8Politik <strong>und</strong> WirtschaftSteuerabzug für Aus- <strong>und</strong>WeiterbildungskostenForderung. Kosten für die berufsorientierte Aus- <strong>und</strong> Weiterbildung sollen künftigbei der direkten B<strong>und</strong>essteuer bis zu einem Maximalbetrag von 6000 Frankenabgezogen werden können. Der <strong>KV</strong> <strong>Schweiz</strong> hält diesen Betrag für zu tief. Er fordertAbzüge in der Höhe von 12 000 Franken. Von Rolf MurbachIm Sommer 2010 wurde die Vernehmlassungüber die steuerliche Behandlungder berufsorientierten Aus- <strong>und</strong> Weiterbildungskostendurchgeführt. AnfangMärz hat der B<strong>und</strong>esrat nun deren Auswertung<strong>und</strong> die entsprechende Botschaftveröffentlicht. Künftig sollen bei der direktenB<strong>und</strong>essteuer berufsorientierteAus- <strong>und</strong> Weiterbildungskosten bis zueinem Maximalbetrag von 6000 Frankenabgezogen werden können. Wie das EidgenössischeFinanzdepartement in einemCommuniqué schreibt, können bei diesemMaximalabzug r<strong>und</strong> 85 Prozent dersteuerpflichtigen Personen ihre berufsorientiertenAus- <strong>und</strong> Weiterbildungskostenvollumfänglich abziehen.Heute können berufsorientierte Aus<strong>und</strong>Weiterbildungskosten nur von denSteuern abgezogen werden, wenn sie mitdem aktuellen Beruf zusammenhängenoder eine berufliche Umschulung notwendigist. Neu soll die Ausbildungskostenauch von den Steuern abziehen dürfen,wer sich freiwillig beruflich neuorientiert. Gleiches gilt für Weiterbildungskosten,die dem beruflichen Aufstiegdienen.Höhe des Abzugs kritisiertIn der Vernehmlassung wurden dieseAusweitungen positiv aufgenommen.Hingegen kritisierten praktisch alle Befragtendie Höhe des Abzugs als zu niedrig.Hansueli Schütz, Ressortleiter Wirtschafts-«Wenn Weiterbildungswillige in einer höherenBerufsbildung die hohen Kosten schon selber tragenmüssen, sollten sie wenigstens einen angemessenenBetrag von den Steuern abziehen können.»<strong>und</strong> Sozialpolitik beim <strong>KV</strong> <strong>Schweiz</strong>, sagt:«Wir sind enttäuscht. Der Betrag ist deutlichzu tief. 6000 Franken decken nämlichvor allem die Bedürfnisse von Weiterbildungswilligenin der höheren Berufsbildungbei Weitem nicht ab. Wir fordertenein Minimum von 12 000 Franken.» Eineberufliche Weiterbildung, die mit der Berufsprüfungoder der höheren Fachprüfungabschliesst, koste schnell einmal einenfünfstelligen Betrag, im Gegensatz zueiner staatlich subventionierten Ausbildungan einer Hochschule. Absolventinnen<strong>und</strong> Absolventen einer höheren Berufsbildungseien daher mit einem derarttiefen Abzugsbetrag klar benachteiligt,so Hansueli Schütz. «Der Arbeitsmarktfordert je länger je mehr eine gute Ausbildungbzw. Weiterbildung. Wenn Weiterbildungswilligein einer höheren Berufsbildungdie hohen Kosten schonselber tragen müssen, sollten sie wenigstenseinen angemessenen Betrag von denSteuern abziehen können.»Erstausbildung nicht abzugsfähigNicht von den Steuern abgezogen werdendürfen weiterhin die Kosten für die Erstausbildung.Gleiches gilt für die Kostenfür Kurse, die der Liebhaberei oder derSelbstentfaltung dienen. BerufsorientierteAus- <strong>und</strong> Weiterbildungskosten gelten biszum ersten Abschluss der Sek<strong>und</strong>arstufeII als Erstausbildung <strong>und</strong> sind damit nichtabziehbar. Kosten für berufsorientierteAus- <strong>und</strong> Weiterbildungen, die nach demersten Abschluss der Sek<strong>und</strong>arstufe II absolviertwerden, sind hingegen steuerlichabziehbar.Die Vorlage soll die kantonalen Unterschiedein der Auslegung der verschiedenenBildungskostenbegriffe