13.07.2015 Aufrufe

verwaltungsgericht hannover im namen des volkes urteil

verwaltungsgericht hannover im namen des volkes urteil

verwaltungsgericht hannover im namen des volkes urteil

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

VERWALTUNGSGERICHT HANNOVERAz.: 10 A 8489/05 verkündet am 25.04.2006Roy, Justizangestellteals Urkundsbeamtin der GeschäftsstelleIn der Verwaltungsrechtssacheder Frau {B.},{C.}IM NAMEN DES VOLKESURTEILg e g e ndie Universität Hannover, {D.}Klägerin,Beklagte,Streitgegenstand:Ausbildungsförderunghat das Verwaltungsgericht Hannover - 10. Kammer - auf die mündliche Verhandlung vom25. April 2006 durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgericht Reccius, denRichter am Verwaltungsgericht Makus, den Richter Dr. Hombert sowie die ehrenamtlichenRichter {E.} und {F.} für Recht erkannt:Der Bescheid der Beklagten vom 25.11.2005 wird aufgehoben und die Beklagtewird verpflichtet, der Klägerin Ausbildungsförderung in gesetzlicher Höhe zu gewähren.- 2 -


- 2 -Die Kosten <strong>des</strong> Verfahrens trägt die Beklagte. Insoweit ist das Urteil vorläufig vollstreckbar.Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 %<strong>des</strong> aufgrund <strong>des</strong> Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerinvor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % <strong>des</strong> jeweils zu vollstreckendenBetrages leistet.Die Berufung wird zugelassen.T a t b e s t a n dDie Beteiligten streiten um die Gewährung von Leistungen nach dem Bun<strong>des</strong>ausbildungsförderungsgesetz(BaföG).Die Klägerin studiert seit dem Wintersemester 2005/2006 Wirtschaftswissenschaften ander Universität Hannover. Sie besitzt wie ihre Eltern die türkische Staatsangehörigkeit. DieKlägerin hält sich ebenso wie ihre Mutter seit Januar 1996, ihr Vater bereits seit dem31.08.1991 in der Bun<strong>des</strong>republik Deutschland auf.Für den Vater der Klägerin beliefen sich die Bruttoeinkünfte aus nichtselbständiger Arbeit<strong>im</strong> Jahr 1999 auf 26.505,00 DM, <strong>im</strong> Jahr 2000 auf 31.360,00 DM, <strong>im</strong> Jahr 2001 auf22.738,00 DM, <strong>im</strong> Jahr 2002 auf 10.785,00 EUR, <strong>im</strong> Jahr 2003 auf 7.140,00 EUR, <strong>im</strong> Jahr2004 auf 11.397,75 EUR. Außerdem bezog er Arbeitslosengeld <strong>im</strong> Jahr 2002 in Höhe von1.542,15 DM, <strong>im</strong> Jahr 2003 in Höhe von 1.392,42 EUR und <strong>im</strong> Jahr 2004 in Höhe von3.430,48 EUR. Im Jahr 2005 war der Vater der Klägerin arbeitslos und bezog ausschließlichArbeitslosengeld.In den Jahren 1999 und 2001 bis 2004 wurde bei dem Vater der Klägerin keine Lohnsteuererhoben. Für das Jahr 2000 wurde ein Steuerabzug vom Lohn in Höhe von 782,00 DMvorgenommen. Dieser Betrag wurde mit Einkommensteuerbescheid vom 15.02.2001 involler Höhe erstattet. Während der Erwerbstätigkeit wurden Beiträge zur Renten- und Arbeitslosenversicherungsowie zur Kranken- und Pflegeversicherung abgeführt.Am 25.10.2005 stellte die Klägerin bei der Beklagten für den Bewilligungszeitraum 10/05bis 09/06 einen Antrag auf Gewährung von Leistungen nach dem Bun<strong>des</strong>ausbildungsförderungsgesetz.Mit Bescheid vom 25.11.2005 lehnte das Studentenwerk Hannover denAntrag mit der Begründung ab, die persönlichen Voraussetzungen <strong>des</strong> § 8 Abs. 2 BAföGseien nicht erfüllt, da das Einkommen der Eltern in den Jahren 1999 bis 2004 so geringgewesen sei, dass keine Steuern abgeführt worden seien.Die Klägerin hat am 06.12.2005 Klage erhoben.Sie ist der Auffassung, die Voraussetzungen <strong>des</strong> § 8 Abs. 2 Nr. 2 BAföG seien erfüllt. Aufdie Höhe <strong>des</strong> durch die Erwerbstätigkeit erzielten Verdienstes und die Steuerpflichtigkeit- 3 -


