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Kulturnotizen - Druckservice HP Nacke KG

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DIE BESTE ZEIT<br />

Das Magazin für Lebensart<br />

Wuppertal und Bergisches Land Ausgabe 14, 2012 - 3,50 Euro<br />

Von der Heydt-Kunsthalle<br />

Ausstellung Cornelius Völker<br />

Das Leben wohnt im Herzen<br />

Momo im Kinder- und Jugendtheater<br />

Von der Heydt-Museum<br />

Stürmische Pferde<br />

Das Bauhaus Fischer<br />

Bauhaus-Architektur in Wuppertal<br />

Endstation Sehnsucht<br />

Wuppertaler Bühnen<br />

528 Werke für Kölner Museen<br />

Nachlass von Prof. Irene Ludwig<br />

Ich fi nde Wuppertal wunderbar<br />

Portrait Lutz-Werner Hesse<br />

Japan, Ginkgo, Goethe<br />

Portrait des Klaus Stiebeling<br />

Ménage à Trois<br />

in der Bundeskunsthalle Bonn<br />

Wuppertaler Literatur<br />

Literatur Biennale 2012<br />

Neue Bücher<br />

zu Geschichte und Kunst<br />

18695205<br />

<strong>Kulturnotizen</strong><br />

Kulturveranstaltungen der Region ISSN<br />

1


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Impressum<br />

„Die beste Zeit“ erscheint in Wuppertal und im Bergischen Land<br />

Erscheinungsweise: 5 – 6 mal pro Jahr<br />

Verlag <strong>HP</strong> <strong>Nacke</strong> <strong>KG</strong> - Die beste Zeit<br />

Friedrich-Engels-Allee 122, 42285 Wuppertal<br />

Telefon 02 02 - 28 10 40<br />

E-Mail: verlag@hpnackekg.de<br />

V. i. S. d. P.: HansPeter <strong>Nacke</strong><br />

Erfüllungsort und Gerichtsstand Wuppertal<br />

Bildnachweise/Textquellen sind unter den Beiträgen vermerkt.<br />

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Umschlagbild:<br />

„Improvisation 13“<br />

Wassily Kandinsky, 1910,<br />

Staatliche Kunsthalle Karlsruhe<br />

© VG Bild-Kunst, Bonn, 2012<br />

Gastbeiträge durch Autoren spiegeln nicht immer die Meinung des<br />

Verlages und der Herausgeber wider. Für den Inhalt dieser Beiträge<br />

zeichnen die jeweiligen Autoren verantwortlich.<br />

Kürzungen bzw Textänderungen, sofern nicht sinnentstellend, liegen<br />

im Ermessen der Redaktion. Für unverlangt eingesandte Beiträge kann<br />

keine Gewähr übernommen werden.<br />

Nachdruck - auch auszugsweise - von Beiträgen innerhalb der gesetzlichen<br />

Schutzfrist nur mit der ausdrücklichen Genehmigung des Verlages.<br />

Trotz journalistischer Sorgfalt wird für Verzögerung, Irrtümer oder<br />

Unterlassungen keine Haftung übernommen.


Editorial<br />

Im Frühling der Literatur<br />

Bergische Leseratten wissen es längst – Wuppertal ist eine Literaturstadt. Nicht<br />

erst seit den Tagen von Else Laker-Schüler und Armin T. Wegener entstehen<br />

hier – „am schwärzesten Fluß der Welt“ – Romane und Gedichte, Erzählungen<br />

und Essays von Rang. In ungezählten, zumeist gut besuchten Veranstaltungen<br />

der überaus engagierten, lokalen Literaturvereine werden sie dem interessierten<br />

Publikum vorgestellt. Literatur in Wuppertal – das meint in der Geburtstadt<br />

Friedrich Engels nicht nur belletristische Unterhaltung, sondern mitunter auch<br />

politische Aufklärung, mittels künstlerisch gestalteter Sprache.<br />

In dieser Tradition startet am 6. Juni 2012 die erste Wuppertaler Literaturbiennale<br />

unter dem Motto „Freiheit“. In mehr als zwanzig hochkarätigen<br />

Veranstaltungen präsentieren sich an zehn Tagen internationale und regionale<br />

Autoren/innen. Die Reihe der Schriftsteller/innen reicht von der Literaturnobelpreisträgerin<br />

Herta Müller bis hin zu begeisterten Amateuren, die im<br />

Schreiben weit mehr als nur ein interessantes Hobby gefunden haben.<br />

Entwickelt wurde die Idee im städtischen Kulturbüro unter der Leitung von<br />

Monika Heigermoser. Doch hat man nicht einfach eine weitere Kulturveranstaltung<br />

„von oben“ dekretiert. Vielmehr versammelten die Initiatoren<br />

sämtliche Literaturvereine der Stadt, dazu Schriftsteller, Verleger, Theaterleute<br />

und Literaturwissenschaftler der Bergischen Universität um den sogenannten<br />

„Literaturtisch“. Hier wurden dann die konzeptionellen Weichen für das<br />

vielfältige Biennaleprogramm gestellt, das von einem fünfköpfi gen Beirat und<br />

den Mitarbeiter/innen des Kulturbüros organisiert wurde.<br />

Das gesamte Programm wird Mitte April offi ziell der Öffentlichkeit vorgestellt.<br />

An dieser Stelle sei zunächst nur auf zwei Veranstaltungen hingewiesen, die das<br />

Thema „Freiheit“ in besonderer Weise wiederspiegeln.<br />

Die Eröff nungsfeier am 6. Juni 2012 im Mendelssohn-Saal der Historischen<br />

Stadthalle am Johannisberg hat mit dem Ägypter Chalid-Al-Chamissi und der<br />

Syrerin Salmar Yazbek zwei prominente Autoren zu Gast, die sich zusammen<br />

mit zahlreichen anderen Schriftstellern und Intellektuellen am demokratischen<br />

Aufbruch in ihrer Heimat aktiv beteiligen – dem „Arabischen Frühling“.<br />

Im Gespräch mit der Journalistin Asli Sevindim und dem bekannten Orient-<br />

Experten Michael Lüders erörtern sie die Frage, welcher Stellenwert der Literatur<br />

innerhalb dieser Freiheitsbewegung zukommt. Das Schönberg-Orchester der<br />

Wuppertaler Musikhochschule, unter der Leitung von Werner Dickel, bringt<br />

noch unaufgeführte Werke zeitgenössischer, arabischer Komponisten zu Gehör.<br />

Was die jüngste Generation internationaler Theaterautoren unter Freiheit<br />

versteht, möchte die „Lesebühne“ zeigen. Am 10. und 11. Juni werden jeweils<br />

um 18.00 Uhr im Festsaal der Rudolf-Steiner-Schule von Schauspielschüler/<br />

innen der Folkwang-Universität Essen/Bochum drei, von einer Jury ausgewählte,<br />

Stücke in szenischen Lesungen vorgestellt. Vor allem Schüler und Studenten<br />

sollten sich keinesfalls die Gelegenheit entgehen lassen, die starken Theatertexte<br />

ihrer eigenen Generation kennenzulernen. Der Eintritt ist frei.<br />

Die Veranstalter wie auch der „Literaturtisch“ freuen sich auf ein Publikum,<br />

das sich an diesen, hoffentlich sonnigen, Frühlingstagen der ersten Wuppertaler<br />

Literaturbiennale von den wunderbaren Texten inspirieren lässt, um hernach<br />

über die Freiheit, die Literatur und das eigene Leben vielleicht noch einmal ganz<br />

neu nachzudenken.<br />

Gerold Theobalt<br />

3


4<br />

Keine Angst vor Berührung<br />

Barbara Neusel-Munkenbeck und die Urne “moi“<br />

seit 1813<br />

Alles hat seine Zeit.<br />

Berliner Straße 49 + 52-54 · 42275 Wuppertal · www.neusel-bestattungen.de Tag und Nacht 66 36 74


