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Weihnachten 2013 - Stadtgemeinschaft Tilsit eV - Ostpreußen

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Risiko für WeihnachtsmännerVon Siegfried LenzSie hatten schnellen Nebenverdienstversprochen, und ich ging hin in ihrBüro und stellte mich vor. Das Bürowar in einer Kneipe, hinter einer beschlagenenGlasvitrine, in der kalteFrikadellen lagen, Heringsfilets mitgrau angelaufenen Zwiebelringen,Drops und sanft leuchtende Gurkenin Gläsern. Hier stand der Tisch, andem Mulka saß, neben ihm eine magere,rauchende Sekretärin: alles warnotdürftig eingerichtet in der Ecke,dem schnellen Nebenverdienst angemessen.Mulka hatte einen großenStadtplan vor sich ausgebreitet, einenbreiten Zimmermannsbleistift inder Hand, und ich sah, wie er Kreisein die Stadt hinein malte, energischeRechtecke, die er nach hastigerÜberlegung durchkreuzte: großzügigeGeneralstabsarbeit.Mulkas Büro, das in einer Annonceschnellen Nebenverdienst versprochenhatte, vermittelte Weihnachtsmänner;überall in der Stadt, wo derFreudenbringer, der himmlische Onkelim roten Mantel fehlte, dirigierte ereinen hin. Er lieferte den flockigenBart, die rot gefrorene, mild grinsendeMaske; Mantel stellte er, Stiefelund einen Kleinbus, mit dem diehimmlischen Onkel in die Häuser gefahrenwurden, in die „Einsatzgebiete“,wie Mulka sagte: die Freude warstraff organisiert.Die magere Sekretärin blickte michan, blickte auf meine künstliche Nase,die sie mir nach der Verwundungangenäht hatten, und dann tippte siemeinen Namen, meine Adresse,während sie von einer kalten Frikadelleabbiss und nach jedem Bisseneinen Zug von der Zigarette nahm.Müde schob sie den Zettel mit meinenPersonalien Mulka hinüber, derbrütend über dem Stadtplan saß,seiner „Einsatzkarte“, der breite Zimmermannsbleistifthob sich, kreisteüber dem Plan und stieß plötzlichnieder. „Hier“, sagte Mulka, „hierkommst du zum Einsatz, in Hochfeld.Ein gutes Viertel, sehr gut sogar. Dumeldest dich bei Köhnke.“„Und die Sachen?“ sagte ich.„Uniform wirst du im Bus empfangen“,sagte er. „Im Bus kannst dudich auch fertig machen. Und benimmdich wie ein Weihnachtsmann!“Ich versprach es. Ich bekam einenVorschuss, bestellte ein Bier undtrank und wartete, bis Mulka michaufrief; der Chauffeur nahm mich mithinaus. Wir gingen durch den kaltenRegen zum Kleinbus, kletterten inden Laderaum, wo bereits vier frierendeWeihnachtsmänner saßen, undich nahm die Sachen in Empfang,den Mantel, den flockigen Bart, dierot-weiße Uniform der Freude. DasZeug war noch nicht ausgekühlt,wohltuend war die Körperwärme ältererWeihnachtsmänner, meinerVorgänger, zu spüren, die ihrenFreudendienst schon hinter sich hatten;es fiel mir nicht schwer, die Sachenanzuziehen. Alles passte, dieStiefel passten, die Mütze, nur dieMaske passte nicht: zu scharfdrückten die Pappkanten gegenmeine künstliche Nase; schließlichnahmen wir eine offene Maske, diemeine Nase nicht verbarg.22

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