Kulturnotizen - Druckservice HP Nacke KG
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DIE BESTE ZEIT<br />
Das Magazin für Lebensart<br />
Wuppertal und Bergisches Land Ausgabe 14, 2012 - 3,50 Euro<br />
Von der Heydt-Kunsthalle<br />
Ausstellung Cornelius Völker<br />
Das Leben wohnt im Herzen<br />
Momo im Kinder- und Jugendtheater<br />
Von der Heydt-Museum<br />
Stürmische Pferde<br />
Das Bauhaus Fischer<br />
Bauhaus-Architektur in Wuppertal<br />
Endstation Sehnsucht<br />
Wuppertaler Bühnen<br />
528 Werke für Kölner Museen<br />
Nachlass von Prof. Irene Ludwig<br />
Ich fi nde Wuppertal wunderbar<br />
Portrait Lutz-Werner Hesse<br />
Japan, Ginkgo, Goethe<br />
Portrait des Klaus Stiebeling<br />
Ménage à Trois<br />
in der Bundeskunsthalle Bonn<br />
Wuppertaler Literatur<br />
Literatur Biennale 2012<br />
Neue Bücher<br />
zu Geschichte und Kunst<br />
18695205<br />
<strong>Kulturnotizen</strong><br />
Kulturveranstaltungen der Region ISSN<br />
1
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Impressum<br />
„Die beste Zeit“ erscheint in Wuppertal und im Bergischen Land<br />
Erscheinungsweise: 5 – 6 mal pro Jahr<br />
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„Improvisation 13“<br />
Wassily Kandinsky, 1910,<br />
Staatliche Kunsthalle Karlsruhe<br />
© VG Bild-Kunst, Bonn, 2012<br />
Gastbeiträge durch Autoren spiegeln nicht immer die Meinung des<br />
Verlages und der Herausgeber wider. Für den Inhalt dieser Beiträge<br />
zeichnen die jeweiligen Autoren verantwortlich.<br />
Kürzungen bzw Textänderungen, sofern nicht sinnentstellend, liegen<br />
im Ermessen der Redaktion. Für unverlangt eingesandte Beiträge kann<br />
keine Gewähr übernommen werden.<br />
Nachdruck - auch auszugsweise - von Beiträgen innerhalb der gesetzlichen<br />
Schutzfrist nur mit der ausdrücklichen Genehmigung des Verlages.<br />
Trotz journalistischer Sorgfalt wird für Verzögerung, Irrtümer oder<br />
Unterlassungen keine Haftung übernommen.
Editorial<br />
Im Frühling der Literatur<br />
Bergische Leseratten wissen es längst – Wuppertal ist eine Literaturstadt. Nicht<br />
erst seit den Tagen von Else Laker-Schüler und Armin T. Wegener entstehen<br />
hier – „am schwärzesten Fluß der Welt“ – Romane und Gedichte, Erzählungen<br />
und Essays von Rang. In ungezählten, zumeist gut besuchten Veranstaltungen<br />
der überaus engagierten, lokalen Literaturvereine werden sie dem interessierten<br />
Publikum vorgestellt. Literatur in Wuppertal – das meint in der Geburtstadt<br />
Friedrich Engels nicht nur belletristische Unterhaltung, sondern mitunter auch<br />
politische Aufklärung, mittels künstlerisch gestalteter Sprache.<br />
In dieser Tradition startet am 6. Juni 2012 die erste Wuppertaler Literaturbiennale<br />
unter dem Motto „Freiheit“. In mehr als zwanzig hochkarätigen<br />
Veranstaltungen präsentieren sich an zehn Tagen internationale und regionale<br />
Autoren/innen. Die Reihe der Schriftsteller/innen reicht von der Literaturnobelpreisträgerin<br />
Herta Müller bis hin zu begeisterten Amateuren, die im<br />
Schreiben weit mehr als nur ein interessantes Hobby gefunden haben.<br />
Entwickelt wurde die Idee im städtischen Kulturbüro unter der Leitung von<br />
Monika Heigermoser. Doch hat man nicht einfach eine weitere Kulturveranstaltung<br />
„von oben“ dekretiert. Vielmehr versammelten die Initiatoren<br />
sämtliche Literaturvereine der Stadt, dazu Schriftsteller, Verleger, Theaterleute<br />
und Literaturwissenschaftler der Bergischen Universität um den sogenannten<br />
„Literaturtisch“. Hier wurden dann die konzeptionellen Weichen für das<br />
vielfältige Biennaleprogramm gestellt, das von einem fünfköpfi gen Beirat und<br />
den Mitarbeiter/innen des Kulturbüros organisiert wurde.<br />
Das gesamte Programm wird Mitte April offi ziell der Öffentlichkeit vorgestellt.<br />
An dieser Stelle sei zunächst nur auf zwei Veranstaltungen hingewiesen, die das<br />
Thema „Freiheit“ in besonderer Weise wiederspiegeln.<br />
Die Eröff nungsfeier am 6. Juni 2012 im Mendelssohn-Saal der Historischen<br />
Stadthalle am Johannisberg hat mit dem Ägypter Chalid-Al-Chamissi und der<br />
Syrerin Salmar Yazbek zwei prominente Autoren zu Gast, die sich zusammen<br />
mit zahlreichen anderen Schriftstellern und Intellektuellen am demokratischen<br />
Aufbruch in ihrer Heimat aktiv beteiligen – dem „Arabischen Frühling“.<br />
Im Gespräch mit der Journalistin Asli Sevindim und dem bekannten Orient-<br />
Experten Michael Lüders erörtern sie die Frage, welcher Stellenwert der Literatur<br />
innerhalb dieser Freiheitsbewegung zukommt. Das Schönberg-Orchester der<br />
Wuppertaler Musikhochschule, unter der Leitung von Werner Dickel, bringt<br />
noch unaufgeführte Werke zeitgenössischer, arabischer Komponisten zu Gehör.<br />
Was die jüngste Generation internationaler Theaterautoren unter Freiheit<br />
versteht, möchte die „Lesebühne“ zeigen. Am 10. und 11. Juni werden jeweils<br />
um 18.00 Uhr im Festsaal der Rudolf-Steiner-Schule von Schauspielschüler/<br />
innen der Folkwang-Universität Essen/Bochum drei, von einer Jury ausgewählte,<br />
Stücke in szenischen Lesungen vorgestellt. Vor allem Schüler und Studenten<br />
sollten sich keinesfalls die Gelegenheit entgehen lassen, die starken Theatertexte<br />
ihrer eigenen Generation kennenzulernen. Der Eintritt ist frei.<br />
Die Veranstalter wie auch der „Literaturtisch“ freuen sich auf ein Publikum,<br />
das sich an diesen, hoffentlich sonnigen, Frühlingstagen der ersten Wuppertaler<br />
Literaturbiennale von den wunderbaren Texten inspirieren lässt, um hernach<br />
über die Freiheit, die Literatur und das eigene Leben vielleicht noch einmal ganz<br />
neu nachzudenken.<br />
Gerold Theobalt<br />
3
4<br />
Keine Angst vor Berührung<br />
Barbara Neusel-Munkenbeck und die Urne “moi“<br />
seit 1813<br />
Alles hat seine Zeit.<br />
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Inhalt<br />
Ausgabe 14, 4. Jahrgang, April 2012<br />
Von der Heydt-Kunsthalle<br />
Beobachtungen –<br />
Ausstellung Cornelius Völker<br />
von Frank Becker Seite 6<br />
… und das Leben wohnt im Herzen<br />
Aufführung des Stücks „Momo“ von<br />
M. Ende beim Kinder- und Jugendtheater<br />
von Martin Hagemeyer Seite 10<br />
Stürmische Pferde<br />
Zur Ausstellung „Der Sturm – Zentrum der<br />
Avantgarde“ im Von der Heydt-Museum<br />
von Marlene Baum Seite 12<br />
Das Bauhaus Fischer<br />
Architektur im Bauhaus Stil in Wuppertal<br />
von Joachim Krug Seite 18<br />
Endstation<br />
Tennessee Williams’ Stück inszeniert<br />
von Claudia Bauer für die Wuppertaler<br />
Bühnen – von Frank Becker Seite 22<br />
528 Werke für Kölner Museen<br />
Spektakuläre Schenkung aus dem<br />
Nachlass von Prof. Irene Ludwig<br />
an die Stadt Köln Seite 25<br />
Ich fi nde Wuppertal wunderbar<br />
Portrait Lutz-Werner Hesse<br />
von Marlene Baum Seite 31<br />
Wuppertaler Literatur Biennale 2012<br />
Vorschau auf die Literatur Biennale<br />
zum Thema „Freiheit“ im Juni<br />
von Ruth Eising Seite 34<br />
Tanztheater Wuppertal Pina Bausch<br />
Neueinstudierung der Aufführung „1980 –<br />
ein Stück von Pina Bausch“<br />
MÉNAGE À TROIS<br />
Seite 36<br />
Ausstellung Warhol, Basquiat, Clemente<br />
in der Bundeskunsthalle Bonn Seite 37<br />
Geschichtsbücher, Buchgeschichten<br />
Geschichtsbücher – Buchgeschichten<br />
vorgestellt von Matthias Dohmen Seite 43<br />
Japan, Ginkgo, Goethe<br />
Portrait des Weltreisenden und<br />
Japanfreundes Klaus Stiebeling<br />
von Matthias Dohmen Seite 44<br />
Neue Kunstbücher<br />
Über die Sparten hinweg…<br />
vorgestellt von Thomas Hirsch Seite 46<br />
<strong>Kulturnotizen</strong><br />
Kulturveranstaltungen in der Region Seite 48<br />
<strong>Kulturnotizen</strong><br />
Kulturveranstaltungen in der Region Seite 51<br />
Zwischen den Fronten<br />
Die Kriegstagebücher Gerhard Nebels,<br />
wiederentdeckt von Michael Zeller<br />
von Johannes Vesper Seite 50<br />
5
Von der Heydt-Kunsthalle<br />
Wuppertal-Barmen<br />
noch bis zum 27. Mai 2012<br />
linke Seite:<br />
Abfl uss, 2008, Öl auf Leinwand,<br />
80 x 60 cm Privatsammlung<br />
© VG Bild-Kunst, Bonn 2012<br />
unten:<br />
Fenster, 2004, Öl auf Leinwand<br />
160 x 180 cm, Privatbesitz<br />
© VG Bild-Kunst, Bonn 2012<br />
Beobachtungen<br />
Seit dem 26. Februar und noch bis zum 27.<br />
Mai 2012 ist in der Kunsthalle Barmen des<br />
Wuppertaler Von der Heydt-Museums eine<br />
Auswahl von Arbeiten des an der Akademie<br />
Münster lehrenden und in Düsseldorf und<br />
New York lebenden Malers Cornelius Völker<br />
(*1965) zu sehen. Die Präsentation der<br />
Werke aus den Jahren 1990-2010, die zuvor<br />
bereits in München (Villa Stuck), Ludwigshafen<br />
(Wilhelm-Hack-Museum) und Goslar<br />
(Mönchenhaus Museum) gezeigt wurde,<br />
erlaubt einen einzigartigen Einblick in die<br />
zeitgenössische gegenständliche Malerei -<br />
Cornelius Völker ist ein herausragender Vertreter<br />
des Genres, das sich scheinbar leichtfüßig<br />
zwischen Fotorealismus und Pop-Art,<br />
klassischem Stilleben und plakativer Malerei<br />
bewegt - seine Bilder eine Augenweide.<br />
Was in der Ausstellung eindrucksvoll gezeigt<br />
wird, belegt zum einen die genaue, nicht<br />
humorfreie Beobachtung, der Cornelius<br />
Völker seine Umgebung, die Welt unterzieht,<br />
zum anderen seinen hohen Rang als<br />
Maler des Augenblicks. Hat ein Thema Völkers<br />
Aufmerksamkeit auf sich gezogen, wird<br />
es von ihm - oft in konsequenter Serie - mit<br />
Ölfarben auf Leinwand ausgeleuchtet, analysiert,<br />
porträtiert, präsentiert - ob das Geschirrtücher,<br />
Meerschweinchen, Cocktails,<br />
Handfeuerwaffen, Schokoladen, Bücher,<br />
Pullover, Hände, Schwimmer, Frisuren,<br />
Männer, Hände, Himbeeren sind, eine<br />
Feuerzeugfl amme oder einfach nur Müll,<br />
der Inhalt von Völkers Abfalleimer. Völker<br />
entreißt das Gewöhnliche der Banalität,<br />
unterstreicht durch seine Art der Präsenta-<br />
7
Röhm Lady Star, 2009, Öl auf Leinwand, 100 x 105 cm, Privatsammlung<br />
oben:<br />
Meerschweinchen, 2003, Öl auf Leinwand, 40 x 50 cm, Privatsammlung<br />
linke Seite:<br />
Feinripp, 1998, Öl auf Leinwand, 260 x 180 cm, Privatsammlung,<br />
alle Abbildungen: © VG Bild-Kunst, Bonn 2012<br />
tion die im Alltag steckende gelegentliche<br />
Lächerlichkeit, aber auch die Schönheit des<br />
Details oder die Wucht der Gefahr. Letzteres<br />
zeigen die „Porträts“ der wie Ikonen ins Bild<br />
gesetzten Handfeuerwaffen (s.u.). Daß diese<br />
Waffen, in Einzelfällen erkennbar, nicht<br />
geladen sind, birgt keine Botschaft. Zufall,<br />
räumt Völker ein.<br />
Cornelius Völkers Bilder faszinieren<br />
durch ihre Eindringlichkeit. Natürlich<br />
hat ein jeder schon einen Bücherstapel<br />
am Boden liegen sehen, vielleicht manch<br />
einen bei sich zu Hause, Stapel, die keine<br />
Bewegung mehr erfahren. Völkers Bücherstapel<br />
(Wuppertal zeigt einen, der Katalog<br />
eine Reihe), obwohl anonym, machen<br />
neugierig. Zermatschte Himbeeren sind<br />
von den Mund wässernder Saftigkeit, und<br />
die Tristesse von zum Lüften ins Fenster<br />
gelegten Betten berührt zutiefst. Menschen<br />
bleiben meist gesichtslos, haben sie aber<br />
doch ein Gesicht, ist es jeder Persönlichkeit<br />
entkleidet. Sie dienen dem Transport eines<br />
Motivs, sind Studien einer Körperhaltung,<br />
eines Stimmungsausdrucks, eines Themas.<br />
Der zufällige Faltenfall eines Handtuchs wird<br />
unter Völkers Pinsel zum Dokument der<br />
Kunstgeschichte, mit starkem Bezug zur detailverliebten<br />
Malerei des 17. Jahrhunderts.<br />
Die Ausstellung in der Kunsthalle Barmen<br />
wurde am 26.2.2012, 11.30 mit einer<br />
Vernissage eröffnet, bei der Dr. Gerhard<br />
Finckh, Direktor des Von der Heydt-<br />
Museums Wuppertal und Prof. Dr. Stephan<br />
Berg, Intendant des Kunstmuseums Bonn<br />
sprachen. Die Ausstellung ist noch bis zum<br />
27. Mai 2012 zu sehen. Cornelius Völkers<br />
Bilder laden zum Verweilen ein. Ein Besuch<br />
ist ein Gewinn.<br />
Zur Ausstellungs-Serie ist ein opulenter<br />
zweisprachiger Katalog (deutsch/englisch)<br />
mit Texten von Stephan Berg, Michael<br />
Buhrs, Magdalena Kröner, Bettina Ruhrberg<br />
und Reinhard Spieler erschienen:<br />
Cornelius Völker – Malerei/Painting –<br />
Werke/Works 1990 – 2010<br />
© 2011 Verlag Schirmer/Mosel, 272 Seiten,<br />
gebunden, durchweg farbig illustriert,<br />
25,5 x 29,5 cm - ISBN 978-3-8296-0534-2<br />
49,80 Euro<br />
Frank Becker<br />
Weitere Informationen:<br />
www.schirmer-mosel.com und<br />
www.von-der-heydt-kunsthalle.de<br />
9
10<br />
Beim „Kinder- und Jugendtheater“<br />
handelt Endes „Momo“<br />
sehenswert von Nutzdenken<br />
Nach dem Roman von Michael Ende.<br />
Inszenierung: Lars Emrich<br />
Ausstattung: Laurentiu Tuturuga<br />
Musik: Andreas Grimm.<br />
Besetzung:<br />
Momo: Elvin Karakurt –<br />
Gigi Fremdenführer: Tom Raczko<br />
Beppo Straßenkehrer: Michael Karp<br />
Meister Hora: Udo Dülme<br />
Kassiopeia: Marie Speckmann<br />
Agent XYQ-384-b/ Polizist: Tim Neuhaus<br />
Friseur Fusi/ Grauer Agent 4:<br />
Patrick Wasserscheid<br />
Maurer Nicola/ Grauer Agent 2:<br />
Ralf Stallmann<br />
Gastwirt Nino/ Grauer Agent 3:<br />
Dino Capozza<br />
Ninos Frau Liliana/ Grauer Agent 1:<br />
Anna Rauhaus<br />
Ninos Tochter Maria/ Grauer Agent 6:<br />
Charlott Hoebel<br />
Bibigirl/ Managerin/ Grauer Agent 7:<br />
Miriam Wunder<br />
Kundin Friseursalon/ Grauer Agent 5:<br />
Claudia Wunder<br />
Franco: Clemens Redeker<br />
Paolo: Daniel Hasenmayer<br />
Giulia: Alyson Hille.<br />
… und das Leben wohnt im Herzen<br />
Das Kinder- und Jugendtheater bringt<br />
„Momo“ auf die Bühne, den Kinderbuchklassiker<br />
von Michael Ende zum<br />
Phänomen Zeit. Eine Schlüsselszene<br />
in Lars Emrichs schöner und sehenswerter<br />
Inszenierung ist vielleicht diese:<br />
Einer der grauen Agenten, die die<br />
Menschen zum Zeitsparen überreden,<br />
will von dem gefährlichen Mädchen<br />
schon sichtlich nervös wissen, was<br />
Bibigirl, der vollkommenen Puppe,<br />
denn jetzt noch fehlt. Und Momo, das<br />
Mädchen, das deswegen gefährlich ist,<br />
weil es sich viel mehr für Märchenspiele<br />
mit ihren Freunden interessiert als<br />
für Puppen mit „endlos“ viel Zubehör,<br />
gibt sofort zurück: „Ich glaub‘, man<br />
kann sie nicht liebhaben.“ Den grauen<br />
Agenten bringt das um den Verstand.<br />
Wichtig für diese Inszenierung der<br />
berühmten Geschichte um die Zeit<br />
ist das deshalb, weil es in dieser Szene<br />
ja gar nicht so sehr um Zeit geht.<br />
Sondern, grundsätzlicher: um ökonomisches<br />
Denken. Die Manie, alles<br />
nach Nutzwert zu berechnen, gegen<br />
den Wert menschlicher Qualitäten:<br />
Das ist das Thema des Abends, und die<br />
Ware Zeit eher nur ein Beispiel dafür.<br />
Hast gegen Bedächtigkeit, still stehende<br />
Zeit: Solche Aspekte des Romans<br />
könnte man auch spannend auf die<br />
Bühne bringen, doch der Regie geht<br />
es um anderes. So sind hier auch beim<br />
weisen Meister Hora (Udo Dülme) in<br />
seiner geheimen Zeit-Zentrale weniger<br />
tickende Uhren zu hören als pochende<br />
Herzen. (Die Szene, in der er Momo<br />
zu ihren leuchtenden Stunden-Blumen<br />
führt, ist dabei wohl einer der schönsten<br />
und spektakulärsten Momente des<br />
Abends.)<br />
Auch sind die grauen Agenten heute in<br />
erster Linie Geschäftsleute; Branche:<br />
zweitrangig – bis hin zu ihrer schneidigen<br />
Chefi n (von Anna Rauhaus stark<br />
gespielt). Dem armen Beppo Straßenkehrer<br />
(Michael Karp) wird weniger<br />
Zeitmangel zum Verhängnis als die<br />
Tatsache, daß er nichts Einträgliches<br />
zu bieten hat, und seinem eloquenten<br />
Freund Gigi Fremdenführer (Tom<br />
Raczko mit genau dem richtigen jungenhaften<br />
Elan) das Umgekehrte: eben<br />
daß er einträglich ist. Ökonomisierung<br />
hier wie dort.<br />
Last not least, im Gegenteil: Auch<br />
Elvin Karakurt in der Titelrolle ist in<br />
diesem Sinne eine sehr passende Besetzung.<br />
Sie gibt strahlend eine vitale<br />
Momo, der man auch lautes Lachen<br />
gern abnimmt, und hat wenig von dem<br />
scheuen Sonderling mit Kulleraugen,<br />
als den Radost Bokel aus der Achtziger-Verfi<br />
lmung die Figur in so manchem<br />
Kopf bis heute in Beschlag hält.<br />
Zur Stückidee „lebensvoll statt kalkulierend“<br />
paßt das gut. Schwieriger wird<br />
es allerdings, wenn es um die besondere<br />
Fähigkeit geht, für die Momo allseits<br />
so geliebt und gebraucht wird: das<br />
Zuhören. Wenn zwei Streithähne wie<br />
Maurer Nicola und Wirt Nino (zwei<br />
tolle Charakterköpfe: Ralf Stallmann<br />
und Dino Capozza) sich allein dank<br />
Momos stiller Aufmerksamkeit versöhnen<br />
– und auch die hier so impulsive<br />
Momo zu diesem Zweck fast unvermittelt<br />
verstummen muß: Damit das<br />
so recht einleuchtet, bräuchte es wohl<br />
doch ein wenig Kulleraugen.<br />
Martin Hagemeyer<br />
Szenen aus einer Aufführung des<br />
Kinder- und Jugendtheater Wuppertal<br />
oben:<br />
Friseur Fusi erfährt seine „Zeit-Bilanz“<br />
(v.l.: Patrick Wasserscheid, Tim Neuhaus)<br />
unten:<br />
Gigi fantasiert mit Momo<br />
(v.l.: Tom Raczko, Elvin Karakurt)<br />
Fotos:<br />
Karola Brüggemann
12<br />
„Gib Deiner Zeit Tiere, vor denen<br />
man noch lange steht.<br />
Die Hufschläge Deiner Pferde<br />
mögen hallen bis in die fernsten<br />
Jahrhunderte.“<br />
August Macke an Franz Marc 1910<br />
Carlo D. Carrà<br />
Die rüttelnde Droschke, 1911<br />
The Museum of Modern Art, New<br />
York. Gift of Herbert and Nannette<br />
Rothschild, 1966<br />
Franz Marc und August Macke lernten<br />
sich 1910 kennen und schlossen sofort<br />
Freundschaft. Auch wenn Macke mit<br />
den Ideen des Blauen Reiter nicht immer<br />
einverstanden war, teilte er den Gedanken,<br />
das Tier als symbolischen Mittler zu sehen,<br />
durch den man mit künstlerischen Mitteln<br />
die verloren geglaubte Einheit zwischen<br />
Mensch und Natur zurückzufi nden suchte.<br />
Marcs berühmte Forderung, „Symbole zu<br />
schaffen, die auf die Altäre der kommenden<br />
geistigen Religionen gehören“, war das<br />
Ziel des Blauen Reiter. Wassily Kandinsky<br />
hatte den Sieg des Geistigen über den<br />
Materialismus postuliert: Der Mensch solle<br />
den Blick von Äußerlichkeiten ab- und sich<br />
selbst zuwenden.<br />
Mit Entdeckungen wie den Röntgenstrahlen,<br />
der Radioaktivität, der drahtlosen<br />
Kommunikation und des Unbewussten<br />
war seit der Jahrhundertwende das<br />
Weltbild ins Wanken geraten. Kandinsky<br />
schrieb: „Das Zerfallen des Atoms war<br />
Stürmische Pferde<br />
in meiner Seele dem Zerfall der ganzen<br />
Welt gleich (...). Alles wurde unsicher,<br />
wackelig und weich (...).“ Diesem tiefen<br />
Gefühl der Verunsicherung angesichts von<br />
Erfi ndungen, die dem Verstehen entzogen<br />
waren, setzten Marc und Kandinsky das<br />
Programm des Blauen Reiter entgegen.<br />
Kandinsky erinnert sich 1930: „Beide<br />
liebten wir Blau, Marc Pferde – ich Reiter,<br />
so kam der Name wie von selbst.“<br />
Seit Friedrich Nietzsche wurden für zahlreiche<br />
Künstler des Expressionismus, Dichter<br />
wie Bildende Künstler, zunehmend Tiere<br />
zu Bedeutungsträgern. Für die Literatur<br />
sei beispielhaft Franz Kafka genannt, der<br />
die Verwandlung eines Menschen in ein<br />
Tier schildert. Reinhard Piper schrieb<br />
1910 ein Buch „Das Tier in der Kunst“.<br />
Selbst die Wissenschaft interessierte sich<br />
für Tiere, in Berlin erregte ein Pferd, „Der<br />
Kluge Hans“, Aufsehen, weil es angeblich<br />
rechnen konnte.