Inhalt<br />

Ausgabe 14, 4. Jahrgang, April 2012<br />

Von der Heydt-Kunsthalle<br />

Beobachtungen –<br />

Ausstellung Cornelius Völker<br />

von Frank Becker Seite 6<br />

… und das Leben wohnt im Herzen<br />

Aufführung des Stücks „Momo“ von<br />

M. Ende beim Kinder- und Jugendtheater<br />

von Martin Hagemeyer Seite 10<br />

Stürmische Pferde<br />

Zur Ausstellung „Der Sturm – Zentrum der<br />

Avantgarde“ im Von der Heydt-Museum<br />

von Marlene Baum Seite 12<br />

Das Bauhaus Fischer<br />

Architektur im Bauhaus Stil in Wuppertal<br />

von Joachim Krug Seite 18<br />

Endstation<br />

Tennessee Williams’ Stück inszeniert<br />

von Claudia Bauer für die Wuppertaler<br />

Bühnen – von Frank Becker Seite 22<br />

528 Werke für Kölner Museen<br />

Spektakuläre Schenkung aus dem<br />

Nachlass von Prof. Irene Ludwig<br />

an die Stadt Köln Seite 25<br />

Ich fi nde Wuppertal wunderbar<br />

Portrait Lutz-Werner Hesse<br />

von Marlene Baum Seite 31<br />

Wuppertaler Literatur Biennale 2012<br />

Vorschau auf die Literatur Biennale<br />

zum Thema „Freiheit“ im Juni<br />

von Ruth Eising Seite 34<br />

Tanztheater Wuppertal Pina Bausch<br />

Neueinstudierung der Aufführung „1980 –<br />

ein Stück von Pina Bausch“<br />

MÉNAGE À TROIS<br />

Seite 36<br />

Ausstellung Warhol, Basquiat, Clemente<br />

in der Bundeskunsthalle Bonn Seite 37<br />

Geschichtsbücher, Buchgeschichten<br />

Geschichtsbücher – Buchgeschichten<br />

vorgestellt von Matthias Dohmen Seite 43<br />

Japan, Ginkgo, Goethe<br />

Portrait des Weltreisenden und<br />

Japanfreundes Klaus Stiebeling<br />

von Matthias Dohmen Seite 44<br />

Neue Kunstbücher<br />

Über die Sparten hinweg…<br />

vorgestellt von Thomas Hirsch Seite 46<br />

<strong>Kulturnotizen</strong><br />

Kulturveranstaltungen in der Region Seite 48<br />

<strong>Kulturnotizen</strong><br />

Kulturveranstaltungen in der Region Seite 51<br />

Zwischen den Fronten<br />

Die Kriegstagebücher Gerhard Nebels,<br />

wiederentdeckt von Michael Zeller<br />

von Johannes Vesper Seite 50<br />

5


Von der Heydt-Kunsthalle<br />

Wuppertal-Barmen<br />

noch bis zum 27. Mai 2012<br />

linke Seite:<br />

Abfl uss, 2008, Öl auf Leinwand,<br />

80 x 60 cm Privatsammlung<br />

© VG Bild-Kunst, Bonn 2012<br />

unten:<br />

Fenster, 2004, Öl auf Leinwand<br />

160 x 180 cm, Privatbesitz<br />

© VG Bild-Kunst, Bonn 2012<br />

Beobachtungen<br />

Seit dem 26. Februar und noch bis zum 27.<br />

Mai 2012 ist in der Kunsthalle Barmen des<br />

Wuppertaler Von der Heydt-Museums eine<br />

Auswahl von Arbeiten des an der Akademie<br />

Münster lehrenden und in Düsseldorf und<br />

New York lebenden Malers Cornelius Völker<br />

(*1965) zu sehen. Die Präsentation der<br />

Werke aus den Jahren 1990-2010, die zuvor<br />

bereits in München (Villa Stuck), Ludwigshafen<br />

(Wilhelm-Hack-Museum) und Goslar<br />

(Mönchenhaus Museum) gezeigt wurde,<br />

erlaubt einen einzigartigen Einblick in die<br />

zeitgenössische gegenständliche Malerei -<br />

Cornelius Völker ist ein herausragender Vertreter<br />

des Genres, das sich scheinbar leichtfüßig<br />

zwischen Fotorealismus und Pop-Art,<br />

klassischem Stilleben und plakativer Malerei<br />

bewegt - seine Bilder eine Augenweide.<br />

Was in der Ausstellung eindrucksvoll gezeigt<br />

wird, belegt zum einen die genaue, nicht<br />

humorfreie Beobachtung, der Cornelius<br />

Völker seine Umgebung, die Welt unterzieht,<br />

zum anderen seinen hohen Rang als<br />

Maler des Augenblicks. Hat ein Thema Völkers<br />

Aufmerksamkeit auf sich gezogen, wird<br />

es von ihm - oft in konsequenter Serie - mit<br />

Ölfarben auf Leinwand ausgeleuchtet, analysiert,<br />

porträtiert, präsentiert - ob das Geschirrtücher,<br />

Meerschweinchen, Cocktails,<br />

Handfeuerwaffen, Schokoladen, Bücher,<br />

Pullover, Hände, Schwimmer, Frisuren,<br />

Männer, Hände, Himbeeren sind, eine<br />

Feuerzeugfl amme oder einfach nur Müll,<br />

der Inhalt von Völkers Abfalleimer. Völker<br />

entreißt das Gewöhnliche der Banalität,<br />

unterstreicht durch seine Art der Präsenta-<br />

7


Röhm Lady Star, 2009, Öl auf Leinwand, 100 x 105 cm, Privatsammlung<br />

oben:<br />

Meerschweinchen, 2003, Öl auf Leinwand, 40 x 50 cm, Privatsammlung<br />

linke Seite:<br />

Feinripp, 1998, Öl auf Leinwand, 260 x 180 cm, Privatsammlung,<br />

alle Abbildungen: © VG Bild-Kunst, Bonn 2012<br />

tion die im Alltag steckende gelegentliche<br />

Lächerlichkeit, aber auch die Schönheit des<br />

Details oder die Wucht der Gefahr. Letzteres<br />

zeigen die „Porträts“ der wie Ikonen ins Bild<br />

gesetzten Handfeuerwaffen (s.u.). Daß diese<br />

Waffen, in Einzelfällen erkennbar, nicht<br />

geladen sind, birgt keine Botschaft. Zufall,<br />

räumt Völker ein.<br />

Cornelius Völkers Bilder faszinieren<br />

durch ihre Eindringlichkeit. Natürlich<br />

hat ein jeder schon einen Bücherstapel<br />

am Boden liegen sehen, vielleicht manch<br />

einen bei sich zu Hause, Stapel, die keine<br />

Bewegung mehr erfahren. Völkers Bücherstapel<br />

(Wuppertal zeigt einen, der Katalog<br />

eine Reihe), obwohl anonym, machen<br />

neugierig. Zermatschte Himbeeren sind<br />

von den Mund wässernder Saftigkeit, und<br />

die Tristesse von zum Lüften ins Fenster<br />

gelegten Betten berührt zutiefst. Menschen<br />

bleiben meist gesichtslos, haben sie aber<br />

doch ein Gesicht, ist es jeder Persönlichkeit<br />

entkleidet. Sie dienen dem Transport eines<br />

Motivs, sind Studien einer Körperhaltung,<br />

eines Stimmungsausdrucks, eines Themas.<br />

Der zufällige Faltenfall eines Handtuchs wird<br />

unter Völkers Pinsel zum Dokument der<br />

Kunstgeschichte, mit starkem Bezug zur detailverliebten<br />

Malerei des 17. Jahrhunderts.<br />

Die Ausstellung in der Kunsthalle Barmen<br />

wurde am 26.2.2012, 11.30 mit einer<br />

Vernissage eröffnet, bei der Dr. Gerhard<br />

Finckh, Direktor des Von der Heydt-<br />

Museums Wuppertal und Prof. Dr. Stephan<br />

Berg, Intendant des Kunstmuseums Bonn<br />

sprachen. Die Ausstellung ist noch bis zum<br />

27. Mai 2012 zu sehen. Cornelius Völkers<br />

Bilder laden zum Verweilen ein. Ein Besuch<br />

ist ein Gewinn.<br />

Zur Ausstellungs-Serie ist ein opulenter<br />

zweisprachiger Katalog (deutsch/englisch)<br />

mit Texten von Stephan Berg, Michael<br />

Buhrs, Magdalena Kröner, Bettina Ruhrberg<br />

und Reinhard Spieler erschienen:<br />

Cornelius Völker – Malerei/Painting –<br />

Werke/Works 1990 – 2010<br />

© 2011 Verlag Schirmer/Mosel, 272 Seiten,<br />

gebunden, durchweg farbig illustriert,<br />

25,5 x 29,5 cm - ISBN 978-3-8296-0534-2<br />

49,80 Euro<br />

Frank Becker<br />

Weitere Informationen:<br />

www.schirmer-mosel.com und<br />

www.von-der-heydt-kunsthalle.de<br />

9


10<br />

Beim „Kinder- und Jugendtheater“<br />

handelt Endes „Momo“<br />

sehenswert von Nutzdenken<br />

Nach dem Roman von Michael Ende.<br />

Inszenierung: Lars Emrich<br />

Ausstattung: Laurentiu Tuturuga<br />

Musik: Andreas Grimm.<br />

Besetzung:<br />

Momo: Elvin Karakurt –<br />

Gigi Fremdenführer: Tom Raczko<br />

Beppo Straßenkehrer: Michael Karp<br />

Meister Hora: Udo Dülme<br />

Kassiopeia: Marie Speckmann<br />

Agent XYQ-384-b/ Polizist: Tim Neuhaus<br />

Friseur Fusi/ Grauer Agent 4:<br />

Patrick Wasserscheid<br />

Maurer Nicola/ Grauer Agent 2:<br />

Ralf Stallmann<br />

Gastwirt Nino/ Grauer Agent 3:<br />

Dino Capozza<br />

Ninos Frau Liliana/ Grauer Agent 1:<br />

Anna Rauhaus<br />

Ninos Tochter Maria/ Grauer Agent 6:<br />

Charlott Hoebel<br />

Bibigirl/ Managerin/ Grauer Agent 7:<br />

Miriam Wunder<br />

Kundin Friseursalon/ Grauer Agent 5:<br />

Claudia Wunder<br />

Franco: Clemens Redeker<br />

Paolo: Daniel Hasenmayer<br />

Giulia: Alyson Hille.<br />

… und das Leben wohnt im Herzen<br />

Das Kinder- und Jugendtheater bringt<br />

„Momo“ auf die Bühne, den Kinderbuchklassiker<br />

von Michael Ende zum<br />

Phänomen Zeit. Eine Schlüsselszene<br />

in Lars Emrichs schöner und sehenswerter<br />

Inszenierung ist vielleicht diese:<br />

Einer der grauen Agenten, die die<br />

Menschen zum Zeitsparen überreden,<br />

will von dem gefährlichen Mädchen<br />

schon sichtlich nervös wissen, was<br />

Bibigirl, der vollkommenen Puppe,<br />

denn jetzt noch fehlt. Und Momo, das<br />

Mädchen, das deswegen gefährlich ist,<br />

weil es sich viel mehr für Märchenspiele<br />

mit ihren Freunden interessiert als<br />

für Puppen mit „endlos“ viel Zubehör,<br />

gibt sofort zurück: „Ich glaub‘, man<br />

kann sie nicht liebhaben.“ Den grauen<br />

Agenten bringt das um den Verstand.<br />

Wichtig für diese Inszenierung der<br />

berühmten Geschichte um die Zeit<br />

ist das deshalb, weil es in dieser Szene<br />

ja gar nicht so sehr um Zeit geht.<br />

Sondern, grundsätzlicher: um ökonomisches<br />

Denken. Die Manie, alles<br />

nach Nutzwert zu berechnen, gegen<br />

den Wert menschlicher Qualitäten:<br />

Das ist das Thema des Abends, und die<br />

Ware Zeit eher nur ein Beispiel dafür.<br />

Hast gegen Bedächtigkeit, still stehende<br />

Zeit: Solche Aspekte des Romans<br />

könnte man auch spannend auf die<br />

Bühne bringen, doch der Regie geht<br />

es um anderes. So sind hier auch beim<br />

weisen Meister Hora (Udo Dülme) in<br />

seiner geheimen Zeit-Zentrale weniger<br />

tickende Uhren zu hören als pochende<br />

Herzen. (Die Szene, in der er Momo<br />

zu ihren leuchtenden Stunden-Blumen<br />

führt, ist dabei wohl einer der schönsten<br />

und spektakulärsten Momente des<br />

Abends.)<br />

Auch sind die grauen Agenten heute in<br />

erster Linie Geschäftsleute; Branche:<br />

zweitrangig – bis hin zu ihrer schneidigen<br />

Chefi n (von Anna Rauhaus stark<br />

gespielt). Dem armen Beppo Straßenkehrer<br />

(Michael Karp) wird weniger<br />

Zeitmangel zum Verhängnis als die<br />

Tatsache, daß er nichts Einträgliches<br />

zu bieten hat, und seinem eloquenten<br />

Freund Gigi Fremdenführer (Tom<br />

Raczko mit genau dem richtigen jungenhaften<br />

Elan) das Umgekehrte: eben<br />

daß er einträglich ist. Ökonomisierung<br />

hier wie dort.<br />

Last not least, im Gegenteil: Auch<br />

Elvin Karakurt in der Titelrolle ist in<br />

diesem Sinne eine sehr passende Besetzung.<br />

Sie gibt strahlend eine vitale<br />

Momo, der man auch lautes Lachen<br />

gern abnimmt, und hat wenig von dem<br />

scheuen Sonderling mit Kulleraugen,<br />

als den Radost Bokel aus der Achtziger-Verfi<br />

lmung die Figur in so manchem<br />

Kopf bis heute in Beschlag hält.<br />

Zur Stückidee „lebensvoll statt kalkulierend“<br />

paßt das gut. Schwieriger wird<br />

es allerdings, wenn es um die besondere<br />

Fähigkeit geht, für die Momo allseits<br />

so geliebt und gebraucht wird: das<br />

Zuhören. Wenn zwei Streithähne wie<br />

Maurer Nicola und Wirt Nino (zwei<br />

tolle Charakterköpfe: Ralf Stallmann<br />

und Dino Capozza) sich allein dank<br />

Momos stiller Aufmerksamkeit versöhnen<br />

– und auch die hier so impulsive<br />

Momo zu diesem Zweck fast unvermittelt<br />

verstummen muß: Damit das<br />

so recht einleuchtet, bräuchte es wohl<br />

doch ein wenig Kulleraugen.<br />

Martin Hagemeyer<br />

Szenen aus einer Aufführung des<br />

Kinder- und Jugendtheater Wuppertal<br />

oben:<br />

Friseur Fusi erfährt seine „Zeit-Bilanz“<br />

(v.l.: Patrick Wasserscheid, Tim Neuhaus)<br />

unten:<br />

Gigi fantasiert mit Momo<br />

(v.l.: Tom Raczko, Elvin Karakurt)<br />

Fotos:<br />

Karola Brüggemann


12<br />

„Gib Deiner Zeit Tiere, vor denen<br />

man noch lange steht.<br />

Die Hufschläge Deiner Pferde<br />

mögen hallen bis in die fernsten<br />

Jahrhunderte.“<br />

August Macke an Franz Marc 1910<br />

Carlo D. Carrà<br />

Die rüttelnde Droschke, 1911<br />

The Museum of Modern Art, New<br />

York. Gift of Herbert and Nannette<br />

Rothschild, 1966<br />

Franz Marc und August Macke lernten<br />

sich 1910 kennen und schlossen sofort<br />

Freundschaft. Auch wenn Macke mit<br />

den Ideen des Blauen Reiter nicht immer<br />

einverstanden war, teilte er den Gedanken,<br />

das Tier als symbolischen Mittler zu sehen,<br />

durch den man mit künstlerischen Mitteln<br />

die verloren geglaubte Einheit zwischen<br />

Mensch und Natur zurückzufi nden suchte.<br />

Marcs berühmte Forderung, „Symbole zu<br />

schaffen, die auf die Altäre der kommenden<br />

geistigen Religionen gehören“, war das<br />

Ziel des Blauen Reiter. Wassily Kandinsky<br />

hatte den Sieg des Geistigen über den<br />

Materialismus postuliert: Der Mensch solle<br />

den Blick von Äußerlichkeiten ab- und sich<br />

selbst zuwenden.<br />

Mit Entdeckungen wie den Röntgenstrahlen,<br />

der Radioaktivität, der drahtlosen<br />

Kommunikation und des Unbewussten<br />

war seit der Jahrhundertwende das<br />

Weltbild ins Wanken geraten. Kandinsky<br />

schrieb: „Das Zerfallen des Atoms war<br />

Stürmische Pferde<br />

in meiner Seele dem Zerfall der ganzen<br />

Welt gleich (...). Alles wurde unsicher,<br />

wackelig und weich (...).“ Diesem tiefen<br />

Gefühl der Verunsicherung angesichts von<br />

Erfi ndungen, die dem Verstehen entzogen<br />

waren, setzten Marc und Kandinsky das<br />

Programm des Blauen Reiter entgegen.<br />

Kandinsky erinnert sich 1930: „Beide<br />

liebten wir Blau, Marc Pferde – ich Reiter,<br />

so kam der Name wie von selbst.“<br />

Seit Friedrich Nietzsche wurden für zahlreiche<br />

Künstler des Expressionismus, Dichter<br />

wie Bildende Künstler, zunehmend Tiere<br />

zu Bedeutungsträgern. Für die Literatur<br />

sei beispielhaft Franz Kafka genannt, der<br />

die Verwandlung eines Menschen in ein<br />

Tier schildert. Reinhard Piper schrieb<br />

1910 ein Buch „Das Tier in der Kunst“.<br />

Selbst die Wissenschaft interessierte sich<br />

für Tiere, in Berlin erregte ein Pferd, „Der<br />

Kluge Hans“, Aufsehen, weil es angeblich<br />

rechnen konnte.