- 3 -komme es nach dem Wortlaut der Vorschrift nicht an. Im Übrigen sei auch die Zeit derArbeitslosigkeit ihres Vaters als Erwerbstätigkeit anzurechnen.Die Klägerin beantragt,den Bescheid der Beklagten vom 25.11.2005 aufzuheben und die Beklagte zuverpflichten, ihr Ausbildungsförderung in gesetzlicher Höhe zu gewähren.Die Beklagte beantragt,die Klage abzuweisen.Sie verteidigt den angegriffenen Bescheid mit den Gründen aus dem Ablehnungsbescheidund ergänzt, dass die Ausbildungsförderung gem. § 8 Abs. 2 BAföG nur dann zu gewährensei, wenn der Antragsteller bzw. seine Eltern auch finanziell zur Ermöglichung derartigerLeistungen beitragen würden, indem sie Steuern und Abgaben aus einer Erwerbstätigkeitzugunsten der öffentlichen Kassen leisteten.Wegen der weiteren Einzelheiten <strong>des</strong> Sachverhalts und <strong>des</strong> Vorbringens der Beteiligtenwird auf die Gerichtsakte und die Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen.Ihr Inhalt war Gegenstand der mündlichen Verhandlung.E n t s c h e i d u n g s g r ü n d eDie zulässige Verpflichtungsklage führt zum Erfolg. Die Klägerin hat Anspruch auf Gewährungvon Ausbildungsförderung, da sie die persönlichen Voraussetzungen <strong>des</strong> § 8 BAföGerfüllt.Zwar liegen die Voraussetzungen <strong>des</strong> § 8 Abs. 1 BAföG offenkundig nicht vor, da die Klägerinals türkische Staatsangehörige nicht unter den in § 8 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 bis 9 BAföGgenannten Personenkreis fällt.Gem. § 8 Abs. 2 BAföG wird Ausbildungsförderung aber auch anderen Ausländern gewährt,wenn in ihrer Person oder der ihrer Eltern die besonderen Voraussetzungen <strong>des</strong>Absatzes 2 erfüllt sind. Eine Förderung der Klägerin nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 BAföG scheidetdabei zwar aus, da diese Vorschrift u.a. voraussetzt, dass der Antragsteller vor Beginn<strong>des</strong> förderungsfähigen Teils <strong>des</strong> Ausbildungsabschnitts rechtmäßig erwerbstätig gewesenist. Das ist bei der Klägerin nicht der Fall. Nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 BAföG genügt es jedoch,wenn sich ein Elternteil <strong>des</strong> Antragstellers während eines Zeitraums von sechs Jahren vordem Beginn der Ausbildung insgesamt drei Jahre <strong>im</strong> Bun<strong>des</strong>gebiet aufgehalten hat undrechtmäßig erwerbstätig gewesen ist. Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt.Der Vater der Klägerin hält sich seit 1991 und damit <strong>im</strong> maßgeblichen Zeitraum länger alsdrei Jahre in der Bun<strong>des</strong>republik Deutschland auf. Er war in diesem Zeitraum auch dreiJahre <strong>im</strong> Sinne der Vorschrift rechtmäßig erwerbstätig.- 4 -