im Von der Heydt-Museum<br />
Auch in der Ausstellung des Von der<br />
Heydt-Museums „Der Sturm“ sind zahlreiche<br />
Tiere zu sehen, doch besonders häufi g<br />
fi nden sich Pferdedarstellungen. Kämen<br />
die verschollenen Pferdebilder aus der Zeit<br />
hinzu, fi ele dies noch mehr auf. Woran<br />
liegt das?<br />
Dem Pferd ist eine überaus reiche Symbolik<br />
eigen, die bis heute in der Kunst<br />
lebendig ist. Schon die Bezeichnung „Der<br />
Sturm“, die sich wohl Else Lasker-Schüler<br />
verdankt, verweist auf die mythische<br />
Bedeutung des Pferdes als Wetterross.<br />
Seit alters her glaubte man, dieses rasend<br />
schnelle Tier bewege die Gestirne. So stellte<br />
man sich vor, der Sonnenwagen des Helios<br />
werde von den Sonnenpferden gezogen.<br />
Wie intensiv diese archaischen Bedeutungsebenen<br />
in Künstlern fortleben, zeigt<br />
eine Erinnerung von Kandinsky an ein<br />
weißes Pferd: „Es ist mir eine Freude, solch<br />
einen Schimmel in den Straßen Münchens<br />
zu sehen; er kommt jeden Sommer (...). Er<br />
weckt in mir die lebendige Sonne.“<br />
In seiner kosmischen Bedeutung als Beweger<br />
der Gestirne wurde das Pferd, vor allem<br />
aber der Schimmel, vergöttlicht oder zum<br />
Attribut von Gottheiten. Diese Symbolik<br />
erhielt sich bis in christliche Zeit, da es das<br />
Privileg der Päpste war, den Schimmel als<br />
Lichtross zu reiten. In der Legende lebt<br />
es als Reittier des Heiligen Georg weiter,<br />
und eben dieses Motiv greift Kandinsky<br />
auf, um den Aufbruch des Geistigen zu<br />
visualisieren.<br />
Auch Else Lasker-Schüler und Franz Marc<br />
verstanden sich sofort über die kosmische<br />
Bedeutung des Pferdes. „Ich denke wie<br />
der Mond“, hatte sie 1912 dem Künstler<br />
auf seine erste Karte „Der blaue Reiter<br />
präsentiert seiner Hoheit sein blaues Pferd“<br />
geantwortet. 1913 sandte ihr Franz Marc<br />
seine zweite Postkarte mit dem berühmten<br />
„Turm der Blauen Pferde“. Blau ist<br />
die kosmische Farbe, und die Pferde sind<br />
inmitten von Sternen und einer Mondsichel<br />
zu sehen. Die Dichterin bezeichnet<br />
sie einfühlsam als „wiehernde Erzengel“.<br />
Sie liebte Pferde seit ihrer Kindheit und<br />
schwärmte von dem schönen Reitpferd<br />
ihrer Mutter. Auch den „Klugen Hans“<br />
kannte sie. Das berühmte denkende Pferd<br />
aus Berlin ging 1910 in den Besitz des<br />
Elberfelder Kaufmanns Karl Krall über, mit<br />
dessen Sohn sie eng befreundet war.<br />
Als Beweger galten die dahinjagenden<br />
Rosse als Verursacher von Wolken, Sturm,<br />
Donner und Blitz. Wotan, der Donnergott,<br />
ritt ein achtbeiniges Ross, und himmlische<br />
Rosse schüttelten die Blitze aus ihren Mähnen.<br />
Franz Marc hatte für das Deckblatt<br />
der Schrift des Verlegers Reinhard Piper<br />
„Das Tier in der Kunst“ ein Aquarell von<br />
Eugène Delacroix „Schimmel vom Blitz<br />
Wassily Kandinsky, Improvisation 13,<br />
1910, Staatliche Kunsthalle Karlsruhe<br />
© VG Bild-Kunst, Bonn, 2012<br />
erschreckt“ ausgewählt. Dieser Schimmel<br />
ist durch seine exaltierte bizarre Körperhaltung<br />
und die wehende Mähne die Verkörperung<br />
des Blitzes. 1928 nimmt William<br />
Wauer mit seiner kleinen Metallplastik<br />
„Der Blitzreiter“, die in der Ausstellung zu<br />
sehen ist, genau dieses Motiv auf.<br />
Zu der kosmisch-solaren Bedeutung des<br />
Pferdes treten Angst, Panik, Tod und<br />
Hölle als Gegenseiten. In diesem Sinne<br />
jagen dämonische Rosse durch Alfred<br />
Kubins Roman „Die andere Seite“ (1908).<br />
Marc Chagall malt 1913 „Die fl iegende<br />
Kutsche“, welche von einem geheimnisvoll<br />
grünen Pferdchen mit drei Beinen gezogen<br />
wird, wer weiß, wohin? Vielleicht wird<br />
daraus eine Höllenfahrt.<br />
Eine weitere Bedeutungsebene des Pferdes<br />
ist die der Verkörperung der vitalen Instinkte,<br />
der Libido, in die das Männliche<br />
ebenso eingeschlossen ist wie das Weibliche.<br />
Ernst Barlach bedient sich dieser<br />
Symbolik in seinem Theaterstück „Der tote<br />
Tag“ (1910, in welchem die Mutter das<br />
heißgeliebte Pferd des Sohnes tötet.<br />
Franz Kafka hat in seiner Schrift „Die Aeroplane<br />
von Brescia“ (1909) alle Verkehrsmittel<br />
seiner Zeit mit Pferden kontrastiert.<br />
Das Pferd als symbolischer Beweger von<br />
Gestirnen im Mythos und als lebendiger<br />
Beweger des Menschen samt seiner Habe<br />
13
oben:<br />
Franz Marc, Drei Pferde II, 1913<br />
Neue Nationalgalerie Berlin<br />
links:<br />
Franz Marc, Die Blauen Fohlen, 1913<br />
Kunsthalle Emden – Stiftung Henri und<br />
Eske Nannen und Schenkung<br />
Otto van de Loo<br />
über die Jahrtausende, ist zu Beginn des<br />
20. Jahrhunderts durch Entdeckungen<br />
und technische Erfi ndungen überfl üssig<br />
geworden. Dennoch durchjagen Pferde die<br />
Werke der Futuristen – gerade weil sich<br />
die Bewegungen eines vierbeinigen Tieres<br />
ungleich intensiver und rasanter darstellen<br />
lassen als die einer Maschine. So gerät<br />
„Die rüttelnde Droschke“ von Carlo Carrà<br />
(1910) durch die extreme Abstraktion und<br />
Aufsplitterung der Formen in der Fantasie<br />
des Betrachters gleichsam zu einer ratternden<br />
Maschine. Nur Räder und das schemenhafte<br />
helle Pferd sind als Gegenstände<br />
auszumachen. Doch gerade wenn die<br />
Futuristen Pferde mit der Geschwindigkeit<br />
der Technik und der Großstadt konfrontieren,<br />
kommt ein neuzeitlicher Aspekt der<br />
Pferdedarstellung zum Ausdruck: Seit das<br />
Pferd als Arbeitstier abgelöst ist durch die<br />
Technik, kann man es distanziert wahrnehmen.<br />
So wird dieses Tier zunehmend zum<br />
Sinnbild des Leidens. Besonders wenn es<br />
reiterlos ist, kann das Pferd symbolisch an<br />
die Stelle des Menschen treten.<br />
Fast alle Pferde von Franz Marc sind ohne<br />
Reiter. Auch auf seiner ersten Karte an Else<br />
Lasker-Schüler, in der er sich als blauer<br />
Reiter vorstellt, malt er sich neben einem<br />
Fohlen stehend so, dass beide Körper verschmelzen.<br />
Kandinskys Pferde tragen immer<br />
einen Reiter, und gerade darin offenbaren<br />
sich zwei Grundstömungen des Blauen<br />
Reiter innerhalb des Aufbruchs und der<br />
Suche nach dem „Geistigen in der Kunst“,<br />
wie Kandinsky es genannt hat: „Gegensätze<br />
und Widersprüche – das ist unsere Harmonie.“<br />
Kandinsky sieht in Pferd und Reiter<br />
die stürmische Überwindung der Materie,<br />
während Marc zur Verinnerlichung zu<br />
gelangen sucht und gerade deshalb auf den<br />
Reiter verzichtet. Beiden Künstlern geht es<br />
darum, die verloren geglaubte Einheit von<br />
Mensch und Natur zurückzubeschwören.<br />
Vier in der Ausstellung gezeigte Werke von<br />
Franz Marc und Wassily Kandinsky mit<br />
Pferdemotiven aus dem Jahre 1913 möchte<br />
ich eingehender vorstellen.<br />
Kandinskys „Improvisation 13“ zeigt, wie<br />
das Motiv des Almanachs „Der Blaue Reiter“,<br />
den Heiligen Georg auf dem Schimmel.<br />
Doch nichts mehr von der Ruhe<br />
des Frontispiz des „Blauen Reiter“, hier<br />
15
16<br />
wird das Bildformat gesprengt von einem<br />
gewaltigen nach links sich bäumenden<br />
Schimmel mit wenigen dunklen Flecken.<br />
Der offensichtlich gerüstete Reiter ist aus<br />
der Senkrechten weit nach hinten geneigt,<br />
so dass er und das Pferd entgegengesetzte<br />
Diagonalen bilden. Lanze und Drache sind<br />
nicht gegeben, die Gestalt der Prinzessin<br />
ist nur zu erahnen. Wie bei „Lyrisches“ ist<br />
die Mähne des Pferdes zu einer Wellenlinie<br />
stilisiert. Die einzige ruhige Senkrechte<br />
ist der Unterschenkel des Reiters, der die<br />
Bildmitte markiert. Alle weiteren Formen<br />
des Bildes sind mit Vehemenz gestaltet und<br />
kaum gegenstandsbezogen. Die dominante<br />
Farbe ist das abgetönte Weiß des Pferdes,<br />
die ihm eine beinahe immaterielle Dynamik<br />
verleiht. Kraftvolle Linien unterstreichen<br />
die Bedeutung des Heiligen Georg<br />
als Retter. Fast alle weiteren Farben sind<br />
mit Weiß abgemischt und scheinen von<br />
Pferd und Reiter weg aus dem Bildformat<br />
hinauszudrängen.<br />
In „Über das Geistige in der Kunst“ sagt<br />
Kandinsky über seine Improvisationen:<br />
„(...) hauptsächlich unbewusste, größtenteils<br />
plötzlich entstandene Ausdrücke der<br />
Vorgänge inneren Charakters, also Eindrücke<br />
von der ‚inneren Natur’“.<br />
Franz Marc geht im selben Jahr in ähnlicher<br />
Absicht ganz anders vor. Drei Bilder in der<br />
Ausstellung verdeutlichen das.<br />
„Die Blauen Fohlen“ wirken auf den ersten<br />
Blick recht beschaulich. Wie fast alle Pferde<br />
von Franz Marc erinnern ihre runden Formen,<br />
die dunklen Mähnen und die Form<br />
der Augen an die Urpferdchen der Höhlenmalereien.<br />
Marc hat bewusst darauf verzichtet,<br />
bestimmte Pferderassen darzustellen.<br />
Auch versteht er sich nicht als Tiermaler im<br />
herkömmlichen Sinn, sondern seine Tiere<br />
weisen über sich hinaus. Deshalb wirken sie<br />
immer hermetisch, dem Betrachter bleibt<br />
emotionaler Kontakt verwehrt. Farblich<br />
und formal sind sie vollkommen eingebunden<br />
in die Natur, wobei auch diese zur<br />
Chiffre wird. Im Laufe von Marcs Schaffen<br />
werden die Tiere immer wieder zu Trägern<br />
von Formen und Farben, die Eigenwert<br />
erhalten und unter den Einfl üssen von<br />
Kubismus und Futurismus zur Abstraktion<br />
führen. Der frühe Tod des Künstlers hat<br />
diese Entwicklung unterbrochen.<br />
Dem Werk ist aus mehreren Gründen<br />
eine beunruhigende Spannung eigen, die<br />
aus ganz anderen künstlerischen Mitteln<br />
resultiert als Kandinskys „Improvisation<br />
13“. Beide Tiere scheinen aus dem Gleichgewicht,<br />
das Fohlen vorn ist in leichter<br />
Untersicht gegeben, während das hintere in<br />
Aufsicht zu sehen ist. Das Tier hinten wendet<br />
den Kopf nach rechts und stemmt die<br />
Vorderhufe gegen den Boden. Das Fohlen<br />
vorn ist aus der Achse nach links gekippt<br />
und wendet den hochgeworfenen Kopf mit<br />
weit aufgerissenem Auge gegen ein rotes<br />
Gestirn am oberen Bildrand. Beide Tiere<br />
werden vom Bildformat so eingeengt, dass<br />
ein Vorderhuf den Bildrand überschneidet.<br />
Links in der Ferne bäumt sich ein weiteres<br />
blaues Pferd, das wie erschreckt den Kopf<br />
abwendet.<br />
Der Hintergrund des Werkes ist kaum<br />
defi niert, er bildet eine stark abstrahierte<br />
karge Farblandschaft aus Rot-, Grün- und<br />
Gelbtönen, die in einen hellen Berg unter<br />
rotem Himmel am oberen Bildrand gipfelt.<br />
Von diesem abgeschnitten erscheint die<br />
rote Kreisform eines Gestirns, die in der<br />
Flanke des Fohlens wiederkehrt. Auch weite<br />
Teile des Bildgrundes sind rot. Zwischen<br />
den sich diagonal verschränkenden Beinen<br />
der Fohlen kreuzen sich dunkle Linien, die<br />
an abgestorbene Bäume erinnern und dem<br />
Werk eine zusätzliche Unruhe verleihen,<br />
zumal sie mit den runden Formen der<br />
Fohlenleiber kontrastieren.<br />
Das labile Gleichgewicht der Fohlen, die<br />
rote Farbe, der aufgeworfene Kopf des<br />
Tieres und das sich bäumende Pferd im<br />
Hintergrund verleihen dem kleinen Bild<br />
eine unheimliche Atmosphäre.<br />
Im selben Jahr malt Marc zwei Fassungen<br />
„Drei Pferde“ – eine gänzlich andere<br />
Konstellation als die „Blauen Fohlen“. Das<br />
ausgestellte Werk zeigt drei Pferde, die das<br />
Bildformat fast vollkommen ausfüllen. Am<br />
unteren Bildrand liegt ein schlummerndes<br />
rotes Pferd, optisch darüber steht ein<br />
gleichfalls ruhendes schwarzes Pferd, und<br />
links zeigt Marc als Rückenfi gur ein gelbes<br />
Pferd. Es schaut so aus dem Bild nach<br />
links, dass sich Kopf und Hals zwischen<br />
den beiden anderen Pferden befi nden und<br />
die Pferdeköpfe eine Diagonale ergeben.<br />
Die drei Pferdekörper bilden eine geschlossene<br />
Form, fast als wären sie eine Schicksalsgemeinschaft.<br />
Der Bildgrund vorn ist<br />
bis auf einige Grashalme stark abstrahiert<br />
und nimmt die Farben des roten und des<br />
gelben Pferdes auf. Nach oben/hinten<br />
werden die Formen kubischer und differenzierter<br />
und lassen einen Teich, Häuser<br />
und Berge erkennen. Marc schildert das für<br />
Pferde typische Verhalten: Während einige<br />
ruhen, hält ein anderes Wache. Dennoch<br />
wirken diese Tiere noch weniger beschaulich<br />
als die „Blauen Fohlen“, weil zwei von<br />
ihnen bis auf die Rippen abgemagert sind.<br />
Auch irritiert die dunkle Farbe des stehenden<br />
Pferdes, und man fühlt sich an das im<br />
selben Jahr entstandene Werk „Das arme<br />
Land Tirol“ erinnert. Auf diesem Gemälde<br />
und auf „Das lange gelbe Pferd“ sieht man<br />
nicht die für Marc üblichen runden, wohlbeleibten<br />
Tiere, sondern magere Geschöpfe<br />
mit gelängtem Körper, die in Verbindung<br />
mit weiteren Werken Marcs als Vorboten<br />
der Apokalypse gesehen werden können.<br />
Das dritte in der Ausstellung gezeigte<br />
Gemälde von 1913, „Stallungen“, ist<br />
stark vom Kubismus, Orphismus und<br />
Futurismus beeinfl usst. Die in Ständern<br />
aufgestallten Pferde ergeben eine rhythmische<br />
Gliederung, die jedoch zur linken<br />
Seite hin an Konsequenz verliert. Schrägen<br />
und eine hohe bogenförmige Form deuten<br />
eine Bedachung an. Rechts stehen mit der<br />
Hinterhand zum Betrachter zwei Pferde,<br />
deren gebogene Schweife und zur Seite
gewendeten Hälse Rundungen aufweisen,<br />
die in angedeuteten Heuraufen und<br />
in dem Bogen in der linken Bildhälfte<br />
wiederkehren. Dieser große Bogen scheint<br />
sich nach links zu öffnen. Darunter steht<br />
parallel zum Betrachter ein rotes Pferd mit<br />
zurückgewendetem Kopf. In Kruppe und<br />
Widerrist des Tieres wird die Bogenform<br />
aufgenommen. Im Hintergrund links ist<br />
ein weißes, entgegengesetzt stehendes Pferd<br />
zu sehen, dessen Kopf fast ganz hinter<br />
einem Balken verschwindet.<br />
Formal ist das Werk ein dichtes Gefüge<br />
von geometrischen Formen, teilweise<br />
spitzen Diagonalen, die ins Bildinnere<br />
eindringen, linearen Gebilden, eckigen<br />
Formen und solchen, die in der rechten<br />
Bildhälfte an Häuser erinnern, während sie<br />
in der linken Seite Chiffren für Natur sein<br />
könnten. Die Pferde durchbrechen und<br />
kontrastieren wegen ihrer Rundungen die<br />
strenge formale Gestaltung. Dazu tragen<br />
zahlreiche mondsichelartigen Formen bei,<br />
die Marc eingebracht hat. Auffällig sind die<br />
angedeuteten stark vergrößerten Glieder<br />
einer Kette unter der Heuraufe in der Bildmitte.<br />
Während die beiden Pferde rechts<br />
eingezwängt sind in enge Ständer scheinen<br />
sich die beiden Tiere links in Freiheit zu<br />
befi nden. „Stallungen“ ist Marcs einziges<br />
Werk, das Pferde teilweise in einer vom<br />
Menschen geschaffenen Umgebung zeigt.<br />
Auffallend ist auch die farbliche Gestaltung.<br />
Die häufi g mit Weiß abgemischten<br />
prismatischen Farben kontrastieren mit<br />
dem roten und dem weißen Pferd in der<br />
oberen Bildhälfte links. Immer wieder<br />
durchlichten helle Gelb- und Grüntöne<br />
das Werk und verleihen ihm im Zusammenspiel<br />
mit geometrischen Formen die<br />
Wirkung von Prismen oder Kristallen.<br />
Alle drei Werke aus diesem für Marcs<br />
künstlerisches Schaffen besonders reichen<br />
Jahr 1913 zeigen sehr verschiedene Pferde.<br />
Auf der Suche nach der verlorenen geglaubten<br />
Einheit mit der Natur durch die<br />
„Animalisierung der Kunst“, wie Marc es<br />
nannte, hatte er erkannt, dass er auf seine<br />
Tiere verzichten musste, um zur reinen<br />
Selbsterkenntnis zu gelangen: „Die Kunst<br />
überwindet die Natur, sie ist die Brücke ins<br />
Geisterreich.“ Davon könnte „Stallungen“<br />
Zeugnis geben. Bedenkt man, dass auch<br />
das verschollene Werk „Turm der Blauen<br />
Pferde“ im selben Jahr entstanden ist, wird<br />
umso deutlicher, wie unterschiedlich Marc<br />
seine Pferde gestaltet hat. Sie sind nicht um<br />
ihrer selbst willen gemalt, sondern weisen<br />
über sich hinaus. Else Lasker-Schüler<br />
schreibt anlässlich des frühen Todes ihres<br />
Freundes: „Der Blaue Reiter ist gefallen,<br />
Franz Marc, Stallungen, 1913<br />
Solomon R. Guggenheim Museum,<br />
New York<br />
ein Großbiblischer (...). Er war der, welcher<br />
die Tiere noch reden hörte, und er verklärte<br />
ihre unverstandenen Seelen.“<br />
Bemerkenswert ist, dass wir uns gegenwärtig,<br />
hundert Jahre nach dem Expressionismus,<br />
in einer Zeit vergleichbarer<br />
Erschütterungen befi nden. Wider greift die<br />
Kunst verstärkt auf Tiermotive zurück und<br />
bedient sich besonders des Pferdes. Den<br />
Anfang dazu hat nach dem Zweiten Weltkrieg<br />
Marino Marini gemacht mit seinen<br />
erschütternden, „Miracolo“ genannten,<br />
verzweifelt sich aufbäumenden Pferden,<br />
deren Reiter im Begriff sind zu stürzen.<br />
In der zeitgenössischen Kunst ist der Reiter<br />
abgestiegen, wie schon bei Franz Marc,<br />
aber die Pferde sind gebrochene Tiere,<br />
die stürzen oder am Boden liegen. Davon<br />
zeugen beispielsweise Werke von Norbert<br />
Tadeusz, Emil Schumacher oder Berlinde<br />
De Bruyckere.<br />
So ist der eingangs zitierte Wunsch von<br />
