooperationspartner/innen<br />
umgesetzt.<br />
Im Folgenden finden Sie ausgewählte Arbeitsergebnisse<br />
im Rahmen der Netzwerkentwicklung:<br />
■ Von der Plan- <strong>und</strong> Leitstelle <strong>und</strong> dem<br />
Netzwerk wurde die Einrichtung des<br />
Geburtshauses Kreuzberg wesentlich<br />
unterstützt. R<strong>und</strong> 50 Prozent der Frauen, die<br />
bis 1995 im ersten Geburtshaus Charlottenburg<br />
entbanden, kamen aus Kreuzberg <strong>und</strong>
Für einen guten <strong>und</strong> ges<strong>und</strong>en Start ins Leben! Kapitel 4 Das Netzwerk „R<strong>und</strong> um die Geburt“ in Berlin<br />
Neukölln. Das Bezirksamt stellte 1996 dem<br />
Geburtshaus Räume des <strong>Ges<strong>und</strong>heits</strong>amtes<br />
<strong>für</strong> ambulante Entbindungen <strong>und</strong> Vor- <strong>und</strong><br />
Nachbetreuungen von Schwangeren zur<br />
Verfügung. Besonders wurde darauf hingewirkt,<br />
dass eine räumlich <strong>und</strong> fachlich<br />
enge Kooperation mit dem Vivantes Klinikum<br />
„Am Urban“ <strong>und</strong> dem <strong>Ges<strong>und</strong>heits</strong>amt<br />
stattfindet. Inzwischen wurde das Geburtshaus<br />
zu einer Berlinweit anerkannten Einrichtung<br />
mit vielen Kursangeboten. Etwa<br />
1.500 Kinder wurden bisher ambulant<br />
entb<strong>und</strong>en.<br />
■ Das Zentrum <strong>für</strong> sexuelle Ges<strong>und</strong>heit <strong>und</strong><br />
Familienplanung des <strong>Ges<strong>und</strong>heits</strong>amtes,<br />
Albatros-Lebensnetz e.V. <strong>und</strong> Balance e.V.<br />
beraten <strong>und</strong> betreuen Schwangere <strong>und</strong><br />
Familien ärztlich <strong>und</strong> sozialpädagogisch.<br />
Auch Nichtversicherte <strong>und</strong> Menschen ohne<br />
Aufenthaltsstatus erhalten Hilfe <strong>und</strong><br />
Behandlung. Im Zentrum <strong>für</strong> sexuelle<br />
Ges<strong>und</strong>heit <strong>und</strong> Familienplanung haben ca.<br />
55 Prozent der Klienten/innen einen<br />
Migrationshintergr<strong>und</strong>. Mit anderen<br />
Netzwerkeinrichtungen wird eng kooperiert.<br />
■ Der Kinder- <strong>und</strong> Jugendges<strong>und</strong>heitsdienst<br />
führt neben ärztlichen Untersuchungen <strong>und</strong><br />
sozialpädagogischen Beratungen regelmäßig<br />
Hausbesuche bei Neugeborenen <strong>und</strong><br />
deren Eltern sowie Besuche bei jungen<br />
Müttern im Vivantes Klinikum „Am Urban“<br />
<strong>und</strong> im Klinikum im Friedrichshain durch, um<br />
so frühzeitig insbesondere sozial Benachteiligte<br />
zu erreichen, die Hilfe benötigen <strong>und</strong><br />
aus eigener Initiative die Dienste nicht in<br />
Anspruch nehmen. Für junge Eltern mit<br />
Schreibabys wird kostenlos emotionale<br />
Erste Hilfe angeboten, auch niedrigschwellig<br />
in Familien- <strong>und</strong> Nachbarschaftszentren.<br />
Eine enge Kooperation mit freiberuflichen<br />
Hebammen findet statt.<br />
Aufgr<strong>und</strong> der erhöhten Säuglingssterblichkeit<br />
im Bezirksteil Kreuzberg wurde Anfang der<br />
90er Jahre ein spezielles Angebot <strong>für</strong> Familien<br />
mit besonderem Unterstützungsbedarf nach<br />
der Geburt geschaffen. Zwei Kinderkrankenschwestern,<br />
mit festen Personalstellen im<br />
Kinder- <strong>und</strong> Jugendges<strong>und</strong>heitsdienst, beraten<br />
<strong>und</strong> betreuen Familien bis zum ersten Lebensjahr<br />
des Kindes kostenlos zu Fragen wie Stillen,<br />
Säuglingspflege, Ernährung von Mutter <strong>und</strong><br />
Kind, Schlaf- <strong>und</strong> Wachrhythmus. Das Angebot<br />
wird zu etwa 50 Prozent von Familien nichtdeutscher<br />
Herkunft wahrgenommen <strong>und</strong> umfasst<br />
auch Nicht-Versicherte. Zur Unterstützung<br />
von Kindern <strong>und</strong> Familien stehen auch Physiotherapeuten/innen,<br />
Ergotherapeuten/innen<br />
<strong>und</strong> Logopäden/innen durch den Kinder- <strong>und</strong><br />
Jugendges<strong>und</strong>heitsdienst zur Verfügung, die<br />
regelmäßig Kitas besuchen. Zur Sprach- <strong>und</strong><br />
Kulturmittlung wird der Gemeindedolmetschdienst<br />
<strong>für</strong> 20 Sprachen auf Honorarbasis eingesetzt.<br />
■ FuN-Familie <strong>und</strong> Nachbarschaft, unterstützt<br />
vom Diakonischen Werk Berlin-Brandenburg,<br />
bietet seit 2007 durch freiwillige Helfer<br />
des Projekts Känguru jungen Eltern Unterstützung<br />
in den ersten sechs Monaten nach<br />
der Geburt.<br />
■ Stützrad e.V., ebenfalls ein freier Träger der<br />
Jugendhilfe, bietet seit 2008 mit dem Projekt<br />
Wellcome im Ortsteil Friedrichshain Hilfe<br />
durch Ehrenamtliche <strong>für</strong> Eltern mit Neugeborenen<br />
in enger Kooperation mit der Geburtsklinik<br />
im Friedrichshain.<br />
■ Im Rahmen der Diskussion zur Überwindung<br />
von Zugangsbarrieren, insbesondere bei<br />
türkischen Schwangeren <strong>und</strong> Familien<br />
traditioneller Herkunft, wurde die gemeinsame<br />
Projektidee entwickelt, eine Elternschule<br />
im Klinikum „Am Urban“ einzurichten.<br />
Über 50 Prozent der Entbindungen<br />
dort werden bei Frauen türkischer Herkunft<br />
vorgenommen. Eine Initiative von<br />
Hebammen bietet muttersprachliche<br />
Beratung <strong>und</strong> Betreuung sowie Kurse<br />
zur Geburtsvorbereitung <strong>und</strong> Rückbildung<br />
an.<br />
Alle türkischen Schwangeren erhalten vom<br />
Krankenhaus eine individuelle Beratung <strong>und</strong><br />
Betreuung <strong>und</strong> die feste Zuordnung einer<br />
Hebamme. Das Projekt wird im Rahmen des<br />
„<strong>Ges<strong>und</strong>heits</strong>fördernden Krankenhauses“ unterstützt.<br />
In der Kinderklinik im Friedrichshain<br />
wurde ebenfalls eine Elternschule eingerichtet,<br />
in enger Kooperation mit dem angegliederten<br />
Sozialpädiatrischen Zentrum. Hier ist außerdem<br />
eine kompetente Anlaufstelle <strong>für</strong> Wochenbettdepressionen.<br />
■ Im St. Joseph-Krankenhaus wurde ein<br />
Angebot <strong>für</strong> Eltern, Babys <strong>und</strong> Kleinkinder<br />
(null – drei Jahre) eingerichtet bei Schrei-,<br />
Schlaf- <strong>und</strong> Fütterproblemen. Eine Zertifizierung<br />
durch die WHO als stillfre<strong>und</strong>liches<br />
Krankenhaus ist erfolgt.<br />
■ R<strong>und</strong> 40 freie Hebammen bieten in<br />
Friedrichshain-Kreuzberg Schwangerenberatung,<br />
Vorbesuche <strong>und</strong> acht Hausbesuche<br />
nach der Geburt an (Finanzierung<br />
durch die Krankenkassen) sowie<br />
Geburtsvorbereitungs- <strong>und</strong> Rückbildungskurse.<br />
Die Inanspruchnahme von Hebammen<br />
liegt derzeit bei ca. 70 Prozent. Einige<br />
Hebammen arbeiten eng mit Gynäkologen/innenpraxen<br />
zusammen <strong>und</strong> bieten<br />
dort ihre Dienste an. In Berlin gab es bisher<br />
keine Familienhebammen. Als Modellprojekt<br />
werden ab 2009 Familienhebammen in<br />
Friedrichshain-Kreuzberg eingesetzt. Die<br />
Qualifizierungsmaßnahme wird von der<br />
Senatsverwaltung Ges<strong>und</strong>heit, Umwelt <strong>und</strong><br />
Verbraucherschutz finanziert.<br />
■ Das Interkulturelle Familienzentrum<br />
Waldemarstraße ist Treffpunkt <strong>für</strong> Familien<br />
in einem sozialen Brennpunkt. Türkisch- <strong>und</strong><br />
arabischsprachige Mitarbeiter/innen bieten<br />
Beratung, Familienbildung <strong>und</strong> Vätergruppen<br />
an <strong>und</strong> begleiten Eltern-Kind- <strong>und</strong><br />
Selbsthilfegruppen.<br />
■ Durch den Kinder- <strong>und</strong> Jugendges<strong>und</strong>heitsdienst<br />
wird Babymassage <strong>und</strong> Beratung<br />
vor Ort angeboten, darüber hinaus ein<br />
Kurs zur ges<strong>und</strong>en Ernährung <strong>und</strong> Bewegung<br />
aus dem Projekt „Ges<strong>und</strong> sind wir<br />
stark! – Sagˇliki daha güçlüyüz!“.<br />
37
38<br />
Kapitel 4 Das Netzwerk „R<strong>und</strong> um die Geburt“ in Berlin Für einen guten <strong>und</strong> ges<strong>und</strong>en Start ins Leben!<br />
■ Das Familienzentrum Mehringdamm, TAM<br />
(Treffpunkt am Mehringplatz) <strong>und</strong> FUN<br />
(Familie <strong>und</strong> Nachbarschaft) bieten Beratung<br />
<strong>und</strong> Betreuung <strong>für</strong> Schwangere <strong>und</strong><br />
junge Familien an sowie Eltenbildung,<br />
stellen Räume <strong>für</strong> Eltern-Kind-Gruppen zur<br />
Verfügung <strong>und</strong> bieten einen Spielraum <strong>für</strong><br />
Bewegung an. Familienzentrum <strong>und</strong> TAM<br />
haben einen erhöhten Anteil von Familien<br />
mit Migrationshintergr<strong>und</strong>. Das Familienzentrum<br />
entwickelt sich zur Zeit zu einem<br />
Early Excellence-Zentrum nach britischem<br />
Vorbild, in dem die gezielte Förderung von<br />
Vorschulkindern <strong>und</strong> die Unterstützung <strong>und</strong><br />
Entlastung der Eltern Ziel ist. Im TAM<br />
wurden 30 Stadtteilmütter qualifiziert zur<br />
Unterstützung von Familien mit<br />
Migrationshintergr<strong>und</strong> <strong>und</strong> als Mittler<br />
zwischen den Einrichtungen. Das Projekt<br />
wird wissenschaftlich begleitet <strong>und</strong><br />
evaluiert.<br />
■ Das Stadtteilzentrum Lausitzer Straße bietet<br />
einen Mütter-Treff <strong>und</strong> eine Schreibabyambulanz<br />
an. Auch hier wird eng mit Hebammen,<br />
Kinder- <strong>und</strong> Jugendges<strong>und</strong>heitsdienst<br />
<strong>und</strong> anderen Einrichtungen kooperiert.<br />
■ Die Mannege e.V. ist Anlaufstelle <strong>für</strong> Väter.<br />
Neben Väterberatungen <strong>und</strong> –gruppen wird<br />
die Bedeutung des Vaters in gemeinsamen<br />
Fachtagungen <strong>und</strong> in Medien thematisiert.<br />
■ Mit diversen Trägern von Familien- <strong>und</strong><br />
Jugendhilfemaßnahmen, wird im Rahmen<br />
von ambulanten Hilfen zur Erziehung<br />
kooperiert mit verschiedenen Netzwerkpartnern.<br />
Bei einigen Trägern stehen<br />
Familienhelfer mit interkulturellen Kompetenzen<br />
<strong>und</strong> in ca. 15 Sprachen zur Verfügung.<br />
■ Wegweiser <strong>für</strong> Schwangere <strong>und</strong> Wegweiser<br />
<strong>für</strong> junge Familien in Friedrichshain-Kreuzberg<br />
wurden von der Plan- <strong>und</strong> Leitstelle<br />
erstellt <strong>und</strong> regelmäßig aktualisiert. Zusätzlich<br />
wurden Informationsmaterialien <strong>für</strong><br />
Schwangere <strong>und</strong> Familien in türkischer <strong>und</strong><br />
russischer Sprache herausgegeben. Vom<br />
interkulturellen Bayouma-Haus wurden<br />
Informationsmaterialien, wie z. B. der<br />
Impfplan, erarbeitet <strong>und</strong> in verschiedene<br />
Sprachen übersetzt, ebenso Materialien zur<br />
Unfallprävention.<br />
■ Ärzte- <strong>und</strong> Anwälte-Wegweiser mit<br />
Sprachkompetenzen wurden erstellt.<br />
■ Im Januar 2007 ist das <strong>Ges<strong>und</strong>heits</strong>förderungsprojekt<br />
„Ges<strong>und</strong> sind wir stark! –<br />
Sagˇliki daha güçlüyüz!“ gestartet, das im<br />
Rahmen des Wettbewerbs „Besser essen.<br />
Mehr bewegen.“ vom B<strong>und</strong>esministerium<br />
<strong>für</strong> Ernährung, Landwirtschaft <strong>und</strong> Verbraucherschutz<br />
<strong>für</strong> drei Jahre als Modellprojekt<br />
gefördert wird. Träger ist das Zentrum<br />
<strong>für</strong> angewandte <strong>Ges<strong>und</strong>heits</strong>förderung<br />
<strong>und</strong> <strong>Ges<strong>und</strong>heits</strong>wissenschaften (ZAGG),<br />
das in enger Kooperation mit der Plan- <strong>und</strong><br />
Leitstelle Ges<strong>und</strong>heit die Maßnahme<br />
durchführt. In enger Anbindung an das<br />
Netzwerk „<strong>Ges<strong>und</strong>heits</strong>förderung r<strong>und</strong> um<br />
die Geburt“ <strong>und</strong> anderer bezirklicher Netzwerkstrukturen<br />
sind zum einen 30 <strong>Ges<strong>und</strong>heits</strong>trainer/innen<br />
geschult worden, die mit<br />
jungen Familien arbeiten. Zum anderen sind<br />
30 Migranten/innen, vorwiegend mit<br />
türkischem <strong>und</strong> arabischem Migrationshintergr<strong>und</strong>,<br />
qualifiziert worden als <strong>Ges<strong>und</strong>heits</strong>mentor/innen<br />
zu den Themenfeld<br />
Ernährung, Bewegung <strong>und</strong> Systemische<br />
Beratung zum Einsatz im nachbarschaftlichen<br />
Umfeld. Das Projekt wird durch<br />
Qualitätszirkel begleitet <strong>und</strong> evaluiert.<br />
■ Mitglieder des Arbeitskreises stehen<br />
anderen Einrichtungen kostenfrei als<br />
Referenten/innen <strong>und</strong> Berater/innen zur<br />
Verfügung.<br />
■ Im Rahmen eines EU-geförderten Projekts<br />
wurden 70 Migranten/innen zu Gemeindedolmetscher/innen<br />
qualifiziert. Der Gemeindedolmetschdienst<br />
kann in 20 Sprachen<br />
vermittelt werden. Projektträger ist Ges<strong>und</strong>heit<br />
Berlin e.V. in enger Kooperation<br />
mit der Plan- <strong>und</strong> Leitstelle Ges<strong>und</strong>heit. Der<br />
Gemeindedolmetschdienst ist ein Projekt<br />
des Öffentlichen Beschäftigungssektors mit<br />
20 Teilnehmer/innen, die gemeinnützigen<br />
Einrichtungen in acht Sprachen <strong>für</strong><br />
kostenfreien Einsatz zur Verfügung stehen.<br />
Alle Sprach- <strong>und</strong> Kulturmittlerdienste stehen<br />
den Netzwerkmitgliedern zur Verfügung.<br />
■ In die Landesges<strong>und</strong>heitskonferenz wurde<br />
der Schwerpunkt <strong>Ges<strong>und</strong>heits</strong>förderung<br />
r<strong>und</strong> um die Geburt als ein <strong>Ges<strong>und</strong>heits</strong>ziel<br />
mit Maßnahmenempfehlungen eingebracht.<br />
Fazit<br />
Das Thema „<strong>Ges<strong>und</strong>heits</strong>förderung r<strong>und</strong> um<br />
die Geburt“ <strong>und</strong> insbesondere der Übergang<br />
von Schwangerschaft zur Familie wurden lange<br />
Zeit vernachlässigt. Im Fokus – auch der Jugendhilfe<br />
– standen weitgehend ältere Kinder<br />
<strong>und</strong> Familien, die der Hilfe bedurften. Diesem<br />
Defizit sollte seinerzeit mit Einrichtung des Arbeitskreises<br />
„<strong>Ges<strong>und</strong>heits</strong>förderung r<strong>und</strong> um<br />
die Geburt“ Rechnung getragen werden. Netzwerkarbeit<br />
erfordert einen langen Atem, personell<br />
kontinuierliche <strong>und</strong> verbindliche Koordination,<br />
gute Kenntnis kommunaler Strukturen<br />
<strong>und</strong> eine Unterstützung der Politik.<br />
Bewährt hat sich die freiwillige Teilnahme der<br />
Netzwerkmitglieder, die eine hohe Motivation<br />
<strong>und</strong> die Erkenntnis eines persönlichen oder<br />
institutionellen Nutzens bedingt. So konnten –<br />
nach persönlicher Einschätzung der Mitglieder<br />
– Konkurrenzen abgebaut werden, Kooperationen<br />
verschiedener Personen <strong>und</strong> Einrichtungen<br />
entwickelt werden, gegenseitige Erfahrungen<br />
<strong>und</strong> Wissen vermittelt <strong>und</strong> gemeinsame<br />
Projekte realisiert werden. Nach wie vor bleibt<br />
viel zu tun. Aufgr<strong>und</strong> der begrenzten personellen<br />
Ressourcen in der <strong>Ges<strong>und</strong>heits</strong>- <strong>und</strong><br />
Jugendhilfe können Multiplikatorenmodelle<br />
wie „Ges<strong>und</strong> sind wir stark! – Sagˇliki daha<br />
güçlüyüz!“ Ansätze sein, um möglichst frühzeitig<br />
<strong>und</strong> präventiv Familien – insbesondere<br />
sozial Benachteiligte – durch <strong>Ges<strong>und</strong>heits</strong>förderung<br />
<strong>und</strong> <strong>Prävention</strong> zu erreichen. Die<br />
verstärkte Kooperation mit wissenschaftlichen<br />
Einrichtungen wäre hier sinnvoll zur Qualitätssicherung<br />
sowohl des Netzwerkes als auch<br />
einzelner Projekte. Darüber hinaus ist eine<br />
politische Unterstützung unabdingbar.<br />
Kontakt:<br />
Ingrid Papies-Winkler<br />
Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg<br />
Plan- <strong>und</strong> Leistelle Ges<strong>und</strong>heit<br />
Yorckstraße 4-11<br />
10965 Berlin<br />
Tel.: 030/ 902 983 546<br />
E-Mail: gespl@ba-fk.verwalt-berlin.de
Für einen guten <strong>und</strong> ges<strong>und</strong>en Start ins Leben! Kapitel 4 Vernetzung von Bewegungsförderung in Delmenhorster Kitas<br />
Vernetzung von Bewegungsförderung in<br />
Delmenhorster Kitas<br />
Dr. Johann Böhmann, Chefarzt <strong>für</strong> Kinder- <strong>und</strong> Jugendliche im Klinikum<br />
Delmenhorst<br />
Einführung<br />
Aufgr<strong>und</strong> der Erfahrungen in der Kommune der<br />
vergangenen zehn Jahre erlaube ich mir, den<br />
Titel zu erweitern, in dem ich die Aktivitäten zur<br />
Bewegungsförderung nicht nur durch Vernetzungsaktivitäten<br />
erkläre, sondern selbst als ein<br />
wesentliches Moment zur Förderung der Vernetzung<br />
der Delmenhorster Kitas untereinander<br />
– <strong>und</strong> was in der aktuellen Debatte fast<br />
noch wichtiger erscheint – auch zu Einrichtungen<br />
des <strong>Ges<strong>und</strong>heits</strong>systems ansehe. Ausgangspunkt<br />
unserer Aktivitäten war vor mehr<br />
als zwölf Jahren die Analyse von Kinderunfällen.<br />
Wichtige Basis war weiterhin ein in<br />
Delmenhorst seit Jahren gut funktionierendes<br />
so genanntes „zentrales Modell“, in dem<br />
Ressourcen u.a. auch auf dem Gebiet der<br />
Psychomotorik allen Kitas zur Verfügung gestellt<br />
<strong>und</strong> zentral koordiniert werden.<br />
Aufbau <strong>und</strong> Arbeit des Netzwerkes<br />
Ich spreche über die Kommune Delmenhorst/<br />
Ganderkesee mit etwa 100.000 Einwohner/innen<br />
bzw. etwa 17.000 Kindern unter 16 Jahren.<br />
Ich berichte bewusst nicht über „tolle“ Bewegungsförderungsangebote,<br />
wie sie überall in<br />
Deutschland, teilweise auch mit kommerziellem<br />
Hintergr<strong>und</strong>, aus dem Boden schießen,<br />
<strong>und</strong> die „Verinselung der Kindheit“ eher noch<br />
fördern als diesem Trend entgegenzuwirken.<br />
Ich nehme Bezug auf viele Aussagen der<br />
vorausgegangenen Vorträge insbesondere zur<br />
sozialen Situation der Kindheit (Raim<strong>und</strong><br />
Geene), aber auch zur Entwicklungspsychologie<br />
(Hellgard Rauh), in der den motorischen<br />
Fähigkeiten eine unterschätzte Bedeutung <strong>für</strong><br />
die gesamte kognitive <strong>und</strong> emotionale Entwicklung<br />
zukommt.<br />
Ausgangspunkt unserer Vernetzungsaktivitäten<br />
war ursprünglich die Analyse von Kinderunfällen.<br />
Daraus resultierte der Versuch,<br />
neben der passiven Sicherheit, die aktive<br />
Sicherheit durch Bewegungsförderung, hauptsächlich<br />
bei psychomotorisch auffälligen<br />
Kindern, positiv zu beeinflussen. Verletzungen<br />
haben nach unseren eigenen Daten (1998-<br />
2002) nämlich im Alter von zwei bis vier Jahren<br />
ihren deutlichen epidemiologischen Gipfel <strong>und</strong><br />
die Zahl von sozial belasteten Familien insbesondere<br />
mit Migrationshintergr<strong>und</strong> ist weit<br />
überproportional hoch. Die Aktivitäten aus<br />
dem vom „R<strong>und</strong>en Tisch Unfallprävention“ in<br />
Kooperation u.a. mit der Drogenberatung, dem<br />
Kriminalpräventiven Rat <strong>und</strong> allen relevanten<br />
Behörden erfolgten in einer Struktur von<br />
Arbeitsgemeinschaften, bei denen die „AG<br />
Bewegungsförderung in der Kita“ eine zentrale<br />
Bedeutung erlangte.<br />
Daneben bestanden übrigens Arbeitsgemeinschaften<br />
<strong>für</strong> Verkehr – häusliche Unfälle – Unfallmonitoring<br />
<strong>und</strong> Senioren mit jeweils eigener<br />
Agenda <strong>und</strong> eigenen Untergruppen <strong>und</strong><br />