- 4 -Der Begriff „Erwerbstätigkeit“ wird vom Bun<strong>des</strong>ausbildungsförderungsgesetz an mehrerenStellen (vgl. § 8 Abs. 2, § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 und § 18 b Abs. 5 Satz 1) mit jeweils unterschiedlicherBedeutung verwendet wird (BVerwG, Beschl. v. 24.04.1996, - 5 B 1.96 -,Buchholz 436.36 § 18 b BAföG Nr. 14). Wie der Begriff der Erwerbstätigkeit i.S.d. § 8 Abs.2 BAföG zu verstehen ist, lässt sich nur mit den Mitteln der systematischen, teleologischenund historischen Auslegung klären. Der Wortlaut allein lässt keinerlei Rückschlüssedarauf zu, dass der Gesetzgeber, wie von der Beklagten behauptet, eine Einschränkungder Tätigkeiten beabsichtigt hat, die eine ausnahmsweise Förderung rechtfertigen sollen.Maßgeblich sind daher der Bedeutungszusammenhang, in dem der Begriff gebrauchtwird, sowie der Sinn und Zweck der Regelung, zu der er gehört.Nach der Begründung <strong>des</strong> Regierungsentwurfs zu § 8 Abs. 2 BAföG (BT-Drs. VI/ 1975,25) soll mit dieser Vorschrift der Tatsache Rechnung getragen werden, „dass die Arbeitdieses Personenkreises nicht unwesentlich dazu beiträgt, dass ihr (der Bun<strong>des</strong>republik)Sozialinvestitionen wie die Ausbildungsförderung möglich sind“. Im Bericht <strong>des</strong> federführendenBun<strong>des</strong>tagsausschusses (BT-Drs. VI/ 2352, 5 f.) heißt es ferner: „Der ausländischeAuszubildende soll auch durch eigenen rechtmäßigen Aufenthalt und rechtmäßigeErwerbstätigkeit <strong>im</strong> Geltungsbereich <strong>des</strong> Gesetzes die Voraussetzung für die individuelleFörderung während einer Ausbildung schaffen können“. Nach dem gesetzgeberischenAnliegen genügt daher nicht jede auf Verdienst ausgerichtete Betätigung, sondern es sollnur derjenige nicht von der Förderung ausgeschlossen sein, der selbst mit eigener Arbeitoder der Arbeit seiner Eltern nicht unwesentlich dazu beiträgt, dass Sozialinvestitionenwie die Ausbildungsförderung finanziert werden können (BVerwG, Urt. v. 14.05.1992, - 5C 27.89 -, NVwZ 1992, 1204, m.w.N.). Diese Voraussetzungen werden durch den Vaterder Klägerin erfüllt.Zwar reicht es für die Annahme einer Erwerbstätigkeit nicht aus, dass der Vater der Klägerinin der Zeit seiner Erwerbstätigkeit Sozialabgaben gezahlt hat. Denn bei Beiträgenzur Rentenversicherung, zur Kranken- und Pflegeversicherung sowie zur Arbeitslosenversicherunghandelt es sich um Zahlungsverpflichtungen für die Möglichkeit der Inanspruchnahmeeiner konkreten Gegenleistung. Bei Eintritt <strong>des</strong> Rentenalters kann der Betroffeneeinen Rentenanspruch geltend machen, <strong>im</strong> Falle der Arbeitslosigkeit einen Anspruchauf Arbeitslosengeld. Entsprechen<strong>des</strong> gilt für die Kranken- und Pflegeversicherung.Die Erhebung dieser Beiträge ist zweckgebunden und steht für die Finanzierung derAusbildungsförderung daher nicht zur Verfügung. Die hierfür erforderlichen Mittel werdenaus Steuermitteln erbracht, resultieren also aus Zahlungsverpflichtungen, die ohne konkreteGegenleistung der Deckung <strong>des</strong> allgemeinen Finanzbedarfs dienen.Eine Erwerbstätigkeit i.S.d. § 8 Abs. 2 Nr. 2 BaföG liegt jedenfalls dann vor, wenn es sichwie <strong>im</strong> Falle <strong>des</strong> Vaters der Klägerin um eine regelmäßige, auf Dauer angelegte Tätigkeithandelt, welche die Arbeitskraft voll in Anspruch n<strong>im</strong>mt, der Einkommensteuerpflicht unterliegtund den Betroffenen in die Lage versetzt, den Lebensunterhalt für sich und seineFamilie ohne Inanspruchnahme öffentlicher Mittel zu bestreiten, wobei die beitragsfinanziertenLeistungen der Arbeitslosenversicherung außer Betracht bleiben (vgl. BVerwG,Urt. v. 04.06.1981, - 5 C 30.79 -, FamRZ 1981, 1114). Dabei kommt es nicht darauf an, ob<strong>im</strong> Rahmen dieser Tätigkeit tatsächlich Lohnsteuer abgeführt worden ist oder die zunächstabgeführte Lohnsteuer nach Abgabe der Einkommensteuererklärung zurücker-- 5 -


