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Biodiversität und Klimawandel - Swiss Biodiversity Forum

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Auswirkungen des <strong>Klimawandel</strong>sauf die ÖkosystemeVon Andreas Fischlin, Systemökologie – Institut für Integrative Biologie, Departement für Umweltwissenschaften,ETH Zürich, CH-8092 Zürich, andreas.fischlin@env.ethz.chDer <strong>Klimawandel</strong> wirkt auf die Ökosystemeder Erde in regional unterschiedlicherWeise <strong>und</strong> erfolgt im Zusammenspielmit anderen Umwelteinflüssen wie Landnutzung,Habitatfragmentierung, Stoffeinträge<strong>und</strong> invasive Arten. Wir müssen damitrechnen, dass sich die Artenzusammensetzungder Ökosysteme stark verändern wird<strong>und</strong> bei ungebremstem <strong>Klimawandel</strong> Artenin merklicher Zahl aussterben werden.Seit die Zusammenfassung des viertenWissenstandsberichtes des IntergovernmentalPanel on Climate Change (IPCC, www.ipcc.ch)für Entscheidungsträger veröffentlicht wurde,ist der <strong>Klimawandel</strong> in aller M<strong>und</strong>e. Bereitsim Gang befindliche Veränderungen werdennun allgemein wahrgenommen. Zunehmendwird auch anerkannt, dass der Mensch dafürdie Hauptverantwortung trägt. Die dringendnotwendige, breite Diskussion zu den Risiken,die mit den verschiedenen Klimaszenarienverknüpft sind, steht aber immer noch aus.Bedrohte HotspotsWas bedeutet der <strong>Klimawandel</strong> langfristigfür die Biodiversität? Im neuen Wissenstandsberichtdes IPCC wurde unter anderem dasWissen zu dieser Frage analysiert, bewertet<strong>und</strong> zusammengefasst (Fischlin et al. 2007).Dass der <strong>Klimawandel</strong> nicht nur physikalischeSysteme wie Gewässer <strong>und</strong> Gletscher verändert,sondern auch viele Arten <strong>und</strong> damitganze Ökosysteme beeinflusst, ist allgemeinbekannt <strong>und</strong> gut belegt.Dass sich Ökosysteme bis zu einem gewissenGrad an neue Lebensbedingungenanpassen können, ist ebenfalls bekannt. Abwelchem Ausmass die Veränderungen dieBiodiversität <strong>und</strong> damit die Ökosystemfunktionenbeeinträchtigen, ist allerdings ungenügenderforscht. Was die Auswirkungen auf dieBiodiversität betreffen, existieren teilweise sogargegensätzlich anmutende Vorstellungen.Müssen wir einen massiven Verlust an Biodiversitätbefürchten, oder ist der <strong>Klimawandel</strong>eine Chance für heute durch menschlicheAktivitäten in Bedrängnis geratene Arten,ihren Bestand auszuweiten? Hier gilt es, dieverschiedenen Bestandteile der Biodiversitätklar auseinanderzuhalten. Biodiversität ist dieVielfalt auf der Ebene der Gene, der Arten<strong>und</strong> der Ökosysteme. Der Verlust an Vielfaltkann räumlich betrachtet lokal oder gar globalsein, wobei ein globales Aussterben irreversibelist. Trifft es eine Schlüsselart, kann lokalesAussterben für ein Ökosystem fatale Folgenhaben. Allgemein wird befürchtet, dass einVerlust an Biodiversität, egal auf welchem Niveau<strong>und</strong> auf welcher geographischen Skala,entscheidende Funktionen der Ökosystemebeeinträchtigen oder gar zum Ausfall bringenkönnte (Duraiappah et al. 2005). Damit wäreauch die Lebensqualität des Menschen in Gefahr.Leider verstehen wir aber gerade dieseZusammenhänge nur ungenügend. BisherigeErkenntnisse, die lediglich kleinräumig <strong>und</strong>für eine beschränkte Anzahl Pflanzenartengelten, lassen sich keineswegs auf ganze Ökosystemeoder Regionen übertragen.In Zeiten des <strong>Klimawandel</strong>s sollte den 25Biodiversitäts-Hotspots eine besondere Beachtunggeschenkt werden. Ob sie von denzu erwartenden Klimaänderungen verschontoder gar besonders stark betroffen sein werden,ist von immenser Bedeutung für dasSchicksal der Biodiversität auf diesem Planeten.Untersuchungen haben leider gezeigt,dass das Letztere der Fall sein wird. Viele Hotspotsbefinden sich in den Tropen, wo bereitsheute eine Vielzahl von Gefährdungsfaktorenwirken. Viele Ökosysteme werden übernutztoder in Landwirtschaftsland oder Plantagenumgewandelt. Aus evolutiver Sicht ist dies bedenklich,gelten doch die Tropen als «Wiege»<strong>und</strong> «Museum» der Biodiversität zugleich (Jablonskiet al. 2006).Überschätzte MigrationsrateDie Anpassung an veränderte Klimabedingungengeschieht auf Artebene, <strong>und</strong> nichtauf der Ebene ganzer Lebensgemeinschaften.Man geht deshalb davon aus, dass Lebensgemeinschaften,die polwärts oder im Gebirgeaufwärts gewandert sind (siehe Abbildung),nur noch bedingt Ähnlichkeit mit heutigenLebensgemeinschaften haben. Teilweise dürftenneuartige Ökoysteme entstehen, was zumindesterhebliche Änderungen in der Artenzusammensetzungmit sich bringen wird. Auspaleoökologischen Studien vergangener Klimaänderungenwissen wir, dass weniger physiologischeoder genetische Anpassungen fürdas Überleben von Arten entscheidend sind;viel wichtiger ist die Grösse der f<strong>und</strong>amentalenökologischen Nische. Diese beschreibtim Gegensatz zur beobachtbaren, realisiertenNische, welche auch durch Einflüsse vonKonkurrenten <strong>und</strong> Fressfeinden mitbestimmtist, den potenziell besiedelbaren Lebensraum.Ändert sich das Klima, eröffnen sich möglicherweiseneue Lebensräume, die aus der heutigenVerbreitung nicht ableitbar sind. Leiderist das Wissen hierzu aber sehr dürftig.Eine Schlüsselrolle bei den Auswirkungeneines raschen <strong>Klimawandel</strong>s spielt die Ausbreitungsgeschwindigkeit.Studien zeigen,dass es einem Teil der Arten nicht gelingt,rechtzeitig potenziell besiedelbare Standortezu erreichen. Zudem zeigen einige neuereArbeiten (z.B. McLachlan et al. 2005, Pearson2006, Svenning <strong>und</strong> Skov 2007), dass die «Migrationsraten»bisher eher überschätzt wurden.Selbst von einer äusserst mobilen Art wieH O T S P O T 1 6 | 2 0 0 7 B R E N N P U N K T | B I O D I V E R S I T Ä T U N D K L I M A W A N D E L 5


H O T S P O T 1 6 | 2 0 0 7 B R E N N P U N K T 6■dem Polarfuchs kann nicht einfach angenommenwerden, dass sie mit dem <strong>Klimawandel</strong>Schritt halten kann. Gemäss genetischen Untersuchungenist es den zentraleuropäischenPopulationen am Ende der letzten Eiszeitnicht gelungen, durch eine Nordwanderungder Erwärmung auszuweichen. Die WiederbesiedelungSkandinaviens erfolgte vom Innerendes eurasischen Kontinents aus (Dalen etal. 2007).Zwar liefen auch vergangene Klimaveränderungensehr schnell ab (z.B. 7 °C in 50 JahrenEnde der jüngeren Dryas, Dansgaard et al.1989). Doch der heutige <strong>Klimawandel</strong> ist einenoch nie dagewesene Herausforderung für dieBiodiversität, weil er in Kombination mit anderenGefahren wie der intensiven Nutzungoder gar Übernutzung von Ressourcen <strong>und</strong>sonstigen Eingriffen in die Landschaften abläuft.Wir wissen, dass auch ohne <strong>Klimawandel</strong>ein beachtlicher Anteil der Arten gefährdetist (www.iucnredlist.org).Aussterberisiko <strong>und</strong> SchutzkonzepteObwohl das Gefährdungspotenzial einzelnerArten stark variiert, ist es gelungen,Geschätzte Veränderungen in der terrestrischen Biosphäre im Jahr 2100 (Fischlin et al.2007). Es sind lediglich signifikante Veränderungen dargestellt (>20% der simuliertenZellenfläche wechselt den Biomtyp).■■■Zunahme der WaldflächeZunahme der Bedeckung mit GehölzpflanzenRückgang der WüsteWandel des Waldtypszumindest für die besser untersuchten Pflanzen-<strong>und</strong> Tierarten ein Aussterberisiko abzuschätzen(Fischlin et al. 2007). Demnach sindbei einer globalen Erwärmung von 2 bis 3 °Cüber dem vorindustriellen Niveau weltweit imDurchschnitt zwischen 20 <strong>und</strong> 30% der höherenPflanzen- <strong>und</strong> Tierarten von einem hohenAus sterberisiko bedroht – je nach Region sindes zwischen 1% <strong>und</strong> 80%.Es gibt bereits erste Opfer des <strong>Klimawandel</strong>s.Durch die bisherige, als geringfügig einzustufendeErwärmung sind schon Korallen-,r<strong>und</strong> 70 Amphibienarten <strong>und</strong> lokal einzelneSchmetterlingsarten ausgestorben. Eine soebenveröffentlichte Studie aus dem Alpenraum(GLORIA, Pauli et al. 2007) zeigt ebenfalls,dass innerhalb eines Jahrzehnts der Lebensraumfür nivale Arten kleiner gewordenist, während sich derjenige der eingewandertenArten aus den unteren Höhenlagen nachoben ausgedehnt hat. Zwar nahm insgesamtdie Diversität zu, doch alpine endemische Artensind nun stärker gefährdet. Damit lassensich auch die scheinbaren Gegensätzlichkeitenbei den Auswirkungen des <strong>Klimawandel</strong>serklären: Bei geringer Erwärmung ergibt sich■■■Rückgang der WaldflächeZunahme der GraslandflächeAusdehnung der Wüstevorerst lokal eine Erhöhung der Diversitätdurch die neu hinzukommenden, möglicherweiseinvasiven Arten. Die endemischen Artenwerden allmählich zurückgedrängt <strong>und</strong>sterben früher oder später aus.Da weltweit praktisch die Hälfte der heutigenSchutzgebiete kaum oder nur mangelhaftden Anforderungen gewachsen sind, die sichdurch den <strong>Klimawandel</strong> ergeben (Fischlin etal. 2007), müssen Naturschutzbemühungenin Zukunft vermehrt auf den <strong>Klimawandel</strong>ausgerichtet werden. Bedenkt man, wie langedie Umsetzung von Schutzbemühungen invielen Ländern, nicht zuletzt in der Schweiz,benötigen, so muss rasch gehandelt werden.Es gilt, sich auf den unvermeidlich gewordenen<strong>Klimawandel</strong> einzustellen <strong>und</strong> den nochvermeidbaren durch massive Reduktion derEmissionen zu stoppen! ■Literatur: www.biodiversity.ch/publications/hotspot


«Die beste Vorsichtsmassnahmegegen den <strong>Klimawandel</strong> ist die Erhaltungeiner möglichst grossen Biodiversität»Ein Interview mit Prof. Dr. Christian Körner, Botanisches Institut der Universität Basel<strong>und</strong> Dr. Olivier Biber, Abteilung Artenmanagement des B<strong>und</strong>esamtes für UmweltHOTSPOT: Herr Körner, können Siesich vorstellen, dass die Debatte um denBiodiversitätsverlust durch den <strong>Klimawandel</strong>in 50 Jahren als Hysterie angesehenwird?Körner: Das ist durchaus möglich, wennfür die Schweiz weiterhin übertriebene Szenarienzur Entwicklung von Tier- <strong>und</strong> Pflanzenartenin die Welt gesetzt werden, denendie wissenschaftliche Gr<strong>und</strong>lage fehlt. ZumBeispiel war kürzlich zu lesen, dass die Lärchein der Schweiz aussterben würde. Mit solchenMeldungen bewegen wir uns abseits wissenschaftlichf<strong>und</strong>ierten Wissens. Die Lärche isteine Baumart mit grosser ökologischer Amplitude.Sie kommt natürlicherweise zwischen800 <strong>und</strong> 2300 Meter über dem Meer vor, waseiner Temperaturerhöhung von neun Gradentspricht, also dem Doppelten dessen, wasgemäss IPCC für das Ende dieses Jahrh<strong>und</strong>ertsvorhergesagt wird. Irreführende – weildoppeldeutige – Wörter tragen zu solchenFalschmeldungen bei. Mit dem etwas dramatisierendenBegriff Aussterben sollte hier wohldas durchaus mögliche lokale Verschwindender Art in tieferen Lagen gemeint sein, nichtaber die Auslöschung einer Art, so wie wirüber das Aussterben der Saurier sprechen.Für sehr problematisch halte ich auch dieTendenz, Global Warming mit Global Changegleichzusetzen. Dadurch wird die Diskussionum den umweltinduzierten Biodiversitätsverlustauf einen Teilaspekt eingeengt, was zufalschen Schlüssen führen kann. Ich bin sicher,dass sich die blosse Erwärmung, also derTemperaturanstieg für sich allein genommen,weniger stark auf die Biodiversität auswirkt alsdie meisten anderen Komponenten von GlobalChange.Von oben: Christian Körner; Kohlendioxidquelle Verkehr;Energie vom Acker: Zuckerrohr statt Regenwald; Warmwasserdank Sonnenenergie; Olivier Biber.Fotos: L. Bose (1+5); B. Ernst, Basel (2–4).An welche Komponenten denken Sie?Körner: An erster Stelle kommt alles, wasmit Landnutzung zu tun hat. Vor allem dieSiedlungs- <strong>und</strong> Verkehrsinfrastruktur sowiedie Landwirtschaft haben einen immensenEinfluss auf die Biodiversität. An zweiter Stellestehen für mich die gebietsfremden <strong>und</strong> invasivenArten, die bei uns vor allem in denGewässern die einheimische Flora <strong>und</strong> Faunaverdrängen. Andernorts stellen invasive Artenganze terrestrische Ökosysteme auf denKopf. Der <strong>Klimawandel</strong> dürfte dieses Problemwahrscheinlich deutlich verschärfen. Auf demdritten Platz landen Extremereignisse, die inZukunft deutlich häufiger auftreten werden.Dazu gehören Sturmschäden, Starkniederschläge,lange Trockenperioden <strong>und</strong> Feuer. Anvierter Stelle kommen die durchschnittlichenVeränderungen des Wasserhaushaltes. Erstan fünfter Stelle kommt für mich die mittlereTemperaturerwärmung im prognostiziertenAusmass, über die immer an erster Stelle diskutiertwird. Wenn wir die Liste fortsetzen,kommen noch die enorm erhöhten Stickstoff-<strong>und</strong> Säureeinträge aus der Luft in natürlicheÖkosysteme <strong>und</strong> die direkte Auswirkung dererhöhten Kohlendioxidkonzentration in derAtmosphäre auf die Pflanzen hinzu. Kohlendioxidspielt ja in der Pflanzenernährung einezentrale Rolle.Warum wird die Temperatur derartüberbewertet?Körner: Die Temperatur ist die einfachstemeteorologische Messgrösse. Wir nehmensie intensiv <strong>und</strong> jederzeit wahr. Die grossen,globalen Muster der Klima- <strong>und</strong> Biosphärenzonen<strong>und</strong> Höhenstufen im Gebirge sind zudemklar temperaturgeprägt. Jeder kann sichdeshalb unter Global Warming mehr vorstellenals unter Global Change. Das führt dazu,dass die Debatte um Global Change auf den<strong>Klimawandel</strong> eingeengt wird, <strong>und</strong> innerhalbdes <strong>Klimawandel</strong>s auf die Temperatur, <strong>und</strong> in-H O T S P O T 1 6 | 2 0 0 7 B R E N N P U N K T | B I O D I V E R S I T Ä T U N D K L I M A W A N D E L 7