beseitigen<strong>und</strong> damit zur Vereinfachung des Steuerrechtsbeitragen, wie das EidgenössischeFinanzdepartement schreibt. Der Gesetzesentwurfgeht nun an das Parlament.Die B<strong>und</strong>esverwaltung schätzt, dassder neue Steuerabzug bei der direktenB<strong>und</strong>essteuer zu Einnahmeausfällen vonjährlich mehr als 5 Millionen Frankenführt. Im Gegensatz zur B<strong>und</strong>essteuersollen die Kantone bei der Staatssteuerdie Obergrenze des Abzugs frei wählenkönnen. Aber auch wenn die Kantoneweitergehen können als der B<strong>und</strong>, weistdie Vorlage laut Schütz insgesamt dochein altbewährtes Muster auf: WährendForderungen nach Entlastungen auf Kapitaleinkommenvon B<strong>und</strong> <strong>und</strong> Parlamentimmer wieder «honoriert» würden,werde beim Einkommen der Angestelltengeknausert – deren Steuersubstrat sollefür B<strong>und</strong> <strong>und</strong> Kantone um jeden Preismöglichst ungeschmälert erhalten bleiben.Hansueli Schütz: «Die vorgeschlageneMinirevision honoriert weder dieWeiterbildungsbemühungen noch verändertes die steuerliche Benachteiligungderjenigen, die Ausbildungen der höherenBerufsbildung absolvieren.»context 3 – 2011
EinblickProbearbeit nimmt zuDass Lehrstellensuchende einen Schnuppertagoder eine Schnupperwoche absolvieren,ist üblich. Immer häufiger werdenaber auch Bewerbende zum Probearbeitenaufgeboten.Laut Barbara Gisi, Leiterin Angestelltenpolitik,gelangen vermehrt Anfragenzu diesem Thema an den <strong>KV</strong> <strong>Schweiz</strong>. Siekommen von Arbeitnehmenden aus unterschiedlichenBranchen, hauptsächlichaus dem Büro, dem Detailhandel oder derIndustrie, <strong>und</strong> die Betroffenen üben praktischimmer niedrig qualifizierte Arbeitenaus. Häufig geht es um die Frage, wie dieseArt von Arbeit entlöhnt werden soll. Nichtselten dauern die Einsätze mehrere Tage,<strong>und</strong> es kann auch mal eine Woche sein.Es ist kein Zufall, dass das Thema inZusammenhang mit niedrig qualifiziertenTätigkeiten auftaucht, denn bei diesenist jemand sofort produktiv. Wer alsozwei Tage lang Gestelle auffüllt, hat klareinen Anspruch auf Entschädigung. Undviele Arbeitgeber halten sich auch an diesenGr<strong>und</strong>satz, aber nicht alle. «Wenn esjemand darauf abgesehen hat, kann erimmer wieder neue Probearbeiterinneneinstellen <strong>und</strong> deren Situation ausnüt-Zum ersten Mal werden Zahlen zum Alkoholkonsumam Arbeitsplatz bekannt.Bis anhin haben Angaben über die finanziellenAuswirkungen des problematischenTrinkverhaltens am Arbeitsplatzgefehlt. Nun liegen Resultate einer Studiedes B<strong>und</strong>esamtes für Ges<strong>und</strong>heit <strong>und</strong> der<strong>Schweiz</strong>erischen UnfallversicherungsanstaltSuva vor: Der Alkoholkonsum kostetdie Arbeitgeber jedes Jahr eine MilliardeFranken.Befragt wurden die Personalverantwortlichenvon über 1300 <strong>Schweiz</strong>er Unternehmenaus dem Industrie- <strong>und</strong> demDienstleistungssektor. R<strong>und</strong> ein Drittelder Betriebe beschäftigt Mitarbeitendemit einem erkannten problematischenKonsum. Das Gast- <strong>und</strong> Baugewerbe sindgemäss Studie am stärksten betroffen.Die Kosten von einer Milliarde Frankengehen grösstenteils aus dem Produktivitätsverlusthervor. Eine betroffene Personzen», meint Barbara Gisi, zum Beispiel,wenn es sich um Erwerbslose handelt.Und viele Bewerbende getrauen sichnicht, das Thema im Voraus anzusprechen.Nach geleisteter Arbeit eine Entschädigungeinzufordern ist noch schwieriger.Barbara Gisi empfiehlt aber, genaudies zu tun. «Am besten versucht man eszunächst mit