August Macke in Erfüllung gegangen,<br />
wenngleich das utopische Programm des<br />
Blauen Reiter gescheitert ist. Es bleibt<br />
spannend, in welcher Form das Pferd als<br />
Symbol fortleben wird.<br />
Marlene Baum<br />
17
Architektur in Wuppertal wird geprägt<br />
von großbürgerlichen Fabrikanten-Villen,<br />
bescheideneren bergischen Wohnhäusern<br />
mit ihren Schieferfassaden und natürlich<br />
vom Nachkriegsbaustil der 50er bis 70er<br />
Jahre, der dem Erfordernis geschuldet ist,<br />
der ausgebombten Bevölkerung preiswerte<br />
Wohnungen anzubieten. Nur eine kleine<br />
Gruppe von Wuppertalern kennt Gebäude,<br />
die in der Tradition der Bauhaus-Architektur<br />
geplant und erstellt wurden.<br />
Außenansichten des Hauses aus verschiedenen Perspektiven<br />
Das Bauhaus Fischer in Wuppertal<br />
Eines dieser Häuser ist das Gebäude, das<br />
1926 bis 1927 an der Oberen Lichtenplatzstraße<br />
von dem Architekten Hans<br />
Heinz Lüttgen entworfen und in die Tat<br />
umgesetzt wurde. Bauherr war damals<br />
der jüdische Rechtsanwalt Dr. Walter<br />
Fischer, der allerdings in seherischer Voraussicht<br />
bereits im Sommer 1933 mit der<br />
Machtübernahme der Nationalsozialisten<br />
Deutschland verließ und sich mit seiner<br />
Familie in Palästina – damals britisches<br />
Mandatsgebiet – niederließ. Er hat sein<br />
Haus, das 1939 von der Familie des Flugpioniers<br />
Gottlob Espenlaub(„Villa Espenlaub“)<br />
übernommen wurde, nie wieder<br />
gesehen. Espenlaub war im Dritten<br />
Reich ein Regime treuer Flugzeug- und<br />
Automobilfabrikant, der auf Grund seines<br />
technischen Wissens den Nationalsozialisten<br />
für den erhofften „Endsieg“ zuarbeitete.<br />
Noch heute ist die „Villa Espenlaub“<br />
in den Köpfen der Menschen, nicht die<br />
„Villa Dr. Fischer“.<br />
Bis 1981, als das Gebäude von Dr. Hans<br />
Günther Golinski und Dr. Hans-Jürgen<br />
Schwalm erworben wurde, ist das Bauhaus<br />
Fischer - innen und außen – zum<br />
Teil bis zur Unkenntlichkeit verändert<br />
und „modernisiert“ worden. Vor dem<br />
Einzug der heutigen Eigner stand das<br />
Haus sieben Jahre lang zum Verkauf, was<br />
natürlich auch nicht zu seiner inneren<br />
und äußeren Attraktivität beigetragen<br />
hat. Es steht seit 1989 unter Denkmalschutz.<br />
Behutsam und unter Verwendung<br />
der wenigen vorhandenen Einbauelemente<br />
(Treppengeländer, Wandschränke,<br />
Fußböden) stellten Golinski und<br />
Schwalm den ursprünglichen Zustand<br />
wieder her, besonders was die Farbgebung<br />
innen und außen betrifft. Möbel<br />
aus der Zeit, als die Familie Dr. Fischer<br />
das Haus bewohnte, waren nicht mehr<br />
vorhanden. Das rosa Mauerwerk außen<br />
wurde rekonstruiert, ebenso das Blau<br />
der Fensterrahmen und - -kreuze. Im<br />
Inneren fanden die heutigen Besitzer nur<br />
19
Blick ins Treppenhaus Einrichtungsdetails<br />
linke Seite oben:<br />
das Esszimmer,<br />
unten<br />
Ansicht des Musikzimmers<br />
wenige Spuren vom Bauhaus Fischer<br />
aus dem Jahre 1927. In einem der<br />
Erdgeschossräume entdeckten sie die<br />
hebräische Inschrift in lateinischen Buchstaben<br />
„mene, mene Tekel ll – Pharsin“,<br />
was ungefähr „Gewogen, gewogen und<br />
zu leicht befunden“ bedeutet. Neben<br />
den menschlichen Dimensionen und<br />
der Vielfarbigkeit im Inneren präsentiert<br />
sich das Bauhaus Fischer heute in<br />
geschmackvoller Farbigkeit, gepaart mit<br />
einer dezenten und edlen, aber wohnlichen<br />
Möblierung einschließlich Bildern<br />
und Kunstgegenständen verschiedener<br />
Epochen und Kulturen.<br />
Der 1919 unter anderem von den Architekten<br />
Walter Gropius und Mies van<br />
der Rohe initiierte Bauhausstil wendete<br />
sich bewusst vom bis dahin in Deutschland<br />
„für die bessere Gesellschaft“ praktizierten<br />
Monumentalstil ab und verwirklicht<br />
ein Wohnen mit „menschlichem<br />
Antlitz“ . Der desaströse Ausgang des<br />
Ersten Weltkriegs (1914- 1918) hat wohl<br />
mit dazu beigetragen. Den Hauseingang<br />
sieht man nur, wenn man sich dem<br />
Gebäude nähert. Keine Säulen oder<br />
Stuckornamente zieren das Mauerwerk.<br />
Die Haustür ist eine `Tür`, kein Tor.<br />
Heute kann in Dessau der Bauhausstil<br />
wieder studiert werden Er kam in der<br />
Zeit , als die Villa Dr. Fischer gebaut<br />
wurde, bei der Bevölkerung gar nicht<br />
gut an. Das erhöht errichtete Gebäude<br />
in den Barmer Anlagen wurde mehr<br />
oder weniger als Schandfl eck angesehen.<br />
Noch zu sehr war die Villen-Architektur,<br />
die auch in der äußeren Gestaltung der<br />
Reihenbebauung aus der damaligen<br />
Zeit erkennbar ist, in den Köpfen der<br />
Menschen der 20er Jahre des vorigen<br />
Jahrhunderts. Die Räume der Bauhaus-<br />
Architektur haben eine „normale“<br />
Höhe und sind von überschaubarem<br />
Ausmaß. Sie haben einen ausgeklügelten<br />
Lichteinfall, die Fenster sind aber nicht<br />
überdimensioniert, die Wärmeisolierung<br />
entspricht heutigem Standart. In ihrem<br />
wieder hergestellten „Urzustand“ sind<br />
alle Zimmer einer Etage, wie ursprünglich<br />
geplant, durch Türen mit einander<br />
verbunden, ohne dass ein jeweils separater<br />
Eingang vom Korridor her fehlt. Eine<br />
„Arme- Leute“- Aufteilung ist nicht<br />
erkennbar, was auch ein Lastenaufzug<br />
von der Küche in die oberen Etagen<br />
deutlich macht. Eine „gutbürgerliche“<br />
Familie fi ndet reichlich Platz, ohne dass<br />
die Zimmer Dimensionen von Sälen<br />
annehmen.<br />
Durchblick<br />
Das Bauhaus Fischer ist in die Umgebung<br />
eingebettet. Man schaut in die<br />
Barmer Anlagen. Unmittelbar hinter<br />
dem Haus grenzt ein zum Grundstück<br />
gehörender veritabler Baumbestand auf<br />
über 2.000 qm Fläche an das Gebäude<br />
an., so dass ein Übergang zum „öffentlichen<br />
“ Wald kaum erkennbar ist.<br />
Joachim Krug<br />
Fotos:Torsten Krug<br />
21
Claudia Bauer<br />
richtet in Wuppertal<br />
Tennessee Williams´<br />
„Endstation Sehnsucht“<br />
zugrunde.<br />
Inszenierung: Claudia Bauer<br />
Bühne/Kostüme:<br />
Patricia Talacko, Bernd Schneider<br />
Musik: Smoking Joe<br />
Besetzung: Blanche DuBois (Sophie Basse)<br />
Stella Kowalski (Anne-Catherine Studer)<br />
Stanley Kowalski (Holger Kraft)<br />
Mitch (Lutz Wessel)<br />
Eunice (Amber Schoop)<br />
Steve (Marco Wohlwend)<br />
Pablo (Hendrik Vogt),<br />
sowie Götz Vogel von Vogelstein<br />
und Claudia Schulz<br />
linke Seite:<br />
Sophie Basse, Holger Kraft<br />
vorne Sophie Basse<br />
v.l.n.r.: Hendrik Vogt, Marco Wohlwend,<br />
Holger Kraft, Lutz Wessel<br />
hinten: Götz Vogel von Vogelstein<br />
Endstation<br />
Es ist ein wunderbares Theaterstück, voller<br />
Poesie einerseits, von brachialer Kraft<br />
und durchaus Brutalität zum anderen,<br />
berührend und den Zuschauer mitnehmend,<br />
wenn, ja wenn es von einer Inszenierung<br />
ernst genommen wird. Tennessee<br />
Williams hat mit „Endstation Sehnsucht“<br />
(A streetcar named desire) eines der<br />
schönsten, dramatischsten Stücke der<br />
amerikanischen Theaterliteratur geschrieben,<br />
tief die Seelen seiner Figuren am<br />
unteren Rand der Gesellschaft ausgelotet<br />
– ein Meisterstück über Sehnsüchte und<br />
Verlierer. Von den Wuppertaler Bühnen<br />
wurde es zuletzt vor 12 Jahren mit der<br />
hervorragenden Eike Gercken als Blanche<br />
DuBois unter der zwiespältigen Regie<br />
von Paolo Magelli und vom TiC mit der<br />
grandiosen Petra Koßmann 1998 in einer<br />
mustergültigen Inszenierung von Thomas<br />
Spielmann aufgeführt. Nun dieser Deutungsversuch<br />
von Claudia Bauer, deren<br />
Wuppertaler „Macbeth“-Inszenierung<br />
noch vielen in Erinnerung sein wird.<br />
In das Klima der Perspektivlosigkeit, in<br />
dem Blanches Schwester Stella (facetten-<br />
reich: Anne-Catherine Studer) und deren<br />
brutaler Mann Stanley (wuchtig: Holger<br />
Kraft) in einem verkommenen Viertel<br />
von New Orleans leben, tritt die einst<br />
großbürgerliche Blanche DuBois (überzogen:<br />
Sophie Basse) als in die letzte Station<br />
auf der Flucht vor ihrem verpfuschten<br />
Leben ein: alkoholabhängig, nymphomanisch,<br />
verlogen, verbrannt. In der<br />
beklemmenden Enge und in der feuchten<br />
Hitze Louisianas prallen Haß, Habgier,<br />
Begehrlichkeiten und Gewalt aufeinander,<br />
keinem Gefühle – und werden brutal<br />
zertreten. So will es das Stück. Man ahnt<br />
zwar, daß Claudia Bauer nach einer modischen<br />
Übersetzung dafür gesucht hat –<br />
gefunden hat sie sie aber beileibe nicht.<br />
„Die Sanften müssen schimmern“, dieses<br />
Zitat der Blanche fi ndet in keinem Moment<br />
von Claudia Bauers Inszenierung<br />
seinen Niederschlag. Hingegen setzt sie<br />
auf en face zum Publikum gebrüllte Dialoge,<br />
Stroboskop-Effekte, gewollt schrille<br />
Gestalten (ZZ Top und Rockabilly<br />
lassen grüßen) auf Klamotte, überzogene<br />
Gewalt, ein paar nackte Männer-Ärsche<br />
und eine Bühnen-Ausstattung, die zwar<br />
23
24<br />
so ärmlich ist wie die Welt der Kowalskis<br />
und ihrer Nachbarn, aber diese Botschaft<br />
dennoch nicht vermittelt.<br />
Anne-Catherine Studer läßt als Stella das<br />
Wechselbad der Gefühlslagen einer Frau<br />
aufscheinen, die sich in fataler Abhängigkeit<br />
von ihrem brutalen Mann längst<br />
aufgegeben hat, Lutz Wessel gibt den<br />
aggressiv gehemmten Mitch bis hin zum<br />
Vergewaltigungsversuch einfühlsam und<br />
Holger Kraft, der Brutalo vom Dienst der<br />
Wuppertaler Bühnen, wird seiner Rollenzuweisung<br />
gerecht. Sophie Basse kann die<br />
gebrochene Blanche zwar vorführen, doch<br />
nicht überzeugend vermitteln. Sie leidet<br />
sie wie ausnahmslos alle anderen Rollen<br />
an einer regelrechten Inszenierungswut<br />
Bauers. Die wenigen leisen Momente,<br />
die diese Blanche dem Publikum öffnen<br />
könnten, gehen in unverständlichem<br />
Gefl üster unter. Allein ihre Schlußszene<br />
berührt. Aber da ist es für diese Inszenierung<br />
sowieso längst zu spät.<br />
Es ist ein Jammer um das vorzügliche<br />
Stück, das mehr Liebe und wirkliche,<br />
nicht plakatierte Leidenschaft verdient<br />
hätte. Hier konnte man am lebenden Beispiel<br />
sehen, wie eine Über-Inszenierung<br />
mit hochfl iegenden inszenatorischen Ambitionen<br />
(ich unterstelle, daß es die gab)<br />
ein solides Stück trotz - mit einigen Ausnahmen<br />
- guter Darsteller völlig zugrunde<br />
richten kann. Claudia Bauer hat das<br />
gründlich besorgt. Schade um ein Drama,<br />
einen Klassiker, der ohne Schnickschnack<br />
seine Wirkung am besten entfaltet.<br />
Es gibt übrigens in den knapp zwei<br />
Stunden keine Pause – das Theater wird<br />
wissen warum…<br />
Weitere Informationen:<br />
www.wuppertaler-buehnen.de<br />
Frank Becker<br />
Fotos: Uwe Stratmann<br />
oben v.l.n.r.: Amber Schoop, Sophie Basse<br />
Mitte: vorne: Sophie Basse, Holger Kraft<br />
hinten: Anne-Catherine Studer<br />
unten v.l.n.r. Hendrik Vogt, Marco Wohlwend,<br />
Holger Kraft, Lutz Wessel
Die Stadt Köln<br />
erhält spektakuläre Schenkung<br />
aus dem testamentarischen<br />
Nachlass von Prof. Irene Ludwig:<br />
„Von 1957 an hat es uns angespornt, in<br />
Museen durch unsere Erwerbungen Akzente<br />
zu setzen, und vollends nach 1968 wurde<br />
uns bewusst, was uns vorantrieb: Mit unseren<br />
Taten wollten wir Informationslücken<br />
schließen. Wir wollten in die Öffentlichkeit<br />
bringen, was Bewegung auslöste und den<br />
Blick erweiterte“,<br />
so beschrieb Peter Ludwig<br />
die Motivation des Ehepaars.<br />
Natalja Gontscharowa<br />
Porträt Michail Larionow<br />
1913, Öl auf Leinwand<br />
105 x 78 cm<br />
Museum Ludwig, Köln /<br />
Sammlung Ludwig<br />
© VG Bild-Kunst, Bonn 2011<br />
Foto:<br />
Museum Ludwig Köln/RBA<br />
528 Werke für Kölner Museen<br />
Nach dem unerwarteten Tod von Prof.<br />
Dr. h.c. mult. Irene Ludwig im November<br />
des vergangenen Jahres ist nun das<br />
Testament der bedeutenden Mäzenin eröffnet<br />
worden. Die Stadt Köln erhält aus<br />
ihrem Nachlass spektakuläre Schenkungen<br />
und Dauerleihgaben für das Museum<br />
Ludwig und das Museum Schnütgen.<br />
Insgesamt 528 Werke aus dem Besitz von<br />
Prof. Ludwig bereichern auf Dauer die<br />
Kölner Sammlungen. Oberbürgermeister<br />
Jürgen Roters, der heute im Historischen<br />
Rathaus die Schenkungen bekanntgab,<br />
zollte der Kölner Ehrenbürgerin Respekt<br />
und Dankbarkeit für diese Entscheidung.<br />
„Die Stadt Köln und alle heutigen und<br />
künftigen Kunstinteressierten dieser Stadt<br />
werden sich bei jedem Museumsbesuch mit<br />
großer Dankbarkeit an diese außerordentlich<br />
großzügige Schenkung von Prof. Irene<br />
Ludwig erinnern. Damit vollendet sich<br />
eine außergewöhnliche und vertrauensvolle<br />
Beziehung zwischen Köln und dem Stifterpaar<br />
Ludwig ganz im Sinne der Stifter. Ziel<br />
ihrer Liebe zur Kunst war es auch, andere<br />
Menschen am Erlebnis Kunst teilhaben zu<br />
lassen. Dank ihres Engagements gehört das<br />
Museum Ludwig zu den bedeutendsten<br />
internationalen Museen für moderne Kunst.<br />
Das Schnütgen-Museum konnte seine<br />
bedeutende Sammlung um wertvolle Stücke<br />
ergänzen. Wir werden dieses einmalige<br />
Geschenk in Ehren halten.“<br />
Irene und Peter Ludwig verband stets eine<br />
intensive und enge Beziehung mit der<br />
Stadt Köln. Angeregt durch einen Besuch<br />
der Ausstellung der Sammlung Haubrich<br />
im Jahr 1946 in der alten, zum Teil zer-<br />
störten Universität, begann das Ehepaar<br />
Ludwig 1957, Werke für öffentliche<br />
Sammlungen zu erwerben. Erste Leihgaben<br />
aus diesen Ankäufen kamen dem<br />
Museum Schnütgen in Köln bereits 1963<br />
zugute. Über ein halbes Jahrhundert<br />
dauerte das außerordentliche Mäzenatentum<br />
dieses engagierten Sammlerpaares,<br />
innerhalb dessen es den Kölner Museen<br />
unzählige Werke von höchster Qualität<br />
zur Verfügung stellte. Einen Höhepunkt<br />
dieser unvergleichlichen Liebe zur Kunst<br />
bilden dabei sicher die Sammlungen des<br />
Museum Ludwig Köln.<br />
Mit der Schenkung von etwa 400 Werken<br />
gaben Irene und Peter Ludwig 1976<br />
den Anstoß zur Gründung des Museum<br />
Ludwig. Seit weiteren großzügigen<br />
Schenkungen insbesondere in den Jahren<br />
1994 und 2001 – mit dem Beginn der<br />
Amtszeit von Direktor Kasper König<br />
übereignete Irene Ludwig 774 Werke<br />
Pablo Picassos – kann das Museum Ludwig<br />
heute die bedeutendste Sammlung<br />
der Pop Art außerhalb der USA und die<br />
drittgrößte Sammlung Pablo Picassos sein<br />
Eigen nennen und zählt damit zu einem<br />
der wichtigsten Museen für moderne und<br />
zeitgenössische Kunst weltweit. Dieser<br />
besonderen Verbindung sowie ihrem engen<br />
und freundschaftlichen Kontakt zum<br />
Museum Schnütgen verlieh die Kölner<br />
Ehrenbürgerin Irene Ludwig auch in<br />
ihrem Testament größten Nachdruck und<br />
bedachte das Museum Ludwig Köln und<br />
das Museum Schnütgen mit spektakulären<br />
Schenkungen:<br />
Die Stadt Köln erhält das Eigentum an<br />
sämtlichen Werken der vor- und nachrevolutionären<br />
russischen bzw. sowjetischen<br />
Avantgarde, die zum Zeitpunkt<br />
des Todes von Irene Ludwig als Dauerleihgabe<br />
dem Museum Ludwig überlassen<br />
waren. Darunter befi nden sich Hauptwerke<br />
u.a. von Kasimir Malewitsch,<br />
Alexander Rodtschenko und Natalia<br />
Gontscharowa. Insgesamt handelt es sich<br />
um 473 Werke, darunter 130 Gemälde,<br />
Skulpturen und Objekte, 153 Grafi ken,<br />
190 Fotografi en von 84 Künstlern.<br />
25
26<br />
Kasimir Malewitsch<br />
Suprematistische Komposition<br />
1915, Öl auf Leinwand, 66,5 x 57 cm<br />
Museum Ludwig, Köln /<br />
Sammlung Ludwig<br />
Foto: Museum Ludwig Köln/RBA<br />
Darüber hinaus erhält die Stadt Köln 26<br />
Werke aus der Ausstellung „Von Matisse<br />
bis Morimura“ aus dem Herbst<br />
2000 im Museum Ludwig, darunter<br />
Arbeiten der Klassischen Moderne<br />
und der Pop Art von Georges Braque,<br />
Edgar Degas, Paul Klee, Fernand Léger,<br />
Henri Matisse, Robert Rauschenberg,<br />
Kurt Schwitters und Jasper Johns. Diese<br />
Werke kamen im Rahmen der Ausstellung<br />
als Dauerleihgaben ins Haus und<br />
ergänzen unterschiedliche Schwerpunkte<br />
der Sammlung.<br />
Nicht zuletzt erhält das Museum Ludwig<br />
als Dauerleihgabe acht Gemälde<br />
und eine Zeichnung aus dem Privatbesitz<br />
von Irene Ludwig. Darunter<br />
befi ndet sich der erste Ankauf des<br />
Ehepaars Ludwig im Bereich der Klassischen<br />
Moderne: ein Frühwerk von Karl<br />
Hofer, „Nach dem Bade“, aus dem Jahr<br />
1912. Außerdem Werke von August<br />
Macke, Fernand Léger, Henri Matisse,<br />
Lyonel Feininger, Alexej von Jawlensky,<br />
Roy Lichtenstein, Jasper Johns und<br />
Jackson Pollock.<br />
Die Stadt Köln erhält außerdem das<br />
Eigentum an 20 Dauerleihgaben, die<br />
zum Zeitpunkt des Todes von Irene<br />
Ludwig dem Museum Schnütgen überlassen<br />
sind, dazu zählen u.a. ein Ottonisches<br />
Reliquienkästchen aus Niedersachsen<br />
um 1000-1050, ein Memento Mori<br />
aus der Westschweiz um 1520 sowie die<br />
jüngst übergebenen sechs Glasmalereien<br />
aus dem ehemaligen Kreuzgang des<br />
Klosters Altenberg, Köln 1505-1520.