H O T S P O T 1 6 | 2 0 0 7 B R E N N P U N K T 8nerhalb der Temperatur auf die Veränderungvon Mittelwerten. Viel wichtiger sind die Extremereignissewie der Sommer 2003 oder dervergangene Winter. So einen Sommer <strong>und</strong> soeinen Winter hat es noch nie gegeben. Wiederholensich solche Extremereignisse, die inden Statistiken am äussersten Ende des Möglichenliegen, hat das grosse Auswirkungen aufdie Organismen.Aber die Verbreitungsgrenzen fast allerArten hängen doch mehr oder wenigervon der Temperatur ab.Körner: Aber nicht notwendigerweise vonDurchschnittstemperaturen. In unserem Klimaspielt der Frost eine viel wichtigere Rolle.Alle Arten, die es bei uns gibt, müssen Frostertragen können, sonst wären sie nicht hier.Von zentraler Bedeutung ist deshalb nicht dieFrage, wie sich die Durchschnittstemperaturenentwickeln, sondern ob die Wahrscheinlichkeiteines polaren Kaltlufteinbruchs sinktoder steigt. Wenn der Golfstrom schwächerwird <strong>und</strong> in der Folge warme atlantische Luftmassenweniger kraftvoll auf unser Klimadrücken, kann die Wahrscheinlichkeit einesKälteeinbruchs aus dem Norden gleich bleibenoder sogar steigen, unabhängig von denDurchschnittstemperaturen.Haben wir Sie richtig verstanden: Sieglauben, dass sich die Vegetation inder Schweiz nicht allzu stark verändernwird?Körner: Jedenfalls nicht so, dass Laiendas wahrnehmen würden. Ausnahmen sindvielleicht die Ausbreitung exotischer Pflanzenin den Wäldern, wie etwa im Tessin in denletzten 50 Jahren. Da reicht dann aber eineinziger extremer Kaltlufteinbruch, um dieVegetationszusammensetzung wieder auf dasursprüngliche Niveau zu setzen. Es genügt,wenn solch ein reinigendes Ereignis nur einMal pro Jahrh<strong>und</strong>ert eintritt. Das gilt auch fürdie Gebirgsvegetation. Über der Waldgrenzeist übrigens ‹Höhe über dem Meer› <strong>und</strong> damitdie Durchschnittstemperatur der Lufteine wenig relevante Grösse für die Vegetation.Die Vielfalt an Hangneigungen <strong>und</strong> Expositionenführen im Gebirge dazu, dass aufextrem kleinem Raum eine riesige Vielfalt anMikroklimaten herrscht. Wissen Sie, wie weiteine Spinne im Hochgebirge laufen müsste,um einem Temperaturanstieg von zwei Gradauszuweichen? Wir haben das für sommerlichesSchönwetter einmal ausgerechnet – essind gerade einmal zwölf Meter! Die Alpensind ein riesiges Mosaik an thermisch starkunterschiedlichen Mikrohabitaten. Viele Artenmüssen einfach von der Süd- auf die Nordseiteeines Geländerückens wechseln. Das istdurchaus realistisch.Wie kommen Ihre Kollegen aber dannzur Annahme, dass weltweit über einDrittel aller Arten durch den <strong>Klimawandel</strong>gefährdet sein könnten?Körner: Wir haben bisher von der Schweizgesprochen. Es stört mich, dass Szenarien, dievom IPCC auf globaler Ebene entworfen wurden,einfach auf die Schweiz übertragen werden.Das halte ich für unverantwortlich. Denngenau dann kommen die Politiker in 50 Jahren<strong>und</strong> werfen uns vor, wir hätten mal wiedermasslos übertrieben. Auf globaler Ebene istdie Biodiversität aber tatsächlich durch dieÜberflutung von Küstengebieten, durch diemassive Erwärmung der Polargebiete <strong>und</strong> dieVerschiebungen von Trockenzonen ernsthaftbedroht. Manche Ökosysteme wie die Regenwälderkönnen durch das Ausbleiben ausreichenderRegenmengen überrumpelt werden.Dasselbe gilt für tropische Riffe, wenn dieWassertemperatur nur vergleichsweise wenigsteigt. Diese Erkenntnisse zweifle ich überhauptnicht an. Aber wir dürfen sie nicht unkritischauf die Schweiz übertragen. Wir müssenzudem lernen, zwischen dem globalenAussterben einer Art <strong>und</strong> dem lokalen Verschwindeneinzelner Populationen zu unterscheiden.Wenn etwa im Jura um den Erhalteiner stark bedrohten Silberwurz-Populationgekämpft wird, die hier ein Eiszeitrelikt ist,geht es ja nicht um einen Artenverlust. DieSilberwurz ist in den Alpen allgegenwärtig!Natürlich finde ich solche Sonderstandortew<strong>und</strong>erbar. Ich möchte also nicht missverstandenwerden: Es wird durchaus Veränderungenin der Vegetationszusammensetzunggeben. Beispielsweise wird die Eiche besser<strong>und</strong> die Buche weniger gut mit der neuen Situationfertig werden. Das heisst aber nicht,dass die Buche ausgelöscht wird! Auch dieWaldgrenze im Gebirge wird in Bewegunggeraten, <strong>und</strong> alpine Pionierpflanzen stürmenheute schon auf die Gipfel.Sie sind aber dafür, dass Massnahmengegen den Ausstoss von Treibhausgasenergriffen werden?Körner: Natürlich – auch wenn wir in Bezugauf den Biodiversitätsverlust durch <strong>Klimawandel</strong>eines der wenigen Länder sind, dieunterdurchschnittlich betroffen sein werden.Das liegt an unserer geographischen Lage <strong>und</strong>Topographie, aber auch nicht zuletzt daran,dass in der Schweiz die Naturlandschaft intieferen Lagen weitgehend ausgeräumt ist <strong>und</strong>das Hauptproblem bei der Intensität der Landnutzungliegt. Als eines der reichsten Länderder Welt haben wir aber die Pflicht, eine Vorreiterrollebei der Regulation von Treibhausgasenzu übernehmen. Wenn wir dies nichttun, wer sonst?Herr Biber, von der Politik hat man denEindruck, dass sehr viel geredet <strong>und</strong> weniggetan wird. Täuscht der Eindruck?Biber: Ja, sicher. Wir müssen zwei Ebenenunterscheiden. Zum einen geht es um den <strong>Klimawandel</strong>generell <strong>und</strong> die Massnahmen, diein internationalen Abkommen beschlossenoder zumindest diskutiert werden. Zum anderengeht es um spezifische Massnahmen zurErhaltung der Biodiversität. Zwischen Massnahmenim Klimaschutz <strong>und</strong> im Biodiversitätsschutzbesteht ein grosses Potenzial fürSynergien. Beispielsweise können Massnahmenzur Erhaltung <strong>und</strong> Förderung der biologischenVielfalt dem Klimaschutz dienen.So können artenreiche Ökosysteme als eineVersicherung gegen extreme Naturereignisseangesehen werden. Der <strong>Klimawandel</strong> kanndeshalb sogar eine Chance sein, um das breitePublikum für die Anliegen der Biodiversitätzu sensibilisieren. Das öffentliche Interesse,das dem <strong>Klimawandel</strong> entgegengebrachtwird, ist gross. Wir müssen nun versuchen,den Biodiversitätsverlust auf die gleiche Ebenezu bringen.Körner: Die Biodiversität als Versicherungist ein ganz wichtiges Stichwort. Nehmen wirdie Alpen: Die waldfreien Hänge bleiben nurdann oben, wenn die Wiesen <strong>und</strong> Weiden einegrosse Artenvielfalt aufweisen. Jede Art erfüllteine ganz bestimmte Funktion. Pflanzen mittiefen Pfahlwurzeln brauchen wir, um gegenStarkregen versichert zu sein, Flachwurzlerbrauchen wir, damit der Hang während Trockenperiodengegen Winderosion geschützt


ist, andere Pflanzenarten sind vielleicht gegenPilze resistent <strong>und</strong> überleben auch dann, wennder Schnee im Frühjahr lange liegen bleibt. Esbraucht zudem mehrere Spieler im Feld, weilwir nicht wissen, wer morgen nicht mehr daist. Die beste Vorsichtsmassnahme gegen den<strong>Klimawandel</strong> ist deshalb die Erhaltung einermöglichst grossen Biodiversität.Es gibt aber viele Konflikte zwischen Klimaschutz<strong>und</strong> Biodiversitätsschutz. Diesist beispielsweise der Fall, wenn im Zugeder Klimaschutzmassnahmen Restwassermengenverkleinert werden.Biber: Genau deshalb ist es wichtig, denZusammenhang zwischen dem Schutz derBiodiversität <strong>und</strong> dem Klimaschutz aufzuzeigen.Viele Konflikte haben wir schon vorJahren im Rahmen unserer Arbeiten für dieBiodiversitätskonvention erkannt. Ein Konfliktpotenzialgibt es bei der Anrechnung derSenkenfunktion von Ökosystemen. In Chinawerden beispielsweise grossflächige Plantagenmit gentechnisch veränderten Baumartenangepflanzt, die in kurzer Zeit sehr vielKohlendioxid binden können. Hier bestehtein eindeutiger Konflikt mit dem Biodiversitätsschutz.Ein sehr grosses Konfliktpotenzialhat die Zerstörung artenreicher Lebensräumefür den grossflächigen Anbau von Energiepflanzen.Körner: Bei der ganzen Diskussion umdie sogenannten Biotreibstoffe werden dieLeute für dumm verkauft! Das sind, wenn esum Benzin vom Acker geht, grossteils sichergut gemeinte, letztlich aber doch Alibiübungen,die vom eigentlichen Problem ablenken.Statt weniger Treibstoff zu verbrauchen, wirdder Verbrauch grüner gestaltet. Doch grün istdaran sehr wenig. Abgesehen davon, dass beieiner Vollkostenrechnung kaum Treibhausgaseeingespart werden, führt die Tatsache,dass Biomasseprodukte wie Energiemais oderZuckerrohr nicht gegessen werden, zu einembedenkenlosen Einsatz von Düngemitteln<strong>und</strong> Pestiziden <strong>und</strong> einer einseitigen Bodenausnutzung.Nur so können die oft zitiertenExtremerträge erreicht werden. Biodiversitäts-Hotspots von globaler Bedeutung sind mittlerweilevon der Umwandlung in Treibstoffäckerbedroht. Es ist wirklich eine absurde Entwicklung,die auch darin fusst, dass kaum jemanddie Grössenordnungen betrachtet. Wenn wirPositionspapierKlima- <strong>und</strong> BiodiversitätsschutzKlima <strong>und</strong> Biodiversität beeinflussensich gegenseitig; ebenso können KlimaschutzmassnahmenAuswirkungen auf dieBiodiversität haben <strong>und</strong> umgekehrt. Das<strong>Forum</strong> Biodiversität Schweiz erarbeitetzusammen mit ProClim – dem <strong>Forum</strong> fürKlimaveränderung <strong>und</strong> Globalen Wandel– ein Positionspapier, das die Schnittstellezwischen Biodiversitäts- <strong>und</strong> Klimaschutzbeleuchtet. Das Papier soll möglicheSynergien, aber auch Konflikte zwischenMassnahmen aufzeigen, die zum Schutzdes Klimas <strong>und</strong> der Biodiversität getroffenwerden. In Form von Faktenblätternwerden aktuelle Themen wie der Ausbauder Wasserkraftnutzung, der Schutz derFeuchtgebiete <strong>und</strong> die Förderung vonAgrotreibstoffen behandelt. Wo nötig <strong>und</strong>sinnvoll, werden wissenschaftlich f<strong>und</strong>ierteEmpfehlungen zuhanden der SchweizerBehörden <strong>und</strong> Politik abgegeben. DasPositionspapier wird Anfang 2008 veröffentlicht.Die Förderung von Agrotreibstoffen – im Bild Palmölfrüchte– bedroht vielerorts die Biodiversität.Foto Beat Ernst, Baselbeispielsweise die gesamte Holzmenge, diejedes Jahr dem Schweizer Wald entnommenwird, nicht mehr zur Herstellung von Möbeln,Papier oder Häusern benutzen, sondern zumHerumkurven, könnten wir gerade einmal siebenProzent des heutigen Konsums an fossilenEnergieträgern ersetzen. Ich rede hier vomgesamten Holzeinschlag der schweizerischenHolzwirtschaft! Genausowenig bringt es etwas,grossflächig Energiepflanzen anzubauen.Man kann leicht ausrechnen, dass zehn Prozentder Schweizer Landwirtschaftsfläche geradeeinmal drei Prozent des heutigen fossilenEnergiebedarfs der Schweiz decken würden.Das ist so absurd, dass ich dafür plädiere, dieEnergieäcker zu verbieten. Ausgenommen istnatürlich jene Bio energie, die aus Abfall gewonnenwird – das ist die denkbar beste Abfallentsorgung.Den Kohlendioxidausstossbekommen wir aber nur dann in den Griff,wenn wir weniger fossile Energie verbrauchen.Allein mit sparsameren Autos könnten wir dieVorgaben des Kyoto-Protokolls erfüllen, ohnedass Einbussen der Lebensqualität, Änderungenim Lebensstil oder neue Technologiennötig würden. Man würde allenfalls für dieBeschleunigung von 0 auf 100 Kilometer proSt<strong>und</strong>e neun statt acht Sek<strong>und</strong>en brauchen…Biber: Ich denke auch, dass man zuerst dasganze Sparpotenzial ausschöpfen sollte, bevorman nach anderen Lösungen sucht.Körner: Ein weiteres Beispiel: Ungefährdie Hälfte des Stromverbrauchs der SchweizerHaushalte fliesst in die Warmwasseraufbereitung.Gleichzeitig stehen jedem Einwohnerder Schweiz im Durchschnitt 30 QuadratmeterDachfläche zur Verfügung. Etwa zweiQuadratmeter davon bräuchte es, um pro Kopfauch bei trübem Wetter fast immer warmesWasser zu haben. Das ist so trivial. Doch ichsehe in der Schweiz kaum Solaranlagen zurWarmwasseraufbereitung. Wie kann denn dassein? Dabei würde doch die Wirtschaft voneiner Umstellung auf solare Warmwasserherstellungprofitieren. Denken Sie an Industrie<strong>und</strong> Gewerbe <strong>und</strong> die heimische Arbeitsplatzförderung!Stattdessen wird auf B<strong>und</strong>esebeneüber neue Grosskraftwerke nachgedacht.Macht die Schweiz zu wenig beim Klimaschutz?Biber: Die ganze Welt macht zu wenig!Und wie Herr Körner richtig gesagt hat: DieSchweiz könnte sich den Klimaschutz leisten;andere Länder haben weder das Geld noch dieTechnologie dazu. ■Das Interview führten Gregor Klaus,Sylvia Martínez <strong>und</strong> Lisa BoseH O T S P O T 1 3 | 2 0 0 6 D OH O T S P O T 1 6 | 2 0 0 7 B R E N N P U N K T | B I O D I V E R S I T Ä T U N D K L I M A W A N D E L 9