Akteuren. In der „AG Bewegungsförderung“<br />
waren sowohl Vertreter/innen der Kitas, als<br />
auch Lehrer/innen <strong>und</strong> Vertreter/innen von<br />
Vereinen <strong>und</strong> Privatinitiativen vertreten. Inhaltlich<br />
organisierte sich die Aktivität um den<br />
Leiter des Sprachheilkindergartens (Reinhold<br />
Leßner), der zusammen mit Vertreter/innen<br />
aus Kitas <strong>und</strong> Vereinen vor allem aus dem<br />
Gebiet der Multiplikatorenschulung eine große<br />
Zahl von engagierten Erzieher/innen erreichte.<br />
Ein Vorhaben, die Übungsleiterweiterbildung in<br />
Kooperation mit dem Landessportb<strong>und</strong><br />
Delmenhorst durchführen zu lassen, scheiterte<br />
allerdings.<br />
Erfolgreich waren Kooperationen zwischen<br />
einzelnen Kitas <strong>und</strong> Vereinen, bei denen die<br />
weitergebildeten Erzieher/innen als Übungsleiter/innen<br />
vom Verein honoriert werden,<br />
wobei die Kinder dem Verein beitreten. Sowohl<br />
Kitas als auch die Vereine profitieren von<br />
diesem nachhaltigen Projekt dreier Delmenhorster<br />
Kitas. Die Arbeitsgemeinschaft Kita in<br />
Bewegung, an der Vertreter/innen quasi aller<br />
Kitas sowie Dozent/innen der Berufsbildenden<br />
Schule teilnehmen, trifft sich mehrfach jährlich<br />
<strong>und</strong> diskutiert Themen angefangen von Sicherheit<br />
in den Kitas bis hin zur psychomotorischer<br />
Weiterbildung, Diagnostik (KTK) <strong>und</strong> Fördermaßnahmen<br />
<strong>für</strong> einzelne Kinder. Auch ein<br />
interessantes Projekt war das Reaktivieren<br />
alter Kinderspiele, das mit großer Begeisterung<br />
während eines Ganztagsseminars durchgeführt<br />
wurde. Überhaupt fanden eine große Zahl<br />
von Weiterbildungen mit etwa 20 Teilnehmern<br />
regelmäßig in Form von Workshops, gefördert<br />
vom Verein „Ges<strong>und</strong>heit im Kindesalter e.V“<br />
(www.gik-delmenhorst.de) oder auch einem<br />
örtlichen Lionsclub, statt. Hier erstreckte sich<br />
das Themenspektrum von Diagnostik bis zum<br />
Umgang mit „Problemeltern“ (Titel z.B. „kein<br />
Geld <strong>für</strong> die Gruppenkasse aber einen Handyvertrag“).<br />
In der „AG Kinderwelt ist Bewegungswelt“,<br />
ursprünglich in Kooperation mit dem<br />
Stadtsportb<strong>und</strong> Delmenhorst, werden in<br />
Kleingruppen von einem Psychomotoriker seit<br />
mehr als vier Jahren ohne Vereinszugehörigkeit<br />
Kinder wöchentlich gezielt gefördert. Die<br />
Finanzierung läuft in diesem Fall über einzelne<br />
Beiträge der Eltern <strong>und</strong> den Verein „Ges<strong>und</strong>heit<br />
im Kindesalter“. In der „Arbeitsgemeinschaft<br />
Schüler <strong>und</strong> Vereine“ (Frau Burdorf) finden sich<br />
Kooperationen zwischen Gr<strong>und</strong>schulen <strong>und</strong><br />
benachbarten Vereinen, die insbesondere im<br />
Nachmittagsangebot der verlässlichen Gr<strong>und</strong>schule<br />
von beiden Seiten angenommen werden.<br />
Aus dieser Aktivität hat sich eine Untergruppe<br />
gebildet, die Bewegungsförderung<br />
mit musikalischer Begleitung (Gitarrenworkshop)<br />
durchführt. In dieser Gruppe sind im<br />
dritten Jahr in Folge jeweils zehn Erzieherinnen<br />
durch einen Musikpädagogen mit großer<br />
Freude <strong>und</strong> Engagement weitergebildet worden<br />
<strong>und</strong> tragen die Aktivitäten in die Kitas. Fast<br />
alle Kitas in Delmenhorst haben einzelne<br />
Erzieherinnen in dieser Gruppe. Abger<strong>und</strong>et<br />
wird die Zahl der Arbeitsgemeinschaften durch<br />
eine Gruppe von Kitz-Leiterinnen mit dem Titel<br />
„Kita <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heit“, wo eine Brückenbildung<br />
zum <strong>Ges<strong>und</strong>heits</strong>wesen seit mehreren<br />
Jahren dazu führt, das gemeinsame Weiterbildungsveranstaltungen<br />
<strong>für</strong> jeweils 20 Erzieherinnen<br />
mit unterschiedlichen relevanten<br />
Themen durchgeführt werden. Ein sehr interessantes<br />
<strong>und</strong> wichtiges Thema war das<br />
bereits mehrfach wiederholte Projekt „Umgang<br />
mit Problemfamilien“. Es wurde von Praktikern<br />
aller Kitas rege nachgefragt.<br />
Fazit<br />
Ich habe versucht anhand von Beispielen<br />
Prinzipien einer gelingenden <strong>und</strong> nachhaltigen<br />
39
40<br />
Kapitel 4 Das Marburger <strong>Ges<strong>und</strong>heits</strong>netzwerk „mittendrin“ Für einen guten <strong>und</strong> ges<strong>und</strong>en Start ins Leben!<br />
Netzwerkarbeit im Sinne von „Viele Wege<br />
führen nach Rom, „Wer macht mit?“, „Hauptsache<br />
Fortschritte machen“ <strong>und</strong> „Aus Fehlern<br />
wird man klug“ zu illustrieren. In der anschließenden<br />
Diskussion wurden Strukturdefizite<br />
einer solchen Vernetzung ohne einen<br />
strukturellen Hintergr<strong>und</strong> <strong>und</strong> eine feste Organisationsstruktur<br />
deutlich, auch das Fehlen<br />
einer gr<strong>und</strong>legenden Evaluation durch die<br />
Abwesenheit institutioneller akademischer Un-<br />
terstützung wurde kritisch diskutiert. Neben<br />
der Anerkennung der engagierten Netzwerkarbeit<br />
erfolgte aber deutlich die Forderung,<br />
diese enger in kommunale Strukturen, trotz der<br />
notwendigen Freiheitsgrade, einzubinden. Insbesondere<br />
die Problematik der Überforderung<br />
<strong>und</strong> Belastung von Erzieherinnen durch eine<br />
Vielzahl von Projekten wurde mehrfach thematisiert,<br />
ebenfalls das Primat kognitiver Weiterbildung.<br />
Kontakt:<br />
Dr. Johann Böhmann<br />
Kinderklinikum Delmenhorst<br />
Wildeshausener Straße 92<br />
277753 Delmenhorst<br />
Tel.: 04221/ 994 401<br />
E-Mail:<br />
boehmann.hans@klinikendelmenhorst.de<br />
www.gik-delmenhorst.de
Für einen guten <strong>und</strong> ges<strong>und</strong>en Start ins Leben! Kapitel 4 Das Netzwerk Bewegungsförderung in Berlin<br />
Das Marburger <strong>Ges<strong>und</strong>heits</strong>netzwerk<br />
„mittendrin“<br />
Monika Kringe, Marburger <strong>Ges<strong>und</strong>heits</strong>netzwerk „mittendrin“<br />
Einführung/Ziel des Netzwerkes<br />
Das Marburger <strong>Ges<strong>und</strong>heits</strong>netzwerk <strong>für</strong> Kinder<br />
„mittendrin“ hat zum Ziel, die ges<strong>und</strong>heitliche<br />
Chancengleichheit der Kinder in benachteiligten<br />
Stadtteilen zu erhöhen.<br />
Aufbau <strong>und</strong> Arbeitsweise des Netzwerkes<br />
Um die Lebenssituation der Kinder in drei Marburger<br />
Stadtteilen nachhaltig zu verbessern,<br />
haben sich 49 Marburger Akteure aus den Bereichen<br />
Soziale Arbeit, Verwaltung, Ges<strong>und</strong>heit,<br />
Medien <strong>und</strong> Wissenschaft zu einem interdisziplinären<br />
Netzwerk zusammengeschlossen.<br />
Träger des Modellprojektes ist der Marburger<br />
Verein zur Förderung bewegungs- <strong>und</strong><br />
sportorientierter Jugendsozialarbeit e.V. (bsj).<br />
Bei der Umsetzung des Modellvorhabens steht<br />
der sozialräumliche Zugang zu den Lebenswelten<br />
der Kinder <strong>und</strong> Eltern im Vordergr<strong>und</strong>.<br />
<strong>Ges<strong>und</strong>heits</strong>förderliche Lebensstile der Bewohner/innen<br />
werden gestärkt <strong>und</strong> vorhandene<br />
Ressourcen im unmittelbaren Lebens<strong>und</strong><br />
Sozialraum unterstützt. Zielgruppe des<br />
Modellprojektes sind Kinder im Alter von null -<br />
zehn Jahren <strong>und</strong> ihre Familien.<br />
Gemeinsam mit sechs Kindertagesstätten, drei<br />
Horten, zwei Gr<strong>und</strong>schulen <strong>und</strong> drei Gemeinwesenvereinen<br />
in den benachteiligten Stadtteilen<br />
erreicht das Netzwerk 1100 Kinder <strong>und</strong><br />
ihre Eltern. Das Netzwerk geht von der Annahme<br />
aus, dass kommunale <strong>Ges<strong>und</strong>heits</strong>förderung<br />
wirkungsvoll umgesetzt <strong>und</strong> nachhaltig<br />
verankert werden kann, wenn alle Akteu-<br />
re des Gemeinwesens in den sozialräumlichen<br />
Prozess einbezogen sind. Daher ist die Beteiligung<br />
<strong>und</strong> Aktivierung der Kinder <strong>und</strong> ihrer<br />
Familien ein wesentlicher Bestandteil des Modellvorhabens.<br />
Die Maßnahmen in den Bereichen<br />
Bewegung <strong>und</strong> Ernährung werden gemeinsam<br />
mit den Bewohner/innen geplant <strong>und</strong><br />
umgesetzt. Im Bewegungsbereich ist die Unterstützung<br />
von elementaren Erfahrungen wie<br />
Klettern, Hangeln, Balancieren, Springen <strong>und</strong><br />
Laufen ein wichtiges Ziel des Netzwerkes. Im<br />
Wohnumfeld <strong>und</strong> in den Institutionen sollen<br />
Bewegungsräume erweitert werden, die die<br />
Kinder ermuntern, ihren Sozialraum zu freiem<br />
Bewegungsspiel zu nutzen.<br />
In diesem Kontext wurden die Kinder in einer<br />
breit angelegten Sozialraumerk<strong>und</strong>ung nach<br />
Verbesserungsmöglichkeiten in ihrem Wohnumfeld<br />
befragt. Die Erkenntnisse der Sozialraumerk<strong>und</strong>ung<br />
dienen der bewegungsorientierten<br />
Gestaltung des Sozialraums, z.B.<br />
gemeinsamer Bau von selbst geplanten Spielgeräten<br />
im Wohnumfeld.<br />
Der Einbezug abenteuerpädagogischer Methoden<br />
soll die Kinder unterstützen, den Sozialraum<br />
in Besitz zu nehmen <strong>und</strong> das Wohnumfeld<br />
als Spielort verstärkt zu nutzen. Sozialräumliche<br />
Bewegungsangebote <strong>für</strong> Kleinkinder<br />
<strong>und</strong> ihre Eltern werden im Rahmen von körperbezogenen<br />
Einheiten wie Erfahrungen im<br />
Wasser oder Babymassage umgesetzt.<br />
Das <strong>Ges<strong>und</strong>heits</strong>netzwerk <strong>für</strong> Kinder „mittendrin“<br />
ernennt ges<strong>und</strong>e Ernährung zum Querschnittsthema<br />
in den Stadtteilen. Kochen<br />
lernen, Essenskulturen <strong>und</strong> Ernährungsgewohnheiten<br />
aus unterschiedlichen Nationen<br />
werden in den Stadtteilen, Kindergärten <strong>und</strong><br />
Schulen stärker thematisiert (z.B. Durchführung<br />
einer interkulturellen Essenswoche,<br />
Kocheinheiten mit Eltern <strong>und</strong> Kindern, Kochen<br />
<strong>für</strong> junge Eltern). In Kindertagesstätten <strong>und</strong><br />
Gr<strong>und</strong>schulen sowie im nahen Wohnumfeld der<br />
Stadtteile werden Gemeinschaftsgärten <strong>für</strong><br />
Kinder <strong>und</strong> Familien eingerichtet. Der Aufbau<br />
<strong>und</strong> Betrieb von Gärten als Abenteuerraum<br />
bietet transparente Lernfelder <strong>für</strong> Kinder,<br />
indem er zu Naturerfahrungen <strong>und</strong> Experimentiermöglichkeiten<br />
anregt. Interkulturelle Gemeinschaftsgärten<br />
sind Lernorte <strong>für</strong> Gestaltungskompetenzen,<br />
eine Plattform <strong>für</strong> Kommunikation<br />
<strong>und</strong> Orte <strong>für</strong> Identitätsrekonstruktionen<br />
in einem multikulturellen Kontext. <strong>Ges<strong>und</strong>heits</strong>förderung<br />
zeigt sich hier in einem<br />
sozialräumlichen, inklusiven, partizipativen<br />
<strong>und</strong> nachhaltigen Modell.<br />
Kontakt:<br />
Monika Kringe<br />
Verein zur Förderung bewegungs- <strong>und</strong><br />
sportorientierter Jugendsozialarbeit e.V. (bjs)<br />
Biegenstraße 40<br />
35037 Marburg<br />
Tel.: 06421/ 685 330<br />
E-Mail: kringe@bsj-marburg.de<br />
www.bsj-marburg.de<br />
41
42<br />
Kapitel 4 Das Netzwerk Bewegungsförderung in Berlin Für einen guten <strong>und</strong> ges<strong>und</strong>en Start ins Leben!<br />
Das Netzwerk Bewegungsförderung in Berlin<br />
Tobias Prey, Bezirksamt Mitte<br />
Einführung:<br />
Die enorme Vielzahl an Bewegungsanbieter/innen<br />
<strong>und</strong> -angeboten kann nicht darüber<br />
hinwegtäuschen, dass in der zielgerichteten<br />
Ansprache <strong>und</strong> Motivation bewegungsdistanzierter<br />
Personengruppen nach wie vor<br />
Lücken bestehen. Die vorhandenen Angebote<br />
erreichen diese Gruppen nur unzureichend.<br />
Neben einer zielgruppenadäquaten Gestaltung<br />
der Angebote selbst gilt es hier, die Institutionen<br />
im Umfeld der Zielgruppe <strong>für</strong> die Bedeutung<br />
von Bewegungsförderung zu sensibilisieren<br />
<strong>und</strong> in die Lage zu versetzen, eine<br />
informierende, motivierende <strong>und</strong> vermittelnde<br />
Funktion einzunehmen.<br />
Hier<strong>für</strong> ist eine enge Vernetzung zwischen Bewegungsanbieter/innen<br />
einerseits sowie Multiplikator/innen<br />
in Einrichtungen andererseits<br />
wichtig. Der Bezirk Mitte hat in Folge einer <strong>Ges<strong>und</strong>heits</strong>konferenz<br />
2006 ein Netzwerk Bewegungsförderung<br />
mit dem Schwerpunkt auf der<br />
Zielgruppe Kinder <strong>und</strong> Jugendliche aufgebaut.<br />
Aufbau <strong>und</strong> Arbeitsweise des Netzwerkes<br />
Das Netzwerk hat sich zunächst mit der<br />
Vertiefung der in der Konferenz aufgeworfenen<br />
Fragestellungen befasst. Schwerpunkte in der<br />
Diskussion waren:<br />
■ durch welche Schritte die Kommunikation<br />
<strong>und</strong> Vernetzung zwischen Bewegungsanbieter/innen,<br />
Kinder- <strong>und</strong> Jugendeinrichtungen<br />
sowie Einrichtungen des <strong>Ges<strong>und</strong>heits</strong>wesens<br />
verbessert werden können<br />
■ welche Faktoren bei der Entwicklung<br />
bedarfsgerechter Bewegungsangebote zu<br />
berücksichtigen sind bzw. welche Maßnahmen<br />
erforderlich sind, um bestimmte<br />
(bewegungsdistanzierte) Zielgruppen<br />
überhaupt erst zu erreichen<br />
■ Bewegungsförderungsangebote in Schulen<br />
<strong>und</strong> Kitas zusammenzutragen <strong>und</strong> näher<br />
kennen zu lernen<br />
Im Anschluss daran konzentrierte sich die<br />
Arbeit stark auf die Vorstellung konkreter<br />
Projekte der Bewegungsförderung sowie der<br />
Information zu aktuellen Vorhaben <strong>und</strong> Ereignissen.<br />
Ergebnisse der Netzwerkarbeit<br />
Die Kontakte zwischen Bewegungsanbieter/innen<br />
<strong>und</strong> Multiplikator/innen im Bezirk haben<br />
sich in Folge der Netzwerkarbeit verbessert.<br />
Das Thema Bewegungsförderung wurde mittlerweile<br />
in mehreren Quartiersmanagement-<br />
Gebieten im Bezirk in Form von verschiedenen<br />
Projekten (Projekt „Fitness <strong>für</strong> Kids“ in mehreren<br />
Kitas <strong>und</strong> Gr<strong>und</strong>schulen in verschiedenen<br />
Stadtteilen, Projekt zur Wahrnehmungs- <strong>und</strong><br />
Bewegungsförderung in Kitas <strong>und</strong> Gr<strong>und</strong>schule,<br />
bezirkliche Sportfeste, Marathonprojekt<br />
<strong>für</strong> Jugendliche, niedrigschwelliges Bewegungsprojekt<br />
in Schulen, Beteiligung des<br />
Quartiersmanagments im Rahmen des Programms<br />
„Nationale Aktionsbündnisse Ges<strong>und</strong>e<br />
Lebensstile <strong>und</strong> Lebenswelten“) des B<strong>und</strong>esges<strong>und</strong>heitsminsiteriums<br />
aufgegriffen.<br />
Zur Vernetzung <strong>und</strong> Informationssammlung<br />
<strong>und</strong> -weitergabe wurde <strong>für</strong> zwei Jahre eine<br />
Koordinierungsstelle Bewegungsförderung bei<br />
der bezirklichen Arbeitsgemeinschaft der<br />
Sportvereine auf ABM-Basis eingerichtet,<br />
deren Hauptaufgabe die Entwicklung <strong>und</strong> der<br />
Aufbau einer Internet-Datenbank „Bewegungsangebote<br />
in Mitte“ (zu finden unter http://<br />
www.sportinmitte.de) war. Die Herausgabe der<br />
dort gesammelten Informationen in Form einer<br />
– mit geringem Ressourcenaufwand aktualisierbaren<br />
– Infobroschüre „Bewegungsangebote<br />
in Mitte“ ist vorgesehen, konnte aber<br />
noch nicht realisiert werden.<br />
Zur Erhebung der Vorgehensweise in der<br />
Kinderarztpraxis bei der Feststellung von<br />
Übergewicht von Kindern wurden mehrere<br />
Kinderarzt/ärztinpraxen im Bezirk befragt.<br />
Befragt wurden außerdem die bezirklichen<br />
Gr<strong>und</strong>schulen zu den bestehenden sowie den<br />
gewünschten Kooperationsformen mit externen<br />
Bewegungsanbieter/innen. Das Pädagogische<br />
Forum Mitte führte mehrere Informationsworkshops<br />
<strong>für</strong> Lehrer/innen, Erzieher/in-<br />
nen <strong>und</strong> Eltern über Zusammenhänge zwischen<br />
Lernen <strong>und</strong> Bewegungsförderung durch.<br />
Schwachstellen der Netzwerkarbeit –<br />
Netzwerkbefragung<br />
Im Laufe der gut zweijährigen Arbeit sind<br />
jedoch auch einige Schwachstellen in der<br />
Netzwerkarbeit zu Tage getreten: So ist das<br />
Netzwerk bislang ein reines Informationsnetzwerk,<br />
ohne dass Bedarfe <strong>und</strong> Handlungsansätze<br />
systematisch <strong>und</strong> explizit aus dem<br />
Netzwerk heraus verfolgt worden wären. Die<br />
Aktivitäten der Bewegungsförderung im Bezirk<br />
liefen daher bislang eher parallel zum Netzwerk<br />
<strong>und</strong> mehr oder minder losgelöst davon. Damit<br />
korrespondiert, dass sich über die Zeit der<br />
Teilnehmerkreis noch nicht so entwickelt hat,<br />
dass er die verschiedenen Funktionsbereiche in<br />
zufriedenstellender Breite abdecken würde.<br />
Aus diesem Gr<strong>und</strong>e wurde im November 2008<br />
eine Netzwerkbefragung durchgeführt mit<br />
Fragen zu:<br />
■ der gewünschten Funktion des Netzwerks<br />
■ der Nutzenerwartung <strong>für</strong> die eigene Arbeit<br />
■ Themenwünschen<br />
■ dem <strong>für</strong> erforderlich gehaltenen Kreis, der<br />
am Netzwerk beteiligt sein sollte<br />
■ Änderungsbedarf hinsichtlich der<br />
Organisation der Treffen
Für einen guten <strong>und</strong> ges<strong>und</strong>en Start ins Leben! Kapitel 4 Das Netzwerk Bewegungsförderung in Berlin<br />
■ Wünschen zu Tagungsrhythmus,<br />
Arbeitsform, Informationswegen.<br />
Die Befragungsergebnisse zeigen als wichtigste<br />
gewünschte Funktionskategorien den<br />
Informations- <strong>und</strong> Erfahrungsaustausch sowie<br />
die Förderung von Kooperation auf. Als Nutzenkategorien<br />
werden dementsprechend auch<br />
vorrangig Kontakte <strong>für</strong> Kooperationen sowie<br />
Informationsgewinn benannt, aber auch<br />
Erkenntnisse <strong>für</strong> die eigene Projektentwicklung<br />
sowie mehr Mitglieder/Teilnehmer/innen am<br />
eigenen Angebot. Als fehlend wird überwiegend<br />
bemängelt, dass die Zeit zum gegenseitigen<br />
Austausch zu kurz ist – zugunsten<br />
eines zu breit angelegten Vortragsteils im<br />
Plenum, andere Arbeitsformen wie Kleingruppen<br />
oder Open Space werden in diesem<br />
Zusammenhang angeregt.<br />
Den breitesten Raum hinsichtlich Hinderungsgründen<br />
<strong>für</strong> die Teilnahme nahmen Hinweise<br />
auf Zeitmangel <strong>und</strong> Terminkonflikte ein – ein<br />
Punkt, der angesichts der nach wie vor breiten<br />
Forderung nach mehr Vernetzung zu diversen<br />
Themenfeldern <strong>und</strong> in unterschiedlichsten Funktionsbereichen<br />
unbedingt Beachtung finden<br />
muss. Hier besteht offensichtlich Handlungsbedarf,<br />
geeignete Formen des Informationsmanagements<br />
zu entwickeln.<br />
Ausblick<br />
Angestrebt wird, dem Netzwerk eine stärkere<br />
Ziel- <strong>und</strong> Handlungsorientierung zu verleihen.<br />
Die Arbeitsform wird entsprechend den<br />
Wünschen neu strukturiert werden. Großen<br />
Wert wird auch auf die Verstärkung der<br />
internen wie externen Kommunikation gelegt<br />
werden. Dadurch wird versucht, den Teilneh-<br />
merkreis zu stabilisieren <strong>und</strong> weitere wichtige<br />
Akteure hinzu zu gewinnen. Das Netzwerk<br />
Bewegungsförderung erstellt derzeit einen<br />
Internetauftritt, der unter http://www.berlin.<br />
de/ba-mitte/org/gesplanleit/gf_start.html<br />