- 5 -stattet worden ist. Denn zum einen hängt die Höhe der Steuerlast von verschiedenenFaktoren ab, auf die der Betroffene nur in eingeschränktem Maße Einfluss hat. Zum anderenwürden anderenfalls gerade die Personen durch den Ausschluss ihrer Kinder vomAnspruch auf Ausbildungsförderung belastet, die aufgrund ihrer familiären Situation vonder Steuerpflicht entlastet werden sollen. Das ist insbesondere bei Personen mit erhöhtenWerbungskosten ebenso der Fall wie bei Eltern, denen Kinderfreibeträge und Freibeträgefür den Betreuungs-, Erziehungs- und Ausbildungsbedarf von Kindern gewährt werden,soweit die einkommensteuerliche Auswirkung dieser Freibeträge größer als der Anspruchauf Kindergeld ist. Reduzieren sich die steuerpflichtigen Einkünfte der Eltern der Klägerinaufgrund steuerrechtlicher Vergünstigungen so weit, dass eine Einkommensteuerpflichtnicht besteht, darf ihnen dies <strong>im</strong> Hinblick auf die Förderung ihrer Kinder nach dem Bun<strong>des</strong>ausbildungsförderungsgesetzdaher nicht zum Nachteil gereichen.Maßgeblich ist daher nicht, ob tatsächlich Lohnsteuer gezahlt worden ist, sondern ob - wiein diesem Fall - eine Steuerpflichtigkeit grundsätzlich besteht und der Erwerbstätige in derLage ist, sich und seine Familie selbst zu ernähren, ohne auf öffentliche Mittel angewiesenzu sein. Denn in diesem Fall werden aus den durch eigene Arbeit erworbenen Mittelnzumin<strong>des</strong>t indirekte Steuern, wie Mehrwertsteuer, Ökosteuer und weitere Verbrauchssteuernabgeführt, die ebenfalls vom Bruttonationaleinkommen erfasst sind, aus demnach der Intention <strong>des</strong> Gesetzgebers die Sozialinvestition Ausbildungsförderung geleistetwerden kann.Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung hinsichtlich dervorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, § 711 ZPO.Die Berufung gegen das Urteil war gemäß § 124a Abs. 1 i.V.m. § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGOzuzulassen, da die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat.RechtsmittelbelehrungGegen dieses Urteil ist die Berufung an dasstatthaft. Die Berufung ist be<strong>im</strong>Niedersächsische Ober<strong>verwaltungsgericht</strong>,Uelzener Straße 40,21335 Lüneburg,Verwaltungsgericht Hannover,Eintrachtweg 19,30173 Hannover,innerhalb eines Monats nach Zustellung <strong>des</strong> Urteils schriftlich oder zur Niederschrift <strong>des</strong>Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen. Im Berufungsverfahren muss sich jederBeteiligte durch einen Rechtsanwalt oder einen Rechtslehrer an einer deutschen Hochschule<strong>im</strong> Sinne <strong>des</strong> Hochschulrahmengesetzes mit Befähigung zum Richteramt vertretenlassen. Juristische Personen <strong>des</strong> öffentlichen Rechts und Behörden können sich auch- 6 -


- 6 -durch Beamte oder Angestellte mit Befähigung zum Richteramt sowie Diplomjuristen <strong>im</strong>höheren Dienst vertreten lassen, Gebietskörperschaften auch durch Beamte oder Angestelltemit Befähigung zum Richteramt der zuständigen Aufsichtsbehörde oder <strong>des</strong> jeweiligenkommunalen Spitzenverban<strong>des</strong> <strong>des</strong> Lan<strong>des</strong>, dem sie als Mitglied zugehören. DieBerufung muss das angefochtene Urteil bezeichnen und ist innerhalb von zwei Monatennach Zustellung <strong>des</strong> Urteils zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht zugleichmit der Einlegung erfolgt, bei demNiedersächsischen Ober<strong>verwaltungsgericht</strong>,Uelzener Straße 40,21335 Lüneburg,einzureichen. Sie muss einen best<strong>im</strong>mten Antrag sowie die <strong>im</strong> Einzelnen anzuführendenGründe der Anfechtung (Berufungsgründe) enthalten.Reccius Makus Dr. Hombert