Es grünt auch im WinterDie Rolle des Klimas bei der Ausbreitung der HanfpalmeVon Gian-Reto Walther, LS Pflanzenökologie, Universität Bayreuth, D-95440 Bayreuth, gian-reto.walther@uni-bayreuth.deDie Ausbreitungsgeschichte der Hanfpalme<strong>und</strong> anderer immergrüner Laubholzartenin Mitteleuropa ist kein Zufall,sondern hängt eindeutig mit den zunehmendmilder werdenden winterlichenBedingungen zusammen. An immer mehrStandorten ist das Überleben der Hanfpalmeganzjährig im Freien möglich.Die Hanfpalme (Trachycarpus fortunei) isteine in Südostasien beheimatete Art. Berichtenzufolge konnte die Palme im Tessin bereitszu Beginn des 20. Jahrh<strong>und</strong>erts in Gärtenganzjährig im Freien gehalten werden. Für denSprung in die Wildnis reichten die Bedingungenzu jener Zeit jedoch noch nicht aus.Betrachten wir die nördliche bzw. obereVerbreitungsgrenze für Trachycarpus fortuneiim Heimatgebiet: Diese lässt sich bei einerDurchschnittstemperatur des kältesten Monatszwischen +2 <strong>und</strong> +2,5 °C eingrenzen –vorausgesetzt, es wird über das ganze Jahr hinwegeine bestimmte Wärmesumme erreicht(2000 bis 2500 kumulierte Tagesgrade über5 °C). Diese klimatische Sollgrösse des Heimatgebietskann mit den lokalen Verhältnissenim Fremdgebiet verglichen werden. Aufdie Alpensüdseite übertragen bedeutet dies,dass bis Ende der ersten Hälfte des 20. Jahrh<strong>und</strong>ertsnur kurze Perioden mit günstigenklimatischen Bedingungen auftraten. Diesereichten nicht aus, um ein dauerhaftes Aufkommen<strong>und</strong> Etablieren von Palmenbeständenzu ermöglichen, da sie immer wiederdurch längere Phasen ungünstiger Bedingungenunterbrochen wurden. Erst in der zweitenHälfte des 20. Jahrh<strong>und</strong>erts blieb das langjährigeMittel vorwiegend im Bereich günstigerklimatischer Verhältnisse, <strong>und</strong> seit den 1970erJahren liegen die winterlichen Bedingungender Südschweiz deutlich über dem kritischenSchwellenwert <strong>und</strong> damit im günstigen klimatischenBereich – vergleichbar mit den Bedingungenim Heimatgebiet der Palme.Januarmitteltemperatur in °Celsius6543210-1-2--------186418751886189719081919Verlauf der Durchschnittstemperaturen im Januar seit Beginn der meteorologischen Aufzeichnungen der KlimastationLugano (273 m ü. M.; www.meteoschweiz.ch/web/de/klima/klimaentwicklung/homogene_reihen.html).Dabei wurde der klimatische Schwellenwert berücksichtigt, der die Verbreitung der Chinesischen Hanfpalme(unten im Bild) im Heimatgebiet limitiert (+2 °C). Mit dem langjährigen Mittel (grüne Linie) werden die für diePalmen günstigen klimatischen Perioden (grün hinterlegte Flächen) hervorgehoben. Foto Photo G.-R. WaltherDie Ausbreitungsgeschichte der Hanfpalmeauf der Alpensüdseite verlief parallel zudieser klimatischen Entwicklung. C. Schröterberichtet 1936 in seiner «Flora des Südens»von Wiesen junger Pälmchen unter Bäumen,die den Amseln als Ruhesitz dienen. DiesePalmensämlinge sollen sich aber zu jener Zeitnicht weiterentwickelt haben <strong>und</strong> gingen früheroder später wieder ein. In den fünfziger<strong>und</strong> frühen sechziger Jahren des 20. Jahrh<strong>und</strong>ertsfinden sich erstmals Meldungen verwilderterimmergrüner Arten in besondersgünstigen Lagen, beispielsweise an den Südhängenoberhalb von Porto Ronco in feuchtenFelsschluchten. Ende der 1970er Jahre wurden19301941195219621974erstmals kleine Palmen in Wäldern in derKrautschicht nachgewiesen. Seither ist es nichtnur der Hanfpalme sondern auch anderen immergrünenExoten gelungen, in die Strauch-<strong>und</strong> Baumschicht der Wälder aufzuwachsen<strong>und</strong> fruchtende Exemplare auszubilden.Auf die Alpennordseite übertragen bedeutetdies, dass wir erst am Anfang des Einwanderungsprozessesstehen. Im Hinblick auf denfortschreitenden <strong>Klimawandel</strong> dürfte sich dieEntwicklung, wie sie auf der Alpensüdseite imletzten Jahrh<strong>und</strong>ert abgelaufen ist, in diesemJahrh<strong>und</strong>ert an manchen Orten der Alpennordseitewiederholen. ■198519962007H O T S P O T 1 3 | 2 0 0 6 D OH O T S P O T 1 6 | 2 0 0 7 B R E N N P U N K T | B I O D I V E R S I T Ä T U N D K L I M A W A N D E L 11


H O T S P O T 1 6 | 2 0 0 7 B R E N N P U N K T 12Manche mögens heissInsekten auf dem VormarschVon Peter Duelli, Eidgenössische Forschungsanstalt WSL, CH-8903Birmensdorf, peter.duelli@wsl.chInsekten gehören zu den Gewinnern derKlimaerwärmung. Unter den Neueinwanderernsind allerdings viele Artenmit invasivem Potenzial. Die Landwirtschaft<strong>und</strong> die Forstwirtschaft werdenden Faunenwechsel besonders stark zuspüren bekommen.Am 26. Mai 2007 schlüpften die erstenAlpenbockkäfer – genau einen Monat früherals in anderen Jahren. Die Mai- <strong>und</strong> Junikäferwurden zu Aprilkäfern, <strong>und</strong> zu Silvester 2006flog der Admiral – ein Tagfalter – im Sihltalbei Zürich. Mitten im Winter sollte er eigentlichim Süden oder erfroren sein.Warme SommerInsekten sind wechselwarm; alles gehtschneller, je wärmer es ist. Sie entwickelnsich schneller, sind aktiver <strong>und</strong> damit mobiler,<strong>und</strong> pflanzen sich schneller fort. In einemwarmen Jahr können bei vielen Artenmehrere Generationen entstehen. Eine überdurchschnittlichwarme Vegetationsperiodeoder gar eine ganze Folge davon führendemnach mit grosser Wahrscheinlichkeit zueinem starken Populationswachstum in derInsektenwelt. Allerdings entwickeln <strong>und</strong> vermehrensich in einem warmen Sommer auchdie Gegenspieler wie Räuber, Parasitoide <strong>und</strong>Krankheitserreger schneller. Sie dämpfen dadurchim Einzelfall das Populationswachstum.Milde WinterViele Insekten sind frostempfindlich. Beiden meisten Arten ist daher der kalte Winterder limitierende Faktor für die Ausbreitungnach Norden oder in höhere Lagen. In einemwarmen Winter mit wenigen <strong>und</strong> schwachenSpätfrösten, wie er 2006/2007 aufgetreten ist,überleben weit mehr Individuen als normal.Jeden Sommer wandern viele mediterraneInsekten aus dem Süden <strong>und</strong> Westen in diePotenzielle Gewinner des <strong>Klimawandel</strong>s: 1 Der Ameisenbuntkäfer (Thanasimus formicarius) beim Überwältigeneines Borkenkäfers; Foto B. Fecker. 2 Die Malvenwanze (Oxycarenus lavaterae) liebt die höheren Temperaturen;Foto B. Wermelinger. 3 Der Asiatische Marienkäfer (Harmonia axyridis); Foto B. Wermelinger. 4 Gehört zu denmutmasslichen Verlierern: Der Gletscherfloh (Isotoma saltans); Foto P. DuelliSchweiz ein. In warmen Wintern überlebendie kälteresistentesten unter ihnen <strong>und</strong> könnensich im Frühling fortpflanzen. Ob dieseNeozoen einheimische Arten verdrängen,sollte unbedingt mittels geeigneter Monitoringprogrammeuntersucht werden.ExtremereignisseDer <strong>Klimawandel</strong> hat auch indirekte Auswirkungenauf die Insektenfauna. Die für dieSchweiz prognostizierte Klimaerwärmung dernächsten 50 Jahre ist mit einer zunehmendenTrockenheit verb<strong>und</strong>en. Diese führt zu vermehrtenWaldbränden <strong>und</strong> Auflichtungendurch Borkenkäfer. Nach Waldbränden imTessin <strong>und</strong> oberhalb von Leuk im Wallis hatsich gezeigt, dass die Insektenfauna auf solchedrastischen Störungen mit starken, mehr oderweniger schnell vorübergehenden Artenzunahmenreagiert. Auch die massiven Windwürfeder Stürme Vivian <strong>und</strong> Lothar haben inden Wäldern zu einer starken Zunahme derlokalen Artenvielfalt geführt.1BewirtschaftungsänderungenWenn wir die Klimamodelle für die nächs-ten 50 Jahre nicht verdrängen, die für dieSchweiz eine Erwärmung von mindestenszwei Grad voraussagen, müssen wir mit drastischenBewirtschaftungsänderungen rechnen.Sie werden nach den sozioökonomischbedingten Umwälzungen der Landnutzungder letzten 50 Jahre die Land- <strong>und</strong> Forstwirtschaftnochmals gr<strong>und</strong>legend umgestalten.Damit wird sich auch die Artenzusammensetzungder Flora <strong>und</strong> der Fauna verändernmüssen. Durch die kurze Generationszeit <strong>und</strong>die hohe Mobilität der Insekten sind dieseVeränderungen bei der Insektenfauna besondersschnell sichtbar.Die Rückkehr der Maikäfer –<strong>und</strong> der Wiedehopfe?Noch vor 50 Jahren hatte jede Region derSchweiz alle drei Jahre ihr «Maikäferflugjahr»,bei dem die Tiere in Massen um die Strassenlaternenflogen, <strong>und</strong> in den Zwischenjahrendie Engerlinge in der Landwirtschaft grosseSchäden anrichteten. Die Strassenlaternen(<strong>und</strong> andere starke Lichtquellen, die die Käfer22


verwirren) sowie die Bekämpfung der Maikäfermit Insektiziden <strong>und</strong> Pilzpräparaten habendazu geführt, dass die meisten Menschen inder Schweiz den Maikäfer heute nur noch inSchokoladeform kennen.Zurzeit hören wir wieder von ländlichenRegionen, die mit Maikäferschäden konfrontiertsind. Auch in den Städten werden wiedereinzelne Maikäfer gesichtet, allerdings alsAprilkäfer. Die Forschungsanstalt AgroscopeART Reckenholz untersucht die Maikäferpo-pulationen seit Jahren <strong>und</strong> fand im Hitzesommer2003 heraus, dass etwa 15 bis 20% derMaikäfer vom traditionellen Dreijahreszykluszu einem zweijährigen Zyklus übergegangensind. Das heisst, dass schon bald die striktelokale Trennung in Flugjahre aufgehoben seinwird. Fliegen in Zukunft nun lokal jedes JahrMaikäfer, werden sich die potenziellen Gegenspielerdarauf einrichten. So könnte derWiedehopf, von dem man annimmt, dass erwegen der in der Brutzeit fehlenden Grossinsektenbei uns so selten ist, allmählich wiederhäufiger werden.Auswirkungen auf die LandwirtschaftDie Landwirtschaft wird den klimatischbedingten Faunenwandel der Insekten amstärksten zu spüren bekommen: Die Blattläusevermehren sich nach milden Winternviel schneller. Für die Hopfenblattläuse wargemäss Christian Schweizer von der ARTReckenholz das Jahr 2007 ein Rekordjahr bezüglichFlugstart. Die vielen Blattläuse führenauch zu hohen Populationsdichten der Gegenspieler.So profitiert der in die Schweiz eingewanderteAsiatische Marienkäfer (Harmoniaaxyridis) von der Blattlausschwemme. Ob derNeuankömmling die heimischen Marienkäferartenverdrängt, wie es der Europäische Sie-benpunkt-Marienkäfer in den USA getan hat,ist noch nicht bekannt. Bekannt ist aber, dassder Wein stinkt, wenn Harmonia mitgeerntetwird.Beim Maiszünsler, dem schlimmstenMaisschädling hierzulande, ist damit zu rechnen,dass die hiesige Variante des Falters, diegenetisch bedingt nur eine Generation proJahr hat, durch die mediterrane Variante ersetztwird. Letztere produziert pro Jahr mehrereGenerationen.3Auswirkungen auf die ForstwirtschaftEin Temperaturanstieg wirkt sich sowohlauf holzbohrende als auch auf blatt- <strong>und</strong> nadelfressendeInsekten aus. Borkenkäfer profitiereneinerseits von der mit der Erwärmungeinhergehenden Trockenheit, die die Bäumeschwächt. Anderseits kann auch hier ein warmerSommer zu mehr Generationen führen.Im Hitzesommer 2003 wurden in tieferen Lagender Schweiz drei Generationen des Buchdruckersbeobachtet, in höheren zwei statt derüblichen einen.Beat Wermelinger <strong>und</strong> Beat Forster vonder Forschungsanstalt WSL untersuchen denEinfluss warmer Winter <strong>und</strong> Sommer auf diePopulationsentwicklung des Buchdruckers,des wichtigsten Waldschädlings der Schweiz.Während in normalen Wintern fast nur dieAdulttiere überleben, überstehen in mildenWintern sogar die Larven unter der Rinde.Anderseits sind auch die Räuber <strong>und</strong> insektenpathogenenPilze aktiver. Wer letztlich vonder Erwärmung mehr Vorteile hat, ist nochunklar.Invasion in die Städte?Wir werden vor allem in den Städten, wosich die Klimaerwärmung am schnellsten manifestiert,in den nächsten Jahren viele Neuankömmlingebeobachten können. Vorbotenwaren zum Beispiel eine Massenvermehrungder mediterranen Malvenwanze (Oxycarenuslavaterae) im Jahr 2004 in Basel <strong>und</strong> die Warnschriftenvor den giftigen Haaren der Raupendes Pinien- <strong>und</strong> Eichenprozessionsspinnersvorerst vor allem in der Süd- <strong>und</strong> Westschweiz.Aber auch das erste massive Auftreten der4Wolligen Napfschildlaus im Jahr 1992 mittenin Zürich, der Rosskastanienminiermotteseit 1998, sowie der Eichennetzwanze im Jahr2002 ist eine Folge wärmerer Bedingungen. Siealle werden in Zukunft die Biodiversität derSchweiz bereichern, ob wir das wollen odernicht. Für den Naturschutz wird sich die Fragestellen, wie <strong>und</strong> mit wieviel Aufwand wir verhindernwollen, dass die Verlierer der Klimaerwärmungaus der Schweiz, dem Alpenraumoder gar der Welt verschwinden.BiodiversitätsbilanzInsgesamt nimmt mit zunehmendenTemperaturen im Winter (Überleben) <strong>und</strong> imSommer (Vermehrung, Einwanderung) dieAnzahl neuer Arten in der Schweiz stark zu.Diese Arten sind in ihren Herkunftsgebietenmeist noch häufig. In der Schweiz gehen jedochgefährdete Arten verloren, die entwederkälteadaptierte Endemiten sind, oder von einwanderndenArten verdrängt werden. DieseVerluste – auch wenn sie nur vergleichsweisewenige Arten betreffen – sind qualitativ gravierenderfür die weltweite Biodiversität alsdie lokalen quantitativen Gewinne durch diezahlreichen Einwanderer. ■H O T S P O T 1 6 | 2 0 0 7 B R E N N P U N K T | B I O D I V E R S I T Ä T U N D K L I M A W A N D E L 13