abzurufen ist.<br />
Kontakt:<br />
Tobias Prey<br />
Bezirksamt von Mitte<br />
Abteilung Ges<strong>und</strong>heit <strong>und</strong> Personal<br />
Mathilde-Jacob-Platz 1<br />
10551 Berlin<br />
Tel.: 030/ 200 932 395<br />
E-Mail: tobias.prey@ba-mitte.verwaltberlin.de<br />
43
44<br />
Kapitel 4 Das Regionale Netzwerk <strong>für</strong> soziale Arbeit München (REGSAM) Für einen guten <strong>und</strong> ges<strong>und</strong>en Start ins Leben!<br />
Das Regionale Netzwerk <strong>für</strong> soziale Arbeit<br />
München (REGSAM)<br />
Martina Hartmann, Regionales Netzwerk <strong>für</strong> Soziale Arbeit München<br />
(REGSAM)<br />
Einführung<br />
REGSAM ist ein Projekt der Landeshauptstadt<br />
München <strong>und</strong> vernetzt Einrichtungen <strong>und</strong> Initiativen<br />
aus den Bereichen Soziales, Ges<strong>und</strong>heit<br />
<strong>und</strong> Schule, städtische Referate, die<br />
politischen Entscheidungsgremien auf unterster<br />
kommunaler Ebene <strong>und</strong> engagierten Bürger/innen.<br />
Es wird vom Sozialreferat der Stadt<br />
München gefördert. REGSAM umfasst regionale<br />
Netzwerke <strong>für</strong> Soziale Arbeit in 16 Münchner<br />
Regionen. Ziel ist es, unterschiedliche<br />
Angebote in diesen REGSAM-Regionen transparent<br />
zu machen. Institutionen <strong>und</strong> Dienste<br />
können durch das vernetzte Arbeiten ihre<br />
Leistungen besser koordinieren <strong>und</strong> diese<br />
durch optimale Ausnutzung ihrer Ressourcen<br />
bedarfsgerechter gestalten. Engpässe in der<br />
sozialen <strong>und</strong> ges<strong>und</strong>heitlichen Versorgung<br />
werden leichter erkannt <strong>und</strong> können rechtzeitig<br />
kommuniziert werden.<br />
Durch REGSAM vernetzte Einrichtungen sind<br />
beispielsweise Donna Mobile (<strong>Ges<strong>und</strong>heits</strong>beratung<br />
<strong>für</strong> Migrantinnen), Zusammen Aktiv<br />
Bleiben (Verein <strong>für</strong> Freizeit, Soziales <strong>und</strong><br />
Ges<strong>und</strong>heit), Frühkindliche <strong>Ges<strong>und</strong>heits</strong>förderung<br />
<strong>und</strong> <strong>Ges<strong>und</strong>heits</strong>vorsorge des Referates<br />
<strong>für</strong> Ges<strong>und</strong>heit <strong>und</strong> Umwelt der Landeshauptstadt<br />
München, die Münchner Aktionswerkstatt<br />
Ges<strong>und</strong>heit <strong>und</strong> das Frauenges<strong>und</strong>heitszentrum.<br />
Hintergr<strong>und</strong><br />
Das Projekt REGSAM wurde 1992 durch das<br />
Sozialreferat der Landeshauptstadt München<br />
ins Leben gerufen, um „eine Vernetzung aller<br />
Akteure vor Ort zur besseren gegenseitigen<br />
Transparenz der Arbeitsweise der Einrichtungen,<br />
eine abgestimmte Kooperation der Aufgabenwahrnehmung,<br />
eine Optimierung des<br />
Ressourceneinsatzes <strong>und</strong> eine bessere Beteiligung<br />
bei Bedarfseinschätzungen <strong>und</strong> Planungen<br />
zu ermöglichen“ (Beschlussvorlage des<br />
Stadtrates).<br />
Es wurde in Zusammenhang mit dem Beschluss<br />
zur Regionalisierung <strong>und</strong> Dezentralisierung<br />
des Sozialreferats modellhaft in vier<br />
Regionen (Stadtteilen) eingerichtet. Seit Juli<br />
1996 bilden die REGSAM-Regionen auf Beschluss<br />
des Stadtrats die Gr<strong>und</strong>struktur sozialer<br />
Arbeit in München. 1997 wurde eine<br />
Rahmenvereinbarung zwischen dem Sozialreferat,<br />
den Wohlfahrtsverbänden <strong>und</strong> dem<br />
Referat <strong>für</strong> Umwelt <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heit über die<br />
Modalitäten der Zusammenarbeit getroffen.<br />
Seit 2003 existieren flächendeckend 16 REG-<br />
SAM-Regionen.<br />
Ein Jahr später wurde das Projekt beim<br />
Trägerverein <strong>für</strong> regionale soziale Arbeit e.V.<br />
angesiedelt. Die Abkürzung „REGSAM“ steht<br />
<strong>für</strong> „Regionale Netzwerke <strong>für</strong> Soziale Arbeit in<br />
München“. Das Projekt dient der regionalen<br />
Vernetzung im sozialen Bereich in München. Es<br />
ist unabhängig, neutral, offen <strong>für</strong> alle <strong>und</strong><br />
vertritt die Interessen der Region nach dem<br />
Motto „Regional handeln – Münchenweit<br />
denken“.<br />
Die Stärke von REGSAM ist das f<strong>und</strong>ierte<br />
Wissen der Projektpartner über die Regionen<br />
<strong>und</strong> ihre Besonderheiten. Aktuelle Trends <strong>und</strong><br />
Themen werden aufgegriffen <strong>und</strong> Impulse <strong>für</strong><br />
die Sozialpolitik gesetzt. REGSAM wirkt aktiv<br />
mit bei der Gestaltung der sozialen Landschaft<br />
<strong>und</strong> Infrastruktur. Das Netzwerk kooperiert mit<br />
freien <strong>und</strong> öffentlichen Träger/innen. Entsprechend<br />
der Veränderung der sozialen Landschaft<br />
wird zunehmend auch die Vernetzung in<br />
andere Bereiche wichtig, z.B. verstärkt im <strong>Ges<strong>und</strong>heits</strong>bereich<br />
(Krankenkassen), zu Wohnungsbaugesellschaften<br />
etc.<br />
REGSAM entwickelt <strong>und</strong> organisiert Projekte,<br />
Fachveranstaltungen <strong>und</strong> Fortbildungen, sowohl<br />
zu aktuellen sozialpolitischen Themen als<br />
auch <strong>für</strong> die konkrete Vernetzungsarbeit in den<br />
Regionen. Weitere Aktivitäten sind Ressourcenbörsen,<br />
r<strong>und</strong>e Tische, Konzepte, Stadtteilfeste<br />
<strong>und</strong> anderes. Das Projekt trägt dazu bei,<br />
Dienstleistungen aus den Bereichen Soziales,<br />
Ges<strong>und</strong>heit <strong>und</strong> Schule in München zu<br />
vernetzen, zu verbessern sowie Engpässe in<br />
der Versorgung zu beheben. Dabei ist es<br />
wichtig, dass Einrichtungen, Verwaltung, Politik<br />
sowie Bürger/innen an einem Strang ziehen.<br />
REGSAM arbeitet in unterschiedlichen Strukturen.<br />
Dazu gehören – zielgruppenorientierte<br />
Facharbeitskreise, – eine Regionalen Arbeitsgemeinschaft<br />
Soziales (RAGS), – eine Vollversammlung<br />
<strong>und</strong> – ein beratendes Kuratorium als<br />
überregionales Gremium. Ziel ist es, eine sozial<br />
lebenswerte <strong>und</strong> gerechte Stadt zu gestalten.<br />
Themen, Bedarf, Wissen, Projekte, Initiativen<br />
<strong>und</strong> Ressourcen aus den Regionen werden im<br />
REGSAM-Team diskutiert <strong>und</strong> gebündelt. Vom<br />
regelmäßigen Austausch profitieren wiederum<br />
die Regionen. Synergien <strong>und</strong> Ressourcen<br />
werden effektiv genutzt. Die soziale Fachbasis<br />
wird zur lernenden Organisation.<br />
Das hauptamtliche REGSAM-Team besteht aus<br />
einer Teilzeitgeschäftsführerin, die auch eine<br />
Region moderiert, sechs REGSAM-Moderator/innen<br />
<strong>und</strong> einer Verwaltungskraft. Seit 2004<br />
begleiten diese die einzelnen Regionen. Anstellungsträger<br />
<strong>für</strong> das hauptamtliche Team ist der<br />
Trägerverein <strong>für</strong> regionale soziale Arbeit e.V. Er<br />
garantiert die Beteiligung aller wesentlichen<br />
Akteure der sozialen Landschaft <strong>und</strong> die Neutralität<br />
von REGSAM. Das Kuratorium kam neu<br />
hinzu. Es setzt sich zusammen aus den Delegierten<br />
der 16 Regionen <strong>und</strong> ist Bindeglied<br />
zwischen den Regionen <strong>und</strong> dem Trägerverein<br />
<strong>für</strong> regionale soziale Arbeit. Das Gremium berät<br />
den Trägerverein <strong>und</strong> die Geschäftsführung.
Für einen guten <strong>und</strong> ges<strong>und</strong>en Start ins Leben! Kapitel 4 Das Regionale Netzwerk <strong>für</strong> soziale Arbeit München (REGSAM)<br />
Während der vier- bis sechsmal jährlich stattfindenden<br />
Treffen werden Themen bearbeitet,<br />
die in mehreren oder allen REGSAM-Regionen<br />
aktuell sind.<br />
REGSAM hat auf seiner Homepage auch Hinweise<br />
<strong>und</strong> Links zu den Themenbereichen Arbeit,<br />
Bildung, Ausbildung <strong>und</strong> Qualifizierung,<br />
Daten, Fakten <strong>und</strong> Meinungen zur Sozialpolitik,<br />
Frauen <strong>und</strong> Gender, Ges<strong>und</strong>heit <strong>und</strong> Pflege,<br />
Kinder – Jugend – Familie, Lesben <strong>und</strong> Schwule,<br />
Menschen mit Behinderung, Migration <strong>und</strong><br />
Interkulturelles, Psychische Ges<strong>und</strong>heit <strong>und</strong><br />
Senior/innen. Der Bereich „Ges<strong>und</strong>heit <strong>und</strong><br />
Pflege“ umfasst beispielsweise Links zu den<br />
Seiten des Bayerischen Sozialministeriums, zur<br />
Plattform „<strong>Ges<strong>und</strong>heits</strong>förderung bei sozial<br />
Benachteiligten“, zum Regionalen Knoten<br />
Bayern, zum <strong>Ges<strong>und</strong>heits</strong>beirat der Stadt<br />
München, zur Münchner Pflegebörse <strong>und</strong> zum<br />
Referat <strong>für</strong> Ges<strong>und</strong>heit <strong>und</strong> Umwelt der<br />
Landeshauptstadt München.<br />
Durch den regelmäßigen Austausch im Netzwerk<br />
von REGSAM profitieren Fachkräfte <strong>und</strong><br />
Ehrenamtliche aus dem sozialen, ges<strong>und</strong>heitlichen<br />
<strong>und</strong> schulischen Bereich, die vor Ort mit<br />
sozial benachteiligten Zielgruppen befasst<br />
sind, bestehende Ressourcen können effektiv<br />
genutzt werden. Soziale Einrichtungen greifen<br />
im Verb<strong>und</strong> die Anliegen der Bürger/innen vor<br />
Ort auf <strong>und</strong> unterstützen diese. Durch die<br />
sozialräumliche Arbeit leistet REGSAM einen<br />
Beitrag dazu, dass Bürger/innen ihre sozialen<br />
Bedürfnisse <strong>und</strong> Interessen leben <strong>und</strong><br />
organisieren.<br />
Die unterschiedlichen Angebote sind aufgeteilt<br />
in die Zielgruppen Kinder, Jugendliche <strong>und</strong> Familien,<br />
Senior/innen, Migrant/innen.<br />
Vorgehen<br />
Die Vernetzungsstruktur ist <strong>für</strong> alle 16 Regionen<br />
gleich: Es gibt zielgruppenorientierte Facharbeitskreise<br />
(FAK), die zielgruppenübergreifende<br />
regionale Arbeitsgemeinschaft <strong>für</strong> Soziales<br />
(RAGS) <strong>und</strong> eine professionelle Moderation.<br />
Die Moderator/innen sind regional <strong>und</strong> stadtweit<br />
Ansprechpartner/innen sowie Bindeglied<br />
zwischen den Beteiligten auf den Ebenen<br />
soziale Fachbasis, Verwaltung, Träger, Bezirksausschüsse<br />
<strong>und</strong> Stadtrat. Sie unterstützen<br />
Projekte in den Regionen <strong>und</strong> arbeiten mit fach<strong>und</strong><br />
referatsübergreifenden Kooperationspartner/innen<br />
zusammen, zum Beispiel „Soziale<br />
Stadt“, Interkulturelle Qualitätsentwicklung<br />
(IQE), regionalen Planungsforen. Dabei nutzen<br />
sie ihre Kontakte <strong>und</strong> stellen ihre Erfahrung <strong>und</strong><br />
ihr Fachwissen über soziale Themen <strong>und</strong> Projekte<br />
der ganzen Stadt zur Verfügung.<br />
In den FAKs erfolgt ein fach- <strong>und</strong> themenorientierter<br />
Informationsaustausch. Hier wird<br />
der Bedarf von Zielgruppen wie Kindern <strong>und</strong><br />
Familien, alten Menschen, Pflegebedürftigen<br />
oder Migrant/innen benannt. Regionale Angebote<br />
im Sozialbereich werden aufeinander<br />
abgestimmt, um gemeinsam die Angebotsstruktur<br />
zu verbessern. Im FAK planen <strong>und</strong><br />
organisieren die sozialen Einrichtungen mit<br />
engagierten Bürger/innen oder mit anderen<br />
Kooperationspartner/innen gemeinsame Projekte<br />
<strong>und</strong> Veranstaltungen. Jeder FAK hat zwei<br />
Sprecher.<br />
In den 16 REGSAM-Regionen sind 150 Sprecher/innen<br />
<strong>und</strong> mehr als 2.000 Professionelle<br />
<strong>und</strong> Ehrenamtliche in den Fachkreisen <strong>und</strong><br />
Projektgruppen engagiert. Mitglieder der RAGS<br />
sind alle FAK-Sprecher/innen der Region sowie<br />
Vertreter/innen der Bezirksausschüsse <strong>und</strong> der<br />
Sozialverwaltung. Die RAGS ist das fachübergreifende<br />
Steuerungsgremium in der Region.<br />
Das Gremium fungiert als kompetenter Ansprechpartner<br />
<strong>für</strong> Politik, Verwaltung, Bürger/innen<br />
<strong>und</strong> vertritt den Stadtteil nach<br />
außen.<br />
Die Vollversammlung wird auf Wunsch der<br />
RAGS einberufen, in der Regel einmal pro Jahr.<br />
Eingeladen werden alle Interessierten <strong>und</strong> die<br />
Kooperationspartner/innen in der Region. Sie<br />
dient der Darstellung der geleisteten REGSAM-<br />
Arbeit, dem gesamtregionalen Austausch <strong>und</strong><br />
der Auseinandersetzung mit aktuellen sozialpolitischen<br />
Themen <strong>und</strong> Entwicklungen innerhalb<br />
der Region (zum Beispiel Armutsbericht,<br />
Zukunft der Sozialarbeit, bürgerschaftliches<br />
Engagement <strong>und</strong> anderes). Das Kuratorium<br />
ist das überregionale Gremium. Es<br />
vertritt die Interessen <strong>und</strong> Themen der Regionen<br />
<strong>und</strong> wird <strong>für</strong> ganz München sozialpolitisch<br />
aktiv. Auf der Homepage von REGSAM<br />
(www.regsam.net) wurde zudem das Onlineverzeichnis<br />
„München Sozial“ erstellt. Es bietet<br />
eine Übersicht über soziale, ges<strong>und</strong>heitsbezogene,<br />
kulturelle <strong>und</strong> schulische Einrichtungen,<br />
sortiert nach Stadtbezirken, Zielgruppen<br />
<strong>und</strong> Angeboten.<br />
„München Sozial“ enthält neben Adresse <strong>und</strong><br />
Kontaktmöglichkeit zur jeweils genannten<br />
Einrichtung auch weiterführende Informationen<br />
zu Angebot <strong>und</strong> Leistungen, Barrierefreiheit,<br />
Erreichbarkeit mit dem öffentlichen<br />
Nahverkehr, Homepage, Öffnungs- <strong>und</strong> Bürozeiten<br />
sowie aktuelle Ankündigungen. Wegen<br />
ihres hohen Informationsgehalts, der interaktiven<br />
Nutzung, der Aktualität der Daten sowie<br />
der bequemen Suchfunktionen ist die Datenbank<br />
einmalig. Die Nutzung ist kostenfrei. Alle<br />
Einträge erfolgen nur mit Einverständnis der<br />
Einrichtungen.<br />
Kontakt:<br />
Martina Hartmann<br />
REGSAM- Geschäftsführung<br />
Bayerstraße 77a Rgb<br />
80335 München<br />
Tel.: 089/ 189 358 16<br />
E-Mail: hartmann@regsam.net<br />
www.regsam.net<br />
45
46<br />
Kapitel 5 Planung von Spiel- <strong>und</strong> Bewegungsflächen im Stadtteil Für einen guten <strong>und</strong> ges<strong>und</strong>en Start ins Leben!<br />
Kapitel 5<br />
Bewegung im Stadtteil<br />
Planung von Spiel- <strong>und</strong> Bewegungsflächen<br />
im Stadtteil<br />
Birgit Funke, BERLINbewegt e.V.<br />
BERLINbewegt wurde im Jahr 1997 als Arbeitsgemeinschaft<br />
am Fachbereich Erziehungswissenschaften,<br />
Psychologie <strong>und</strong> Sportwissenschaften<br />
der Freien Universität Berlin gegründet<br />
<strong>und</strong> im Jahr 2003 als selbstständiger Verein<br />
ausgelagert. Aus dem Verb<strong>und</strong> von Theorie <strong>und</strong><br />
Praxis ergibt sich eine fachübergreifende Zusammenarbeit<br />
von Pädagogen, Sportwissenschaftler/innen,<strong>Ges<strong>und</strong>heits</strong>wissenschaftler/innen,<br />
Architekt/innen <strong>und</strong> Landschaftsplaner/innen.<br />
BERLINbewegt e.V. setzt sich <strong>für</strong> die Förderung<br />
von ges<strong>und</strong>heitsorientierten Spiel- <strong>und</strong> Bewegungsangeboten,<br />
insbesondere <strong>für</strong> Kinder<br />
<strong>und</strong> Jugendliche, in Berlin ein. Im Vordergr<strong>und</strong><br />
der Arbeit stehen die Planung, Gestaltung <strong>und</strong><br />
Einrichtung von Bewegungs-, Spiel- <strong>und</strong> Sporträumen,<br />
die Partizipation von Kindern, Jugendlichen,<br />
Anwohner/innen <strong>und</strong> Betroffenen, sowie<br />
die Evaluation bestehender Räume <strong>und</strong><br />
durchgeführter Maßnahmen.<br />
Planung:<br />
Basis eines jeden Entwurfes ist die genaue<br />
Analyse der Bedürfnisse von Betroffenen <strong>und</strong><br />
des Ortes in seinem räumlichen <strong>und</strong> soziodemografischen<br />
Umfeld. Die Einbeziehung von<br />
Auftraggeber/innen <strong>und</strong> Nutzer/innen ist wesentlicher<br />
Bestandteil der Projekte von BER-<br />
LINbewegt e.V.<br />
Partizipation:<br />
Die Beteiligung von Kindern <strong>und</strong> Jugendlichen<br />
an der Gestaltung ihres Lebensraumes ist eine<br />
Kernaufgabe. Die Begleitung der Partizipationsverfahren<br />
durch Pädagog/innen <strong>und</strong> Architekt/innen<br />
sorgt da<strong>für</strong>, dass Meinungen,<br />
Wünsche <strong>und</strong> Forderungen verstanden <strong>und</strong> in<br />
konkrete Planungen integriert werden.<br />
Evaluation:<br />
Die Analyse bestehender <strong>und</strong> geplanter Spiel<strong>und</strong><br />
Raumkonzepte gehört zu den angebotenen<br />
Leistungen. Ziel der Evaluation ist es<br />
auch, in einem zeitlichen Abstand die Richtigkeit<br />
der Intervention zu bestätigen, ggf. Korrekturen<br />
vorzuschlagen oder generelle Hindernisse<br />
darzustellen.<br />
Kontakt:<br />
Birgit Funke<br />
BERLINbewegt e.V.<br />
Burgherrenstraße 7<br />
12101 Berlin<br />
Tel.: 030/ 789 585 50<br />
E-Mail: funke@berlinbewegt.de
Für einen guten <strong>und</strong> ges<strong>und</strong>en Start ins Leben! Kapitel 5 Nutzung von Bewegungsräumen im Stadtteil<br />
Nutzung von Bewegungsräumen im Stadtteil<br />
Andrea von Marschall, Dissens e.V.<br />
Einführung:<br />
Mitten im Plattenbaubezirk Berlin Marzahn gibt<br />
es einen ca. 16.000 Quadratmeter großen, frei<br />
zugänglichen mulifunktionalen Sport- <strong>und</strong> Bewegungsraum.<br />
Errichtet <strong>und</strong> ausgebaut worden<br />
ist er, nach längeren Partizipationsprozessen<br />
mit den Anwohner/innen, durch die<br />
Stattbau GmbH, unter Beteiligung des Bezirksamtes.<br />
Auf dem Platz gibt es Fußball-, Basketball<br />
<strong>und</strong> Volleyballfelder; Boulebahnen,<br />
Tischtennisplatten, Schachfeld, Halfpipe u.a.<br />
<strong>für</strong> Inliner; Rasen, Bänke <strong>und</strong> Sitzmöglichkeiten.<br />
Um das Gelände herum ist ein Zaun, an<br />
zwei Seiten befinden sich Drehtüren, die Tag<br />
<strong>und</strong> Nacht offen sind.<br />
Aufbau <strong>und</strong> Projekterfahrungen:<br />
Nach seiner Einweihung <strong>und</strong> Freigabe hat es<br />
kaum ein Jahr gedauert <strong>und</strong> die Beschwerden<br />
der umliegenden Anwohner/innen bei Wohnungsbaugesellschaften,<br />
Jugendamt <strong>und</strong> Polizei<br />
wegen nächtlicher Ruhestörung häuften<br />
sich. Auf dem Platz war kaum noch ein sicheres<br />
Sporttreiben möglich, überall lagen Scherben,<br />
was nicht völlig stabil gebaut war, wies Vandalismusschäden<br />
auf. Hauptnutzer waren zu<br />
ca. 95 Prozent Jungen <strong>und</strong> junge Männer.<br />
Unter Federführung des Jugendamtes wurde<br />
ein „R<strong>und</strong>er Tisch“ gegründet. Dabei waren<br />
neben Stadtbau, mehreren Abteilungen des<br />
Bezirksamtes, Freien <strong>und</strong> Öffentlichen Trägern<br />
der Jugendhilfe <strong>und</strong> die größte Wohnungsbaugesellschaft<br />
der Region. Es wurde beschlossen,<br />
den Platz weiterhin als offenen, jederzeit<br />
zugänglichen Raum zu erhalten. Dissens<br />
e.V. wurde jedoch damit beauftragt, „sanft<br />
steuernd“ einzugreifen. Diesen Hut haben wir<br />
uns gerne aufgesetzt, das war <strong>und</strong> ist immer<br />
noch eine spannende Herausforderung. Rückblickend<br />
lässt sich nach drei Jahren auf dem<br />
Platz gut analysieren, was erfolgreiche <strong>und</strong><br />
weniger erfolgreiche Strategien von uns waren.<br />
Ich beschränke mich jetzt auf die erfolgreichen<br />
Strategien:<br />
1. Geld<br />
