22Dossier <strong>Männer</strong> <strong>und</strong> <strong>Teilzeit</strong><strong>und</strong> Informationsdefizit rechnen. DasEinkommen wird kleiner <strong>und</strong> es gibt wenigerRente. Dafür resultiert aus derLohnreduktion eine Steuerersparnis .Für das Jobsharing müssen zusätzlichgewisse Qualitäten mitgebracht werden:man muss teilen können, die Macht, dasWissen, die Informationen <strong>und</strong> man mussVertrauen in den Berufspartner haben.Für Individualismus ist kein Platz, esbraucht eine kommunikative, soziale Persönlichkeit.Manchmal gibt es firmeninternePlattformen, wo sich Interessierte findenkönnen. Es existieren aber auch nationaleInternetseiten: www. jobsharit.com <strong>und</strong>www.teilzeitkarriere.ch. Auch Networkinghilft, allfällige Partner zu entdecken.Da die Arbeit in Zukunft projektbezogenerwird, dürfte das Angebot an <strong>Teilzeit</strong>arbeitzunehmen. Dies kommt demWunsch der Mehrheit der <strong>Männer</strong> entgegen.Wobei vor allem ältere Angestellteumdenken <strong>und</strong> sich nicht mehr über denBeruf definieren sollten, heisst es in derPro-Familia-Studie. Junge <strong>Männer</strong> seienanders, ihre Lebensvorstellungen glichensich jenen von jungen Frauen stetig an. Siekönnten mit <strong>Teilzeit</strong> geködert werden – vorallem, wenn ihre Partnerin auch nicht aufeine berufliche Karriere verzichten will.Haltung der ArbeitgeberDas Bedürfnis nach mehr <strong>Teilzeit</strong>stellenist unbestritten. Von den befragten <strong>Männer</strong>nwird unter anderem kritisiert, dassdie Arbeitgeber in ihren Rollenbildernverharren würden <strong>und</strong> sie zu wenig offenfür neue Modelle seien. Context wolltewissen, wie es in der Praxis aussieht <strong>und</strong>erk<strong>und</strong>igte sich bei neun Unternehmen<strong>und</strong> Organisationen unterschiedlicherGrösse, aus Privatwirtschaft <strong>und</strong> der öffentlichenHand, ob sie ein zunehmendesInteresse an <strong>Teilzeit</strong>arbeit feststellen, wiesie darauf reagieren <strong>und</strong> wie viele <strong>Männer</strong>in ihrem Unternehmen tatsächlich <strong>Teilzeit</strong>arbeiten.«Die Frage nach flexiblen Arbeitszeitenist bei vielen Bewerbungsgesprächen –mit Frauen wie <strong>Männer</strong>n – ein zentralesThema <strong>und</strong> hat in den letzten Jahren kontinuierlichzugenommen», sagt AndreasMeile von der Siemens-Pressestelle. DieMöglichkeit zur flexiblen Einteilung ihrerArbeitszeit erachten gemäss AndreasMeile viele potenzielle neue Mitarbeitendeals einen der wichtigsten Punktebei der Beurteilung, ob ein Arbeitgeber attraktivist.Beim Verkehrsclub der <strong>Schweiz</strong> (VCS)ist man sich ebenfalls bewusst, dass manals Arbeitgeber punkten kann, wenn manFür die Weiterbildung bleibt bei einer Vollzeitbeschäftigung oft zu wenig Zeit.context 3 – 2011
23offen für <strong>Teilzeit</strong>arbeit ist. «Wir stellen fest,dass sich vor allem sehr gut qualifizierte<strong>Männer</strong> für <strong>Teilzeit</strong>stellen interessieren,um Familien- <strong>und</strong> Berufsarbeit mit ihrenebenfalls gut qualifizierten Partnerinnenzu teilen», sagt Personalleiter HansWyssmann.Und auch bei der Bank Coop weissman, dass die Bank oft gezielt als zukünftigeArbeitgeberin ausgewählt wird wegender vielseitigen Möglichkeiten für<strong>Teilzeit</strong>arbeit <strong>und</strong> Telearbeit, wie BrigitteHaide von der Medienstelle sagt. BeimAmt für Wirtschaft <strong>und</strong> Arbeit des KantonsSolothurn ist «die Haltung gegenüber<strong>Teilzeit</strong>arbeit gr<strong>und</strong>sätzlich positiv». DieErfüllung der betrieblichen Bedürfnisseseien jedoch immer mit einzubeziehen,gibt der Personalverantwortliche RenéReinmann zu bedenken.Grosses EngagementIm Staatssekretariat für Wirtschaft Secowerden seit einigen Jahren alle Stellen 80bis 100 Prozent ausgeschrieben, deshalbist es laut Personalleiterin Patrizia Herzogschwierig, Veränderungen festzustellen.Wer als Gr<strong>und</strong> für <strong>Teilzeit</strong>arbeit Familienarbeitoder Hobby angebe, wolle meistens80 bis 90 Prozent arbeiten. «60 <strong>und</strong> wenigerProzent wird eigentlich nur nachgefragt,wenn die Mitarbeitenden eine AusoderWeiterbildung absolvieren, eineDissertation schreiben, oder wenn sienoch eine andere Stelle haben.» Auch dieanderen Unternehmen geben an, dass<strong>Männer</strong> – wenn sie <strong>Teilzeit</strong> arbeiten wollen– praktisch nie Pensen unter 80 oder90 Prozent beanspruchen.Die Erfahrungen werden durchwegsals positiv gewertet. «Wer <strong>Teilzeit</strong> arbeitet –egal