H O T S P O T 1 6 | 2 0 0 7 B R E N N P U N K T 14Auswirkungen der Klimaerwärmungauf die VogelweltVon Niklaus Zbinden, Verena Keller <strong>und</strong> Hans Schmid, Schweizerische Vogelwarte, CH-6204 Sempach, niklaus.zbinden@vogelwarte.chAuch die Vogelwelt ist vom <strong>Klimawandel</strong>betroffen. Während die einen profitieren,geraten andere in Bedrängnis.Besonders schlecht sieht es für dieHochgebirgsbewohner <strong>und</strong> die Langstreckenzieheraus.Vögel sind wie kaum eine andere Tiergruppein der Lage, auf sich ändernde Umweltbedingungensofort durch Zu- oder Abwanderungzu reagieren. Natürliche klimatischeSchwankungen haben deshalb schon immerzu Änderungen der Artenzusammensetzunggeführt.Seit etwa 10 000 Jahren nimmt der Menschmit zunehmender Geschwindigkeit Einflussauf die Lebensbedingungen unserer Vogelwelt.Zunächst profitierten viele Arten deroffeneren Landschaften von den Waldrodungen<strong>und</strong> der naturnahen Bewirtschaftung desKulturlandes. Seit Mitte des 20. Jahrh<strong>und</strong>ertshat allerdings eine enorme Intensivierung derLandnutzung eingesetzt. Diese Entwicklunghatte zunehmend negative Folgen für Tiere<strong>und</strong> Pflanzen. Neuerdings wird auch dasKlima entscheidend vom Mensch beeinflusst.Damit steuern wir heute die beiden wichtigstenFaktoren – Landnutzung <strong>und</strong> Klima – diedas Vorkommen der Vogelarten bestimmen.Dementsprechend ist die Situation für die Vogelweltheute weltweit besonders kritisch.Ob sich die Klimaerwärmung auf die einheimischenBrutvogelarten positiv oder negativauswirken wird, lässt sich zur Zeit nur inEinzelfällen sagen. Positive Effekte wie höhereTemperaturen zur Brutzeit könnten durchhäufiger auftretende Extremereignisse wiederzunichte gemacht werden. Vogelarten, die andie harschen Bedingungen des Hochgebirgesgut angepasst sind, werden vermutlich von derKlimaerwärmung besonders stark betroffensein. In den tieferen Lagen ihres Verbreitungsgebieteswerden sie Terrain verlieren. Es mussbeispielsweise davon ausgegangen werden,Dem Alpenschneehuhn wird es an warmen Sommertagen zu heiss. Es sucht schattige Stellen auf <strong>und</strong> versucht,sich durch Hecheln Kühlung zu verschaffen. Tiefliegende Vorkommen verschwinden als Folge der Klimaerwärmung.Foto Ch. Marti, Schweizerische Vogelwarte Sempachdass der seit 1990 dokumentierte Rückgangdes Alpenschneehuhns durch die Klimaerwärmungzumindest mitverursacht wird. DasVerbreitungsgebiet dieser Art könnte Modellrechnungenzufolge bis ins Jahr 2070 um fastdie Hälfte schrumpfen. Nur wenn in höherenLagen innert nützlicher Frist genügend vonPflanzen besiedelbare Böden entstehen <strong>und</strong>sich dort eine ausreichende Pflanzendeckeentwickeln würde, könnten Gebietsverlusteteilweise wett gemacht werden.Grosse Probleme für Organismen sinddann zu erwarten, wenn der kurzzeitig starkeBedarf nach einer bestimmten Ressourcedurch ein verändertes Temperaturregime vonder Verfügbarkeit dieser Ressource entkoppeltwird. So findet der Austritt der Blättervon Laubbäumen immer früher statt. Somitsetzt auch die Entwicklung der Raupen, diefür Meisen, Trauerschnäpper <strong>und</strong> viele andereArten die wichtigste Futterquelle zur Aufzuchtder Jungen sind, früher ein. Will derTrauerschnäpper seine Jungen in der Zeit desMaximums der verfügbaren Raupen aufziehen,muss er seine Rückkehr aus dem afrikanischenWinterquartier vorverlegen. Gelingtihm das nicht, sinkt der Bruterfolg.Standvögel <strong>und</strong> Kurzstreckenzieher überwinterndagegen im Brutgebiet oder nichtweit davon entfernt. Sie können sich eher aufden zeitigeren Frühlingsbeginn einstellen.Bei Arten, die Zweit- oder sogar Drittbrutendurchführen können, nimmt der Bruterfolgbesonders stark zu – allerdings nur dann,wenn während der Jungenaufzucht ein genügendgrosses Nahrungsangebot bereit steht<strong>und</strong> viele Jungtiere mit einer guten Konditiondas Nest verlassen.Ein früher Abschluss der Jungenaufzuchtbietet denjenigen Arten, die südlich der Saharaüberwintern, Vorteile. Sie können ihreReise in den Süden vor dem Einsetzen derTrockenzeit im Sahel antreten. Insgesamt sindsie jedoch einem stärkeren Konkurrenzdruckdurch Standvögel <strong>und</strong> Kurzstreckenzieherausgesetzt. ■


Der Wald im <strong>Klimawandel</strong>Einzelne Veränderungen heute bereits nachweisbarVon Martine Rebetez, Eidgenössische Forschungsanstalt WSL, site de Lausanne, CH-1015 Lausanne, rebetez@wsl.chDer <strong>Klimawandel</strong> mit seinen extremenWetterverhältnissen <strong>und</strong> den hohenTemperaturen wird auch im Wald zu Veränderungenführen. Weil der Wald einsehr langlebiges Ökosystem ist, tritt derWandel hier nur schleichend auf.Seit ungefähr 30 Jahren steigen in derSchweiz die Temperaturen um durchschnittlich0,6 °C pro Jahrzehnt an. Sie haben stetsdoppelt so schnell zugenommen als im Durchschnittder nördlichen Hemisphäre.Während im Winter die Variabilitätder Temperaturen abnimmt, steigtsie im Sommer. Das bedeutet, dassextreme Hitzeperioden häufiger auftretenwerden, als dies aufgr<strong>und</strong> derMittelwerte zu erwarten wäre. ImWinter hingegen beschleunigt sichdie Abnahme der Kälteperioden. DieNiederschläge verändern sich zwarnicht, soweit vom Jahresmittel dieRede ist, aber sie werden extremer:Starkniederschläge werden häufiger,vor allem im Tessin.Um zu begreifen, dass die Veränderungsich in noch nie dagewesenemTempo abspielt, muss manwissen, dass am Ende der letzten Eiszeitunter ausschliesslich natürlichenBedingungen mehrere tausend Jahrenotwendig waren, um die Temperaturenum einige wenige Grad zuerhöhen. Im Verlauf des letztenJahrtausends trennten nur einigeZehntel Grad die wärmsten Episoden(Klimaoptimum des Mittelalters) von denkältesten (Kleine Eiszeit). Mehr noch als dieAbsolutwerte der Temperaturen wird allerdingsder Rhythmus der Temperaturerhöhungdie Reaktion der Ökosysteme bestimmen.Waldökosysteme reagieren sehr langsamauf Veränderungen der Umweltbedingungen.Die Höhenverschiebung, die derzeit bei zirka100 Meter pro Jahrzehnt liegen dürfte, trittnicht schlagartig ein. So ist zum Beispiel derAnstieg der Baumgrenze, den man logischerweiseaufgr<strong>und</strong> der Temperaturerhöhung erwartenkann, noch kaum bemerkbar.Einzelne Veränderungen werden aberschon heute festgestellt. Im Vergleich mitDer <strong>Klimawandel</strong> führt im Wallis zu einem Föhrensterben.Foto M. Dobbertin, WSLErhebungen, die im Jahr 1910 durchgeführtwurden, hat sich die Höhengrenze der Mistelin den Walliser Alpen schon um mindestens200 Meter nach oben verschoben. Und dieWaldföhre verschwindet nach <strong>und</strong> nach vonden wärmsten Standorten des Rhonetals <strong>und</strong>den tiefen Lagen des Saastals. Für eine solcheEntwicklung typisch ist die Unregelmässigkeitihres Ablaufs, der stark von speziellen Wetterverhältnissenbeeinflusst wird: Infolge vonsehr heissen <strong>und</strong> trockenen Sommern kannman beobachten, wie sich das Föhrensterbenauf den am stärksten exponierten Standortenverschlimmert. Gleichzeitig nehmen aufdenselben Standorten die Eichen zu, die keinProblem mit Hitze <strong>und</strong> Trockenheithaben. Nach extremen Wetterverhältnissen(z.B. der Orkan LotharEnde 1999 <strong>und</strong> die Hitzewelle imSommer 2003) hatte der Borkenkäferin einigen Fichtenwäldern leichtesSpiel (siehe Artikel von PeterDuelli). Und das Vorkommen vontropischen Gehölzen in den TessinerWäldern bedeutet, dass hier einesignifikante Temperaturschwelleüberschritten wurde (siehe Artikelvon Gian-Retho Walther).Theoretisch wird eine allgemeineVerschiebung aller Baumartenin höhere Lagen erwartet. Dochdie Realität ist viel komplizierter.Der Konkurrenzkampf der Artenuntereinander <strong>und</strong> die Vormachtstellungder schon vorhandenenArten auf einem Standort spielennämlich ebenfalls eine Rolle. Veränderungenwerden vor allem durchExtremereignisse wie Hitze- oderTrockenperioden ausgelöst oderauch beim Überschreiten von Schwellenwerten.Die Tatsache, dass ein Baum viele Jahrefür sein Wachstum braucht, trägt ausserdemdazu bei, dass sich unsere Landschaften nichtso schnell verändern, wie dies das theoretischeSchema der Temperaturentwicklung vermutenlässt. ■H O T S P O T 1 3 | 2 0 0 6 D OH O T S P O T 1 6 | 2 0 0 7 B R E N N P U N K T | B I O D I V E R S I T Ä T U N D K L I M A W A N D E L 15


H O T S P O T 1 6 | 2 0 0 7 B R E N N P U N K T 16Biodiversität als VersicherungArtenreiche Wiesen trotzen dem <strong>Klimawandel</strong>Von Nina Buchmann, Institut für Pflanzenwissenschaften, ETH Zürich, CH-8092 Zürich, nina.buchmann@ipw.agrl.ethz.chMehrere Studien haben gezeigt, dassvielfältige Wiesengemeinschaftenbesser mit Trockenperioden fertig werdenals artenarme Wiesen. Angesichtsder drohenden Klimaveränderungstellt sich die Frage, ob wir uns einenweiteren Verlust an Biodiversität leistenkönnen.Fast drei Viertel der landwirtschaftlichenNutzfläche der Schweiz werden als Wiesen<strong>und</strong> Weiden genutzt. Die Palette reicht von artenarmen,intensiv genutzten Kunstwiesen bishin zu artenreichen, extensiven Naturweiden.Insgesamt ist die Artenvielfalt in den Wiesen<strong>und</strong> Weiden seit Mitte des letzten Jahrh<strong>und</strong>ertskontinuierlich gesunken. Diese Entwicklungist einerseits auf die Intensivierung der Nutzungzurückzuführen, andererseits aber auchauf die Nutzungsaufgabe abgelegener Flächenin den Berggebieten.Auch der <strong>Klimawandel</strong> macht vor diesenFlächen nicht halt. Die Wissenschaft untersuchtdeshalb mit verschiedenen Ansätzendie Auswirkungen des <strong>Klimawandel</strong>s, der fürdie Schweiz höhere Temperaturen <strong>und</strong> häufigereTrockenperioden bringen dürfte. ImRahmen des «NCCR Climate» werden beispielsweisean den ETH-ForschungsstationenChamau, Früebüel <strong>und</strong> Alp Weissenstein dieFolgen reduzierter Sommerniederschläge aufdie Produktivität, den Nährstoffhaushalt <strong>und</strong>die Artenzusammensetzung von Graslandsystemenuntersucht. Erste Ergebnisse zeigenein sehr differenziertes Bild: Die artenreichenWiesen auf der Alp Weissenstein produziertenunter den transparenten Dächern signifikantweniger oberirdische Biomasse als in denKontrollflächen; die Pflanzen zeigten zudemklare Anzeichen von physiologischem Stress<strong>und</strong> höhere Sterblichkeit. Auf der Chamauhingegen wurde die Wachstumsreduktion derrelativ artenarmen Wiesenvegetation durchVeränderungen der ArtenzusammensetzungSimulierter <strong>Klimawandel</strong> im Offenland. Foto N. Buchmannüberlagert: Der Unkrautdruck nahm enormzu – mit den entsprechenden Auswirkungenauf die Futterqualität für die Nutztierhaltung<strong>und</strong> den Arbeitsaufwand für die Landwirte.Die Unterschiede in den Artenzahlen dürftenzu den gegensätzlichen Reaktionen beigetragenhaben. Ergebnisse aus dem weltweit grösstenBiodiversitätsversuch im Grasland («TheJena Experiment»; Roscher et al. 2005) unterstützendiese Theorie.Dass die Artenvielfalt eine «Versicherung»gegen Störungen ist, konnte bereits in früherenFreilanduntersuchungen im ThüringerSchiefergebirge gezeigt werden (Kahmen et al.2005). Auch hier wurde Trockenheit simuliert,jedoch entlang eines Biodiversitätsgradientenunter sonst vergleichbaren Bedingungen. Dieextensiv bewirtschafteten Wiesen reagiertenmit reduziertem oberirdischem Wachstum aufdie Trockenheit, ungeachtet des Artenreichtumsder Wiesen. Im Gegensatz dazu nahmdie Wurzelproduktion mit steigendem Artenreichtumsignifikant zu, <strong>und</strong> erhöhte so dieschon früher postulierte Stabilität von artenreichenWiesen gegen klimatische Störungen.Eine umfassende Metastudie untermauertedie positiven Effekte der Biodiversität auf dieStabilität verschiedener Systeme (Balvanera etal. 2006). Da in Zukunft Sommertrockenheitenvermehrt auftreten dürften (IPCC 2007),sind der Schutz <strong>und</strong> die Erhaltung der Biodiversitäteine dringliche Massnahme, um Ökosystemdienstleistungenwie die Futterproduktionoder der Erosionsschutz auch weiterhinaufrechterhalten zu können. ■Literatur: www.biodiversity.ch/publications/hotspot


