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03.12.2012 Aufrufe

seit 1902 Im Dienst der Jagd 94 Dominanzstreber – Problemhund(e) von morgen?! Es ist der erste Prägungs-/Welpenspieltag. Bereits beim Kennenlernen auf der Einspielwiese, bei dem sich die Welpen gegenseitig beschnuppern und beobachten können, fällt das Ausdrucksverhalten eines Welpen besonders auf. Stolz, auffallend breitbeinig, läuft er mit hoch erhobener Rute umher und animiert die anderen Welpen zum Spielen. Bei den dann stattfindenden Jagd- und Rennspielen rempelt er andere Spielgenossen an und findet sehr schnell heraus, wer die Schwächsten in der Spielgruppe sind. Nur ihnen gilt im weiteren Spielverlauf seine Aufmerksamkeit, nur mit ihnen gibt er sich ab. Bei den stattfindenden Jagd- und Rennspielen ist immer wieder das gleiche Muster erkennbar. Verfolgen, Bodycheck, Packen des Schwächeren am Hals oder Hinterteil, zu Boden werfen und, obwohl sich der „Verlierer“ auf dem Rücken liegend ergeben hat, längeres auf ihm liegen oder stehen. Die geschilderte Szene wiederholt sich. Immer sind es andere schwächere Gruppenmitglieder, die er sich herauspickt, anrempelt, zu Boden wirft und mit seinem ganzen Körpergewicht auf ihnen liegt. Dabei fällt auf, dass er nie auf dem Rücken, nie unten liegt! Ein richtiges Rollenspiel, einmal unten liegen, einmal oben stehen, findet mit ihm nie statt! Szenenwechsel: Wir haben es alle schon erlebt! Während eines Spaziergangs oder auch auf der Jagd, kommt es bei einer flüchtigen Begegnung zweier Hunde, offenbar ohne erkennbaren Grund, zu einer unangenehmen, aggressionsgespickten Situation, die oftmals in einer Beißerei endet. Schnell ist der unkundige Beobachter geneigt, einen der beiden „Kontrahenten“ als dominant einzustufen und diese Eigenschaft als Grund der Auseinandersetzung anzunehmen. Und auch im erst geschilderten Fall, wird eine unkundige Spielgruppenleitung der Annahme sein, dass es sich bei dem kleinen Macho um einen dominanten Typen in seiner Altersklasse handelt und man das Geschehen deshalb eben so hinzunehmen hat. Ist dem so? Bestehen gar zwischen beiden geschilderten Situationen Zusammenhänge? Dieser Frage will ich im Weiteren nachgehen. Zunächst, was ist eigentlich Dominanz. „In der Verhaltenskunde wird der Begriff Dominanz zur Kennzeichnung der Stellung eines Individuums innerhalb einer sozialen Rangordnung benutzt. Dabei wird das jeweils überlegene Tier als dominant bezeichnet. Rangordnungsstrukturen, auch als Dominanzhierarchien benannt, finden sich bei vielen Wirbeltieren. Auch bei unseren Hunden treten sowohl zwischen dem Hund und dem Menschen Dominanzhierarchien auf. Dominanzhierarchien sind dabei nicht einfach vorhanden, sondern bilden sich erst in einer Sozialstruktur wie beispielsweise zwischen dem heranwachsenden Hund und dem Hundehalter aus. Dominanzbeziehungen sind dabei erkennbar, dass das eine Individuum den Interaktionspartner überlegen oder unterlegen behandelt. Dominante Individuen weisen dabei ein sogenanntes Dominanzverhalten, wie beispielsweise Drohen oder rangklärendes Kämpfen auf. Untergeordnete Interaktionspartner zeigen dagegen in der Regel Unterlegenheitsverhalten, wie Ausweichen, aber auch aggressive Selbstverteidigung. Bereits beim Spiel der Welpen wird die ganze Bandbreite des Dominanz- und Unterordnungsverhaltens durchgespielt.“ 1 Von Dominanz kann also in beiden geschilderten Fällen nicht gesprochen werden, da sich diese ja nur in einer Sozialstruktur entwickeln kann. Hier handelt es sich um mehr oder weniger zufällige Hundebegegnungen. Das Verhalten der Hunde wird wohl wesentlich von ihrer Fähigkeit bestimmt, die Signale des Anderen zu erkennen, sie zu verstehen, richtig einzuordnen und angemessen hierauf zu reagieren. Bei beiden Hunden scheinen diesbezügliche Defizite die Ursache des Fehlverhaltens sein. Soziales Lernen findet hauptsächlich in einem sehr frühen Stadium (8 -16 Lebenswoche) des Hundelebens statt. Die zu diesem Zeitpunkt gemachten Erfahrungen lassen eine bestimmte soziale Wahrnehmungsfähigkeit entstehen und brennen sich dauerhaft in die Seele des Hundes ein (Prägung!). Wer das Geschehen innerhalb einer Wurfgemeinschaft aufmerksam beobachtet, wird feststellen, dass die Ursache ständiger Rangeleien unter den Welpen fast ausschließlich der Verbesserung der Rangordnung des Einzelnen im Rudel dient. Es ist die Mutterhündin, die hin und wieder Grenzen aufzeigt und damit einer Rangordnungsstruktur den Weg bahnt, ohne die das Rudel auf Dauer nicht bestehen kann. Um den Ursachen des Fehlverhaltens beider Hunde weiter auf den Grund zu gehen, nehmen wir zunächst das weitere Verhalten des 9-wöchigen Welpen anlässlich des Welpenspieltags nochmals unter die Lupe. www.drahthaar.de

