- 4 -Der Begriff „Erwerbstätigkeit“ wird vom Bun<strong>des</strong>ausbildungsförderungsgesetz an mehrerenStellen (vgl. § 8 Abs. 2, § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 und § 18 b Abs. 5 Satz 1) mit jeweils unterschiedlicherBedeutung verwendet wird (BVerwG, Beschl. v. 24.04.1996, - 5 B 1.96 -,Buchholz 436.36 § 18 b BAföG Nr. 14). Wie der Begriff der Erwerbstätigkeit i.S.d. § 8 Abs.2 BAföG zu verstehen ist, lässt sich nur mit den Mitteln der systematischen, teleologischenund historischen Auslegung klären. Der Wortlaut allein lässt keinerlei Rückschlüssedarauf zu, dass der Gesetzgeber, wie von der Beklagten behauptet, eine Einschränkungder Tätigkeiten beabsichtigt hat, die eine ausnahmsweise Förderung rechtfertigen sollen.Maßgeblich sind daher der Bedeutungszusammenhang, in dem der Begriff gebrauchtwird, sowie der Sinn und Zweck der Regelung, zu der er gehört.Nach der Begründung <strong>des</strong> Regierungsentwurfs zu § 8 Abs. 2 BAföG (BT-Drs. VI/ 1975,25) soll mit dieser Vorschrift der Tatsache Rechnung getragen werden, „dass die Arbeitdieses Personenkreises nicht unwesentlich dazu beiträgt, dass ihr (der Bun<strong>des</strong>republik)Sozialinvestitionen wie die Ausbildungsförderung möglich sind“. Im Bericht <strong>des</strong> federführendenBun<strong>des</strong>tagsausschusses (BT-Drs. VI/ 2352, 5 f.) heißt es ferner: „Der ausländischeAuszubildende soll auch durch eigenen rechtmäßigen Aufenthalt und rechtmäßigeErwerbstätigkeit <strong>im</strong> Geltungsbereich <strong>des</strong> Gesetzes die Voraussetzung für die individuelleFörderung während einer Ausbildung schaffen können“. Nach dem gesetzgeberischenAnliegen genügt daher nicht jede auf Verdienst ausgerichtete Betätigung, sondern es sollnur derjenige nicht von der Förderung ausgeschlossen sein, der selbst mit eigener Arbeitoder der Arbeit seiner Eltern nicht unwesentlich dazu beiträgt, dass Sozialinvestitionenwie die Ausbildungsförderung finanziert werden können (BVerwG, Urt. v. 14.05.1992, - 5C 27.89 -, NVwZ 1992, 1204, m.w.N.). Diese Voraussetzungen werden durch den Vaterder Klägerin erfüllt.Zwar reicht es für die Annahme einer Erwerbstätigkeit nicht aus, dass der Vater der Klägerinin der Zeit seiner Erwerbstätigkeit Sozialabgaben gezahlt hat. Denn bei Beiträgenzur Rentenversicherung, zur Kranken- und Pflegeversicherung sowie zur Arbeitslosenversicherunghandelt es sich um Zahlungsverpflichtungen für die Möglichkeit der Inanspruchnahmeeiner konkreten Gegenleistung. Bei Eintritt <strong>des</strong> Rentenalters kann der Betroffeneeinen Rentenanspruch geltend machen, <strong>im</strong> Falle der Arbeitslosigkeit einen Anspruchauf Arbeitslosengeld. Entsprechen<strong>des</strong> gilt für die Kranken- und Pflegeversicherung.Die Erhebung dieser Beiträge ist zweckgebunden und steht für die Finanzierung derAusbildungsförderung daher nicht zur Verfügung. Die hierfür erforderlichen Mittel werdenaus Steuermitteln erbracht, resultieren also aus Zahlungsverpflichtungen, die ohne konkreteGegenleistung der Deckung <strong>des</strong> allgemeinen Finanzbedarfs dienen.Eine Erwerbstätigkeit i.S.d. § 8 Abs. 2 Nr. 2 BaföG liegt jedenfalls dann vor, wenn es sichwie <strong>im</strong> Falle <strong>des</strong> Vaters der Klägerin um eine regelmäßige, auf Dauer angelegte Tätigkeithandelt, welche die Arbeitskraft voll in Anspruch n<strong>im</strong>mt, der