Konzepte zum Biodiversitätsschutz anpassenMit Klimakorridoren Schutzgebiete vernetzenVon Norbert Kräuchi, Eidgenössische Forschungsanstalt WSL, CH-8903 Birmensdorf, norbert.kraeuchi@wsl.chDer <strong>Klimawandel</strong> muss in die Konzeptedes Biodiversitätsschutzeseinbezogen werden. So genannteKlimakorridore könnten helfen, dassbedrohte Arten Schutzgebiete mitungünstigen Lebensbedingungenverlassen <strong>und</strong> in günstige Gebietewandern können.Angesichts des sich abzeichnenden <strong>Klimawandel</strong>s<strong>und</strong> der damit verb<strong>und</strong>enen Zunahmevon Extremereignissen müssen wirdamit rechnen, dass sich die uns vertrautenBilder unserer Wälder <strong>und</strong> Landschaften verändernwerden. Die Ökosysteme werden sichanpassen müssen, doch stellt sich die Frage,inwieweit diese Anpassung – ohne Biodiversitätsverluste– bei intensiver Landnutzung <strong>und</strong>unter dem Aspekt statischer Schutzgebieteüberhaupt möglich ist.Die wissenschaftlichen Erkenntnisse zumAusmass des <strong>Klimawandel</strong>s in der Schweizsprechen eine deutliche Sprache. Die wahrscheinlichstenSzenarien gehen von einer Erwärmungvon 1,4 bis 4,8 °C bis ins Jahr 2100aus (OcCC 2007). Die höheren Temperaturenwerden zu einer Wanderung der Arten in höheroder nördlicher gelegene Gebiete <strong>und</strong> zuentsprechenden Arealveränderungen führen.Pflanzen <strong>und</strong> Tiere haben im Laufe derEvolution Strategien entwickelt, um sich aufklimatische Veränderungen optimal einzustellen.Das Vorkommen einer Art setzt voraus,dass sich diese Art in das Gebiet ausgebreitet,hier überlebt <strong>und</strong> etabliert hat. Ihre genetischeDiversität entspricht also einer Anpassung andie gegenwärtigen Umweltbedingungen, aberauch einem Speicher für Anpassungsoptionenfür neue oder veränderte Lebensbedingungen.Man nimmt heute an, dass Arten mit geringergenetischer Vielfalt, Arten mit eingeschränkterSamenverbreitung oder spezialisierte Arten,welche zu einem bestimmten Zeitpunkt ihresLebens auf bestimmte StandorteigenschaftenDie Bewohner von isolierten Schutzgebieten leben wie in einem Gefängnis <strong>und</strong> können schlechter werdendenLebensbedingungen nicht ausweichen. Foto U. Rehsteinerangewiesen sind, am meisten gefährdet sind.Daraus ableitend <strong>und</strong> vor dem Hintergr<strong>und</strong>einer intensiven Landnutzung <strong>und</strong> einer starkfragmentierten Landschaft sei die Frage nachder Qualität der Schutzgebiete erlaubt, die esbraucht, um die Auswirkungen der Klimaänderungauf die Biodiversität zu mildern.In der Schweiz sind 5,5% der Landesflächefür den Arten- <strong>und</strong> Biotopschutz reserviert(Fehr et al. 2006). Die zu erwartenden Arealverschiebungen(Pauli et al. 2007) werden jedochdazu führen, dass Tier- <strong>und</strong> Pflanzenartenaus den für sie ausgeschiedenen Schutzgebietenwandern werden, beziehungsweise vonnicht standortheimischen Arten verdrängtwerden (Li et al. 2006). Es ist nicht anzunehmen,dass die bestehenden Schutzgebieteseltenen <strong>und</strong> gefährdeten Arten längerfristigdas Überleben unter sich so rasant änderndenklimatischen Bedingungen ermöglichen werden.Um dem Aspekt der Arealverschiebunggerecht zu werden, braucht es einen zusätzlichenIndikator bei der Ausscheidung vonSchutzgebieten: Ihr Potenzial als Klimakorridor.Dieser zeigt den Mehrwert eines Schutzgebieteshinsichtlich Arealverschiebungen.Erst die überregionale <strong>und</strong> transnationaleräumliche Vernetzung bestehender isolierter<strong>und</strong> kleinflächiger Schutzgebiete wird Tieren<strong>und</strong> Pflanzen das Überwinden von natürlichenBarrieren <strong>und</strong> künstlichen Hindernissenermöglichen <strong>und</strong> mithelfen, Biodiversität zuerhalten – eine grosse Herausforderung fürPolitik <strong>und</strong> Gesellschaft in einem Gebirgsland,welches überdurchschnittlich stark vonden Auswirkungen des <strong>Klimawandel</strong>s betroffensein wird. ■Literatur: www.biodiversity.ch/publications/hotspotH O T S P O T 1 6 | 2 0 0 7 B R E N N P U N K T | B I O D I V E R S I T Ä T U N D K L I M A W A N D E L 17


H O T S P O T 1 6 | 2 0 0 7 J O U R N A L 18Vernetzungzwischen Theorie <strong>und</strong> PraxisVon Daniela Pauli, <strong>Forum</strong> Biodiversität Schweiz, CH-3007 Bern, pauli@scnat.chDie Fragmentierung von Lebensräumengilt als eine der Hauptursachen für denRückgang vieler Populationen seltenerArten <strong>und</strong> damit auch der gesamtenBiodiversität. Die Vernetzung der Landschaftdurch lineare Elemente <strong>und</strong>Trittsteine soll hier Abhilfe schaffen.Die Ausweisung von sogenannten Wanderkorridorenwird auch deshalb immerwichtiger, weil Pflanzen <strong>und</strong> Tiere alsReaktion auf den globalen <strong>Klimawandel</strong>ihre Areale weiträumig verschieben werden.An der Tagung SWIFCOB 7, die das<strong>Forum</strong> Biodiversität Schweiz am 9. November2007 im NaturhistorischenMuseum Bern durchführt, diskutierenForschende <strong>und</strong> Fachleute aus Praxis<strong>und</strong> Verwaltung das Potenzial <strong>und</strong> dieGrenzen von Vernetzungsmassnahmen.Isolierte Lebensräume wieder miteinanderzu verbinden, ist in den letzten Jahren zueinem wichtigen Element des Naturschutzesgeworden. Mit der Ökoqualitätsverordnung,die seit Mai 2001 in Kraft ist, floss der Gedankeder Vernetzung auch in den ökologischenAusgleich ein: Landwirte, deren ökologischeAusgleichsflächen eine gute Qualität aufweisen<strong>und</strong>/oder mit andern Flächen vernetztsind, können zusätzliche Direktzahlungen beantragen.Vor drei Jahren publizierte das B<strong>und</strong>esamtfür Umwelt den Schlussbericht zum«Nationalen ökologischen Netzwerk» RENals Vision für einen landesweit vernetzten Lebensraum.Und der aktuelle Bericht «UmweltSchweiz 2007» des B<strong>und</strong>es rät dazu, in grossemMassstab Biotopvernetzungen vorzunehmen,um der Fragmentierung der Lebensräumeentgegen zu wirken.Die Idee der Vernetzung klingt verlockend– doch noch immer ist wenig darüberbekannt, ob <strong>und</strong> wie Pflanzen <strong>und</strong> Tiere vonden extra für sie angelegten Trittsteinen <strong>und</strong>linearen Vernetzungselementen profitieren.Trittsteine wie Buschgruppen <strong>und</strong> Einzelbäume schaffen neue Lebensräume <strong>und</strong> helfen, isolierte Populationenmiteinander zu verbinden. Foto D. PauliVernetzungen im funktionellen Sinn müsstendazu führen, dass zwischen isolierten Populationenwieder ein Austausch stattfindet. Allerdingsgibt es nur sehr wenige wissenschaftlicheErkenntnisse zur Qualität <strong>und</strong> Quantitätdes Austausches. «Vernetzungsmassnahmenpassieren oft aus dem Bauch heraus», sagtdenn auch André Stapfer, Leiter der SektionNatur <strong>und</strong> Landschaft im Departement Bau,Verkehr <strong>und</strong> Umwelt des Kantons Aargau <strong>und</strong>Mitglied im Organisationskomitee der TagungSWIFCOB 7. An der Tagung stellen Fachleuteaus Wissenschaft, Verwaltung, Öko- <strong>und</strong>Planungsbüros, Beratung <strong>und</strong> NGOs die Erfolgsfaktorenfür wirkungsvolle Vernetzungenzusammen <strong>und</strong> legen die offenen Fragen aufden Tisch.Im ersten Teil der Tagung wird der theoretische<strong>und</strong> wissenschaftliche Hintergr<strong>und</strong>beleuchtet. Die folgenden Fragen stehen imZentrum: Was bedeuten Fragmentierung <strong>und</strong>Isolation von Lebensräumen für Tier- <strong>und</strong>Pflanzenpopulationen? Wie müssten Vernetzungenaussehen, damit Tiere <strong>und</strong> Pflanzenprofitieren? Wann ist eher Isolation stattVernetzung das richtige Rezept? Der zweiteTeil ist den heute bestehenden Konzepten<strong>und</strong> Programmen auf verschiedenen räumlichenEbenen gewidmet. Welche Korridorefür Pflanzen <strong>und</strong> Tiere sind geplant oder stehenschon bereit? Welche wissenschaftlichenGr<strong>und</strong>lagen sind in diese Programme eingeflossen,wie ist der Stand der Umsetzung,<strong>und</strong> wie bewähren sich die Vernetzungen? Imdritten <strong>und</strong> umfangreichsten Teil des Tagesberichten Forschende <strong>und</strong> Fachleute aus derPraxis über ihre Erkenntnisse <strong>und</strong> Erfahrungen.Wie reagieren Pflanzen, Tiere <strong>und</strong> ganzePopulationen auf Vernetzungen? Was sinddie Voraussetzungen für erfolgreiche Vernetzungsprojekte?Wie lassen sich wirkungsvolleVernetzungen charakterisieren? Wo fehlt allenfallsdas Gr<strong>und</strong>lagenwissen, um Vernetzungenzu optimieren? ■Wie freuen uns auf Ihre Teilnahme an SWIFCOB7. Das Programm der Tagung <strong>und</strong> das Anmeldeformularfinden Sie auf www.biodiversity.ch/events. Möchten Sie Ihre praktischen oder wis -senschaftlichen Erfahrungen <strong>und</strong> Resulta te zumThema als Poster präsentieren? Bitte meldenSie uns dies bis spätestens 21. Oktober 2007auf der genannten Website.


Die Klimapolitik der SchweizVon Markus Nauser, Sektion Klima, B<strong>und</strong>esamt für Umwelt BAFU, markus.nauser@bafu.admin.chDie Schweiz hat die Klimakonvention1993 ratifiziert. Die Umsetzungihrer Verpflichtungen betrifft verschiedeneBereiche der Politik, insbesonderedie Umwelt-, Energie-,Verkehrs-, Landwirtschafts-,Wald- <strong>und</strong> Abfallbewirtschaftungspolitik,die Naturgefahrenpräventionsowie die Entwicklungszusammenarbeit.Im Zentrum stehen bislangMassnahmen zur Emissionsreduktionbei der Energienutzung.1992 wurde anlässlich des UNO-UmweltgipfeltreffensDie Verwendung von Energieholz ist bei nachhaltiger Nutzung CO 2 -neutral. Foto BAFU/AURA.in Rio de Janeiro die Klimakon-vention verabschiedet. Sie bildet die Gr<strong>und</strong>lageder international koordinierten Bemühungenzur Eindämmung des <strong>Klimawandel</strong>s <strong>und</strong>zum Umgang mit seinen unvermeidlichenAuswirkungen. Als Auslöser der globalenKlimaerwärmung gelten die vom Menschenverursachten Treibhausgase, insbesondereKohlendioxid (CO2, v.a. aus der Verbrennungfossiler Brenn- <strong>und</strong> Treibstoffe, Abholzungder Tropenwälder), Methan (CH4, v.a. ausViehhaltung, Reisanbau, Abfalldeponien) <strong>und</strong>Lachgas (N2O, v.a. aus Stickstoffdüngung, Industrie).Mit der Ratifikation des Kyoto-Protokolls,welches einen Zusatz zur Klimakonventiondarstellt, hat sich die Schweiz 2003 verpflichtet,ihre Treibhausgasemissionen im Durchschnittder Jahre 2008 bis 2012 gegenüber 1990 um 8Prozent zu verringern. Zur Erreichung dieserZielvorgabe stehen verschiedene Möglichkeitenzur Verfügung:! Reduktion der Emissionen im Inland! Anrechnung der Pflege von sogenanntenKohlenstoffsenken (z.B. wachsende Wälder)im Inland! Investition in klimafre<strong>und</strong>liche Projekteim Ausland bzw. der Kauf von Emissionsgutschriftenaus solchen ProjektenDie wichtigste gesetzliche Gr<strong>und</strong>lage fürdie Emissionsreduktion in der Schweiz ist dasCO2-Gesetz. Dieses verlangt bis 2010 eineReduktion der CO2-Emissionen aus dem Verbrauchfossiler Energieträger um 10 Prozentgegenüber 1990. Zusätzlich zum Gesamtzielgelten Teilziele für Brennstoffe (minus 15Prozent) <strong>und</strong> Treibstoffe (minus 8 Prozent).In erster Linie sind diese Ziele mit freiwilligenMassnahmen der Wirtschaft sowie mitder Umsetzung bestehender energie- <strong>und</strong>verkehrspolitischer Massnahmen zu erreichen– beispielsweise das AktionsprogrammEnergieSchweiz zur Förderung der Energieeffizienz<strong>und</strong> der erneuerbaren Energien oder dieleistungsabhängige Schwerverkehrsabgabe.Als sich 2004 abzuzeichnen begann, dassdiese Massnahmen zur Zielerreichung nichtausreichen werden, hat der B<strong>und</strong>esrat eineCO2-Abgabe auf fossile Brennstoffe beschlossen.Diese wurde im Frühjahr 2007 vom Parlamentgenehmigt. Im Treibstoffbereich hat derB<strong>und</strong>esrat den von der Erdölwirtschaft vorgeschlagenen«Klimarappen» (Aufpreis von 1,5Rappen pro Liter Diesel <strong>und</strong> Benzin zur Finanzierungvon Reduktionsmassnahmen imIn- <strong>und</strong> Ausland) als freiwillige Massnahme«auf Probe» genehmigt. Ergänzend zu diesenMassnahmen beschloss das Parlament imFrühjahr 2007 die Begünstigung von Erdgas<strong>und</strong>Biotreibstoffen bei der Mineralölsteuer.Massnahmen zur Förderung verbrauchsarmerMotorfahrzeuge (sog. Bonus-Malus-System)sind in Vorbereitung.Bei den Treibhausgasen Methan <strong>und</strong> Lachgasist seit 1990 tendenziell eine Abnahme derEmissionen zu beobachten. Daher wurdenhier bisher keine zusätzlichen, klimapolitischmotivierten Massnahmen beschlossen. DieLeistung des Waldes als Kohlenstoffsenke <strong>und</strong>die Teilnahme am Handel mit Emissionsgutschriftensollen bei Bedarf ergänzend zur Zielerreichunggenutzt werden.Für die Zeit nach 2012 sind aufgr<strong>und</strong> desaktuellen wissenschaftlichen Kenntnisstandsweitergehende Reduktionsschritte bei denEmissionen erforderlich, wenn das Risikogravierender Auswirkungen des <strong>Klimawandel</strong>sklein gehalten werden soll. EntsprechendeVerhandlungen wurden auf internationalerEbene 2005 aufgenommen. In der Schweiz istein Strategiepapier zur zukünftigen Klimapolitikin Arbeit, welches dem Parlament imWinterhalbjahr 2007/2008 unterbreitet werdensoll. ■Weiterführende Informationen:www.umwelt-schweiz.ch/klimaH O T S P O T 1 6 | 2 0 0 7 J O U R N A L 19