Als die Spielgruppenleitung die Welpenbesitzer auffordert, die Welpen zu sich zu locken, rennt besagter Welpe trotz mehrmaligem Rufen und Locken an seiner Hauptbezugsperson vorbei, schnüffelt hier und da und tut so, als ob er seinen Besitzer weder hört noch sieht. Der Welpe vermittelt den Eindruck, als wisse er nicht, wo er hingehört. Beim Kontaktspiel (Spielerisches Trennen und wieder Zusammenfinden von Welpe und Welpenbesitzer) zeigt sich ein ähnliches Bild. Der Welpe hat an seiner Hauptbezugsperson wenig Interesse. Überdies hat man hat den Eindruck, dass der Welpe, wegen mangelnder Konsequenz seines Besitzers, tun und lassen kann, was er will. Auch der Vertrauensbeweis (entspanntes Auf-dem-Rücken-Liegen vor seiner Hauptbezugsperson) klappt nicht. Der Welpe kann nicht ruhig und entspannt liegen. Bei meiner Ausbildung zum Spielgruppenleiter für Prägungsspieltage habe ich dieses Szenario des Öfteren erlebt. Das Verhaltensmuster ist immer das gleiche. Besagte Welpen sind sehr unsicher, weil sie noch keine sichere Bindung zu ihrer Bezugsperson haben. Sie befinden sich in einem haltlosen Gefüge. Es mangelt an gegenseitigem Vertrauen, die Rangordnung ist nicht geklärt. Hinzu kommt die fehlende innere Sicherheit der Bezugsperson, die sich auf den Welpen überträgt. Verhaltensbiologisch ausgedrückt lebt dieser Welpe in einer ungefestigten Sozialstruktur. Ist dies der Fall, entwickeln sich Verhaltensweisen, die Weidt/Berlowitz bei ihren Verhaltensanalysen als Dominanzstreben bezeichnen. Für dominanzstrebende Welpen ist die Bewältigung neuer Situationen eine fast unlösbare Aufgabe. Die vorherrschende innere Unsicherheit und Angst (Angst ist vielfach die Ursache für Aggression!) bestimmt eine Verhaltensweise, die ihnen Erfolg vermittelt. Dies ist, wie eingangs geschildert, im innerartlichen Spiel der Erfolg beim Jagen und Attackieren schwächerer Welpen. Verhaltensdefizite zeigen sich jedoch auch zwischenartlich. Kontaktspiel und Vertrauensbeweis offenbaren ebenfalls, dass es an einer sicheren Bindung zwischen Hauptbezugsperson und Welpe mangelt. Hinzu kommt die defizitäre Konsequenz der Hauptbezugsperson, was zwangsläufig zu Problemen führt. Wird hier nicht rechtzeitig und fachkundig gegengesteuert, manifestieren sich bei solchen Hunden unerwünschte Verhaltensweisen. Der Problemhund von morgen ist damit vorprogrammiert. Eine verträgliche Integration in unsere Gesellschaft wird erschwert oder im schlechtesten Fall unmöglich. Für Abhilfe muss zuallererst der Welpenbesitzer sorgen, indem er seinem Welpen die Möglichkeit gibt, seine Ängste selber bewältigen zu können, damit er an Sicherheit gewinnt. Er ist für eine klare Sozialstruktur im Lebensumfeld (Familie) des Hundes verantwortlich. Diese aufzubauen gelingt durch Vertrauensbildung, Konsequenz in der Erziehung und klare Rangordnungsverhältnisse im „Rudel“ (Familie). Der Besuch von Prägungs-/ Welpenspieltagen ist anzuraten. Bei kompetenter Führung wird dort der dominanzstrebende Welpe einer Spielgruppe zugeordnet werden, bei der die Spielgenossen körperlich ebenbürtig und ihrem biologischen Reifegrad weiter entwickelt sind. Mit diesen muss er sich auseinandersetzen. Sie setzen ihm innerartlich Grenzen und vermitteln, dass sein unsoziales Verhalten nicht ankommt. Sehr schnell wird festzustellen sein, dass das ungebremste Dominanzstreben aufhört, sich ein normales Rollenspiel einstellt, das Sozialverhalten sich normal entwickelt und somit dem Problemhund von morgen erfolgreich vorgebeugt werden kann. Merkmale eines Dominanzstrebers Innerartlich • breitbeiniges Laufen, hoch getragene Rute • aufgestelltes Nackenhaar, gesträubte Fellpartien • ausgewogenes Spiel, gewinnen und verlieren, findet nicht statt • sucht sich vorzugsweise schwächere Welpen als Spielpartner aus • rüpelhaftes, attackierendes Verhalten gegenüber Schwächeren, • Missachtung von Beschwichtungssignalen der Unterlegenen Zwischenartlich • fehlende oder mangelhafte Bindung zur Hauptbezugsperson, erkennbar an der Reaktion des Welpen beim Rufen oder beim Kontaktspiel, Welpe weicht Hauptbezugsperson aus, schnüffelt irgendwo am Boden und zeigt Konflikreaktionen (Gras fressen, Fellschütteln, Gähnen, etc.) • gemeinsames Spielen zwischen Hauptbezugsperson und Welpen misslingt • Klare Linie und Konsequenz der Hauptbezugsperson fehlt, Folge: Rangordnung ist nicht geregelt www.drahthaar.de Band 89/2011 95