im Von der Heydt-Museum<br />

Auch in der Ausstellung des Von der<br />

Heydt-Museums „Der Sturm“ sind zahlreiche<br />

Tiere zu sehen, doch besonders häufi g<br />

fi nden sich Pferdedarstellungen. Kämen<br />

die verschollenen Pferdebilder aus der Zeit<br />

hinzu, fi ele dies noch mehr auf. Woran<br />

liegt das?<br />

Dem Pferd ist eine überaus reiche Symbolik<br />

eigen, die bis heute in der Kunst<br />

lebendig ist. Schon die Bezeichnung „Der<br />

Sturm“, die sich wohl Else Lasker-Schüler<br />

verdankt, verweist auf die mythische<br />

Bedeutung des Pferdes als Wetterross.<br />

Seit alters her glaubte man, dieses rasend<br />

schnelle Tier bewege die Gestirne. So stellte<br />

man sich vor, der Sonnenwagen des Helios<br />

werde von den Sonnenpferden gezogen.<br />

Wie intensiv diese archaischen Bedeutungsebenen<br />

in Künstlern fortleben, zeigt<br />

eine Erinnerung von Kandinsky an ein<br />

weißes Pferd: „Es ist mir eine Freude, solch<br />

einen Schimmel in den Straßen Münchens<br />

zu sehen; er kommt jeden Sommer (...). Er<br />

weckt in mir die lebendige Sonne.“<br />

In seiner kosmischen Bedeutung als Beweger<br />

der Gestirne wurde das Pferd, vor allem<br />

aber der Schimmel, vergöttlicht oder zum<br />

Attribut von Gottheiten. Diese Symbolik<br />

erhielt sich bis in christliche Zeit, da es das<br />

Privileg der Päpste war, den Schimmel als<br />

Lichtross zu reiten. In der Legende lebt<br />

es als Reittier des Heiligen Georg weiter,<br />

und eben dieses Motiv greift Kandinsky<br />

auf, um den Aufbruch des Geistigen zu<br />

visualisieren.<br />

Auch Else Lasker-Schüler und Franz Marc<br />

verstanden sich sofort über die kosmische<br />

Bedeutung des Pferdes. „Ich denke wie<br />

der Mond“, hatte sie 1912 dem Künstler<br />

auf seine erste Karte „Der blaue Reiter<br />

präsentiert seiner Hoheit sein blaues Pferd“<br />

geantwortet. 1913 sandte ihr Franz Marc<br />

seine zweite Postkarte mit dem berühmten<br />

„Turm der Blauen Pferde“. Blau ist<br />

die kosmische Farbe, und die Pferde sind<br />

inmitten von Sternen und einer Mondsichel<br />

zu sehen. Die Dichterin bezeichnet<br />

sie einfühlsam als „wiehernde Erzengel“.<br />

Sie liebte Pferde seit ihrer Kindheit und<br />

schwärmte von dem schönen Reitpferd<br />

ihrer Mutter. Auch den „Klugen Hans“<br />

kannte sie. Das berühmte denkende Pferd<br />

aus Berlin ging 1910 in den Besitz des<br />

Elberfelder Kaufmanns Karl Krall über, mit<br />

dessen Sohn sie eng befreundet war.<br />

Als Beweger galten die dahinjagenden<br />

Rosse als Verursacher von Wolken, Sturm,<br />

Donner und Blitz. Wotan, der Donnergott,<br />

ritt ein achtbeiniges Ross, und himmlische<br />

Rosse schüttelten die Blitze aus ihren Mähnen.<br />

Franz Marc hatte für das Deckblatt<br />

der Schrift des Verlegers Reinhard Piper<br />

„Das Tier in der Kunst“ ein Aquarell von<br />

Eugène Delacroix „Schimmel vom Blitz<br />

Wassily Kandinsky, Improvisation 13,<br />

1910, Staatliche Kunsthalle Karlsruhe<br />

© VG Bild-Kunst, Bonn, 2012<br />

erschreckt“ ausgewählt. Dieser Schimmel<br />

ist durch seine exaltierte bizarre Körperhaltung<br />

und die wehende Mähne die Verkörperung<br />

des Blitzes. 1928 nimmt William<br />

Wauer mit seiner kleinen Metallplastik<br />

„Der Blitzreiter“, die in der Ausstellung zu<br />

sehen ist, genau dieses Motiv auf.<br />

Zu der kosmisch-solaren Bedeutung des<br />

Pferdes treten Angst, Panik, Tod und<br />

Hölle als Gegenseiten. In diesem Sinne<br />

jagen dämonische Rosse durch Alfred<br />

Kubins Roman „Die andere Seite“ (1908).<br />

Marc Chagall malt 1913 „Die fl iegende<br />

Kutsche“, welche von einem geheimnisvoll<br />

grünen Pferdchen mit drei Beinen gezogen<br />

wird, wer weiß, wohin? Vielleicht wird<br />

daraus eine Höllenfahrt.<br />

Eine weitere Bedeutungsebene des Pferdes<br />

ist die der Verkörperung der vitalen Instinkte,<br />

der Libido, in die das Männliche<br />

ebenso eingeschlossen ist wie das Weibliche.<br />

Ernst Barlach bedient sich dieser<br />

Symbolik in seinem Theaterstück „Der tote<br />

Tag“ (1910, in welchem die Mutter das<br />

heißgeliebte Pferd des Sohnes tötet.<br />

Franz Kafka hat in seiner Schrift „Die Aeroplane<br />

von Brescia“ (1909) alle Verkehrsmittel<br />

seiner Zeit mit Pferden kontrastiert.<br />

Das Pferd als symbolischer Beweger von<br />

Gestirnen im Mythos und als lebendiger<br />

Beweger des Menschen samt seiner Habe<br />

13


oben:<br />

Franz Marc, Drei Pferde II, 1913<br />

Neue Nationalgalerie Berlin<br />

links:<br />

Franz Marc, Die Blauen Fohlen, 1913<br />

Kunsthalle Emden – Stiftung Henri und<br />

Eske Nannen und Schenkung<br />

Otto van de Loo<br />

über die Jahrtausende, ist zu Beginn des<br />

20. Jahrhunderts durch Entdeckungen<br />

und technische Erfi ndungen überfl üssig<br />

geworden. Dennoch durchjagen Pferde die<br />

Werke der Futuristen – gerade weil sich<br />

die Bewegungen eines vierbeinigen Tieres<br />

ungleich intensiver und rasanter darstellen<br />

lassen als die einer Maschine. So gerät<br />

„Die rüttelnde Droschke“ von Carlo Carrà<br />

(1910) durch die extreme Abstraktion und<br />

Aufsplitterung der Formen in der Fantasie<br />

des Betrachters gleichsam zu einer ratternden<br />

Maschine. Nur Räder und das schemenhafte<br />

helle Pferd sind als Gegenstände<br />

auszumachen. Doch gerade wenn die<br />

Futuristen Pferde mit der Geschwindigkeit<br />

der Technik und der Großstadt konfrontieren,<br />

kommt ein neuzeitlicher Aspekt der<br />

Pferdedarstellung zum Ausdruck: Seit das<br />

Pferd als Arbeitstier abgelöst ist durch die<br />

Technik, kann man es distanziert wahrnehmen.<br />

So wird dieses Tier zunehmend zum<br />

Sinnbild des Leidens. Besonders wenn es<br />

reiterlos ist, kann das Pferd symbolisch an<br />

die Stelle des Menschen treten.<br />

Fast alle Pferde von Franz Marc sind ohne<br />

Reiter. Auch auf seiner ersten Karte an Else<br />

Lasker-Schüler, in der er sich als blauer<br />

Reiter vorstellt, malt er sich neben einem<br />

Fohlen stehend so, dass beide Körper verschmelzen.<br />

Kandinskys Pferde tragen immer<br />

einen Reiter, und gerade darin offenbaren<br />

sich zwei Grundstömungen des Blauen<br />

Reiter innerhalb des Aufbruchs und der<br />

Suche nach dem „Geistigen in der Kunst“,<br />

wie Kandinsky es genannt hat: „Gegensätze<br />

und Widersprüche – das ist unsere Harmonie.“<br />

Kandinsky sieht in Pferd und Reiter<br />

die stürmische Überwindung der Materie,<br />

während Marc zur Verinnerlichung zu<br />

gelangen sucht und gerade deshalb auf den<br />

Reiter verzichtet. Beiden Künstlern geht es<br />

darum, die verloren geglaubte Einheit von<br />

Mensch und Natur zurückzubeschwören.<br />

Vier in der Ausstellung gezeigte Werke von<br />

Franz Marc und Wassily Kandinsky mit<br />

Pferdemotiven aus dem Jahre 1913 möchte<br />

ich eingehender vorstellen.<br />

Kandinskys „Improvisation 13“ zeigt, wie<br />

das Motiv des Almanachs „Der Blaue Reiter“,<br />

den Heiligen Georg auf dem Schimmel.<br />

Doch nichts mehr von der Ruhe<br />

des Frontispiz des „Blauen Reiter“, hier<br />

15


16<br />

wird das Bildformat gesprengt von einem<br />

gewaltigen nach links sich bäumenden<br />

Schimmel mit wenigen dunklen Flecken.<br />

Der offensichtlich gerüstete Reiter ist aus<br />

der Senkrechten weit nach hinten geneigt,<br />

so dass er und das Pferd entgegengesetzte<br />

Diagonalen bilden. Lanze und Drache sind<br />

nicht gegeben, die Gestalt der Prinzessin<br />

ist nur zu erahnen. Wie bei „Lyrisches“ ist<br />

die Mähne des Pferdes zu einer Wellenlinie<br />

stilisiert. Die einzige ruhige Senkrechte<br />

ist der Unterschenkel des Reiters, der die<br />

Bildmitte markiert. Alle weiteren Formen<br />

des Bildes sind mit Vehemenz gestaltet und<br />

kaum gegenstandsbezogen. Die dominante<br />

Farbe ist das abgetönte Weiß des Pferdes,<br />

die ihm eine beinahe immaterielle Dynamik<br />

verleiht. Kraftvolle Linien unterstreichen<br />

die Bedeutung des Heiligen Georg<br />

als Retter. Fast alle weiteren Farben sind<br />

mit Weiß abgemischt und scheinen von<br />

Pferd und Reiter weg aus dem Bildformat<br />

hinauszudrängen.<br />

In „Über das Geistige in der Kunst“ sagt<br />

Kandinsky über seine Improvisationen:<br />

„(...) hauptsächlich unbewusste, größtenteils<br />

plötzlich entstandene Ausdrücke der<br />

Vorgänge inneren Charakters, also Eindrücke<br />

von der ‚inneren Natur’“.<br />

Franz Marc geht im selben Jahr in ähnlicher<br />

Absicht ganz anders vor. Drei Bilder in der<br />

Ausstellung verdeutlichen das.<br />

„Die Blauen Fohlen“ wirken auf den ersten<br />

Blick recht beschaulich. Wie fast alle Pferde<br />

von Franz Marc erinnern ihre runden Formen,<br />

die dunklen Mähnen und die Form<br />

der Augen an die Urpferdchen der Höhlenmalereien.<br />

Marc hat bewusst darauf verzichtet,<br />

bestimmte Pferderassen darzustellen.<br />

Auch versteht er sich nicht als Tiermaler im<br />

herkömmlichen Sinn, sondern seine Tiere<br />

weisen über sich hinaus. Deshalb wirken sie<br />

immer hermetisch, dem Betrachter bleibt<br />

emotionaler Kontakt verwehrt. Farblich<br />

und formal sind sie vollkommen eingebunden<br />

in die Natur, wobei auch diese zur<br />

Chiffre wird. Im Laufe von Marcs Schaffen<br />

werden die Tiere immer wieder zu Trägern<br />

von Formen und Farben, die Eigenwert<br />

erhalten und unter den Einfl üssen von<br />

Kubismus und Futurismus zur Abstraktion<br />

führen. Der frühe Tod des Künstlers hat<br />

diese Entwicklung unterbrochen.<br />

Dem Werk ist aus mehreren Gründen<br />

eine beunruhigende Spannung eigen, die<br />

aus ganz anderen künstlerischen Mitteln<br />

resultiert als Kandinskys „Improvisation<br />

13“. Beide Tiere scheinen aus dem Gleichgewicht,<br />

das Fohlen vorn ist in leichter<br />

Untersicht gegeben, während das hintere in<br />

Aufsicht zu sehen ist. Das Tier hinten wendet<br />

den Kopf nach rechts und stemmt die<br />

Vorderhufe gegen den Boden. Das Fohlen<br />

vorn ist aus der Achse nach links gekippt<br />

und wendet den hochgeworfenen Kopf mit<br />

weit aufgerissenem Auge gegen ein rotes<br />

Gestirn am oberen Bildrand. Beide Tiere<br />

werden vom Bildformat so eingeengt, dass<br />

ein Vorderhuf den Bildrand überschneidet.<br />

Links in der Ferne bäumt sich ein weiteres<br />

blaues Pferd, das wie erschreckt den Kopf<br />

abwendet.<br />

Der Hintergrund des Werkes ist kaum<br />

defi niert, er bildet eine stark abstrahierte<br />

karge Farblandschaft aus Rot-, Grün- und<br />

Gelbtönen, die in einen hellen Berg unter<br />

rotem Himmel am oberen Bildrand gipfelt.<br />

Von diesem abgeschnitten erscheint die<br />

rote Kreisform eines Gestirns, die in der<br />

Flanke des Fohlens wiederkehrt. Auch weite<br />

Teile des Bildgrundes sind rot. Zwischen<br />

den sich diagonal verschränkenden Beinen<br />

der Fohlen kreuzen sich dunkle Linien, die<br />

an abgestorbene Bäume erinnern und dem<br />

Werk eine zusätzliche Unruhe verleihen,<br />

zumal sie mit den runden Formen der<br />

Fohlenleiber kontrastieren.<br />

Das labile Gleichgewicht der Fohlen, die<br />

rote Farbe, der aufgeworfene Kopf des<br />

Tieres und das sich bäumende Pferd im<br />

Hintergrund verleihen dem kleinen Bild<br />

eine unheimliche Atmosphäre.<br />

Im selben Jahr malt Marc zwei Fassungen<br />

„Drei Pferde“ – eine gänzlich andere<br />

Konstellation als die „Blauen Fohlen“. Das<br />

ausgestellte Werk zeigt drei Pferde, die das<br />

Bildformat fast vollkommen ausfüllen. Am<br />

unteren Bildrand liegt ein schlummerndes<br />

rotes Pferd, optisch darüber steht ein<br />

gleichfalls ruhendes schwarzes Pferd, und<br />

links zeigt Marc als Rückenfi gur ein gelbes<br />

Pferd. Es schaut so aus dem Bild nach<br />

links, dass sich Kopf und Hals zwischen<br />

den beiden anderen Pferden befi nden und<br />

die Pferdeköpfe eine Diagonale ergeben.<br />

Die drei Pferdekörper bilden eine geschlossene<br />

Form, fast als wären sie eine Schicksalsgemeinschaft.<br />

Der Bildgrund vorn ist<br />

bis auf einige Grashalme stark abstrahiert<br />

und nimmt die Farben des roten und des<br />

gelben Pferdes auf. Nach oben/hinten<br />

werden die Formen kubischer und differenzierter<br />

und lassen einen Teich, Häuser<br />

und Berge erkennen. Marc schildert das für<br />

Pferde typische Verhalten: Während einige<br />

ruhen, hält ein anderes Wache. Dennoch<br />

wirken diese Tiere noch weniger beschaulich<br />

als die „Blauen Fohlen“, weil zwei von<br />

ihnen bis auf die Rippen abgemagert sind.<br />

Auch irritiert die dunkle Farbe des stehenden<br />

Pferdes, und man fühlt sich an das im<br />

selben Jahr entstandene Werk „Das arme<br />

Land Tirol“ erinnert. Auf diesem Gemälde<br />

und auf „Das lange gelbe Pferd“ sieht man<br />

nicht die für Marc üblichen runden, wohlbeleibten<br />

Tiere, sondern magere Geschöpfe<br />

mit gelängtem Körper, die in Verbindung<br />

mit weiteren Werken Marcs als Vorboten<br />

der Apokalypse gesehen werden können.<br />

Das dritte in der Ausstellung gezeigte<br />

Gemälde von 1913, „Stallungen“, ist<br />

stark vom Kubismus, Orphismus und<br />

Futurismus beeinfl usst. Die in Ständern<br />

aufgestallten Pferde ergeben eine rhythmische<br />

Gliederung, die jedoch zur linken<br />

Seite hin an Konsequenz verliert. Schrägen<br />

und eine hohe bogenförmige Form deuten<br />

eine Bedachung an. Rechts stehen mit der<br />

Hinterhand zum Betrachter zwei Pferde,<br />

deren gebogene Schweife und zur Seite


gewendeten Hälse Rundungen aufweisen,<br />

die in angedeuteten Heuraufen und<br />

in dem Bogen in der linken Bildhälfte<br />

wiederkehren. Dieser große Bogen scheint<br />

sich nach links zu öffnen. Darunter steht<br />

parallel zum Betrachter ein rotes Pferd mit<br />

zurückgewendetem Kopf. In Kruppe und<br />

Widerrist des Tieres wird die Bogenform<br />

aufgenommen. Im Hintergrund links ist<br />

ein weißes, entgegengesetzt stehendes Pferd<br />

zu sehen, dessen Kopf fast ganz hinter<br />

einem Balken verschwindet.<br />

Formal ist das Werk ein dichtes Gefüge<br />

von geometrischen Formen, teilweise<br />

spitzen Diagonalen, die ins Bildinnere<br />

eindringen, linearen Gebilden, eckigen<br />

Formen und solchen, die in der rechten<br />

Bildhälfte an Häuser erinnern, während sie<br />

in der linken Seite Chiffren für Natur sein<br />

könnten. Die Pferde durchbrechen und<br />

kontrastieren wegen ihrer Rundungen die<br />

strenge formale Gestaltung. Dazu tragen<br />

zahlreiche mondsichelartigen Formen bei,<br />

die Marc eingebracht hat. Auffällig sind die<br />

angedeuteten stark vergrößerten Glieder<br />

einer Kette unter der Heuraufe in der Bildmitte.<br />

Während die beiden Pferde rechts<br />

eingezwängt sind in enge Ständer scheinen<br />

sich die beiden Tiere links in Freiheit zu<br />

befi nden. „Stallungen“ ist Marcs einziges<br />

Werk, das Pferde teilweise in einer vom<br />

Menschen geschaffenen Umgebung zeigt.<br />

Auffallend ist auch die farbliche Gestaltung.<br />

Die häufi g mit Weiß abgemischten<br />

prismatischen Farben kontrastieren mit<br />

dem roten und dem weißen Pferd in der<br />

oberen Bildhälfte links. Immer wieder<br />

durchlichten helle Gelb- und Grüntöne<br />

das Werk und verleihen ihm im Zusammenspiel<br />

mit geometrischen Formen die<br />

Wirkung von Prismen oder Kristallen.<br />

Alle drei Werke aus diesem für Marcs<br />

künstlerisches Schaffen besonders reichen<br />

Jahr 1913 zeigen sehr verschiedene Pferde.<br />

Auf der Suche nach der verlorenen geglaubten<br />

Einheit mit der Natur durch die<br />

„Animalisierung der Kunst“, wie Marc es<br />

nannte, hatte er erkannt, dass er auf seine<br />

Tiere verzichten musste, um zur reinen<br />

Selbsterkenntnis zu gelangen: „Die Kunst<br />

überwindet die Natur, sie ist die Brücke ins<br />

Geisterreich.“ Davon könnte „Stallungen“<br />

Zeugnis geben. Bedenkt man, dass auch<br />

das verschollene Werk „Turm der Blauen<br />

Pferde“ im selben Jahr entstanden ist, wird<br />

umso deutlicher, wie unterschiedlich Marc<br />

seine Pferde gestaltet hat. Sie sind nicht um<br />

ihrer selbst willen gemalt, sondern weisen<br />

über sich hinaus. Else Lasker-Schüler<br />

schreibt anlässlich des frühen Todes ihres<br />

Freundes: „Der Blaue Reiter ist gefallen,<br />

Franz Marc, Stallungen, 1913<br />

Solomon R. Guggenheim Museum,<br />

New York<br />

ein Großbiblischer (...). Er war der, welcher<br />

die Tiere noch reden hörte, und er verklärte<br />

ihre unverstandenen Seelen.“<br />

Bemerkenswert ist, dass wir uns gegenwärtig,<br />

hundert Jahre nach dem Expressionismus,<br />

in einer Zeit vergleichbarer<br />

Erschütterungen befi nden. Wider greift die<br />

Kunst verstärkt auf Tiermotive zurück und<br />

bedient sich besonders des Pferdes. Den<br />

Anfang dazu hat nach dem Zweiten Weltkrieg<br />

Marino Marini gemacht mit seinen<br />

erschütternden, „Miracolo“ genannten,<br />

verzweifelt sich aufbäumenden Pferden,<br />

deren Reiter im Begriff sind zu stürzen.<br />

In der zeitgenössischen Kunst ist der Reiter<br />

abgestiegen, wie schon bei Franz Marc,<br />

aber die Pferde sind gebrochene Tiere,<br />

die stürzen oder am Boden liegen. Davon<br />

zeugen beispielsweise Werke von Norbert<br />

Tadeusz, Emil Schumacher oder Berlinde<br />

De Bruyckere.<br />

So ist der eingangs zitierte Wunsch von<br />

August Macke in Erfüllung gegangen,<br />

wenngleich das utopische Programm des<br />

Blauen Reiter gescheitert ist. Es bleibt<br />

spannend, in welcher Form das Pferd als<br />

Symbol fortleben wird.<br />

Marlene Baum<br />

17


Architektur in Wuppertal wird geprägt<br />

von großbürgerlichen Fabrikanten-Villen,<br />

bescheideneren bergischen Wohnhäusern<br />

mit ihren Schieferfassaden und natürlich<br />

vom Nachkriegsbaustil der 50er bis 70er<br />

Jahre, der dem Erfordernis geschuldet ist,<br />

der ausgebombten Bevölkerung preiswerte<br />

Wohnungen anzubieten. Nur eine kleine<br />

Gruppe von Wuppertalern kennt Gebäude,<br />

die in der Tradition der Bauhaus-Architektur<br />

geplant und erstellt wurden.<br />

Außenansichten des Hauses aus verschiedenen Perspektiven<br />

Das Bauhaus Fischer in Wuppertal<br />

Eines dieser Häuser ist das Gebäude, das<br />

1926 bis 1927 an der Oberen Lichtenplatzstraße<br />

von dem Architekten Hans<br />

Heinz Lüttgen entworfen und in die Tat<br />

umgesetzt wurde. Bauherr war damals<br />

der jüdische Rechtsanwalt Dr. Walter<br />

Fischer, der allerdings in seherischer Voraussicht<br />

bereits im Sommer 1933 mit der<br />

Machtübernahme der Nationalsozialisten<br />

Deutschland verließ und sich mit seiner<br />

Familie in Palästina – damals britisches<br />

Mandatsgebiet – niederließ. Er hat sein<br />

Haus, das 1939 von der Familie des Flugpioniers<br />

Gottlob Espenlaub(„Villa Espenlaub“)<br />

übernommen wurde, nie wieder<br />

gesehen. Espenlaub war im Dritten<br />

Reich ein Regime treuer Flugzeug- und<br />

Automobilfabrikant, der auf Grund seines<br />

technischen Wissens den Nationalsozialisten<br />

für den erhofften „Endsieg“ zuarbeitete.<br />

Noch heute ist die „Villa Espenlaub“<br />

in den Köpfen der Menschen, nicht die<br />

„Villa Dr. Fischer“.<br />

Bis 1981, als das Gebäude von Dr. Hans<br />

Günther Golinski und Dr. Hans-Jürgen<br />

Schwalm erworben wurde, ist das Bauhaus<br />

Fischer - innen und außen – zum<br />

Teil bis zur Unkenntlichkeit verändert<br />

und „modernisiert“ worden. Vor dem<br />

Einzug der heutigen Eigner stand das<br />

Haus sieben Jahre lang zum Verkauf, was<br />

natürlich auch nicht zu seiner inneren<br />

und äußeren Attraktivität beigetragen<br />

hat. Es steht seit 1989 unter Denkmalschutz.<br />

Behutsam und unter Verwendung<br />

der wenigen vorhandenen Einbauelemente<br />

(Treppengeländer, Wandschränke,<br />

Fußböden) stellten Golinski und<br />

Schwalm den ursprünglichen Zustand<br />

wieder her, besonders was die Farbgebung<br />

innen und außen betrifft. Möbel<br />

aus der Zeit, als die Familie Dr. Fischer<br />

das Haus bewohnte, waren nicht mehr<br />

vorhanden. Das rosa Mauerwerk außen<br />

wurde rekonstruiert, ebenso das Blau<br />

der Fensterrahmen und - -kreuze. Im<br />

Inneren fanden die heutigen Besitzer nur<br />

19


Blick ins Treppenhaus Einrichtungsdetails<br />

linke Seite oben:<br />

das Esszimmer,<br />

unten<br />

Ansicht des Musikzimmers<br />

wenige Spuren vom Bauhaus Fischer<br />

aus dem Jahre 1927. In einem der<br />

Erdgeschossräume entdeckten sie die<br />

hebräische Inschrift in lateinischen Buchstaben<br />

„mene, mene Tekel ll – Pharsin“,<br />

was ungefähr „Gewogen, gewogen und<br />

zu leicht befunden“ bedeutet. Neben<br />

den menschlichen Dimensionen und<br />

der Vielfarbigkeit im Inneren präsentiert<br />

sich das Bauhaus Fischer heute in<br />

geschmackvoller Farbigkeit, gepaart mit<br />

einer dezenten und edlen, aber wohnlichen<br />

Möblierung einschließlich Bildern<br />

und Kunstgegenständen verschiedener<br />

Epochen und Kulturen.<br />

Der 1919 unter anderem von den Architekten<br />

Walter Gropius und Mies van<br />

der Rohe initiierte Bauhausstil wendete<br />

sich bewusst vom bis dahin in Deutschland<br />

„für die bessere Gesellschaft“ praktizierten<br />

Monumentalstil ab und verwirklicht<br />

ein Wohnen mit „menschlichem<br />

Antlitz“ . Der desaströse Ausgang des<br />

Ersten Weltkriegs (1914- 1918) hat wohl<br />

mit dazu beigetragen. Den Hauseingang<br />

sieht man nur, wenn man sich dem<br />

Gebäude nähert. Keine Säulen oder<br />

Stuckornamente zieren das Mauerwerk.<br />

Die Haustür ist eine `Tür`, kein Tor.<br />

Heute kann in Dessau der Bauhausstil<br />

wieder studiert werden Er kam in der<br />

Zeit , als die Villa Dr. Fischer gebaut<br />

wurde, bei der Bevölkerung gar nicht<br />

gut an. Das erhöht errichtete Gebäude<br />

in den Barmer Anlagen wurde mehr<br />

oder weniger als Schandfl eck angesehen.<br />

Noch zu sehr war die Villen-Architektur,<br />

die auch in der äußeren Gestaltung der<br />

Reihenbebauung aus der damaligen<br />

Zeit erkennbar ist, in den Köpfen der<br />

Menschen der 20er Jahre des vorigen<br />

Jahrhunderts. Die Räume der Bauhaus-<br />

Architektur haben eine „normale“<br />

Höhe und sind von überschaubarem<br />

Ausmaß. Sie haben einen ausgeklügelten<br />

Lichteinfall, die Fenster sind aber nicht<br />

überdimensioniert, die Wärmeisolierung<br />

entspricht heutigem Standart. In ihrem<br />

wieder hergestellten „Urzustand“ sind<br />

alle Zimmer einer Etage, wie ursprünglich<br />

geplant, durch Türen mit einander<br />

verbunden, ohne dass ein jeweils separater<br />

Eingang vom Korridor her fehlt. Eine<br />

„Arme- Leute“- Aufteilung ist nicht<br />

erkennbar, was auch ein Lastenaufzug<br />

von der Küche in die oberen Etagen<br />

deutlich macht. Eine „gutbürgerliche“<br />

Familie fi ndet reichlich Platz, ohne dass<br />

die Zimmer Dimensionen von Sälen<br />

annehmen.<br />

Durchblick<br />

Das Bauhaus Fischer ist in die Umgebung<br />

eingebettet. Man schaut in die<br />

Barmer Anlagen. Unmittelbar hinter<br />

dem Haus grenzt ein zum Grundstück<br />

gehörender veritabler Baumbestand auf<br />

über 2.000 qm Fläche an das Gebäude<br />

an., so dass ein Übergang zum „öffentlichen<br />

“ Wald kaum erkennbar ist.<br />

Joachim Krug<br />

Fotos:Torsten Krug<br />

21


Claudia Bauer<br />

richtet in Wuppertal<br />

Tennessee Williams´<br />

„Endstation Sehnsucht“<br />

zugrunde.<br />

Inszenierung: Claudia Bauer<br />

Bühne/Kostüme:<br />

Patricia Talacko, Bernd Schneider<br />

Musik: Smoking Joe<br />

Besetzung: Blanche DuBois (Sophie Basse)<br />

Stella Kowalski (Anne-Catherine Studer)<br />

Stanley Kowalski (Holger Kraft)<br />

Mitch (Lutz Wessel)<br />

Eunice (Amber Schoop)<br />

Steve (Marco Wohlwend)<br />

Pablo (Hendrik Vogt),<br />

sowie Götz Vogel von Vogelstein<br />

und Claudia Schulz<br />

linke Seite:<br />

Sophie Basse, Holger Kraft<br />

vorne Sophie Basse<br />

v.l.n.r.: Hendrik Vogt, Marco Wohlwend,<br />

Holger Kraft, Lutz Wessel<br />

hinten: Götz Vogel von Vogelstein<br />

Endstation<br />

Es ist ein wunderbares Theaterstück, voller<br />

Poesie einerseits, von brachialer Kraft<br />

und durchaus Brutalität zum anderen,<br />

berührend und den Zuschauer mitnehmend,<br />

wenn, ja wenn es von einer Inszenierung<br />

ernst genommen wird. Tennessee<br />

Williams hat mit „Endstation Sehnsucht“<br />

(A streetcar named desire) eines der<br />

schönsten, dramatischsten Stücke der<br />

amerikanischen Theaterliteratur geschrieben,<br />

tief die Seelen seiner Figuren am<br />

unteren Rand der Gesellschaft ausgelotet<br />

– ein Meisterstück über Sehnsüchte und<br />

Verlierer. Von den Wuppertaler Bühnen<br />

wurde es zuletzt vor 12 Jahren mit der<br />

hervorragenden Eike Gercken als Blanche<br />

DuBois unter der zwiespältigen Regie<br />

von Paolo Magelli und vom TiC mit der<br />

grandiosen Petra Koßmann 1998 in einer<br />

mustergültigen Inszenierung von Thomas<br />

Spielmann aufgeführt. Nun dieser Deutungsversuch<br />

von Claudia Bauer, deren<br />

Wuppertaler „Macbeth“-Inszenierung<br />

noch vielen in Erinnerung sein wird.<br />

In das Klima der Perspektivlosigkeit, in<br />

dem Blanches Schwester Stella (facetten-<br />

reich: Anne-Catherine Studer) und deren<br />

brutaler Mann Stanley (wuchtig: Holger<br />

Kraft) in einem verkommenen Viertel<br />

von New Orleans leben, tritt die einst<br />

großbürgerliche Blanche DuBois (überzogen:<br />

Sophie Basse) als in die letzte Station<br />

auf der Flucht vor ihrem verpfuschten<br />

Leben ein: alkoholabhängig, nymphomanisch,<br />

verlogen, verbrannt. In der<br />

beklemmenden Enge und in der feuchten<br />

Hitze Louisianas prallen Haß, Habgier,<br />

Begehrlichkeiten und Gewalt aufeinander,<br />

keinem Gefühle – und werden brutal<br />

zertreten. So will es das Stück. Man ahnt<br />

zwar, daß Claudia Bauer nach einer modischen<br />

Übersetzung dafür gesucht hat –<br />

gefunden hat sie sie aber beileibe nicht.<br />

„Die Sanften müssen schimmern“, dieses<br />

Zitat der Blanche fi ndet in keinem Moment<br />

von Claudia Bauers Inszenierung<br />

seinen Niederschlag. Hingegen setzt sie<br />

auf en face zum Publikum gebrüllte Dialoge,<br />

Stroboskop-Effekte, gewollt schrille<br />

Gestalten (ZZ Top und Rockabilly<br />

lassen grüßen) auf Klamotte, überzogene<br />

Gewalt, ein paar nackte Männer-Ärsche<br />

und eine Bühnen-Ausstattung, die zwar<br />

23


24<br />

so ärmlich ist wie die Welt der Kowalskis<br />

und ihrer Nachbarn, aber diese Botschaft<br />

dennoch nicht vermittelt.<br />

Anne-Catherine Studer läßt als Stella das<br />

Wechselbad der Gefühlslagen einer Frau<br />

aufscheinen, die sich in fataler Abhängigkeit<br />

von ihrem brutalen Mann längst<br />

aufgegeben hat, Lutz Wessel gibt den<br />

aggressiv gehemmten Mitch bis hin zum<br />

Vergewaltigungsversuch einfühlsam und<br />

Holger Kraft, der Brutalo vom Dienst der<br />

Wuppertaler Bühnen, wird seiner Rollenzuweisung<br />

gerecht. Sophie Basse kann die<br />

gebrochene Blanche zwar vorführen, doch<br />

nicht überzeugend vermitteln. Sie leidet<br />

sie wie ausnahmslos alle anderen Rollen<br />

an einer regelrechten Inszenierungswut<br />

Bauers. Die wenigen leisen Momente,<br />

die diese Blanche dem Publikum öffnen<br />

könnten, gehen in unverständlichem<br />

Gefl üster unter. Allein ihre Schlußszene<br />

berührt. Aber da ist es für diese Inszenierung<br />

sowieso längst zu spät.<br />

Es ist ein Jammer um das vorzügliche<br />

Stück, das mehr Liebe und wirkliche,<br />

nicht plakatierte Leidenschaft verdient<br />

hätte. Hier konnte man am lebenden Beispiel<br />

sehen, wie eine Über-Inszenierung<br />

mit hochfl iegenden inszenatorischen Ambitionen<br />

(ich unterstelle, daß es die gab)<br />

ein solides Stück trotz - mit einigen Ausnahmen<br />

- guter Darsteller völlig zugrunde<br />

richten kann. Claudia Bauer hat das<br />

gründlich besorgt. Schade um ein Drama,<br />

einen Klassiker, der ohne Schnickschnack<br />

seine Wirkung am besten entfaltet.<br />

Es gibt übrigens in den knapp zwei<br />

Stunden keine Pause – das Theater wird<br />

wissen warum…<br />

Weitere Informationen:<br />

www.wuppertaler-buehnen.de<br />

Frank Becker<br />

Fotos: Uwe Stratmann<br />

oben v.l.n.r.: Amber Schoop, Sophie Basse<br />

Mitte: vorne: Sophie Basse, Holger Kraft<br />

hinten: Anne-Catherine Studer<br />

unten v.l.n.r. Hendrik Vogt, Marco Wohlwend,<br />

Holger Kraft, Lutz Wessel


Die Stadt Köln<br />

erhält spektakuläre Schenkung<br />

aus dem testamentarischen<br />

Nachlass von Prof. Irene Ludwig:<br />

„Von 1957 an hat es uns angespornt, in<br />

Museen durch unsere Erwerbungen Akzente<br />

zu setzen, und vollends nach 1968 wurde<br />

uns bewusst, was uns vorantrieb: Mit unseren<br />

Taten wollten wir Informationslücken<br />

schließen. Wir wollten in die Öffentlichkeit<br />

bringen, was Bewegung auslöste und den<br />

Blick erweiterte“,<br />

so beschrieb Peter Ludwig<br />

die Motivation des Ehepaars.<br />

Natalja Gontscharowa<br />

Porträt Michail Larionow<br />

1913, Öl auf Leinwand<br />

105 x 78 cm<br />

Museum Ludwig, Köln /<br />

Sammlung Ludwig<br />

© VG Bild-Kunst, Bonn 2011<br />

Foto:<br />

Museum Ludwig Köln/RBA<br />

528 Werke für Kölner Museen<br />

Nach dem unerwarteten Tod von Prof.<br />

Dr. h.c. mult. Irene Ludwig im November<br />

des vergangenen Jahres ist nun das<br />

Testament der bedeutenden Mäzenin eröffnet<br />

worden. Die Stadt Köln erhält aus<br />

ihrem Nachlass spektakuläre Schenkungen<br />

und Dauerleihgaben für das Museum<br />

Ludwig und das Museum Schnütgen.<br />

Insgesamt 528 Werke aus dem Besitz von<br />

Prof. Ludwig bereichern auf Dauer die<br />

Kölner Sammlungen. Oberbürgermeister<br />

Jürgen Roters, der heute im Historischen<br />

Rathaus die Schenkungen bekanntgab,<br />

zollte der Kölner Ehrenbürgerin Respekt<br />

und Dankbarkeit für diese Entscheidung.<br />

„Die Stadt Köln und alle heutigen und<br />

künftigen Kunstinteressierten dieser Stadt<br />

werden sich bei jedem Museumsbesuch mit<br />

großer Dankbarkeit an diese außerordentlich<br />

großzügige Schenkung von Prof. Irene<br />

Ludwig erinnern. Damit vollendet sich<br />

eine außergewöhnliche und vertrauensvolle<br />

Beziehung zwischen Köln und dem Stifterpaar<br />

Ludwig ganz im Sinne der Stifter. Ziel<br />

ihrer Liebe zur Kunst war es auch, andere<br />

Menschen am Erlebnis Kunst teilhaben zu<br />

lassen. Dank ihres Engagements gehört das<br />

Museum Ludwig zu den bedeutendsten<br />

internationalen Museen für moderne Kunst.<br />

Das Schnütgen-Museum konnte seine<br />

bedeutende Sammlung um wertvolle Stücke<br />

ergänzen. Wir werden dieses einmalige<br />

Geschenk in Ehren halten.“<br />

Irene und Peter Ludwig verband stets eine<br />

intensive und enge Beziehung mit der<br />

Stadt Köln. Angeregt durch einen Besuch<br />

der Ausstellung der Sammlung Haubrich<br />

im Jahr 1946 in der alten, zum Teil zer-<br />

störten Universität, begann das Ehepaar<br />

Ludwig 1957, Werke für öffentliche<br />

Sammlungen zu erwerben. Erste Leihgaben<br />

aus diesen Ankäufen kamen dem<br />

Museum Schnütgen in Köln bereits 1963<br />

zugute. Über ein halbes Jahrhundert<br />

dauerte das außerordentliche Mäzenatentum<br />

dieses engagierten Sammlerpaares,<br />

innerhalb dessen es den Kölner Museen<br />

unzählige Werke von höchster Qualität<br />

zur Verfügung stellte. Einen Höhepunkt<br />

dieser unvergleichlichen Liebe zur Kunst<br />

bilden dabei sicher die Sammlungen des<br />

Museum Ludwig Köln.<br />

Mit der Schenkung von etwa 400 Werken<br />

gaben Irene und Peter Ludwig 1976<br />

den Anstoß zur Gründung des Museum<br />

Ludwig. Seit weiteren großzügigen<br />

Schenkungen insbesondere in den Jahren<br />

1994 und 2001 – mit dem Beginn der<br />

Amtszeit von Direktor Kasper König<br />

übereignete Irene Ludwig 774 Werke<br />

Pablo Picassos – kann das Museum Ludwig<br />

heute die bedeutendste Sammlung<br />

der Pop Art außerhalb der USA und die<br />

drittgrößte Sammlung Pablo Picassos sein<br />

Eigen nennen und zählt damit zu einem<br />

der wichtigsten Museen für moderne und<br />

zeitgenössische Kunst weltweit. Dieser<br />

besonderen Verbindung sowie ihrem engen<br />

und freundschaftlichen Kontakt zum<br />

Museum Schnütgen verlieh die Kölner<br />

Ehrenbürgerin Irene Ludwig auch in<br />

ihrem Testament größten Nachdruck und<br />

bedachte das Museum Ludwig Köln und<br />

das Museum Schnütgen mit spektakulären<br />

Schenkungen:<br />

Die Stadt Köln erhält das Eigentum an<br />

sämtlichen Werken der vor- und nachrevolutionären<br />

russischen bzw. sowjetischen<br />

Avantgarde, die zum Zeitpunkt<br />

des Todes von Irene Ludwig als Dauerleihgabe<br />

dem Museum Ludwig überlassen<br />

waren. Darunter befi nden sich Hauptwerke<br />

u.a. von Kasimir Malewitsch,<br />

Alexander Rodtschenko und Natalia<br />

Gontscharowa. Insgesamt handelt es sich<br />

um 473 Werke, darunter 130 Gemälde,<br />

Skulpturen und Objekte, 153 Grafi ken,<br />

190 Fotografi en von 84 Künstlern.<br />

25


26<br />

Kasimir Malewitsch<br />

Suprematistische Komposition<br />

1915, Öl auf Leinwand, 66,5 x 57 cm<br />

Museum Ludwig, Köln /<br />

Sammlung Ludwig<br />

Foto: Museum Ludwig Köln/RBA<br />

Darüber hinaus erhält die Stadt Köln 26<br />

Werke aus der Ausstellung „Von Matisse<br />

bis Morimura“ aus dem Herbst<br />

2000 im Museum Ludwig, darunter<br />

Arbeiten der Klassischen Moderne<br />

und der Pop Art von Georges Braque,<br />

Edgar Degas, Paul Klee, Fernand Léger,<br />

Henri Matisse, Robert Rauschenberg,<br />

Kurt Schwitters und Jasper Johns. Diese<br />

Werke kamen im Rahmen der Ausstellung<br />

als Dauerleihgaben ins Haus und<br />

ergänzen unterschiedliche Schwerpunkte<br />

der Sammlung.<br />

Nicht zuletzt erhält das Museum Ludwig<br />

als Dauerleihgabe acht Gemälde<br />

und eine Zeichnung aus dem Privatbesitz<br />

von Irene Ludwig. Darunter<br />

befi ndet sich der erste Ankauf des<br />

Ehepaars Ludwig im Bereich der Klassischen<br />

Moderne: ein Frühwerk von Karl<br />

Hofer, „Nach dem Bade“, aus dem Jahr<br />

1912. Außerdem Werke von August<br />

Macke, Fernand Léger, Henri Matisse,<br />

Lyonel Feininger, Alexej von Jawlensky,<br />

Roy Lichtenstein, Jasper Johns und<br />

Jackson Pollock.<br />

Die Stadt Köln erhält außerdem das<br />

Eigentum an 20 Dauerleihgaben, die<br />

zum Zeitpunkt des Todes von Irene<br />

Ludwig dem Museum Schnütgen überlassen<br />

sind, dazu zählen u.a. ein Ottonisches<br />

Reliquienkästchen aus Niedersachsen<br />

um 1000-1050, ein Memento Mori<br />

aus der Westschweiz um 1520 sowie die<br />

jüngst übergebenen sechs Glasmalereien<br />

aus dem ehemaligen Kreuzgang des<br />

Klosters Altenberg, Köln 1505-1520.