H O T S P O T 1 6 | 2 0 0 7 J O U R N A L 20Biodiversitäts-Monitoring Schweiz BDMDas BDM ist gewappnet für den <strong>Klimawandel</strong>Von Urs Draeger, Koordinationsstelle BDM, draeger@comm-care.chDas Biodiversitätsmonitoring wird inZukunft zeigen, wie sich der <strong>Klimawandel</strong>auf die biologische Vielfaltunseres Landes auswirkt. Dazu istdas BDM in der Lage, weil es langsame,sich fast unmerklich vollziehendeVeränderungen erfassen kann.Das BDM wurde Mitte der 1990er Jahrekonzeptioniert, zu einer Zeit, als der <strong>Klimawandel</strong>noch kein vordringliches Thema war.Das Programm wurde denn auch nicht spezielldarauf ausgerichtet, etwaige Auswirkungendes Klimas auf die biologische Vielfalt zuregistrieren. Dennoch kann das BDM geradeauch dies zukünftig leisten. Denn das Konzeptdes BDM ist anpassungsfähig <strong>und</strong> erlaubt es,auf Fragen zu reagieren, die in der Planungsphasenoch gar nicht gestellt wurden. Im Falledes <strong>Klimawandel</strong>s ist dies möglich, weil dieFlächen, auf denen das BDM die Artenvielfaltmisst, über lange Zeiträume hinweg beobachtetwerden. Alle fünf Jahre untersuchendie BDM-Mitarbeitenden jede der insgesamtüber 2000 Stichprobeflächen. Im Laufe derJahrzehnte kommen so lange Messreihen zusammen,die es ermöglichen, die schleichendenVeränderungen zu erkennen, die der <strong>Klimawandel</strong>verursacht.So wird sich etwa zeigen, wie sich die Artenzusammensetzungauf den Probeflächenverändert, welche Arten von den steigendenTemperaturen profitieren <strong>und</strong> welche dasNachsehen haben. Einen Vorgeschmack aufneue Verhältnisse lieferten die BDM-Zahlenzum Sommer 2003, als die ungewöhnlicheHitze dazu führte, dass weit mehr Wanderfalterauftraten als in «normalen» Jahren.Wanderungen verfolgenWerden Arten ihr Verbreitungsgebiet unterdem Hitzediktat in kühlere Regionen verlagern?Werden umgekehrt andere Arten inGebiete vorstossen, die ihnen bislang zu kaltwaren? Werden sich eingeschleppte, Wärmeliebende Pflanzen <strong>und</strong> Tiere auf Kosten derheimischen Flora <strong>und</strong> Fauna ausbreiten? Aufsolche Fragen wird das BDM Antworten gebenkönnen, denn die Stichprobeflächen des Programmssind über die ganze Schweiz verteilt,von Süd nach Nord, Ost nach West, von denTieflagen bis in die alpine Stufe. Wanderungsbewegungeninnerhalb der Schweiz können sozuverlässig nachvollzogen werden.Was geschieht hingegen mit Arten, denenkeine Zufluchtsorte bleiben? Insbesondere inden Bergregionen unseres Landes stossen Artenan die Grenzen ihrer Ausbreitungsmöglichkeiten.Arten wie der Eis-Mohrenfalterleben in den kalten Gipfelregionen. Wird esdort wärmer, bleibt solchen Arten womöglichkein Ausweg; sie werden von stärkeren Konkurrentenverdrängt, die durch die Wärmebegünstigt in die höheren Regionen drängen.Ob diese befürchtete Entwicklung tatsächlicheintritt, kann das BDM feststellen, weildas Programm auch in den Bergen über einengmaschiges Netz an Probeflächen verfügt.Diese Flächen sind zwar relativ kostenintensiv,weil sie schwer erreichbar sind <strong>und</strong> eine Begehungim unwegsamen Berggelände mehr Zeitbraucht als im Flachland. Nun zeigt sich abereinmal mehr, dass sich dieser Aufwand lohnt.Denn nur dank diesen alpinen Probeflächenwerden wir die Höhenwanderungen repräsentativbeobachten können. ■<strong>Klimawandel</strong> simulierenWie wird sich der <strong>Klimawandel</strong> auf unsere Umwelt auswirken? Vermindertdas wärmere Klima die Fähigkeit der Ökosysteme, saubere Luft<strong>und</strong> klares Wasser zu produzieren oder vor Lawinen <strong>und</strong> Erdrutschen zuschützen? Solche Fragen beschäftigen uns mit den steigenden Temperaturenimmer häufiger. Inwieweit die Auswirkungen des <strong>Klimawandel</strong>sauf die Biodiversität vorhergesagt werden können, untersuchen derzeitKlimaszenarien reagieren. Aus den Resultaten wollen Pearmann <strong>und</strong>Guisan dann Rückschlüsse für die gesamte Biodiversität ziehen. Zielder Lausanner Biologen ist es, vorerst zu prüfen, ob die BDM-Datenstichfeste Voraussagen zur Biodiversität unter wärmeren Bedingungenzulassen. Erste Resultate sind imkommenden Jahr zu erwarten.Peter B. Pearman (rechts im Bild) <strong>und</strong> Antoine Guisan (links) von derUniversität Lausanne anhand von BDM-Daten. Die beiden Forscherwählen bestimmte Arten aus, um dann mittels mathematischer Modellezu zeigen, wie diese sogenannten Indikatorarten auf verschiedene


Wie reagieren Tagfalter?Seit 2003 beobachtet das BDM die Tagfalter in der Schweiz. In Zukunftwerden die Datenreihen zeigen können, ob sich der <strong>Klimawandel</strong>auf die Schmetterlingsvielfalt auswirkt. Zu erwarten sind Veränderungenvor allem in den Hochalpen. Diese sind heute – neben den in -tensiv genutzten Tieflagen – besonders artenarm (siehe Abbildung 1).Zwischen 2500 <strong>und</strong> 3000 Metern über Meer leben überwiegend spezialisierteArten. Steigt in dieser Höhe die Durchschnittstemperatur,verbessern sich die Lebensbedingungen, so dass auch weniger Artenzahl Höhe(m ü.M.)Abbildung 1: Höhenverteilung der Tagfalter-Artenzahlen (ohne Seeflächen).In den höchsten Lagen sind die Artenzahlen gering.Neophyten profitierenNeophyten sind gebietsfremde, nach der Entdeckung Amerikaseingeschleppte Pflanzenarten. Sie werden sich vermehrt in der Schweizausbreiten, wenn die Temperaturen steigen. Dies zeigt ein Modell vonMichael Nobis von der Eidgenössischen Forschungsanstalt WSL. DerWissenschaftler hat im Auftrag des BDM Faktoren untersucht, die auf diebiologische Vielfalt einwirken. Gemäss dem Modell begünstigen hohedurchschnittliche Jahrestemperaturen <strong>und</strong> die Zersiedelung der Landschaftdie Ausbreitung von Neophyten. Auf den Punkt gebracht bedeutetdies: Je wärmer <strong>und</strong> verbauter ein Gebiet ist, desto mehr Neophytenkommen vor (siehe Abbildung 3). Diese Zusammenhänge erklärenauch, weshalb Neophyten in manchen Regionen der Schweiz bislangkaum Fuss fassen konnten.—41 Neophytenarten pro Quadratkilometer— 0 Neophyten pro QuadratkilometerSeenohne AngabenAbbildung 3: Neophytenvielfalt in der Schweiz nach dem ModellNobis. Auffällig ist die hohe Neophytenvielfalt in dicht besiedelten,warmen Lagen. Die Daten liefert das BDM-Messnetz,mit der die Artenvielfalt in Schweizer Landschaften erfasst wird(BDM-Indikator Z7).spezialisierte Arten dort leben können. Umgekehrt könnte die Temperaturzunahmeeinzelnen Hochgebirgsspezialisten zum Verhängniswerden. Ihr Lebensraum wird knapp, da sie heute schon die Gipfelregionenbewohnen.Steigt die Temperatur, ist auch zu erwarten, dass sich das jahreszeitlicheAuftreten (Phänologie) der Arten verändert. So würdenmanche Arten wie zum Beispiel der Waldteufel (siehe Abbildung 2)wahrscheinlich früher im Jahr flügge als bisher.AnzahlIndividuen Aufnahmeperiode: 1: Mai 2: Juni 3: Erste Junihälfte 4: Zweite Junihälfte 5: Erste Augusthälfte 6: Zweite Augusthälfte7: Erste Septemberhälfte AufnahmeperiodeAbbildung 2: Jahreszeitliches Auftreten des Waldteufels (Erebia aethiops, auchGraubindiger Mohrenfalter). Der Median des Auftretens (vertikale, rote Linie)liegt in der 5. Aufnahmeperiode (erste Augusthälfte). Steigen die Temperaturen,wird sich der Median wahrscheinlich zeitlich vorverschieben.Werden die Einflussgrössen variiert – gibt man also zum Beispieleine höhere Durchschnittstemperatur ein – kann das Nobis-Modellauch zukünftige Entwicklungen voraussagen. Solche virtuellen Zukunftsreisensind vom BDM noch für dieses Jahr geplant <strong>und</strong> werdenerahnen lassen, wie sich die Neophyten im Zuge von Klimaerwärmung<strong>und</strong> Siedlungswachstum ausbreiten werden.H O T S P O T 1 6 | 2 0 0 7 J O U R N A L 2 1


H O T S P O T 1 6 | 2 0 0 7 J O U R N A L 22Direktion für Entwicklung<strong>und</strong> Zusammenarbeit DEZAVom Wettermacher zum ÖkosystemgestalterBiodiversität <strong>und</strong> <strong>Klimawandel</strong>aus der Sicht der EntwicklungszusammenarbeitVon Cordula Ott <strong>und</strong> Andreas Kläy, Centre for Development and Environment, Geographisches Institut, Universität Bern, CH-3008 Bern,cordula.ott@cde.unibe.ch, andreas.klaey@cde.unibe.chDie internationale Entwicklungszusammenarbeitist im Umbruch. Die drohendenAuswirkungen des globalen Wandelshalten uns vor Augen, wie klein <strong>und</strong>verletzlich unsere Erde ist. Es wird höchsteZeit, dass die Weltgemeinschaft dieKräfte für ein koordiniertes Vorgehen zuGunsten einer nachhaltigen Entwicklungauf allen Ebenen bündelt. Dieser Beitragzeigt einige wesentliche Elementeder Herausforderung <strong>und</strong> entwirft einePositionierung aus Sicht einer internationalenEntwicklungszusammenarbeit,welche der Armutsbekämpfung <strong>und</strong> dernachhaltigen Entwicklung verpflichtetist.«Suffering <strong>und</strong>er God’s environment»– dieser für ein 1991 erschienenes Buch gewählteTitel über das Leben äthiopischerBauern ist Ausdruck der Wahrnehmung desMenschen in Abhängigkeit von einer gottgegebenen<strong>und</strong> schicksalshaften Umwelt. Nur15 Jahre später reflektiert der Buchtitel «WirWettermacher» sehr präzise eine völlig veränderteWahrnehmung. Wir erkennen, dasses der Mensch ist, der wie ein Zauberlehrlingderart in Umwelt <strong>und</strong> Klima eingegriffenhat, dass er die entfesselten <strong>und</strong> destruktivenKräfte nicht mehr kontrollieren kann.Schreckensmeldungen über plötzliche oderschleichende Katastrophen häufen sich. Es istbezeichnend, dass wir kaum mehr von Biodiversitätreden, sondern vom Verlust der Artenvielfalt,kaum mehr vom Klima, sondernvom <strong>Klimawandel</strong>.Zwar haben sich die globalen Gefahrenbereits seit den 1970er <strong>und</strong> 1980er Jahrenangekündigt. Vertragswerke <strong>und</strong> Ansätze zurAusgewählte Aktivitäten <strong>und</strong> Konferenzen im Jahr 2007!"UN: Internationaler Tag der Biodiversität, 22. Mai 2007 –Biodiversität <strong>und</strong> <strong>Klimawandel</strong>!"Internationales Polarjahr: Melting Ice – A Hot Topic!"UN Umwelttag, 5. Juni 2007 – <strong>Klimawandel</strong>!"Konferenz zur Eindämmung von Katastrophenrisiken, 5. bis 7. Juni 2007 (Genf)!"Amsterdam Conference on the Human Dimensions of Global Environmental Change!"Year of Planet EarthNeuordnung des Umgangs des Menschen mitder Erde sind aber Flickwerk geblieben – <strong>und</strong>sie sind unzureichend für die immensen Herausforderungen,vor die uns der globale Wandelheute stellt. Neueste wissenschaftliche Untersuchungenverdeutlichen dies:! Das Millennium Ecosystem Assessment2005 zeigt die ungebremste Degradierung<strong>und</strong> Zerstörung der Ökosysteme durchmenschliche Tätigkeiten.!"Der Stern Report 2006 rechnet uns möglicheKosten der Veränderungen vor.!"Das IPCC der Klimakonvention liefert2007 die physikalischen Beweise für dasdestruktive Wirken des Menschen auf dieUmwelt.Koordiniertes HandelnEs muss davon ausgegangen werden, dassdie Auswirkungen des <strong>Klimawandel</strong>s den sozialen<strong>und</strong> ökonomischen Fortschritt in denEntwicklungsländern mindern oder gar rückgängigmachen. Ganz offensichtlich lassensich weder die UN Millennium DevelopmentGoals zur Halbierung von Armut <strong>und</strong> Hungerbis 2015 noch die Ziele zur Reduktion desVerlusts an Biodiversität bis 2010 erreichen.Immerhin haben uns die Versuche <strong>und</strong> Diskussionengelehrt, dass die gesellschaftlichen<strong>und</strong> ökologischen Herausforderungen nichtgetrennt betrachtet werden können. Um einemenschengerechte Zukunft überhaupt erst zuermöglichen, ist ein schneller Umbau der Gesellschaft<strong>und</strong> Wirtschaft in Richtung Nachhaltigkeitnotwendig. Ein koordiniertes Handelnauf allen Ebenen muss den Menschenvom «Wettermacher» zu einem umsichtigenGestalter von Ökosystemen werden lassen,damit diese ihre ökologischen Dienste auchin Zukunft erbringen können. ErfolgreicheArmutsbekämpfung basiert letztlich auf derBewirtschaftung <strong>und</strong> dem Erhalt intakter Ressourcen<strong>und</strong> Ökosysteme.Strategien anpassenDer beängstigende Zusammenhang zwischenArmut, Verlust an Artenvielfalt <strong>und</strong><strong>Klimawandel</strong> macht die Arbeit der internationalenEntwicklungszusammenarbeit inZukunft noch schwieriger. Erinnern wir uns:Um die internationalen Naturschutzbemühungenvoran zu treiben, wurden Gebiete miteiner aussergewöhnlichen Konzentration endemischerArten sowie einem hohem Verlustan Habitaten als «Biodiversitäts-Hotspots»ausgeschieden. Fatalerweise befinden sich diemeisten Hotspots in sehr armen Ländern. Inden Hotspots zeigt sich deutlich das Span-