seit 1902 Im Dienst der Jagd<br />

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Es ist der erste Prägungs-/Welpenspieltag. Bereits beim Kennenlernen auf der Einspielwiese, bei dem<br />

sich die Welpen gegenseitig beschnuppern und beobachten können, fällt das Ausdrucksverhalten eines<br />

Welpen besonders auf. Stolz, auffallend breitbeinig, läuft er mit hoch erhobener Rute umher und animiert<br />

die anderen Welpen zum Spielen. Bei den dann stattfindenden Jagd- und Rennspielen rempelt er andere<br />

Spielgenossen an und findet sehr schnell heraus, wer die Schwächsten in der Spielgruppe sind. Nur ihnen<br />

gilt im weiteren Spielverlauf seine Aufmerksamkeit, nur mit ihnen gibt er sich ab. Bei den stattfindenden<br />

Jagd- und Rennspielen ist immer wieder das gleiche Muster erkennbar. Verfolgen, Bodycheck, Packen des<br />

Schwächeren am Hals oder Hinterteil, zu Boden werfen und, obwohl sich der „Verlierer“ auf dem Rücken<br />

liegend ergeben hat, längeres auf ihm liegen oder stehen. Die geschilderte Szene wiederholt sich. Immer<br />

sind es andere schwächere Gruppenmitglieder, die er sich herauspickt, anrempelt, zu Boden wirft und mit<br />

seinem ganzen Körpergewicht auf ihnen liegt. Dabei fällt auf, dass er nie auf dem Rücken, nie unten liegt!<br />

Ein richtiges Rollenspiel, einmal unten liegen, einmal oben stehen, findet mit ihm nie statt!<br />