Wir haben diverse Anträge gestellt <strong>und</strong> wurden<br />
dann von der Aktion Mensch, der Deutschen<br />
Kinder <strong>und</strong> Jungendstiftung (DKJS) <strong>und</strong> dem<br />
Fortuna Wohnungsunternehmen e.G. gefördert.<br />
Fortuna <strong>und</strong> die DKJS fördern uns<br />
weiterhin – auch das ist ein Kriterium <strong>für</strong> Erfolg.<br />
Mit diesem Geld können wir zwei Teilzeitstellen,<br />
Honorarkräfte <strong>und</strong> Betriebskosten<br />
finanzieren <strong>und</strong> immer wieder Sport- <strong>und</strong><br />
Spielgeräte kaufen <strong>und</strong> nachkaufen (hoher<br />
Verschleiß bei allen Formen von Bällen).<br />
2. Partizipation<br />
Wir reden mit allen! Alle Mitarbeiter/innen<br />
sprechen kontinuierlich mit den Menschen auf<br />
<strong>und</strong> um den Platz, erfragen ihre Meinung, Kritik<br />
<strong>und</strong> Verbesserungsvorschläge. Es gibt regelmäßige<br />
Platzkonferenzen <strong>für</strong> verschiedene<br />
Zielgruppen: Mädchen, Jungen, gemischt, Erwachsene.<br />
Vorschläge, die gemacht werden,<br />
versuchen wir umzusetzen: mehr Bänke an den<br />
Fußballfeldern, mehr Papierkörbe, spezielle<br />
Trainings wurden gewünscht <strong>und</strong> realisiert.<br />
3. Aktivierung unterrepräsentierter Gruppen<br />
Hauptnutzer waren Jungen <strong>und</strong> junge Männer.<br />
Diese wollten (<strong>und</strong> wollen) wir nicht vertreiben.<br />
Als besondere Herausforderung haben wir uns<br />
zum Anspruch erhoben, sukzessive immer<br />
mehr Menschen zu erreichen, die „normalerweise“<br />
nicht auf einer frei einsehbaren, immer<br />
zugänglichen Anlage Sport treiben würden <strong>und</strong><br />
auch Leute anzusprechen, die sich selber eher<br />
als „Bewegungsmuffel“ bezeichnen würden.<br />
Um dies zu erreichen, haben wir immer wieder<br />
Zielgruppen ganz speziell angesprochen:<br />
Für Mädchen gab <strong>und</strong> gibt es Mädchenfußball<br />
(sie haben dazu auch ein schönes Video gedreht,<br />
das auf YouTube zu sehen ist http://<br />
de.youtube.com/watch?v=JwRYvMHNWYA).<br />
Inzwischen gibt es auch ein Rugby-Training<br />
speziell <strong>für</strong> Mädchen. Für Kita-Kinder-Gruppen<br />
gibt es ein regelmäßiges Vormittagsangebot.<br />
Ganztags können sie sich Fahrzeuge ausleihen<br />
(Dreiräder, kleine Fahrräder, Gokarts). Wir haben<br />
zwei aktive Seniorinnen gewonnen, die<br />
Seniorensport anbieten: Boule, Nordic Walking,<br />
Schach <strong>und</strong> Skat. Familien stehen im Mittelpunkt<br />
unserer regelmäßigen Mitmachfeste.<br />
Durch Einzelaktionen, wie z.B. gemeinsame<br />
Bauwochen sprechen wir sie gezielt an <strong>und</strong><br />
haben mit ihnen gemeinsam die Bewegungsmöglichkeiten<br />
um Schaukeln, Kletterschiff <strong>und</strong><br />
ein kleines Häuschen erweitert. Alle Angebote<br />
sind <strong>für</strong> die Nutzer/innen kostenfrei.<br />
4. Beirat<br />
Direkt am Anfang haben wir einen Beirat gegründet:<br />
die Jugendstadträtin als Schirmherrin<br />
des Projektes, Vertreter/innen des Jugend-,<br />
Sport- <strong>und</strong> Natur- <strong>und</strong> Umweltamtes, jugendliche<br />
Platznutzer/innen, umliegende Projekte,<br />
das Fortuna Wohnungsunternehmen e.G. <strong>und</strong><br />
Streetworker der Region. Der Beirat trifft sich<br />
dreimal im Jahr, wertet das Geschehen <strong>und</strong> die<br />
Entwicklung auf dem Platz aus, sucht ggf. nach<br />
Lösungsstrategien <strong>und</strong> plant das weitere Vorgehen.<br />
5. Kooperation <strong>und</strong> Vernetzung<br />
Wir kooperieren mit vielen umliegenden Trägern<br />
(gemeinsame Gestaltung von Festen,<br />
praktische Nachbarschaftshilfe z.B. durch Geräteaustausch,<br />
punktuelle Hilfsaktionen (Fachaustausch),<br />
mit den oben erwähnten Ämtern<br />
<strong>und</strong> zusätzlich auch mit der Polizei <strong>und</strong> dem<br />
Ordnungsamt. Ein ganz wichtiger Kooperationspartner<br />
ist das Fortuna Wohnungsunternehmen<br />
e.G. Bei allen Kooperationspartner/innen<br />
bemühen wir uns um ein Gleichgewicht im<br />
Geben <strong>und</strong> Nehmen <strong>und</strong> um ein Verständnis <strong>für</strong><br />
die jeweiligen Belange <strong>und</strong> Sichtweisen.<br />
Für uns ist die Entwicklung auf dem Platz<br />
immer wieder spannend <strong>und</strong> überraschend, wir<br />
sind in einem kontinuierlichen Lernprozess.<br />
Gerne geben wir unsere Erfahrungen weiter<br />
<strong>und</strong> wir freuen uns über Besuch.<br />
Kontakt:<br />
Andrea von Marshall<br />
Dissens e.V.<br />
Allee der Kosmonauten 67<br />
12681 Berlin<br />
Tel.: 030 54987535 / 30<br />
E-Mail: andrea.v.marschall@dissens.de<br />
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48<br />
Kapitel 5 Motive <strong>und</strong> Möglichkeiten von Wohnungsunternehmen Für einen guten <strong>und</strong> ges<strong>und</strong>en Start ins Leben!<br />
Motive <strong>und</strong> Möglichkeiten von Wohnungsunternehmen<br />
Frank Miller, Vorstand Fortuna Wohnungsunternehmen eG<br />
1. Historie<br />
■ Gegründet 1977 in Berlin- Marzahn als<br />
Arbeiterwohnungsgenossenschaft des<br />
Wohnungsbaukombinats Berlin (AWG WBK<br />
Berlin)<br />
■ (Besonderheit einer Genossenschaft: Sie<br />
macht nur Geschäfte mit ihren eigenen<br />
Gesellschaftern <strong>und</strong> versucht, nur diese zu<br />
unterstützen).<br />
■ Nach der Wende Umbenennung in Fortuna<br />
Wohnungsunternehmen eG<br />
2. Wirtschaftliche Daten<br />
■ 4.157 Wohnungen in Hohenschönhausen<br />
<strong>und</strong> Marzahn<br />
■ 37 Mitarbeiter/innen<br />
■ 16,8 Millionen Umsatzerlöse, davon<br />
10,8 Millionen Nettokaltmieten <strong>und</strong><br />
6,0 Millionen Betriebskosten<br />
■ Durchschnitt Nettokaltmiete m 2 /Monat:<br />
3,78 Euro<br />
■ Durchschnitt Betriebskosten m 2 /Monat:<br />
1,98 Euro<br />
■ Forderungsausfall pro Jahr ca. 250.000 Euro<br />
■ Fluktuationsrate (Kündigungen/Bestand an<br />
Wohnungen) etwa sieben Prozent (290<br />
Wohnungen)<br />
4. Kosten der Neuvermietung <strong>für</strong> eine<br />
Wohnung<br />
■ Personalkosten 200.000 Euro/Jahr<br />
■ Werbemaßnahmen ca. 100.000 Euro/Jahr<br />
■ Renovieren leerstehender Wohnungen<br />
200.000 Euro/Jahr<br />
■ Summe: 500.000 Euro/Jahr<br />
■ Pro Wohnung 1.724 Euro<br />
(bei 290 Wohnungen)<br />
■ Leerstandsbetriebskosten ca. 1,50 Euro/<br />
Quadratmeter pro Monat; <strong>für</strong> Abrechnung<br />
2007 400.000 Euro pro Jahr<br />
■ Mietausfall wegen Leerstand 680.000 Euro<br />
pro Jahr<br />
5. Mieterdaten<br />
■ Durchschnittsalter 49 Jahre<br />
■ Anteil der Mieter über 70 Jahre r<strong>und</strong> 14<br />
Prozent<br />
■ Durchschnittliches verfügbares<br />
Haushaltseinkommen ca. 1.600 Euro<br />
■ Geschätzter Anteil der<br />
Transfereinkommenbezieher im Bezirk<br />
Marzahn (inklusive Rentner) etwa 50<br />
Prozent<br />
6. Wirtschaftliche Gr<strong>und</strong>überlegungen<br />
der Fortuna<br />
■ Minderung der Mietausfälle wegen<br />
Leerstand<br />
■ Minderung der Leerstandsbetriebskosten<br />
■ Minderung des Forderungsausfalls<br />
■ Minderung der Fluktuationsrate <strong>und</strong> damit<br />
der Neuvermietungskosten<br />
7. Wesentliche Maßnahmen zur Umsetzung der<br />
wirtschaftlichen Gr<strong>und</strong>überlegungen<br />
■ Energetisch modernisierte Baukörper<br />
■ Attraktives Wohnumfeld (Grünanlagen,<br />
Spielplätze usw.)<br />
■ Günstige Mieten<br />
■ Sicherung <strong>und</strong> Stabilisierung des sozialen<br />
Wohnumfeldes in der (gefährdeten)<br />
Großraumsiedlung<br />
■ Erreichen von Wettbewerbsvorteilen<br />
gegenüber Konkurrenten<br />
8. Sicherung <strong>und</strong> Stabilisierung des<br />
sozialen Wohnumfeldes<br />
Bisherige (Einzel-) Maßnahmen der Fortuna<br />
■ Finanzielle Förderung der Initiative unser<br />
Platz (Dissens e.V.; soziale Stabilisierung<br />
<strong>und</strong> ges<strong>und</strong>heitliche Förderung)<br />
■ Finanzielle Unterstützung des Jugendclubs<br />
„Impuls“<br />
■ Zusammenarbeit mit der Kita „Zwergenoase“<br />
■ Gründung eines Seniorenbeirats in der<br />
Fortuna zur Ermittlung <strong>und</strong> Durchsetzung<br />
der Interessen der „Seniorenmieter“<br />
■ Gründung eines Seniorenclubs in der<br />
Fortuna (soziales<br />
Miteinander/ges<strong>und</strong>heitliche Initiative in<br />
Zusammenhang mit Kita Zwergenoase)<br />
■ Teilnahme der voher genannten Initiativen<br />
an den Mieterfesten/Mieteraktionen der<br />
Fortuna<br />
■ Schuldnerberatung bei der Fortuna<br />
9. Der „neue“ Ansatz. Aufbau eines<br />
„Kompetenzzentrums soziales Netzwerk“<br />
Gr<strong>und</strong>idee:<br />
Zur Abgrenzung der Fortuna von der Konkurrenz<br />
am Markt entwickeln wir das unternehmerische<br />
Leitbild einer Vision: „Wir werden<br />
das Wohnungsunternehmen mit der höchsten<br />
sozialen Kompetenz an den Standorten Berlin-<br />
Marzahn <strong>und</strong> Hohenschönhausen. Als leistungsstarkes<br />
<strong>und</strong> -fähiges Wohnungsunter-<br />
nehmen mit Verantwortung <strong>für</strong> die Zukunft<br />
wollen wir uns an den Gr<strong>und</strong>sätzen der unternehmerischen<br />
Sozialverantwortung ausrichten<br />
<strong>und</strong> dabei neben den Umweltbelangen vor<br />
allem die soziale Komponente verstärkt anwenden.“<br />
10. Geplante Maßnahmen<br />
■ Vernetzung der Einzelinitiativen unter Punkt<br />
acht<br />
■ Ausweitung der Kontakte <strong>und</strong> Aktivitäten<br />
auf alle sozialen Institutionen im Kiez<br />
■ Bereitstellen von Arbeitsräumen,<br />
Arbeitsmitteln <strong>und</strong> Geldern durch Fortuna<br />
■ Einbinden der Fortuna- Mieter/innen auf<br />
ehrenamtlicher Basis<br />
11. Vorbereitung<br />
■ In Vorbereitung auf die Umsetzung der<br />
Maßnahmen wurde zunächst unter der<br />
Leitung des Vorstandes der Fortuna eine<br />
Arbeitsgruppe gebildet, die sich mit der Idee<br />
eines sozialen Netzwerkes, seiner<br />
Ausgestaltung <strong>und</strong> seiner Umsetzung<br />
befassen sollte (März 2008).<br />
■ Diese Gruppe soll auch in der Zukunft als<br />
„beratender Beirat“ die Aktivitäten<br />
begleiten.<br />
12. Aktuelle Umsetzung<br />
■ Initiative Mitmach- Brunch (Hilfestellung <strong>für</strong><br />
junge, alleinstehende Mütter in Verbindung<br />
mit ges<strong>und</strong>heitlicher Förderung); 1. Preis<br />
■ Einrichten eines Nachbarschaftszentrums in<br />
ehemaligen Geschäftsräumen der Fortuna<br />
unter Beteiligung des Dissens e. V. mit vier<br />
Mitarbeiter/innen (seit 31.10.2008; Lebenshilfe<br />
<strong>für</strong> Senioren als erste Maßnahme)<br />
■ Bereitstellen von sächlichen Mitteln (PC, Kfz<br />
usw.)<br />
■ Bereitstellen einer hauptamtlichen<br />
Mitarbeiterin der Fortuna zur Leitung des<br />
Gesamtprojektes<br />
Kontakt:<br />
Frank Miller<br />
Fortuna Wohnungsunternehmen eG<br />
Rhinstraße 42<br />
12681 Berlin<br />
Tel.: 030/ 936 430<br />
E-Mail: Frank.Miller@fortuna-eg.de
Für einen guten <strong>und</strong> ges<strong>und</strong>en Start ins Leben! Kapitel 5 Kiezdetektive – Kinderbeteiligung <strong>für</strong> eine ges<strong>und</strong>e Stadt<br />
Kiezdetektive – Kinderbeteiligung <strong>für</strong> eine<br />
ges<strong>und</strong>e Stadt<br />
Ingrid Papies-Winkler, Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg<br />
Allgemeine Übersicht<br />
Der Berliner Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg<br />
mit seinen ca. 260.000 Einwohnern ist gekennzeichnet<br />
durch<br />
■ den niedrigsten Sozialindex (siehe Berliner<br />
Sozialstrukturatlas)<br />
■ die höchste Arbeitslosenquote (ca. 24<br />
Prozent, Berlin 17,9 Prozent)<br />
■ den zweithöchsten Anteil von Migrant/innen<br />
(Ortsteil Kreuzberg höchster Anteil: ca. 35<br />
Prozent)<br />
■ die dichteste Bezirksbesiedelung<br />
■ die geringste Grünfläche je Einwohner<br />
■ den höchsten Anteil von Kindern unter 15<br />
Jahren<br />
Trotz niedrigstem Sozialindex Berlins, verfügt<br />
der Bezirk über viele wertvolle Ressourcen.<br />
Hierzu zählen<br />
■ die reiche Projektelandschaft<br />
■ die Vielfalt der Kulturen<br />
■ das hohe Potenzial an Selbsthilfe<br />
■ nachbarschaftliche Kiezstrukturen<br />
■ gute Modelle von Stadtplanung <strong>und</strong> -entwicklung<br />
■ eine lange Tradition der Bürgerbeteiligung.<br />
Hier setzt auch das Projekt zur Kinderbeteiligung<br />
– Kiezdetektive – an, eine Idee, die vom<br />
Kinder- <strong>und</strong> Jugendbüro Marzahn entwickelt<br />
wurde. In enger Kooperation zwischen dem<br />
Ges<strong>und</strong>e-Städte-Netzwerk <strong>und</strong> der Lokalen<br />
Agenda 21 wurde 1999 begonnen, Kinder als<br />
Experten in eigener Sache in Planungs- <strong>und</strong><br />
Entscheidungsprozesse zur nachhaltigen ges<strong>und</strong>en<br />
Stadtentwicklung <strong>und</strong> -gestaltung<br />
einzubinden. Kinder <strong>und</strong> Jugendliche erk<strong>und</strong>en<br />
als Kiezdetektive ihr Lebens- <strong>und</strong> Wohnumfeld,<br />
ermitteln Probleme, aber auch „Schätze“,<br />
dokumentieren diese in Form einer Ausstellung<br />
<strong>und</strong> präsentieren die Ergebnisse auf einer<br />
Kinderversammlung den verantwortlichen Politiker/innen,<br />
die mit ihren Verwaltungen, freien<br />
Trägern <strong>und</strong> gemeinsam mit den Kindern<br />
aufgefordert sind, die Probleme zu bearbeiten.<br />
Nach etwa sechs Monaten werden auf einer<br />
Folgeversammlung die Umsetzungsergebnisse<br />
nachgefragt bzw. präsentiert. Die Kiezerk<strong>und</strong>ungen,<br />
die Kinderversammlung <strong>und</strong> die<br />
Ergebniskontrolle werden als nachhaltige<br />
Planungs- <strong>und</strong> Kooperationsstruktur in bezirkliche<br />
Entscheidungsprozesse einbezogen.<br />
Das Projekt wird wissenschaftlich begleitet<br />
vom Wissenschaftszentrum Berlin <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heit<br />
Berlin e.V. mit Unterstützung des<br />
B<strong>und</strong>esministeriums <strong>für</strong> Forschung.<br />
Aspekte, die in dem Projekt besonderes<br />
Gewicht haben<br />
■ Ges<strong>und</strong>e-Städte-Netzwerk, Kinderbeteiligung,<br />
<strong>Ges<strong>und</strong>heits</strong>förderung von sozial<br />
benachteiligten Kindern mit Migrationshintergr<strong>und</strong>,<br />
Empowerment, Partizipation,<br />
Förderung von individuellen <strong>und</strong> sozialen<br />
Kompetenzen<br />
Ziele <strong>und</strong> Zielgruppen des Projektes<br />
In dem Projekt geht es darum, Kinder zu befähigen,<br />
ihre Lebensumwelt selbstständig zu<br />
erforschen, sie zu verstehen <strong>und</strong> zu hinterfragen.<br />
Sie sollen lernen, dass sie aktiv ihre<br />
Umwelt mit gestalten <strong>und</strong> verändern können.<br />
Die Kinder werden an die Politik herangeführt<br />
<strong>und</strong> <strong>für</strong> ges<strong>und</strong>heits- <strong>und</strong> umweltbezogene<br />
Fragestellungen sensibilisiert. Sie erfahren,<br />
dass ges<strong>und</strong>e Wohnbedingungen <strong>und</strong> ein ges<strong>und</strong>es<br />
Wohnumfeld wichtige Voraussetzungen<br />
<strong>für</strong> das persönliche Wohlbefinden sind.<br />
Die Erkenntnis, selbst Einfluss zu nehmen <strong>und</strong><br />
Veränderungen herbeiführen zu können, soll<br />
zur Stärkung des Selbstbewusstseins <strong>und</strong> der<br />
Eigenverantwortlichkeit, beitragen. Das Projekt<br />
„Kiezdetektive“ zielt somit auf das Erleben<br />
demokratischen Handelns <strong>und</strong> stellt demzufolge<br />
einen umfassenden Ansatz zur <strong>Ges<strong>und</strong>heits</strong>förderung<br />
dar. Insbesondere in problembelasteten<br />
Stadtgebieten – oft mit hohem<br />
Migrantenanteil – werden durch dieses Projekt<br />
Kinder erreicht <strong>und</strong> <strong>für</strong> ges<strong>und</strong>heitliche <strong>und</strong><br />
soziale Belange aktiviert.<br />
Die Zielgruppe des Projektes sind 6- bis 14jährige<br />
Kinder, vor allem aus sozial benachteiligten<br />
Familien <strong>und</strong> Stadtteilen. Neben den<br />
beteiligten Kindergruppen mit ihren jeweiligen<br />
Lehrer/innen, Erzieher/innen <strong>und</strong> Sozialpädagogen/innen<br />
sind häufig auch Schulstationen<br />
aktiv in die Projektdurchführung eingeb<strong>und</strong>en.<br />
Weitere Kooperationspartner/innen<br />
sind Nachbarschaftseinrichtungen, „Quartiersmanager“<br />
im Rahmen des Programms Soziale<br />
Stadt, die Jugendförderung, Kinder- <strong>und</strong> Jugendprojekte<br />
freier Träger, Kirchengemeinden<br />
sowie ehrenamtliche Begleiter/innen.<br />
Aktivitäten<br />
Bisher haben sich ca. 450 Kinder aus sieben<br />
Kindertagesstätten, zwölf Schulen <strong>und</strong> zwei<br />
Freizeiteinrichtungen beteiligt. Sie waren überwiegend<br />
in den Quartiersgebieten des Programms<br />
Soziale Stadt unterwegs, da dort der<br />
größte Entwicklungsbedarf gesehen wird <strong>und</strong><br />
die Kinder zur Verbesserung der Lebensqualität<br />
beitragen können. Etwa 80 Prozent der insgesamt<br />
beteiligten Kinder haben einen Migrationshintergr<strong>und</strong>,<br />
bei der Stadtteilbegehung<br />
im Mai 2004 mit der Nürtingen-Gr<strong>und</strong>schule<br />
lag der Anteil der beteiligten Schüler<br />
nicht deutscher Herkunftssprache sogar bei<br />
100 Prozent (Abb. 1).<br />
Grafik Herkunftssprache der Kinder<br />
Ausgewählte Ergebnisse des Projektes<br />
■ Zäune zwischen einem Kita-Gr<strong>und</strong>stück <strong>und</strong><br />
einer Seniorenfreizeitstätte wurden entfernt,<br />
eine Freifläche im Sinne der Kinder umgestaltet.<br />
Zwischen Kindern <strong>und</strong> Senioren<br />
wurden überdies Kontakte geknüpft <strong>und</strong><br />
gemeinsame Aktivitäten gestartet.<br />
■ Weil eine Mädchengruppe mehrfach von<br />
Jungen aus einem Fahrrad-Projekt „angemacht“<br />
wurde, fand unter Leitung des<br />
Bezirksamts ein Gespräch statt, bei dem das<br />
konkrete Problem, wie das gr<strong>und</strong>sätzliche<br />
Verhältnis von Mädchen <strong>und</strong> Jungen,<br />
49
50<br />
Kapitel 5 Kiezdetektive – Kinderbeteiligung <strong>für</strong> eine ges<strong>und</strong>e Stadt Für einen guten <strong>und</strong> ges<strong>und</strong>en Start ins Leben!<br />
angesprochen wurde. Mittlerweile haben die<br />
Jungen die Mädchen zu einem gemeinsamen<br />
Essen eingeladen <strong>und</strong> ihre Projektarbeit<br />
vorgestellt.<br />
■ Ein Fußball-Verbot im Mendelssohn-<br />
Batholdy-Park wurde aufgehoben, ein neuer<br />
Bolzplatz ist geplant.<br />
■ Eine islamische Gr<strong>und</strong>schule, die seit<br />
langem auf zugesagte Spielgeräte wartete,<br />
bekam die Zusicherung, dass diese direkt<br />
nach Aufhebung der Haushaltssperre<br />
geliefert werden.<br />
■ Bei nahezu jeder Begehung wurden als<br />
Probleme Verschmutzung, H<strong>und</strong>ekot <strong>und</strong><br />
die Drogenszene (Spritzen in Parks <strong>und</strong> auf<br />
Spielplätzen) identifiziert. Gerade <strong>für</strong> die<br />
vermeintlich „geringfügigen“ Probleme<br />
(Graffitis <strong>und</strong> H<strong>und</strong>ekot) konnten bislang<br />
keine dauerhaften Lösungen gef<strong>und</strong>en<br />
werden. Am Kottbusser Tor, einem Brennpunkt<br />
der Berliner Drogenszene, ist inzwischen<br />
ein Druckraum <strong>für</strong> Abhängige<br />
eingerichtet worden.<br />
Umsetzungsmaßnahmen<br />
Die Erfahrungen der ersten Projektdurchläufe<br />
<strong>und</strong> deren Auswertung machten deutlich, dass<br />
eine stärkere Einbindung der Kinder in die<br />
Umsetzung von Ergebnissen sinnvoll ist, um<br />
die Projektziele<br />
■ den Lebensraum näher kennen lernen,<br />
■ die Lebenswelt aktiv mitgestalten,<br />