nungsfeld zwischen lokaler Armut <strong>und</strong> globalemSchutzanspruch. Einerseits führt dieArmut dazu, dass die Schutzbemühungen unterlaufenwerden. Andererseits unterstreichtdie Armut die Notwendigkeit des Schutzesnatürlicher Ressourcen für die Zukunft.Der <strong>Klimawandel</strong> treibt die Zerstörungsspiralezwischen sozialen <strong>und</strong> ökologischenSystemen zusätzlich an. Wieder sind es dieökonomisch schwachen Länder <strong>und</strong> die armenBevölkerungsgruppen, die am stärkstenbetroffen sind. Der <strong>Klimawandel</strong> wird densie unter diesen Vorzeichen das Primat derArmutsbekämpfung zurückstellen. Aber siemuss neu ansetzen: Zentral wird das Fördern<strong>und</strong> Erschliessen von Anpassungsstrategien,welche vor Ort eine nachhaltige Nutzung, einmenschenwürdiges Auskommen <strong>und</strong> einenausreichenden Schutz vor Naturgefahren erlauben.Zudem müssen auf allen Ebenen Kapazitätenaufgebaut werden, um die Kohärenzder Massnahmen <strong>und</strong> das globale Managementvoranzutreiben. Gefragt sind vor allemInstitutionen, die die Ressourcenverwaltungden Jahres (Box), so wird deutlich, dass bishergetrennt behandelte Bereiche wie Biodiversität,Klimaschutz <strong>und</strong> Armutsbekämpfungtatsächlich zusammengeführt werden. Standbisher Mitigation als die technische Herausforderungder Reduktion des Ausstosses derTreibhausgase im Vordergr<strong>und</strong>, gewinnt Adaptation– die Anpassung an die erwartetenAuswirkungen des <strong>Klimawandel</strong>s – an Bedeutung.Die Wechsel wirkung von Mitigation<strong>und</strong> Adaptation werden zudem stärker berücksichtigt– eine Notwendigkeit insbesondereDorf am Borit See, Pakistan: Ohne Wasser für die Bewässerung müssen die Dörfer aufgegeben werden. Foto Karl Schuler, www.photo.net/photos/karlschulerNutzungsdruck auf die Ökosysteme weltweitweiter erhöhen. Der wachsende Bedarf anerneuerbaren Energien verschärft die Konkurrenzum die Ressourcen. Die schwächerenLänder – gebeutelt von ökologischen <strong>und</strong> sozialenDegradierungsprozessen – haben dabeidie schlechteren Karten. Die auf die Nutzungvon natürlichen Ressourcen angewiesenenLandlosen, die Kleinbauern Afrikas, die Slumsiedlerin trockenen Flussläufen, die Fischergemeinschaftender Küsten, die Nomaden oderdie Jäger in den ökologischen Randregionender Sand- <strong>und</strong> Eiswüsten – sie alle haben denneuen Anforderungen, Interessen <strong>und</strong> Akteurenkaum etwas entgegenzusetzen. SchleichendeVeränderungsprozesse untergrabenihre Lebensweisen <strong>und</strong> machen sie äusserstverw<strong>und</strong>bar für extreme Naturereignisse.Was heisst das für die internationale Entwicklungszusammenarbeit?Keinesfalls kannübernehmen können. Hierbei müssen lokalebis globale Handlungsebenen mitgestaltetwerden: die (Über-)Lebensstrategien der Einzelnen,die Haushaltstrategien, die Strategiender Familien <strong>und</strong> der Gemeinwesen, <strong>und</strong> jeneder darüber liegenden Handlungsebenen inGesellschaft, Politik, Wirtschaft <strong>und</strong> den Institutionen.Nicht grösstmögliche Wertschöpfungkann das Ziel sein, sondern der Erhaltder Leistungen der Ökosysteme – eine grosseHerausforderung angesichts der direkten <strong>und</strong>indirekten Gefährdung durch Klimaänderung<strong>und</strong> Nutzungsdruck.Positive AnsätzeAngesichts der globalen Bedrohung scheintsich ein gewisser Konsens herauszubilden, wiewir der Herausforderung begegnen sollen. Betrachtetman beispielsweise die Themen wichtigerinternationaler Konferenzen des laufen-deshalb, weil sich einseitige Mitiga tions-Strategien nachteilig auf Ökosysteme auswirken.Dies zeigt sich etwa am Beispiel derexportorientierten Produktion für Bioenergiein den Entwicklungsländern, welche lokaleAnbausysteme <strong>und</strong> Landansprüche konkurrenziert,oder im Kyotoprotokoll, welches inder Landnutzung nur den Aspekt der Kohlenstoffspeicherung<strong>und</strong> in Entwicklungsländernnur Massnahmen zur Aufforstung einbezieht.Mit der Neubewertung der Ökosystemewird die zentrale Rolle der erneuerbaren natürlichenRessourcen für jede Entwicklungendlich anerkannt. Für die Länder des Südensist dies ein strategischer Vorteil! Gleichzeitigfinden politische Entscheidungsträger, die Institutionender Zivilgesellschaft, Wissenschaft<strong>und</strong> Wirtschaft vermehrt zusammen. Leiderzeigt eine genauere Betrachtung jedoch, dasseine gemeinsame Basis, abgestimmte Mass-H O T S P O T 1 6 | 2 0 0 7 J O U R N A L 23


H O T S P O T 1 6 | 2 0 0 7 J O U R N A L 24nahmen <strong>und</strong> geeignete Institutionen erst imEntstehen sind. Das ist alarmierend, denn fürden eigentlich notwendigen Abstimmungsprozessfehlt es an Zeit!Hier kommt die Erfahrung <strong>und</strong> Aufbauarbeitder internationalen Entwicklungszusammenarbeitin den Projekten vor Ort zumTragen. In der Tat ist viel Wissen vorhanden,wie die Spirale ökologischer <strong>und</strong> sozialer Degradationin einem konkreten Umfeld angegangenwerden kann. Lokale Massnahmen<strong>und</strong> Ansätze zu einer nachhaltigen Ressourcennutzungsind vielfältig <strong>und</strong> können durchauserfolgreich neue Überlebensstrategien<strong>und</strong> Einkommensoptionen erschliessen. ImWesentlichen geht es darum, möglichst vieleHandlungsoptionen offenzulegen <strong>und</strong> kurzfristigeInteressen durch langfristige zu ersetzen.Agrarökologische Systeme <strong>und</strong> Waldnutzungssystemesind hier vorteilhaft, weil sieden Ressourcennutzern eine Diversifizierungin den Produkten <strong>und</strong> Strategien erlauben,welche Abhängigkeiten <strong>und</strong> Verletzlichkeitenreduziert. Eine naturnahe Produktion isteiner Monokultur vorzuziehen! Erhalten <strong>und</strong>Vernetzen von Ökosystemen, etwa über Korridore,erhöht ihre Funktionsfähigkeit. EineBeschränkung auf Teilnutzungen, welche dieMultifunktionalität der bedrohten Ökosystemezu stützen vermag, ist oft unumgänglich.Oben: Passu Glacier, Pakistan. Bewässerungskanäle leiten Wasser vom Gletscher ins Dorf Borit. Weil der Gletscherschmilzt, müsssen die Menschen laufend neue Kanäle durch die brüchigen Moränen bauen.Rechts: Obstgarten in der Nähe von Gilgit, Pakistan. Siedlungen in den Bergen sind durch den <strong>Klimawandel</strong>stark gefährdet.Unten: In den Tälern des Kailash im Himalaya werden die Dörfer traditionell an den steilen Hängen gebaut, umwertvolles Agrarland zu erhalten. Starke Niederschläge sind eine Gefahr für die Siedlungen an den Hängen.Fotos Karl Schuler, www.photo.net/photos/karlschuler


Allerdings darf nie der Einbezug von erwartetenAuswirkungen des <strong>Klimawandel</strong>s vergeslogischenSystems. Hier lassen sich Lösungen<strong>und</strong> Widerstandskraft des sozialen <strong>und</strong> ökosenwerden, denn Extremereignisse können zur Armutsbekämpfung <strong>und</strong> zum Ressourcenschutzvon unten her entwickeln. Hier kannErfolge sehr schnell zunichte machen.Bei der Arbeit vor Ort zeigen sich die ungünstigenRahmenbedingungen <strong>und</strong> die Kon-Zivilbevölkerung, Regierung, Wissenschaftder Diskurs, können Lernprozesse zwischenkurrenz von Einzelmassnahmen. Was ist von <strong>und</strong> Technik stattfinden. Und nur hier könnender lokalen Ebene aus betrachtet wichtiger: die Kapazitäten <strong>und</strong> die geeigneten Institutionenzum Umgang mit den Anforderungen desDie Rettung des Lebensraumes für die Orang-Utans in Südostasien, neues Land für Kleinbauernoder die Erschliessung von Plantagen nen sein, die flexibel <strong>und</strong> doch stark genug<strong>Klimawandel</strong>s wachsen. Es werden Institutio-zur Produktion von Bioenergie zur Steigerung sind, um natürliche Ressourcen <strong>und</strong> Ökosystemezu verwalten, <strong>und</strong> um Massnahmen zudes wirtschaftlichen Wachstums? Wir müssenuns auch darüber im klaren sein, dass in den überprüfen <strong>und</strong> kontinuierlich anzupassen.Konkurrenz- <strong>und</strong> Umbruchsituationen neue Aber jede Anpassungsstrategie bleibt wirkungslos,wenn wir die ungünstigen Entwick-Inte ressen, Akteure <strong>und</strong> Machtverhältnisseauch im lokalen Umfeld eine grosse Gefahr lungsvorstellungen <strong>und</strong> Rahmenbedingungenbedeuten. Dies macht eine sorgsame Überprüfungvon Fragen notwendig. Was ist der der internationalen Entwicklungszusammen-nicht ändern. Nutzen wir dazu die ErfahrungGewinn? Wer profitiert? Welche neuen Akteuretreten auf? Wo finden Aneignungsprozesse konsequent auf die Prinzipien der nachhaltiarbeit!Richten wir Mitigation <strong>und</strong> Adaptationstatt? Wie werden Abwägungsentscheidungengetroffen? Welche Rahmenbedingungen cennutzung aus! Überprüfen wir Ansätze <strong>und</strong>gen Entwicklung <strong>und</strong> nachhaltigen Ressour-könnten ermöglichen, dass das eine nicht auf Massnahmen regelmässig auf ihre Auswirkungenim Gesamtkontext, auf ihre Wechselwir-Kosten des anderen geht? Welche Instrumentekönnen einen lokalen Nutzungsverzicht zugunstenglobaler Interessen abgelten? Schwie-der nachhaltigen Entwicklung, <strong>und</strong> stimmenkungen <strong>und</strong> auf ihre Bedeutung für die Zielerige Abwägungsprozesse <strong>und</strong> harte Entscheidungensind oft unumgänglich. Hier geben Kommunikations- <strong>und</strong> Abstimmungsprozes-wir sie konsequent weiter aufeinander ab!uns die Prinzipien der nachhaltigen Entwicklungdie notwendige Orientierung.internationalen Entwicklungszusammenarsezwischen allen Ebenen helfen nicht nur derbeit, lokale Kapazitäten <strong>und</strong> Institutionen zuDie globale Ressourcenverwaltung fördern, sondern machen diese wiederum fürEine Einbettung des <strong>Klimawandel</strong>s in einenlokalen Kontext erlaubt es, konzeptionelle internationale Entwicklungszusammenarbeitdie globalen Anliegen zugänglich. So kann dieÜberlegungen mit der operationellen Arbeit ihren spezifischen Beitrag zu den vielfältigenim Feld zusammenzubringen. Auf der lokalen Anstrengungen liefern, welche zum globalenEbene manifestieren sich die Auswirkungen Gestalten von Ökosystemen notwendig sinddes <strong>Klimawandel</strong>s wie auch der Gegenmassnahmen.Hier zeigen sich die Verletzlichkeit nance <strong>und</strong> Earth Governance. ■– in Richtung Global Environmental Gover-Berggebiete im FokusBerggebiete <strong>und</strong> ihre Bewohner sind gegenüber dem <strong>Klimawandel</strong> sehr verletzlich. Einerseitssind sie abhängig von der verlässlichen Versorgung mit Gletscher- <strong>und</strong> Flusswasser, <strong>und</strong> anderseitssind Gebirgsräume geologisch oft instabil. Wie in anderen Teilen der Welt, schmelzen auchin Nepal <strong>und</strong> Pakistan die Gletscher <strong>und</strong> entziehen damit den örtlichen Siedlern die Lebensgr<strong>und</strong>lage.Gleichzeitig entstehen neue Gletscherseen – <strong>und</strong> die Gefahr wächst, dass plötzlicheDammbrüche Siedlungen, Farmland, Wälder <strong>und</strong> Infrastruktur zerstören. Mit Unter stützung derDEZA ist es in Nepal in den letzten 30 Jahren gelungen, das Prinzip der Nachhaltigkeit in dieWald bewirtschaftung zu integrieren. Die Gefahr von Naturkatastrophen ist so deutlich zurückgegangen.H O T S P O T 1 6 | 2 0 0 7 J O U R N A L 25