oben:<br />

Roy Lichtenstein<br />

Cup and Saucer I (Tasse und Untertasse)<br />

1977, Bronzeguß 1/3, bemalt 1/3<br />

75 x 46 x 17,5 cm<br />

© VG Bild-Kunst, Bonn 2011<br />

Foto: Museum Ludwig Köln/RBA<br />

:<br />

Das Museum Ludwig besitzt nun dank<br />

dieser Schenkung zahlreicher zentraler<br />

Werke der Russischen Avantgarde<br />

eine der bedeutendsten Sammlungen<br />

außerhalb Russlands. Isabel Pfeiffer-<br />

Poensgen, Vorsitzende des Kuratoriums<br />

der Peter und Irene Ludwig Stiftung,<br />

betont noch einmal die enge Verbindung<br />

des Ehepaars Ludwig zur Stadt<br />

Köln und mahnt gleichzeitig die damit<br />

verbundene Verantwortung an: „Vor 35<br />

Jahren haben Peter und Irene Ludwig<br />

ihre erste große Schenkung an die Stadt<br />

Köln an die Bedingung der Gründung<br />

eines Museums für moderne und zeitgenössische<br />

Kunst geknüpft. Mit der<br />

testamentarischen Verfügung und der<br />

damit verbundenen Schenkung dieser<br />

unvergleichlichen Sammlung zeigt sich<br />

erneut die tiefe Verbundenheit Irene<br />

Ludwigs mit der Stadt Köln sowie ihr<br />

dieser Stadt entgegengebrachtes Vertrauen.<br />

Das bedeutet gleichzeitig eine<br />

unten:<br />

Jasper Johns<br />

Zero to Nine (Null-Neun)<br />

1959, Enkaustik und Collage auf Leinwand,<br />

53,8 x 88,9 cm<br />

© VG Bild-Kunst, Bonn 2011<br />

Foto: Museum Ludwig Köln/RBA<br />

Verpfl ichtung, das Museum Ludwig mit<br />

allen notwendigen Mitteln für eine dauerhafte<br />

wissenschaftliche Aufarbeitung,<br />

Pfl ege und Präsentation der Sammlung<br />

auszustatten. Das Museum Ludwig<br />

zählt dank der Schenkungen von Peter<br />

und Irene Ludwig international zu den<br />

bedeutendsten Museen für moderne<br />

und zeitgenössische Kunst, das in einem<br />

Atemzug mit dem Museum of Modern<br />

Art in New York oder dem Centre<br />

Pompidou in Paris genannt werden<br />

kann. Dieses enorme kulturelle Kapital<br />

sollte genauso wie die damit verbundene<br />

Verantwortung fest im öffentlichen<br />

Bewusstsein verankert sein.“<br />

Kulturdezernent Prof. Georg Quander<br />

hebt noch einmal die Bedeutung Irene<br />

Ludwigs für die Stadt Köln hervor:<br />

„Irene Ludwig war im Hinblick auf ihre<br />

mäzenatische Großzügigkeit eine Ausnahmeerscheinung.<br />

Nicht nur, dass sie<br />

sich zusammen mit ihrem Mann Peter<br />

sowohl für alte wie auch für moderne<br />

Kunst begeisterte, sie verstand es gleichsam<br />

als ihren kulturellen Bildungsauftrag,<br />

diese Kunst durch Schenkungen<br />

und Dauerleihgaben an die Kölner Museen<br />

einem breiten Publikum zugänglich<br />

zu machen. Irene Ludwig<br />

27


28<br />

links:<br />

Warwara Stepanowa<br />

Collage aus „Gaust Tschaba“, 1919,<br />

Futuristisches Buchobjekt, Gouache auf<br />

Zeitungspapier, 17,5 x 27,5 cm<br />

Museum Ludwig, Köln, Sammlung Ludwig<br />

© VG Bild-Kunst, Bonn 2011<br />

Foto: Museum Ludwig Köln/RBA<br />

unten:<br />

Georges Braque<br />

Le table de Bar Stout (Der Tisch in der<br />

Bar Stout), 1912-13, Öl auf Leinwand,<br />

35,7 x 28,6 cm<br />

© VG Bild-Kunst, Bonn 2011<br />

Foto: Museum Ludwig Köln/RBA<br />

gebührt unsere größte Hochachtung<br />

und unser tiefster Dank für diese einzigartige<br />

Schenkung aus ihrem testamentarischen<br />

Nachlass. Ihr Name wird stets<br />

mit dem kulturellen Reichtum dieser<br />

Stadt verbunden sein, ihr Wirken und<br />

ihre Großzügigkeit fi nden im Museum<br />

Ludwig und dem Museum Schnütgen<br />

eine lebendige Fortführung.“<br />

Prof. Kasper König, Direktor des<br />

Museum Ludwig, ist hocherfreut über<br />

die Schenkung und weiß um die damit<br />

verbundene Herausforderung: „Die<br />

Sammlung russischer Avantgarde ist<br />

in jeder Hinsicht von unschätzbarem<br />

Wert. Sie beinhaltet absolute Meisterwerke<br />

von Künstlern wie Malewitsch<br />

oder Gontscharowa, die ganze folgende<br />

Künstlergenerationen geprägt und<br />

inspiriert haben. Diese großzügige<br />

Schenkung aus dem Legat von Irene<br />

Ludwig hat unsere Hoffnungen bei<br />

weitem übertroffen. Wir verstehen sie<br />

als herausragende Zuwendung genauso<br />

wie als große Aufgabe, diese einzigartige<br />

Sammlung zu pfl egen, zu bewahren und<br />

dem Publikum zugänglich zu machen.“<br />

Dr. Dagmar Täube, kommissarische<br />

Direktorin des Museum Schnütgen: „Es<br />

ist ein großes Glück für das Museum<br />

Schnütgen, dass Frau Prof. Ludwig<br />

dafür gesorgt hat, dass die dem Museum<br />

bisher als Dauerleihgabe zur Verfügung<br />

gestellten Stücke auch nach ihrem Tode<br />

nun für immer mit dem Haus verbun-


links:<br />

Alexandra Exter<br />

Synthetische Darstellung von Dieppe<br />

1912 – 13, Öl auf Leinwand<br />

129 x 200 cm<br />

Museum Ludwig, Köln /<br />

Sammlung Ludwig<br />

© Archives Exter-Lissim, Nakov, Paris<br />

Foto: Museum Ludwig/RBA<br />

unten:<br />

Paul Klee<br />

Ein centrifugales Gedenkblatt<br />

1923, Gouache auf kreidegrundiertem Zeitungspapier<br />

auf weißem Karton kaschiert,<br />

54,7 x 41,7 cm<br />

Foto: Museum Ludwig Köln/RBA<br />

29


30<br />

den bleiben und ihm auch zukünftig besonderen<br />

Glanz geben werden. Zusammen<br />

mit dem Harrach-Diptychon aus<br />

dem 8. Jahrhundert, das dem Museum<br />

Schnütgen als Dauerleihgabe erhalten<br />

bleibt, werden diese Stücke stets an ihre<br />

großzügigen Stifter erinnern und wir<br />

werden ihnen ein ehrendes Andenken<br />

bewahren.“<br />

Zur Sammlung der Russischen<br />

Avantgarde<br />

Innerhalb von 20 Jahren hat das<br />

Ehepaar Ludwig eine der weltweit<br />

bedeutendsten und umfangreichsten<br />

Sammlungen im Bereich der Russischen<br />

Avantgarde aufgebaut. Diese<br />

beinhaltet über 450 Werke, die gezielt<br />

für das Museum Ludwig erworben und<br />

als Dauerleihgaben in die Sammlung<br />

integriert wurden. Diese außergewöhnliche<br />

Sammlung ermöglicht einen tiefen<br />

Einblick in die verschiedenen avantgardistischen<br />

Bewegungen zwischen 1905<br />

und den 1930er Jahren, darunter die<br />

Petersburger Organische Schule, der<br />

Neoprimitivismus, der Kubofuturismus,<br />

der Rayonismus, der Suprematismus<br />

und der Konstruktivismus. Über<br />

70 Künstler dieser Zeit sind in der<br />

Sammlung häufi g mit Spitzenwerken<br />

vertreten. Dazu zählen Künstler wie<br />

Alexandra Exter, Natalia Gontscharowa,<br />

Alexej von Jawlensky, Wassily Kandinsky,<br />

Michail Larionow, El Lissitzky, Iwan<br />

Puni, Alexander Rodtschenko, Warwara<br />

Stepanowa, Nikolai Suetin. Es wurden<br />

aber auch ganze Werkkonvolute erworben,<br />

wie bei Kasimir Malewitsch (über<br />

60 Werke) und Alexander Rodtschenko<br />

(135 Werke). Die Sammlung spiegelt<br />

damit eine große Vielfalt an Fragestellungen<br />

wider und zeigt auch, wie viele<br />

künstlerische Positionen sich mit allen<br />

Facetten des Lebens auseinandersetzten.<br />

So reicht dieses Konvolut von der<br />

bildenden bis zur angewandten Kunst<br />

und enthält wichtige Beiträge aus den<br />

Unsere Kulturförderung<br />

ist gut für die Sinne.<br />

Bereichen Malerei, Skulptur, Graphik,<br />

Fotografi e, sowie Projekte und Entwürfe<br />

zu Architektur und Raum, Theater und<br />

Tanz, Möbeln und Alltagsobjekten,<br />

Künstlerbüchern und Plakaten.<br />

Die umfangreiche Sammlung der<br />

russischen Avantgarde wurde erstmals in<br />

zwei Ausstellung in der Josef-Haubrich-<br />

Kunsthalle Köln 1986 und 1993 gezeigt<br />

und wird derzeit in der Projektreihe<br />

„Russische Avantgarde“ neu aufgearbeitet.<br />

Bisher entstanden in der Reihe zwei<br />

Kataloge, „Der Kubofuturismus und der<br />

Aufbruch der Moderne in Russland“<br />

sowie „Kasimir Malewitsch und der Suprematismus<br />

in der Sammlung Ludwig“,<br />

und weitere werden folgen.<br />

www.museum-ludwig.de<br />

Sparkassen-Finanzgruppe<br />

Kunst und Kultur prägen die gesellschaftliche Entwicklung. Die Sparkassen-Finanzgruppe ist der größte nicht-staatliche Kulturförderer<br />

Deutschlands. Auch die Stadtsparkasse Wuppertal ist ein wichtiger Partner für Kunst und Kultur in unserer Stadt. Das ist gut für<br />

die Kultur und gut für Wuppertal. www.sparkasse-wuppertal.de<br />

Sparkasse. Gut für Wuppertal.<br />

S


„Ich fi nde Wuppertal wunderbar,“<br />

sagt Prof. Dr. Lutz-Werner Hesse<br />

ganz ungefragt, „und wenn einem<br />

etwas fehlen sollte, braucht man<br />

nur eine halbe Stunde zu fahren –<br />

was will man mehr!“<br />

Ich fi nde Wuppertal wunderbar<br />

Kaum jemand ist in musikalischen Angelegenheiten<br />

so vielseitig und so viel erfahren<br />

wie Lutz-Werner Hesse. Seit 2009 ist er<br />

geschäftsführender Direktor des Standorts<br />

Wuppertal der Hochschule für Musik<br />

und Tanz Köln, er ist im Vorstand des<br />

Vereins der Freunde und Förderer dieses<br />

Standortes, Vorsitzender der Konzertgesellschaft<br />

Wuppertal, Mitgestalter der Reihe<br />

Kunsthochdrei, einer Kooperation des Von<br />

der Heydt-Museums, des Literaturhauses<br />

und der Musikhochschule, er leitet (noch)<br />

die Bergische Biennale Neue Musik, hält<br />

regelmäßig Einführungen zu den Sinfoniekonzerten<br />

in der Stadthalle, die sich großer<br />

Beliebtheit erfreuen, ist leidenschaftlicher<br />

Dozent für Musikwissenschaften und<br />

Tonsatz – und ganz nebenbei ist er doch<br />

eigentlich Komponist.<br />

Da wegen dieser zahlreichen Verpfl ichtungen<br />

das Komponieren zu kurz kommt,<br />

wird Hesse im Sommer die Leitung der<br />

Bergischen Gesellschaft für Neue Musik<br />

abgeben: „Ich stelle mir die Frage, ob eine<br />

solche überhaupt noch notwendig ist, ob<br />

die ‚Neue Musik’ nicht längst ihren Weg in<br />

den Konzertbetrieb genommen hat?“<br />

Lutz-Werner Hesse ist Rheinländer. Er ist<br />

geboren in Bad Godesberg, in Mönchengladbach<br />

aufgewachsen und hat in Köln<br />

studiert. Deshalb liebt er das rheinische<br />

Temperament samt Karneval.<br />

Sein musikalisches Schlüsselerlebnis war<br />

eine Sinfonie von Gustav Mahler, die er<br />

als Schüler im Konzert gehört hat. Danach<br />

begann der Dreizehnjährige Unterricht<br />

im Instrument Waldhorn zu nehmen und<br />

„wüste, unrealistische Partituren zu schrei-<br />

31


32<br />

ben“, wobei ihm „meist nach fünf Minuten<br />

die Puste ausging.“ Ein hilfreicher Musiklehrer<br />

brachte ihn wieder auf den Boden<br />

der musikalischen Tatsachen zurück, was<br />

immerhin einige Stücke für das Schulorchester<br />

zur Folge hatte sowie die Genehmigung<br />

der Eltern, Schulmusik, Komposition<br />

und Latein zu studieren. Sein Lehrer für<br />

Komposition in Köln war Jürg Baur, der<br />

– Ironie des Schicksals - besonderen Wert<br />

auf Kammermusik legte. Doch seit dem<br />

Studium ist für Hesse die Orchestermusik<br />

wieder der eigentliche Schwerpunkt.<br />

1986 gewann er den GEMA-Wettbewerb,<br />

dessen Preis darin bestand, dass das Stück<br />

gedruckt und aufgeführt wurde – ein<br />

eindrückliches Erfolgserlebnis für einen<br />

jungen Komponisten!<br />

Bereits während der Referendarzeit war<br />

klar, dass Hesse nicht in den Schuldienst<br />

gehen würde, so kam er 1984 nach der<br />

Promotion als Dozent für Musikwis-<br />

senschaften und Musiktheorie an die<br />

Musikhochschule Wuppertal. 2002 folgte<br />

die Ernennung zum Professor. 2008 zog<br />

der Standort Wuppertal um in das neue<br />

Domizil in der Sedanstraße 15, das heutige<br />

„Günter Wand-Haus“.<br />

Hesse ist passionierter Dozent. Auch als<br />

geschäftsführender Direktor möchte er<br />

den Kontakt mit den Studierenden nicht<br />

missen: „Sie konfrontieren uns häufi g<br />

mit Dingen, die außerhalb des eigenen<br />

Blickfeldes liegen, und das ist oft sehr<br />

anregend. Die Glücksmomente entstehen<br />

im Umgang mit den Studenten.“ Diese<br />

Wertschätzung beruht offensichtlich auf<br />

Gegenseitigkeit: Einmal übernahm Hesse<br />

einen Kurs mit jungen Sängerinnen, die<br />

wohl nicht immer ganz einfach sind. Sie<br />

haben bei ‚studiVZ’ eine „Gruppe der<br />

Hesse-Fans“ gegründet und Äußerungen<br />

ihres Dozenten publik gemacht: „Da war<br />

Wolf Erlbruch, Günther Weißenborn und Lutz-Werner Hesse während einer Probe<br />

ich überrascht, was ich alles gesagt haben<br />

soll“, sagt Hesse. So habe er offenbar<br />

in einer kontroversen Diskussion um<br />

verschiedene Komponisten geäußert:<br />

„Den idealen Komponisten können wir<br />

uns nicht backen. Wir müssen mit denen<br />

Vorlieb nehmen, die wir haben.“ Oder in<br />

einer (etwas trägen) Gehörbildungsstunde:<br />

„Ich meine den Ton ‚des’, Frau X., ‚des’<br />

wie Desinteresse“. Lutz-Werner Hesse<br />

bezeichnet sich selbst als Sprachfetischisten<br />

und legt großen Wert auf angemessene<br />

Formulierungen.<br />

Es kommt vor, dass Studenten, die sich<br />

musikalisch bereits vor der Aufnahmeprüfung<br />

qualifi ziert haben müssen, in<br />

Spezialgebieten Hervorragendes leisten.<br />

„Das stellt für den Dozenten eine große<br />

Herausforderung dar. Das ist auch gut so,<br />

denn im Idealfall werden die Studierenden<br />

besser als ihre Dozenten.“ Darum begegnet<br />

man sich in der Musikhochschule,


anders als in einer Universität, in gewisser<br />

Weise auf Augenhöhe.<br />

Da das neue Haus ideale Räumlichkeiten<br />

bietet, reisen sogar Studierende eigens aus<br />

Köln an, um hier zu üben – vielleicht aber<br />

auch, weil sie den „Wuppertaler Geist“<br />

schnuppern möchten, von dem man in<br />

Köln vernommen hat. Dieser Wuppertaler<br />

Geist dürfte zum einen mit der überschaubaren<br />

Größe des Hauses zusammenhängen,<br />

denn jeder kennt jeden, so dass Sprechstunden<br />

kaum nötig sind, weil man sich ohnehin<br />

sieht. Sicher resultiert dieser besondere<br />

Geist aber auch aus der guten Zusammenarbeit<br />

zwischen den Dozenten und der<br />

Hochschulleitung. Sie alle sind als Künstler<br />

sehr besondere Persönlichkeiten, und jeder<br />

trägt zu dem hohen Niveau des doch recht<br />

kleinen Hauses bei: „Dafür, dass wir so<br />

klein sind, machen wir hier verfl ixt viel.“ So<br />

viel, dass beim letzten Hochschulkonzert<br />

im Mendelssohn-Saal in der Stadthalle 150<br />

Besucher nach Hause geschickt werden<br />

mussten, weil der Saal bereits übervoll war.<br />

Was Lutz-Werner Hesse besonders<br />

auszeichnet, ist seine Ruhe und Zugewandtheit,<br />

sein rheinischer Humor, seine<br />

ganz und gar integre, der Sache dienliche<br />

authentische Einstellung, weshalb er in<br />

so mancherlei Konfl ikten zu vermitteln vermag.<br />

So liegt ihm besonders die Konzertgesellschaft<br />

am Herzen wegen der Erhaltung<br />

des Wuppertaler Sinfonieorchesters in der<br />

jetzt bestehenden Form, ohne Fusion. Die<br />

Konzertgesellschaft ist gerade 150 Jahre alt<br />

geworden. Bis 2004 war sie Veranstalter<br />

für die Konzerte des Sinfonieorchesters,<br />

während sie heute „nur“ noch Mitgliederkonzerte<br />

veranstaltet und das Orchester<br />

vor allem fi nanziell unterstützt. Sie vertritt<br />

in Wuppertal gegenüber der Politik die<br />

öffentliche Meinung und ist ein wichtiger<br />

Vermittler zwischen dem Orchester, seinen<br />

Förderern und der Stadt Wuppertal.<br />

Dem Komponisten Lutz-Werner Hesse<br />

bleibt bei diesen anspruchsvollen Tätigkeiten<br />

für seine eigentliche Profession leider<br />

viel zu wenig Freiraum.<br />

Das letzte Werk für großes Orchester waren<br />

2006 die „Variationen ohne Thema“. So<br />

besonderes dieser Titel für ein Musikstück<br />

ist, so ungewöhnlich sind auch häufi g<br />

die Besetzungen von Hesses Arbeiten.<br />

Zum Beispiel hat er ein rasantes Stück für<br />

das traditionelle chinesische Instrument<br />

GuZheng und Orchester geschrieben. Sein<br />

erfolgreichstes Werk, die Komposition<br />

„Vita di San Francesco – elf Stationen aus<br />

dem Leben des Heiligen Franziskus von<br />

Assisi“ für Orgel und 13 Gongs, hatte<br />

bereits über 40 Aufführungen. Hesses<br />

Werke entstehen häufi g als Aufträge, durch<br />

Anregungen oder für bestimmte Musiker.<br />

So komponierte er in Zusammenarbeit<br />

mit Ursula und Günther Weißenborn die<br />

Musik zu dem Buch „Die Werkstatt der<br />

Schmetterlinge“ von Wolf Erlbruch.<br />

Beruf und Privatleben sind bei einer<br />

Tätigkeit, die Leidenschaft und Profession<br />

verbindet, nicht von einander zu trennen,<br />

„manche Konzerten besuche ich aus persönlichen<br />

Gründen, andere wiederum aus<br />

berufl ichen.“ Lutz-Werner Hesse ist nicht<br />

nur Ohren- sondern auch Augenmensch.<br />

Textilmarkt Schloss Lüntenbeck<br />

17. – 20. Mai 2012, 11–18 Uhr<br />

Modenschau täglich 12 Uhr<br />

Tageskarte: 3 € | Dauerkarte: 5 € | Kinder bis 12 Jahre frei<br />

Schloss Lüntenbeck | 42327 Wuppertal | www.schloss-luentenbeck.de<br />

So ist es eine glückliche Fügung, dass seine<br />

Frau, Ines Pröve-Hesse, Künstlerin ist,<br />

und ihre Werke einen visuellen Kontrast<br />

zur Musik darstellen: „Ich lebe inmitten<br />

der bildenden Kunst, denn die Arbeiten<br />

meiner Frau umgeben mich zu Hause und<br />

in der Hochschule.“ Und: „Ich kann mir<br />

keinen schöneren Beruf und kein reicheres<br />

Leben vorstellen, als das, was ich habe. Damit<br />

meine ich nicht materiellen Reichtum,<br />

sondern den Reichtum, den die Familie,<br />

die Freunde, die Menschen, die mit mir<br />

sind, und natürlich die Musik bieten!“<br />

Marlene Baum<br />

Fotos Uwe Schinkel<br />

33


34<br />

Wuppertaler Literatur Biennale 2012<br />

Herta Müller, © Fotograf Paul Esser Christoph Ransmayr, © Ch. Ransmayr Chalid al Chamissi, © Markus Kirchgessner<br />

