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BAHNHOFSPLATZ×Di, 13.47 Uhrneben derStraßenbahnhaltestelleZwei Baumscheiben liegen vollerSägespäne. Die Pappel und Robinie,die hier standen, sind frisch gefällt.Keine Ersatzpflanzungen.13.51 Uhrneben der „Skate Plaza“Ein Mann schmeißt einen schonziemlich zerkauten Ast ein paarMeter über den Asphalt. Sein Hundkläfft, apportiert ihn und hält ihn festzwischen den Zähnen, während derMann daran zerrt.13.52 UhrEin Mann setzt sich auf einen dergrob behauenen Natursteine in dieSonne und zündet sich eineZigarette an.13.53 Uhr,vor dem BahnhofseingangAus den Buden der Bürgerpark-Tombola plärrt Musik. Die Losverkäuferinhält ihr Gesicht in die Sonne.Sie hat wenig zu tun.14.04 Uhr,BahnhofsplatzDie Sonne scheint kräftig. Bis aufeine sind alle Bänke rings um denPlatz nicht besetzt.16Interview×Zwei Baumscheibenliegen vollerSägespäne.Die Pappel undRobinie, diehier standen,sind frischgefällt. KeineErsatzpflanz-ungen.17Lasst ihnendlich freiParkanlage, Porsche-Testbahnoder Einkaufszentrum? Einplanerisches Brainstorming zurmöglichen Zukunft des meistfrequentiertenPlatzes in BremenInterview: Henning BleylFoto: Frederick HüttemannEinleitung: Das so genannte „Investorengrundstück“auf dem Bahnhofsplatz,das mit 6.000 Quadratmeterndas gesamte Skatergeländeund noch einiges mehr umfasst,ist immer noch zu haben. Das bislangletzte Ausschreibungsverfahren,zum Festpreis von 5,9 MillionenEuro, endete im November 2010 trotzmehrfacher Verlängerung ergebnislos.Nun soll das Gelände freihändig,also ohne weitere Ausschreibungvergeben werden – allerdings „imKonsens mit den BremerInnen“, wiees der Sprecher des Bauressortsformuliert. Ende Februar wartete dieVerwaltung noch immer auf ein angekündigtesAngebot eines Bieters,über dessen Identität und Pläne sieaber nichts verraten wollte.ZdS Seit 1994 versucht der Senat, einen Teildes Bahnhofsvorplatz’ als „Investorengrundstück“zu verkaufen. Spricht irgend etwas dafür,dass die aktuellen Akteure, zu denen möglicherweisedie Bremer Landesbank gehört, die

BAHNHOFSPLATZ×Di, 13.47 Uhrneben derStraßenbahnhaltestelleZwei Baumscheiben liegen vollerSägespäne. Die Pappel und Robinie,die hier standen, sind frisch gefällt.Keine Ersatzpflanzungen.13.51 Uhrneben der „Skate Plaza“Ein Mann schmeißt einen schonziemlich zerkauten Ast ein paarMeter über den Asphalt. Sein Hundkläfft, apportiert ihn und hält ihn festzwischen den Zähnen, während derMann daran zerrt.13.52 UhrEin Mann setzt sich auf einen dergrob behauenen Natursteine in dieSonne und zündet sich eineZigarette an.13.53 Uhr,vor dem BahnhofseingangAus den Buden der Bürgerpark-Tombola plärrt Musik. Die Losverkäuferinhält ihr Gesicht in die Sonne.Sie hat wenig zu tun.14.04 Uhr,BahnhofsplatzDie Sonne scheint kräftig. Bis aufeine sind alle Bänke rings um denPlatz nicht besetzt.16Interview×Zwei Baumscheibenliegen vollerSägespäne.Die Pappel undRobinie, diehier standen,sind frischgefällt. KeineErsatzpflanz-ungen.17Lasst ihnendlich freiParkanlage, Porsche-Testbahnoder Einkaufszentrum? Einplanerisches