oben:<br />
Roy Lichtenstein<br />
Cup and Saucer I (Tasse und Untertasse)<br />
1977, Bronzeguß 1/3, bemalt 1/3<br />
75 x 46 x 17,5 cm<br />
© VG Bild-Kunst, Bonn 2011<br />
Foto: Museum Ludwig Köln/RBA<br />
:<br />
Das Museum Ludwig besitzt nun dank<br />
dieser Schenkung zahlreicher zentraler<br />
Werke der Russischen Avantgarde<br />
eine der bedeutendsten Sammlungen<br />
außerhalb Russlands. Isabel Pfeiffer-<br />
Poensgen, Vorsitzende des Kuratoriums<br />
der Peter und Irene Ludwig Stiftung,<br />
betont noch einmal die enge Verbindung<br />
des Ehepaars Ludwig zur Stadt<br />
Köln und mahnt gleichzeitig die damit<br />
verbundene Verantwortung an: „Vor 35<br />
Jahren haben Peter und Irene Ludwig<br />
ihre erste große Schenkung an die Stadt<br />
Köln an die Bedingung der Gründung<br />
eines Museums für moderne und zeitgenössische<br />
Kunst geknüpft. Mit der<br />
testamentarischen Verfügung und der<br />
damit verbundenen Schenkung dieser<br />
unvergleichlichen Sammlung zeigt sich<br />
erneut die tiefe Verbundenheit Irene<br />
Ludwigs mit der Stadt Köln sowie ihr<br />
dieser Stadt entgegengebrachtes Vertrauen.<br />
Das bedeutet gleichzeitig eine<br />
unten:<br />
Jasper Johns<br />
Zero to Nine (Null-Neun)<br />
1959, Enkaustik und Collage auf Leinwand,<br />
53,8 x 88,9 cm<br />
© VG Bild-Kunst, Bonn 2011<br />
Foto: Museum Ludwig Köln/RBA<br />
Verpfl ichtung, das Museum Ludwig mit<br />
allen notwendigen Mitteln für eine dauerhafte<br />
wissenschaftliche Aufarbeitung,<br />
Pfl ege und Präsentation der Sammlung<br />
auszustatten. Das Museum Ludwig<br />
zählt dank der Schenkungen von Peter<br />
und Irene Ludwig international zu den<br />
bedeutendsten Museen für moderne<br />
und zeitgenössische Kunst, das in einem<br />
Atemzug mit dem Museum of Modern<br />
Art in New York oder dem Centre<br />
Pompidou in Paris genannt werden<br />
kann. Dieses enorme kulturelle Kapital<br />
sollte genauso wie die damit verbundene<br />
Verantwortung fest im öffentlichen<br />
Bewusstsein verankert sein.“<br />
Kulturdezernent Prof. Georg Quander<br />
hebt noch einmal die Bedeutung Irene<br />
Ludwigs für die Stadt Köln hervor:<br />
„Irene Ludwig war im Hinblick auf ihre<br />
mäzenatische Großzügigkeit eine Ausnahmeerscheinung.<br />
Nicht nur, dass sie<br />
sich zusammen mit ihrem Mann Peter<br />
sowohl für alte wie auch für moderne<br />
Kunst begeisterte, sie verstand es gleichsam<br />
als ihren kulturellen Bildungsauftrag,<br />
diese Kunst durch Schenkungen<br />
und Dauerleihgaben an die Kölner Museen<br />
einem breiten Publikum zugänglich<br />
zu machen. Irene Ludwig<br />
27
28<br />
links:<br />
Warwara Stepanowa<br />
Collage aus „Gaust Tschaba“, 1919,<br />
Futuristisches Buchobjekt, Gouache auf<br />
Zeitungspapier, 17,5 x 27,5 cm<br />
Museum Ludwig, Köln, Sammlung Ludwig<br />
© VG Bild-Kunst, Bonn 2011<br />
Foto: Museum Ludwig Köln/RBA<br />
unten:<br />
Georges Braque<br />
Le table de Bar Stout (Der Tisch in der<br />
Bar Stout), 1912-13, Öl auf Leinwand,<br />
35,7 x 28,6 cm<br />
© VG Bild-Kunst, Bonn 2011<br />
Foto: Museum Ludwig Köln/RBA<br />
gebührt unsere größte Hochachtung<br />
und unser tiefster Dank für diese einzigartige<br />
Schenkung aus ihrem testamentarischen<br />
Nachlass. Ihr Name wird stets<br />
mit dem kulturellen Reichtum dieser<br />
Stadt verbunden sein, ihr Wirken und<br />
ihre Großzügigkeit fi nden im Museum<br />
Ludwig und dem Museum Schnütgen<br />
eine lebendige Fortführung.“<br />
Prof. Kasper König, Direktor des<br />
Museum Ludwig, ist hocherfreut über<br />
die Schenkung und weiß um die damit<br />
verbundene Herausforderung: „Die<br />
Sammlung russischer Avantgarde ist<br />
in jeder Hinsicht von unschätzbarem<br />
Wert. Sie beinhaltet absolute Meisterwerke<br />
von Künstlern wie Malewitsch<br />
oder Gontscharowa, die ganze folgende<br />
Künstlergenerationen geprägt und<br />
inspiriert haben. Diese großzügige<br />
Schenkung aus dem Legat von Irene<br />
Ludwig hat unsere Hoffnungen bei<br />
weitem übertroffen. Wir verstehen sie<br />
als herausragende Zuwendung genauso<br />
wie als große Aufgabe, diese einzigartige<br />
Sammlung zu pfl egen, zu bewahren und<br />
dem Publikum zugänglich zu machen.“<br />
Dr. Dagmar Täube, kommissarische<br />
Direktorin des Museum Schnütgen: „Es<br />
ist ein großes Glück für das Museum<br />
Schnütgen, dass Frau Prof. Ludwig<br />
dafür gesorgt hat, dass die dem Museum<br />
bisher als Dauerleihgabe zur Verfügung<br />
gestellten Stücke auch nach ihrem Tode<br />
nun für immer mit dem Haus verbun-
links:<br />
Alexandra Exter<br />
Synthetische Darstellung von Dieppe<br />
1912 – 13, Öl auf Leinwand<br />
129 x 200 cm<br />
Museum Ludwig, Köln /<br />
Sammlung Ludwig<br />
© Archives Exter-Lissim, Nakov, Paris<br />
Foto: Museum Ludwig/RBA<br />
unten:<br />
Paul Klee<br />
Ein centrifugales Gedenkblatt<br />
1923, Gouache auf kreidegrundiertem Zeitungspapier<br />
auf weißem Karton kaschiert,<br />
54,7 x 41,7 cm<br />
Foto: Museum Ludwig Köln/RBA<br />
29
30<br />
den bleiben und ihm auch zukünftig besonderen<br />
Glanz geben werden. Zusammen<br />
mit dem Harrach-Diptychon aus<br />
dem 8. Jahrhundert, das dem Museum<br />
Schnütgen als Dauerleihgabe erhalten<br />
bleibt, werden diese Stücke stets an ihre<br />
großzügigen Stifter erinnern und wir<br />
werden ihnen ein ehrendes Andenken<br />
bewahren.“<br />
Zur Sammlung der Russischen<br />
Avantgarde<br />
Innerhalb von 20 Jahren hat das<br />
Ehepaar Ludwig eine der weltweit<br />
bedeutendsten und umfangreichsten<br />
Sammlungen im Bereich der Russischen<br />
Avantgarde aufgebaut. Diese<br />
beinhaltet über 450 Werke, die gezielt<br />
für das Museum Ludwig erworben und<br />
als Dauerleihgaben in die Sammlung<br />
integriert wurden. Diese außergewöhnliche<br />
Sammlung ermöglicht einen tiefen<br />
Einblick in die verschiedenen avantgardistischen<br />
Bewegungen zwischen 1905<br />
und den 1930er Jahren, darunter die<br />
Petersburger Organische Schule, der<br />
Neoprimitivismus, der Kubofuturismus,<br />
der Rayonismus, der Suprematismus<br />
und der Konstruktivismus. Über<br />
70 Künstler dieser Zeit sind in der<br />
Sammlung häufi g mit Spitzenwerken<br />
vertreten. Dazu zählen Künstler wie<br />
Alexandra Exter, Natalia Gontscharowa,<br />
Alexej von Jawlensky, Wassily Kandinsky,<br />
Michail Larionow, El Lissitzky, Iwan<br />
Puni, Alexander Rodtschenko, Warwara<br />
Stepanowa, Nikolai Suetin. Es wurden<br />
aber auch ganze Werkkonvolute erworben,<br />
wie bei Kasimir Malewitsch (über<br />
60 Werke) und Alexander Rodtschenko<br />
(135 Werke). Die Sammlung spiegelt<br />
damit eine große Vielfalt an Fragestellungen<br />
wider und zeigt auch, wie viele<br />
künstlerische Positionen sich mit allen<br />
Facetten des Lebens auseinandersetzten.<br />
So reicht dieses Konvolut von der<br />
bildenden bis zur angewandten Kunst<br />
und enthält wichtige Beiträge aus den<br />
Unsere Kulturförderung<br />
ist gut für die Sinne.<br />
Bereichen Malerei, Skulptur, Graphik,<br />
Fotografi e, sowie Projekte und Entwürfe<br />
zu Architektur und Raum, Theater und<br />
Tanz, Möbeln und Alltagsobjekten,<br />
Künstlerbüchern und Plakaten.<br />
Die umfangreiche Sammlung der<br />
russischen Avantgarde wurde erstmals in<br />
zwei Ausstellung in der Josef-Haubrich-<br />
Kunsthalle Köln 1986 und 1993 gezeigt<br />
und wird derzeit in der Projektreihe<br />
„Russische Avantgarde“ neu aufgearbeitet.<br />
Bisher entstanden in der Reihe zwei<br />
Kataloge, „Der Kubofuturismus und der<br />
Aufbruch der Moderne in Russland“<br />
sowie „Kasimir Malewitsch und der Suprematismus<br />
in der Sammlung Ludwig“,<br />
und weitere werden folgen.<br />
www.museum-ludwig.de<br />
Sparkassen-Finanzgruppe<br />
Kunst und Kultur prägen die gesellschaftliche Entwicklung. Die Sparkassen-Finanzgruppe ist der größte nicht-staatliche Kulturförderer<br />
Deutschlands. Auch die Stadtsparkasse Wuppertal ist ein wichtiger Partner für Kunst und Kultur in unserer Stadt. Das ist gut für<br />
die Kultur und gut für Wuppertal. www.sparkasse-wuppertal.de<br />
Sparkasse. Gut für Wuppertal.<br />
S
„Ich fi nde Wuppertal wunderbar,“<br />
sagt Prof. Dr. Lutz-Werner Hesse<br />
ganz ungefragt, „und wenn einem<br />
etwas fehlen sollte, braucht man<br />
nur eine halbe Stunde zu fahren –<br />
was will man mehr!“<br />
Ich fi nde Wuppertal wunderbar<br />
Kaum jemand ist in musikalischen Angelegenheiten<br />
so vielseitig und so viel erfahren<br />
wie Lutz-Werner Hesse. Seit 2009 ist er<br />
geschäftsführender Direktor des Standorts<br />
Wuppertal der Hochschule für Musik<br />
und Tanz Köln, er ist im Vorstand des<br />
Vereins der Freunde und Förderer dieses<br />
Standortes, Vorsitzender der Konzertgesellschaft<br />
Wuppertal, Mitgestalter der Reihe<br />
Kunsthochdrei, einer Kooperation des Von<br />
der Heydt-Museums, des Literaturhauses<br />
und der Musikhochschule, er leitet (noch)<br />
die Bergische Biennale Neue Musik, hält<br />
regelmäßig Einführungen zu den Sinfoniekonzerten<br />
in der Stadthalle, die sich großer<br />
Beliebtheit erfreuen, ist leidenschaftlicher<br />
Dozent für Musikwissenschaften und<br />
Tonsatz – und ganz nebenbei ist er doch<br />
eigentlich Komponist.<br />
Da wegen dieser zahlreichen Verpfl ichtungen<br />
das Komponieren zu kurz kommt,<br />
wird Hesse im Sommer die Leitung der<br />
Bergischen Gesellschaft für Neue Musik<br />
abgeben: „Ich stelle mir die Frage, ob eine<br />
solche überhaupt noch notwendig ist, ob<br />
die ‚Neue Musik’ nicht längst ihren Weg in<br />
den Konzertbetrieb genommen hat?“<br />
Lutz-Werner Hesse ist Rheinländer. Er ist<br />
geboren in Bad Godesberg, in Mönchengladbach<br />
aufgewachsen und hat in Köln<br />
studiert. Deshalb liebt er das rheinische<br />
Temperament samt Karneval.<br />
Sein musikalisches Schlüsselerlebnis war<br />
eine Sinfonie von Gustav Mahler, die er<br />
als Schüler im Konzert gehört hat. Danach<br />
begann der Dreizehnjährige Unterricht<br />
im Instrument Waldhorn zu nehmen und<br />
„wüste, unrealistische Partituren zu schrei-<br />
31
32<br />
ben“, wobei ihm „meist nach fünf Minuten<br />
die Puste ausging.“ Ein hilfreicher Musiklehrer<br />
brachte ihn wieder auf den Boden<br />
der musikalischen Tatsachen zurück, was<br />
immerhin einige Stücke für das Schulorchester<br />
zur Folge hatte sowie die Genehmigung<br />
der Eltern, Schulmusik, Komposition<br />
und Latein zu studieren. Sein Lehrer für<br />
Komposition in Köln war Jürg Baur, der<br />
– Ironie des Schicksals - besonderen Wert<br />
auf Kammermusik legte. Doch seit dem<br />
Studium ist für Hesse die Orchestermusik<br />
wieder der eigentliche Schwerpunkt.<br />
1986 gewann er den GEMA-Wettbewerb,<br />
dessen Preis darin bestand, dass das Stück<br />
gedruckt und aufgeführt wurde – ein<br />
eindrückliches Erfolgserlebnis für einen<br />
jungen Komponisten!<br />
Bereits während der Referendarzeit war<br />
klar, dass Hesse nicht in den Schuldienst<br />
gehen würde, so kam er 1984 nach der<br />
Promotion als Dozent für Musikwis-<br />
senschaften und Musiktheorie an die<br />
Musikhochschule Wuppertal. 2002 folgte<br />
die Ernennung zum Professor. 2008 zog<br />
der Standort Wuppertal um in das neue<br />
Domizil in der Sedanstraße 15, das heutige<br />
„Günter Wand-Haus“.<br />
Hesse ist passionierter Dozent. Auch als<br />
geschäftsführender Direktor möchte er<br />
den Kontakt mit den Studierenden nicht<br />
missen: „Sie konfrontieren uns häufi g<br />
mit Dingen, die außerhalb des eigenen<br />
Blickfeldes liegen, und das ist oft sehr<br />
anregend. Die Glücksmomente entstehen<br />
im Umgang mit den Studenten.“ Diese<br />
Wertschätzung beruht offensichtlich auf<br />
Gegenseitigkeit: Einmal übernahm Hesse<br />
einen Kurs mit jungen Sängerinnen, die<br />
wohl nicht immer ganz einfach sind. Sie<br />
haben bei ‚studiVZ’ eine „Gruppe der<br />
Hesse-Fans“ gegründet und Äußerungen<br />
ihres Dozenten publik gemacht: „Da war<br />
Wolf Erlbruch, Günther Weißenborn und Lutz-Werner Hesse während einer Probe<br />
ich überrascht, was ich alles gesagt haben<br />
soll“, sagt Hesse. So habe er offenbar<br />
in einer kontroversen Diskussion um<br />
verschiedene Komponisten geäußert:<br />
„Den idealen Komponisten können wir<br />
uns nicht backen. Wir müssen mit denen<br />
Vorlieb nehmen, die wir haben.“ Oder in<br />
einer (etwas trägen) Gehörbildungsstunde:<br />
„Ich meine den Ton ‚des’, Frau X., ‚des’<br />
wie Desinteresse“. Lutz-Werner Hesse<br />
bezeichnet sich selbst als Sprachfetischisten<br />
und legt großen Wert auf angemessene<br />
Formulierungen.<br />
Es kommt vor, dass Studenten, die sich<br />
musikalisch bereits vor der Aufnahmeprüfung<br />
qualifi ziert haben müssen, in<br />
Spezialgebieten Hervorragendes leisten.<br />
„Das stellt für den Dozenten eine große<br />
Herausforderung dar. Das ist auch gut so,<br />
denn im Idealfall werden die Studierenden<br />
besser als ihre Dozenten.“ Darum begegnet<br />
man sich in der Musikhochschule,
anders als in einer Universität, in gewisser<br />
Weise auf Augenhöhe.<br />
Da das neue Haus ideale Räumlichkeiten<br />
bietet, reisen sogar Studierende eigens aus<br />
Köln an, um hier zu üben – vielleicht aber<br />
auch, weil sie den „Wuppertaler Geist“<br />
schnuppern möchten, von dem man in<br />
Köln vernommen hat. Dieser Wuppertaler<br />
Geist dürfte zum einen mit der überschaubaren<br />
Größe des Hauses zusammenhängen,<br />
denn jeder kennt jeden, so dass Sprechstunden<br />
kaum nötig sind, weil man sich ohnehin<br />
sieht. Sicher resultiert dieser besondere<br />
Geist aber auch aus der guten Zusammenarbeit<br />
zwischen den Dozenten und der<br />
Hochschulleitung. Sie alle sind als Künstler<br />
sehr besondere Persönlichkeiten, und jeder<br />
trägt zu dem hohen Niveau des doch recht<br />
kleinen Hauses bei: „Dafür, dass wir so<br />
klein sind, machen wir hier verfl ixt viel.“ So<br />
viel, dass beim letzten Hochschulkonzert<br />
im Mendelssohn-Saal in der Stadthalle 150<br />
Besucher nach Hause geschickt werden<br />
mussten, weil der Saal bereits übervoll war.<br />
Was Lutz-Werner Hesse besonders<br />
auszeichnet, ist seine Ruhe und Zugewandtheit,<br />
sein rheinischer Humor, seine<br />
ganz und gar integre, der Sache dienliche<br />
authentische Einstellung, weshalb er in<br />
so mancherlei Konfl ikten zu vermitteln vermag.<br />
So liegt ihm besonders die Konzertgesellschaft<br />
am Herzen wegen der Erhaltung<br />
des Wuppertaler Sinfonieorchesters in der<br />
jetzt bestehenden Form, ohne Fusion. Die<br />
Konzertgesellschaft ist gerade 150 Jahre alt<br />
geworden. Bis 2004 war sie Veranstalter<br />
für die Konzerte des Sinfonieorchesters,<br />
während sie heute „nur“ noch Mitgliederkonzerte<br />
veranstaltet und das Orchester<br />
vor allem fi nanziell unterstützt. Sie vertritt<br />
in Wuppertal gegenüber der Politik die<br />
öffentliche Meinung und ist ein wichtiger<br />
Vermittler zwischen dem Orchester, seinen<br />
Förderern und der Stadt Wuppertal.<br />
Dem Komponisten Lutz-Werner Hesse<br />
bleibt bei diesen anspruchsvollen Tätigkeiten<br />
für seine eigentliche Profession leider<br />
viel zu wenig Freiraum.<br />
Das letzte Werk für großes Orchester waren<br />
2006 die „Variationen ohne Thema“. So<br />
besonderes dieser Titel für ein Musikstück<br />
ist, so ungewöhnlich sind auch häufi g<br />
die Besetzungen von Hesses Arbeiten.<br />
Zum Beispiel hat er ein rasantes Stück für<br />
das traditionelle chinesische Instrument<br />
GuZheng und Orchester geschrieben. Sein<br />
erfolgreichstes Werk, die Komposition<br />
„Vita di San Francesco – elf Stationen aus<br />
dem Leben des Heiligen Franziskus von<br />
Assisi“ für Orgel und 13 Gongs, hatte<br />
bereits über 40 Aufführungen. Hesses<br />
Werke entstehen häufi g als Aufträge, durch<br />
Anregungen oder für bestimmte Musiker.<br />
So komponierte er in Zusammenarbeit<br />
mit Ursula und Günther Weißenborn die<br />
Musik zu dem Buch „Die Werkstatt der<br />
Schmetterlinge“ von Wolf Erlbruch.<br />
Beruf und Privatleben sind bei einer<br />
Tätigkeit, die Leidenschaft und Profession<br />
verbindet, nicht von einander zu trennen,<br />
„manche Konzerten besuche ich aus persönlichen<br />
Gründen, andere wiederum aus<br />
berufl ichen.“ Lutz-Werner Hesse ist nicht<br />
nur Ohren- sondern auch Augenmensch.<br />
Textilmarkt Schloss Lüntenbeck<br />
17. – 20. Mai 2012, 11–18 Uhr<br />
Modenschau täglich 12 Uhr<br />
Tageskarte: 3 € | Dauerkarte: 5 € | Kinder bis 12 Jahre frei<br />
Schloss Lüntenbeck | 42327 Wuppertal | www.schloss-luentenbeck.de<br />
So ist es eine glückliche Fügung, dass seine<br />
Frau, Ines Pröve-Hesse, Künstlerin ist,<br />
und ihre Werke einen visuellen Kontrast<br />
zur Musik darstellen: „Ich lebe inmitten<br />
der bildenden Kunst, denn die Arbeiten<br />
meiner Frau umgeben mich zu Hause und<br />
in der Hochschule.“ Und: „Ich kann mir<br />
keinen schöneren Beruf und kein reicheres<br />
Leben vorstellen, als das, was ich habe. Damit<br />
meine ich nicht materiellen Reichtum,<br />
sondern den Reichtum, den die Familie,<br />