Im Juni 2012 ist Wuppertal Literaturstadt.<br />

Vom 6. bis 16. Juni 2012 fi ndet erstmalig<br />

die Wuppertaler Literatur Biennale statt.<br />

Mit diesem neu geschaffenen Literaturereignis<br />

begegnet Literatur einem<br />

gesellschaftlich relevanten Aspekt in seiner<br />

Vieldeutigkeit und Vielschichtigkeit:<br />

Im Jahr nach dem „Arabischen Frühling“<br />

ist es „Freiheit“.<br />

Internationale und nationale Autoren<br />

werden in Wuppertal lesen und diskutieren,<br />

u. a. Herta Müller, Christoph Ransmayr<br />

(Österreich), Chalid al Chamissi (Ägypten),<br />

Samar Yazbek (Syrien), Michael Kleeberg,<br />

Abbas Khider (Irak), Margriet de Moor<br />

(Niederlande), Artur Becker und Dariusz<br />

Muszer (Polen), Hermann Schulz, Michael<br />

Zeller und John von Düffel.<br />

Die Eröffnung der ersten Wuppertaler<br />

Literatur Biennale, am 6. Juni 2012<br />

(19:30 Uhr, Mendelsohnsaal der Stadthalle<br />

Wuppertal) steht im Zeichen der arabischen<br />

Demokratiebewegung, der zur Zeit<br />

wohl eindrucksvollsten Verkörperung einer<br />

Sehnsucht nach Selbstbestimmung und<br />

politischer Freiheit. Eingeladen wurden<br />

die syrische Autorin Samar Yazbek und der<br />

ägyptischen Autor Chalid al Chamissi. Sie<br />

lesen kurze Texte, vor allem werden sie aber<br />

erzählen und über die Ereignisse in ihren<br />

Ländern diskutieren. Junge MusikerInnen<br />

der Musikhochschule Wuppertal präsentieren<br />

Stücke von aktuellen Komponisten aus<br />

dem arabischen Raum.<br />

Es wird gelesen, geslamt, zitiert und<br />

diskutiert<br />

So vielschichtig das Thema „Freiheit“<br />

ist, so facettenreich wird das Programm der<br />

ersten Biennale sein: Die junge wie auch die<br />

etablierte Autorenszene Nordrhein-Westfalens<br />

wurde zu einem literarischen Dialog<br />

eingeladen, der mit ganz unterschiedlichen<br />

Veranstaltungen öffentlich wird. Im „Generation<br />

Slam“ treten Karl Otto Mühl, Christiane<br />

Gibiec und Hermann Schulz gegen<br />

die junge Generation mit André Wiesler,<br />

David Grasshoff und Jörg Degenkolb-<br />

Degerli an. In der der „Langen Nacht der<br />

kurzen Texte“ wird eine Auswahl zahlreicher<br />

Autoren der Region Bergisches Land<br />

unter Federführung von Friederike Zelesko<br />

die neue Literaturzeitschrift Karussell vor.<br />

„Vom Stehen über den Dingen“ lautet der<br />

literarische Spaziergang, zu dem Ulrich<br />

Land Kollegen eingeladen haben und dem<br />

das Publikum zahlreich folgen soll. Und in<br />

der „Nacht der Poeten: Die Freiheit, die ich<br />

meine“ lesen AutorInnen aus ganz NRW<br />

anlässlich der Jahrestagung des Verbands<br />

deutscher Schriftsteller in Wuppertal. Eine<br />

literarische Begegnung der polnischen und<br />

deutschen Autoren Dariusz Muszer, Artur<br />

Becker und Michael Zeller fi ndet zur „Freiheit<br />

des Dichtens“ statt.<br />

Die richtungweisenden Wuppertaler<br />

Autoren und Vordenker Friedrich Engels,<br />

Else Lasker-Schüler und Armin T. Wegner<br />

und deren Texte zum Thema Freiheit werden<br />

in einer Lesung durch den Schauspieler<br />

Rolf Becker vorgestellt. Über „Kirchen und<br />

Freiheit“ diskutieren der Künstler Johannes<br />

Stüttgen und der Autor Michael Kleeberg<br />

mit den Wissenschaftlern Prof. Helmut<br />

Zschoch


Thema: Freiheit<br />

Samar Yazbek Margriet de Moor, ©J ohn Foley/Hanser-Verlag<br />

Prof. Jürgen Baurmann. „Die Freiheit<br />

des Worte, die Freiheit des Verlegens“ ist<br />

das Thema der Verlegerrunde, die mit<br />

Christoph Links (Ch. Links Verlag), Lucien<br />

Leitess (Unions Verlag), und Lutz Kliche<br />

(Herausgeber/Lektor) und den AutorInnen<br />

Katja Behrens und Hermann Schulz<br />

zusammentritt.<br />

Endstation Freiheit<br />

Eine weitere herausragende Veranstaltung<br />

ist die international besetzte „Lesebühne<br />

für junge Dramati k“: Endstation Freiheit,<br />

unter dieser Überschrift präsentiert die „Lesebühne<br />

für Junge Dramatik“ im Rahmen<br />

der Wuppertaler Literatur Biennale drei bislang<br />

noch nicht aufgeführte, aktuelle Stücke<br />

junger Theaterautoren: Michel Decar<br />

(Deutschland), Miranda Huba (Kanada)<br />

und Thomas Paulmann (Deutschland).Ausgewählt<br />

wurden deren Beiträge von einer<br />

Jury, der Prof. Dr. John von Düffel (Universität<br />

der Künste, Berlin), der Wuppertaler<br />

Schauspielintendant Christian von Treskow<br />

und der Dramatiker Gerold Theobalt<br />

(Folkwang Universität der Künste, Essen/<br />

Bochum) angehörten.<br />

„Die Lesebühne der Jungen Dramatik“ geht<br />

auf eine Idee von Gerold Theobalt zurück.<br />

Für deren Realisierung kooperieren die Wuppertaler<br />

Bühnen, die Folkwang Universität<br />

der Künste, die Bergische Universität Wuppertal,<br />

die Universität der Künste (Berlin).<br />

Alle Literaturinstitutionen der Stadt<br />

Die Wuppertaler Literatur Biennale<br />

wurde von allen Literaturinstitutionen<br />

Wuppertals gemeinsam geschaffen, was die<br />

Initiatoren durchaus mit Stolz erfüllen darf.<br />

Beteiligt daran sind das Literaturhaus Wuppertal<br />

e.V., die Goethe Gesellschaft/Wuppertal,<br />

die Else-Lasker-Schüler-Gesellschaft,<br />

die Armin T. Wegner Gesellschaft, der<br />

Verband Deutscher Schriftsteller/Bergisches<br />

Land und NRW, die GEDOK Bergisches<br />

Land, die Universität Wuppertal/Fachbereich<br />

Germanistik und das Kulturbüro der<br />

Stadt Wuppertal.<br />

„Der Literatur Gehör verschaffen und Lesen<br />

als zeitgemäß, lustvoll und bereichernd<br />

erleben“ sind deren Ziele. Darüber hinaus<br />

soll die Biennale eine Begegnungsplattform<br />

für Literatur- und Buchinteressierte, für<br />

AutorInnen und Verlage sein.<br />

Ab 17. April 2012 wird das gesamte<br />

Programm veröffentlicht, auch über www.<br />

wuppertaler-literatur-biennale.de. Dann<br />

können Eintrittskarten zu allen Veranstaltungen<br />

über www.wuppertal-live.de<br />

gebucht werden. Die Eintrittspreise liegen<br />

zwischen 3 Euro und 12 Euro. Es gibt auch<br />

gebührenfreie Veranstaltungen.<br />

Ruth Eising<br />

NEU<br />

zur Wuppertaler<br />

Literatur Biennale<br />

2012<br />

KA<br />

RUS<br />

SELL<br />

Bergische<br />

Zeitschrift für<br />

Literatur<br />

Ausgabe 1/2012<br />

9,00 Euro<br />

Wuppertaler Literatur Biennale 2012<br />

Prosa | Lyrik | Essay<br />

von Marlene Baum, Eugen Egner,<br />

Christiane Gibiec, Arnim Juhre,<br />

Karl-Otto Mühl, Karla Schneider,<br />

Hermann Schulz, Andreas Steffens,<br />

Michael Zeller u. v. a.<br />

Karussell<br />

Bergische Zeitung für Literatur<br />

Nr. 1/2012 ab Juni im Buchhandel<br />

Herausgeber:<br />

Verband Deutscher Schriftsteller (VS),<br />

Region Bergisch Land und die<br />

Autorengemeinschaft Literatur im Tal<br />

Mit freundlicher Unterstützung durch<br />

Kulturbüro der Stadt Wuppertal<br />

ISBN 978 - 3 - 942043 - 85 - 4<br />

Verlag <strong>HP</strong> <strong>Nacke</strong> Wuppertal<br />

115 Seiten, 9.– Euro<br />

1<br />

35


36<br />

Tanztheater Wuppertal Pina Bausch<br />

32 Jahre nach der Uraufführung in<br />

Wuppertal und rund ein Jahrzehnt<br />

nach dem letzten Gastspiel in Athen<br />

am Herodes Atticus studiert das Tanztheater<br />

Wuppertal „1980 - Ein Stück<br />

von Pina Bausch“ neu ein<br />

Nach gefeierten Neueinstudierungen<br />

von „Two Cigarettes in the Dark“<br />

vergangene Spielzeit und „Der Fensterputzer“<br />

im November 2011 arbeitet<br />

die Kompanie derzeit an der Neueinstudierung<br />

von „1980- Ein Stück von<br />

Pina Bausch“, uraufgeführt am 18. Mai<br />

1980 am Schauspielhaus Wuppertal.<br />

Es folgten zahlreiche Gastspielreisen<br />

ins In- und Ausland ua. in die DDR,<br />

nach Amerika, Japan und Hong Kong.<br />

Zuletzt gespielt wurde das Stück 2001<br />

in Athen im Herodes Atticus und im<br />

selben Jahr in Wuppertal.<br />

Nach dem Tod von Rolf Borzik, dem<br />

langjährigen Bühnen- und Kostümbildner<br />

von Pina Bausch, war 1980 das erste<br />

Stück, bei dem Peter Pabst als Bühnen-<br />

bildner mitwirkte. Und Marion Cito,<br />

die bereits mit Rolf Borzik zusammengearbeitet<br />

hatte, übernimmt 1980 die<br />

Arbeit an den Kostümen und entwickelt<br />

seine ästhetische Linie weiter.<br />

Zur Besetzung der Uraufführung zählten<br />

damals ua. Lutz Förster, Mechthild<br />

Großmann, Nazareth Panadero und<br />

Jean-Laurent Sasportes. Sie gehören<br />

heute noch, teils als Gäste, zur Kompanie<br />

und werden auf der Bühne zu sehen<br />

sein. Auch jüngere Tänzer des Tanztheaters<br />

lernen derzeit einzelne Rollen<br />

aus „1980“. Die Probenleitung für die<br />

Neueinstudierung haben Dominique<br />

Mercy und Lutz Förster übernommen,<br />

assistiert von Bénédicte Billiet, die<br />

früher selbst viele Jahre in dem Stück<br />

tanzte.<br />

Nach der Aufführungsserie in Wuppertal<br />

wird „1980 - Ein Stück von Pina<br />

Bausch“ mit 19 Tänzern, einem Zauberer,<br />

einem Geiger und einem Barrenturner<br />

mit 12 Vorstellungen im April/Mai<br />

in Paris am Théâtre de la Ville gespielt.<br />

Opernhaus Wuppertal<br />

„1980-Ein Stück von Pina Bausch“<br />

Donnerstag 5. und Samstag 7. April<br />

2012, 19:30 Uhr<br />

Sonntag 8. April und Montag 9. April<br />

(Ostern) 18:00 Uhr<br />

Karten 15 / 30 / 40 / 50 Euro<br />

Tickets: www.pina-bausch.de<br />

Reservierungsstelefon: 0202 569 44 44<br />

Der Vorverkauf beginnt am 9. 2. 2012<br />

1980- Ein Stück von Pina Bausch<br />

Inszenierung und Choreographie<br />

Pina Bausch<br />

Bühne Peter Pabst<br />

Kostüme Marion Cito<br />

Dramaturgie Raimund Hoghe<br />

Mitarbeit Hans Pop Dauer 3h 35min<br />

Probenleitung: Lutz Förster, Dominique<br />

Mercy<br />

Musikalische Mitarbeit Neueinstudierung:<br />

Matthias Burkert<br />

copyright Foto: Ulli Weiss


Ausstellung<br />

Warhol, Basquiat, Clemente<br />

in der Bundeskunsthalle Bonn<br />

noch bis 20. Mai<br />

Andy Warhol, Jean-Michel Basquiat<br />

und Francesco Clemente,<br />

New York, 1984, © Beth Philipps,<br />

Courtesy Galerie Bruno Bischofberger, Zürich<br />

MÉNAGE À TROIS<br />

Die New Yorker Kunstszene der 1980er<br />

Jahre ist legendär. Sie ist vital, kreativ<br />

und medial offener denn je, sie bietet<br />

gerade jungen Talenten eine Spielfl äche<br />

voller Möglichkeiten. Traditionen werden<br />

hinterfragt auf der Suche nach Innovation,<br />

und so bringen die Künstler mit Graffi tis<br />

die Kunst auf die Straße und lassen in den<br />

Ateliers Alltägliches in ihre Kunst Einzug<br />

fi nden, die Malerei steht im Vordergrund.<br />

Drei der einfl ussreichsten Künstler dieser<br />

Zeit, Andy Warhol (1928–1987), Jean-Michel<br />

Basquiat (1960–1988) und Francesco<br />

Clemente (geb. 1952), werden in dieser<br />

Ausstellung vorgestellt – mit Einzelwerken,<br />

die das unterschiedliche künstlerische<br />

Temperament belegen und einen Einblick<br />

in die individuelle Haltung geben, und vor<br />

allem mit den legendären Collaborations<br />

als Zeugnisse der Unterschiedlichkeit, aber<br />

auch der gegenseitigen Wertschätzung,<br />

entstanden in einer intensiven Arbeitsphase<br />

zwischen 1983 und 1985. Während<br />

Andy Warhol, wichtiger Vertreter der<br />

Pop-Art, das Grafi sche und Serielle in der<br />

Kunst in einem klaren, oft kühl wirkenden<br />

Stil ausführt, wirkt das Werk des jungen<br />

Jean-Michel Basquiat mit seiner wütendausdrucksvollen<br />

Geste, einer Mischung aus<br />

Symbolen, Piktogrammen und Buchstaben,<br />

die aus den Graffi tis kommen, wie ein<br />

temperamentvoller Gegenpol zu Warhols<br />

Arbeiten.<br />

Die Gemälde Francesco Clementes, ein<br />

Vertreter der Transavanguardia, wirken<br />

wiederum traumhaft, mystisch und fast<br />

surreal.<br />

Warhol ist 1983 bereits 55 Jahre alt und<br />

blickt auf eine erfolgreiche Karriere zurück<br />

u.a. mit der Factory, dem Interview-Magazin,<br />

The Velvet Underground, Studio 54 ...)<br />

und sein Werk ist malerisch klar defi niert,<br />

er nutzt das kollektive Bildgedächtnis,<br />

Ikonen der Kunstgeschichte und Medien.<br />

Basquiat, damals 23 Jahre alt, steht am<br />

Anfang seiner dynamischen Malerei, nachdem<br />

er sich bis 1979 als SAMO durch<br />

seine Graffi tis (gemeinsam mit Al Diaz)<br />

einen Namen gemacht hatte. Er überträgt,<br />

samplet direkt und ungefi ltert Bestehendes<br />

seiner Generation in eine neue Ästhetik.<br />

Clemente, damals 31-jährig, kommt aus<br />

37


linke Seite:<br />

Andy Warhol, Big Campbell's Soup Can,<br />

19c (Beef Noodle), 1962, Kaseinfarbe und<br />

Bleistift auf Leinen, 178 x 137 cm<br />

Daros Collection, Schweiz<br />

© The Andy Warhol Foundation for the<br />

Visual Arts, Inc.<br />

oben:<br />

Jean-Michel Basquiat<br />

Brown Spots (Portrait of Andy Warhol as<br />

a Banana), 1984, Acryl und Ölkreide auf<br />

Leinwand, 193 x 213 cm<br />

Sammlung Bischofberger, Schweiz<br />

© The Estate of Jean-Michel Basquiat /<br />

ADAGP, Paris, 2011<br />

unten:<br />

Andy Warhol<br />

Mao, 1973, Acryl und Siebdruck auf<br />

Leinwand, 67 x 56 cm, Privatsammlung,<br />

Courtesy Galerie Andrea Caratsch, Zürich<br />

© The Andy Warhol Foundation for the<br />

Visual Arts, Inc.<br />

einer anderen Tradition. Er zieht erst 1981<br />

nach New York und hat unter anderem<br />

während seiner längeren Indienaufenthalte<br />

gemeinschaftliches Arbeiten als Verschmelzung<br />

geistiger Haltungen für sich entdeckt.<br />

Seine Themen sind Fragen nach dem Innen<br />

und Außen, dem Selbst und den Anderen,<br />

dem Körperlichen und Psychischen.<br />

Auch die Zusammenarbeit mit zeitgenössischen<br />

Schriftstellern, von der in der<br />

Ausstellung zwei Werke zu sehen sind, zeigt<br />

ein anderes Verständnis der Kollaboration.<br />

So zeichnet sich die Zusammenarbeit<br />

von Warhol, Basquiat und Clemente – laut<br />

Keith Haring 1988 eine Art „körperliche<br />

Konversationen“ – dadurch aus, dass sich<br />

drei sehr unterschiedliche Künstler mit<br />

bereits klar ausgeprägten Profi len, Interessen<br />

und Themenkreisen begegnen. Jeder<br />

der drei begann mit vier Gemälden und<br />

einer Zeichnung, die in der Folge zu einem<br />

der beiden anderen Künstler transportiert<br />

wurden, wodurch jeder auf das bereits<br />

Gezeichnete, Gemalte oder Gedruckte<br />

reagieren konnte. Die Zusammenarbeit war<br />

intensiv und äußerst produktiv. Aufgrund<br />

der außerordentlich differierenden künstlerischen<br />

Handschriften können die jeweiligen<br />

künstlerischen Beiträge deutlich unterschieden<br />

werden: Warhols Siebdrucke, Basquiats<br />

Ölkreidezeichnungen und Xerokopien und<br />

39


40<br />

Ausstellungsansicht – Foto: David Ertl, © Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland


42<br />

Clementes malerische Visionen. Für alle<br />

drei spielt Sprache und Schrift eine große<br />

Rolle.<br />

Der gegenseitige Einfl uss – vor<br />

allem bei Warhol und Basquiat – prägte<br />

aber auch die individuellen Werke, und<br />

so beginnt Warhol nach mehr als 20<br />

Jahren wieder mit der Hand zu malen<br />

und Basquiat in der Folge mit der Siebdrucktechnik<br />

zu arbeiten.<br />

Die Gemeinschaftsbilder zeigen<br />

deutlich, wie sensibel die drei Künstler<br />

auf den Beitrag der anderen reagierten<br />

und das Bestehende respektierten,<br />

modifi zierten oder wenig übermalten;<br />

der respektvolle Umgang der Künstlern<br />

untereinander, die Wertschätzung und<br />

selbstverständliche gegenseitige Akzeptanz<br />

ist in den Werken ablesbar.<br />

Das Künstlerische impliziert<br />

Einmaligkeit und vor allem Individualität<br />

– die eigene Handschrift. Die<br />

Gemeinschaftswerke der drei Künstler<br />

brechen spielerisch mit dem Begriff der<br />

Individualität, ohne die Autorenschaft<br />

zu leugnen, und beziehen ihre Span-<br />

Francesco Clemente<br />

Portrait of Andy Warhol<br />

1982-1987<br />

Aquarell auf Papier<br />

36,2 x 50,8 cm<br />

Sammlung Alba und Francesco Clemente<br />

© Francesco Clemente<br />

nung aus den konträren malerischen<br />

Gesten. In ihrem Facettenreichtum<br />

spiegeln die Collaborations die Zeit,<br />

die (Pop-)Starrolle, den Ruhm und das<br />

neue Selbstverständnis der Künstler, die<br />

(kunsthistorische) Vorbilder, Alltägliches<br />

und Zeitgenössisches mit einer<br />

frischen, neuen Selbstverständlichkeit<br />

‚benutzen‘; sie spiegeln ihre Wertvorstellungen,<br />

ihre Traditionen, ihre<br />

unterschiedlichen Weltsichten und ihre<br />

gegenseitige Faszination.<br />

Katalog<br />

MÉNAGE À TROIS<br />

Warhol, Basquiat, Clemente<br />

Format: 24,5 x 28 cm<br />

256 Seiten mit zahlreichen Abbildungen,<br />

Hardcover gebunden<br />

Museumsausgabe: 29 Euro<br />

Buchhandelsausgabe (englisch und<br />

deutsch): 45 Euro<br />

Kerber Verlag, Bielefeld<br />

ISBN 978-3-86678-627-1<br />

www.bundeskunsthalle.de


Geschichtsbücher, Buchgeschichten<br />

Vorgestellt von Matthias Dohmen<br />

Nichts dazugelernt: Er war „Karriere-Diplomat<br />

der alten Schule“ (S. 621), Wipert<br />

von Blücher, deutscher Gesandter in Finnland<br />

von 1935 bis 1944, dem es 1918/19<br />

darum ging, „möglichst viel von der alten<br />

Ordnung in die ungewollte Republik“<br />

hinüberzuretten (S. 49 f.).<br />

Blücher, von der Führung in Helsinki sehr<br />

geachtet – immerhin war Finnland das<br />

letzte Land, „das sich aus einer wie auch<br />

immer gearteten militärischen Bündnisverpfl<br />

ichtung mit dem Deutschen Reich löste“<br />

(S. 12) -, brachte kein Verständnis für fi nnische<br />

Eigenständigkeiten auf. Der Judenvernichtung<br />

stand er nicht in Opposition<br />

gegenüber, auch wenn Augstein 1987 das<br />

Gegenteil beschwor und der in die USA<br />

gefl ohene Ernst Herzfeld nach dem Krieg<br />

eine Ehrenerklärung für den Diplomaten<br />

abgab (S. 375-390). Wer einen typischen<br />

Vertreter des preußisch-deutschen Adels<br />

studieren und spannende Jahre intensiver<br />

deutsch-fi nnischer Beziehungen vor Augen<br />

geführt bekommen möchte, demjenigen<br />

sei die dicke Schwarte von Michael Jonas<br />

dringendst ans Herz gelegt.<br />

Michael Jonas, NS-Diplomatie und Bündnispolitik<br />

1935-1944. Wipert von Blücher,<br />

das Dritte Reich und Finnland, Paderborn/<br />

München/Wien/Zürich: Ferdinand<br />

Schöningh 2011 (= Sammlung Schöningh<br />

zur Geschichte und Gegenwart). 687 S.,<br />

74,00 Euro<br />

Finnland ein Zufall: 1809 wird Suomi ein<br />

autonomes Großfürstentum im Rahmen<br />

des russischen Reiches, und zwar als eines<br />

der Ergebnisse der Napoleonischen Kriege.<br />

Seine heutige Gestalt als unabhängiger<br />

Staat verdanken die Finnen dem Ersten<br />

Weltkrieg und der russischen Revolution<br />

1917. Sie könnten, wären die Dinge<br />

ein wenig anders gelaufen, „zufriedene<br />

Schweden“ oder Russen sein.<br />

So beschreibt es der renommierte Historiker<br />

Matti Klinge in dem von Jan Hecker-<br />

Stampehl, Bernd Henningsen, Anna-Maija<br />

Mertens und Stephan Michael Schröder<br />

herausgegebenen Sammelband „1809<br />

und die Folgen“.<br />

Die deutsch-fi nnischen literarischen<br />

Beziehungen der letzten 200 Jahre<br />

untersucht der an der Universität Vaasa<br />

lehrende Christoph Parry. Überzeugend<br />

und mit vielen Details arbeitet er die<br />

Bedeutung der Literatur für die Bildung<br />

der fi nnischen wie der deutschen Nation<br />

heraus. Er macht auch um die unverhohlenen<br />

Sympathien, die Nazi-Deutschland<br />

bei Entscheidungsträgern wie Intellektuellen<br />

in Helsinki besaß, keinen Bogen.<br />

Jan Hecker-Stampehl et al. (Hrsg.),<br />

1809 und die Folgen. Finnland zwischen<br />

Schweden, Russland und Deutschland,<br />

Berlin: Berliner Wissenschafts-Verlag 2011<br />

(= Schriftenreihe des Finnland-Instituts in<br />

Deutschland, 12). 311 S., 29,00 Euro<br />

Keine Heimat: Eine erschütternde Bilanz<br />

seiner Leidenszeit in Stalins UdSSR, zu<br />

DDR-Zeiten euphemistisch „Teilnahme<br />

am sozialistischen Aufbau in der UdSSR“<br />

geheißen, hat der renommierte, 2006<br />

verstorbene Wolfgang Ruge in seinen<br />

ironisch-sarkastisch „Gelobtes Land“<br />

genannten Erinnerungen gezogen. Wer<br />

jemals im heutigen Russland das Vaterland<br />

aller Werktätigen gesehen hat, wird diese<br />

Autobiographie mit Beklemmung lesen.<br />

Das nachmalige Mitglied der Akademie<br />

der Wissenschaften wird 1917 in ein<br />

kommunistisches Elternhaus hineingeboren,<br />

emigriert 1933 nach Moskau,<br />

wo er sehr schnell mit der „tschistka“,<br />

der ersten Stalinschen Parteisäuberung,<br />

Bekanntschaft schließt. Im Waggon Nr.<br />

14 wird er mit anderen Deutschen und<br />

mit unliebsamen Sowjetbürgern weit<br />

nach Osten transportiert. Am 26. April<br />

1956 kehrt er mit Frau und Kind nach<br />

Deutschland zurück, sieht auf dem Weg<br />

in die DDR-Hauptstadt „angespannt aus<br />

dem Fenster“ und versucht, „Anzeichen<br />

eines sozialistischen Wandels zu entdecken“<br />

(S. 440). Vergeblich. Heimat wird<br />

die DDR dennoch für den couragierten<br />

„Faust“-Liebhaber.<br />

Wolfgang Ruge, Gelobtes Land. Meine Jahre<br />

in Stalins Sowjetunion, Reinbek: Rowohlt<br />

2012. 489 S., 24,95 Euro<br />

43


44<br />

Annäherungen an ein Porträt<br />

von Klaus Stiebeling<br />

links:<br />

Hierhin kehrt er immer wieder gern<br />

zurück: Klaus Stiebeling in seiner Stammkneipe<br />

im Tokioter Stadtteil Asagaya.<br />

Foto: privat<br />

rechts:<br />

Unser Japanenthusiast vor einem<br />

buddhistischen Tempel in Onomichi,<br />

wo der Streifen „Die Reise nach Tokio“<br />

des Regisseurs Yasujiro Ozu entstanden ist,<br />

den Wim Wenders den „besten Film aller<br />

Zeiten“ genannt hat.<br />

Foto: Tsutae Ikuno<br />

ganz rechts:<br />

Sammlers Glück:<br />

Stiebeling beim Betrachten einer<br />

Woensam-Grafi k über die<br />

Schulter geschaut.<br />

Foto: Dohmen<br />

Japan, Ginkgo, Goethe<br />

Ein Weltreisender von früh an, der in<br />

Europa wie in Ostasien zu Hause ist: Klaus<br />

Stiebeling, der zahlreiche in Japan wie in<br />

Deutschland entstandene Exlibris sein eigen<br />

nennt, die 1998 in der Stadtbibliothek<br />

ausgestellt waren, eine Reihe wertvoller<br />

„Ginkgonalia“ gesammelt hat, die in einem<br />

Langenberger Antiquariat zu bewundern<br />

sind, und der derzeit nach weiteren Zeugnissen<br />

der Woensam-Gruppe Ausschau hält,<br />

die man sich 2014 in der Stadtbibliothek<br />

wird anschauen können, erblickte am 1. Januar<br />

1939 in Wuppertal das Licht der Welt.<br />

Kindheit und Jugend verbringt er auf dem<br />

elterlichen Bauernhof, den der Vater 1955<br />

verkauft, als sich herausstellt, dass Sohn<br />

Klaus in die weite Welt strebt und mit der<br />

heimischen Scholle wenig anzufangen weiß.<br />

Nach der Volksschule macht er die Mittlere<br />

Reife. Ihr schließt sich die erste der beiden<br />

Berufsausbildungen an, die er beim Wuppertaler<br />

Verlag W. Girardet absolviert. Jetzt<br />

darf er sich Verlagskaufmann nennen. Erste<br />

Reisen führen ihn nach Skandinavien. In<br />

Finnland schließt er Freundschaft mit dem<br />

Schriftsteller Robert Crottet, dessen Bücher<br />

man heute noch bei Amazon bestellen kann.<br />

Die Titel heißen etwa „Verzauberte Wälder.<br />

Geschichten und Legenden aus Lappland“<br />

oder „Negri. Tagebuch einer Katze“.<br />

Es folgt 1961 die Berufsausbildung Nummer<br />

zwei. In der Buchhandlung Nettes-<br />

heim, deren Hauptgeschäft in Elberfeld vor<br />

ein paar Jahren dem Druck der Filialketten<br />

nicht mehr standhielt, lernt er, wie man<br />

Bücher verkauft. Auch dicke Schwarten<br />

mit bunten Abbildungen der Werke<br />

großer Meister, die später eher in sein Fach<br />

schlagen.<br />

Wieder lockt die weite Welt: 1963 und<br />

1964 unternimmt er mit gerade Mitte<br />

20 seine erste Weltreise, während der er<br />

sich neun Monate in den USA aufhält<br />

und 36 US-amerikanische Bundesstaaten<br />

kennenlernt. Drei Monate verbringt er auf<br />

dem Stückgutfrachter Dragor Maersk, der<br />

zwischen den USA, Japan und Südamerika<br />

pendelt. Und dann das Land der aufgehenden<br />

Sonne selbst: Ein halbes Jahr hält sich<br />

Klaus Stiebeling in Japan auf. Plötzlich weiß<br />

er: Hierhin kehre ich noch einmal zurück.<br />

Für zwei Jahre arbeitet er Anfang der<br />

1960er-Jahre in der Buchhandlung Nettesheim,<br />

bevor es ihn wieder nach Übersee<br />

zieht. Wieder nach „Nippon“, aber diesmal<br />

auf dem Landweg. Vier Monate dauert die<br />

Reise über den Vorderen Orient, Indien,<br />

Nepal und Thailand. Per Schiff geht es von<br />

Bangkok nach Yokohama.<br />

Von 1967 bis 1973 arbeitet er im Sanshusha-Verlag,<br />

der sich auf Deutschsprachiges<br />

spezialisiert hat: Lesetexte, deutsche Gram


matiken, Wörterbücher. Deutsch kann Stiebeling<br />

ja, das Japanische lernt er schnell.<br />

Den umtriebigen Wuppertaler drängt es<br />

dann selbst ins Geschäft: Er gründet die<br />

Europe Art GmbH, mit der er sich einen<br />

Namen beim Import von Kunstbüchern<br />

und Druckgrafi k aus Deutschland, Österreich<br />

und der Schweiz macht. Daneben<br />

organisiert er Ausstellungen europäischer<br />

Grafi kkünstler.<br />

Als er mit Unterbrechungen 30 Jahre in<br />

Japan verbracht hat, kehrte er mit seinem<br />

Sohn, der mittlerweile studiert, in seine<br />

Vaterstadt zurück. Dem Fernen Osten hält<br />

er die Treue und gründet Mitte der 1990er-<br />

Jahre den Deutsch-Japanischen Freundeskreis<br />

Wuppertal. Er wohnt im Katernberg,<br />

und wer ihn bei Abwesenheit anruft, hört<br />

auf dem Anrufbeantworter eine Ansage in<br />

Deutsch und auf Japanisch.<br />

Die Katze lässt das Mausen nicht. Stiebeling<br />

hat sein Lebtag gesammelt – zum<br />

Beispiel Exlibris und Dinge, die ein Licht<br />

auf den japanischen Ginkgo-Baum und den<br />

deutschen Klassiker Johann Wolfgang von<br />

Goethe werfen. Und auszustellen, war ihm<br />

nie fremd. Seit wenigen Jahren fi ndet man<br />

im zweiten Stock des Velbert-Langenberger<br />

Antiquariats „Im Honnes“, Hellerstraße<br />

12, zwei ineinander übergehende Räume,<br />

in denen man Devotionalien aller Art rund<br />

um den Dichterfürsten, Teller und Tassen,<br />

Vasen und Fingerhüte, Kerzenleuchter<br />

und Aschenbecher sowie – hier beginnt<br />

Stiebelings Reich – Literatur, darunter<br />

„Goethe und der Ginkgo: Ein Baum und<br />

ein Gedicht“ von Siegfried Unseld, das man<br />

heute ebenfalls noch bei Amazon bekommt,<br />

kunstgewerbliche Artikel und Gebrauchsgegenstände<br />

mit dem Ginkgomotiv bestaunen<br />

kann: Gebäcktabletts im Jugendstil<br />

und Tassen, Gläser und Spiegel, Bilder und<br />

Grafi ken sowie – hervorstechend – die<br />

Utensilien für eine Teezeremonie.<br />

In den „Musenblättern“<br />

(www.musenblaetter.de) hat der Vielleser<br />

beschrieben, wie er persönlich auf den<br />

Ginkgo kam: „Irgendwann stößt man<br />

unweigerlich auf Goethes Gedichte und<br />

auf den West-östlichen Divan. Dort fi ndet<br />

man Ginkgo biloba, und wenn man etwas<br />

mehr über die Entstehung des Gedichtes<br />

erfahren möchte, liest man die Geschichte<br />

der wunderbaren Liebe zwischen Goethe<br />

und Marianne von Willemer.“<br />

Ein Baum und die Beziehungen zwischen<br />

Japan und Deutschland: Die ungewöhnliche<br />

Buchstabenfolge kg im Namen des<br />

sagenumwobenen Baums stammt wohl, hat<br />

Stiebeling herausgefunden, aus der Zeit des<br />

ausgehenden 17. Jahrhunderts, als der deutsche<br />

Arzt und Forscher Engelbert Kaempfer<br />

sich die japanische Bezeichnung transkribieren<br />

ließ, die in lateinischen Buchstaben aber<br />

eigentlich „Ginkyo“ geschrieben werden<br />

müsste. Durch ein Missverständnis oder einen<br />

Übertragungsfehler sei daraus wohl die<br />

Schreibweise entstanden, die wir heute kennen.<br />

Goethe war sich übrigens unschlüssig,<br />

wie das Wort korrekt auszusprechen sei:<br />

Ginko (richtig) oder Gingo (falsch).<br />

Mit der Woensam-Gruppe machte Stiebeling<br />

erst vor rund einem Jahr Bekanntschaft,<br />

als ihm der befreundete Künstler Jordan<br />

Boehm von der „Woensam-Presse“ erzählte,<br />

einem Kreis von Grafi kern, der seine besten<br />

Jahre in Wuppertal hatte. Das ließ ihn nicht<br />

los, zumal er einige Monate später beim<br />

Studium eines Pforzheimer Auktionskataloges<br />

erneut auf diese Gruppe stieß und<br />

daraufhin einige Bücher und Grafi ksammlungen<br />

dieser Künstlervereinigung erwarb.<br />

Zu der nach einem berühmten Grafi ker des<br />

16. Jahrhunderts und Dürer-Zeitgenossen<br />

benannten Gruppe gehörten so bedeutende<br />

Köpfe wie Conrad Felixmüller sowie aus<br />

dem Bergischen der seinerzeitige Leiter der<br />

Werkkunstschule, Wilhelm Geißler, Walter<br />

Wohlfeld und Willi Dirx. 2014 wird es in<br />

der Stadtbibliothek die Retrospektive einer<br />

fast dem Vergessen anheimgefallenen und<br />

doch für die Kulturgeschichte der Stadt so<br />

wichtigen Gruppe geben.<br />

Matthias Dohmen<br />

45


46<br />

Neue Kunstbücher<br />

Über die Sparten hinweg...<br />

Vorgestellt von Thomas Hirsch<br />

… was gemeinhin eher abwertend für<br />

mangelnde Entscheidungsfreude steht,<br />

meint hier wertneutral ein Phänomen der<br />

zeitgenössischen Kunst. Es gibt natürlich<br />

nach wie vor die reinen Maler, die<br />

spezialisierten, entsprechend ausgebildeten<br />

Fotografen und die ganz in ihre Tätigkeit<br />

vertieften Bildhauer, doch auch dann sind<br />

diese Medien klar zuordbar. Mittlerweile<br />

aber ist die Verfügbarkeit und Kreuzung<br />

aller Sparten selbstverständlich. Die<br />

Handschrift legitimiert den Zugriff auf<br />

die Sparten, und der Künstler reagiert mit<br />

Offenheit... Eine der wichtigen medialen<br />

Grenzgängerinnen im deutschsprachigen<br />

Raum ist die Österreicherin Eva Schlegel,<br />

deren Kunst indes äußerst puristisch ist.<br />

Anlässlich ihrer letztjährigen Ausstellung<br />

im MAK Wien ist beim Verlag für moderne<br />

Kunst eine Monographie erschienen,<br />

welche über die Dokumentation hinaus<br />

frühere Arbeiten einbezieht und so das<br />

Werk weiter kontextualisiert. Eva Schlegel,<br />

die Tafelbilder, Objekte, Videos und<br />

Rauminstallation realisiert, wurde 1960 in<br />

Tirol geboren, etwa um 1990 wird sie mit<br />

ihren Werken und Ausstellungen weiter<br />

bekannt, 1995 vertritt sie Österreich auf<br />

der Biennale Venedig, gemeinsam mit<br />

den dekonstruktivistischen Architekten<br />

Eva Schlegel, in between, 200 S. mit ca. 150<br />

Farbabb., Broschur mit Folienumschlag,<br />

32 x 24 cm, Verlag für moderne Kunst,<br />

39,- Euro<br />

von Coop Himmelblau. Das ist schon ein<br />

Hinweis auf das Wechselverhältnis von<br />

Repräsentanz und Entzug in ihrer Kunst<br />

und auf eine Fragilität der Verhältnisse,<br />

die ihre Kunst bis heute kennzeichnet.<br />

Sie hält Dinge fest, die vergänglich sind,<br />

und zwar so, dass sie stabil bleiben. So<br />

printet sie Wolkenhimmel-Fotografi en auf<br />

Bleifl ächen. Und sie entzieht kollektivem<br />

Wissen die Erkenntnis. Sie setzt Schrift<br />

auf Trennscheiben, aber die Schrift ist<br />

unleserlich, wirkt wie verfl ossene Tinte.<br />

Zu einem Kunst am Bau-Projekt hat sie<br />

komplexe Spiegelsituationen entworfen,<br />

die den Raum erweitern und unseren<br />

Standpunkt relativieren. Weiterhin hebt<br />

sie in ihren Fotos und fi lmischen Sequenzen,<br />

die Menschen zeigen, die mit<br />

ausgebreiteten Armen fl iegen und stürzen,<br />

alle Anmutungen von Schwerkraft auf. In<br />

einem Ausstellungsraum des Wiener MAK<br />

ragten große weiße Ballons in dichter<br />

Masse von der Decke und versperrten<br />

einen Durchgang, so dass der Betrachter<br />

wie in eine Höhle, gar einen Körper eintrat.<br />

Mehrere Werkgruppen thematisieren<br />

die weibliche Perspektive – alles vereint<br />

aber ein Zustand, in dem das Gewusste<br />

nicht mehr gewiss ist. Vorgetragen ist<br />

dies in einem Grundton, der sich durch<br />

dieses Werk in seinen unterschiedlichen<br />

Ausformungen zieht und den der Katalog<br />

sehr klar vermittelt, dabei auch einigen<br />

eleganten Aufwand unternimmt, etwa mit<br />

dem Folienumschlag und den unterschiedlichen<br />

Papiersorten.<br />

Der Schweizer Christian Waldvogel lässt<br />

in seiner konzeptuell angelegten Kunst<br />

den Menschen mit seiner Befi ndlichkeit<br />

erst einmal beiseite; er widmet sich der<br />

Erde und dem Universum. Seine Arbeit<br />

bewegt sich im Grenzbereich von Kunst<br />

und Wissenschaft, mithin ließe sich eher<br />

von Projekten reden. Neun seiner „Gedankenexperimente“<br />

seit 2004 sind jetzt in<br />

einer umfangreichen Monographie zusammengefasst,<br />

die, vor zwei Jahren erschienen,<br />

immer noch aktuell ist, aufgrund der<br />