Szenenwechsel: Wir haben es alle schon erlebt! Während eines Spaziergangs oder auch auf der Jagd,<br />

kommt es bei einer flüchtigen Begegnung zweier Hunde, offenbar ohne erkennbaren Grund, zu einer<br />

unangenehmen, aggressionsgespickten Situation, die oftmals in einer Beißerei endet. Schnell ist der unkundige<br />

Beobachter geneigt, einen der beiden „Kontrahenten“ als dominant einzustufen und diese Eigenschaft<br />

als Grund der Auseinandersetzung anzunehmen.<br />

Und auch im erst geschilderten Fall, wird eine unkundige Spielgruppenleitung der Annahme sein, dass<br />

es sich bei dem kleinen Macho um einen dominanten Typen in seiner Altersklasse handelt und man das<br />

Geschehen deshalb eben so hinzunehmen hat.<br />

Ist dem so? Bestehen gar zwischen beiden geschilderten Situationen Zusammenhänge? Dieser Frage will<br />

ich im Weiteren nachgehen.<br />

Zunächst, was ist eigentlich Dominanz.<br />

„In der Verhaltenskunde wird der Begriff Dominanz zur Kennzeichnung der Stellung eines Individuums<br />

innerhalb einer sozialen Rangordnung benutzt. Dabei wird das jeweils überlegene Tier als dominant<br />

bezeichnet. Rangordnungsstrukturen, auch als Dominanzhierarchien benannt, finden sich bei vielen<br />

Wirbeltieren. Auch bei unseren Hunden treten sowohl zwischen dem Hund und dem Menschen Dominanzhierarchien<br />

auf. Dominanzhierarchien sind dabei nicht einfach vorhanden, sondern bilden sich erst in<br />

einer Sozialstruktur wie beispielsweise zwischen dem heranwachsenden Hund und dem Hundehalter aus.<br />

Dominanzbeziehungen sind dabei erkennbar, dass das eine Individuum den Interaktionspartner überlegen<br />

oder unterlegen behandelt. Dominante Individuen weisen dabei ein sogenanntes Dominanzverhalten, wie<br />

beispielsweise Drohen oder rangklärendes Kämpfen auf. Untergeordnete Interaktionspartner zeigen dagegen<br />

in der Regel Unterlegenheitsverhalten, wie Ausweichen, aber auch aggressive Selbstverteidigung.<br />

Bereits beim Spiel der Welpen wird die ganze Bandbreite des Dominanz- und Unterordnungsverhaltens<br />

durchgespielt.“ 1<br />

Von Dominanz kann also in beiden geschilderten Fällen nicht gesprochen werden, da sich diese ja nur in<br />

einer Sozialstruktur entwickeln kann. Hier handelt es sich um mehr oder weniger zufällige Hundebegegnungen.<br />

Das Verhalten der Hunde wird wohl wesentlich von ihrer Fähigkeit bestimmt, die Signale des Anderen zu<br />

erkennen, sie zu verstehen, richtig einzuordnen und angemessen hierauf zu reagieren.<br />

Bei beiden Hunden scheinen diesbezügliche Defizite die Ursache des Fehlverhaltens sein.<br />

Soziales Lernen findet hauptsächlich in einem sehr frühen Stadium (8 -16 Lebenswoche) des Hundelebens<br />

statt. Die zu diesem Zeitpunkt gemachten Erfahrungen lassen eine bestimmte soziale Wahrnehmungsfähigkeit<br />

entstehen und brennen sich dauerhaft in die Seele des Hundes ein (Prägung!). Wer<br />

das Geschehen innerhalb einer Wurfgemeinschaft aufmerksam beobachtet, wird feststellen, dass die Ursache<br />

ständiger Rangeleien unter den Welpen fast ausschließlich der Verbesserung der Rangordnung des<br />

Einzelnen im Rudel dient. Es ist die Mutterhündin, die hin und wieder Grenzen aufzeigt und damit einer<br />

Rangordnungsstruktur den Weg bahnt, ohne die das Rudel auf Dauer nicht bestehen kann.<br />

Um den Ursachen des Fehlverhaltens beider Hunde weiter auf den Grund zu gehen, nehmen wir zunächst<br />

das weitere Verhalten des 9-wöchigen Welpen anlässlich des Welpenspieltags nochmals unter die Lupe.<br />

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