VERWALTUNGSGERICHT HANNOVERAz.: 10 A 1339/06 verkündet am 25.04.2006Roy, Justizangestellteals Urkundsbeamtin der GeschäftsstelleIn der Verwaltungsrechtssacheder Frau {B.},{C.}IM NAMEN DES VOLKESURTEILKlägerin,P r o z . - B e v . :R e c h t s a n w ä l t e {D.}g e g e ndie Universität Hannover, {E.}Beklagte,Streitgegenstand:Ausbildungsförderunghat das Verwaltungsgericht Hannover - 10. Kammer - auf die mündliche Verhandlung vom25. April 2006 durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgericht Reccius, denRichter am Verwaltungsgericht Makus, die Richterin am Verwaltungsgericht Kärst sowiedie ehrenamtlichen Richter {F.} und {G.} für Recht erkannt:Der Bescheid der Beklagten vom 9. Januar 2006 wird aufgehoben und die Beklagtewird verpflichtet, der Klägerin für den Bewilligungszeitraum Oktober 2005bis September 2006 Ausbildungsförderung in gesetzlicher Höhe zu bewilligen.- 2 -


- 2 -Die Kosten <strong>des</strong> Verfahrens trägt die Beklagte.Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 %<strong>des</strong> vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin zuvor Sicherheitin Höhe von 110 % <strong>des</strong> zu vollstreckenden Betrages leistet.Die Berufung wird zugelassen.T a t b e s t a n dDie Klägerin begehrt die Bewilligung von Leistungen nach dem Bun<strong>des</strong>ausbildungsförderungsgesetz(BAföG).Die Klägerin studiert seit dem Wintersemester 2005/2006 Wirtschaftswissenschaften ander Universität Hannover. Sie besitzt wie ihre Eltern die bosnische Staatsangehörigkeit.Die Klägerin hält sich seit Januar 1997 in der Bun<strong>des</strong>republik Deutschland auf und ist <strong>im</strong>Besitz einer Aufenthaltserlaubnis.Der Vater der Klägerin ist seit 1997 bei der islamischen Gemeinde der Bosnier in Braunschweigbeschäftigt. Er führt Sozialversicherungsbeiträge ab. Er ist gegenüber seinenKindern und seiner Ehefrau unterhaltsverpflichtet und entrichtet wegen der insoweit anfallendenFreibeträge keine Lohnsteuer. Die Mutter der Klägerin ist seit 2001 als Reinigungskraftfür zur Zeit 400,- €/Monat erwerbstätig und führt keine Steuern oder Sozialversicherungsbeiträgeab.Am 27. Oktober 2005 stellte die Klägerin bei der Beklagten für den Bewilligungszeitraum10/05 bis 09/06 einen Antrag auf Gewährung von Leistungen nach dem Bun<strong>des</strong>ausbildungsförderungsgesetz.Mit Bescheid vom 9. Januar 2006 lehnte das StudentenwerkHannover den Antrag mit der Begründung ab, die persönlichen Voraussetzungen <strong>des</strong> § 8Abs. 2 BAföG seien nicht erfüllt, da das Einkommen der Eltern in den Jahren 2000 bis2004 so gering gewesen sei, dass keine Steuern abgeführt worden seien.Die Klägerin hat am 9. Februar 2006 Klage erhoben. Sie ist <strong>im</strong> Wesentlichen der Auffassung,die Voraussetzungen <strong>des</strong> § 8 Abs. 2 Nr. 2 BAföG seien erfüllt. Auf die Höhe <strong>des</strong>durch die Erwerbstätigkeit erzielten Verdienstes und die Steuerpflichtigkeit komme esnach dem Wortlaut der Vorschrift nicht an.Die Klägerin beantragt,Die Beklagte unter Aufhebung <strong>des</strong> Beschei<strong>des</strong> <strong>des</strong> Studentenwerkes Hannovervom 9. Januar 2006 zu verpflichten, ihr für den Zeitraum von Oktober 2005 bis- 3 -