langwierig angelegten Arbeitsweise des<br />

Künstlers, der darin verhandelten Überlegungen,<br />

die sich etwa mit der Erdrotation,<br />

dem Blick des Universums auf das Universum<br />

und der Entstehung der Erde beschäftigen,<br />

und weil wir eben sonst kaum<br />

etwas über Waldvogel wussten. Christian<br />

Christian Waldvogel, Earth Extremes, 494<br />

S. mit ca. 250 Abb., Hardcover, 31,5 x 21<br />

cm, Scheidegger & Spiess, 69,- Euro<br />

Waldvogel ist ein wissenschaftsorientierter,<br />

in den Lüften und unter der Erdoberfl äche<br />

umher schweifender Landart-Künstler.<br />

Er wurde 1971 in Austin geboren. Er hat<br />

in Rhodes Island und Zürich studiert,<br />

wo er heute als Architekt, Musiker und<br />

Künstler lebt. International trat er auf der<br />

Architekturbiennale Venedig 2004 in Erscheinung.<br />

Die künstlerische Umsetzung<br />

seiner Recherchen fi ndet überwiegend in<br />

Form von Fotos, die in unterschiedlicher<br />

Materialität gedruckt sind, und Videoprojektionen<br />

statt – und nun auch als Buch.<br />

Dieses gibt aber nie den Charakter des<br />

dokumentierenden Werkzeugs auf und<br />

hält doch in der Typographie und mittels<br />

reiner Fotostrecken ausgesprochen sinnliche<br />

Erfahrungen bereit, vergleichbar zum<br />

Katalog zu Eva Schlegel. In der Kunstbuch-Produktion<br />

sind eben derzeit einige<br />

Standards und Maßnahmen gefragt, die<br />

Luxus und Großzügigkeit kennzeichnen.<br />

Oder sind bestimmte technische Verfahren<br />

heute leichter, billiger umzusetzen?<br />

Ein weiterer Typus im aktuellen Kunstbuchmarkt<br />

– weg vom „klassischen“<br />

Katalog – hängt gewiss mit den veränderten<br />

Produktionsweisen der Kunst selbst<br />

zusammen. Das betrifft die aktuellen<br />

Bücher von Simon Wachsmuth und Klara<br />

Liden im Kerber Verlag, der zu recht<br />

einen guten Ruf für die gegenwärtige


Szene besitzt. Beide Künstler arbeiten, bei<br />

bestimmten medialen Präferenzen, mit einem<br />

hohen Maß an Vorüberlegungen und<br />

Beobachtungen zu unserer Gesellschaft<br />

in einer reduzierten Formensprache, die<br />

sich nun auch in den Büchern widerspiegelt.<br />

Simon Wachsmuth, der 1964<br />

in Hamburg geboren wurde, in Wien<br />

studiert hat und heute in Berlin lebt, ist<br />

vor allem durch seine Teilnahme an der<br />

documenta 2007 bekannt. Ebenso wie<br />

Klara Liden, die 1979 geborene, auch in<br />

Berlin lebende Schwedin, ist er primär mit<br />

Beteiligungen an thematischen Ausstellungen<br />

im internationalen Kunstgeschehen<br />

präsent. Wachsmuths Arbeiten artikulieren<br />

sich als Film, Fotografi e, Malerei und<br />

Objektkunst; sie thematisieren kritische<br />

Verlust-Stellen von Kultur- und Zeitgeschichte.<br />

Bezug und Anlass können ein<br />

Gemälde aus der Kunstgeschichte ebenso<br />

wie eine Pressemeldung sein, welche er<br />

etwa als Zeitungsausschnitt in ein abstraktes<br />

Gemälde montiert hat. Wie aber<br />

vermittelt ein Buch dieses Werk in seiner<br />

vordergründigen Nüchternheit, relativen<br />

„Farblosigkeit“ und dem Hingebungsvollen<br />

der künstlerischen Umsetzung? Im<br />

vorliegenden Band, der zur Ausstellung<br />

in der Galerie im Taxispalais in Innsbruck<br />

erschienen ist, gelingt das durch eine Folge<br />

fotografi scher Bilder, Detailaufnahmen<br />

und Überblicksansichten: Das Buch leistet<br />

grundsolide Vermittlungsarbeit.<br />

Simon Wachsmuth, Aporia/Europa, 104 S.<br />

mit 39 Farbabb., Hardcover, 23,5 x 16,5<br />

cm, Kerber, 24,80 Euro<br />

Klara Liden, 200 S. mit 11 Farb- und 89<br />

s/w-Abb., Hardcover in Leinen, 25 x 17<br />

cm, Kerber, 29,80 Euro<br />

Bei Klara Liden ist die Darstellung als<br />

Buch komplizierter und dafür freilich<br />

ausgesprochen konsequent, sichtlich<br />

hat sie selbst mitgearbeitet. Klara Liden<br />

wurde mit semi-exhibitionistischen Performances<br />

bekannt, sie hinterfragt festgefügte<br />

Strukturen und Verhaltensmuster<br />

unserer Zivilisation und entwickelt<br />

dazu ortsbezogene Installationen sowie<br />

Videos und grobkörnige Diaprojektionen.<br />

Mit ihren genauen Beobachtungen<br />

im Reservoir tagtäglicher Fußnoten<br />

zählt sie seit einiger Zeit zu den angesagten<br />

jungen Künstlern. 2011 war sie für<br />

den Preis der Neuen Nationalgalerie in<br />

Berlin nominiert, kurz zuvor hat sie den<br />

Kunstpreis der Volksbanken Raiffeisenbanken<br />

gewonnen, und zur begleitenden<br />

Ausstellung im Bonner Kunstverein<br />

ist auch das Katalogbuch bei Kerber<br />

erschienen. Auch hier setzt Liden ihre<br />

Strategie des fokussierenden Ausschnitts<br />

und latenten Mysteriums fort: Sie zeigt<br />

die einzelnen lichtdurchfl uteten Fotografi<br />

en ihrer Projektionen, die Strecken<br />

der Annäherung und vermeintlichen<br />

Abschweifung sind, unterbrochen von<br />

ihrer Sammlung von Abfalleimern, die<br />

im neutralen Showroom zu Objekten<br />

werden. Ein Buch also, das nichts anderes<br />

zeigt als eine Ausstellung in Form<br />

eines Buches – ein gelungenes Künstlerbuch<br />

zu einem etwas überschätzten<br />

künstlerischen Werk.<br />

Peter Krämer<br />

WP/StB<br />

Andreas Niemeyer<br />

WP/StB<br />

Thomas Pintzke<br />

StB<br />

Katrin Schoenian<br />

WP/StB<br />

Dr. Jörg Steckhan<br />

RA/WP/StB<br />

Peter Temmert<br />

WP/StB<br />

Anke Jagau<br />

RA/StB<br />

Susanne Schäfer<br />

StB<br />

Stephan Schmacks<br />

StB<br />

Matthias Aprath<br />

WP/StB<br />

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47


48<br />

<strong>Kulturnotizen</strong><br />

Dieseltag im Industriemuseum<br />

14. April 2012, 11:00 Uhr LVR-Industriemuseum,<br />

Schauplatz Solingen -<br />

Gesenkschmiede Hendrichs / Solingen<br />

Dieselmaschine<br />

Während des gesamten Tages wird<br />

wieder der historische 200 PS starke<br />

Herford-Dieselmotor in Betrieb genommen.<br />

Er treibt einen 635-kg-Fallhammer<br />

an, auf dem schwere Scheren geschmiedet<br />

werden. Von 11 - 12 und 14 - 16 Uhr<br />

ist der Fallhammer in Betrieb und Sie<br />

können dem Schmied über die Schulter<br />

schauen.<br />

Um 15 Uhr gibt es eine Sonderführung<br />

(im Eintritt enthalten) unter dem Motto<br />

"Diesel und Dampf - Antriebssysteme<br />

in der Gesenkschmiede Hendrichs". Der<br />

Rundgang veranschaulicht die Bedeutung<br />

und Funktionsweise des zentralen Kraftantriebs<br />

durch die Dampfmaschine bzw.<br />

den Dieselmotor. Anschließend wird der<br />

stufenweise Wandel hin zum elektrischen<br />

Einzelantrieb an konkreten Beispielen<br />

aufgezeigt. Die an vielen Stellen noch<br />

vorhandenen Spuren und Relikte vergangener<br />

Antriebsarten werden im Hinblick<br />

auf die Gesenkschmiede und die Solinger<br />

Schneidwarenindustrie erläutert.<br />

Weitere Termine:<br />

20.10.2012 Uhr | LVR-Industriemuseum,<br />

Schauplatz Solingen - Gesenkschmiede<br />

Hendrichs / Solingen<br />

Komödie:<br />

Willkommen in Deinem Leben<br />

15. April 2012, 15:00 Uhr<br />

TalTonTHEATER / Wuppertal<br />

Die Diagnose trifft ihn unvorbereitet:<br />

Als Charlie erfährt, dass er an amyotrophischer<br />

Lateralsklerose erkrankt ist<br />

und wahrscheinlich nur noch achtzehn<br />

Monate zu leben hat, rast er ziellos mit<br />

dem Auto davon. Er hadert mit dem<br />

„Willkommen In Deinem Leben“<br />

(Kiki; die Liebe!)<br />

Schicksal und stellt fest, dass er noch gar<br />

nicht richtig gelebt hat. Statt selbst zu<br />

schreiben, ist er ein mittelmäßiger Lektor<br />

geworden, und auf die große Liebe seines<br />

Lebens wartet er noch immer. Konfus<br />

und desorientiert, wie er ist, nimmt er<br />

ganz gegen seine Gewohnheiten in der<br />

Wüste von Arizona einen Anhalter mit:<br />

Wally, einen reichlich schrägen Typen!<br />

Wally hat hier schon auf Charlie<br />

gewartet - denn er ist sein Tod.<br />

Sein persönlicher Tod.<br />

Das erklärt er dem verstörten Charlie,<br />

als die beiden nach einer Panne zu Fuß<br />

durchs Niemandsland gehen. Mitten in<br />

der Wüste fi nden sie ein trostloses Motel,<br />

in dem die Herzensgute Nell seit dem Tod<br />

ihres Mannes den kranken, alten Schwiegervater<br />

pfl egt. Gäste verirren sich selten<br />

hierher, nur Mechaniker Travis kommt<br />

hin und wieder mit seinem Abschleppwagen<br />

vorbei, um nach dem Rechten zu<br />

sehen. Die Abgeschiedenheit dieses Ortes<br />

scheint Charlie ideal, um vor seinem Tod<br />

noch den Roman seines Lebens zu schreiben,<br />

und so bleibt er auch, als der Wagen<br />

schon längst repariert ist. Dass es für sein<br />

Verweilen noch einen anderen Grund<br />

gibt, wird klar, als plötzlich die blinde<br />

Kiki auftaucht: die Liebe<br />

Unsichtbar und unhörbar für alle außer<br />

Charlie, liefern sich sein ungeduldiger, sarkastischer<br />

Tod und Kiki, die Verkörperung<br />

seiner ersten großen Liebe zu Nell, von<br />

nun an ein ebenso witziges wie anrührendes<br />

und philosophisches Duell. Mit unglaublicher<br />

Leichtigkeit macht McKeever<br />

aus einem ernsten, ja existenziellen Thema<br />

eine Komödie über Lebensfreude und<br />

den Mut zur Liebe. Mehr als originell in<br />

der Anlage, meisterhaft geschrieben und<br />

traumhaft zu spielen.<br />

Klangart 2012<br />

>MANDINKA<<br />

Ablaye Cissoko & Volker Goetze<br />

Am Freitag, 11. Mai 2012, 19 Uhr<br />

fi ndet das 1. Konzert der diesjährigen<br />

KLANGART-Reihe im Skulpturenpark<br />

Waldfrieden statt.<br />

Ein Stegharfenspieler aus dem Senegal<br />

und ein Trompeter aus dem Bergischen<br />

Land bilden ein außergewöhnliches<br />

Duo. Im Senegal traten Ablaye Cissoko<br />

und<br />

Volker Goetze 2001 gemeinsam als<br />

Vorgruppe für Youssou N’Dour auf. Trotz aller<br />

kultureller Unterschiede entdeckten sie<br />

manche musikalische und persönliche<br />

Gemeinsamkeiten.<br />

Ablaye Cissoko <br />

ist Virtuose auf der Kora,<br />

einer 21-saitigen Stegharfe und lebt in<br />

der Tradition des Griot, eines singenden<br />

Geschichtenerzählens. Der in New York


Ablaye Cissoko und Volker Goetze<br />

©Cissoko/Goetze<br />

lebende Jazz-Trompeter Volker Goetze<br />

interessiert sich seit Jahren für westafrikanische<br />

Musik und reagiert mit seinen<br />

Improvisationen auf Cissokos Erzählungen.<br />

Aus der Zusammenarbeit wuchs<br />

eine Freundschaft, die zum gemeinsamen<br />

kulturellen und sozialen Engagement<br />

und auch zur<br />

Produktion eines Films führte, der die<br />

Legende eines Griots zum Inhalt hat.<br />

Für Cissoko und Goetze sind Respekt<br />

für den kulturellen Hintergrund des Anderen<br />

und ein Aufeinander-Hören beste<br />

Voraussetzungen für einen fesselnden<br />

Dialog, den der senegalesische Künstler<br />

so ausdrückt: „Aus unserer Verschiedenheit<br />

wächst eine Kraft“.<br />

KlangArt: Bedeutende Jazz- und<br />

Weltmusiker folgen auch 2012 der<br />

Einladung in den Skulpturenpark<br />

Waldfrieden. Im vierten Jahr hat sich<br />

KlangArt als Folge von herausragenden<br />

Konzertereignissen etabliert, die von<br />

Kunst- und Musikfreunden mit Begeisterung<br />

wahrgenommen werden. Im<br />

Herzen Wuppertals, umgeben von seiner<br />

reizvollen Wald- und Wiesenlandschaft,<br />

strahlt der Skulpturenpark Waldfrieden<br />

eine zauberhafte Atmosphäre aus. Ab Mai<br />

bis August 2012 präsentiert KlangArt ein<br />

internationales Musikprogramm, das sich<br />

jenseits des Mainstreams bewegt. Der<br />

Spannungsbogen reicht vom zeitgenössischen<br />

Jazz bis hin zur Neuen Musik und<br />

Weltmusik.<br />

Für alle KlangArt Konzerte sind noch<br />

Tickets an der Abendkasse erhältlich,<br />

alternativ bei www.nrw-ticket.de , Ticket-Hotline<br />

0180-5001812 und im Skulpturenpark<br />

Waldfrieden.<br />

Adresse: Skulpturenpark Waldfrieden,<br />

Hirschstraße 12, 42285 Wuppertal, Tel.<br />

0202/4789812-0 oder info@skulpturenpark-waldfrieden.de<br />

Ausstellung<br />

Skulpturen und Masken aus<br />

Nigeria<br />

14. April bis 15. Juli 2012<br />

Die Völker Nigerias sind berühmt<br />

für ihre künstlerische Schaffenskraft.<br />

Eine Auswahl von Skulpturen, die in den<br />

letzten beiden Jahrhunderten entstanden<br />

und die zum Großteil erstmals in einer<br />

Ausstellung zu sehen sein werden, zeigt<br />

der Skulpturenpark Waldfrieden mit<br />

„Skulpturen und Masken aus Nigeria“<br />

vom 14. April bis 15. Juli 2012.<br />

Der erhebliche Einfl uss afrikanischer<br />

Skulpturen auf die Entwicklung der<br />

Kunst des 20. Jahrhunderts gründet sich<br />

auf eine Paradoxie. Während die Künstler<br />

Maske Igbo, Nigeria, Holz, teils farbig<br />

gefasst, H. 18 cm.<br />

©Skulpturenpark Waldfrieden<br />

Maske Ogoni, Nigeria, Holz, H. 15 cm.<br />

©Skulpturenpark Waldfrieden<br />

der westlichen Moderne ihre formalen<br />

Erfi ndungen als Instrumente der Selbstfi<br />

ndung und -behauptung in einer Gesellschaft<br />

einsetzen mussten, der sie sich<br />

nicht mehr als zugehörig empfanden, ist<br />

der Erfi ndungsreichtum in der afrikanischen<br />

Kunst gerade an ihr erfolgreiches<br />

Funktionieren innerhalb der Gesellschaft<br />

gebunden. Afrikanische Objekte sind<br />

fest verknüpft mit sozialen, spirituellen<br />

und religiösen Funktionen, deren Ablauf<br />

sie kontrollieren, regeln und bestimmen.<br />

Für diese systemstabilisierende Aufgabe<br />

haben afrikanische Künstler immer wieder<br />

neue, klar identifi zierbare, eindrucksvolle,<br />

überwältigende und bisweilen<br />

einschüchternd eindringliche Formen<br />

erfunden.<br />

In der Ausstellung im Skulpturenpark<br />

Waldfrieden werden 35 Objekte aus<br />

dem Südosten Nigerias befreit von ihrem<br />

Ursprungskontext als überzeugende<br />

Skulpturen präsentiert. Die Kuratoren<br />

Anthony Cragg und Dierk Dierking<br />

haben sich zu dieser klaren Präsentationsform<br />

entschieden, um die formale<br />

Qualität der Skulpturen deutlich zu<br />

machen und ihr kulturübergreifendes<br />

Potenzial freizusetzen.<br />

Skulpturenpark Waldfrieden, Hirschstraße<br />

12, 42285 Wuppertal<br />

Der Park ist von März bis November<br />

Dienstag bis Sonntag von 10 bis 18 Uhr<br />

geöffnet.<br />

Im Anschluss an den Besuch des<br />

Parks sollte man eine Pause im Café<br />

Podest einplanen, ein schöner Platz unter<br />

Bäumen, genauso wie der Park fernab<br />

vom Lärm der Großstadt.<br />

Maske Igbo, Nigeria, Holz, farbig gefasst/Metall,<br />

H. 40 cm ©Skulpturenpark Waldfrieden<br />

49


50<br />

<strong>Kulturnotizen</strong><br />

Termine Literaturhaus<br />

Wuppertal e.V.<br />

17.04.2012 - 19:30 Uhr<br />

Drei Preisträger lesen aus ihren<br />

Werken<br />

An diesem Abend sind Marion Poschmann<br />

(Ernst-Meister-Lyrikpreisträgerin<br />

2011), Daniela Seel (Thalia-Förderpreis<br />

2011) und Jan Skudlarek (Westfälischer<br />

Förderpreis 2011) im Literaturhaus Wuppertal<br />

zu Gast und gestalten gemeinsam<br />

eine Lesung.<br />

24.04.2012 - 19:30 Uhr<br />

Karla Schneider:<br />

Die Schreibmaschine<br />

Karla Schneider wurde in Dresden geboren<br />

und lebt seit 1979 in Wuppertal. Seit<br />

1989 schreibt sie erfolgreich Romane und<br />

Kinderbücher. Die Autorin stellt ihren angefangenen<br />

Roman „Die Schreibmaschine“ vor.<br />

Karla Schneider [Quelle: Boje-Verlag]<br />

25.04.2012 - 18:30 Uhr<br />

„Kunsthochdrei“: Karl Röhrig<br />

Zur Ausstellung des Bildhauers<br />

Karl Röhrig im Von der Heydt-Museum<br />

spricht Museumsdirektor Dr.<br />

Gerhard Finckh. Die Schauspielerin<br />

Barbara Nüsse liest „El Greco malt den<br />

Großinquisitor“ von Stefan Andres.<br />

Dazu erklingt Musik von Paul Hindemith.<br />

08.05.2012 - 19:30 Uhr<br />

Prominente Wuppertaler lesen:<br />

Andreas Bialas<br />

In der beliebten Reihe des Literaturhauses<br />

ist diesmal zu Gast: Andreas Bialas,<br />

Landtagsabgeordneter und Kulturpolitischer<br />

Sprecher der SPD-Landtagsfraktion.<br />

Er präsentiert an diesem Abend Texte<br />

„passend zum Datum“.<br />

22.05.2012 - 19:30 Uhr<br />

Lesung mit Dorothea Müller und<br />

Wolf von Wedel<br />

Die Autorin Dorothea Müller liest Prosa<br />

und fragt: „Erfi ndet ein Schreiber Geschichten,<br />

oder kommen sie zu ihm, damit er<br />

sie festhält und ihnen Gestalt gibt?“ Wolf<br />

von Wedel zeigt in „Deutschlandhymnus“<br />

wie sich Privates im Politischen spiegelt,<br />

Familiengeschichte in der Geschichte einer<br />

Nation.<br />

30.05.2012 - 19:30 Uhr<br />

Bangemachen gilt nicht - auf der<br />

Suche nach der Roten Ruhr-Armee<br />

Der Roman von Jürgen Link spielt<br />

zwischen den 1960er Jahren und dem<br />

Beginn des 21. Jahrhunderts. Er entwirft<br />

eine Art von kollektiven Lebensbericht<br />

einer Gruppe von Achtundsechzigern aus<br />

dem Ruhrgebiet.<br />

10.06.2012 - 11:30 Uhr<br />

„Freiheit“ im Spiegel der<br />

polnisch/deutschen Literatur<br />

Die Autoren Michael Zeller (Wuppertal),<br />

Artur Becker und Darius Muszer (Polen)<br />

lesen eigene Texte und diskutieren über<br />

den Begriff der "Freiheit" im Angesicht der<br />

politischen Ereignisse vor und nach dem<br />

Zusammenbruch des Kommunismus.<br />

27.06.2012 - 18:30 Uhr<br />

„Kunsthochdrei“: Bella Italia –<br />

Malerei und Fotografi e<br />

Zur Ausstellung im Von der Heydt-<br />

Museum spricht Dr. Beate Eickhoff. Die<br />

Schauspielerin Ingeborg Wolff liest Texte<br />

zur Fotografi e in der Literatur. Sopranistin<br />

Anja Kiel singt italienische Lieder und<br />

Arien. Sie wird begleitet von Eri Uchino<br />

am Klavier.<br />

29.06.2012 - 19:30 Uhr<br />

Mechthild Großmann liest:<br />

Hagel auf Zamfara<br />

Der Anlass ist eine Ausstellung afrikanischer<br />

Kunst aus Nigeria im Skulpturenpark<br />

Waldfrieden: Die Schauspielerin<br />

Mechthild Großmann liest Erzählungen<br />

der nigerianischen Autorin Sefi Atta, die<br />

zu den originellsten und außergewöhnlich<br />

talentierten Autoren Afrikas zählt.<br />

Friedrich-Engels-Allee 83, 42285 Wuppertal,<br />

www.literaturhaus-wuppertal.de<br />

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www.musenblaetter.de


Günter Wand-Tage 2012<br />