Einkommensteuerpflicht unterliegtund den Betroffenen in die Lage versetzt, den Lebensunterhalt für sich und seineFamilie ohne Inanspruchnahme öffentlicher Mittel zu bestreiten, wobei die beitragsfinanziertenLeistungen der Arbeitslosenversicherung außer Betracht bleiben (vgl. BVerwG,Urt. v. 04.06.1981, - 5 C 30.79 -, FamRZ 1981, 1114). Dabei kommt es nicht darauf an, ob<strong>im</strong> Rahmen dieser Tätigkeit tatsächlich Lohnsteuer abgeführt worden ist oder die zunächstabgeführte Lohnsteuer nach Abgabe der Einkommensteuererklärung zurücker-- 5 -
- 5 -stattet worden ist. Denn zum einen hängt die Höhe der Steuerlast von verschiedenenFaktoren ab, auf die der Betroffene nur in eingeschränktem Maße Einfluss hat. Zum anderenwürden anderenfalls gerade die Personen durch den Ausschluss ihrer Kinder vomAnspruch auf Ausbildungsförderung belastet, die aufgrund ihrer familiären Situation vonder Steuerpflicht entlastet werden sollen. Das ist insbesondere bei Personen mit erhöhtenWerbungskosten ebenso der Fall wie bei Eltern, denen Kinderfreibeträge und Freibeträgefür den Betreuungs-, Erziehungs- und Ausbildungsbedarf von Kindern gewährt werden,soweit die einkommensteuerliche Auswirkung dieser Freibeträge größer als der Anspruchauf Kindergeld ist. Reduzieren sich die steuerpflichtigen Einkünfte der Eltern der Klägerinaufgrund steuerrechtlicher Vergünstigungen so weit, dass eine Einkommensteuerpflichtnicht besteht, darf ihnen dies <strong>im</strong> Hinblick auf die Förderung ihrer Kinder nach dem Bun<strong>des</strong>ausbildungsförderungsgesetzdaher nicht zum Nachteil gereichen.Maßgeblich ist daher nicht, ob tatsächlich Lohnsteuer gezahlt worden ist, sondern ob - wiein diesem Fall - eine Steuerpflichtigkeit grundsätzlich besteht und der Erwerbstätige in derLage ist, sich und seine Familie selbst zu ernähren, ohne auf öffentliche Mittel angewiesenzu sein. Denn in diesem Fall werden aus den durch eigene Arbeit erworbenen Mittelnzumin<strong>des</strong>t indirekte Steuern, wie Mehrwertsteuer, Ökosteuer und weitere Verbrauchssteuernabgeführt, die ebenfalls vom Bruttonationaleinkommen erfasst sind, aus demnach der Intention <strong>des</strong> Gesetzgebers die Sozialinvestition Ausbildungsförderung geleistetwerden kann.Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung hinsichtlich dervorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, § 711 ZPO.Die Berufung gegen das Urteil war gemäß § 124a Abs. 1 i.V.m. § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGOzuzulassen, da die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat.RechtsmittelbelehrungGegen dieses Urteil ist die Berufung an dasstatthaft. Die Berufung ist be<strong>im</strong>Niedersächsische Ober<strong>verwaltungsgericht</strong>,Uelzener Straße 40,21335 Lüneburg,Verwaltungsgericht Hannover,Eintrachtweg 19,30173 Hannover,innerhalb eines Monats nach Zustellung <strong>des</strong> Urteils schriftlich oder zur Niederschrift <strong>des</strong>Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen. Im Berufungsverfahren muss sich jederBeteiligte durch einen Rechtsanwalt oder einen Rechtslehrer an einer deutschen Hochschule<strong>im</strong> Sinne <strong>des</strong> Hochschulrahmengesetzes mit Befähigung zum Richteramt vertretenlassen. Juristische Personen <strong>des</strong> öffentlichen Rechts und Behörden können sich auch- 6 -