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Die Stöber-Prüfung<br />
von Marc Lenzlinger, Schweizerischer Vorstehhund Club<br />
Die Schwarzwildbestände in verschiedenen Regionen steigen schneller an als die Jäger dagegen halten<br />
können. Gründe für den Anstieg sind u.a. das überreiche Nahrungsangebot durch die Landwirtschaft und<br />
die strukturellen Veränderungen im Wald, wo nach den grossen Stürmen (Vivian, Lothar) nun für die<br />
Sauen attraktive Einstände heranwachsen. Die Mittel der Jäger, gegen diese vorteilhaften Entwicklungsbedingungen<br />
angehen zu können, sind beschränkt (Zeitbedarf, Hilfsmittel, gesetzliche Einschränkungen).<br />
Aber auch Sauen sind durchaus lernfähig und vermögen sich den Nachstellungen immer öfter zu entziehen.<br />
Sie haben gelernt, was ihren Familienmitgliedern an Kirrungen widerfahren kann, was passiert<br />
wenn man den Wurf zum falschen Zeitpunkt (bei Tageslicht) aus dem Mais-Eldorado schiebt. Sie lernen<br />
auch, dass es nicht unbedingt vorteilhaft ist, vor den Treibern, die sich durch lautes Rufen ankündigen<br />
und manchmal sehr nahe an ihren dornigen Einständen vorbei schlendern, abzuhauen. Es lohnt sich, sich<br />
zu drücken und zu warten bis die Gefahr vorüber ist und danach klammheimlich hinten auszuwechseln.<br />
Auch von den kleinen vorwitzigen Kläffern brauchen sie sich nicht allzu sehr beeindrucken zu lassen, die<br />
können oftmals mit energischem Blasen und demonstrativer Drohhaltung auf eine frische Rehfährte umgeleitet<br />
werden. Und wenn es dann einer von den frechen Terriern genauer wissen will, wird er mit einem<br />
kräftigen Wurf aus den Dornen befördert. So können Saubestände eine gewisse „Bejagungsresistenz“<br />
entwickeln. Die sich öffnende Schere zwischen Bestandeserhöhung und abnehmender Jagdstrecke wird<br />
an verschiedenen Orten gestellt.<br />
Gleichzeitig wurde in Revieren mit dichten, dornigen, sturmgeschädigten Wäldern festgestellt, dass mit<br />
versierten Hunden die Jagd sehr wohl effizienter im Sinne der angestrebten Bestandesreduktion gestaltet<br />
werden kann.<br />
Was sind denn die Ansprüche an den Hund der dazu seinen Beitrag leisten kann?<br />
Er soll Jagdpassion und Wildschärfe haben, welche sich von blindwütiger Aggression unterscheiden.<br />
- Dornendickichte soll er annehmen und gelernt haben, dass die Sauen darin und nicht auf den übersichtlichen<br />
Waldwegen stecken;<br />
- er soll Respekt und Vorsicht gelernt haben und sich nicht heroisch in eine wehrhafte Schwarte verbeissen,<br />
um den Hunde-Heldentod zu sterben;<br />
- er soll gelernt haben, dass es nichts bringt, eine bereits hochflüchtige Rotte mit noch gesteigerter Geschwindigkeit<br />
durch die Schützenlinie fliegen zu lassen;<br />
- er muss wissen, dass es nichts bringt, einem flüchtigen Reh anzuhängen und mit diesem durch die<br />
Nachbarreviere zu sausen.<br />
Das Wichtigste aber ist die Führigkeit. Das heißt, der Hund muss gelernt haben, dass nur zusammen mit<br />
seinem Führer Strecke zu machen ist. Dass er zum Jagderfolg kommt, wenn er eine Sau stellen, binden<br />
und mittels seines Standlauts den Führer oder den anstehenden Jäger herbeirufen kann. Dass er eine Rotte<br />
wohl heben und auf Trab bringen soll, aber sich sogleich wieder zurück ins Treiben begibt.<br />
Hunde, die auf der ersten warmen Fährte das Weite suchen und für sich alleine die Reviere durchstöbern<br />
oder sich bei Fährtenverlust andern Jagen anhängen, tragen wenig zum Jagderfolg bei.<br />
Ein Hund der all das kann, wird nicht so geboren. Man kann ihn auch nicht so beim Züchter kaufen. Und<br />
er funktioniert auch nicht immer so.<br />
Die kontinentalen Vorstehhunde erweisen sich von der Veranlagung her und durch die über Jahrhunderte<br />
in der Zucht geförderten Jagdfähigkeiten sowie vom Wesen her für dieses Einsatzgebiet geeignet. Hier ist<br />
Jagdpassion vorhanden und sie sind laut. Führigkeit und Gehorsam haben sie in den Vorbereitungen zu<br />
den Gebrauchsprüfungen gelernt. Die Fähigkeit des Vorstehens ermöglicht es ihnen, sich nicht gleich in<br />
jedes Wild zu verbeissen. Ihre relative Hochläufigkeit macht sie wendig und befähigt sie, im Sprung in<br />
einen Dornenverhau, und notfalls auch wieder aus diesem heraus zu gelangen.<br />
Der deutsche Jagdgebrauchshunde Verband (JGHV), unter dessen Dach auch verschiedene Schweizer<br />
Jagdhunde Zuchtvereine ihre Zuchtziele, Ausbildung und die Prüfungsleistungen definieren, hat kürzlich<br />
die Verbandsstöberprüfung geschaffen.<br />
Band 89/<strong>2011</strong><br />
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