die Freunde, die Menschen, die mit mir<br />
sind, und natürlich die Musik bieten!“<br />
Marlene Baum<br />
Fotos Uwe Schinkel<br />
33
34<br />
Wuppertaler Literatur Biennale 2012<br />
Herta Müller, © Fotograf Paul Esser Christoph Ransmayr, © Ch. Ransmayr Chalid al Chamissi, © Markus Kirchgessner<br />
Im Juni 2012 ist Wuppertal Literaturstadt.<br />
Vom 6. bis 16. Juni 2012 fi ndet erstmalig<br />
die Wuppertaler Literatur Biennale statt.<br />
Mit diesem neu geschaffenen Literaturereignis<br />
begegnet Literatur einem<br />
gesellschaftlich relevanten Aspekt in seiner<br />
Vieldeutigkeit und Vielschichtigkeit:<br />
Im Jahr nach dem „Arabischen Frühling“<br />
ist es „Freiheit“.<br />
Internationale und nationale Autoren<br />
werden in Wuppertal lesen und diskutieren,<br />
u. a. Herta Müller, Christoph Ransmayr<br />
(Österreich), Chalid al Chamissi (Ägypten),<br />
Samar Yazbek (Syrien), Michael Kleeberg,<br />
Abbas Khider (Irak), Margriet de Moor<br />
(Niederlande), Artur Becker und Dariusz<br />
Muszer (Polen), Hermann Schulz, Michael<br />
Zeller und John von Düffel.<br />
Die Eröffnung der ersten Wuppertaler<br />
Literatur Biennale, am 6. Juni 2012<br />
(19:30 Uhr, Mendelsohnsaal der Stadthalle<br />
Wuppertal) steht im Zeichen der arabischen<br />
Demokratiebewegung, der zur Zeit<br />
wohl eindrucksvollsten Verkörperung einer<br />
Sehnsucht nach Selbstbestimmung und<br />
politischer Freiheit. Eingeladen wurden<br />
die syrische Autorin Samar Yazbek und der<br />
ägyptischen Autor Chalid al Chamissi. Sie<br />
lesen kurze Texte, vor allem werden sie aber<br />
erzählen und über die Ereignisse in ihren<br />
Ländern diskutieren. Junge MusikerInnen<br />
der Musikhochschule Wuppertal präsentieren<br />
Stücke von aktuellen Komponisten aus<br />
dem arabischen Raum.<br />
Es wird gelesen, geslamt, zitiert und<br />
diskutiert<br />
So vielschichtig das Thema „Freiheit“<br />
ist, so facettenreich wird das Programm der<br />
ersten Biennale sein: Die junge wie auch die<br />
etablierte Autorenszene Nordrhein-Westfalens<br />
wurde zu einem literarischen Dialog<br />
eingeladen, der mit ganz unterschiedlichen<br />
Veranstaltungen öffentlich wird. Im „Generation<br />
Slam“ treten Karl Otto Mühl, Christiane<br />
Gibiec und Hermann Schulz gegen<br />
die junge Generation mit André Wiesler,<br />
David Grasshoff und Jörg Degenkolb-<br />
Degerli an. In der der „Langen Nacht der<br />
kurzen Texte“ wird eine Auswahl zahlreicher<br />
Autoren der Region Bergisches Land<br />
unter Federführung von Friederike Zelesko<br />
die neue Literaturzeitschrift Karussell vor.<br />
„Vom Stehen über den Dingen“ lautet der<br />
literarische Spaziergang, zu dem Ulrich<br />
Land Kollegen eingeladen haben und dem<br />
das Publikum zahlreich folgen soll. Und in<br />
der „Nacht der Poeten: Die Freiheit, die ich<br />
meine“ lesen AutorInnen aus ganz NRW<br />
anlässlich der Jahrestagung des Verbands<br />
deutscher Schriftsteller in Wuppertal. Eine<br />
literarische Begegnung der polnischen und<br />
deutschen Autoren Dariusz Muszer, Artur<br />
Becker und Michael Zeller fi ndet zur „Freiheit<br />
des Dichtens“ statt.<br />
Die richtungweisenden Wuppertaler<br />
Autoren und Vordenker Friedrich Engels,<br />
Else Lasker-Schüler und Armin T. Wegner<br />
und deren Texte zum Thema Freiheit werden<br />
in einer Lesung durch den Schauspieler<br />
Rolf Becker vorgestellt. Über „Kirchen und<br />
Freiheit“ diskutieren der Künstler Johannes<br />
Stüttgen und der Autor Michael Kleeberg<br />
mit den Wissenschaftlern Prof. Helmut<br />
Zschoch
Thema: Freiheit<br />
Samar Yazbek Margriet de Moor, ©J ohn Foley/Hanser-Verlag<br />
Prof. Jürgen Baurmann. „Die Freiheit<br />
des Worte, die Freiheit des Verlegens“ ist<br />
das Thema der Verlegerrunde, die mit<br />
Christoph Links (Ch. Links Verlag), Lucien<br />
Leitess (Unions Verlag), und Lutz Kliche<br />
(Herausgeber/Lektor) und den AutorInnen<br />
Katja Behrens und Hermann Schulz<br />
zusammentritt.<br />
Endstation Freiheit<br />
Eine weitere herausragende Veranstaltung<br />
ist die international besetzte „Lesebühne<br />
für junge Dramati k“: Endstation Freiheit,<br />
unter dieser Überschrift präsentiert die „Lesebühne<br />
für Junge Dramatik“ im Rahmen<br />
der Wuppertaler Literatur Biennale drei bislang<br />
noch nicht aufgeführte, aktuelle Stücke<br />
junger Theaterautoren: Michel Decar<br />
(Deutschland), Miranda Huba (Kanada)<br />
und Thomas Paulmann (Deutschland).Ausgewählt<br />
wurden deren Beiträge von einer<br />
Jury, der Prof. Dr. John von Düffel (Universität<br />
der Künste, Berlin), der Wuppertaler<br />
Schauspielintendant Christian von Treskow<br />
und der Dramatiker Gerold Theobalt<br />
(Folkwang Universität der Künste, Essen/<br />
Bochum) angehörten.<br />
„Die Lesebühne der Jungen Dramatik“ geht<br />
auf eine Idee von Gerold Theobalt zurück.<br />
Für deren Realisierung kooperieren die Wuppertaler<br />
Bühnen, die Folkwang Universität<br />
der Künste, die Bergische Universität Wuppertal,<br />
die Universität der Künste (Berlin).<br />
Alle Literaturinstitutionen der Stadt<br />
Die Wuppertaler Literatur Biennale<br />
wurde von allen Literaturinstitutionen<br />
Wuppertals gemeinsam geschaffen, was die<br />
Initiatoren durchaus mit Stolz erfüllen darf.<br />
Beteiligt daran sind das Literaturhaus Wuppertal<br />
e.V., die Goethe Gesellschaft/Wuppertal,<br />
die Else-Lasker-Schüler-Gesellschaft,<br />
die Armin T. Wegner Gesellschaft, der<br />
Verband Deutscher Schriftsteller/Bergisches<br />
Land und NRW, die GEDOK Bergisches<br />
Land, die Universität Wuppertal/Fachbereich<br />
Germanistik und das Kulturbüro der<br />
Stadt Wuppertal.<br />
„Der Literatur Gehör verschaffen und Lesen<br />
als zeitgemäß, lustvoll und bereichernd<br />
erleben“ sind deren Ziele. Darüber hinaus<br />
soll die Biennale eine Begegnungsplattform<br />
für Literatur- und Buchinteressierte, für<br />
AutorInnen und Verlage sein.<br />
Ab 17. April 2012 wird das gesamte<br />
Programm veröffentlicht, auch über www.<br />
wuppertaler-literatur-biennale.de. Dann<br />
können Eintrittskarten zu allen Veranstaltungen<br />
über www.wuppertal-live.de<br />
gebucht werden. Die Eintrittspreise liegen<br />
zwischen 3 Euro und 12 Euro. Es gibt auch<br />
gebührenfreie Veranstaltungen.<br />
Ruth Eising<br />
NEU<br />
zur Wuppertaler<br />
Literatur Biennale<br />
2012<br />
KA<br />
RUS<br />
SELL<br />
Bergische<br />
Zeitschrift für<br />
Literatur<br />
Ausgabe 1/2012<br />
9,00 Euro<br />
Wuppertaler Literatur Biennale 2012<br />
Prosa | Lyrik | Essay<br />
von Marlene Baum, Eugen Egner,<br />
Christiane Gibiec, Arnim Juhre,<br />
Karl-Otto Mühl, Karla Schneider,<br />
Hermann Schulz, Andreas Steffens,<br />
Michael Zeller u. v. a.<br />
Karussell<br />
Bergische Zeitung für Literatur<br />
Nr. 1/2012 ab Juni im Buchhandel<br />
Herausgeber:<br />
Verband Deutscher Schriftsteller (VS),<br />
Region Bergisch Land und die<br />
Autorengemeinschaft Literatur im Tal<br />
Mit freundlicher Unterstützung durch<br />
Kulturbüro der Stadt Wuppertal<br />
ISBN 978 - 3 - 942043 - 85 - 4<br />
Verlag <strong>HP</strong> <strong>Nacke</strong> Wuppertal<br />
115 Seiten, 9.– Euro<br />
1<br />
35
36<br />
Tanztheater Wuppertal Pina Bausch<br />
32 Jahre nach der Uraufführung in<br />
Wuppertal und rund ein Jahrzehnt<br />
nach dem letzten Gastspiel in Athen<br />
am Herodes Atticus studiert das Tanztheater<br />
Wuppertal „1980 - Ein Stück<br />
von Pina Bausch“ neu ein<br />
Nach gefeierten Neueinstudierungen<br />
von „Two Cigarettes in the Dark“<br />
vergangene Spielzeit und „Der Fensterputzer“<br />
im November 2011 arbeitet<br />
die Kompanie derzeit an der Neueinstudierung<br />
von „1980- Ein Stück von<br />
Pina Bausch“, uraufgeführt am 18. Mai<br />
1980 am Schauspielhaus Wuppertal.<br />
Es folgten zahlreiche Gastspielreisen<br />
ins In- und Ausland ua. in die DDR,<br />
nach Amerika, Japan und Hong Kong.<br />
Zuletzt gespielt wurde das Stück 2001<br />
in Athen im Herodes Atticus und im<br />
selben Jahr in Wuppertal.<br />
Nach dem Tod von Rolf Borzik, dem<br />
langjährigen Bühnen- und Kostümbildner<br />
von Pina Bausch, war 1980 das erste<br />
Stück, bei dem Peter Pabst als Bühnen-<br />
bildner mitwirkte. Und Marion Cito,<br />
die bereits mit Rolf Borzik zusammengearbeitet<br />
hatte, übernimmt 1980 die<br />
Arbeit an den Kostümen und entwickelt<br />
seine ästhetische Linie weiter.<br />
Zur Besetzung der Uraufführung zählten<br />
damals ua. Lutz Förster, Mechthild<br />
Großmann, Nazareth Panadero und<br />
Jean-Laurent Sasportes. Sie gehören<br />
heute noch, teils als Gäste, zur Kompanie<br />
und werden auf der Bühne zu sehen<br />
sein. Auch jüngere Tänzer des Tanztheaters<br />
lernen derzeit einzelne Rollen<br />
aus „1980“. Die Probenleitung für die<br />
Neueinstudierung haben Dominique<br />
Mercy und Lutz Förster übernommen,<br />
assistiert von Bénédicte Billiet, die<br />
früher selbst viele Jahre in dem Stück<br />
tanzte.<br />
Nach der Aufführungsserie in Wuppertal<br />
wird „1980 - Ein Stück von Pina<br />
Bausch“ mit 19 Tänzern, einem Zauberer,<br />
einem Geiger und einem Barrenturner<br />
mit 12 Vorstellungen im April/Mai<br />
in Paris am Théâtre de la Ville gespielt.<br />
Opernhaus Wuppertal<br />
„1980-Ein Stück von Pina Bausch“<br />
Donnerstag 5. und Samstag 7. April<br />
2012, 19:30 Uhr<br />
Sonntag 8. April und Montag 9. April<br />
(Ostern) 18:00 Uhr<br />
Karten 15 / 30 / 40 / 50 Euro<br />
Tickets: www.pina-bausch.de<br />
Reservierungsstelefon: 0202 569 44 44<br />
Der Vorverkauf beginnt am 9. 2. 2012<br />
1980- Ein Stück von Pina Bausch<br />
Inszenierung und Choreographie<br />
Pina Bausch<br />
Bühne Peter Pabst<br />
Kostüme Marion Cito<br />
Dramaturgie Raimund Hoghe<br />
Mitarbeit Hans Pop Dauer 3h 35min<br />
Probenleitung: Lutz Förster, Dominique<br />
Mercy<br />
Musikalische Mitarbeit Neueinstudierung:<br />
Matthias Burkert<br />
copyright Foto: Ulli Weiss
Ausstellung<br />
Warhol, Basquiat, Clemente<br />
in der Bundeskunsthalle Bonn<br />
noch bis 20. Mai<br />
Andy Warhol, Jean-Michel Basquiat<br />
und Francesco Clemente,<br />
New York, 1984, © Beth Philipps,<br />
Courtesy Galerie Bruno Bischofberger, Zürich<br />
MÉNAGE À TROIS<br />
Die New Yorker Kunstszene der 1980er<br />
Jahre ist legendär. Sie ist vital, kreativ<br />
und medial offener denn je, sie bietet<br />
gerade jungen Talenten eine Spielfl äche<br />
voller Möglichkeiten. Traditionen werden<br />
hinterfragt auf der Suche nach Innovation,<br />
und so bringen die Künstler mit Graffi tis<br />
die Kunst auf die Straße und lassen in den<br />
Ateliers Alltägliches in ihre Kunst Einzug<br />
fi nden, die Malerei steht im Vordergrund.<br />
Drei der einfl ussreichsten Künstler dieser<br />
Zeit, Andy Warhol (1928–1987), Jean-Michel<br />
Basquiat (1960–1988) und Francesco<br />
Clemente (geb. 1952), werden in dieser<br />
Ausstellung vorgestellt – mit Einzelwerken,<br />
die das unterschiedliche künstlerische<br />
Temperament belegen und einen Einblick<br />
in die individuelle Haltung geben, und vor<br />
allem mit den legendären Collaborations<br />
als Zeugnisse der Unterschiedlichkeit, aber<br />
auch der gegenseitigen Wertschätzung,<br />
entstanden in einer intensiven Arbeitsphase<br />
zwischen 1983 und 1985. Während<br />
Andy Warhol, wichtiger Vertreter der<br />
Pop-Art, das Grafi sche und Serielle in der<br />
Kunst in einem klaren, oft kühl wirkenden<br />
Stil ausführt, wirkt das Werk des jungen<br />
Jean-Michel Basquiat mit seiner wütendausdrucksvollen<br />
Geste, einer Mischung aus<br />
Symbolen, Piktogrammen und Buchstaben,<br />
die aus den Graffi tis kommen, wie ein<br />
temperamentvoller Gegenpol zu Warhols<br />
Arbeiten.<br />
Die Gemälde Francesco Clementes, ein<br />
Vertreter der Transavanguardia, wirken<br />
wiederum traumhaft, mystisch und fast<br />
surreal.<br />
Warhol ist 1983 bereits 55 Jahre alt und<br />
blickt auf eine erfolgreiche Karriere zurück<br />
u.a. mit der Factory, dem Interview-Magazin,<br />
The Velvet Underground, Studio 54 ...)<br />
und sein Werk ist malerisch klar defi niert,<br />
er nutzt das kollektive Bildgedächtnis,<br />
Ikonen der Kunstgeschichte und Medien.<br />
Basquiat, damals 23 Jahre alt, steht am<br />
Anfang seiner dynamischen Malerei, nachdem<br />
er sich bis 1979 als SAMO durch<br />
seine Graffi tis (gemeinsam mit Al Diaz)<br />
einen Namen gemacht hatte. Er überträgt,<br />
samplet direkt und ungefi ltert Bestehendes<br />
seiner Generation in eine neue Ästhetik.<br />
Clemente, damals 31-jährig, kommt aus<br />
37
linke Seite:<br />
Andy Warhol, Big Campbell's Soup Can,<br />
19c (Beef Noodle), 1962, Kaseinfarbe und<br />
Bleistift auf Leinen, 178 x 137 cm<br />
Daros Collection, Schweiz<br />
© The Andy Warhol Foundation for the<br />
Visual Arts, Inc.<br />
oben:<br />
Jean-Michel Basquiat<br />
Brown Spots (Portrait of Andy Warhol as<br />
a Banana), 1984, Acryl und Ölkreide auf<br />
Leinwand, 193 x 213 cm<br />
Sammlung Bischofberger, Schweiz<br />
© The Estate of Jean-Michel Basquiat /<br />
ADAGP, Paris, 2011<br />
unten:<br />
Andy Warhol<br />
Mao, 1973, Acryl und Siebdruck auf<br />
Leinwand, 67 x 56 cm, Privatsammlung,<br />
Courtesy Galerie Andrea Caratsch, Zürich<br />
© The Andy Warhol Foundation for the<br />
Visual Arts, Inc.<br />
einer anderen Tradition. Er zieht erst 1981<br />
nach New York und hat unter anderem<br />
während seiner längeren Indienaufenthalte<br />
gemeinschaftliches Arbeiten als Verschmelzung<br />
geistiger Haltungen für sich entdeckt.<br />
Seine Themen sind Fragen nach dem Innen<br />
und Außen, dem Selbst und den Anderen,<br />
dem Körperlichen und Psychischen.<br />
Auch die Zusammenarbeit mit zeitgenössischen<br />
Schriftstellern, von der in der<br />
Ausstellung zwei Werke zu sehen sind, zeigt<br />
ein anderes Verständnis der Kollaboration.<br />
So zeichnet sich die Zusammenarbeit<br />
von Warhol, Basquiat und Clemente – laut<br />
Keith Haring 1988 eine Art „körperliche<br />
Konversationen“ – dadurch aus, dass sich<br />
drei sehr unterschiedliche Künstler mit<br />
bereits klar ausgeprägten Profi len, Interessen<br />
und Themenkreisen begegnen. Jeder<br />
der drei begann mit vier Gemälden und<br />
einer Zeichnung, die in der Folge zu einem<br />
der beiden anderen Künstler transportiert<br />
wurden, wodurch jeder auf das bereits<br />
Gezeichnete, Gemalte oder Gedruckte<br />
reagieren konnte. Die Zusammenarbeit war<br />
intensiv und äußerst produktiv. Aufgrund<br />
der außerordentlich differierenden künstlerischen<br />
Handschriften können die jeweiligen<br />
künstlerischen Beiträge deutlich unterschieden<br />
werden: Warhols Siebdrucke, Basquiats<br />
Ölkreidezeichnungen und Xerokopien und<br />
39
40<br />
Ausstellungsansicht – Foto: David Ertl, © Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland
42<br />
Clementes malerische Visionen. Für alle<br />
drei spielt Sprache und Schrift eine große<br />
Rolle.<br />
Der gegenseitige Einfl uss – vor<br />
allem bei Warhol und Basquiat – prägte<br />
aber auch die individuellen Werke, und<br />
so beginnt Warhol nach mehr als 20<br />
Jahren wieder mit der Hand zu malen<br />
und Basquiat in der Folge mit der Siebdrucktechnik<br />
zu arbeiten.<br />
Die Gemeinschaftsbilder zeigen<br />
deutlich, wie sensibel die drei Künstler<br />
auf den Beitrag der anderen reagierten<br />
und das Bestehende respektierten,<br />
modifi zierten oder wenig übermalten;<br />
der respektvolle Umgang der Künstlern<br />
untereinander, die Wertschätzung und<br />
selbstverständliche gegenseitige Akzeptanz<br />
ist in den Werken ablesbar.<br />
Das Künstlerische impliziert<br />
Einmaligkeit und vor allem Individualität<br />
– die eigene Handschrift. Die<br />
Gemeinschaftswerke der drei Künstler<br />
brechen spielerisch mit dem Begriff der<br />
Individualität, ohne die Autorenschaft<br />
zu leugnen, und beziehen ihre Span-<br />
Francesco Clemente<br />
Portrait of Andy Warhol<br />
1982-1987<br />
Aquarell auf Papier<br />
36,2 x 50,8 cm<br />
Sammlung Alba und Francesco Clemente<br />
© Francesco Clemente<br />
nung aus den konträren malerischen<br />
Gesten. In ihrem Facettenreichtum<br />
spiegeln die Collaborations die Zeit,<br />
die (Pop-)Starrolle, den Ruhm und das<br />
neue Selbstverständnis der Künstler, die<br />
(kunsthistorische) Vorbilder, Alltägliches<br />
und Zeitgenössisches mit einer<br />
frischen, neuen Selbstverständlichkeit<br />
‚benutzen‘; sie spiegeln ihre Wertvorstellungen,<br />
ihre Traditionen, ihre<br />
unterschiedlichen Weltsichten und ihre<br />
gegenseitige Faszination.<br />
Katalog<br />
MÉNAGE À TROIS<br />
Warhol, Basquiat, Clemente<br />
Format: 24,5 x 28 cm<br />
256 Seiten mit zahlreichen Abbildungen,<br />
Hardcover gebunden<br />
Museumsausgabe: 29 Euro<br />
Buchhandelsausgabe (englisch und<br />
deutsch): 45 Euro<br />
Kerber Verlag, Bielefeld<br />
ISBN 978-3-86678-627-1<br />
www.bundeskunsthalle.de
Geschichtsbücher, Buchgeschichten<br />
Vorgestellt von Matthias Dohmen<br />
Nichts dazugelernt: Er war „Karriere-Diplomat<br />
der alten Schule“ (S. 621), Wipert<br />
von Blücher, deutscher Gesandter in Finnland<br />