Fre<strong>und</strong>lichkeit, <strong>und</strong> wenndas nichts nützt, kann man auch mit demRechtsweg drohen.»Es gibt in der Praxis aber auch Formenvon Probearbeiten, die völlig unproblematischsind. «Ein Tag ist zumutbar <strong>und</strong> kannfür beide Seiten ein Gewinn sein», sagtBarbara Gisi. Der Arbeitgeber lernt denBewerber oder die Bewerberin besser kennenals während eines Vorstellungsgesprächs<strong>und</strong> kann damit möglicherweiseeine Fehlbesetzung vermeiden. Anderseitserhalten die Bewerbenden Einblickin das Unternehmen. Sie können sich mitMitarbeitenden austauschen <strong>und</strong> lernendie Betriebskultur kennen. Mehr als einenTag braucht es laut Barbara Gisi dafür abernicht, denn «die Einarbeitungszeit beginntselbstverständlich mit dem erstenArbeitstag <strong>und</strong> zum regulären Lohn». tjAbhängigkeitAlkohol kostet Milliardenleistet r<strong>und</strong> 15 Prozent weniger, besagtdie Studie.Im Rahmen des nationalen ProgrammsAlkohol wurden Angebote erarbeitet,die Personalverantwortliche befähigensollen, frühzeitig <strong>und</strong> angemessenauf Alkoholprobleme der Mitarbeitendenzu reagieren.R<strong>und</strong> 14 Prozent der befragten Unternehmenbetreiben ein Präventionsprogramm,bei weiteren sechs Prozent ist einesgeplant. Im Vordergr<strong>und</strong> stehen dabeiAlkoholverbote vor <strong>und</strong> während der Arbeit,beschränkter Zugang zu Alkohol amArbeitsplatz sowie Beratung. Ein Programmkostet einen Betrieb durchschnittlich9000 Franken. Die Kosten-Nutzen-Bilanz fällt positiv aus. pdMehr Informationen zu den Programmen unter:www.alkoholamarbeitsplatz.chhttp://selbsttestbgm.suva.chwww.kmu-vital.chKolumneWünscherespektierenVon Mario FehrErst seit 40 Jahren dürfen die Frauen inder <strong>Schweiz</strong> am politischen Leben teilhaben.Und noch immer sind wir von wirklicherGleichstellung weit entfernt. Daszeigt ein Blick in die Geschäftsleitungender grossen Unternehmen, wo <strong>Männer</strong>fast immer unter sich sind. Das zeigenauch die Lohnstatistiken, gemäss denenFrauen noch immer für die gleiche Arbeitweniger verdienen.Und doch ist in den letzten Jahren Entscheidendespassiert. War früher dieGleichstellung ein Thema, für das sich vorallem Frauen stark machten <strong>und</strong> sichviele <strong>Männer</strong> in die Defensive gedrängtfühlten, sehen wir heute eine junge Generation,die einen völlig anderen Umgangdamit gef<strong>und</strong>en hat. Junge Frauenmelden ihre Ansprüche völlig selbstverständlich<strong>und</strong> selbstbewusst an, mit derBegründung, dass sie mindestens so gutsind wie ihre männliche Konkurrenz.Und immer mehr junge <strong>Männer</strong> sindnicht mehr bereit, alles der Karriere unterzuordnen,sondern fordern Stellen, beidenen berufliche Ambitionen <strong>und</strong> Familieunter einen Hut gebracht werden können.Es heisst immer öfter nicht mehrFrau gegen Mann, sondern <strong>Männer</strong> <strong>und</strong>Frauen engagieren sich gemeinsam.Will die Wirtschaft das Potenzial dieserJungen ausschöpfen, kann sie gar nichtanders, als ihre Wünsche zu respektieren.Wir vom <strong>KV</strong> <strong>Schweiz</strong> wollen sie dabei unterstützen,indem wir etwa die Forderungender Jungen in die Gesamtarbeitsverträgeeinfliessen lassen. Damit ist nichtnur unseren männlichen <strong>und</strong> weiblichenMitgliedern gedient, sondern auch derWirtschaft. Sie floriert am besten, wennsie auf motivierte, zufriedene Mitarbeitendebeiderlei Geschlechts zählen kann.Mario Fehr ist Nationalrat <strong>und</strong> Präsident des<strong>KV</strong> <strong>Schweiz</strong>. mario.fehr@kvschweiz.ch9context 3 – 2011