- 3 -einschließlich September 2006 Ausbildungsförderung nach dem Bun<strong>des</strong>ausbildungsförderungsgesetzzu bewilligen.Die Beklagte beantragt,die Klage abzuweisen.Sie verteidigt den angegriffenen Bescheid mit den Gründen aus dem Ablehnungsbescheidund ergänzt, dass die Ausbildungsförderung gem. § 8 Abs. 2 BAföG nur dann zu gewährensei, wenn der Antragsteller bzw. seine Eltern auch finanziell zur Ermöglichung derartigerLeistungen beitragen würden, indem sie Steuern und Abgaben aus einer Erwerbstätigkeitzugunsten der öffentlichen Kassen leisteten.Wegen der weiteren Einzelheiten <strong>des</strong> Sachverhalts und <strong>des</strong> Vorbringens der Beteiligtenwird auf die Gerichtsakte und die Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen.Ihr Inhalt war Gegenstand der mündlichen Verhandlung.E n t s c h e i d u n g s g r ü n d eDie zulässige Verpflichtungsklage führt zum Erfolg. Die Klägerin hat Anspruch auf Gewährungvon Ausbildungsförderung, da sie die persönlichen Voraussetzungen <strong>des</strong> § 8 BAföGerfüllt.Zwar liegen die Voraussetzungen <strong>des</strong> § 8 Abs. 1 BAföG offenkundig nicht vor, da die Klägerinals bosnische Staatsangehörige nicht unter den in § 8 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 bis 9 BAföGgenannten Personenkreis fällt.Gem. § 8 Abs. 2 BAföG wird Ausbildungsförderung aber auch anderen Ausländern gewährt,wenn in ihrer Person oder der ihrer Eltern die besonderen Voraussetzungen <strong>des</strong>Absatzes 2 erfüllt sind. Eine Förderung der Klägerin nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 BAföG scheidetdabei zwar aus, da diese Vorschrift u.a. voraussetzt, dass der Antragsteller vor Beginn<strong>des</strong> förderungsfähigen Teils <strong>des</strong> Ausbildungsabschnitts rechtmäßig erwerbstätig gewesenist. Das ist bei der Klägerin nicht der Fall. Nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 BAföG genügt es jedoch,wenn sich ein Elternteil <strong>des</strong> Antragstellers während eines Zeitraums von sechs Jahren vordem Beginn der Ausbildung insgesamt drei Jahre <strong>im</strong> Bun<strong>des</strong>gebiet aufgehalten hat undrechtmäßig erwerbstätig gewesen ist. Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt.- 4 -