Brainstorming zurmöglichen Zukunft des meistfrequentiertenPlatzes in BremenInterview: Henning BleylFoto: Frederick HüttemannEinleitung: Das so genannte „Investorengrundstück“auf dem Bahnhofsplatz,das mit 6.000 Quadratmeterndas gesamte Skatergeländeund noch einiges mehr umfasst,ist immer noch zu haben. Das bislangletzte Ausschreibungsverfahren,zum Festpreis von 5,9 MillionenEuro, endete im November 2010 trotzmehrfacher Verlängerung ergebnislos.Nun soll das Gelände freihändig,also ohne weitere Ausschreibungvergeben werden – allerdings „imKonsens mit den BremerInnen“, wiees der Sprecher des Bauressortsformuliert. Ende Februar wartete dieVerwaltung noch immer auf ein angekündigtesAngebot eines Bieters,über dessen Identität und Pläne sieaber nichts verraten wollte.ZdS Seit 1994 versucht der Senat, einen Teildes Bahnhofsvorplatz’ als „Investorengrundstück“zu verkaufen. Spricht irgend etwas dafür,dass die aktuellen Akteure, zu denen möglicherweisedie Bremer Landesbank gehört, die


BAHNHOFSPLATZLasst ihnendlich frei18Interview19Kuh vom Eis beziehungsweise ein Gebäude aufden Platz bekommen?Oliver Hasemann Der Bahnhofsvorplatz istin der öffentlichen Wahrnehmung Bremens prominentesterLadenhüter. Er liegt in einer wenignachgefragten Lage: Bahnhofsvorstädte sind auchin Städten wie Oldenburg oder Frankfurt amMain ein Problem.ZdS Warum?Daniel Schnier Im 19. Jahrhundert wurdendie Bahnhöfe vor den Toren der Stadt gebaut.Dann sind die Städte weiter gewachsen und eineArt Transitraum mit viel Fluktuation entstand.Fluktuation nicht nur im Sinn der durchlaufendenPendler, sondern auch in Gestalt instabilerImmobiliennutzungen. Außerdem ist der Bestandnicht mehr zeitgemäß und renovierungsbedürftig,so dass Nutzer in andere Lagen abwandern.In der Bremer Bahnhofsvorstadt haben wir eineErhebung gemacht, bei der wir Leerstände zwischeneinem Monat und mehreren Jahren festgestellthaben.ZdS Wäre es dann sinnvoll, beispielsweise einweiteres siebenstöckiges Gebäude samt Hotelmittenrein zu setzen?Schnier Das ist fraglich. Das World TradeCenter eine Ecke weiter ist zu höchstens 20Prozent vermietet. Jetzt soll dort ein weiteresHotel entstehen.Hasemann Dann gibt es noch das Postamt 5.ZdS Oder das Bundeswehrhochhaus, in derDaniel-von-Büren-Straße, auch nicht weit.Schnier Die Stadt will aber Geld durch einenVerkauf des Grundstücks einnehmen. Immerhinbefinden wir uns auf dem Bahnhofsvorplatz imJahr sieben der Zwischennutzung.Hasemann Trotzdem lohnt es sich meistzu warten, bis etwas wirklich Gutes kommt.Nach langjährigem Leerstand scheint manchmalein Punkt erreicht, wo nach vielen nichtumgesetzten Ideen endlich etwas geschehensoll. Das war auch auf dem Teerhof so, als dessenvorderes Drittel noch Parkplatz war. DerDruck wuchs durch die Offensichtlichkeit derprominenten Baulücke.ZdS Mit einem eher mäßigen Ergebnis. Und derBahnhofsvorplatz ist im Gegensatz zum Teerhofkeine kriegsbedingte Baulücke, sondern war immerschon ein Platz. Warum kann er das nichteinfach bleiben? Eine Stadt braucht doch Raumzum