ob Mann oder Frau –, arbeitet sehrengagiert», sagt Dajan Roman, der Mediensprechervon Swiss Life. <strong>Teilzeit</strong>arbeitendeverzichteten während der Arbeitszeitauf Kurzabwesenheiten wie zumBeispiel Arzbesuche. Und sie seien es gewohnt,sich zu organisieren bzw. mit verschiedenenRollen <strong>und</strong> Tätigkeiten zurechtzukommen.Förderung neuer ArbeitszeitmodelleZufriedene Mitarbeitende, gute Arbeitsproduktivität:so lautet auch das Fazit derSBB. Negative Erfahrungen habe manbisher keine gemacht. Bei den SBB ist<strong>Teilzeit</strong>arbeit eine Massnahme der vonder Konzernleitung 2009 verabschiedetenGendermanagement-Strategie. Im Zentrumsteht die Förderung von attraktiven,flexiblen Arbeitszeitmodellen. <strong>Teilzeit</strong>mitarbeitendesollen in ihrer beruflichenKarriere unterstützt <strong>und</strong> bei der Entwicklungihrer Potenziale gefördert werden.«Für <strong>Männer</strong>, die <strong>Teilzeit</strong> arbeiten, brauchtes manchmal noch einen kleinen Akzeptanzschubim Umfeld», meint KonzernmediensprecherChristian Ginsing.«Für diejenigen, die <strong>Teilzeit</strong>arbeitwünschen, ist die entsprechende Möglichkeitimmer positiv <strong>und</strong> motivierend»,Das Arbeitspensum von Silvain Michel,Wissenschafter in der ForschungsinstitutionEmpa in Dübendorf, ist variabel. Eswird von Jahr zu Jahr neu definiert. Seitr<strong>und</strong> zwei Jahren beträgt es 70 Prozent.Davor hat Michel 80 Prozent gearbeitet.Zu Beginn der <strong>Teilzeit</strong>tätigkeit vor zwölfJahren waren es 60 Prozent.Das <strong>Teilzeit</strong>pensum «kam aus einerNotsituation heraus», erzählt Silvain Michel,«ich habe dann daraus eine Tugendgemacht.» Er habe sich schnell davonüberzeugt, wie toll esist, <strong>Teilzeit</strong> zu arbeiten.«Der Wechselzwischen Hausarbeit<strong>und</strong> Kindererziehungsowie Wissenschaft,Forschung <strong>und</strong> Entwicklungist spannend<strong>und</strong> bereichernd.»Für die Beziehung<strong>und</strong> für die Familie seisagt Patrizia Herzog. Als negativen Aspekterwähnt die Personalleiterin vomStaatssekretariat für Wirtschaft Seco,dass Koordinations- <strong>und</strong> Kommunikationsbedarfvon <strong>Teilzeit</strong>erwerbstätigen höherseien. Dabei spiele es keine Rolle, obes sich um Frauen oder <strong>Männer</strong> handle,ausschlaggebend seien vielmehr der Beschäftigungsgradsowie die Art der Arbeitoder Aufgaben. Auch Hans Wyssmannvom VCS bestätigt, dass <strong>Teilzeit</strong>arbeit«Es ist ein Privileg,<strong>Teilzeit</strong> arbeitenzu können»Silvain Michel, 48, Senior ScientistSmart Materials bei Empa,Arbeitspensum 70%, verheiratet,2 Kinderein <strong>Teilzeit</strong>pensumstabilisierend, fährtMichel fort. Seine Frausehe das gleich, auchsie arbeite 70 Prozent.Das Ehepaar kümmertsich deshalb zugleichen Teilen umHaus <strong>und</strong> die beidenKinder. «Wir verstehenuns», sagt Michel, «<strong>und</strong> nehmen die Herausforderungen<strong>und</strong> Belastungen gerne an.»Was den 48-Jährigen im Geschäftmanchmal stresst, ist der Umgang mitden höheren Erwartungen an einen <strong>Teilzeit</strong>arbeitenden:«Ich bin nur 70 Prozentverfügbar, aber man erwartet mehr Arbeitvon mir als 70 Prozent.» Weiter könnenKoordinationsschwierigkeiten auftauchen:Geschäftliche Termine kollidierenvielleicht mit Terminen der Kinder <strong>und</strong>der Schule. «Da muss ich darauf achten,dass dies nicht zu Konflikten führt.» Problemegibt es vor allem, wenn die Kinderkrank sind <strong>und</strong> von den Eltern gepflegtwerden müssen.Michel betont jedoch: «Es ist ein Privileg,in meinem Beruf <strong>und</strong> als einer vonwenigen bei Empa <strong>Teilzeit</strong> arbeiten zukönnen». Er hat immer donnerstags frei.Die restlichen zehn Prozent zieht erverteilt auf seine vierArbeitstage ein. Er beginntmeist am Morgenetwas später. Aufdie Ges<strong>und</strong>heit wirkesich das <strong>Teilzeit</strong>pensumsicher nachhaltigaus, er fände mehrEntspannung: «Die 70Prozent lassen mirauch Zeit für Sport<strong>und</strong> den nötigen Ausgleich.»Oft jedoch diskutierter mit seiner Frauüber die fehlendenKarrierechancen. DerWissenschafter hatdies am eigenen Leiberfahren: Bis vor gutzwei Jahren ist erGruppenleiter gewesen. Damals wollte ervon 80 auf 70 Prozent reduzieren. Ein solchesPensum sei mit einer Chefpositionnicht vereinbar, hiess es. Bis zu einem gewissenGrad verstehe er den Standpunktdes Arbeitgebers, sagt Michel. Dennochhat er die Konsequenz gezogen <strong>und</strong> sichzurückstufen lassen. «Die 70 Prozent warenmir wichtiger.» ajmcontext 3 – 2011