- 4 -Der Vater der Klägerin hielt sich <strong>im</strong> maßgeblichen Zeitraum länger als drei Jahre in derBun<strong>des</strong>republik Deutschland auf. Er war in diesem Zeitraum auch drei Jahre <strong>im</strong> Sinne derVorschrift rechtmäßig erwerbstätig.Der Begriff „Erwerbstätigkeit“ wird vom Bun<strong>des</strong>ausbildungsförderungsgesetz an mehrerenStellen (vgl. § 8 Abs. 2, § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 und § 18 b Abs. 5 Satz 1) mit jeweils unterschiedlicherBedeutung verwendet (BVerwG, Beschl. v. 24.04.1996, - 5 B 1.96 -, Buchholz436.36 § 18 b BAföG Nr. 14). Wie der Begriff der Erwerbstätigkeit i.S.d. § 8 Abs. 2BAföG zu verstehen ist, lässt sich nur mit den Mitteln der systematischen, teleologischenund historischen Auslegung klären. Der Wortlaut allein lässt keinerlei Rückschlüsse daraufzu, dass der Gesetzgeber, wie von der Beklagten behauptet, eine Einschränkung derTätigkeiten beabsichtigt hat, die eine ausnahmsweise Förderung rechtfertigen sollen.Maßgeblich sind daher der Bedeutungszusammenhang, in dem der Begriff gebrauchtwird, sowie der Sinn und Zweck der Regelung, zu der er gehört.Nach der Begründung <strong>des</strong> Regierungsentwurfs zu § 8 Abs. 2 BAföG (BT-Drs. VI/ 1975,25) soll mit dieser Vorschrift der Tatsache Rechnung getragen werden, „dass die Arbeitdieses Personenkreises nicht unwesentlich dazu beiträgt, dass ihr (der Bun<strong>des</strong>republik)Sozialinvestitionen wie die Ausbildungsförderung möglich sind“. Im Bericht <strong>des</strong> federführendenBun<strong>des</strong>tagsausschusses (BT-Drs. VI/ 2352, 5 f.) heißt es ferner: „Der ausländischeAuszubildende soll auch durch eigenen rechtmäßigen Aufenthalt und rechtmäßigeErwerbstätigkeit <strong>im</strong> Geltungsbereich <strong>des</strong> Gesetzes die Voraussetzung für die individuelleFörderung während einer Ausbildung schaffen können“. Nach dem gesetzgeberischenAnliegen genügt daher nicht jede auf Verdienst ausgerichtete Betätigung, sondern es sollnur derjenige nicht von der Förderung ausgeschlossen sein, der selbst mit eigener Arbeitoder der Arbeit seiner Eltern nicht unwesentlich dazu beiträgt, dass Sozialinvestitionenwie die Ausbildungsförderung finanziert werden können (BVerwG, Urt. v. 14.05.1992, - 5C 27.89 -, NVwZ 1992, 1204, m.w.N.). Diese Voraussetzungen werden durch den Vaterder Klägerin erfüllt.Zwar reicht es für die Annahme einer Erwerbstätigkeit nicht aus, dass der Vater der KlägerinSozialabgaben zahlt. Denn bei Beiträgen zur Rentenversicherung, zur Kranken- undPflegeversicherung sowie zur Arbeitslosenversicherung handelt es sich um Zahlungsverpflichtungenfür die Möglichkeit der Inanspruchnahme einer konkreten Gegenleistung. BeiEintritt <strong>des</strong> Rentenalters kann der Betroffene einen Rentenanspruch geltend machen, <strong>im</strong>Falle der Arbeitslosigkeit einen Anspruch auf Arbeitslosengeld. Entsprechen<strong>des</strong> gilt für dieKranken- und Pflegeversicherung. Die Erhebung dieser Beiträge ist zweckgebunden undsteht für die Finanzierung der Ausbildungsförderung daher nicht zur Verfügung. Die hier-- 5 -