von 1935 bis 1944, dem es 1918/19<br />
darum ging, „möglichst viel von der alten<br />
Ordnung in die ungewollte Republik“<br />
hinüberzuretten (S. 49 f.).<br />
Blücher, von der Führung in Helsinki sehr<br />
geachtet – immerhin war Finnland das<br />
letzte Land, „das sich aus einer wie auch<br />
immer gearteten militärischen Bündnisverpfl<br />
ichtung mit dem Deutschen Reich löste“<br />
(S. 12) -, brachte kein Verständnis für fi nnische<br />
Eigenständigkeiten auf. Der Judenvernichtung<br />
stand er nicht in Opposition<br />
gegenüber, auch wenn Augstein 1987 das<br />
Gegenteil beschwor und der in die USA<br />
gefl ohene Ernst Herzfeld nach dem Krieg<br />
eine Ehrenerklärung für den Diplomaten<br />
abgab (S. 375-390). Wer einen typischen<br />
Vertreter des preußisch-deutschen Adels<br />
studieren und spannende Jahre intensiver<br />
deutsch-fi nnischer Beziehungen vor Augen<br />
geführt bekommen möchte, demjenigen<br />
sei die dicke Schwarte von Michael Jonas<br />
dringendst ans Herz gelegt.<br />
Michael Jonas, NS-Diplomatie und Bündnispolitik<br />
1935-1944. Wipert von Blücher,<br />
das Dritte Reich und Finnland, Paderborn/<br />
München/Wien/Zürich: Ferdinand<br />
Schöningh 2011 (= Sammlung Schöningh<br />
zur Geschichte und Gegenwart). 687 S.,<br />
74,00 Euro<br />
Finnland ein Zufall: 1809 wird Suomi ein<br />
autonomes Großfürstentum im Rahmen<br />
des russischen Reiches, und zwar als eines<br />
der Ergebnisse der Napoleonischen Kriege.<br />
Seine heutige Gestalt als unabhängiger<br />
Staat verdanken die Finnen dem Ersten<br />
Weltkrieg und der russischen Revolution<br />
1917. Sie könnten, wären die Dinge<br />
ein wenig anders gelaufen, „zufriedene<br />
Schweden“ oder Russen sein.<br />
So beschreibt es der renommierte Historiker<br />
Matti Klinge in dem von Jan Hecker-<br />
Stampehl, Bernd Henningsen, Anna-Maija<br />
Mertens und Stephan Michael Schröder<br />
herausgegebenen Sammelband „1809<br />
und die Folgen“.<br />
Die deutsch-fi nnischen literarischen<br />
Beziehungen der letzten 200 Jahre<br />
untersucht der an der Universität Vaasa<br />
lehrende Christoph Parry. Überzeugend<br />
und mit vielen Details arbeitet er die<br />
Bedeutung der Literatur für die Bildung<br />
der fi nnischen wie der deutschen Nation<br />
heraus. Er macht auch um die unverhohlenen<br />
Sympathien, die Nazi-Deutschland<br />
bei Entscheidungsträgern wie Intellektuellen<br />
in Helsinki besaß, keinen Bogen.<br />
Jan Hecker-Stampehl et al. (Hrsg.),<br />
1809 und die Folgen. Finnland zwischen<br />
Schweden, Russland und Deutschland,<br />
Berlin: Berliner Wissenschafts-Verlag 2011<br />
(= Schriftenreihe des Finnland-Instituts in<br />
Deutschland, 12). 311 S., 29,00 Euro<br />
Keine Heimat: Eine erschütternde Bilanz<br />
seiner Leidenszeit in Stalins UdSSR, zu<br />
DDR-Zeiten euphemistisch „Teilnahme<br />
am sozialistischen Aufbau in der UdSSR“<br />
geheißen, hat der renommierte, 2006<br />
verstorbene Wolfgang Ruge in seinen<br />
ironisch-sarkastisch „Gelobtes Land“<br />
genannten Erinnerungen gezogen. Wer<br />
jemals im heutigen Russland das Vaterland<br />
aller Werktätigen gesehen hat, wird diese<br />
Autobiographie mit Beklemmung lesen.<br />
Das nachmalige Mitglied der Akademie<br />
der Wissenschaften wird 1917 in ein<br />
kommunistisches Elternhaus hineingeboren,<br />
emigriert 1933 nach Moskau,<br />
wo er sehr schnell mit der „tschistka“,<br />
der ersten Stalinschen Parteisäuberung,<br />
Bekanntschaft schließt. Im Waggon Nr.<br />
14 wird er mit anderen Deutschen und<br />
mit unliebsamen Sowjetbürgern weit<br />
nach Osten transportiert. Am 26. April<br />
1956 kehrt er mit Frau und Kind nach<br />
Deutschland zurück, sieht auf dem Weg<br />
in die DDR-Hauptstadt „angespannt aus<br />
dem Fenster“ und versucht, „Anzeichen<br />
eines sozialistischen Wandels zu entdecken“<br />
(S. 440). Vergeblich. Heimat wird<br />
die DDR dennoch für den couragierten<br />
„Faust“-Liebhaber.<br />
Wolfgang Ruge, Gelobtes Land. Meine Jahre<br />
in Stalins Sowjetunion, Reinbek: Rowohlt<br />
2012. 489 S., 24,95 Euro<br />
43
44<br />
Annäherungen an ein Porträt<br />
von Klaus Stiebeling<br />
links:<br />
Hierhin kehrt er immer wieder gern<br />
zurück: Klaus Stiebeling in seiner Stammkneipe<br />
im Tokioter Stadtteil Asagaya.<br />
Foto: privat<br />
rechts:<br />
Unser Japanenthusiast vor einem<br />
buddhistischen Tempel in Onomichi,<br />
wo der Streifen „Die Reise nach Tokio“<br />
des Regisseurs Yasujiro Ozu entstanden ist,<br />
den Wim Wenders den „besten Film aller<br />
Zeiten“ genannt hat.<br />
Foto: Tsutae Ikuno<br />
ganz rechts:<br />
Sammlers Glück:<br />
Stiebeling beim Betrachten einer<br />
Woensam-Grafi k über die<br />
Schulter geschaut.<br />
Foto: Dohmen<br />
Japan, Ginkgo, Goethe<br />
Ein Weltreisender von früh an, der in<br />
Europa wie in Ostasien zu Hause ist: Klaus<br />
Stiebeling, der zahlreiche in Japan wie in<br />
Deutschland entstandene Exlibris sein eigen<br />
nennt, die 1998 in der Stadtbibliothek<br />
ausgestellt waren, eine Reihe wertvoller<br />
„Ginkgonalia“ gesammelt hat, die in einem<br />
Langenberger Antiquariat zu bewundern<br />
sind, und der derzeit nach weiteren Zeugnissen<br />
der Woensam-Gruppe Ausschau hält,<br />
die man sich 2014 in der Stadtbibliothek<br />
wird anschauen können, erblickte am 1. Januar<br />
1939 in Wuppertal das Licht der Welt.<br />
Kindheit und Jugend verbringt er auf dem<br />
elterlichen Bauernhof, den der Vater 1955<br />
verkauft, als sich herausstellt, dass Sohn<br />
Klaus in die weite Welt strebt und mit der<br />
heimischen Scholle wenig anzufangen weiß.<br />
Nach der Volksschule macht er die Mittlere<br />
Reife. Ihr schließt sich die erste der beiden<br />
Berufsausbildungen an, die er beim Wuppertaler<br />
Verlag W. Girardet absolviert. Jetzt<br />
darf er sich Verlagskaufmann nennen. Erste<br />
Reisen führen ihn nach Skandinavien. In<br />
Finnland schließt er Freundschaft mit dem<br />
Schriftsteller Robert Crottet, dessen Bücher<br />
man heute noch bei Amazon bestellen kann.<br />
Die Titel heißen etwa „Verzauberte Wälder.<br />
Geschichten und Legenden aus Lappland“<br />
oder „Negri. Tagebuch einer Katze“.<br />
Es folgt 1961 die Berufsausbildung Nummer<br />
zwei. In der Buchhandlung Nettes-<br />
heim, deren Hauptgeschäft in Elberfeld vor<br />
ein paar Jahren dem Druck der Filialketten<br />
nicht mehr standhielt, lernt er, wie man<br />
Bücher verkauft. Auch dicke Schwarten<br />
mit bunten Abbildungen der Werke<br />
großer Meister, die später eher in sein Fach<br />
schlagen.<br />
Wieder lockt die weite Welt: 1963 und<br />
1964 unternimmt er mit gerade Mitte<br />
20 seine erste Weltreise, während der er<br />
sich neun Monate in den USA aufhält<br />
und 36 US-amerikanische Bundesstaaten<br />
kennenlernt. Drei Monate verbringt er auf<br />
dem Stückgutfrachter Dragor Maersk, der<br />
zwischen den USA, Japan und Südamerika<br />
pendelt. Und dann das Land der aufgehenden<br />
Sonne selbst: Ein halbes Jahr hält sich<br />
Klaus Stiebeling in Japan auf. Plötzlich weiß<br />
er: Hierhin kehre ich noch einmal zurück.<br />
Für zwei Jahre arbeitet er Anfang der<br />
1960er-Jahre in der Buchhandlung Nettesheim,<br />
bevor es ihn wieder nach Übersee<br />
zieht. Wieder nach „Nippon“, aber diesmal<br />
auf dem Landweg. Vier Monate dauert die<br />
Reise über den Vorderen Orient, Indien,<br />
Nepal und Thailand. Per Schiff geht es von<br />
Bangkok nach Yokohama.<br />
Von 1967 bis 1973 arbeitet er im Sanshusha-Verlag,<br />
der sich auf Deutschsprachiges<br />
spezialisiert hat: Lesetexte, deutsche Gram
matiken, Wörterbücher. Deutsch kann Stiebeling<br />
ja, das Japanische lernt er schnell.<br />
Den umtriebigen Wuppertaler drängt es<br />
dann selbst ins Geschäft: Er gründet die<br />
Europe Art GmbH, mit der er sich einen<br />
Namen beim Import von Kunstbüchern<br />
und Druckgrafi k aus Deutschland, Österreich<br />
und der Schweiz macht. Daneben<br />
organisiert er Ausstellungen europäischer<br />
Grafi kkünstler.<br />
Als er mit Unterbrechungen 30 Jahre in<br />
Japan verbracht hat, kehrte er mit seinem<br />
Sohn, der mittlerweile studiert, in seine<br />
Vaterstadt zurück. Dem Fernen Osten hält<br />
er die Treue und gründet Mitte der 1990er-<br />
Jahre den Deutsch-Japanischen Freundeskreis<br />
Wuppertal. Er wohnt im Katernberg,<br />
und wer ihn bei Abwesenheit anruft, hört<br />
auf dem Anrufbeantworter eine Ansage in<br />
Deutsch und auf Japanisch.<br />
Die Katze lässt das Mausen nicht. Stiebeling<br />
hat sein Lebtag gesammelt – zum<br />
Beispiel Exlibris und Dinge, die ein Licht<br />
auf den japanischen Ginkgo-Baum und den<br />
deutschen Klassiker Johann Wolfgang von<br />
Goethe werfen. Und auszustellen, war ihm<br />
nie fremd. Seit wenigen Jahren fi ndet man<br />
im zweiten Stock des Velbert-Langenberger<br />
Antiquariats „Im Honnes“, Hellerstraße<br />
12, zwei ineinander übergehende Räume,<br />
in denen man Devotionalien aller Art rund<br />
um den Dichterfürsten, Teller und Tassen,<br />
Vasen und Fingerhüte, Kerzenleuchter<br />
und Aschenbecher sowie – hier beginnt<br />
Stiebelings Reich – Literatur, darunter<br />
„Goethe und der Ginkgo: Ein Baum und<br />
ein Gedicht“ von Siegfried Unseld, das man<br />
heute ebenfalls noch bei Amazon bekommt,<br />
kunstgewerbliche Artikel und Gebrauchsgegenstände<br />
mit dem Ginkgomotiv bestaunen<br />
kann: Gebäcktabletts im Jugendstil<br />
und Tassen, Gläser und Spiegel, Bilder und<br />
Grafi ken sowie – hervorstechend – die<br />
Utensilien für eine Teezeremonie.<br />
In den „Musenblättern“<br />
(www.musenblaetter.de) hat der Vielleser<br />
beschrieben, wie er persönlich auf den<br />
Ginkgo kam: „Irgendwann stößt man<br />
unweigerlich auf Goethes Gedichte und<br />
auf den West-östlichen Divan. Dort fi ndet<br />
man Ginkgo biloba, und wenn man etwas<br />
mehr über die Entstehung des Gedichtes<br />
erfahren möchte, liest man die Geschichte<br />
der wunderbaren Liebe zwischen Goethe<br />
und Marianne von Willemer.“<br />
Ein Baum und die Beziehungen zwischen<br />
Japan und Deutschland: Die ungewöhnliche<br />
Buchstabenfolge kg im Namen des<br />
sagenumwobenen Baums stammt wohl, hat<br />
Stiebeling herausgefunden, aus der Zeit des<br />
ausgehenden 17. Jahrhunderts, als der deutsche<br />
Arzt und Forscher Engelbert Kaempfer<br />
sich die japanische Bezeichnung transkribieren<br />
ließ, die in lateinischen Buchstaben aber<br />
eigentlich „Ginkyo“ geschrieben werden<br />
müsste. Durch ein Missverständnis oder einen<br />
Übertragungsfehler sei daraus wohl die<br />
Schreibweise entstanden, die wir heute kennen.<br />
Goethe war sich übrigens unschlüssig,<br />
wie das Wort korrekt auszusprechen sei:<br />
Ginko (richtig) oder Gingo (falsch).<br />
Mit der Woensam-Gruppe machte Stiebeling<br />
erst vor rund einem Jahr Bekanntschaft,<br />
als ihm der befreundete Künstler Jordan<br />
Boehm von der „Woensam-Presse“ erzählte,<br />
einem Kreis von Grafi kern, der seine besten<br />
Jahre in Wuppertal hatte. Das ließ ihn nicht<br />
los, zumal er einige Monate später beim<br />
Studium eines Pforzheimer Auktionskataloges<br />
erneut auf diese Gruppe stieß und<br />
daraufhin einige Bücher und Grafi ksammlungen<br />
dieser Künstlervereinigung erwarb.<br />
Zu der nach einem berühmten Grafi ker des<br />
16. Jahrhunderts und Dürer-Zeitgenossen<br />
benannten Gruppe gehörten so bedeutende<br />
Köpfe wie Conrad Felixmüller sowie aus<br />
dem Bergischen der seinerzeitige Leiter der<br />
Werkkunstschule, Wilhelm Geißler, Walter<br />
Wohlfeld und Willi Dirx. 2014 wird es in<br />
der Stadtbibliothek die Retrospektive einer<br />
fast dem Vergessen anheimgefallenen und<br />
doch für die Kulturgeschichte der Stadt so<br />
wichtigen Gruppe geben.<br />
Matthias Dohmen<br />
45
46<br />
Neue Kunstbücher<br />
Über die Sparten hinweg...<br />
Vorgestellt von Thomas Hirsch<br />
… was gemeinhin eher abwertend für<br />
mangelnde Entscheidungsfreude steht,<br />
meint hier wertneutral ein Phänomen der<br />
zeitgenössischen Kunst. Es gibt natürlich<br />
nach wie vor die reinen Maler, die<br />
spezialisierten, entsprechend ausgebildeten<br />
Fotografen und die ganz in ihre Tätigkeit<br />
vertieften Bildhauer, doch auch dann sind<br />
diese Medien klar zuordbar. Mittlerweile<br />
aber ist die Verfügbarkeit und Kreuzung<br />
aller Sparten selbstverständlich. Die<br />
Handschrift legitimiert den Zugriff auf<br />
die Sparten, und der Künstler reagiert mit<br />
Offenheit... Eine der wichtigen medialen<br />
Grenzgängerinnen im deutschsprachigen<br />
Raum ist die Österreicherin Eva Schlegel,<br />
deren Kunst indes äußerst puristisch ist.<br />
Anlässlich ihrer letztjährigen Ausstellung<br />
im MAK Wien ist beim Verlag für moderne<br />
Kunst eine Monographie erschienen,<br />
welche über die Dokumentation hinaus<br />
frühere Arbeiten einbezieht und so das<br />
Werk weiter kontextualisiert. Eva Schlegel,<br />
die Tafelbilder, Objekte, Videos und<br />
Rauminstallation realisiert, wurde 1960 in<br />
Tirol geboren, etwa um 1990 wird sie mit<br />
ihren Werken und Ausstellungen weiter<br />
bekannt, 1995 vertritt sie Österreich auf<br />
der Biennale Venedig, gemeinsam mit<br />
den dekonstruktivistischen Architekten<br />
Eva Schlegel, in between, 200 S. mit ca. 150<br />
Farbabb., Broschur mit Folienumschlag,<br />
32 x 24 cm, Verlag für moderne Kunst,<br />
39,- Euro<br />
von Coop Himmelblau. Das ist schon ein<br />
Hinweis auf das Wechselverhältnis von<br />
Repräsentanz und Entzug in ihrer Kunst<br />
und auf eine Fragilität der Verhältnisse,<br />
die ihre Kunst bis heute kennzeichnet.<br />
Sie hält Dinge fest, die vergänglich sind,<br />
und zwar so, dass sie stabil bleiben. So<br />
printet sie Wolkenhimmel-Fotografi en auf<br />
Bleifl ächen. Und sie entzieht kollektivem<br />
Wissen die Erkenntnis. Sie setzt Schrift<br />
auf Trennscheiben, aber die Schrift ist<br />
unleserlich, wirkt wie verfl ossene Tinte.<br />
Zu einem Kunst am Bau-Projekt hat sie<br />
komplexe Spiegelsituationen entworfen,<br />
die den Raum erweitern und unseren<br />
Standpunkt relativieren. Weiterhin hebt<br />
sie in ihren Fotos und fi lmischen Sequenzen,<br />
die Menschen zeigen, die mit<br />
ausgebreiteten Armen fl iegen und stürzen,<br />
alle Anmutungen von Schwerkraft auf. In<br />
einem Ausstellungsraum des Wiener MAK<br />
ragten große weiße Ballons in dichter<br />
Masse von der Decke und versperrten<br />
einen Durchgang, so dass der Betrachter<br />
wie in eine Höhle, gar einen Körper eintrat.<br />
Mehrere Werkgruppen thematisieren<br />
die weibliche Perspektive – alles vereint<br />
aber ein Zustand, in dem das Gewusste<br />
nicht mehr gewiss ist. Vorgetragen ist<br />
dies in einem Grundton, der sich durch<br />
dieses Werk in seinen unterschiedlichen<br />
Ausformungen zieht und den der Katalog<br />
sehr klar vermittelt, dabei auch einigen<br />
eleganten Aufwand unternimmt, etwa mit<br />
dem Folienumschlag und den unterschiedlichen<br />
Papiersorten.<br />
Der Schweizer Christian Waldvogel lässt<br />
in seiner konzeptuell angelegten Kunst<br />
den Menschen mit seiner Befi ndlichkeit<br />
erst einmal beiseite; er widmet sich der<br />
Erde und dem Universum. Seine Arbeit<br />
bewegt sich im Grenzbereich von Kunst<br />
und Wissenschaft, mithin ließe sich eher<br />
von Projekten reden. Neun seiner „Gedankenexperimente“<br />
seit 2004 sind jetzt in<br />
einer umfangreichen Monographie zusammengefasst,<br />
die, vor zwei Jahren erschienen,<br />
immer noch aktuell ist, aufgrund der<br />
langwierig angelegten Arbeitsweise des<br />
Künstlers, der darin verhandelten Überlegungen,<br />
die sich etwa mit der Erdrotation,<br />
dem Blick des Universums auf das Universum<br />
und der Entstehung der Erde beschäftigen,<br />
und weil wir eben sonst kaum<br />
etwas über Waldvogel wussten. Christian<br />
Christian Waldvogel, Earth Extremes, 494<br />
S. mit ca. 250 Abb., Hardcover, 31,5 x 21<br />
cm, Scheidegger & Spiess, 69,- Euro<br />
Waldvogel ist ein wissenschaftsorientierter,<br />
in den Lüften und unter der Erdoberfl äche<br />
umher schweifender Landart-Künstler.<br />
Er wurde 1971 in Austin geboren. Er hat<br />
in Rhodes Island und Zürich studiert,<br />
wo er heute als Architekt, Musiker und<br />
Künstler lebt. International trat er auf der<br />
Architekturbiennale Venedig 2004 in Erscheinung.<br />
Die künstlerische Umsetzung<br />
seiner Recherchen fi ndet überwiegend in<br />
Form von Fotos, die in unterschiedlicher<br />
Materialität gedruckt sind, und Videoprojektionen<br />
statt – und nun auch als Buch.<br />
Dieses gibt aber nie den Charakter des<br />
dokumentierenden Werkzeugs auf und<br />
hält doch in der Typographie und mittels<br />
reiner Fotostrecken ausgesprochen sinnliche<br />
Erfahrungen bereit, vergleichbar zum<br />
Katalog zu Eva Schlegel. In der Kunstbuch-Produktion<br />
sind eben derzeit einige<br />
Standards und Maßnahmen gefragt, die<br />
Luxus und Großzügigkeit kennzeichnen.<br />
Oder sind bestimmte technische Verfahren<br />
heute leichter, billiger umzusetzen?<br />