■ Verantwortung übernehmen,<br />
■ demokratisches Handeln erleben <strong>und</strong><br />
fördern,<br />
noch nachhaltiger umzusetzen.<br />
So wurden die Kiezdetektive des letzten Durchlaufs<br />
aus der Nürtingen-Gr<strong>und</strong>schule in ein<br />
anschließendes „Planning-for-Real-Verfahren“<br />
im Rahmen des Programms Soziale Stadt einbezogen.<br />
Sie bauten ein Modell ihres Stadtteils,<br />
in das die Ergebnisse der Kiezbegehung<br />
integriert wurden. Das Modell wurde öffentlich<br />
ausgestellt <strong>und</strong> diskutiert. Die Bewohner/innen<br />
konnten weitere Vorschläge zu Veränderungen<br />
einbringen. Die Kinder sind an den<br />
weiteren Planungen beteiligt. Die Kiezdetektive<br />
der Lemgo-Gr<strong>und</strong>schule sind ebenfalls an Planungs-<br />
<strong>und</strong> Umsetzungsmaßnahmen im Rahmen<br />
des Programms Soziale Stadt in der<br />
Düttmann-Siedlung beteiligt.<br />
Auch im Anschluss an die Kiezbegehungen<br />
2006 wurden die Schüler/innen in die Planung<br />
eines neu eingerichteten Familienzentrums in<br />
ihrem Wohngebiet durch das Quartiersmanagement<br />
einbezogen. An den Schulen wurde<br />
eine Schulhofbetreuung durch türkische<br />
Frauen, Bewegungsangebote, Gewaltpräventionsmaßnahmen<br />
sowie Umweltprojekte mit<br />
externen Partnern auf den Weg gebracht.<br />
Schwierigkeiten <strong>und</strong> Hürden<br />
Bei der Evaluation der ersten Durchläufe des<br />
Projektes ergaben sich folgende Probleme:<br />
■ Der Zeitraum zwischen den Kiezerk<strong>und</strong>ungen,<br />
der ersten Kinderversammlung mit<br />
den Bezirkspolitikern <strong>und</strong> der zweiten<br />
Kinderversammlung war mit sechs Monaten<br />
<strong>für</strong> die Kinder zu lang. Teilweise war die<br />
Erinnerung an die Ergebnisse nicht mehr<br />
präsent. Hinzu kam, dass die Bearbeitung<br />
der Probleme weitgehend von der Verwaltung<br />
erfolgte. Um eine weitergehende<br />
Partizipation der Kinder zu erreichen,<br />
wurden in den folgenden Durchläufen die<br />
Kinder in die Umsetzungsmaßnahmen mit<br />
einbezogen durch Projekte, die an den<br />
Schulen stattfanden.<br />
■ Ein Teil der beteiligten Kinder mit Migrationshintergr<strong>und</strong><br />
hatte Sprachschwierigkeiten<br />
<strong>und</strong> Konzentrationsmängel. Darüber<br />
hinaus fehlten die Erfahrungen, eigene<br />
Interessen <strong>und</strong> Ideen zu artikulieren. Hier<br />
wurde versucht, durch eine intensivere<br />
Vorbereitung des Projekts entgegenzuwirken.<br />
■ Sehr wichtig <strong>für</strong> den Erfolg der Kiezdetektive<br />
ist außerdem die kontinuierliche, verantwortliche<br />
Projektkoordination, die Kontakt<br />
zu den beteiligten Einrichtungen hält, den<br />
Einführungsworkshop mit den Kindern <strong>und</strong><br />
Begleitpersonen durchführt, die Kiezerk<strong>und</strong>ungen<br />
begleitet, Ausstellung <strong>und</strong><br />
Kinderversammlungen vorbereitet,<br />
Ergebnisse kontrolliert, dokumentiert <strong>und</strong><br />
evaluiert, eine intensive Öffentlichkeitsarbeit<br />
organisiert sowie die Verantwortlichkeit<br />
<strong>und</strong> Zuverlässigkeit von Politik <strong>und</strong><br />
Verwaltung einfordert.<br />
Nachhaltigkeit <strong>und</strong> Übertragbarkeit des<br />
Projektes<br />
Das Projekt Kiezdetektive wird regelmäßig einmal<br />
jährlich mit etwa 60 Kindern im Bezirk<br />
Friedrichshain-Kreuzberg durchgeführt. Durch<br />
die Koordination im Rahmen des Ges<strong>und</strong>e-<br />
Städte-Netzwerks ist die Verbindlichkeit <strong>und</strong><br />
Kontinuität sowie die Vernetzung mit anderen<br />
bezirklichen Akteuren <strong>und</strong> Angeboten gewährleistet.<br />
Durch die Auswahl der Schulen in<br />
Stadtteilen mit besonderem Entwicklungsbedarf,<br />
können sozial benachteiligte Kinder mit<br />
Migrationshintergr<strong>und</strong> aktiviert werden. Die<br />
Übertragbarkeit auch auf andere Städte <strong>und</strong><br />
Regionen ist erwünscht <strong>und</strong> wird vom BKK-<br />
B<strong>und</strong>esverband unterstützt. Wichtig ist eine<br />
Person, die verbindlich die Koordination des<br />
Projektes übernimmt ebenso wie interessierte<br />
<strong>und</strong> engagierte Politiker/innen, die Kinder als<br />
wichtige Partner/innen sehen.<br />
Mit dem Konzept der Kiezdetektive ist ein<br />
Instrument geschaffen, durch das junge<br />
Menschen in schwierigen sozialen Situationen<br />
über Partizipationsmöglichkeiten demokratisches<br />
Handeln erlernen können, durch das sie<br />
in ihren persönlichen Kompetenzen gestärkt<br />
werden <strong>und</strong> mit dem sie nicht zuletzt ihr alltägliches<br />
Umfeld verändern können. Und da<strong>für</strong><br />
gibt es Bedarf in beinahe jeder deutschen<br />
Stadt.<br />
Unterstützung erhielt das Projekt durch den<br />
BKK-B<strong>und</strong>esverband, durch das Aktionsprogramm<br />
Umwelt <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heit (APUG) <strong>und</strong> im<br />
Rahmen des Aktionsprogramms „Vielfalt fördern<br />
– Zusammenhalt stärken“ des Berliner<br />
Integrationsbeauftragten. Es wurde in enger<br />
Kooperation mit Ges<strong>und</strong>heit Berlin e.V.<br />
durchgeführt.<br />
Zusammenfassung<br />
Kinder zwischen sechs <strong>und</strong> 14 Jahren erforschen<br />
ihren Kiez, decken Missstände auf <strong>und</strong><br />
konfrontieren Politiker/innen damit. Der Projektansatz<br />
„Kiezdetektive“ befähigt Kinder, ihre<br />
Lebensumwelt selbstständig zu erforschen, sie<br />
zu verstehen <strong>und</strong> zu hinterfragen. Insbesondere<br />
Kinder in sozial schwierigen Lebensumständen<br />
– oftmals mit Migrationshintergr<strong>und</strong> –<br />
sollen lernen, dass sie aktiv ihr Lebensumfeld<br />
mit gestalten <strong>und</strong> verändern können. Sie<br />
werden dabei sowohl an die Politik herangeführt,<br />
als auch <strong>für</strong> ges<strong>und</strong>heits- <strong>und</strong> umweltbezogene<br />
Fragestellungen sensibilisiert.<br />
Kontakt:<br />
Ingrid Papies-Winkler<br />
Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg<br />
Plan- <strong>und</strong> Leistelle Ges<strong>und</strong>heit<br />
Yorckstraße 4-11<br />
10965 Berlin<br />
Tel.: 030/ 902 983 546<br />
E-Mail: gespl@ba-fk.verwalt-berlin.de
Für einen guten <strong>und</strong> ges<strong>und</strong>en Start ins Leben! Kapitel 5 KIEZ – Kiezkinder im Labyrinth<br />
KIEZ – Kiezkinder im Labyrinth<br />
Regina Backhaus <strong>und</strong> Joao Albertini, Labyrinth Kindermuseum Berlin<br />
Ein lebendiger Ort <strong>für</strong> alle Sinne<br />
Anfassen, Ausprobieren, Spielen, Neues entdecken<br />
– im Labyrinth Kindermuseum Berlin ist<br />
all das ausdrücklich erlaubt. Das Kindermuseum<br />
versteht sich als außerschulischer Lernort <strong>für</strong><br />
Kinder, Familien <strong>und</strong> Pädagogen <strong>und</strong> arbeitet mit<br />
Methoden des handlungs- <strong>und</strong> erfahrungsorientierten<br />
Lernens. Ziel ist es, die ges<strong>und</strong>heitliche,<br />
soziale <strong>und</strong> kulturelle Bildung von Kindern zu<br />
fördern. 1997 gegründet, zieht das Kindermuseum<br />
jährlich 90.000 kleine <strong>und</strong> große Gäste an.<br />
Die ehemalige Zündholzmaschinenfabrik gehört<br />
zum soziokulturellen Zentrum Fabrik Osloer Straße<br />
e.V.<br />
Mitmach-Ausstellungen<br />
Herzstück des Kindermuseums sind wechselnde,<br />
interaktive Ausstellungen <strong>für</strong> Kinder zwischen<br />
drei <strong>und</strong> zwölf Jahren. Die Ausstellungen werden<br />
vom Team des Kindermuseums selbst konzipiert<br />
<strong>und</strong> realisiert.<br />
Labyrinth macht schlau!<br />
Ein umfangreiches Fortbildungsprogramm <strong>für</strong><br />
Pädagogen <strong>und</strong> Eltern begleitet die jeweiligen<br />
Ausstellungen. Unter dem Motto „Labyrinth<br />
macht schlau!” werden hier innovative Ansätze<br />
<strong>und</strong> Methoden in die pädagogische Praxis transportiert.<br />
Jährlich werden r<strong>und</strong> 400 Teilnehmer<br />
fortgebildet.<br />
Labyrinth unterwegs<br />
„Labyrinth unterwegs“ heißt das mobile Angebot<br />
des Kindermuseums. Teile der Ausstellungen<br />
werden <strong>für</strong> den mobilen Einsatz nutzbar<br />
gemacht. So entstehen Koffer mit praxisnahen<br />
Anregungen <strong>und</strong> Arbeitsmaterialien <strong>für</strong> Schulen<br />
oder außerschulische Kindereinrichtungen.<br />
Projektarbeit<br />
Das Projektteam des Kindermuseums bietet Projekttage<br />
<strong>und</strong> -wochen <strong>für</strong> Schulen, Kindertagesstätten<br />
<strong>und</strong> Kinderfreizeiteinrichtungen an. Auch<br />
hier geht es um Themen der sozialen, ges<strong>und</strong>heitlichen<br />
<strong>und</strong> kulturellen Bildung. Von 2005 –<br />
2007 führt das Kindermuseum das b<strong>und</strong>esweit<br />
einmalige Modellprojekt „ges<strong>und</strong> groß werden!“<br />
durch. Ziel ist die Zertifizierung von schulischen<br />
<strong>und</strong> außerschulischen Kindereinrichtungen im<br />
Bereich der <strong>Ges<strong>und</strong>heits</strong>förderung. Finanziert<br />
wird das Projekt von Aktion Mensch.<br />
Ausstellungsverleih<br />
Seit 2004 verleiht das Kindermuseum seine<br />
erfolgreichen Ausstellungen an andere Kindermuseen<br />
in Deutschland <strong>und</strong> im europäischen<br />
Ausland.<br />
Ganz ausgezeichnet<br />
Im Jahr 2003 erhält das Labyrinth Kindermuseum<br />
Berlin den Berliner Zivilcouragepreis <strong>und</strong> wurde<br />
2006 zur „Kulturmarke des Jahres“ gewählt.<br />
Das Labyrinth Kindermuseum Berlin ist ein Projekt<br />
mit gesamtstädtischer Bedeutung. Wir sehen<br />
dennoch unsere soziale Verantwortung auch<br />
<strong>und</strong> gerade <strong>für</strong> den Soldiner Kiez. Die Kiezkinder<br />
besuchen das Labyrinth Kindermuseum an den<br />
Sonntagen, an denen auch Joao Albertini im Museum<br />
tätig ist. Die Kinder zahlen im Gegensatz zu<br />
allen anderen Besuchern keinen Eintritt. Im<br />
vergangenen Jahr haben an den Sonntagen<br />
durchschnittlich 60 Kinder im Alter von zwei bis<br />
zwölf Jahren das Labyrinth besucht. Die Anwesenheit<br />
der Kinder im Museum verlief nicht<br />
immer ohne Konflikte. Daher war die Einführung<br />
verbindlicher Regeln Bestandteil des Projektes:<br />
■ Die Kinder dürfen das Labyrinth Kindermuseum<br />
nur besuchen, wenn Joao Albertini<br />
anwesend ist.<br />
■ Der Besuch im Museum ist auf eine St<strong>und</strong>e<br />
begrenzt, damit alle Kinder das Museum<br />
besuchen können.<br />
■ Alle Mitarbeiter – nicht nur Joao Albertini –<br />
sind „Chefs“, das bedeutet, dass sie <strong>für</strong> die<br />
Arbeit in der Ausstellung verantwortlich sind<br />
<strong>und</strong> die Kinder sich nach ihren Vorgaben<br />
richten müssen.<br />
■ Die Kinder kommen überwiegend aus Familien<br />
mit Migrationshintergr<strong>und</strong> <strong>und</strong> sind überwiegend<br />
Schüler <strong>und</strong> Schülerinnen der Wilhelm-Hauff-<br />
<strong>und</strong> der Rudolf-Wissell-Schule.<br />
Joao Albertini arbeitet als pädagogischer Mitarbeiter<br />
im Labyrinth Kindermuseum Berlin <strong>und</strong><br />
hat durch zahlreiche Projekte aber auch durch<br />
sein besonderes Engagement <strong>und</strong> seine vielseitigen<br />
Fähigkeiten einen besonderen <strong>und</strong> intensiven<br />
Kontakt zu den Kindern aus dem Soldiner<br />
Kiez aufbauen können.<br />
Auch sein kultureller Hintergr<strong>und</strong> – Joao Albertini<br />
stammt aus Brasilien – ist <strong>für</strong> die Arbeit mit<br />
dieser mutikulturellen Zielgruppe von Vorteil. Im<br />
Jahr 2005 gab es zahlreiche Konflikte in der<br />
Gruppe der Kiezkinder selbst, aber auch mit<br />
Besuchern <strong>und</strong> den pädagogischen Mitarbeitern<br />
des Kindermuseums. Diese konnten durch die<br />
Akzeptanz der Regeln von Seiten der Kiezkinder<br />
gemindert bzw. sogar ganz abgewendet werden.<br />
Durch das stete Erinnern <strong>und</strong> Einüben der Regeln<br />
bildete sich eine feste Gruppe von Kindern aus<br />
dem Kiez, die das Labyrinth Kindermuseum<br />
kontinuierlich besuchen. Die Kinder halten sich<br />
mittlerweile sehr gut an die Regeln.<br />
Viele Kinder kommen jeden Sonntag <strong>und</strong> übernehmen<br />
kleine Aufgaben im Ausstellungsbereich.<br />
Das nicht immer konfliktfreie Verhältnis zu<br />
den pädagogischen Mitarbeitern hat sich deutlich<br />
verbessert <strong>und</strong> zeugt von Vertrauen auf beiden<br />
Seiten. Durch die Kontinuität der Arbeit haben<br />
sich die Kinder weiterentwickelt, sie fühlen<br />
sich im Kindermuseum wohl <strong>und</strong> akzeptiert.<br />
In der Ausstellung „Ganz weit weg <strong>und</strong> doch so<br />
nah“, in der es um das Kennenlernen fremder<br />
Kulturen geht, mögen es die Mädchen, sich in<br />
der Station „Frisiersalon“ zu schminken <strong>und</strong> zu<br />
frisieren <strong>und</strong> sich im „Verwandlungsbasar“ zu<br />
verkleiden. Daraus entstanden kleine Tanz- <strong>und</strong><br />
Gesangsnummern im Sinne von „Bollywood“ die<br />
im Kindermuseum zur Aufführung gebracht wurden.<br />
Die Jungen führten einen Streetdance vor.<br />
Die Kinder fühlen sich selbstbewusst <strong>und</strong> stolz<br />
mit ihren Darbietungen, die auch bei den anderen<br />
Besuchern gut ankommen.<br />
Die Kiezkinder haben einen türkischen, arabischen<br />
oder serbokroatischen Hintergr<strong>und</strong> <strong>und</strong><br />
sie kommen oft mit Geschwistern bzw. in kleinen<br />
Gruppen von Verwandten. Das Verständnis zwischen<br />
Mädchen <strong>und</strong> Jungen hat sich gebessert.<br />
Die Kinder, die das Alter von zwölf Jahren überschritten<br />
haben, neigen zu anderen Interessen<br />
<strong>und</strong> kommen nicht mehr ins Kindermuseum. Die<br />
jüngeren Geschwisterkinder gehören weiterhin<br />
zur Gruppe der Kiezkinder. Neben dieser positiven<br />
Entwicklung gibt es einen sich deutlich<br />
zuspitzenden Konflikt mit einer Gruppe von vier<br />
bis fünf Jungen im Alter von 7-14sieben bis 14<br />
Jahren, denen Hausverbot erteilt wurde. Um<br />
diesem Problem besser gewachsen zu sein,<br />
wurde inzwischen eine Zusammenarbeit mit dem<br />
Verein Kiezboom vereinbart.<br />
Bei akuten Konflikten nehmen die Mitarbeiter/innen<br />
des Kindermuseums Kontakt zu Kiezboom<br />
auf. Die Mitarbeiter/innen von Kiezboom, die im<br />
Bereich Konfliktschlichtung geschult sind, werden<br />
dann direkt ins Kindermuseum kommen, um<br />
die Mitarbeiter/innen des Kindermuseums bei<br />
der Lösung der Konflikte zu unterstützen. Dieser<br />
Lösungsansatz wurde in Gesprächen mit dem<br />
Quartiersmanagement entwickelt.<br />
Trotz <strong>und</strong> gerade wegen dieser Konflikte sind wir<br />
davon überzeugt, dass es wichtig ist, den Kindern<br />
aus dem Soldiner Kiez die Möglichkeit zu<br />
geben, die Angebote des Kindermuseums wahrzunehmen.<br />
Das aggressive Verhalten einiger<br />
Kinder macht deutlich, wie wichtig es ist mit<br />
dieser Zielgruppe zu arbeiten <strong>und</strong> einen Beitrag<br />
zur Förderung der sozialen Kompetenz der Kinder<br />
zu leisten. Da das Labyrinth Kindermuseum<br />
auf die Erlöse durch Eintrittsgelder angewiesen<br />
ist, wäre dieses Projekt ohne eine Förderung<br />
nicht möglich gewesen. Die Situation gilt auch<br />
<strong>für</strong> die zukünftige Arbeit mit den Kiezkindern.<br />
Kontakt:<br />
Regina Backhaus<br />
Joao Albertini<br />
Labyrinth Kindermuseum Berlin in der FOS<br />
Osloer Straße 12, 13359 Berlin<br />
Tel.: 030/ 800 931 163<br />
E-Mail: regina.backhaus@labyrinthkindermuseum.de<br />
joao.albertini@labyrinth-kindermuseum.de<br />
51
52<br />
Kapitel 6 Diskussionen der Workshops Für einen guten <strong>und</strong> ges<strong>und</strong>en Start ins Leben!<br />
Workshops<br />
Kapitel 6<br />
Diskussionen der Workshops<br />
Workshop A)<br />
Aktiv <strong>und</strong> Bewegt in Kitas, Familienzentren <strong>und</strong><br />
anderen Treffpunkten<br />
Berichterstatterin: Iris Spitzner,<br />
IKK Brandenburg <strong>und</strong> Berlin<br />
Bewegungsförderung in die Kita hineinzubringen,<br />
darüber berichtete Frau Dr. Ketelhut durch<br />
das Projekt „Fitness <strong>für</strong> Kids“. Dies ist ein<br />
sechsmonatiges Programm, in dem Fachleute<br />
in Kitas Bewegungseinheiten durchführen.<br />
Bedingung ist aber, dass die Erzieher/innen<br />
daran teilnehmen <strong>und</strong> somit Übungen <strong>und</strong><br />
Abläufe lernen. Zusätzlich gibt es eine theoretische<br />
<strong>und</strong> praktische Weiterbildung. Wenn<br />
das Projekt in der Kita beendet ist, sind die<br />
Erzieher/innen befähigt, es selbstständig fortzuführen.<br />
Das ist mit Sicherheit ein guter<br />
Ansatz, der auch weitergeführt wird.<br />
Was als ganz wichtig benannt wurde war, dass<br />
die Erzieher/innen auch Spaß bei der Sache<br />
haben („Wenn es denen Spaß macht, dann<br />
weiß ich auch, dass sie das weiterführen“).<br />
Eine weitere wichtige Bedingung, Bewegungsförderung<br />
in die Kita hineinzubringen ist, dass<br />
mit den Rahmenbedingungen, die die Kita vor<br />
Ort hat, auch gearbeitet werden kann. Das<br />
heißt, dass mit Alltagsgegenständen gearbeitet<br />
wird. Im Vortrag waren zum Beispiel Zeitungen<br />
<strong>und</strong> Schwämme <strong>und</strong> Luftballons die<br />
Gegenstände, mit denen die Kinder sich<br />
bewegt haben. Die Berücksichtigung der Rahmenbedingungen<br />
ist eine Voraussetzung da<strong>für</strong>,<br />
dass alle Kitas, auch die mit fehlenden oder<br />
sehr geringen Ressourcen, an diesem Projekt<br />
teilnehmen können.<br />
Zunächst ging es um die Bildung eines Netzwerkes,<br />
das entstand, weil alle das gleiche<br />
Interesse hatten, nämlich das Thema Bewegung<br />
zu fördern.<br />
Ausgangspunkt waren hohe Unfallzahlen bei<br />
Kindern aufgr<strong>und</strong> von Bewegungsmangel. Man<br />
hat angefangen in kleinen Gruppen bei auf-<br />
fälligen Kindern, Bewegungsübungen durchzuführen.<br />
Später hat man sich dann aber<br />
entschlossen, auch durch die Diskussion im<br />
Netzwerk, das Ganze <strong>für</strong> alle anzubieten. Das<br />
Netzwerk besteht aus der Unfallkasse, aus<br />
Kitas, aus Trägern der Stadt <strong>und</strong> hat sich<br />
inzwischen so weiterentwickelt, dass die<br />
Bedarfe, die auch die Kitas vor Ort selber<br />
sehen, als neue Themen behandelt werden. Im<br />
Moment ist ein Thema in Entwicklung, das<br />
heißt: „Erst Bindung, dann Bildung“ <strong>und</strong><br />
schließt direkt an das an, was wir in den<br />
Beiträgen von Raim<strong>und</strong> Geene <strong>und</strong> Hellgard<br />
Rauh auch gehört haben.<br />
Das dritte Thema hatte den Schwerpunkt<br />
Ernährung – <strong>und</strong> zwar Ernährungsschulung <strong>für</strong><br />
Eltern. Diese wird während der Betreuungszeit<br />
in der Kita durchgeführt. Wichtigstes Ziel ist<br />
dabei, dass die Eltern die Ernährung, die ja in<br />
der Kita als ges<strong>und</strong> angeboten <strong>und</strong> vorausgesetzt<br />
wird, zu Hause ebenso anbieten können.<br />
Wichtig ist dabei, dass Rezepte entwickelt<br />
wurden, die leicht durchzuführen sind <strong>und</strong><br />
dabei:<br />
■ nicht mehr als 2,00 Euro pro Person kosten<br />
■ nicht mehr als sieben Zutaten enthalten<br />
■ <strong>und</strong> sich am Geschmack orientieren<br />
In den Kochkursen wurden eigene Rezepte<br />
entwickelt. Was leider in diesem Projekt nicht<br />
gelungen ist, ist die Nachhaltigkeit zu gewährleisten,<br />
aber da werden im Moment weiter<br />
Lösungen gesucht.