- 5 -für erforderlichen Mittel werden aus Steuermitteln erbracht, resultieren also aus Zahlungsverpflichtungen,die ohne konkrete Gegenleistung der Deckung <strong>des</strong> allgemeinen Finanzbedarfsdienen.Eine Erwerbstätigkeit i.S.d. § 8 Abs. 2 Nr. 2 BaföG liegt jedenfalls dann vor, wenn es sichwie <strong>im</strong> Falle <strong>des</strong> Vaters der Klägerin um eine regelmäßige, auf Dauer angelegte Tätigkeithandelt, welche die Arbeitskraft voll in Anspruch n<strong>im</strong>mt, der Einkommensteuerpflicht unterliegtund den Betroffenen in die Lage versetzt, den Lebensunterhalt für sich und seineFamilie ohne Inanspruchnahme öffentlicher Mittel zu bestreiten, wobei die beitragsfinanziertenLeistungen der Arbeitslosenversicherung außer Betracht bleiben (vgl. BVerwG,Urt. v. 04.06.1981, - 5 C 30.79 -, FamRZ 1981, 1114). Dabei kommt es nicht darauf an, ob<strong>im</strong> Rahmen dieser Tätigkeit tatsächlich Lohnsteuer abgeführt wird oder die zunächst abgeführteLohnsteuer nach Abgabe der Einkommensteuererklärung zurückerstattet wird.Denn zum einen hängt die Höhe der Steuerlast von verschiedenen Faktoren ab, auf dieder Betroffene nur in eingeschränktem Maße Einfluss hat. Zum anderen würden anderenfallsgerade die Personen durch den Ausschluss ihrer Kinder vom Anspruch auf Ausbildungsförderungbelastet, die aufgrund ihrer familiären Situation von der Steuerpflichtentlastet werden sollen. Das ist insbesondere bei Personen mit erhöhten Werbungskostenebenso der Fall wie bei Eltern, denen Kinderfreibeträge und Freibeträge für den Betreuungs-,Erziehungs- und Ausbildungsbedarf von Kindern gewährt werden, soweit die einkommensteuerlicheAuswirkung dieser Freibeträge größer als der Anspruch auf Kindergeldist. Reduzieren sich die steuerpflichtigen Einkünfte der Eltern der Klägerin aufgrundsteuerrechtlicher Vergünstigungen so weit, dass eine Einkommensteuerpflicht nicht besteht,darf ihnen dies <strong>im</strong> Hinblick auf die Förderung ihrer Kinder nach dem Bun<strong>des</strong>ausbildungsförderungsgesetzdaher nicht zum Nachteil gereichen.Maßgeblich ist daher nicht, ob tatsächlich Lohnsteuer gezahlt worden ist, sondern ob - wiein diesem Fall - eine Steuerpflichtigkeit grundsätzlich besteht und der Erwerbstätige in derLage ist, sich und seine Familie selbst zu ernähren, ohne auf öffentliche Mittel angewiesenzu sein. Denn in diesem Fall werden aus den durch eigene Arbeit erworbenen Mittelnzumin<strong>des</strong>t indirekte Steuern, wie Mehrwertsteuer, Ökosteuer und weitere Verbrauchssteuernabgeführt, die ebenfalls vom Bruttonationaleinkommen erfasst sind, aus demnach der Intention <strong>des</strong> Gesetzgebers die Sozialinvestition Ausbildungsförderung geleistetwerden kann.Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung hinsichtlich dervorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, § 711 ZPO.- 6 -


- 6 -Die Berufung gegen das Urteil war gemäß § 124a Abs. 1 i.V.m. § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGOzuzulassen, da die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat.RechtsmittelbelehrungGegen dieses Urteil ist die Berufung an dasstatthaft. Die Berufung ist be<strong>im</strong>Niedersächsische Ober<strong>verwaltungsgericht</strong>,Uelzener Straße 40,21335 Lüneburg,Verwaltungsgericht Hannover,Eintrachtweg 19,30173 Hannover,innerhalb eines Monats nach Zustellung <strong>des</strong> Urteils schriftlich oder zur Niederschrift <strong>des</strong>Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen. Im Berufungsverfahren muss sich jederBeteiligte durch einen Rechtsanwalt oder einen Rechtslehrer an einer deutschen Hochschule<strong>im</strong> Sinne <strong>des</strong> Hochschulrahmengesetzes mit Befähigung zum Richteramt vertretenlassen. Juristische Personen <strong>des</strong> öffentlichen Rechts und Behörden können sich auchdurch Beamte oder Angestellte mit Befähigung zum Richteramt sowie Diplomjuristen <strong>im</strong>höheren Dienst vertreten lassen, Gebietskörperschaften auch durch Beamte oder Angestelltemit Befähigung zum Richteramt der zuständigen Aufsichtsbehörde oder <strong>des</strong> jeweiligenkommunalen Spitzenverban<strong>des</strong> <strong>des</strong> Lan<strong>des</strong>, dem sie als Mitglied zugehören. DieBerufung muss das angefochtene Urteil bezeichnen und ist innerhalb von zwei Monatennach Zustellung <strong>des</strong> Urteils zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht zugleichmit der Einlegung erfolgt, bei demNiedersächsischen Ober<strong>verwaltungsgericht</strong>,Uelzener Straße 40,21335 Lüneburg,einzureichen. Sie muss einen best<strong>im</strong>mten Antrag sowie die <strong>im</strong> Einzelnen anzuführendenGründe der Anfechtung (Berufungsgründe) enthalten.Reccius Kärst Makus

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!