Atmen!Hasemann Eine Bebauung schließt ja nicht aus,dass der Platz zum Teil erhalten bleibt. Wennman da etwas Gutes hinsetzt, kann das durchauseine Verbesserung darstellen. Die baulicheDimension dürfte angesichts der Gesamtsituationnicht zu klein sein. Es muss kein Glaskastensein, aber auch keine bremische Lösung.ZdS Was hieße „bremisch“?Schnier Backstein. Im Endeffekt muss es hierimmer Backstein sein. So ist es ja auch mit demBeluga-Gebäude auf dem Teerhof gekommen –ursprünglich sollte das außen mit rostigen Eisengekachelt werden. Im Stil eines Schiffes.ZdS Und dann?Schnier Dann musste „nachgebessert“ werden.Mit dem bekannten Ergebnis.ZdS Wie müsste ein Gebäude beschaffen sein,das den Bahnhofsvorplatz aufwertet?Schnier Es müsste eine begrünte Fassade mitSprühnebel haben, mindestens. Aber eigentlichkann der Platz durch eine Bebauung nur verlieren.ZdS Könnte er nicht auch „gemütlicher“ werden?Hasemann Der Platz könnte durchaus gefasstwerden und eine Struktur bekommen – wobeidie Hochstraße diese Raumkantenfunktion imPrinzip schon erfüllt. Wenn gebaut würde, dürfteman sich in der Dimension nicht am Tivoli-Hochhaus orientieren, sondern an der jenseitsder Hochstraße bereits vorhandenen Bebauung.Ein für Passanten durchlässiges Erdgeschoss wärenicht schlecht. Vielleicht gäbe es auch ein paarStufen oder Treppen vor dem Gebäude, auf denenman sich niederlassen kann. Da wäre ich aufdie Entwürfe gespannt.ZdS Immerhin waren schon mal hochambitionierteBauten wie das „Musicon“ im Gespräch.Nun ist Bremen kein prosperierendes Heide-Städtchen wie Lüneburg, das für seine Uni einenLibeskind-Bau bekommen soll. Aber könnte mannicht wenigstens fordern, dass ein neues Gebäudenicht nur als Passage teil-öffentlich ist?Hasemann Was hieße das?ZdS Dass es zum Beispiel eine allgemein zugänglicheTerrasse gibt, die nicht gastronomisiertist. Wo man sich also ohne Verzehrzwang aufhaltenkann.Schnier Das wäre nicht schlecht. Auf jedenFall darf es nicht so etwas werden wie am Ziegenmarkt,wo der Chef des FC Oberneuland soeinen neuen Klotz auf den Rewe-Markt setzenwill. So was treibt die BremerInnen vielleichttatsächlich mal auf die Barrikaden.ZdS In Bezug auf den Bahnhofsvorplatz sprichtdie Linkspartei angesichts der „Intransparenzdes Vergabeverfahrens“ von einem „Bremen 21“.Finden Sie das angemessen?Hasemann Nein. Schließlich soll unser Bahnhofnicht abgerissen werden. Was will denn dieLinkspartei?ZdS Zukunftswerkstätten mit den Anwohnernund Anwohnerinnen.Schnier Das sind dann die Hells Angels. DasProblem ist doch, dass dieser Platz keine wirklichenAnwohner hat.Hasemann Ich glaube nicht, dass eine Bebauungviele Leute aufregen würde. Im Gegenteil:Die ganzen Spießbürger sind doch froh, wenn daweniger Platz für die ganzen Skater, Penner undObdachlosen ist.Schnier Nicht zu vergessen der Verband derforschenden Pharmaindustrie.ZdS Sie meinen die Drogenkonsumenten?Hasemann Nein, ich meine jetzt tatsächlichden Industrieverband, der den Platz kürzlich füreine Werbekampagne nutzte.ZdS Wie würden Sie den Platz nutzen