Für einen guten <strong>und</strong> ges<strong>und</strong>en Start ins Leben! Kapitel 6 Diskussionen der Workshops<br />
Ganz wichtig <strong>für</strong> alle Projekte ist:<br />
■ dass die Nachhaltigkeit mitgedacht wird<br />
■ dass möglicherweise Multiplikator/innen<br />
ausgebildet werden<br />
■ dass die Projekte auf alle Fälle auch Spaß<br />
machen. Das war ein Begriff, der auch ganz<br />
oft genannt worden ist <strong>und</strong><br />
■ dass das „Einschlafen“ verhindert wird,<br />
entweder durch Multiplikator/innen ; oder<br />
eine andere Idee war auch, dass es<br />
möglicherweise im Bereich der Bewegung<br />
Erinnerungskärtchen oder<br />
Erinnerungstermine oder so etwas<br />
Ähnliches gibt<br />
Dicht damit verb<strong>und</strong>en ist das Thema Elternarbeit,<br />
das im zweiten Teil Thema war. Als<br />
erstes wurde die Eltern-AG aus Sachsen-Anhalt<br />
vorgestellt. Diese AG richtet sich an Eltern aus<br />
sozial benachteiligten Schichten. Ziel ist es<br />
Eltern dazu zu befähigen, mit ihren Ressourcen<br />
gut umzugehen, sich in ihrem Umfeld zurechtzufinden<br />
<strong>und</strong> sich weiterzuentwickeln, ausgehend<br />
von den positiven Erfahrungen, die jedes<br />
Elternteil mit bringt. Zu der Eltern-AG gab es<br />
ganz viele Nachfragen <strong>und</strong> eine heiße Diskussion<br />
entstand, in der es sehr darum ging,<br />
wie diese Zielgruppe erreicht wird! „Kommen<br />
denn da die, die man wirklich haben will oder<br />
die, die sich sowieso schon da<strong>für</strong> interessieren<br />
<strong>und</strong> die man damit eigentlich gar nicht mehr<br />
„beglücken“ muss“?<br />
Wichtig <strong>für</strong> die Erreichung war die persönliche,<br />
nicht stigmatisierende Ansprache. Dieses Projekt<br />
arbeitet zusammen mit Kitas, mit Ärzt/innen,<br />
wobei die Kitas <strong>und</strong> Ärzt/innen zum<br />
größten Teil als Multiplikator/innen dienen <strong>und</strong><br />
<strong>für</strong> die Teilnahme am Projekt werben. Wenn die<br />
Eltern einverstanden sind, sich ansprechen zu<br />
lassen, werden sie durch geschulte<br />
Mentor/innen, die den Verlauf der Eltern-AG<br />
begleiten, kontaktiert. Das ist ein ganz, ganz<br />
wichtiger Faktor: die Ansprache der Eltern, die<br />
mitmachen <strong>und</strong> nicht abgeschreckt werden<br />
sollen, durch eine Ansprache, die ihnen einen<br />
Spiegel vorhält <strong>und</strong> ihnen sagt, was sie falsch<br />
machen. Gefragt ist Ermutigung statt<br />
Bewertung <strong>und</strong> Kritik. Die Eltern-AG beinhaltet<br />
dann 20 Termine mit dem Ziel, dass die AG sich<br />
zum Schluss selbst organisiert.<br />
Ein zweiter Teil in der Diskussion war die Frage<br />
nach dem Aufbau der Eltern-AG. Wie viele<br />
kommen denn da? Beziehungsweise kann man<br />
auch die Väter mobilisieren? Das ist ein Punkt,<br />
der auch heiß diskutiert wurde: Wie kommt<br />
man an die Väter heran? Was ich ganz interessant<br />
fand, war der Ausspruch: „Na ja, die<br />
sehen sich dann der geballten Weiblichkeit<br />
gegenüber. Das könnte sie natürlich auch abschrecken.“<br />
Als Lösung da<strong>für</strong> wurde angedacht,<br />
spezielle Angebote <strong>für</strong> Väter zu entwickeln.<br />
Zu funktionieren scheint der Ansatz<br />
der zwei Mentoren in der Eltern AG. Idealerweise<br />
ist einer weiblich <strong>und</strong> einer männlich. In<br />
den AGs, die einen männlichen Mentor haben,<br />
ist auch die Inanspruchnahme durch Väter<br />
etwas größer.<br />
Der nächste Vortrag hatte das Thema „Elternbeteiligung<br />
in der Kita“. Was mich beeindruckt<br />
hat war eine sehr gute Dokumentation je Kind,<br />
die <strong>für</strong> die Eltern jederzeit einsehbar ist. Sie<br />
zeigt, was das Kind in der Kita macht. Die Kita<br />
zeigt einen Film darüber was im letzten Jahr so<br />
gelaufen ist. Es wird ein Dokumentationsbogen<br />
<strong>für</strong> jedes Kind frei ausgelegt. Es gibt feste<br />
Termine, an denen Elterngespräche stattfinden<br />
<strong>und</strong> es gibt ein Eltern-Café, das jeden Monat<br />
stattfindet, an dem auch jedes Mal ein Erzieher<br />
teilnimmt. Durch die Ansprache direkt über das<br />
Kind gelingt es, die Eltern auch <strong>für</strong> weitere<br />
Themen <strong>und</strong> <strong>für</strong> die Mitarbeit in der Kita zu<br />
interessieren.<br />
Ganz wichtig, was auch in anderen Beiträgen<br />
thematisiert wurde, war das offene Angebot<br />
eines Cafés, die Atmosphäre: „Ich bin hier nicht<br />
in irgendeinem Workshop, wo ich etwas erzählt<br />
bekomme oder wo ich vielleicht auch noch<br />
mitarbeiten muss, sondern es ist eine entspannte,<br />
ganz normale Kaffeekranz-Atmosphäre“.<br />
Dies war auch ein wichtiger Aspekt der<br />
Eltern-AG. Wenn eine bestimmte persönliche<br />
Basis schon gelegt ist, ist der Austausch über<br />
viele Dinge möglich – auch über die Knackpunkte,<br />
die einem auf dem Herzen liegen, <strong>und</strong><br />
schwierige Themen können durchaus angesprochen<br />
werden.<br />
Der dritte Beitrag im zweiten Teil kam aus dem<br />
Nachbarschaftszentrum Kiez Oase Schöneberg,<br />
das gezeigt hat, wie die Ansprache <strong>und</strong><br />
die Beteiligung der Besucher/innen gelingen<br />
kann. Hier wurde herausgestellt, was eigentlich<br />
auch <strong>für</strong> alle anderen gilt: „Man muss den<br />
Bedarf desjenigen, den man ansprechen will,<br />
wirklich im Blick haben <strong>und</strong> ihn auf dieser<br />
Ebene ansprechen.“<br />
Im Beispiel des Nachbarschaftszentrums ist es<br />
unter anderem die Babykrabbelgruppe, die<br />
einen Einstieg bietet, um weitere Themen oder<br />
weitere Angebote kenntlich zu machen <strong>und</strong><br />
diejenigen, die kommen, da<strong>für</strong> zu gewinnen.<br />
Das heißt, ein Einstieg ist durch ein bestimmtes<br />
Angebot schon gegeben <strong>und</strong> andere<br />
Möglichkeiten finden sich dann durch die<br />
Ansprache der Betreuer aus dem Nachbarschaftszentrum.<br />
Die Einschätzung aller drei Referent/innenen<br />
<strong>und</strong> auch des Publikums war, je schwieriger die<br />
Gruppe ist, so will ich es ausdrücken, je größer<br />
die soziale Benachteiligung, desto wichtiger ist<br />
es, die Gruppe klein zu halten, die persönliche<br />
Ansprache zu bieten <strong>und</strong> eine Homogenität der<br />
Gruppe sicherzustellen. Wie Herr Geene heute<br />
Morgen sagte: Die Scham, die eigene Situation<br />
vielleicht darstellen zu müssen, ist ein großer<br />
Hinderungsgr<strong>und</strong>, aber es kann gelingen, indem<br />
einfach auf gleicher Augenhöhe miteinander<br />
gesprochen wird.<br />
Workshop B) Bewegung im Stadtteil<br />
Berichterstatter: Stefan Bräunling,<br />
Regionaler Knoten des Kooperationsverb<strong>und</strong>es<br />
„<strong>Ges<strong>und</strong>heits</strong>förderung bei sozial<br />
Benachteiligten“<br />
In den beiden Workshops, von denen ich jetzt<br />
berichte, ging es um Bewegungsförderung im<br />
Stadtteil. Der erste Teil befasste sich mit der<br />
Gestaltung von bewegten Lebensräumen <strong>und</strong><br />
der zweite Teil mit der Frage, wie aktiviere ich<br />
Eltern <strong>und</strong> Kinder im Stadtteil. Das ging<br />
allerdings ziemlich ineinander über, was aber<br />
auch sehr gut war <strong>und</strong> das Thema sehr spannend<br />
<strong>und</strong> anschaulich machte.<br />
Im ersten Teil des Workshops hat Philipp<br />
Mühlberg von der Senatsverwaltung <strong>für</strong> Stadtentwicklung<br />
das Programm „Soziale Stadt“<br />
<strong>und</strong> die Bezüge zum Thema <strong>Ges<strong>und</strong>heits</strong>förderung<br />
dargestellt: Zunächst die Ziele,<br />
stabile Nachbarschaften zu schaffen, Chancengleichheit<br />
herzustellen <strong>und</strong> Begegnungsräume<br />
zu eröffnen. Kurz: Das Programm „Soziale<br />
Stadt“ hat 33 Gebiete in Berlin mit fünf- bis<br />
zwanzigtausend Einwohner/innen.<br />
Sie zeichnen sich dadurch aus, dass sie einen<br />
hohen Anteil an Arbeitslosen haben, einen<br />
hohen Anteil an Empfänger/innen von Transferleistungen<br />
<strong>und</strong> einen hohen Ausländeranteil.<br />
Wobei Philipp Mühlberg wichtig war zu sagen,<br />
dass Ausländer/in-sein nicht per se eine<br />
Benachteiligung ist, sondern dass dabei soziale<br />
Probleme im Gr<strong>und</strong>e umdefiniert werden.<br />
Wichtig an dem Programm „Soziale Stadt“ ist<br />
das Schaffen von Netzwerken, von Kommunikationsstrukturen,<br />
<strong>und</strong>, so betonte Philipp<br />
Mühlberg vor allem, auch das Schaffen von<br />
Bewegungsräumen. Es geht um Einbindung, es<br />
geht um das Schaffen eines Wir-Gefühls. Ein<br />
Beispiel, das Philipp Mühlberg den Teilnehmenden<br />
vorgestellt hat, ist die Spandauer<br />
Bolzplatzliga, eine bunte Liga, in der Fußball<br />
53
54<br />
Kapitel 6 Diskussionen der Workshops Für einen guten <strong>und</strong> ges<strong>und</strong>en Start ins Leben!<br />
gespielt wird – Mädchen <strong>und</strong> Jungen. Interessanterweise<br />
gibt es natürlich Regeln, aber<br />
keine Schiedsrichter. Die Spieler/innen müssen<br />
sich während ihrer Turnierspiele selber über<br />
den Verlauf einigen, dadurch werden die<br />
Identifikation <strong>und</strong> das Wir-Gefühl gefördert.<br />
Das 1999 ins Leben gerufene B<strong>und</strong>-Länder-<br />
Programm „Stadtteile mit besonderem Entwicklungsbedarf<br />
– Soziale Stadt“ dient der Förderung<br />
von sozial <strong>und</strong> wirtschaftlich benachteiligten<br />
Stadtteilen. Ziel ist die Verbesserung<br />
der Wohn- <strong>und</strong> Lebensbedingungen in den<br />
Quartieren sowie der sozialen Lage <strong>und</strong><br />
Lebenschancen seiner Bewohner/innen.<br />
Das Programm verfolgt dabei einen integrierten<br />
Ansatz: Maßnahmen des Städtebaus<br />
werden gezielt mit Maßnahmen u.a. der Bildungs-<br />
<strong>und</strong> Beschäftigungspolitik, der Familien-,<br />
Kinder- <strong>und</strong> Jugendpolitik, der Integration<br />
<strong>und</strong> der Ges<strong>und</strong>heit vor Ort gebündelt. Da<strong>für</strong><br />
wird von der Kommune ein integriertes Entwicklungskonzept<br />
<strong>für</strong> das Quartier entwickelt,<br />
das die ressortübergreifende Zusammenarbeit<br />
<strong>und</strong> die Bündelung von Ressourcen (sowohl<br />
investiven, als auch nicht-investiven Mitteln)<br />
vorsieht. Wesentliche Kennzeichen des Programms<br />
sind die Begleitung durch ein aktives<br />
Quartiersmanagement sowie die Beteiligung<br />
der lokalen Partner/innen <strong>und</strong> der Bewohnerschaft<br />
vor Ort.<br />
Im nächsten Beitrag hat Birgit Funke vom<br />
Verein „BERLINbewegt“ die Gestaltung <strong>und</strong> die<br />
Planung von Spielplätzen vorgestellt. Die Themen<br />
dabei sind: altersspezifische Spielplätze,<br />
Sicherheit <strong>und</strong> Zugänglichkeit. Funke hat die<br />
Gr<strong>und</strong>lagen der Umfeldanalyse erklärt <strong>und</strong><br />
betont, dass es dabei nicht nur darum geht,<br />
einen Spielplatz zu gestalten, sondern sich vor<br />
allen Dingen das Umfeld zu vergegenwärtigen<br />
<strong>und</strong> die Bedarfe <strong>und</strong> Bedürfnisse zu bestimmen.<br />
Außerdem ist Birgit Funke auf die Kriterien <strong>für</strong><br />
einen möglichst hohen Spielwert eingegangen.<br />
Sie stellte dar, wie bereits Kita-Kinder in die<br />
Planung <strong>und</strong> Beteiligung einbezogen werden<br />
können. So können die Kinder etwa ihre Kritik,<br />
zum Beispiel an dem Hof oder dem Garten der<br />
Kita, mit roten oder grünen Fähnchen darstellen,<br />
ihre Wünsche äußern, Modelle bauen<br />
oder Bilder malen, die darstellen, wie ihre<br />
Umgebung aussehen soll. Birgit Funke hat<br />
deutlich vertreten, dass es wichtig ist, reale<br />
Pläne mit den Kindern zu machen, nicht nur<br />
„bunte Bildchen“.<br />
Nach einer entsprechenden Nachfrage stellte<br />
Birgit Funke dar, dass der Verein „BERLINbewegt“<br />
in erster Linie auf die Einrichtungen im<br />
Kiez zugeht. Die Eltern <strong>und</strong> die Bewohner/innen<br />
in der Umgebung werden nur vermittelt<br />
angesprochen, denn sie sind auf einer<br />
ganz praktischen Ebene instabil <strong>und</strong> können im<br />
Gegensatz zur Einrichtung etwa umziehen oder<br />
ähnliches. Demgegenüber bleibt die Einrichtung<br />
als feste <strong>und</strong> stabile Größe im Kiez.<br />
Der dritte Beitrag war die Präsentation des<br />
Spiel- <strong>und</strong> Sportplatzes „Unser Platz“ in<br />
Marzahn-Nord durch Andrea von Marschall.<br />
Dieser große Sportplatz <strong>für</strong> Nutzer/innen aller<br />
Altersstufen wurde schon eingerichtet, bevor<br />
der jetzige Träger Dissens e.V. dorthin kam.<br />
Anfangs gab es große Schwierigkeiten: Vandalismus,<br />
Lärmbelästigung der Anwohner/innen<br />
in den Plattenbauten um den Platz herum, <strong>und</strong><br />
eine ganz überwiegende Nutzung durch Jungen<br />
(93 Prozent).<br />
Das Ziel, das Dissens sich jetzt gesetzt hat <strong>und</strong><br />
schon seit mehreren Jahren verfolgt, ist eine<br />
breitere Nutzung. Es gilt, neue Nutzergruppen<br />
zu gewinnen, ohne die bisherigen Nutzer/innen<br />
zu vertreiben. In dem Konzept gibt es sehr<br />
viele partizipative Elemente wie gemeinsame<br />
Spielplatzkonferenzen, aber auch solche nur<br />
<strong>für</strong> die Mädchen <strong>und</strong> nur <strong>für</strong> die Jungen.<br />
Um neue Gruppen anzuziehen, werden mindestens<br />
drei Feste pro Jahr veranstaltet. In<br />
letzter Zeit sind auch Senior/innen gewonnen<br />
worden, sich dort aufzuhalten <strong>und</strong> zum Beispiel<br />
Boule zu spielen. Auch Kita-Kinder sind<br />
gewonnen worden.<br />
Eine Nachfrage aus dem Plenum bezog sich auf<br />
das Thema Verstetigung. Andrea von Marschall<br />
beschrieb ein Projekt, in dem Patenschaften<br />
aufgebaut werden <strong>und</strong> das sich durch bürgerschaftliches<br />
Engagement selbst tragen soll,<br />
was allerdings praktisch nicht leicht umsetzbar<br />
ist.<br />
Der Hauptpartner bei diesem Projekt ist die<br />
Wohnungsbaugesellschaft Fortuna eG, aber<br />
zusätzlich müssen noch soziale Einrichtungen<br />
<strong>und</strong> viele weitere Partner/innen, natürlich auch<br />
die Politik im Bezirk, gewonnen werden, um<br />
das Projekt langfristig zu tragen. In diesem<br />
Zusammenhang verwies Philipp Mühlberg auf<br />
die <strong>für</strong> solche Projekte wichtigen Fragen wie:<br />
Was sind starke Partner/innen? Wer sind die,<br />
auf die man auch längerfristig bauen kann?<br />
Im zweiten Teil des Workshops ging es hauptsächlich<br />
um die Aktivierung von Eltern <strong>und</strong><br />
Kindern. Monika Kringe stellte das Marburger<br />
Netzwerk „mittendrin“ vor, das 22 aktive Institutionen<br />
in drei Stadtbezirken in Marburg<br />
umfasst, dazu noch einmal 29 unterstützende<br />
Institutionen <strong>und</strong> insgesamt 40 Maßnahmen,<br />
die hauptsächlich in Kitas <strong>und</strong> Schulen durchgeführt<br />
werden. Der Gr<strong>und</strong>satz ist, Bewegungsmöglichkeiten,<br />
die es gibt, nicht unbedingt zu<br />
perfektionieren, sondern die Kinder ihre<br />
elementaren Bewegungserfahrungen wiederentdecken<br />
zu lassen. Alle Akteure des Sozialraums<br />
sollen diesen Prozess mitgestalten.<br />
Dazu wurde im Rahmen von „mittendrin“ eine<br />
sehr umfangreiche Sozialraumerk<strong>und</strong>ung mit<br />
insgesamt 800 Kindern durchgeführt. Dabei<br />
wurden etwa „Bewegte Landkarten“ genutzt,<br />
in denen auf dem Schulhof der gesamte Bezirk<br />
nachgestellt wird <strong>und</strong> die Kinder als Expert/innen<br />
<strong>für</strong> ihre Umwelt befragt werden. Das wurde<br />
unter dem Titel „Blick aus 120 cm Höhe“<br />
durchgeführt. Wichtig war dabei abermals,<br />
dass Eltern <strong>und</strong> Pädagog/innen, vor allem aber<br />
die Kinder, als Expert/innen befragt wurden.<br />
Danach hat Frank Miller, Vorstand der Fortuna<br />
Wohnungsbaugesellschaft eG, die das Projekt<br />
„Unser Platz“ unterstützen, die Sichtweise des<br />
Wohnungsbauunternehmens <strong>und</strong> die Gründe,<br />
warum das Unternehmen sich auch <strong>für</strong> <strong>Ges<strong>und</strong>heits</strong>förderung<br />
engagiert, dargestellt. Ein<br />
Unternehmen wie die Fortuna Wohnungsbaugesellschaft<br />
eG hat einen hohen Forderungsausfall,<br />
etwa durch Menschen, die ihre Miete<br />
nicht bezahlen können oder durch eine hohe<br />
Fluktuation. Fluktuation bedeutet immer Renovieren<br />
<strong>und</strong> neu Vermieten, was hohe Kosten<br />
verursacht <strong>und</strong> einen laufenden hohen Leerstand<br />
nach sich zieht, der wiederum einen<br />
Mietausfall bedeutet <strong>und</strong> Betriebskosten verursacht.<br />
Für die Fortuna Wohnungsbaugesellschaft eG<br />
sind das starke ökonomische Gründe, ein<br />
sozial verbessertes Wohnumfeld schaffen zu<br />
wollen. Es geht also nicht nur um technische<br />
<strong>und</strong> energetische Anforderungen, sondern<br />
auch um die Sicherung <strong>und</strong> Stabilisierung des<br />
sozialen Wohnumfeldes. Darüber bekommt<br />
das Unternehmen Wettbewerbsvorteile.<br />
Das Unternehmen pflegt außer dem Projekt<br />
„Unser Platz“ auch Kontakte zu Jugendclubs,<br />
zur Kita <strong>und</strong> zum Seniorenclub. Den Seniorenclub<br />
hat die Wohnungsbaugesellschaft selber<br />
aufgebaut. Das Unternehmen hat sich das Ziel<br />
gesetzt, das Wohnungsbauunternehmen mit<br />
der höchsten sozialen Kompetenz in ganz<br />
Marzahn <strong>und</strong> Hohenschönhausen zu werden,<br />
<strong>und</strong> dazu ein Kompetenzzentrum eingerichtet,<br />
unter anderem mit dem Ziel, Kontakt zu allen<br />
sozialen Einrichtungen in diesen Bezirken<br />
aufzunehmen. Eine konkrete Maßnahme, die in<br />
dem Zusammenhang schon entstanden ist, ist<br />
ein „Mit-Mach-Brunch“ <strong>für</strong> die Anwohner/innen.<br />
Die letzte Maßnahme, die dargestellt wurde,<br />
war das Projekt „Kiezkinder“ von Regina Backhaus<br />
<strong>und</strong> Joao Albertini aus dem Labyrinth<br />
Kindermuseum. Die Kinder, die dort in der
Für einen guten <strong>und</strong> ges<strong>und</strong>en Start ins Leben! Kapitel 6 Diskussionen der Workshops<br />
Umgebung wohnen, können kostenlos das<br />
Museum besuchen. Sie müssen sich dabei an<br />
bestimmte Regeln halten. Das Projekt schafft<br />
Identifikation <strong>und</strong> sie üben Verantwortung,<br />
zum Beispiel <strong>für</strong> ihre Geschwister, die sie<br />
meistens mitbringen. Diese Kinder beteiligen<br />
sich in ihren Schulen auch am Aufbau von<br />
neuen Ausstellungen.<br />
Workshop C) Familien mit<br />
Migrationshintergr<strong>und</strong><br />
Berichterstatter: Stefan Pospiech,<br />
<strong>Fachstelle</strong> <strong>für</strong> <strong>Prävention</strong> <strong>und</strong><br />
<strong>Ges<strong>und</strong>heits</strong>förderung im Land Berlin<br />
Spricht man von Migrant/innen als Zielgruppe,<br />
ist darunter natürlich eine heterogene Gruppe<br />
mit unterschiedlichen Bedürfnissen, Ressourcen<br />
<strong>und</strong> Problemen zu verstehen. Das wurde<br />
gleich zu Beginn der Diskussion in diesem<br />
Workshop deutlich. Spricht man beispielsweise<br />
über die arabischen Familien, kann man<br />
festhalten, dass es alleine aus diesem Kulturkreis<br />
schon unglaublich viele differenzierte<br />
Zielgruppen gibt, die alle wieder eigene<br />
kulturspezifische Besonderheiten haben, weil<br />
es Arabien als Land ja nicht gibt.<br />
Ganz wichtig ist auch zu beachten, dass ein<br />
Migrationshintergr<strong>und</strong> nicht gr<strong>und</strong>sätzlich als<br />
Problem verstanden wird, sondern der gesamte<br />
Migrationsprozess natürlich eine enorme<br />
biografische Lebensleistung darstellt, den die<br />
Menschen durchlebt haben. Dieser Prozess<br />
birgt sehr viele Ressourcen, kann allerdings<br />
auch sehr viele <strong>Ges<strong>und</strong>heits</strong>probleme mit sich<br />
bringen. Es ist also sehr schwierig, eine allgemeingültige<br />
Aussage darüber zu machen, wie<br />
der Zugang zu oder die Problemlage von Migranten/innen<br />
in Berlin ist.<br />
Im Workshop wurden jedoch Schwierigkeiten<br />
genannt, die gehäuft auftreten: Zum Einen sind<br />
es die Sprachbarrieren, die ein großes Problem<br />
bei der Inanspruchnahme von Versorgungsangeboten<br />
<strong>und</strong> bei der Information über Versorgungsangebote<br />
darstellen. In Deutschland<br />
gibt es ein sehr komplexes <strong>Ges<strong>und</strong>heits</strong>- <strong>und</strong><br />
Sozialsystem. Auch wenn man die Sprache gut<br />
beherrscht, muss man sich in diesen Systemen<br />
erst einmal zurechtfinden. Wenn man die<br />
Sprache nicht beherrscht, hat man sehr große<br />
Probleme, an diese Angebote heranzukommen.<br />
Das ist besonders dann der Fall, wenn<br />
man auf Dienste trifft, die gar nicht darauf<br />
vorbereitet sind, mit Menschen umzugehen,<br />
die die Sprache nicht sprechen oder auch<br />
andere Wahrnehmungen von Schmerz <strong>und</strong><br />
Krankheit haben.<br />
Das Zweite, das oft beklagt wird, ist, dass auch<br />
etwas mehr Eigeninitiative von Seiten der<br />
Migrant/innen kommen könnte. Mehr Engagement,<br />
sich zu informieren, im politischen<br />
Prozess zu beteiligen <strong>und</strong> Angebote wahrzunehmen.<br />
Im Workshop wurde allerdings darauf<br />
hingewiesen, dass dies oft nicht aufgr<strong>und</strong><br />
mangelnden Engagements vermieden wird,<br />
sondern mit Scheu <strong>und</strong> Sprachbarrieren zusammenhängt,<br />
also der Angst, nicht verstanden<br />
zu werden, wenn man sich irgendwo aktiv<br />
einschaltet oder auch, dass man nicht<br />
unangenehm auffallen oder stören möchte.<br />
Ein weiterer Aspekt, der im Workshop angesprochen<br />
wurde, war eine zum Teil falsch<br />
verstandene Fürsorglichkeit, wenn es um<br />
Ges<strong>und</strong>heit geht. Als Beispiel da<strong>für</strong> wurde<br />
genannt, dass im türkischen Kulturkreis zum<br />
Teil die Meinung vorherrscht, dass ein wohlgenährtes<br />
Kind, also ein etwas dickleibigeres<br />
Kind, ein ges<strong>und</strong>es Kind ist. In diesem Kontext<br />
