EY DeutschlandGreen IT – ExpertengesprächEin Gespräch zwischen Gerhard Müller, Partner und Technology Sector Leader beiErnst & Young, und Dr. Mario Tobias, Mitglied der Geschäftsleitung des BITKOM 1Green IT - was als Hype begonnen hat, entwickelte sich längst zu einem festen Bestandteilder Strategie vieler Unternehmen und wird auch für private Haushalte an Bedeutung gewinnen.Bei einem Treffen diskutierten die Experten Gerhard Müller, Partner und TechnologySector Leader bei Ernst & Young, und Dr. Mario Tobias, Mitglied der Geschäftsleitungdes BITKOM, über die Rolle und Entwicklungen von Green IT. Dr. Tobias baute bei BITKOMdie Green IT Beratung auf und entwarf die Green IT World für die CeBIT.Gerhard Müller: Vor ein paar Jahren(2007/8) war das Thema Green IT in denMedien sehr präsent; es gab Initiativen,Programme und neue Produkte. Wie sehenSie zwei Jahre später den „State of theIndustry“, die technologische Weiterentwicklungvon Hardware und auch Softwarezur Reduzierung von Emissionen ausInformations- und Kommunikationstechnologie(kurz: IKT)?Gerhard MüllerPartner und Technology Sector Leaderbei Ernst & Young DeutschlandDr. Mario Tobias: Green IT war bereits vor10 Jahren ein Thema in Technologieunternehmen,um ressourcenoptimierte Produkteherzustellen. Seit zwei Jahren ist dasThema aber auch verstärkt in den Fokus derMedien, der Politik und der obersten Management-Etagengerückt. Entwicklungenwie die Servervirtualisierung, Miniaturisierungund energiesparende Anwendungen inForm von Videokonferenzen über Breitbandübertragunglassen eine positive Weiterentwicklungerwarten. Der Trend desZusammenwachsens von Hardware, Softwareund Infrastruktur wird sich fortsetzen.Ein Beispiel für diese Entwicklungen ist UnifiedCommunication: Durch einfache Technologien,die jedermann zugänglich sind,können aufwändige Aufgaben zeitsparendund umweltfreundlich ausgeführt werden.Gerhard Müller: Die Erwartungshaltungan die Informations- und Kommunikationstechnologie,die damals, z. B. in SMART2020, geäußert wurde, war auch, dassdurch den Einsatz von IKT emissionsintensiverephysische Prozesse durch digitaleProzesse ersetzt werden können. Dieseverursachen aufgrund der „IT-Befeuerung“zwar auch Emissionen, aber eben in geringeremAusmaß. Würden Sie sagen, dieErwartung wurde erfüllt? Kennen Sie prominenteBeispiele oder Leuchtturmprojektehierzu?Dr. Mario Tobias: Wie Studien gezeigt haben,ist auch in Zukunft ein steigender Strom -verbrauch für die Nutzung von IKT zu erwarten.Es gibt zwei Fragen: Wie kann diewachsende Leistung der IKT von einementsprechend wachsenden Energiebedarfentkoppelt werden, und wie kann durchden Einsatz von IKT Positives verbucht werden?In der Praxis wurden auch bereitsin der Vergangenheit physische Emissionen1 Bundesverband Informationswirtschaft, Telekommunikation und neue Medien e. V.zunehmend auf virtuelle Emissionen verlagert.Dies lässt sich an einem wohlbekanntenBeispiel zeigen: Anstatt mit dem Autozum nächsten Reisebüro zu fahren, Hochglanzprospektemitzunehmen, zur Buchhandlungzu gehen, dort einen Reiseführerzu kaufen und anschließend wieder mit demAuto nach Hause zu fahren, wird die Reiseim Internet gebucht, Rezensionen andererReisender gelesen und ein Reiseführer onlinebestellt. Hierdurch kann mit Blick aufdie Emissionen eine Nettoreduktion erzieltwerden.Auch in anderen Anwendungsgebieten hatIKT den Einsatz intensiver physischer Prozessedurch digitale Prozesse ersetzt, soz. B. durch virtuelle Simulation im Bereichder Forschung und Entwicklung.Gerhard Müller: Im Rahmen des IT-Gipfels2008 wurde auch die Darmstädter Erklärungerarbeitet. Neben dem Thema GreenIT wurde auch der Ausbau der Infrastrukturgefordert. Angebote wie mobile oderinternetbasierte Entertainmentprogrammenutzen diese Infrastruktur und ersetzen indiesem Fall ja nicht oder nur bedingt emissionsintensivedurch digitale Prozesse.Teilen Sie diese Einschätzung?Dr. Mario Tobias: Die Darmstädter Erklärunghat das auf dem IT-Gipfel 2008 diskutierteThema Green IT und dessen Bedeutungaufgegriffen und umgesetzt; das stehtnicht im Widerspruch zum Ziel des •46 Ernst & Young <strong>CCaSS</strong> <strong>News</strong>, Ausgabe 13 | Frühjahr 2010