H O T S P O T 1 6 | 2 0 0 7 J O U R N A L 26Die Kulturpflanzensammlungen der SchweizVon Hanspeter Kreis, Raphael Häner <strong>und</strong> Beate Schierscher, Schweizerische Kommission für die Erhaltung von Kulturpflanzen, info@cpc-skek.chDie genetische Vielfalt der Kulturpflanzen istneben dem Boden <strong>und</strong> dem Wasser die wichtigsteGr<strong>und</strong>lage der Landwirtschaft. IhreBedeutung wird mit dem <strong>Klimawandel</strong> starkzunehmen. Es ist deshalb bedenklich, dassüberall auf der Welt die Anzahl kultivierterSorten in den letzten 100 Jahren dramatischabgenommen hat. Die Schweiz sieht diesemVerlust nicht tatenlos zu: In den letztenJahren wurden zahlreiche Sammlungen(Feldsammlungen, Samenbanken, in vitro-Sammlungen) aufgebaut, in denen diewichtigsten pflanzengenetischen Ressourcenerhalten werden. Diese Ressourcen habeneine grosse wirtschaftliche, ökologische<strong>und</strong> kulturelle Bedeutung. Fast alle Samm-lungen werden im Rahmen der Um setzungdes «Nationalen Aktionsplanes (NAP) zurErhaltung <strong>und</strong> nachhaltigen Nut zung derpflanzengenetischen Ressourcen für Ernährung<strong>und</strong> Landwirtschaft» vom B<strong>und</strong>esamtfür Landwirtschaft unterstützt.Obst: Obstsorten werden in der Schweiz inFeld sammlungen erhalten. In sogenann tenPri mär samm lungen werden pro Sorte zweiHochstämme ge pflanzt. In Du plikatsammlungenwachsen die gleichen Sor ten als Niederstämme.Die Trennung ist wich tig, weil Krankheiten wie derFeuerbrand einen ganzen Bestand auslöschen können.Unbekannte Sorten, Sorten ohne Namen <strong>und</strong> Sorten,die sich in keiner Beschreibung oder Pomologiefinden lassen, werden zur weiteren Abklärung alsNiederstämme in Einführungssammlungen gepflanzt.Bis heute wurden nahezu 3000 Obstsorten gef<strong>und</strong>en<strong>und</strong> abgesichert. In Obstsammlungen wird nichtnur Kern- <strong>und</strong> Steinobst abgesichert, sondern auchWalnuss <strong>und</strong> Edelkastanie. Auch diese beiden Artenwurden in der Schweiz genutzt <strong>und</strong> als Kulturpflanzengehalten. Zur Zeit steht im Kanton Waadt eine Walnuss-Sammlung. Im Tessin, auf dem Ballenberg <strong>und</strong> in Aubonnewerden Edelkastanien ab gesichert.Ackerpflanzen: Unter Ackerpflanzenver steht man die verschiedenen Ge trei -dearten wie Dinkel, Mais, Weizen, Gerste <strong>und</strong> Roggensowie Industriepflanzen wie Raps oder Flachs.Die Primärsammlung der Ackerpflanzen (9000 eingelagerte Akzessionen) befindet sich an der ForschungsanstaltAgroscope Changins-Wädenswil ACWin Nyon (VD). In Erschmatt (VS) <strong>und</strong> Salez (SG)be finden sich die beiden Duplikatsammlungen. InAl vaneu (GR) ist der Verein für alpine Kulturpflanzenbei der on farm-Erhaltung <strong>und</strong> der historischen Be -schreibung von Kulturpflanzen der Alpen sehr aktiv.1113AubonneNyon111141Schweizerische Kommission für die Erhaltung von KulturpflanzenCommission suisse pour la conservation des plantes cultiveéesCommissione svizzera per la conservazione delle piente coltivateAclens 6Pully14St. LégierSt-Pierre-de-ClageReben: Reben werden als ganze Pflanzen, dasheisst als Rebstöcke erhalten. Eine Rebsortegilt als gesichert, wenn sie in drei Rebbergenbzw. Sammlungen mit je weils fünf Rebstöcken vertretenist. Viele der alten <strong>und</strong> seltenen Reb sorten, diefür die NAP-Sammlungen ver mehrt wurden, stammenaus der Pri vat sammlung von Mar cel Ae ber hard, einempassionierten Am pe lo graphen. Insgesamt werden inder Schweiz 140 Rebsorten erhalten.14Neuchâtel16Courtemautruy814Lüscherz14Ried b.KerzersSalvenach131Conthey11 1110138Riehen13KoppigenBernNoflenErschmatt171Wintersingen 51313Unterbötzb13Dürrenäs1BüronHildisriedenRöm


ergch313erswilBadenDie Betreiberorganisationen1 Agroscope Changins-Wädenswil2 Agroscope Reckenholz-Tänikon3 Arboretum Aubonne4 Capriasca Ambiente5 <strong>Forum</strong> Doracher6 Fructus7 Hochstamm-Sortensammlung Roggwil8 Inforama Oeschberg9 Landwirtschaftliches Zentrum St. Gallen10 Marcel Aeberhard, Bern11 Médiplant12 Obstgartenaktion Schaffhausen13 ProSpecieRara14 Rétropomme15 Saatzucht Genossenschaft St. Gallen16 Société des Pépiniéristes-Viticulteurs Valaisans17 Sortengarten Erschmatt18 Zürcher Hochschule für Angewandte WissenschaftenKnonau612HöriZürich-ReckenholzHalbinselAu1812Schaffhausen1321813MinusioNeukircha.d. ThurCapriasca131Wädenswil4Balerna-Mezzana9 7RoggwilFlawil-Niederglatt915Beeren: Die Beerenerhaltung befindet sich inder Schweiz noch im Anfangsstadium. Das imRahmen des Nationalen Beereninventars <strong>und</strong> weiterenAufrufen sowie gezielten Suchaktionen in den wenigeneuropäischen Beerensammlungen gef<strong>und</strong>ene Material(ca. 700 Akzessionen) wird zum grössten Teil in derEinführungssammlung von ProSpecieRara in Riehen(BS) aufbewahrt. Für die langfristige Erhaltung vonErdbeeren, Him bee ren <strong>und</strong> Brombeeren werden diePflanzen an der For schungsanstalt Agroscope Changins-Wä dens wil ACW von Viren befreit <strong>und</strong> anschliessend inForm von Mikropflanzen <strong>und</strong> Mikroperlen in einer invi tro-Sammlung erhalten. Zur Zeit befinden sich 42 Erd -beersorten <strong>und</strong> 11 Himbeersorten in dieser Pri märsammlung.Das ges<strong>und</strong>e Ausgangsmaterial wird von derForschungsanstalt Agroscope-Changins Wä denswilin Conthey (VS) in der Duplikatsammlung un terkontrol lierten Bedingungen «hors sol» vermehrt<strong>und</strong> an Feldsammlungen abgegeben. Die Strauch -beeren (Johannis- <strong>und</strong> Stachelbeeren) wer den inFeld sammlungen er halten. In Riehen befindet sich diePrimär samm lung mit 70 Sorten.St. Gallen-Salez9297MaranAnzahl NAP-Sortenunter 100100–500mehr als 500Futterpflanzen: Die Futterpflanzen wiebei spielsweise das Knaulgras oder der Wiesenschwingelprägen die Wiesen <strong>und</strong> Weidender Schweiz. Aufgr<strong>und</strong> ihrer breiten öko -logischen Amplitude verfügen diese Arten über einegrosse genetische Vielfalt. Die heute existierendeSa menbank, welche sich an der ForschungsanstaltAgroscope Changins-Wädenswil ACW in Nyon (VD)be findet <strong>und</strong> von der Forschungsanstalt AgroscopeReckenholz-Tänikon ART in Reckenholz (ZH) verwaltetwird, repräsentiert teilweise diese Vielfalt. Der Wertdieser Primärsammlung liegt vor allem im Erhalt vonkultivierten Sorten. Der Mattenklee mit seinen 100 gutbeschriebenen Hofsorten ist ein Beispiel dafür.Kartoffeln: Seit der Einführung des nationalenRichtsortimentes um 1920 hat dieForschungsanstalt Agroscope Reckenholz-Tänikon ARTalle Sorten der offiziellen Sortenliste im Alpengartenin Maran (GR) aufbewahrt. Seit den 1980er Jahren hatProSpecieRara zusammen mit Partnerorganisationenzudem eine Viel zahl von lokalen Kartoffelsorten ge -sammelt <strong>und</strong> erhalten. An der ForschungsanstaltAgroscope Changins-Wädenswil ACW in Nyon wirddas Material von Viren befreit <strong>und</strong> in Form von Mi -kro pflanzen, Mi kroknollen <strong>und</strong> Mikroperlen im Laborkonserviert (in vitro-Sammlung). Es befinden sich zurZeit 75 Kar toffelsorten in der Pri märsammlung.Gemüse: Die Primärsammlung befindet sichan der Forschungsanstalt Agro scope Chan gins-Wädenswil ACW in Nyon. Die Sativa Genossenschaft inOberhofen <strong>und</strong> Münsingen (BE) sowie die BiologischeSamengärtnerei Zollinger in Les Evouettes (VS) sindbei der Erneuerung des Saatgutes zuhanden derPrimärsammlung massgeblich beteiligt. ProSpecieRaraunterhält mit ihren Partnern eine weitere wertvolleSammlung mit Gemüsesorten. Auch die ACW in Wä -denswil, die Biosem in Chambrelien (NE) <strong>und</strong> dasLand wirtschaftliche Zentrum St. Gallen in Salez (SG)tragen ihr Fachwissen zur erfolgreichen Erhaltung derverschiedenen Gemüsesorten bei.Aroma- <strong>und</strong> Medizinalpflanzen: Die Aroma<strong>und</strong>Medizinalpflanzen sind die artenreichsteGruppe in den Sammlungen. Bäume <strong>und</strong> Sträu cher wiedie verschiedenen Weidenarten oder der SchwarzeHo lun der sind ebenso Bestandteil der Aroma- <strong>und</strong>Medizinalpflanzen wie die allgemein bekannterenArten (z.B. Salbei, Baldrian). Die Erhaltung der Aroma<strong>und</strong>Medizinalpflanzen geschieht sowohl in ex situ-Sammlungen als auch in situ. Die im Rahmen einesnationalen Inventars gesammelten Sorten werden zurZeit in einer Einführungssammlung in Conthey vonMédiplant beschrieben <strong>und</strong> identifiziert.KontaktSchweizerische Kommissionfür die Erhaltung von KulturpflanzenDomaine de Changins, PF 1012CH-1260 Nyon 1Tel. +41 22 363 47 01info@cpc-skek.ch, www.cpc-skek.chH O T S P O T 1 6 | 2 0 0 7 J O U R N A L 27


H O T S P O T 1 6 | 2 0 0 7 J O U R N A L 28Invasiv <strong>und</strong> unerwünscht(lb) Gebietsfremde, invasive Arten bedrohen die Biodiversität,da sie einheimische Tier- <strong>und</strong> Pflanzenartenverdrängen. Diese Arten sind nicht nur beim Schutz derBiodiversität ein Thema – sie können auch ges<strong>und</strong>heitlicheProbleme <strong>und</strong> massive wirtschaftliche Schäden verursachen.In einem soeben erschienenen Buch zeigen 42Spezialistinnen <strong>und</strong> Spezialisten die ökologischen Auswirkungenvon biologischen Invasionen auf <strong>und</strong> thematisierenökonomische <strong>und</strong> sozio-ökonomische Aspekte.Der Fokus bleibt aber nicht auf gebietsfremde Arten be-Paradiese vor unseren Toren(pl) Ein soeben erschienener Führer stellt 26 bo -tanische Gärten, Alpengärten <strong>und</strong> thematische Pflan zensammlungender Schweiz vor. Botanische Gär ten sindnicht nur Hüter der Biodiversität, sie spielen auch einewichtige Rolle in der Umweltbildung <strong>und</strong> sind – vorallem in städtischer Umgebung – kleine Oasen der Ruhe.Exkurse liefern Hintergr<strong>und</strong>informationen zu den Gärten– über die Gewächshäuser, die Geschichte der Gärtenoder über die Arbeiten zum Schutz <strong>und</strong> zur Erhaltungvon gefährdeten Wildpflanzen. Für jeden Garten gibt einDie Biodiversität im Alpenraum erhalten(lb) Das Synthesebuch des NFP 48 beschreibt den Zustand<strong>und</strong> die Entwicklung der Landschaftsqualität <strong>und</strong>der Biodiversität im Alpenraum <strong>und</strong> präsentiert neueIdeen zur Erhaltung der natürlichen Ressourcen. Die Autorenzeigen, dass die biologische Vielfalt nur durch einekonsequent zielorientierte Abgeltung von ökologischenLeistungen der Landwirtschaft gestoppt werden kann. Esgeht darum, die produktorientierten Subventionen <strong>und</strong>einen grossen Teil der «Allgemeinen Direktzahlungen»in leistungsorientierte Direktzahlungen umzulagern.Die jetzigen Direktzahlungen sind laut den VerfassernWas wächst denn da?(lb) Es kann frustrierend sein, die einheimische Florawährend den blütenlosen Monaten nur anhand von Stängeln<strong>und</strong> Blättern bestimmen zu wollen. Mit der «FloraVegetativa» liegt nun endlich eine Bestimmungshilfe vor,mit der das ganze Jahr hindurch botanisiert werden kann.Die über 3000 detaillierten Zeichnungen ermöglichen esauch Laien, die meisten Gefässpflanzen der Schweiz anhandvon Wuchsformen, Blättern <strong>und</strong> Spross zu bestim-schränkt. Die Problematik wird mit hochaktuellen Themenwie zum Beispiel die möglichen Auswirkungen vongentechnisch veränderten Organismen verknüpft. Obwohlnur auf Englisch erhältlich, ist das Buch auch fürPraktiker informativ <strong>und</strong> lesenswert.Biological Invasions. Wolfgang Nentwig (Hrsg.) (2007). EcologicalStudies, Vol. 193, Springer-Verlag, Berlin Heidelberg. 441 S., 38 Il–lus trationen. CHF 255.–; EUR 160,45.ausführlicher Serviceteil Auskunft über alle praktischenBelange (Öffnungszeiten, Anreise, Tipps für den Besuchmit Kindern, Verpflegungsmöglich keiten). ZahlreicheAbbildungen wecken die Lust, diese Paradiese der Vielfaltzu erk<strong>und</strong>en.Botanische Gärten der Schweiz. Colette Gremaud. Unter Mitarbeitvon François Felber <strong>und</strong> Soraya El Kadiri-Jan (2007). h.e.p. verlagag, Bern. 172 S. CHF 48.–; EUR 32,–.grösstenteils nicht an Leistungen geknüpft, sondern einean Fläche <strong>und</strong> Tierzahl geb<strong>und</strong>ene Rente. Das im Buchvorgeschlagene System der Direktzahlungen entschädigtöffentliche, von der Gesellschaft gewünschte, nicht marktfähigeLeistungen.Landnutzung <strong>und</strong> biologische Vielfalt in den Alpen: Fakten, Perspektiven,Empfehlungen. Jürg Stöcklin, Andreas Bosshard, GregorKlaus, Katrin Rudmann-Maurer, Markus Fischer (2007). vdf-Verlag,Zürich. Bestellung: verlag@vdf.ethz.ch. CHF 42.–; EUR 28,–.men. Praktische Übersichtstabellen <strong>und</strong> Bestimmungsschlüsselder grösseren Gattungen <strong>und</strong> Pflanzenfamilienmachen das Buch zu einem wichtigen Begleiter auf Botanikexkursionenvor allem im Frühjahr <strong>und</strong> im Herbst.Flora Vegetativa. Ein Bestimmungsbuch für Pflanzen der Schweiz imblütenlosen Zustand. Stefan Eggenberg, Adrian Möhl (2007). HauptVerlag, Bern. 680 S. CHF 58.–; EUR 38,50.

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