Vom 8. bis zum 10. Mai 2012 fi nden<br />

in der Musikhochschule die „Günter<br />

Wand-Tag“ statt. Der große Dirigent<br />

wurde im Jahr 1912, also vor einhundert<br />

Jahren in Elberfeld geboren und starb vor<br />

10 Jahren. Seit 2010 trägt das Gebäude<br />

der Musikhochschule den Namen „Günter<br />

Wand-Haus“. Das ist Anlass genug,<br />

um an das Schaffen des großen und erst<br />

spät international berühmt Gewordenen<br />

zu erinnern.<br />

Günter Wand, Foto: Chargesheimer<br />

An den drei Abenden wird Dr.<br />

Wolfgang Seifert, der Wand in den letzten<br />

Lebensjahren sehr nahe stand und Verfasser<br />

einer großen Biographie ist und ein<br />

umfangreiches Filmportrait gedreht hat<br />

Einblicke in das Leben und das Wirken<br />

Günter Wands geben. Der erste Abend ist<br />

dem Leben Wands gewidmet. Hier wird<br />

u.a. ein Ausschnitt aus dem letzten Interview<br />

gezeigt. Der zweite und dritte Abend<br />

beschäftigen sich mit dem künstlerischen<br />

Schaffen. Es wird umfangreiche Ausschnitte<br />

aus Filmaufzeichnungen von Konzerten das<br />

„Schleswig-Holstein-Musikfestivals“ mit<br />

Musik von Ludwig van Beethoven, Franz<br />

Schubert, Johannes Brahms und Anton<br />

Bruckner geben, den Komponisten also, auf<br />

die sich der Dirigent Günter Wand in den<br />

letzten zehn Lebensjahren konzentriert hat.<br />

Prof. Dr. Lutz-Werner Hesse wird in die<br />

jeweiligen Werke kurz einführen.<br />

Die Veranstaltungen fi nden im Konzertsaal<br />

der Musikhochschule (Sedanstr. 15) statt<br />

und beginnen jeweils um 19.30 Uhr.<br />

Im Sommersemester beginnt in der<br />

Musikhochschule eine neue Reihe, innerhalb<br />

derer Unterricht von Professoren mit<br />

Studenten öffentlich stattfi ndet. Mu-<br />

sikinteressierte haben also die Möglichkeit<br />

hinter die Kulissen der Musikhochschule<br />

zu schauen. Die „open lectures“ beginnen<br />

immer um 17 Uhr und dauern bis 18.30<br />

Uhr. Sie fi nden im Kammermusiksaal der<br />

Musikhochschule (Sedanstr. 15) statt. Die<br />

Termine sind die folgenden:<br />

Dienstag, 17. April, Thilo Dahlmann,<br />

Gesang<br />

Dienstag, 8. Mai, Prof. Gerhard Reichenbach,<br />

Gitarre<br />

Dienstag, 22. Mai, Prof. Manfredo Zimmermann,<br />

Blockfl öte/ Traversfl öte<br />

Dienstag, 5. Juni, Prof. Dr. Florence<br />

Millet, Klavier<br />

Mittwoch, 20. Juni, Prof. Susanne<br />

Müller-Hornbach, Violoncello<br />

Dienstag, 3. Juli, Willfried Roth-<br />

Schmidt, Klarinette<br />

Art and Design for All<br />

The Victoria and Albert Museum<br />

noch bis 15. April 2012<br />

Das Victoria and Albert Museum<br />

(V&A) in London ist das größte Museum<br />

der Welt für Kunst und Design. Sein<br />

Bestand von über zwei Millionen Werken<br />

zeugt von Reichtum und Vielseitigkeit. Die<br />

Erfolgsgeschichte des Victoria and Albert<br />

Museums begann 1857 mit der Gründung<br />

des Vorgängerbaus, des South Kensington<br />

Museum. Mit zahlreichen Objekten wird<br />

die Entstehungsgeschichte rekonstruiert und<br />

Gaslampe, Birmigham, 1848, Messing,<br />

vergoldet, Glas, © Victoria and Albert<br />

Museum, London<br />

die Vision des V&A, das mit seiner Präsentation<br />

zum Vorbild für viele kunstgewerbliche<br />

Museen wurde. Eine Ausstellung der<br />

Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik<br />

Deutschland in Zusammenarbeit mit<br />

dem Victoria and Albert Museum, London.<br />

www.bundeskunsthalle.de<br />

Romy Schneider<br />

6. April bis 24. Juni 2012<br />

Romy Schneider gehört zu den bedeutendsten<br />

deutschsprachigen Schauspielerinnen.<br />

Ihr Bild hat einen festen Platz im<br />

kollektiven Gedächtnis. Nicht nur als „Sissi“,<br />

deren Image sie vor allem in Deutschland<br />

nie ganz abstreifen konnte, sondern<br />

ab den 1970er Jahren vor allem als Star des<br />

französischen Kinos. Die Hommage in der<br />

Bundeskunsthalle nähert sich Romy Schneider<br />

als Star und Privatperson und zeichnet<br />

ihren Lebensweg nach: die frühen Rollen,<br />

ihre mutige und konsequente berufl iche<br />

Emanzipation, ihre private Tragödie, die mit<br />

ihrem frühen Tod endete. Bilder aus Film,<br />

Presse und Privatleben werden mit Filmausschnitten<br />

kombiniert. Medieninstallationen<br />

zeigen das Wechselspiel zwischen Projektion<br />

und aktiver Selbstinszenierung. Zudem präsentiert<br />

die Ausstellung zahlreiche Plakate,<br />

Kostüme, Briefe, Fanartikel und Fotos von<br />

Romy Schneider, ihren Filmpartnern und<br />

ihrer Familie.<br />

www.bundeskunsthalle.de<br />

Romy Schneider, 1972;<br />

© Eva Sereny / Camerapress / Gamma-<br />

Rapho<br />

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52<br />

<strong>Kulturnotizen</strong><br />

Anselm Kiefer aus dem Privatbesitz<br />

Grothe<br />

19. Juni bis 16. September 2012<br />

Anselm Kiefer ist einer der bedeutendsten<br />

internationalen Künstler unserer<br />

Zeit. Seine epischen Werke faszinieren<br />

nicht zuletzt durch ihre ungewöhnliche<br />

Materialwahl, die die inhaltliche Aussage<br />

unterstützt: Dick aufgetragene Farbschich-<br />

Anselm Kiefer, Shebirat Ha Kalim, 1990<br />

Blei, Glas, Kleid, Asche und Frauenhaar<br />

auf Holz, 380 x 250 x 35 cm, Privatbesitz<br />

Familie Grothe, © Anselm Kiefer, 2011,<br />

courtesy Stiftung für Kunst u. Kultur e.V.<br />

The art of tool making<br />

ten, Erde, Blei, Lack, Pfl anzen, Kleidung<br />

oder Haare lassen die Arbeiten über den<br />

zweidimensionalen Bildraum hinausgreifen.<br />

Parallel zur Documenta13 in Kassel<br />

präsentiert die Bundeskunsthalle in Bonn<br />

auf über 2000 m[ wichtige Werke des 1945<br />

geborenen Künstlers aus dem Privatbesitz<br />

Familie Grothe. Von den Arbeiten Anselm<br />

Kiefers hat sich Hans Grothe 2005 beim<br />

Verkauf seiner umfangreichen Sammlung<br />

nicht getrennt, da die Faszination des<br />

Sammlers für die einzigartige künstlerische<br />

Haltung Kiefers ungebrochen über die<br />

Jahrzehnte anhielt. Erstmalig wird in der<br />

Bundeskunsthalle dieses größte Werkkonvolut<br />

aus einer privaten Sammlung fast<br />

vollständig präsentiert.<br />

Eine Auswahl der wichtigsten Werke aus<br />

drei Jahrzehnten wurde mit dem Schwerpunkt<br />

auf der 2000er-Dekade getroffen –<br />

hier belegen Bildensembles aus den Jahren<br />

2010 und 2011 Kiefers großes Interesse<br />

am Thema des Panoramas. Es dominieren<br />

christlich-jüdische und mythologische Themen<br />

im Gegensatz zu den frühen Bildern<br />

und Ensembles vor der Übersiedlung des<br />

Künstlers nach Frankreich vor 20 Jahren,<br />

die sich mit der deutschen Vergangenheit<br />

und Mythologie befassen. Das oft beschriebene<br />

Pathos in Kiefers Werken erscheint in<br />

diesen neuen Arbeiten eigentümlich gebrochen,<br />

zurückgenommen und neutralisiert.<br />

www.bundeskunsthalle.de<br />

Briller Viertel, Am Buschhäuschen<br />

Arm & Reich<br />

11:00 Uhr Wuppertal Touristik /<br />

Wuppertal<br />

Beschreibung: Hochherrschaftliche<br />

Villen der Kaiserzeit in einem Stadtviertel,<br />

enge, volle Mietshäuser im anderen – und<br />

dazwischen liegt nur eine Straße. Der Spaziergang<br />

durch das Briller Viertel und über<br />

den Ölberg sagt viel über das Leben im alten<br />

Elberfeld, über wohlhabende Textilfabrikanten<br />

und arme Weber, über die Geschichte<br />

und Folgen der frühen Industrialisierung.<br />

Zugabe bei diesem Rundgang: die Besichtigung<br />

der Villa Schmits an der Luisenstraße<br />

(heute Private Herder-Schule).<br />

Treffpunkt: 11.00 Uhr (15.04.) bzw.<br />

14.00 Uhr (13.10.) Bushaltestelle Otto-<br />

Hausmann-Ring, Linien 601, 613 | Ende:<br />

ca. 13.30 Uhr nach der Besichtigung der<br />

Villa Schmits | Führung: Jürgen Holzhauer |<br />

Preis: 9,50 Euro


Ölberg, Wuppertal<br />

Info & Reservierung: Wuppertal<br />

Touristik, Pavillon Döppersberg, 42103<br />

Wuppertal, Telefon: 02 02 /1 94 33 oder<br />

02 02/5 63-22 70 und -21 80, Telefax: 02<br />

02/5 63-80 52, E-Mail: wuppertal<br />

touristik@wuppertal-marketing.de<br />

Internet: www.wuppertal.de/tourismusfreizeit<br />

Kleines Schauspielhaus / Wuppertal<br />

Mann, Bühnenwerk von<br />

Lothar Schreyer<br />

Die bekanntesten Künstler des frühen<br />

20. Jahrhunderts präsentierten sich im<br />

Sturm, der Galerie und der Zeitschrift<br />

Herwarth Waldens, des Ehemanns von<br />

Else Lasker-Schüler: Kokoschka, Kandinsky,<br />

Macke, Marc, Delaunay, Chagall,<br />

sowie Schlemmer, Baumeister, Moholy-<br />

Nagy, die Dichter Alfred Döblin, Theodor<br />

Däubler und August Stramm und die<br />

Komponisten Schönberg, Schreyer und<br />

Walden selbst. Zeitschrift und Galerie<br />

waren nicht nur das geistige Zentrum<br />

Berlins, sie waren für rund 20 Jahre die<br />

künstlerische Mitte Europas. Im Rahmen<br />

der Ausstellung Der Sturm - Zentrum der<br />

Avantgarde im von-der-Heydt-Museum<br />

ab 13.3.2012 zeigen die Wuppertaler<br />

Bühnen im Kleinen Schauspielhaus ein<br />

Bühnenwerk von Lothar Schreyer (1886<br />

– 1966). Schreyer war Maler, Schriftsteller<br />

und Dramaturg, von 1916-1928 Mitarbeiter<br />

bei Herwarth Waldens Zeitschrift<br />

"Der Sturm" und 1917 Begründer der<br />

"Sturmbühne". Er leitete am Bauhaus in<br />

Weimar die Bühnenklasse und die Kunstschule<br />

"Der Weg" in Berlin und Dresden.<br />

Seine frühen Werke sind Ausdruck eines<br />

kultisch religiösen Expressionismus. Das<br />

aufgeführte Werk („Mann“) ist in der rekonstruierten<br />

Fassung unter der Leitung<br />

des Komponisten und Dirigenten Juan<br />

Allende-Blin zu sehen, der Schreyer noch<br />

persönlich kannte. Es ist ein Werk für<br />

zwei große Maskenfi guren, einem Sänger,<br />

einer Sängerin und einem Schlagzeuger.<br />

Termine:<br />

15.04.2012, 22.04.2012, 26.04.2012<br />

Uhr jeweils 18 Uhr<br />

Kleines Schauspielhaus / Wuppertal<br />

www.wuppertaler-bühnen.de<br />

August Macke unterwegs –<br />

Die Reisen des Künstlers<br />

Noch bis 28. Mai 2012<br />

Aus Anlass des 125. Geburtstages von<br />

August Macke (1887 – 1914) widmet<br />

sich das August Macke Haus erstmals<br />

den zahlreichen Reisen des Künstlers. Seit<br />

Jahrhunderten treiben die Faszination des<br />

Unbekannten und die Suche nach neuen<br />

Impulsen für das eigene Œuvre die Künstler<br />

in die Ferne. Auch August Macke spürte<br />

die Sehnsucht nach landschaftlich und<br />

kulturell reizvollen Regionen und Städten.<br />

Obwohl er nur 27 Jahre alt wurde, hat er in<br />

seinem kurzen Leben dennoch viele Länder<br />

gesehen, denn seit 1904 unternahm er fast<br />

jedes Jahr eine oder mehrere Reisen.<br />

Erste „Kunstreisen“ führten den jungen<br />

Studenten an den Rhein und in die Eifel.<br />

Zwei Mal brach er nach Italien auf - das<br />

klassische Ziel europäischer Bildungsreisender<br />

– und setzte sich in mehreren<br />

oberitalienischen Städten mit hochrangigen<br />

Kunstwerken vergangener Epochen auseinander:<br />

1905 zusammen mit seinem Freund<br />

und späteren Schwager Walter Gerhardt<br />

und 1908 in Begleitung seiner Freundin<br />

Elisabeth und ihres Onkels Bernhard<br />

Koehler. Mehrfach fuhr er nach Holland<br />

und Belgien, einerseits um sich hier an<br />

August Macke, Venedig, 1905, Öl auf<br />

Leinwand, 38,0 x 51,0 cm, LWL - Landesmuseum<br />

für Kunst und Kulturgeschichte<br />

Münster<br />

der See zu erholen, andererseits aber vor<br />

allem der Kunst wegen.<br />

Zudem bereiste er die damals wichtigsten<br />

Metropolen in Europa - London<br />

und Paris. Auch hier standen Museen und<br />

Galerien an erster Stelle des Programms.<br />

Doch faszinierten ihn auch großstädtisches<br />

Flair und Treiben, das er auf sich<br />

wirken ließ und künstlerisch verarbeitete.<br />

Besonders Paris als führendes Zentrum<br />

der avantgardistischen Kunstströmungen<br />

zu Beginn des 20. Jahrhunderts bot dem<br />

aufstrebenden Künstler bei insgesamt vier<br />

Besuchen in den Jahren 1907, 1908, 1909<br />

und 1912 immer wieder neue Inspirationen<br />

für sein eigenes Werk und die<br />

Gelegenheit, Kontakte zu gleich gesinnten<br />

Künstlern wie Robert Delaunay sowie<br />

Sammlern und Galeristen zu knüpfen.<br />

Berühmt geworden ist August Mackes<br />

letzte Fahrt, die Tunisreise, die der orientbegeisterte<br />

Künstler im April 1914 – nur<br />

wenige Monate vor seinem Kriegstod –<br />

zusammen mit den Schweizer Malern Paul<br />

Klee und Louis Moilliet unternahm. Erstmals<br />

verließ er Europa und tauchte in eine<br />

ihm völlig fremde Kultur und Landschaft<br />

ein, die er gänzlich neue visuelle Eindrücke<br />

von Licht und Farbigkeit abgewann.<br />

Ein wichtiger Aspekt fast aller Reisen<br />

Mackes ist auch das Vergnügen, einen Urlaub<br />

in ausgelassener Gesellschaft von guten<br />

Freunden und Familienangehörigen zu<br />

erleben und sich mit seinen Reisegefährten<br />

intellektuell auszutauschen. Seine Touren<br />

gingen dabei nicht zwingend auf eigene<br />

Initiative zurück. Häufi g wurden sie durch<br />

glückliche familiäre sowie freundschaftliche<br />

Umstände und Kontakte begünstigt<br />

oder erst durch Mäzene aus dem privaten<br />

August Macke, Landschaft mit Feuerspeiendem<br />

Vesuv, Postkarte aus Dillingen, 14. Juli<br />

1899, Aquarell, Tusche/Pinsel und Feder,<br />

LWL-Landesmuseum für Kunst und Kulturgeschichte<br />

Münster, Macke-Archiv<br />

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54<br />

<strong>Kulturnotizen</strong><br />

August Macke, Märchenerzähler, 1912, Öl<br />

auf Holz auf Karton, 38,5 x 42 cm, Museum<br />

Frieder Burda, Baden-Baden<br />

Umfeld des Künstlers ermöglicht.<br />

Die Ausstellung präsentiert zahlreiche<br />

Werke von August Macke, die im Kontext<br />

seiner Reisen entstanden, vorrangig Zeichnungen<br />

und Aquarelle, die er während<br />

seiner Touren anlegte, sowie einige Gemälde.<br />

Sie refl ektieren, welche Landschaften,<br />

Motive und künstlerischen Vorbilder ihn<br />

besonders fesselten und inspirierten. Ergänzt<br />

werden sie von Dokumenten, Briefen<br />

und Ansichtskarten, die August Macke<br />

und seine Begleiter während der Reisen an<br />

Familie und Freunde schrieben, sowie von<br />

historischen Postkarten und Reiseführern,<br />

die die Reiseziele des Künstlers veranschaulichen<br />

und die Reiseverläufe nachvollziehbar<br />

machen.<br />

Leihgeber u. a.: Museum Frieder Burda,<br />

Baden-Baden, Kunstmuseum Bonn,<br />

Kunsthalle Bremen – Kupferstichkabinett<br />

– Der Kunstverein in Bremen, Leopold-<br />

Hoesch-Museum Düren, Erbengemeinschaft<br />

Richard W. Koehler, LWL – Landesmuseum<br />

für Kunst und Kulturgeschichte<br />

Westfälisches Landesmuseum, Münster.<br />

Katalogbuch zur Ausstellung - 20.- Euro<br />

Öffnungszeiten Di – Fr 14.30 – 18 Uhr,<br />

Sa, So, Feiertage 11 – 17 Uhr<br />

Kostenlose Führung sonntags 11.30 Uhr<br />

August Macke Haus Bonn<br />

Bornheimer Straße 96, D - 53119 Bonn<br />

Internet www.august-macke-haus.de<br />

100 Tage Kunstreise<br />

ein Projekt von Nicole Bardohl und<br />

Bodo Berheide<br />

Hintergrund<br />

18 Jahre lang war die Skulptur Figura<br />

Magica des Wuppertaler Bildhauers Bodo<br />

Berheide auf Weltreise. Jeweils 2 Jahre<br />

war die 5m lange und 6 Tonnen schwere<br />

Skulptur in 10 Ländern zu Gast, bereiste<br />

Irland, Kanada, USA, Nicaragua, Chile,<br />

Australien, Japan, Sri Lanka, Togo und<br />

Deutschland und ist in dieser Zeit mit<br />

vielen Menschen in Berührung gekommen<br />

– im wahrsten Sinne des Wortes.<br />

Seit 2009 steht die Figura Magica auf<br />

dem Vorplatz des Wuppertaler Schauspielhauses<br />

und nachdem sie so lange auf<br />

Weltreise war, soll die Welt im Jahr 2012<br />

nun für 100 Tage zu ihr kommen.<br />

Die Figura Magica vor dem Wuppertaler Schauspielhaus – Foto: Jörg Lange<br />

Um die Idee des künstlerischen<br />

Austausches rund um die Figura Magica<br />

wieder aufl eben zu lassen und zu<br />

verjüngen, werden die 10 „Weltkünstler“<br />

aus den jeweiligen Ländern auf junge<br />

Künstler treffen.<br />

Idee: 10 Länder x 10 Tage<br />

Ein Künstler aus jedem Land, das<br />

die Figura Magica bereiste, wird ab dem<br />

20. April 2012 für eine Ausstellung in<br />

die Wuppertaler Galerie Kunstkomplex<br />

kommen und dort auf einen jungen<br />

Künstler aus dem jeweiligen Land treffen,<br />

sodass Nachwuchskünstler mit den meist<br />

schon recht etablierten „Weltkünstlern“ für<br />

10x10 Tage vereint werden. Im Rahmen<br />

der jeweils 10-tägigen Ausstellungen wird es<br />

unterschiedliche kulturelle Veranstaltungen<br />

zu dem jeweiligen Land geben, um so einen<br />

künstlerischen Austausch ermöglichen zu<br />

können. Geplant sind Tanzperformances,<br />

Filmabende, Literaturveranstaltungen und<br />

Konzerte.<br />

Dies ist eine einzigartige Möglichkeit,<br />

junge Kunstschaffende an fremde Kulturen<br />

heranzuführen. Wir wünschen uns, dass<br />

der „Weltkünstler“ für seine 10 Tage die<br />

Themen aus seiner eigenen künstlerischen<br />

Arbeit, und/oder kulturellen Erfahrung<br />

vorgibt.<br />

Bodo Berheide wird an jedem der<br />

100 Tage um 18:00 Uhr seinen Diavortrag<br />

„Die Reise der Figura Magica und<br />

der erweiterte Kunstbegriff“ halten.


TANZ ANZ TRÄUME<br />

TRÄUM<br />

JUGENDLICHE TANZEN<br />

KONTAKTHOF<br />

VON<br />

PINA BAUSCH<br />

DAS BUCH ZUM FILM<br />

VON ANNE LINSEL UND ULLI WEISS<br />

Verlag <strong>HP</strong> <strong>Nacke</strong> Wuppertal, 2011<br />

120 Seiten, 23 x 17 cm, Softcover<br />

ISBN 978-3942043-81-6, 19,80 Euro<br />

Verlag <strong>HP</strong> <strong>Nacke</strong> <strong>KG</strong> - Friedrich-Engels-Allee 122<br />

42285 Wuppertal - Telefon 0202 - 28 10 40<br />

verlag@hpnackekg.de<br />

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Der Tipp für alle<br />

ab 60<br />

Mit dem BärenTicket sind Sie im ganzen<br />

VRR-Gebiet unterwegs, rund um die Uhr und<br />

in der 1. Klasse.<br />

Weitere Infos im MobiCenter<br />

Tel.: 0202 569-5200<br />

www.wsw-online.de<br />

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