Ausbaus der Infrastruktur. Am StandortDeutschland liegt eine Kombination von Informatikund Ingenieurswissenschaft vor,die das große Potenzial des Standorts ausmacht.Darüber hinaus ist Deutschland inden Bereichen Infrastruktur – Versorgungund Entsorgung, Stromverbindung, Netzwerkund Infrastrukturen von Rechenzentrenin Unternehmen – gut aufgestellt.Das Ziel sollte es sein, in Deutschland dieseVernetzung für weitere Emissionsreduzierungzu nutzen. Ein Beispiel hierfür sind dieHaushalte. Dort können beispielsweise dieHeizung, der Strom- und Wasserverbrauch,das Licht sowie die Rollläden intelligentgesteuert werden. Zukünftig soll diese Steuerungebenfalls über das Mobiltelefon ermöglichtwerden.Ein aktuelles Beispiel ist der Smart Meter,welcher den Stromverbrauch rund um dieUhr misst und ggf. steuert, damit Haushaltsgerätedann mit Strom versorgt werden,wenn Strom aus erneuerbareren Ressourcenbzw. günstiger Strom verfügbarist. Die Herausforderung wird sein, diese intelligentenSysteme und Prozesse preisgünstigund ohne Komforteinbußen für denNutzer umzusetzen.Gerhard Müller: Die Darmstädter Erklärungforderte auch den Aufbau eines NationalenKompetenznetzwerks Green IT. KönnenSie uns von der Arbeit der „Green ITAllianz“ berichten?Dr. Mario Tobias: Die „Green IT Allianz“wurde vor neun Monaten von BITKOMgegründet und besteht aus Anbietern, Anwendern,Politik und Wissenschaft. Gemeinsamwird in fünf Projektgruppen beispielsweisean folgenden Themen gearbeitet:Potenziale von Software, Enabling Potenziale,Kommunikationskonzepte und Themenrund um KMU, die aufgrund anderer Prozesseund Möglichkeiten speziell adressiertwerden müssen. Das Ziel ist, die Arbeitsweisefür alle zu verbessern. Daher werden dieWünsche und Ideen der Anwender eingebun -den, denn diese setzen IKT letztendlich ein.Gerhard Müller: BITKOM hatte einen eigenenQuick Check für die „Greenness“ vonRechenzentren ins Leben gerufen. Wie wardie Resonanz auf dieses Angebot?Dr. Mario Tobias: Der Quick Check wurdegut angenommen. In Deutschland gibt essehr viele Rechenzentren mittlerer Größe,die nicht auf dem neusten Stand der Techniksind. Untersuchungen haben ergeben,dass dort der Großteil der Energie in dieKühlung und Notstromversorgung o. ä. geht,nicht in die eigentliche Leistung. Dies ist derAnsatzpunkt des Quick-Checks. Er ist eineinfaches, schnell anwendbares, kostenfreiesTool zur Veranschaulichung, wie vielEnergie das Rechenzentrum benötigt, einInstrument, um bei dem Anwender ein Bewusstseinzu schaffen und Ansatzpunkte fürschnell umsetzbare Einsparungspotenzialezu identifizieren. Die Anwender sollen darüberhinaus sensibilisiert werden, dienächsten Schritte für ein energieeffizienteresRechenzentrum zu machen.Beispielsweise wurden in der VergangenheitServerräume auf 18 bis 20° C gekühlt. Beineueren Produkten ist das aber nicht mehrnotwendig. Mit jedem Grad, das wenigergekühlt werden muss, spart ein Unternehmen4 % der Energie. Bei einer Serverraumtemperaturvon 25° C können folglich 20 %der Energie eingespart werden. Dementsprechendfallen weniger Energiekosten an.Gerhard Müller: 2007/08 gab es viele kritischePositionen, in denen die Darstellungvon Green IT als „Green Washing” abqualifiziertwurde, und darauf verwiesen wurde,dass z. T. einfach nur „grün“ auf ein Produktgeschrieben wurde. Mittlerweilewird Green IT bei vielen Unternehmen alsein ernsthaftes Konzept wahrgenommen.Was war Ihrer Ansicht nach der wesentlicheTreiber dafür, dass Green IT erwachsenwurde?Dr. Mario Tobias: Anfangs gab es guteTechnologien, die wenig nachgefragt wurden,dann stieg die Nachfrage, weil vieleUnternehmen ihren Energieverbrauch unddamit ihre Energiekosten senken wollten.Hierzu wurden beispielsweise der Einsatzvon Thin Clients und energieeffiziente Rechenzentrengenutzt. Kunden haben GreenIT verstärkt nachgefragt, und die Unternehmenhaben darauf reagiert und neue Produkteentwickelt. Dadurch wurden von großenUnternehmen, aber auch von KMUs,verstärkt konkrete Leistungen nachgefragt.Der zunehmende Kundendruck in Verbindungmit neuen Produktentwicklungenhat das Thema Green IT von einem vermeintlichenHype zu einem wichtigen Themagemacht.BITKOM hat auf diese Entwicklung ebenfallsreagiert und eine kostenlose Green IT Beratunggeschaffen, die KMUs unabhängig mitTipps zu Green IT, Anbieterlisten und Hinweisenzu Fördermöglichkeiten z. B. durchdie KfW berät.Gerhard Müller: Für Hard- und Software-Anbieter ist Green IT eine große Chance,CIOs hingegen setzen Green IT um, entwederum eine betriebliche Umweltstrategieumzusetzen, oder weil sie es selbst alsNotwendigkeit erachten. Welches Motivdominiert in Ihrer Wahrnehmung, d. h. wieviel ist von oben gesteuert, und wie vielkommt aus der Initiative des IT-Bereichsvon Unternehmen selbst?Dr. Mario Tobias: Das lässt sich heute nichtmehr trennen. Die großen Unternehmen habenjeweils eine Umweltstrategie und einenUmweltjahresbericht. Dort sind die Themenwie Klimaschutz inbegriffen.Durch die Wirtschaftskrise ist die Kosteneffizienznoch stärker in den Fokus von Unternehmengerückt. Künftig werden in •Ernst & Young <strong>CCaSS</strong> <strong>News</strong>, Ausgabe 13 | Frühjahr 2010 47