Ein weiterer Typus im aktuellen Kunstbuchmarkt<br />
– weg vom „klassischen“<br />
Katalog – hängt gewiss mit den veränderten<br />
Produktionsweisen der Kunst selbst<br />
zusammen. Das betrifft die aktuellen<br />
Bücher von Simon Wachsmuth und Klara<br />
Liden im Kerber Verlag, der zu recht<br />
einen guten Ruf für die gegenwärtige
Szene besitzt. Beide Künstler arbeiten, bei<br />
bestimmten medialen Präferenzen, mit einem<br />
hohen Maß an Vorüberlegungen und<br />
Beobachtungen zu unserer Gesellschaft<br />
in einer reduzierten Formensprache, die<br />
sich nun auch in den Büchern widerspiegelt.<br />
Simon Wachsmuth, der 1964<br />
in Hamburg geboren wurde, in Wien<br />
studiert hat und heute in Berlin lebt, ist<br />
vor allem durch seine Teilnahme an der<br />
documenta 2007 bekannt. Ebenso wie<br />
Klara Liden, die 1979 geborene, auch in<br />
Berlin lebende Schwedin, ist er primär mit<br />
Beteiligungen an thematischen Ausstellungen<br />
im internationalen Kunstgeschehen<br />
präsent. Wachsmuths Arbeiten artikulieren<br />
sich als Film, Fotografi e, Malerei und<br />
Objektkunst; sie thematisieren kritische<br />
Verlust-Stellen von Kultur- und Zeitgeschichte.<br />
Bezug und Anlass können ein<br />
Gemälde aus der Kunstgeschichte ebenso<br />
wie eine Pressemeldung sein, welche er<br />
etwa als Zeitungsausschnitt in ein abstraktes<br />
Gemälde montiert hat. Wie aber<br />
vermittelt ein Buch dieses Werk in seiner<br />
vordergründigen Nüchternheit, relativen<br />
„Farblosigkeit“ und dem Hingebungsvollen<br />
der künstlerischen Umsetzung? Im<br />
vorliegenden Band, der zur Ausstellung<br />
in der Galerie im Taxispalais in Innsbruck<br />
erschienen ist, gelingt das durch eine Folge<br />
fotografi scher Bilder, Detailaufnahmen<br />
und Überblicksansichten: Das Buch leistet<br />
grundsolide Vermittlungsarbeit.<br />
Simon Wachsmuth, Aporia/Europa, 104 S.<br />
mit 39 Farbabb., Hardcover, 23,5 x 16,5<br />
cm, Kerber, 24,80 Euro<br />
Klara Liden, 200 S. mit 11 Farb- und 89<br />
s/w-Abb., Hardcover in Leinen, 25 x 17<br />
cm, Kerber, 29,80 Euro<br />
Bei Klara Liden ist die Darstellung als<br />
Buch komplizierter und dafür freilich<br />
ausgesprochen konsequent, sichtlich<br />
hat sie selbst mitgearbeitet. Klara Liden<br />
wurde mit semi-exhibitionistischen Performances<br />
bekannt, sie hinterfragt festgefügte<br />
Strukturen und Verhaltensmuster<br />
unserer Zivilisation und entwickelt<br />
dazu ortsbezogene Installationen sowie<br />
Videos und grobkörnige Diaprojektionen.<br />
Mit ihren genauen Beobachtungen<br />
im Reservoir tagtäglicher Fußnoten<br />
zählt sie seit einiger Zeit zu den angesagten<br />
jungen Künstlern. 2011 war sie für<br />
den Preis der Neuen Nationalgalerie in<br />
Berlin nominiert, kurz zuvor hat sie den<br />
Kunstpreis der Volksbanken Raiffeisenbanken<br />
gewonnen, und zur begleitenden<br />
Ausstellung im Bonner Kunstverein<br />
ist auch das Katalogbuch bei Kerber<br />
erschienen. Auch hier setzt Liden ihre<br />
Strategie des fokussierenden Ausschnitts<br />
und latenten Mysteriums fort: Sie zeigt<br />
die einzelnen lichtdurchfl uteten Fotografi<br />
en ihrer Projektionen, die Strecken<br />
der Annäherung und vermeintlichen<br />
Abschweifung sind, unterbrochen von<br />
ihrer Sammlung von Abfalleimern, die<br />
im neutralen Showroom zu Objekten<br />
werden. Ein Buch also, das nichts anderes<br />
zeigt als eine Ausstellung in Form<br />
eines Buches – ein gelungenes Künstlerbuch<br />
zu einem etwas überschätzten<br />
künstlerischen Werk.<br />
Peter Krämer<br />
WP/StB<br />
Andreas Niemeyer<br />
WP/StB<br />
Thomas Pintzke<br />
StB<br />
Katrin Schoenian<br />
WP/StB<br />
Dr. Jörg Steckhan<br />
RA/WP/StB<br />
Peter Temmert<br />
WP/StB<br />
Anke Jagau<br />
RA/StB<br />
Susanne Schäfer<br />
StB<br />
Stephan Schmacks<br />
StB<br />
Matthias Aprath<br />
WP/StB<br />
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47
48<br />
<strong>Kulturnotizen</strong><br />
Dieseltag im Industriemuseum<br />
14. April 2012, 11:00 Uhr LVR-Industriemuseum,<br />
Schauplatz Solingen -<br />
Gesenkschmiede Hendrichs / Solingen<br />
Dieselmaschine<br />
Während des gesamten Tages wird<br />
wieder der historische 200 PS starke<br />
Herford-Dieselmotor in Betrieb genommen.<br />
Er treibt einen 635-kg-Fallhammer<br />
an, auf dem schwere Scheren geschmiedet<br />
werden. Von 11 - 12 und 14 - 16 Uhr<br />
ist der Fallhammer in Betrieb und Sie<br />
können dem Schmied über die Schulter<br />
schauen.<br />
Um 15 Uhr gibt es eine Sonderführung<br />
(im Eintritt enthalten) unter dem Motto<br />
"Diesel und Dampf - Antriebssysteme<br />
in der Gesenkschmiede Hendrichs". Der<br />
Rundgang veranschaulicht die Bedeutung<br />
und Funktionsweise des zentralen Kraftantriebs<br />
durch die Dampfmaschine bzw.<br />
den Dieselmotor. Anschließend wird der<br />
stufenweise Wandel hin zum elektrischen<br />
Einzelantrieb an konkreten Beispielen<br />
aufgezeigt. Die an vielen Stellen noch<br />
vorhandenen Spuren und Relikte vergangener<br />
Antriebsarten werden im Hinblick<br />
auf die Gesenkschmiede und die Solinger<br />
Schneidwarenindustrie erläutert.<br />
Weitere Termine:<br />
20.10.2012 Uhr | LVR-Industriemuseum,<br />
Schauplatz Solingen - Gesenkschmiede<br />
Hendrichs / Solingen<br />
Komödie:<br />
Willkommen in Deinem Leben<br />
15. April 2012, 15:00 Uhr<br />
TalTonTHEATER / Wuppertal<br />
Die Diagnose trifft ihn unvorbereitet:<br />
Als Charlie erfährt, dass er an amyotrophischer<br />
Lateralsklerose erkrankt ist<br />
und wahrscheinlich nur noch achtzehn<br />
Monate zu leben hat, rast er ziellos mit<br />
dem Auto davon. Er hadert mit dem<br />
„Willkommen In Deinem Leben“<br />
(Kiki; die Liebe!)<br />
Schicksal und stellt fest, dass er noch gar<br />
nicht richtig gelebt hat. Statt selbst zu<br />
schreiben, ist er ein mittelmäßiger Lektor<br />
geworden, und auf die große Liebe seines<br />
Lebens wartet er noch immer. Konfus<br />
und desorientiert, wie er ist, nimmt er<br />
ganz gegen seine Gewohnheiten in der<br />
Wüste von Arizona einen Anhalter mit:<br />
Wally, einen reichlich schrägen Typen!<br />
Wally hat hier schon auf Charlie<br />
gewartet - denn er ist sein Tod.<br />
Sein persönlicher Tod.<br />
Das erklärt er dem verstörten Charlie,<br />
als die beiden nach einer Panne zu Fuß<br />
durchs Niemandsland gehen. Mitten in<br />
der Wüste fi nden sie ein trostloses Motel,<br />
in dem die Herzensgute Nell seit dem Tod<br />
ihres Mannes den kranken, alten Schwiegervater<br />
pfl egt. Gäste verirren sich selten<br />
hierher, nur Mechaniker Travis kommt<br />
hin und wieder mit seinem Abschleppwagen<br />
vorbei, um nach dem Rechten zu<br />
sehen. Die Abgeschiedenheit dieses Ortes<br />
scheint Charlie ideal, um vor seinem Tod<br />
noch den Roman seines Lebens zu schreiben,<br />
und so bleibt er auch, als der Wagen<br />
schon längst repariert ist. Dass es für sein<br />
Verweilen noch einen anderen Grund<br />
gibt, wird klar, als plötzlich die blinde<br />
Kiki auftaucht: die Liebe<br />
Unsichtbar und unhörbar für alle außer<br />
Charlie, liefern sich sein ungeduldiger, sarkastischer<br />
Tod und Kiki, die Verkörperung<br />
seiner ersten großen Liebe zu Nell, von<br />
nun an ein ebenso witziges wie anrührendes<br />
und philosophisches Duell. Mit unglaublicher<br />
Leichtigkeit macht McKeever<br />
aus einem ernsten, ja existenziellen Thema<br />
eine Komödie über Lebensfreude und<br />
den Mut zur Liebe. Mehr als originell in<br />
der Anlage, meisterhaft geschrieben und<br />
traumhaft zu spielen.<br />
Klangart 2012<br />
>MANDINKA<<br />
Ablaye Cissoko & Volker Goetze<br />
Am Freitag, 11. Mai 2012, 19 Uhr<br />
fi ndet das 1. Konzert der diesjährigen<br />
KLANGART-Reihe im Skulpturenpark<br />
Waldfrieden statt.<br />
Ein Stegharfenspieler aus dem Senegal<br />
und ein Trompeter aus dem Bergischen<br />
Land bilden ein außergewöhnliches<br />
Duo. Im Senegal traten Ablaye Cissoko<br />
und<br />
Volker Goetze 2001 gemeinsam als<br />
Vorgruppe für Youssou N’Dour auf. Trotz aller<br />
kultureller Unterschiede entdeckten sie<br />
manche musikalische und persönliche<br />
Gemeinsamkeiten.<br />
Ablaye Cissoko <br />
ist Virtuose auf der Kora,<br />
einer 21-saitigen Stegharfe und lebt in<br />
der Tradition des Griot, eines singenden<br />
Geschichtenerzählens. Der in New York
Ablaye Cissoko und Volker Goetze<br />
©Cissoko/Goetze<br />
lebende Jazz-Trompeter Volker Goetze<br />
interessiert sich seit Jahren für westafrikanische<br />
Musik und reagiert mit seinen<br />
Improvisationen auf Cissokos Erzählungen.<br />
Aus der Zusammenarbeit wuchs<br />
eine Freundschaft, die zum gemeinsamen<br />
kulturellen und sozialen Engagement<br />
und auch zur<br />
Produktion eines Films führte, der die<br />
Legende eines Griots zum Inhalt hat.<br />
Für Cissoko und Goetze sind Respekt<br />
für den kulturellen Hintergrund des Anderen<br />
und ein Aufeinander-Hören beste<br />
Voraussetzungen für einen fesselnden<br />
Dialog, den der senegalesische Künstler<br />
so ausdrückt: „Aus unserer Verschiedenheit<br />
wächst eine Kraft“.<br />
KlangArt: Bedeutende Jazz- und<br />
Weltmusiker folgen auch 2012 der<br />
Einladung in den Skulpturenpark<br />
Waldfrieden. Im vierten Jahr hat sich<br />
KlangArt als Folge von herausragenden<br />
Konzertereignissen etabliert, die von<br />
Kunst- und Musikfreunden mit Begeisterung<br />
wahrgenommen werden. Im<br />
Herzen Wuppertals, umgeben von seiner<br />
reizvollen Wald- und Wiesenlandschaft,<br />
strahlt der Skulpturenpark Waldfrieden<br />
eine zauberhafte Atmosphäre aus. Ab Mai<br />
bis August 2012 präsentiert KlangArt ein<br />
internationales Musikprogramm, das sich<br />
jenseits des Mainstreams bewegt. Der<br />
Spannungsbogen reicht vom zeitgenössischen<br />
Jazz bis hin zur Neuen Musik und<br />
Weltmusik.<br />
Für alle KlangArt Konzerte sind noch<br />
Tickets an der Abendkasse erhältlich,<br />
alternativ bei www.nrw-ticket.de , Ticket-Hotline<br />
0180-5001812 und im Skulpturenpark<br />
Waldfrieden.<br />
Adresse: Skulpturenpark Waldfrieden,<br />
Hirschstraße 12, 42285 Wuppertal, Tel.<br />
0202/4789812-0 oder info@skulpturenpark-waldfrieden.de<br />
Ausstellung<br />
Skulpturen und Masken aus<br />
Nigeria<br />
14. April bis 15. Juli 2012<br />
Die Völker Nigerias sind berühmt<br />
für ihre künstlerische Schaffenskraft.<br />
Eine Auswahl von Skulpturen, die in den<br />
letzten beiden Jahrhunderten entstanden<br />
und die zum Großteil erstmals in einer<br />
Ausstellung zu sehen sein werden, zeigt<br />
der Skulpturenpark Waldfrieden mit<br />
„Skulpturen und Masken aus Nigeria“<br />
vom 14. April bis 15. Juli 2012.<br />
Der erhebliche Einfl uss afrikanischer<br />
Skulpturen auf die Entwicklung der<br />
Kunst des 20. Jahrhunderts gründet sich<br />
auf eine Paradoxie. Während die Künstler<br />
Maske Igbo, Nigeria, Holz, teils farbig<br />
gefasst, H. 18 cm.<br />
©Skulpturenpark Waldfrieden<br />
Maske Ogoni, Nigeria, Holz, H. 15 cm.<br />
©Skulpturenpark Waldfrieden<br />
der westlichen Moderne ihre formalen<br />
Erfi ndungen als Instrumente der Selbstfi<br />
ndung und -behauptung in einer Gesellschaft<br />
einsetzen mussten, der sie sich<br />
nicht mehr als zugehörig empfanden, ist<br />
der Erfi ndungsreichtum in der afrikanischen<br />
Kunst gerade an ihr erfolgreiches<br />
Funktionieren innerhalb der Gesellschaft<br />
gebunden. Afrikanische Objekte sind<br />
fest verknüpft mit sozialen, spirituellen<br />
und religiösen Funktionen, deren Ablauf<br />
sie kontrollieren, regeln und bestimmen.<br />
Für diese systemstabilisierende Aufgabe<br />
haben afrikanische Künstler immer wieder<br />
neue, klar identifi zierbare, eindrucksvolle,<br />
überwältigende und bisweilen<br />
einschüchternd eindringliche Formen<br />
erfunden.<br />
In der Ausstellung im Skulpturenpark<br />
Waldfrieden werden 35 Objekte aus<br />
dem Südosten Nigerias befreit von ihrem<br />
Ursprungskontext als überzeugende<br />
Skulpturen präsentiert. Die Kuratoren<br />
Anthony Cragg und Dierk Dierking<br />
haben sich zu dieser klaren Präsentationsform<br />
entschieden, um die formale<br />
Qualität der Skulpturen deutlich zu<br />
machen und ihr kulturübergreifendes<br />
Potenzial freizusetzen.<br />
Skulpturenpark Waldfrieden, Hirschstraße<br />
12, 42285 Wuppertal<br />
Der Park ist von März bis November<br />
Dienstag bis Sonntag von 10 bis 18 Uhr<br />
geöffnet.<br />
Im Anschluss an den Besuch des<br />
Parks sollte man eine Pause im Café<br />
Podest einplanen, ein schöner Platz unter<br />
Bäumen, genauso wie der Park fernab<br />
vom Lärm der Großstadt.<br />
Maske Igbo, Nigeria, Holz, farbig gefasst/Metall,<br />
H. 40 cm ©Skulpturenpark Waldfrieden<br />
49
50<br />
<strong>Kulturnotizen</strong><br />
Termine Literaturhaus<br />
Wuppertal e.V.<br />
17.04.2012 - 19:30 Uhr<br />
Drei Preisträger lesen aus ihren<br />
Werken<br />
An diesem Abend sind Marion Poschmann<br />
(Ernst-Meister-Lyrikpreisträgerin<br />
2011), Daniela Seel (Thalia-Förderpreis<br />
2011) und Jan Skudlarek (Westfälischer<br />
Förderpreis 2011) im Literaturhaus Wuppertal<br />
zu Gast und gestalten gemeinsam<br />
eine Lesung.<br />
24.04.2012 - 19:30 Uhr<br />
Karla Schneider:<br />
Die Schreibmaschine<br />
Karla Schneider wurde in Dresden geboren<br />
und lebt seit 1979 in Wuppertal. Seit<br />
1989 schreibt sie erfolgreich Romane und<br />
Kinderbücher. Die Autorin stellt ihren angefangenen<br />
Roman „Die Schreibmaschine“ vor.<br />
Karla Schneider [Quelle: Boje-Verlag]<br />
25.04.2012 - 18:30 Uhr<br />
„Kunsthochdrei“: Karl Röhrig<br />
Zur Ausstellung des Bildhauers<br />
Karl Röhrig im Von der Heydt-Museum<br />
spricht Museumsdirektor Dr.<br />
Gerhard Finckh. Die Schauspielerin<br />
Barbara Nüsse liest „El Greco malt den<br />
Großinquisitor“ von Stefan Andres.<br />
Dazu erklingt Musik von Paul Hindemith.<br />
08.05.2012 - 19:30 Uhr<br />
Prominente Wuppertaler lesen:<br />
Andreas Bialas<br />
In der beliebten Reihe des Literaturhauses<br />
ist diesmal zu Gast: Andreas Bialas,<br />
Landtagsabgeordneter und Kulturpolitischer<br />
Sprecher der SPD-Landtagsfraktion.<br />
Er präsentiert an diesem Abend Texte<br />
„passend zum Datum“.<br />
22.05.2012 - 19:30 Uhr<br />
Lesung mit Dorothea Müller und<br />
Wolf von Wedel<br />
Die Autorin Dorothea Müller liest Prosa<br />
und fragt: „Erfi ndet ein Schreiber Geschichten,<br />
oder kommen sie zu ihm, damit er<br />
sie festhält und ihnen Gestalt gibt?“ Wolf<br />
von Wedel zeigt in „Deutschlandhymnus“<br />
wie sich Privates im Politischen spiegelt,<br />
Familiengeschichte in der Geschichte einer<br />
Nation.<br />
30.05.2012 - 19:30 Uhr<br />
Bangemachen gilt nicht - auf der<br />
Suche nach der Roten Ruhr-Armee<br />
Der Roman von Jürgen Link spielt<br />
zwischen den 1960er Jahren und dem<br />
Beginn des 21. Jahrhunderts. Er entwirft<br />
eine Art von kollektiven Lebensbericht<br />
einer Gruppe von Achtundsechzigern aus<br />
dem Ruhrgebiet.<br />
10.06.2012 - 11:30 Uhr<br />
„Freiheit“ im Spiegel der<br />
polnisch/deutschen Literatur<br />
Die Autoren Michael Zeller (Wuppertal),<br />
Artur Becker und Darius Muszer (Polen)<br />
lesen eigene Texte und diskutieren über<br />
den Begriff der "Freiheit" im Angesicht der<br />
politischen Ereignisse vor und nach dem<br />
Zusammenbruch des Kommunismus.<br />
27.06.2012 - 18:30 Uhr<br />
„Kunsthochdrei“: Bella Italia –<br />
Malerei und Fotografi e<br />
Zur Ausstellung im Von der Heydt-<br />
Museum spricht Dr. Beate Eickhoff. Die<br />
Schauspielerin Ingeborg Wolff liest Texte<br />
zur Fotografi e in der Literatur. Sopranistin<br />
Anja Kiel singt italienische Lieder und<br />
Arien. Sie wird begleitet von Eri Uchino<br />
am Klavier.<br />
29.06.2012 - 19:30 Uhr<br />
Mechthild Großmann liest:<br />
Hagel auf Zamfara<br />
Der Anlass ist eine Ausstellung afrikanischer<br />
Kunst aus Nigeria im Skulpturenpark<br />
Waldfrieden: Die Schauspielerin<br />
Mechthild Großmann liest Erzählungen<br />
der nigerianischen Autorin Sefi Atta, die<br />
zu den originellsten und außergewöhnlich<br />
talentierten Autoren Afrikas zählt.<br />
Friedrich-Engels-Allee 83, 42285 Wuppertal,<br />
www.literaturhaus-wuppertal.de<br />
Kultur, Information und Unterhaltung im Internet<br />
Täglich neu – mit großem Archiv<br />
Literatur – Musik – Bühne – Film – Feuilleton – Museen – Comic – Fotografi e – Reise<br />
Unabhängig, werbefrei und ohne Maulkorb<br />
www.musenblaetter.de
Günter Wand-Tage 2012<br />
Vom 8. bis zum 10. Mai 2012 fi nden<br />
in der Musikhochschule die „Günter<br />
Wand-Tag“ statt. Der große Dirigent<br />
wurde im Jahr 1912, also vor einhundert<br />
Jahren in Elberfeld geboren und starb vor<br />
10 Jahren. Seit 2010 trägt das Gebäude<br />
der Musikhochschule den Namen „Günter<br />
Wand-Haus“. Das ist Anlass genug,<br />
um an das Schaffen des großen und erst<br />
spät international berühmt Gewordenen<br />
zu erinnern.<br />
Günter Wand, Foto: Chargesheimer<br />
An den drei Abenden wird Dr.<br />
Wolfgang Seifert, der Wand in den letzten<br />
Lebensjahren sehr nahe stand und Verfasser<br />
einer großen Biographie ist und ein<br />