wird Dickleibigkeit nicht als Defizit wahrgenommen,<br />
sondern als etwas Positives.<br />
Falsches Ernährungsverhalten wird oft dadurch<br />
verursacht, dass etwa die Werbung suggeriert,<br />
Kinderschokolade <strong>und</strong> ähnliches sei ges<strong>und</strong><br />
<strong>und</strong> solche Aussagen nicht hinterfragt werden.<br />
Es gibt auch oft eine zu große Vorsicht gegenüber<br />
den Kindern, sowohl was die Kleidung (zu<br />
warm) angeht, aber auch was die Bewegungsaktivitäten<br />
(zu vorsichtig) angeht. Was oft nach<br />
sich zieht, dass Kinder, die sehr vorsichtige<br />
Eltern haben, sich wenig bewegen <strong>und</strong> auch<br />
noch mit vier Jahren im Kinderwagen zur Kita<br />
gebracht werden. Dadurch entsteht ein Teufelskreis,<br />
da diese Kinder motorisch oft auch<br />
ungeschickter sind <strong>und</strong> sich öfter verletzen.<br />
Ein weiteres Themenfeld der Workshops waren<br />
die spezifischen Problemlagen, die Migrant/innen<br />
haben, vor allem was ihren Zugang zu<br />
Angeboten der <strong>Ges<strong>und</strong>heits</strong>förderung <strong>und</strong> zu<br />
<strong>Prävention</strong> <strong>und</strong> <strong>Ges<strong>und</strong>heits</strong>versorgung betrifft.<br />
Dabei wurde deutlich, dass oft fälschlicherweise<br />
ein Bild von Migrant/innen vorherrscht,<br />
die in größeren Familienverbünden<br />
leben <strong>und</strong> viele Versorgungsleistungen im Familienverb<strong>und</strong><br />
übernommen werden. Dies entspricht<br />
in vielen Fällen nicht mehr der Realität –<br />
außer vielleicht noch bei Einwanderern/innen,<br />
die mit ihren Großeltern gekommen sind. Bei<br />
den vietnamesischen Zielgruppen etwa ist oft<br />
eine Vereinsamung anzutreffen.<br />
Wie erreichen wir Zielgruppen, die einen Migrationshintergr<strong>und</strong><br />
haben? Das war eine der<br />
im Workshop gestellten Fragen. Dabei ist natürlich<br />
wichtig, dass die Angebote mit einer vorurteilsfreien<br />
Wertschätzung gegenüber anderen<br />
Kulturkreisen <strong>und</strong> dem nötigen Respekt<br />
vor der Lebensleistung anderer agieren. Komm-<br />
Strukturen haben sich auch nicht bewährt.<br />
Teilnehmende an dem Workshop berichteten,<br />
dass man sehr viele Kurse anbieten könne, die<br />
Werbung in türkische, russische oder arabische<br />
Sprache übersetzen, dennoch würden die<br />
Kurse oft nicht wahrgenommen. Es sei viel<br />
wichtiger, durch persönlichen Kontakt, durch<br />
Bindung, durch Aufbau von Vertrauen, die<br />
Leute auf diese Angebote hinzuweisen, so der<br />
Tenor im Workshop. Es müsse natürlich auch<br />
immer ein Suchprozess in Kitas stattfinden.<br />
Wichtige Fragen seien dabei: Wie können wir<br />
mit den Eltern arbeiten? Welche Angebote<br />
werden angenommen? Welche Angebote<br />
treffen auch die Interessen der Eltern? Wo<br />
haben die Eltern auch das Gefühl, wir können<br />
etwas mitgestalten?<br />
Große Bedeutung haben natürlich auch Multiplikator/innen<br />
aus den jeweiligen Migranten-<br />
Communities. Zu diesem Thema hat Detlef<br />
Kuhn von der ZAGG GmbH das Projekt „Ges<strong>und</strong><br />
sind wir stark“, vorgestell, über das Migrant/innen<br />
als Multiplikator/innen ausgebildet werden.<br />
Sie haben oft einen wesentlich näheren<br />
Kontakt zu den Zielgruppen, Angebote werden<br />
über diese Multiplikator/innen eher wahrgenommen.<br />
Zu beachten ist auch, dass die Angebote<br />
niedrigschwellig sind. So hat es sich bewährt,<br />
Informationen über Ges<strong>und</strong>heit, Stillverhalten<br />
oder Schwangerschaft in eine andere Aktivität<br />
einzubinden, also z.B. bei einem gemeinsamen<br />
Ausflug ins Grüne oder einem gemeinsamen<br />
Essen über diese Themen zu sprechen.<br />
Die Teilnehmenden des Workshops waren sich<br />
auch darin einig, dass eine interkulturelle<br />
Öffnung der Dienste sehr wichtig ist. Es gibt<br />
immer noch viel zu wenig Fachpersonal, das<br />
selber einen Migrationshintergr<strong>und</strong> hat. Hier<br />
herrscht Handlungsbedarf.<br />
Workshop D)<br />
Netzwerke <strong>und</strong> Partner <strong>für</strong> <strong>Prävention</strong><br />
Susanne Borkowski, Kita Stendal<br />
In unserer Arbeitsgruppe standen Netzwerkpartner,<br />
deren Ziel das ges<strong>und</strong>e Aufwachsen<br />
von Kindern ist, im Mittelpunkt. Wir haben am<br />
Vormittag Berichte von drei Akteuren aus<br />
unterschiedlichen Netzwerken gehört <strong>und</strong> am<br />
Nachmittag von drei Partnern, die Netzwerke<br />
<strong>für</strong> Bewegung initiiert haben <strong>und</strong> auch darin<br />
arbeiten. Die Diskussionsteilnehmer/innen<br />
warfen dabei folgende Frage auf: Wenn sich<br />
z.B. zwei Netzwerke mit Bewegung beschäftigen,<br />
entsteht dann unter den Netzwerken<br />
nicht ein Konkurrenzverhältnis? Dazu gab es<br />
von den Akteuren folgende Antwort: Solange<br />
die Netzwerke auf unterschiedlicher Organisationsebene<br />
arbeiten, ist es in Ordnung.<br />
Schwieriger wird es, wenn dies auf gleicher<br />
55
56<br />
Kapitel 6 Diskussionen der Workshops Für einen guten <strong>und</strong> ges<strong>und</strong>en Start ins Leben!<br />
Organisationsebene geschieht. An dieser Stelle<br />
müsste man schauen, wie man die<br />
Arbeitsebenen ressortübergreifend besser<br />
bündeln könnte, um Überschneidungen zu<br />
vermeiden.<br />
Ein großes Problem ist allerdings die Zeit. Je<br />
mehr Netzwerke es gibt, umso mehr muss man<br />
sich zeitlich engagieren. Zeit ist etwas, was nur<br />
in begrenztem Maße da ist <strong>und</strong> <strong>für</strong> viele<br />
Akteure oft knapp wird.<br />
Im Workshop kamen auch folgende Fragen auf:<br />
Gibt es manchmal nicht schon zu viele Netzwerke?<br />
Wie kann man sich beteiligen (<strong>und</strong> z.B.<br />
auch finanziell profitieren), wenn man als<br />
Akteur außerhalb eines Netzwerkes etwas mit<br />
ähnlichem Inhalt anbieten möchte? Werner<br />
Mall von der AOK beantwortete diese Frage mit<br />
„Als Partner sucht man sich feste Projekte aus<br />
<strong>und</strong> finanziert dann auch nur diese Projekte.<br />
Akteure müssen also darüber nachdenken,<br />
Partner in diesen Netzwerken zu werden, um<br />
auch von den finanziellen Mitteln eins Netzwerkes<br />
zu profitieren.“<br />
Netzwerke entstehen oftmals aus der Situation,<br />
in der eine Versorgungslücke vorhanden<br />
ist. In diesem Zusammenhang berichtete Ingrid<br />
Papies-Winkler von der Plan- <strong>und</strong> Leistelle <strong>für</strong><br />
Ges<strong>und</strong>heit <strong>und</strong> Soziales des Bezirksamtes<br />
Kreuzberg-Friedrichshain, in Kreuzberg sei vor<br />
einigen Jahren festgestellt worden, dass<br />
zwischen der Geburt <strong>und</strong> den ersten Wochen<br />
nach der Geburt eine solche Versorgungslücke<br />
bestand. In der Schwangerschaft waren die<br />
Frauen betreut, aber danach fehlten die<br />
Angebote. Daraufhin wurde das Netzwerk<br />
„R<strong>und</strong> um die Geburt“ gegründet.<br />
Das Netzwerk <strong>für</strong> Bewegung in Berlin-Mitte ist<br />
entstanden, weil man feststellte, dass es viele<br />
Anbieter/innen gibt, aber zu den Angeboten<br />
niemand geht. Das warf die Frage auf: Sind die<br />
Angebote nicht nutzerorientiert genug? Wie<br />
schafft man es, Anbieter/innen <strong>und</strong> Nutzer/innen<br />
zusammen zu bringen? Es ist oft ausschlaggebend,<br />
dass eine „Lücke“ vorhanden<br />
ist, die durch die Bildung von Netzwerken<br />
geschlossen werden soll. Dabei können Erfahrungen<br />
aus anderen Projekten einfließen, um<br />
neue Netzwerke zu initiieren.<br />
Es ist notwendig, einen festen Ort als Ausgangspunkt<br />
zu suchen <strong>und</strong> von dort aus lokale<br />
Strategien aufzubauen, die man dann z.B. auf<br />
andere Bezirke ausdehnen kann. Eine „eins zu<br />
eins Übertragung“ ist auf Gr<strong>und</strong> der unterschiedlichen<br />
Bedingungen nicht möglich.<br />
Im weiteren Verlauf des Workshops haben wir<br />
aus München gehört, dass zu Beginn der<br />
Netzwerkarbeit zunächst deutlich gemacht<br />
werden musste: Welche Akteure gibt es bereits<br />
auf der lokalen Ebene, welche Kontakte<br />
bestehen schon untereinander? Wie kann man<br />
diese Kontakte sinnvoll nutzen? Neue Strategien<br />
werden im Münchner Netzwerk zunächst<br />
in kleinen Arbeitskreisen diskutiert <strong>und</strong> dann in<br />
die Facharbeitskreise eingebracht. Die<br />
Arbeitskreise arbeiten nicht nur mit Fachleuten<br />
zusammen, sondern beteiligen auch die Bürger/innen<br />
an der Entwicklung neuer Ideen.<br />
Am Ende eines solchen Prozesses gibt es größere<br />
Treffen, auf denen der Unterstützungsbedarf<br />
in den unterschiedlichen Projekten<br />
festgehalten wird. Gemeinsam wird überlegt,<br />
was die Kreise alleine leisten können <strong>und</strong> an<br />
welchen Stellen sie Hilfe von anderen Netzwerken<br />
benötigen.<br />
Unser Workshop hat auch festgestellt, dass der<br />
Setting-Ansatz allein keine Garantie da<strong>für</strong> ist,<br />
alle Zielgruppen zu erreichen. Man sollte ihn<br />
natürlich trotzdem weiter verfolgen, ihn aber<br />
weiterentwickeln. An dieser Stelle gab es verschiedene<br />
Ideen: Zum Beispiel könnten Multiplikator/innen<br />
eingesetzt werden. Besonders<br />
Erfolg versprechend scheinen diese Konzepte<br />
dann zu sein, wenn die Multiplikator/innen den<br />
gleichen Migrationshintergr<strong>und</strong> wie die<br />
Zielgruppe besitzen. Weiterhin wäre es sehr<br />
wichtig, neue Wege in der Elternarbeit zu<br />
beschreiten, damit Eltern besser erreicht<br />
werden.<br />
Eltern wissen oft sehr wenig oder gar nichts<br />
davon, was mit ihren Kindern in den Kitas getan<br />
wird. Das bedeutet, damit <strong>Ges<strong>und</strong>heits</strong>programme<br />
im Setting Kita erfolgreich sein<br />
können, müssen auch die Eltern einbezogen<br />
werden.<br />
Als Erfahrungen aus der Arbeit der Netzwerke<br />
konnten wir mitnehmen, dass sich durch die<br />
gemeinsame Arbeit die Kontakte der Akteure<br />
untereinander verbessern <strong>und</strong> man voneinander<br />
lernen kann. Mehrfach wurde berichtet,<br />
dass Informationsbroschüren oder Datenbanken<br />
entstanden sind <strong>und</strong> Angebote erstmals<br />
katalogisiert wurden, um mehr Transparenz zu<br />
schaffen. Die Charakterisierung der Zielgruppe<br />
wurde immer wieder als ein Problem<br />
beschrieben, das zu Beginn einer gemeinsamen<br />
Netzwerkarbeit gelöst werden muss.<br />
Ebenso muss man sich fragen, ob sich die<br />
Bedürfnisse der Zielgruppe mit den Angeboten<br />
decken oder ob die Zielgruppe vielleicht etwas<br />
ganz anderes will.
Für einen guten <strong>und</strong> ges<strong>und</strong>en Start ins Leben! Anhang Teilnehmer/innen der Fachtagung<br />
Anhang<br />
Teilnehmende der Fachtagung<br />
Nait-Lachgar Abderrahman<br />
Khaled Abuatiya, Al-Dar – Arabischer<br />
Frauenverein e.V.<br />
Elke Achilles, Bezirksamt Spandau<br />
Signe Adam, Bezirksamt Tempelhof-<br />
Schöneberg<br />
Ursula Aelker, Kinder- <strong>und</strong><br />
Jugendges<strong>und</strong>heitsdienst<br />
Aso Agace, HINBUN<br />
Manuel Ahrens, Unfallkasse Berlin<br />
Jutta Ahrens, Kindergärten City<br />
Tülay Akin, lilolei – Deutsch-Englischer<br />
Kindergarten<br />
Franz Allert, Landesamt <strong>für</strong> Ges<strong>und</strong>heit <strong>und</strong><br />
Soziales<br />
Kathrin Ambrosius, FIPP e.V. Familienzentrum<br />
im Kinder- u. Jugendhaus an der Wuhle<br />
Federico Arana<br />
Stefan Arnold<br />
Songül Aydin, Al-Dar – Arabischer Frauenverein<br />
e.V.<br />
Nevin Aydin, Ökofee e.V.<br />
Helga Bachert, Kneipp Kita<br />
Regina Backhaus, Labyrinth Kindermuseum<br />
Berlin<br />
Susanne Bavar-Pfuhl, Aspkarow Nord<br />
Katja Becker<br />
Gabriela Beckmann, Bezirksamt Mitte von<br />
Berlin<br />
Katja Beeck, AMSOC e.v. Patenschaftsprojekt<br />
Heidrun Beise, KJGD Kinder- <strong>und</strong><br />
Jugendges<strong>und</strong>heitsdienst Alt-Tempelhof<br />
Susanne Bendigs, Quartiersmanagement<br />
Reuterplatz<br />
Dr. Giselind Berg, Berlin School of Public<br />
Health<br />
Lea Bergmann, Schulzentrum Edith Stein<br />
Max Berktold, Trapez e.V.<br />
Dr. Susanne Bettge, Senatsverwaltung <strong>für</strong><br />
Ges<strong>und</strong>heit, Umwelt <strong>und</strong> Verbraucherschutz<br />
Dana Beyer, Schulpsychologischer Dienst<br />
Axel Bielefeldt, BVV Büro Pankow<br />
Tanja Boettcher, Trialog e.V. Familienzentrum<br />
Clara Bofinger, Stützrad e.V.<br />
Barbara Bohl, HeileHaus e.V.<br />
Dr. Johann Böhmann, Kinderklinik Delmenhorst<br />
Anke Böker, Blütenhof Berlin LTD – Ges<strong>und</strong>heit<br />
aus der Mitte<br />
Nina Bolte, Phorms Kindergarten<br />
Marina Bondarew, Schalasch Ost<br />
Dr. Gudrun Borchardt, Techniker Krankenkasse<br />
Landesvertretung Berlin <strong>und</strong> Brandenburg<br />
Susanne Borkowski, Evangelische Kita Stendal<br />
Dr. Carola Börner, Bezirksamt Mitte<br />
Bianca Böttcher, Schulstation<br />
Dr. Heiner Brandi, Landessportb<strong>und</strong> Berlin e.V.<br />
Bettina Braun, Schulzentrum Edith Stein<br />
Katja Brendel, Stützrad e.V.<br />
Nicole Bruhn, Kinder- <strong>und</strong><br />
Jugendges<strong>und</strong>heitsdienst Stegitz-Zehlendorf<br />
Ricarda Buch, Nadeshda e.V.<br />
Barbara Burgdorf, Kita Drontheimer Straße<br />
Jutta Burdorf-Schulz, Kiezoase<br />
Nachbarschafts- <strong>und</strong> Familienzentrum<br />
Patricia Ramirez Cervera, Berlin School of<br />
Public Health<br />
Ülger Çiftçi, AWO Friedrichshain-Kreuzberg e.V.<br />
Luisa Czopp, Schulzentrum Edith Stein<br />
Bärbel Danielsen<br />
Tanja Dannenberg, Schulstation<br />
Renate David, Caritas Klinik Pankow<br />
Dr. Susanne Deininger, Senatsverwaltung <strong>für</strong><br />
Ges<strong>und</strong>heit, Umwelt <strong>und</strong> Verbraucherschutz<br />
Meltem Demir-Walther, Schulpsychologische<br />
Beratungsstelle Kreuzberg<br />
Prof. Cengiz Deniz, Evangelische<br />
Fachhochschule Berlin<br />
Heidi Depil, casablanca gGmbH<br />
Kerstin Deter, Kita im Komponistenviertel<br />
Michaela Dick, RBO-Rehabilitationszentrum<br />
Berlin-Ost gGmbH<br />
Friedlinde Dorsch, trias Gesellschaft <strong>für</strong> Arbeit,<br />
Ges<strong>und</strong>heit <strong>und</strong> Soziales mbH<br />
Andrea Dorschner, Stadtverwaltung Potsdam<br />
Carla Drews, Blütenhof Berlin LTD –<br />
Ges<strong>und</strong>heit aus der Mitte<br />
Christiane Droste, Gender +<br />
Dr. Herbert Dürrwächter<br />
Hedwig Dylong, Gender +<br />
Christiane Eitel, Arbeitskreis<br />
Neue Erziehung e.V.<br />
Ola El-Khatib, MaDonna Mädchentreff<br />
Caglayan Erdogan, IMA e.V. – Integrative<br />
Migrantenarbeit<br />
Birka Eschrien, Kreissportb<strong>und</strong> Prignitz e.V.<br />
Elisa Etokakpan<br />
Nadine Falk, Schulzentrum Edith Stein<br />
Liliana Farsch, Kita Haus der Kinder<br />
Susanne Felkel, FB+E GmbH Berlin c/o Charité<br />
Frauen-Klinik<br />
Martin Fiebig, Kinderarztpraxis Dr. med. Sylvia<br />
Odemarck<br />
Bettina Fierek, MUT Gesellschaft <strong>für</strong><br />
Ges<strong>und</strong>heit mbH<br />
Ove Fischer, Bezirksamt Marzahn-Hellersdorf<br />
Berlin<br />
Maria Flothkötter, aid- Infodienst<br />
Tabea Frank, Kinder u. Jugendprojekt<br />
Birgit Freier, Bezirksamt Friedrichshain<br />
Kreuzberg<br />
Petra Friede, Kita Sonnenblume<br />
Agnes Friedrich, Kneipp-Kita Spandau<br />
Heide-Lore Fritsch, Bezirksamt Charlottenburg-<br />
Wilmersdorf<br />
Dr. Christina Fuhrmann, Senatsverwaltung <strong>für</strong><br />
Integration, Arbeit <strong>und</strong> Soziales<br />
57
58<br />
Anhang Teilnehmer/innen der Fachtagung Für einen guten <strong>und</strong> ges<strong>und</strong>en Start ins Leben!<br />
Birgit Funke, BERLINbewegt e.V.<br />
Lina Ganama, Al Nadi Beratungsstelle <strong>für</strong><br />
arabische Migrantinnen<br />
Uta Gärtner, Goldnetz gGmbH<br />
Prof. Raim<strong>und</strong> Geene, Hochschule Magdeburg-<br />
Stendal<br />
Edith Giere, VAK e. V.<br />
Beate Gilke<br />
Carola Gliesche, Kita Waldhäuschen<br />
Carola Goen, Bezirksamt Pankow<br />
Carola Gold, <strong>Fachstelle</strong> <strong>für</strong> <strong>Prävention</strong> <strong>und</strong><br />
<strong>Ges<strong>und</strong>heits</strong>förderung<br />
Kris Golisch, Arbeitskreis Neue Erziehung e.V.<br />
Dr. Katharina Graffmann-Weschke, AOK Berlin<br />
Angelika Graß, Kinder in Bewegung gGmbH<br />
Brunhilde Gregorius, Kita am Rudolfplatz<br />
Günter Grieshammer<br />
Chanelle-Melina Große, Schulzentrum Edith<br />
Stein<br />
Guido Grunenberg, Techniker Krankenkasse<br />
Kathrin Grützke, Kita Hansaufer<br />
Monika Grynfelder, Schulzentrum Edith Stein<br />
Iris Haase, Kita Hermsdorferstrasse<br />
Rudi Haberkorn, Bezirksamt Reinickendorf<br />
Monika Hachmann-Schöneck,<br />
Senatsverwaltung <strong>für</strong> Ges<strong>und</strong>heit, Umwelt <strong>und</strong><br />
Verbraucherschutz<br />
Kathrin Haese, Bezirksamt Lichtenberg von<br />
Berlin<br />
Xenia Hamel, Kath. Kita St.Hildegard<br />
Aisheh Hamzeh, Al-Dar – Arabischer<br />
Frauenverein e.V.<br />
Petra Hanafi, Diakonisches Werk Berlin<br />
Stadtmitte e.V.<br />
Juliane Hartwig<br />
Rudolf Hauschild, Sozialkommission 5<br />
Friedrichshain<br />
Anja Hauschild, Schlstaion Lemgo<br />
Katharina Haverkamp, Stützrad e.V.<br />
Christian Hecklau, Senatsverwaltung <strong>für</strong><br />
Ges<strong>und</strong>heit, Umwelt <strong>und</strong> Verbraucherschutz<br />
Franziska Heinicke, Sozialdiakonische<br />
Jugendarbeit Lichtenberg e.V.<br />
Magdalene Heinisch, Kindertagesstätte Omas<br />
Garten e.V.<br />
Katherina Heinrichs<br />
Theresa Helm, Schulzentrum Edith Stein<br />
Tina Hentschke, Kath. Kita Vom Guten Hirten<br />
Gisela Herberg, Kita Pünktchen <strong>und</strong> Anton e.V<br />
Birgit Herbst<br />
Andrea Herfert, Integrationskindergarten<br />
Rike Hertwig, <strong>Fachstelle</strong> <strong>für</strong> <strong>Prävention</strong> <strong>und</strong><br />
<strong>Ges<strong>und</strong>heits</strong>förderung<br />
Michael Hiller, BVV Neukölln<br />
Sylvia Hochwald, <strong>Ges<strong>und</strong>heits</strong>amt Frankfurt<br />
(Oder)<br />
Susanne Hofer, Kita Toblacher<br />
Michaela Hohmann-Kaddatz, KoordinatorIn<br />
häusliche Gewalt der örtlichen<br />
Polizeidirektionen<br />
Hildegard Höllen, Schulzentrum Edith Stein<br />
Daniela Horst, Kita Pusteblume<br />
Lucia Jacobs, Navitas gGmbH<br />
Dorothe Jacobs<br />
Michael Jäger, Vernetzungsstelle<br />
Schulverpflegung Berlin<br />
Edeltraud Jahn, Deutsche Rheuma-Liga Berlin<br />
e.V.<br />
Kerstin Jahnke, Blütenhof Berlin LTD –<br />
Ges<strong>und</strong>heit aus der Mitte<br />
Maren Janella, <strong>Fachstelle</strong> <strong>für</strong> <strong>Prävention</strong> <strong>und</strong><br />
<strong>Ges<strong>und</strong>heits</strong>förderung<br />
Oliver Janiczek, HAGE Hessische<br />
Arbeitsgemeinschaft <strong>für</strong><br />
<strong>Ges<strong>und</strong>heits</strong>erziehung e.V.<br />
Jannika Jarling, Humboldt Universität Berlin<br />
Albertini Joao, Labyrinth Kindermuseum Berlin<br />
Daniela Jörges , Verein <strong>für</strong> Sport <strong>und</strong><br />
Jugendsozialarbeit e.V.<br />
Klaus Kaiser, Malteser Hilfsdienst e.V.<br />
Hans-Peter Kaiser, Gemeinschaftskrankenhaus<br />
Havelhöhe<br />
Lucy Kamolz, Al-Dar –<br />
Arabischer Frauenverein e.V.<br />
Monika Kathe, Kinder- <strong>und</strong> Jugend gGmbH der<br />
Volkssolidarität Berlin<br />
Anna-Katharina Kautz, Schulzentrum Edith<br />
Stein<br />
Sidsel Kavli, <strong>Ges<strong>und</strong>heits</strong>amt Charlottenburg-<br />
Wilmersdorf<br />
Dr. Kerstin Ketelhut, Humboldt Universität<br />
Berlin<br />
Nidae Khoder<br />
Verena Kirchhof, Kindertagesstätte „Till<br />
Eulenspiegel“<br />
Martina Kirschbaum, Kita Akazieninsel<br />
Veronika Klawitter, Kinderjugendhaus e.V.<br />
Volkmar Klein, Landeskriminalamt Berlin<br />
Reiner Kleist, Orte <strong>für</strong> Kinder Kita Fantasia<br />
Manuela Kloß<br />
Ulrike Koch, Diakonisches Werk Berlin<br />
Stadtmitte e.V.<br />
Susann Kocksch<br />
Sandra Köhler, Kinder in Bewegung e.V.<br />
Michaela Kohn, Kita Traumbaum<br />
Gerd Kokles<br />
Hadmut Köppen<br />
Brigitte Kott, Kita am Rudolfplatz<br />
Sylvia Krause, Der Polzeipräsident in Berlin<br />
Direktion 3<br />
Dane Krause, IMA e.V. – Integrative<br />
Migrantenarbeit<br />
Angelika Krebs, Projekt Eltern-AG – Hochschule<br />
Magdeburg-Stendal<br />
Anja Kreitmeyer, ahab – akademie<br />
Heike Kretschmann, Unabhängige<br />
Patientenberatung Deutschland<br />
Monika Kringe, <strong>Ges<strong>und</strong>heits</strong>netzwerk <strong>für</strong><br />
Kinder<br />
Prof. Hans Kröger, Verein zur Förderung der<br />
psychosomat. Forschung bei Autoimmun-<br />
Erkrankungen e.V.<br />
Detlef Krüger, BARMER Ersatzkasse –<br />
Geschäftsstelle Ost<br />
Manuela Kruse, FAMOS e.V.<br />
Ilona Ksinzyk, Bezirksamt Charlottenburg-<br />
Wilmersdorf<br />
Detlef Kuhn, ZAGG GmbH Zentrum <strong>für</strong><br />
angewandte <strong>Ges<strong>und</strong>heits</strong>förderung <strong>und</strong><br />
<strong>Ges<strong>und</strong>heits</strong>wissenschaften<br />
Mario Kühn, Sozialdiakonische Jugendarbeit<br />
Lichtenberg e.V.<br />
Dr. Dagmar Kunz-Mosley<br />
Hartmut Kupfer, Lebenswelt gGmbH<br />
Franka Kupsch, FAMOS e.V.<br />
Egon Kutzera, DRK Deutsches Rotes Kreuz<br />
Krankenhaus<br />
Ursula Langer-Weisenborn, FAMOS e.V.<br />
Ulrike Larsen, Kita Haus der Kinder<br />
Mareen Lassetzki, Bezirksamt Mitte<br />
Nicole Lauersdorf, Bezirksamt Neukölln<br />
Sabine Lawrenz, Ev. Kita Stegeweg<br />
Thanh Thuy Le, S.U.S.I. e.V.<br />
Ilona Lehmann, Kindergarten Kigäno<br />
Kerstin Lehnisch, Verein <strong>für</strong> Ambulante<br />
Versorgung e.V. Hohenschönhausen<br />
Kati Lippold, Alice Salomon Hochschule Berlin<br />
Gabi Loeffler, Kita Märchenland<br />
Dr. Katrin Lohmann, Freie Universität Berlin<br />
Thorsten Lückel, SOS-Kinderdorf Berlin-Moabit<br />
Sabine Lustig, Bezirksamt Spandau<br />
Susanne Lutz, Lebensplan<br />
Anne Maaßen, Blütenhof Berlin LTD –<br />
Ges<strong>und</strong>heit aus der Mitte<br />
Maria Macher, Diakonisches Werk Neuköln-<br />
Oberspree e.V.