wollen?Schnier Gärten! Ein Park! Ein Eiscafé! Und Seniorenspielgeräte.Man soll bei all den Skaterndie Alten nicht vergessen.ZdS Wo stoßen Zwischennutzungen an ihreGrenzen?Hasemann Man muss sich immer fragen: Gehtvon der Zwischennutzung noch ein Impuls aus,oder ist es nur noch ein Kaschieren des Leerstandes?Bei lange leer stehenden Läden beispielsweisemacht es keinen Sinn, ewig etwas hineinzustellen,wenn die ökonomische Substanz vorOrt einfach nicht mehr da ist.Schnier Dann muss daraus eben eine Umnutzungwerden.Hasemann Zwischennutzungen können auchdurch eine Verstetigung an ihr Ende kommen. DenBahnhofsvorplatz sehe ich an der Grenze zur Verstetigung:Viele Leute können sich ihn ohne dieaktuelle Nutzung gar nicht mehr vorstellen.ZdS Bei Jüngeren heißt er ohnehin nur noch„Skaterplatz“.Schnier Wenn wir Herrn Frey noch hätten[den abgetretenen Bremer Theaterintendantenmit offenkundigem Hang zum Luxus], könnteman dort auch einen Parcours für seine PorscheCayenne einrichten.ZdS Apropos Autos: Ein beliebtes Argument füreine Bebauung des Bahnhofsvorplatzes lautet,man könne damit die Hochstraße verdecken.Überzeugt Sie das?Schnier Nein. Ursprünglich war der Breitenwegohnehin eine Allee. Das könnte man jetzteine Etage höher so ähnlich wieder einrichten,als „Green Mile“ wie etwa in New York.ZdS Aber wenn man nicht mehr den Fly-overhinauf brettern kann, um in Richtung Oldenburgoder wenigstens Walle abzuheben, verliert Bremendoch seine einzige urbane Ecke.Schnier Vielleicht. Aber da könnte man auchmit einem Inlet-Center auf dem Bahnhofsvorplatzgegen halten.ZdS Was ist das?Schnier Ein Outletcenter in der Innenstadt.ZdS Statt auf der grünen Wiese bei Stuhr sollenda Markenprodukte als „Fabrikware“ verhökertwerden?Hasemann Das wäre doch nicht schlecht.Allerdings hört sich „Inlet-Center“ nach Zahnarztan.Schnier Ein Ärztehaus auf dem Bahnhofsvorplatzist ja auch eine prima Idee.ZdS Warum nicht gleich ein Autohaus?Schnier Ja, Autolofts! Das ist die definitiveLösung für den Bahnhofsvorplatz.Zur PersonDaniel Schnier (im Bild links) und OliverHasemann (im Bild rechts) sind die geschäftsführendenGesellschafter des 2006 von ihnen gegründeten„Autonomen Architektur Ateliers“.Seit anderthalb Jahren betreiben sie mit SarahOßwald und Michael Ziehl auch die „Zwischen-ZeitZentrale“ (ZZZ). Ende März eröffnen sie inder Contrescarpe 73 die „ZZZeitmaschine“: einoffenes Büro, in dem Beispiele für funktionierendeZwischennutzungen präsentiert, aber auchZwischennutzungen in der Bahnhofsvorstadtselbst vermittelt werden sollen.Hasemann studierte Raumplanung an der UniDortmund und kommt aus Felde bei Thedinghausen– dessen im Stil der Weserrenaissanceerbauten „Erbhof“ er für „krampfhaft belebt“hält. Schnier ist Architekt und wuchs als „Diskokind“in Bohmte auf. Die Ortschaft wurde allerdingsweniger wegen der familieneigenen Diskothek„Clacoer“ bekannt, sondern wegen desampel- und schilderlosen „Shared Space“-Verkehrskonzepts,das hier erstmals in Deutschlandeingeführt wurde.

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