umfangreiches Filmportrait gedreht hat<br />
Einblicke in das Leben und das Wirken<br />
Günter Wands geben. Der erste Abend ist<br />
dem Leben Wands gewidmet. Hier wird<br />
u.a. ein Ausschnitt aus dem letzten Interview<br />
gezeigt. Der zweite und dritte Abend<br />
beschäftigen sich mit dem künstlerischen<br />
Schaffen. Es wird umfangreiche Ausschnitte<br />
aus Filmaufzeichnungen von Konzerten das<br />
„Schleswig-Holstein-Musikfestivals“ mit<br />
Musik von Ludwig van Beethoven, Franz<br />
Schubert, Johannes Brahms und Anton<br />
Bruckner geben, den Komponisten also, auf<br />
die sich der Dirigent Günter Wand in den<br />
letzten zehn Lebensjahren konzentriert hat.<br />
Prof. Dr. Lutz-Werner Hesse wird in die<br />
jeweiligen Werke kurz einführen.<br />
Die Veranstaltungen fi nden im Konzertsaal<br />
der Musikhochschule (Sedanstr. 15) statt<br />
und beginnen jeweils um 19.30 Uhr.<br />
Im Sommersemester beginnt in der<br />
Musikhochschule eine neue Reihe, innerhalb<br />
derer Unterricht von Professoren mit<br />
Studenten öffentlich stattfi ndet. Mu-<br />
sikinteressierte haben also die Möglichkeit<br />
hinter die Kulissen der Musikhochschule<br />
zu schauen. Die „open lectures“ beginnen<br />
immer um 17 Uhr und dauern bis 18.30<br />
Uhr. Sie fi nden im Kammermusiksaal der<br />
Musikhochschule (Sedanstr. 15) statt. Die<br />
Termine sind die folgenden:<br />
Dienstag, 17. April, Thilo Dahlmann,<br />
Gesang<br />
Dienstag, 8. Mai, Prof. Gerhard Reichenbach,<br />
Gitarre<br />
Dienstag, 22. Mai, Prof. Manfredo Zimmermann,<br />
Blockfl öte/ Traversfl öte<br />
Dienstag, 5. Juni, Prof. Dr. Florence<br />
Millet, Klavier<br />
Mittwoch, 20. Juni, Prof. Susanne<br />
Müller-Hornbach, Violoncello<br />
Dienstag, 3. Juli, Willfried Roth-<br />
Schmidt, Klarinette<br />
Art and Design for All<br />
The Victoria and Albert Museum<br />
noch bis 15. April 2012<br />
Das Victoria and Albert Museum<br />
(V&A) in London ist das größte Museum<br />
der Welt für Kunst und Design. Sein<br />
Bestand von über zwei Millionen Werken<br />
zeugt von Reichtum und Vielseitigkeit. Die<br />
Erfolgsgeschichte des Victoria and Albert<br />
Museums begann 1857 mit der Gründung<br />
des Vorgängerbaus, des South Kensington<br />
Museum. Mit zahlreichen Objekten wird<br />
die Entstehungsgeschichte rekonstruiert und<br />
Gaslampe, Birmigham, 1848, Messing,<br />
vergoldet, Glas, © Victoria and Albert<br />
Museum, London<br />
die Vision des V&A, das mit seiner Präsentation<br />
zum Vorbild für viele kunstgewerbliche<br />
Museen wurde. Eine Ausstellung der<br />
Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik<br />
Deutschland in Zusammenarbeit mit<br />
dem Victoria and Albert Museum, London.<br />
www.bundeskunsthalle.de<br />
Romy Schneider<br />
6. April bis 24. Juni 2012<br />
Romy Schneider gehört zu den bedeutendsten<br />
deutschsprachigen Schauspielerinnen.<br />
Ihr Bild hat einen festen Platz im<br />
kollektiven Gedächtnis. Nicht nur als „Sissi“,<br />
deren Image sie vor allem in Deutschland<br />
nie ganz abstreifen konnte, sondern<br />
ab den 1970er Jahren vor allem als Star des<br />
französischen Kinos. Die Hommage in der<br />
Bundeskunsthalle nähert sich Romy Schneider<br />
als Star und Privatperson und zeichnet<br />
ihren Lebensweg nach: die frühen Rollen,<br />
ihre mutige und konsequente berufl iche<br />
Emanzipation, ihre private Tragödie, die mit<br />
ihrem frühen Tod endete. Bilder aus Film,<br />
Presse und Privatleben werden mit Filmausschnitten<br />
kombiniert. Medieninstallationen<br />
zeigen das Wechselspiel zwischen Projektion<br />
und aktiver Selbstinszenierung. Zudem präsentiert<br />
die Ausstellung zahlreiche Plakate,<br />
Kostüme, Briefe, Fanartikel und Fotos von<br />
Romy Schneider, ihren Filmpartnern und<br />
ihrer Familie.<br />
www.bundeskunsthalle.de<br />
Romy Schneider, 1972;<br />
© Eva Sereny / Camerapress / Gamma-<br />
Rapho<br />
51
52<br />
<strong>Kulturnotizen</strong><br />
Anselm Kiefer aus dem Privatbesitz<br />
Grothe<br />
19. Juni bis 16. September 2012<br />
Anselm Kiefer ist einer der bedeutendsten<br />
internationalen Künstler unserer<br />
Zeit. Seine epischen Werke faszinieren<br />
nicht zuletzt durch ihre ungewöhnliche<br />
Materialwahl, die die inhaltliche Aussage<br />
unterstützt: Dick aufgetragene Farbschich-<br />
Anselm Kiefer, Shebirat Ha Kalim, 1990<br />
Blei, Glas, Kleid, Asche und Frauenhaar<br />
auf Holz, 380 x 250 x 35 cm, Privatbesitz<br />
Familie Grothe, © Anselm Kiefer, 2011,<br />
courtesy Stiftung für Kunst u. Kultur e.V.<br />
The art of tool making<br />
ten, Erde, Blei, Lack, Pfl anzen, Kleidung<br />
oder Haare lassen die Arbeiten über den<br />
zweidimensionalen Bildraum hinausgreifen.<br />
Parallel zur Documenta13 in Kassel<br />
präsentiert die Bundeskunsthalle in Bonn<br />
auf über 2000 m[ wichtige Werke des 1945<br />
geborenen Künstlers aus dem Privatbesitz<br />
Familie Grothe. Von den Arbeiten Anselm<br />
Kiefers hat sich Hans Grothe 2005 beim<br />
Verkauf seiner umfangreichen Sammlung<br />
nicht getrennt, da die Faszination des<br />
Sammlers für die einzigartige künstlerische<br />
Haltung Kiefers ungebrochen über die<br />
Jahrzehnte anhielt. Erstmalig wird in der<br />
Bundeskunsthalle dieses größte Werkkonvolut<br />
aus einer privaten Sammlung fast<br />
vollständig präsentiert.<br />
Eine Auswahl der wichtigsten Werke aus<br />
drei Jahrzehnten wurde mit dem Schwerpunkt<br />
auf der 2000er-Dekade getroffen –<br />
hier belegen Bildensembles aus den Jahren<br />
2010 und 2011 Kiefers großes Interesse<br />
am Thema des Panoramas. Es dominieren<br />
christlich-jüdische und mythologische Themen<br />
im Gegensatz zu den frühen Bildern<br />
und Ensembles vor der Übersiedlung des<br />
Künstlers nach Frankreich vor 20 Jahren,<br />
die sich mit der deutschen Vergangenheit<br />
und Mythologie befassen. Das oft beschriebene<br />
Pathos in Kiefers Werken erscheint in<br />
diesen neuen Arbeiten eigentümlich gebrochen,<br />
zurückgenommen und neutralisiert.<br />
www.bundeskunsthalle.de<br />
Briller Viertel, Am Buschhäuschen<br />
Arm & Reich<br />
11:00 Uhr Wuppertal Touristik /<br />
Wuppertal<br />
Beschreibung: Hochherrschaftliche<br />
Villen der Kaiserzeit in einem Stadtviertel,<br />
enge, volle Mietshäuser im anderen – und<br />
dazwischen liegt nur eine Straße. Der Spaziergang<br />
durch das Briller Viertel und über<br />
den Ölberg sagt viel über das Leben im alten<br />
Elberfeld, über wohlhabende Textilfabrikanten<br />
und arme Weber, über die Geschichte<br />
und Folgen der frühen Industrialisierung.<br />
Zugabe bei diesem Rundgang: die Besichtigung<br />
der Villa Schmits an der Luisenstraße<br />
(heute Private Herder-Schule).<br />
Treffpunkt: 11.00 Uhr (15.04.) bzw.<br />
14.00 Uhr (13.10.) Bushaltestelle Otto-<br />
Hausmann-Ring, Linien 601, 613 | Ende:<br />
ca. 13.30 Uhr nach der Besichtigung der<br />
Villa Schmits | Führung: Jürgen Holzhauer |<br />
Preis: 9,50 Euro
Ölberg, Wuppertal<br />
Info & Reservierung: Wuppertal<br />
Touristik, Pavillon Döppersberg, 42103<br />
Wuppertal, Telefon: 02 02 /1 94 33 oder<br />
02 02/5 63-22 70 und -21 80, Telefax: 02<br />
02/5 63-80 52, E-Mail: wuppertal<br />
touristik@wuppertal-marketing.de<br />
Internet: www.wuppertal.de/tourismusfreizeit<br />
Kleines Schauspielhaus / Wuppertal<br />
Mann, Bühnenwerk von<br />
Lothar Schreyer<br />
Die bekanntesten Künstler des frühen<br />
20. Jahrhunderts präsentierten sich im<br />
Sturm, der Galerie und der Zeitschrift<br />
Herwarth Waldens, des Ehemanns von<br />
Else Lasker-Schüler: Kokoschka, Kandinsky,<br />
Macke, Marc, Delaunay, Chagall,<br />
sowie Schlemmer, Baumeister, Moholy-<br />
Nagy, die Dichter Alfred Döblin, Theodor<br />
Däubler und August Stramm und die<br />
Komponisten Schönberg, Schreyer und<br />
Walden selbst. Zeitschrift und Galerie<br />
waren nicht nur das geistige Zentrum<br />
Berlins, sie waren für rund 20 Jahre die<br />
künstlerische Mitte Europas. Im Rahmen<br />
der Ausstellung Der Sturm - Zentrum der<br />
Avantgarde im von-der-Heydt-Museum<br />
ab 13.3.2012 zeigen die Wuppertaler<br />
Bühnen im Kleinen Schauspielhaus ein<br />
Bühnenwerk von Lothar Schreyer (1886<br />
– 1966). Schreyer war Maler, Schriftsteller<br />
und Dramaturg, von 1916-1928 Mitarbeiter<br />
bei Herwarth Waldens Zeitschrift<br />
"Der Sturm" und 1917 Begründer der<br />
"Sturmbühne". Er leitete am Bauhaus in<br />
Weimar die Bühnenklasse und die Kunstschule<br />
"Der Weg" in Berlin und Dresden.<br />
Seine frühen Werke sind Ausdruck eines<br />
kultisch religiösen Expressionismus. Das<br />
aufgeführte Werk („Mann“) ist in der rekonstruierten<br />
Fassung unter der Leitung<br />
des Komponisten und Dirigenten Juan<br />
Allende-Blin zu sehen, der Schreyer noch<br />
persönlich kannte. Es ist ein Werk für<br />
zwei große Maskenfi guren, einem Sänger,<br />
einer Sängerin und einem Schlagzeuger.<br />
Termine:<br />
15.04.2012, 22.04.2012, 26.04.2012<br />
Uhr jeweils 18 Uhr<br />
Kleines Schauspielhaus / Wuppertal<br />
www.wuppertaler-bühnen.de<br />
August Macke unterwegs –<br />
Die Reisen des Künstlers<br />
Noch bis 28. Mai 2012<br />
Aus Anlass des 125. Geburtstages von<br />
August Macke (1887 – 1914) widmet<br />
sich das August Macke Haus erstmals<br />
den zahlreichen Reisen des Künstlers. Seit<br />
Jahrhunderten treiben die Faszination des<br />
Unbekannten und die Suche nach neuen<br />
Impulsen für das eigene Œuvre die Künstler<br />
in die Ferne. Auch August Macke spürte<br />
die Sehnsucht nach landschaftlich und<br />
kulturell reizvollen Regionen und Städten.<br />
Obwohl er nur 27 Jahre alt wurde, hat er in<br />
seinem kurzen Leben dennoch viele Länder<br />
gesehen, denn seit 1904 unternahm er fast<br />
jedes Jahr eine oder mehrere Reisen.<br />
Erste „Kunstreisen“ führten den jungen<br />
Studenten an den Rhein und in die Eifel.<br />
Zwei Mal brach er nach Italien auf - das<br />
klassische Ziel europäischer Bildungsreisender<br />
– und setzte sich in mehreren<br />
oberitalienischen Städten mit hochrangigen<br />
Kunstwerken vergangener Epochen auseinander:<br />
1905 zusammen mit seinem Freund<br />
und späteren Schwager Walter Gerhardt<br />
und 1908 in Begleitung seiner Freundin<br />
Elisabeth und ihres Onkels Bernhard<br />
Koehler. Mehrfach fuhr er nach Holland<br />
und Belgien, einerseits um sich hier an<br />
August Macke, Venedig, 1905, Öl auf<br />
Leinwand, 38,0 x 51,0 cm, LWL - Landesmuseum<br />
für Kunst und Kulturgeschichte<br />
Münster<br />
der See zu erholen, andererseits aber vor<br />
allem der Kunst wegen.<br />
Zudem bereiste er die damals wichtigsten<br />
Metropolen in Europa - London<br />
und Paris. Auch hier standen Museen und<br />
Galerien an erster Stelle des Programms.<br />
Doch faszinierten ihn auch großstädtisches<br />
Flair und Treiben, das er auf sich<br />
wirken ließ und künstlerisch verarbeitete.<br />
Besonders Paris als führendes Zentrum<br />
der avantgardistischen Kunstströmungen<br />
zu Beginn des 20. Jahrhunderts bot dem<br />
aufstrebenden Künstler bei insgesamt vier<br />
Besuchen in den Jahren 1907, 1908, 1909<br />
und 1912 immer wieder neue Inspirationen<br />
für sein eigenes Werk und die<br />
Gelegenheit, Kontakte zu gleich gesinnten<br />
Künstlern wie Robert Delaunay sowie<br />
Sammlern und Galeristen zu knüpfen.<br />
Berühmt geworden ist August Mackes<br />
letzte Fahrt, die Tunisreise, die der orientbegeisterte<br />
Künstler im April 1914 – nur<br />
wenige Monate vor seinem Kriegstod –<br />
zusammen mit den Schweizer Malern Paul<br />
Klee und Louis Moilliet unternahm. Erstmals<br />
verließ er Europa und tauchte in eine<br />
ihm völlig fremde Kultur und Landschaft<br />
ein, die er gänzlich neue visuelle Eindrücke<br />
von Licht und Farbigkeit abgewann.<br />
Ein wichtiger Aspekt fast aller Reisen<br />
Mackes ist auch das Vergnügen, einen Urlaub<br />
in ausgelassener Gesellschaft von guten<br />
Freunden und Familienangehörigen zu<br />
erleben und sich mit seinen Reisegefährten<br />
intellektuell auszutauschen. Seine Touren<br />
gingen dabei nicht zwingend auf eigene<br />
Initiative zurück. Häufi g wurden sie durch<br />
glückliche familiäre sowie freundschaftliche<br />
Umstände und Kontakte begünstigt<br />
oder erst durch Mäzene aus dem privaten<br />
August Macke, Landschaft mit Feuerspeiendem<br />
Vesuv, Postkarte aus Dillingen, 14. Juli<br />
1899, Aquarell, Tusche/Pinsel und Feder,<br />
LWL-Landesmuseum für Kunst und Kulturgeschichte<br />
Münster, Macke-Archiv<br />
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54<br />
<strong>Kulturnotizen</strong><br />
August Macke, Märchenerzähler, 1912, Öl<br />
auf Holz auf Karton, 38,5 x 42 cm, Museum<br />
Frieder Burda, Baden-Baden<br />
Umfeld des Künstlers ermöglicht.<br />
Die Ausstellung präsentiert zahlreiche<br />
Werke von August Macke, die im Kontext<br />
seiner Reisen entstanden, vorrangig Zeichnungen<br />
und Aquarelle, die er während<br />
seiner Touren anlegte, sowie einige Gemälde.<br />
Sie refl ektieren, welche Landschaften,<br />
Motive und künstlerischen Vorbilder ihn<br />
besonders fesselten und inspirierten. Ergänzt<br />
werden sie von Dokumenten, Briefen<br />
und Ansichtskarten, die August Macke<br />
und seine Begleiter während der Reisen an<br />
Familie und Freunde schrieben, sowie von<br />
historischen Postkarten und Reiseführern,<br />
die die Reiseziele des Künstlers veranschaulichen<br />
und die Reiseverläufe nachvollziehbar<br />
machen.<br />
Leihgeber u. a.: Museum Frieder Burda,<br />
Baden-Baden, Kunstmuseum Bonn,<br />
Kunsthalle Bremen – Kupferstichkabinett<br />
– Der Kunstverein in Bremen, Leopold-<br />
Hoesch-Museum Düren, Erbengemeinschaft<br />
Richard W. Koehler, LWL – Landesmuseum<br />
für Kunst und Kulturgeschichte<br />
Westfälisches Landesmuseum, Münster.<br />
Katalogbuch zur Ausstellung - 20.- Euro<br />
Öffnungszeiten Di – Fr 14.30 – 18 Uhr,<br />
Sa, So, Feiertage 11 – 17 Uhr<br />
Kostenlose Führung sonntags 11.30 Uhr<br />
August Macke Haus Bonn<br />
Bornheimer Straße 96, D - 53119 Bonn<br />
Internet www.august-macke-haus.de<br />
100 Tage Kunstreise<br />
ein Projekt von Nicole Bardohl und<br />
Bodo Berheide<br />
Hintergrund<br />
18 Jahre lang war die Skulptur Figura<br />
Magica des Wuppertaler Bildhauers Bodo<br />
Berheide auf Weltreise. Jeweils 2 Jahre<br />
war die 5m lange und 6 Tonnen schwere<br />
Skulptur in 10 Ländern zu Gast, bereiste<br />
Irland, Kanada, USA, Nicaragua, Chile,<br />
Australien, Japan, Sri Lanka, Togo und<br />
Deutschland und ist in dieser Zeit mit<br />
vielen Menschen in Berührung gekommen<br />
– im wahrsten Sinne des Wortes.<br />
Seit 2009 steht die Figura Magica auf<br />
dem Vorplatz des Wuppertaler Schauspielhauses<br />
und nachdem sie so lange auf<br />
Weltreise war, soll die Welt im Jahr 2012<br />
nun für 100 Tage zu ihr kommen.<br />
Die Figura Magica vor dem Wuppertaler Schauspielhaus – Foto: Jörg Lange<br />
Um die Idee des künstlerischen<br />
Austausches rund um die Figura Magica<br />
wieder aufl eben zu lassen und zu<br />
verjüngen, werden die 10 „Weltkünstler“<br />
aus den jeweiligen Ländern auf junge<br />
Künstler treffen.<br />
Idee: 10 Länder x 10 Tage<br />
Ein Künstler aus jedem Land, das<br />
die Figura Magica bereiste, wird ab dem<br />
20. April 2012 für eine Ausstellung in<br />
die Wuppertaler Galerie Kunstkomplex<br />
kommen und dort auf einen jungen<br />
Künstler aus dem jeweiligen Land treffen,<br />
sodass Nachwuchskünstler mit den meist<br />
schon recht etablierten „Weltkünstlern“ für<br />
10x10 Tage vereint werden. Im Rahmen<br />
der jeweils 10-tägigen Ausstellungen wird es<br />
unterschiedliche kulturelle Veranstaltungen<br />
zu dem jeweiligen Land geben, um so einen<br />
künstlerischen Austausch ermöglichen zu<br />
können. Geplant sind Tanzperformances,<br />
Filmabende, Literaturveranstaltungen und<br />
Konzerte.<br />
Dies ist eine einzigartige Möglichkeit,<br />
junge Kunstschaffende an fremde Kulturen<br />
heranzuführen. Wir wünschen uns, dass<br />
der „Weltkünstler“ für seine 10 Tage die<br />
Themen aus seiner eigenen künstlerischen<br />
Arbeit, und/oder kulturellen Erfahrung<br />
vorgibt.<br />
Bodo Berheide wird an jedem der<br />
100 Tage um 18:00 Uhr seinen Diavortrag<br />
„Die Reise der Figura Magica und<br />
der erweiterte Kunstbegriff“ halten.
TANZ ANZ TRÄUME<br />
TRÄUM<br />
JUGENDLICHE TANZEN<br />
KONTAKTHOF<br />
VON<br />
PINA BAUSCH<br />
DAS BUCH ZUM FILM<br />
VON ANNE LINSEL UND ULLI WEISS<br />
Verlag <strong>HP</strong> <strong>Nacke</strong> Wuppertal, 2011<br />
120 Seiten, 23 x 17 cm, Softcover<br />
ISBN 978-3942043-81-6, 19,80 Euro<br />
Verlag <strong>HP</strong> <strong>Nacke</strong> <strong>KG</strong> - Friedrich-Engels-Allee 122<br />
42285 Wuppertal - Telefon 0202 - 28 10 40<br />
verlag@hpnackekg.de<br />
55
Der Tipp für alle<br />
ab 60<br />
Mit dem BärenTicket sind Sie im ganzen<br />
VRR-Gebiet unterwegs, rund um die Uhr und<br />
in der 1. Klasse.<br />
Weitere Infos im MobiCenter<br />
Tel.: 0202 569-5200<br />
www.wsw-online.de<br />
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