Für einen guten <strong>und</strong> ges<strong>und</strong>en Start ins Leben! Anhang Teilnehmer/innen der Fachtagung<br />
Karin Majewski, REGSAM<br />
Werner Mall, AOK Berlin – Geschäftsstelle<br />
Schöneberg<br />
Petra Mannheim, BfbKM Treptow-Köpenick<br />
Doris Manthey, Kita Pankower Str. 13<br />
Tanja Manthey-Gutaberger, Kinder u.<br />
Jugendprojekt<br />
Octavia Marian, Kolle Knirpse<br />
Janine Marks, Schulzentrum Edith Stein<br />
Astrid Maschke, Bezirksamt Tempelhof-<br />
Schöneberg<br />
Sigrid Mätzschke, BEST Sabel Kita Kaulsdorf<br />
Nadine Mehl, Kita Märchenland<br />
Jacqueline Meier, Kita KiBiLuGa<br />
Marcus Melzer, Humboldt Universität Berlin<br />
Gerhard Menke, Treberhilfe Berlin e.V.<br />
Monika Meyer, Bezirksamt Friedrichshain-<br />
Kreuzberg<br />
Kerstin Michaelis, Kita Windfee<br />
Monika Miczynski, Kita Wolgaster Straße<br />
Frank Miller, Fortuna<br />
Wohnungsunternehmen eG<br />
Sabine Misch, Kindertagesstätte<br />
Herzlichgarten e.V.<br />
Jutta Mohamed, Kindertagesstätte Neue<br />
Hochstr.<br />
Simone Mohaupt, Kita Rappelkiste<br />
Waldtraut Mohnholz, BVV Marzahn-Hellersdorf<br />
Gabriele Möhring, Bezirksamt Spandau<br />
Karen Molkenthin, Senatsverwaltung <strong>für</strong><br />
Inneres <strong>und</strong> Sport<br />
Gertrud Möller-Frommann, Familienzentrum<br />
Mehringdamm<br />
Isabell Morawiak, Schulzentrum Edith Stein<br />
Phillipp Mühlberg, Senatsverwaltung <strong>für</strong><br />
Stadtentwicklung<br />
Detlef Müller, Kita Emdener Str.<br />
Astrid Müller, Bezirksamt Neukölln<br />
Bernd Müller-Senftleben, Ministerium <strong>für</strong><br />
Arbeit, Soziales, Ges<strong>und</strong>heit <strong>und</strong> Familie<br />
Brandenburg<br />
Mohamed Nasra,<br />
Norbert Naumann, <strong>Ges<strong>und</strong>heits</strong>amt Dortm<strong>und</strong><br />
Sozialpsychiatrischer Dienst<br />
Heidrun Navasardyan, Bezirksamt<br />
Reinickendorf<br />
Viktoria Neu, Kita Akazieninsel<br />
Nora Neuhann, Schulzentrum Edith Stein<br />
Michaela Neumann, Blütenhof Berlin LTD –<br />
Ges<strong>und</strong>heit aus der Mitte<br />
Dagmar Nickel, Bezirksamt Mitte von Berlin<br />
Wolfgang Nitze, Bezirksamt Friedrichshain-<br />
Kreuzberg<br />
Angelika Nofz, Integrationskindergarten<br />
Martina Nußhart, urban consult gGmbH<br />
Dr. Sylke Oberwöhrmann, Senatsverwaltung<br />
<strong>für</strong> Ges<strong>und</strong>heit, Umwelt <strong>und</strong><br />
Verbraucherschutz<br />
Heidrun Pamp, Bezirksamt Reinickendorf,<br />
Allgemeiner sozialpädagogischer Dienst<br />
Ingrid Papies-Winkler, Bezirksamt<br />
Friedrichshain-Kreuzberg<br />
Doreen Paschke, Sozialdiakonische<br />
Jugendarbeit<br />
Peter Paulus, KJGD Kinder- <strong>und</strong><br />
Jugendges<strong>und</strong>heitsdienst Alt-Tempelhof<br />
Tirza Pelzer<br />
Regina Pesch, Kinder in Bewegung gGmbH<br />
Katrin Peters, DRK Deutsches Rotes Kreuz<br />
Kliniken Westend<br />
Elisabeth Petry-Stahlberg, Bezirksamt Mitte<br />
Dr. Anne-Kathrin Pieper, Bezirksamt<br />
Charlottenburg-Wilmersdorf<br />
Christin Piephans, Schulzentrum Edith Stein<br />
Doris Pinnow, Kita Hansaufer<br />
Dennis Plösner, IMA e.V. – Integrative<br />
Migrantenarbeit<br />
Kirstin Pomorin, Blütenhof Berlin LTD –<br />
Ges<strong>und</strong>heit aus der Mitte<br />
Stefan Pospiech, <strong>Fachstelle</strong> <strong>für</strong> <strong>Prävention</strong> <strong>und</strong><br />
<strong>Ges<strong>und</strong>heits</strong>förderung<br />
Katarina Prchal, Institut <strong>für</strong><br />
Sportwissenschaften<br />
Regina Preuß, Zentrales<br />
Personalüberhangmanagement<br />
Tobias Prey, Bezirksamt Mitte von Berlin<br />
Daniel Prochnow<br />
Endré Puskas, Sport- <strong>Ges<strong>und</strong>heits</strong>park B<br />
erlin e.V.<br />
Ricarda Raabe, Selbsthilfetreffpunkt im<br />
Nachbarschaftshaus am Lietzensee e.V<br />
Kristin Radl, Schulzentrum Edith Stein<br />
Simone Raehse, Kolle Knirpse<br />
Silke Raude, Humboldt Universität Berlin<br />
Dr. Hellgard Rauh, Universität Potsdam<br />
Magrit Reetz, Verein <strong>für</strong> ambulante Versorgung<br />
Hohenschönhausen e.V.<br />
Dr. Bettina Reimann, Deutsches Institut <strong>für</strong><br />
Urbanistik difu GmbH<br />
Iman Reimann, EKT-Regenbogen-Kidz e.V.<br />
Christian Reiß, Hort der Petruskirche<br />
Kerstin Richter<br />
Nadja Rieger, Kita Zwergenbaude e.V.<br />
Petra Rocha Pantoja, JFH Wannsee<br />
Pamela Rudnick, Trialog e.V. Familienzentrum<br />
Gabi Rudolph, Kita Omas Garten<br />
Regina Rudolph-Goecks, Kita Mäusevilla<br />
Barbara Ruff, Familie im Zentrum an der<br />
Christian-Morgenstern-Gr<strong>und</strong>schule<br />
Brigitte Ruff, Kneipp-Kita Spandau<br />
Stefanie Rutz, Schulzentrum Edith Stein<br />
Renate Saalfrank, Bezirksamt Spandau<br />
Janine Sannemann<br />
Rainer Sbrzesny, Unabhängige<br />
Patientenberatung Deutschland –<br />
Beratungsstelle Potsdam<br />
Ralf Schäfer, BIK e.V.<br />
Hannelore Schäfer, Eigenbetrieb Nord Ost<br />
Kindergärten<br />
Sandra Schaffernicht, Stadtkinder e.V.<br />
Anja Schamberger, Alice Salomon Hochschule<br />
Berlin<br />
Dr. Hansjörg Scherer, Kur <strong>und</strong> Freizeit Belzig<br />
GmbH<br />
Jana Scherf, Schulzentrum Edith Stein<br />
Kerstin Schibel, Ministerium <strong>für</strong> Arbeit,<br />
Soziales, Ges<strong>und</strong>heit <strong>und</strong> Familie Brandenburg<br />
Beate Schiewe, Blütenhof Berlin LTD –<br />
Ges<strong>und</strong>heit aus der Mitte<br />
Ute Schiller, Blütenhof Berlin LTD – Ges<strong>und</strong>heit<br />
aus der Mitte<br />
Marlies Schleinert, Bezirksamt Tempelhof-<br />
Schöneberg<br />
Marina Schlömer, KITA Silbersteiner<br />
Rappelkiste<br />
Karola Schmelzer, Bezirksamt Friedrichshain<br />
Kreuzberg<br />
Katharina Schmidt, Zentrum <strong>für</strong> innovative<br />
<strong>Ges<strong>und</strong>heits</strong>technologie (ZiG)<br />
Dirk Schnurpfeil, Polizei Berlin<br />
Bärbel Schock, Jugendwerk Aufbau Ost e.V.<br />
JAO<br />
Jörg Scholz, Tandem BQG<br />
Agnes Schönborn, Schulzentrum Edith Stein<br />
Nicole Schonert, Integrationskindergarten<br />
Karthrin Schönfeld, Schulzentrum Edith Stein<br />
Doris Schreiber-Bonnet, DRK-Kliniken Westend<br />
Anja Schröder, Bezirksamt Mitte von Berlin<br />
Frauke Schulz, ahab – akademie<br />
Elena Schumann, Schulzentrum Edith Stein<br />
Irina Schurich, Kinder in Bewegung gGmbH<br />
Anke Schuster, Kita Emdener Str.<br />
Dr. Susanne Schwidergall<br />
Silke Seifahrt, Kindertagesstätte Karower<br />
Knirpse<br />
Andrea Sievert, Kita Sonnenblume<br />
59
60<br />
Anhang Teilnehmer/innen der Fachtagung Für einen guten <strong>und</strong> ges<strong>und</strong>en Start ins Leben!<br />
Catharina Sikorszky Vértes, Schulzentrum<br />
Edith Stein<br />
Rosemarie Sommer, Kita Hänselstraße<br />
Andrea Sommer, Kindertagesstätte<br />
Kreuzgraben<br />
Johannes Spatz, Forum Rauchfrei<br />
Christiane Speidel, Kita Wolgaster Straße<br />
Iris Spitzner, IKK Brandenburg <strong>und</strong> Berlin<br />
Erna Spitzner, Blütenhof Berlin LTD –<br />
Ges<strong>und</strong>heit aus der Mitte<br />
Antje Stache, Humboldt Universität Berlin<br />
Claudia Stachewitz, KITA Silbersteiner<br />
Rappelkiste<br />
Monika Steier<br />
Liane Steinke, Kita Pusteblume<br />
Nadine Sternberg, Ev. Kita Stegeweg<br />
Regina Stolzenberg, Berlin School of Public<br />
Health<br />
Tanja Müller, Bezirksamt Friedrichshain-<br />
Kreuzberg<br />
Marili-Veronica Tannert,<br />
Schulzentrum Edith Stein<br />
Dr. Frauke Tedsen-Ufer, <strong>Ges<strong>und</strong>heits</strong>amt<br />
Charlottenburg-Wilmersdorf<br />
Katinka Teetz, SPZ Friedrichshain<br />
Sven Tellner, Sport- <strong>Ges<strong>und</strong>heits</strong>park<br />
Berlin e.V.<br />
Mandy Teresiak, Schulzentrum Edith Stein<br />
Phan Huy Thao, Reistrommel e.V.<br />
Nadja Thauer, Blütenhof Berlin LTD –<br />
Ges<strong>und</strong>heit aus der Mitte<br />
Stefanie Thiele, Schulzentrum Edith Stein<br />
Jeannette Thielisch, Kita Eigenbetrieb Süd-Ost<br />
Heike Thöne, S.T.E.R.N. Gesellschaft der<br />
behutsamen Stadterneuerung mbH<br />
Kathleen Tiede, Kita Drontheimer Straße<br />
Kerstin Tietze-Petrahn, Kita „am Besselpark“<br />
Müyesser Tiryaki, AWO Friedrichshain-<br />
Kreuzberg e.V.<br />
Gülbahar Toman, Allgemeine Jugendberatung<br />
ajb gmbh<br />
Dilek Toptas<br />
Romy Tschentscher, Integrationskindergarten<br />
Stephanie Ulrich, Schulzentrum Edith Stein<br />
Irina Unbekannt, Schüler-Projekt Koch Dich<br />
Schlau<br />
Katharina Vacek, Schulzentrum Edith Stein<br />
Maria Vogler, Kindertagesstätte<br />
Herzlichgarten e.V.<br />
Ulrike von Haldenwang, Berliner<br />
Hebammenverband e.V.<br />
Andrea von Marschall, Dissens e.V.<br />
Gudrun von Stösser<br />
Priscilla Voß, Schulzentrum Edith Stein<br />
Margit Voß<br />
Cindy Wagner, Kita Sonnenschein<br />
Gregor Wagner, Tandem BQG<br />
Petra Warman, Polizei Berlin<br />
Anne-Kathrin Wehlan, Schulzentrum<br />
Edith Stein<br />
Karen Wehnert, Independent Living<br />
Jugendwohnen in Pankow gGmbH<br />
Stefan Weigand, <strong>Fachstelle</strong> <strong>für</strong> <strong>Prävention</strong> <strong>und</strong><br />
<strong>Ges<strong>und</strong>heits</strong>förderung<br />
Gabriele Weisheit, Kita Rappelkiste<br />
Simone Wespel, Bezirksamt Mitte von Berlin<br />
Prof. Karl-Friedrich Wessel, Humboldt<br />
Universität Berlin<br />
Jeannette Westphal, Kita Rappelkiste<br />
Stephanie Wetzel<br />
Ilse Wichmann, Kita Manteuffelstr.<br />
Rotwut Wiedemann, KoordinatorIn häusliche<br />
Gewalt der örtlichen Polizeidirektionen,<br />
Direktion 5<br />
Daniela Wiederhold, Johanniter Krankenhaus<br />
Andrea Wikowski, Kita die Insel<br />
Sabine Wilhelm-Osterloh, Bezirksamt Steglitz-<br />
Zehlendorf<br />
Cathrin Winkler<br />
Sylvia Winn, Kita Tabaluga<br />
Ina Wlodasch, Ges<strong>und</strong>heit Berlin<br />
Steffi Wolf, Schulzentrum Edith Stein<br />
Prof. Nicola Wolf-Kühn, Hochschule<br />
Magdeburg-Stendal<br />
Sabine Wolter, Kita Märchenland<br />
Ling Yue<br />
Gabriele Zabel, Kindergarten Sonnenblume<br />
Petra Zahrt, Kindertagesstätte<br />
„Entdeckerland“<br />
Ruth Zantow, SOS-Berufsausbildungszentrum<br />
Gisela Zieseler, Integrationskita „Käpt“n<br />
Browser“ gGmbH<br />
Andrea Zimmer, Familie & Co.<br />
Stefanie Zink, Schulzentrum Edith Stein<br />
Martina Zinner, Bezirksamt Mitte<br />
Regina Zipper, Bezirksamt Steglitz-Zehlendorf<br />
Sonja Zipper, Kath. Kita Vom Guten Hirten
Für einen guten <strong>und</strong> ges<strong>und</strong>en Start ins Leben! Anhang Tipps zum Weiterlesn<br />
Tipps zum Weiterlesen<br />
Internetseite von Ges<strong>und</strong>heit Berlin:<br />
www.ges<strong>und</strong>heitberlin.de<br />
Internetseite des Kooperationsverb<strong>und</strong>es „<strong>Ges<strong>und</strong>heits</strong>förderung bei sozial Benachteiligten“:<br />
www.ges<strong>und</strong>heitliche-chancengleichheit.de<br />
Download der Arbeitshilfen „Aktiv werden <strong>für</strong> Ges<strong>und</strong>heit“:<br />
http://www.ges<strong>und</strong>heitlichechancengleichheit.de/?uid=cd399ae18e53ccd7d807f8204d9470e0&<strong>und</strong><br />
id=toolbox<br />
Internetseite von BLiQ – Bewegtes Leben im Quartier:<br />
www.bliq.ges<strong>und</strong>heitberlin.de<br />
Internetseite der Landesges<strong>und</strong>heitskonferenz Berlin:<br />
http://www.berlin.de/sen/ges<strong>und</strong>heit/lgk/<br />
Internetseite des Gemeindedolmetschdienstes:<br />
http://www.gemeindedolmetschdienst-berlin.de/<br />
Internetseite des B<strong>und</strong>esministeriums <strong>für</strong> Ernährung, Landwirtschaft <strong>und</strong> Verbraucherschutz:<br />
http://www.besseressenmehrbewegen.de/<br />
Internetseite des B<strong>und</strong>esministeriums <strong>für</strong> Ges<strong>und</strong>heit<br />
www.bmg.b<strong>und</strong>.de<br />
Informationen zum Nationalen Aktionsplans INFORM<br />
http://www.in-form.de/<br />
Internetseite der B<strong>und</strong>eszentrale <strong>für</strong> ges<strong>und</strong>heitliche Aufklärung:<br />
http://www.bzga.de/<br />
Transfer guter Beispiel im Setting Kita<br />
www.kitas-fuer-kitas.de<br />
Brandenburger Netzwerk Ges<strong>und</strong>e Kita<br />
www.ges<strong>und</strong>e-kita.net
Kontakt <strong>Fachstelle</strong>:<br />
<strong>Fachstelle</strong> <strong>für</strong> <strong>Prävention</strong> <strong>und</strong> <strong>Ges<strong>und</strong>heits</strong>förderung im Land Berlin<br />
c/o Ges<strong>und</strong>heit Berlin<br />
Friedrichstraße 231<br />
10969 Berlin<br />
Tel.: 030/ 44 31 90 60<br />
Fax: Tel.: 030/ 44 31 90 63<br />
Email: fachstelle@ges<strong>und</strong>heitberlin.de