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GANSBurgenland_2012.2132793.pdf

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Bereits Aristoteles kannte die anatomischen<br />

Details des weißen Federviehs<br />

und unterschied verschiedene Arten.<br />

Der römische Gelehrte Plinius der Ältere<br />

beschrieb Anfang des ersten<br />

Jahrhunderts nach Christus die Flugformation der<br />

Tiere, und weitere 400 Jahre später entdeckte<br />

man die Flügelfeder als Schreibgerät. Der Gänsekiel<br />

erwies sich bis ins 19. Jahrhundert als hocheffizient.<br />

Doch die Geschichte von Mensch und<br />

Gans reicht viel weiter, bis in die Jungsteinzeit zurück.<br />

Seit ihrer Domestizierung sind Gänse maßgeblich<br />

beteiligt an Medizin- und Glaubensfragen<br />

sowie an Ernähungsgewohnheiten des Menschen.<br />

Die ägyptische Graugans wurde gezähmt, gegessen<br />

und von Priestern und Königen als Schoßtier<br />

gehalten. Die Kelten zogen Gänse als Kulttiere auf,<br />

und die Römer ersetzten ihre Wachhunde durch<br />

die misstrauischen, wetterfühligen Vögel. In der<br />

Kunst wurden die schnatternden Gesellen als beliebtes<br />

Motiv häufig verewigt – sie erschienen auf<br />

Münzen oder Vasen. Geschnitzte Gänseköpfe dienten<br />

als Verzierung von etwa Schiffen, Musikinstrumenten<br />

– und Gehstöcken.<br />

DiE Gans, DER HEiLiGE MaRtin<br />

UnD Das BURGEnLanD<br />

Relativ jung ist dagegen die Geschichte des Burgenlandes<br />

selbst. Obzwar die pannonische Tiefebene<br />

seit jeher die größte Gänseweide der Donaumonarchie<br />

war. Bereits im 18. Jahrhundert<br />

belieferten das Nord- und das Mittelburgenland<br />

(damals Deutsch-Westungarn) die Stadt Wien.<br />

„Hühnerkramer“ fuhren mit ihren Käfigwägen<br />

durch die Vorstädte und boten das beliebte Geflügel<br />

feil – beliebt, konnten die üppigen Tiere doch<br />

ganze Familien versorgen, als Braten, als Suppe,<br />

Grammeln und Schmalz. Im Burgenland wurde<br />

erst 1925 zum ersten Mal das Fest des Landespatrons<br />

mit einem Braten des gefiederten Wappentieres<br />

gefeiert. Die Legende besagt, dass sich der<br />

bescheidene Heilige im Gänsestall versteckte, um<br />

seiner Weihe als Bischof zu entgehen. Durch ihr<br />

lautes Geschnatter verrieten die Vögel den Heiligen<br />

Martin und blieben seither untrennbar mit<br />

dem beliebten Kirchenmann verbunden. Man erhob<br />

das „Martiniganslessen“ an seinem Namenstag,<br />

dem 11. November, zum kulinarischen<br />

Brauchtum – zumal der Tag nebenbei gleichzeitig<br />

Zahltag bäuerlicher Pacht war. Auch den Anfang<br />

der vierzigtägigen christlichen Fastenzeit markiert<br />

bis heute ein Festschmaus mit fettem Gänsebraten<br />

und neuem Wein. In den 50er Jahren des<br />

20. Jahrhunderts konnte man im Seewinkel vor<br />

lauter Gefieder nur weiße Gänseteppiche statt<br />

Straßen wahrnehmen. Im südburgenländischen<br />

Hagensdorf gab es damals tausend Gänse – das<br />

Dorf zählte hingegen kaum mehr als dreihundertfünzig<br />

Einwohner.<br />

DiE Gans iM süDBURGEnLänDiscHEn<br />

LanDwiRtscHaftLicHEn GEfüGE<br />

Neben den unzähligen Wildgänsen, die alljährlich<br />

im Oktober ins Land ziehen, um ihre Schlafplätze<br />

im Nationalpark Neusiedlersee – dem sogenannten<br />

„Gänsestrich“ – zu beziehen, waren Herden von<br />

Hausgänsen seit jeher fixer Bestandteil der bäuerlichen<br />

Fauna im Südburgenland. Bis in die 1960er<br />

Jahre wurden hier rund zweihunderttausend<br />

Gänse gehalten. Mit dem Strukturwandel in der<br />

Landwirtschaft verschwanden die gefiederten Gesellen<br />

rapide von der Bildfläche. Heute werden sie<br />

wieder artgerecht und extensiv gehalten. Vor zehn<br />

Jahren wurde ein entsprechendes Weidegansprojekt<br />

initiiert, das dem drohenden Aussterben der<br />

Vögel erfolgreich entgegenwirkte. In stressfreier<br />

Haltung wachsen die Weidegänse in 26 Wochen zu<br />

köstlichen Martinigänsen heran; Nachfrage tendenziell<br />

steigend. Von Ende Oktober bis Weihnachten<br />

werden die Tiere geschlachtet, um rechtzeitig<br />

zu den kulinarischen Festivitäten des Pannonischen<br />

Herbstes am Neusiedler See, an Martini und<br />

zur Weihnacht, gebraten, der beste Teil vom Fest<br />

zu sein. Zudem machen sich die südburgenländi-<br />

„Hans, pack’s Gansl<br />

Steck d’Federln am Huat<br />

Die Krapfn san bachn<br />

Nix gschmalzn, nix gsalzn<br />

Für’n Hansl san s’guat.“<br />

Burgenländischer Gänsereim<br />

schen Weidegänse auch in der Pflege von etwa<br />

300.000 m 2 Grünland nützlich. 2006 wurde die südburgenländische<br />

Weidegans sogar zur Genussregion<br />

ernannt, und zum Saisonauftakt findet alljährlich<br />

eine feierliche Weidegänsegala statt.<br />

BRäUcHE RUnD UM DiE Gans<br />

Die Tage um den 11. November stehen in der Region<br />

Neusiedler See ganz im Zeichen des jungen<br />

Weines. Am Festtag öffnen regionale Weinbauern<br />

traditionellerweise ihre Keller zum „Martiniloben“<br />

– und geben den Heurigen Wein zur Verkostung<br />

frei, allerdings erst nachdem er getauft wurde.<br />

Beim Martinsumzug ziehen Kinder mit selbstgebastelten<br />

Laternen durch die Straßen, singen<br />

Martinslieder und spielen die Legende der Mantelteilung<br />

nach. Selbst gemachte Martinswecken<br />

– aus Germteig und Rosinen gebackene Männchen<br />

– gibt es anschließend als Belohnung für die ambitionierten<br />

jungen Mimen.<br />

DiE Gans kULinaRiscH BEtRacHtEt<br />

Traditionellerweise wird der große, knusprig gebratene<br />

Vogel mit Rotkraut und Semmel- oder Erdäpfelknödeln<br />

serviert. Als Suppenbasis wird das<br />

Gänseklein zur sämigen Gansleinmachsuppe verkocht.<br />

Spezialitäten wie Gänseleber oder Gänseschmalz<br />

zählen zu den kulinarischen Höhepunkten<br />

der Region. Gestopfte Gänse waren schon zu Kaiserszeiten<br />

eine Delikatesse. Vor allem jüdische<br />

Hausfrauen waren bekannt für ihre Kochfertigkeiten<br />

– da die fetten Vögel als koscher gelten.<br />

4 Gansburgenland Gansburgenland 5

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