MieterEcho Nr.350 Oktober 2011 - Berliner MieterGemeinschaft eV
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Informelle Siedlung im Zentrum von Buenos Aires. Foto: Paula Maether<br />
Prekarisierung der Arbeitsverhältnisse, die<br />
Inflation und die sinkenden Tariflöhne leben<br />
jedoch viele Arbeiter unter dem Armutsniveau,<br />
woraus sich die Unzugänglichkeit zu<br />
Wohnraum ergibt. Nach verschiedenen Quellen<br />
gibt es allein in den Innenstadtbezirken<br />
500.000 Menschen, die eine Sozialwohnung<br />
benötigen. Weitere 600.000 sind in Gefahr,<br />
ihre Wohnung nach einer Mieterhöhung räumen<br />
zu müssen. Diese 1,1 Millionen Menschen<br />
entsprechen rund 40% der Bevölkerung<br />
der innerstädtischen Bezirke. In diesem Meer<br />
konjunktureller und struktureller Probleme<br />
legten die argentinische und die Regierung<br />
der Stadt Buenos Aires ihre Streitigkeiten bei,<br />
um den Bauboom und die wachsende Bodenspekulation<br />
zu fördern. Die wirtschaftsliberale<br />
Regierung der Hauptstadt unter dem kürzlich<br />
wiedergewählten Unternehmer Mauricio Macri<br />
lähmte mit ihrer Spar- und Kürzungspolitik<br />
die ohnehin geringe Bautätigkeit, die das<br />
Programm des städtischen Wohnungsbauin-<br />
Die „Siedlung 31“ im Zentrum von Buenos Aires. Foto: Paula Maether<br />
W O H N E N I N T E R N A T I O N A l<br />
OBDACHLOSE IN BUENOS AIRES<br />
Nach amtlichen Statistiken zählen in der Stadt<br />
Buenos Aires zur beträchtlichen und anwachsenden<br />
Zahl von Obdachlosen:<br />
- 10.000 Menschen in 150 neueren Ansiedlungen<br />
in verlassenen Fabriken, Baulücken,<br />
unter Autobahnen etc.<br />
- 220.000 Menschen in 17 alten Siedlungen.<br />
- rund 100.000 Menschen, die in Tausenden<br />
illegal besetzten alten Häusern, Scheunen<br />
oder verlassenen Fabriken leben. Viele davon<br />
wurden von der Regierung von Buenos<br />
Aires vertrieben.<br />
- 126.000 Menschen leben in Hotels oder<br />
Pensionen, 70% davon im Stadtteil La Boca.<br />
- 56.000 leben in Bauruinen, das heißt nicht<br />
vollendeten Bauvorhaben verschiedener<br />
Regierungen.<br />
stituts vorsah. Anstelle dessen wurden die<br />
Elendsviertel unter eine Gerichtsbarkeit gestellt,<br />
deren zentrale Aufgabe darin bestand,<br />
den „besetzten“ Boden wieder zu kontrollieren.<br />
Die Stigmatisierung der Elendsviertelbewohner<br />
wurde begleitend angeheizt und<br />
Vertreibungen mit dem Verweis auf illegale<br />
Besetzungen legitimiert. Die Schwere der sozialen<br />
Probleme wurde dabei völlig negiert.<br />
Die staatlichen Pläne der Nationalen Regierung<br />
unter Néstor Kirchner (2003 bis 2007,<br />
danach Cristina Kirchner) sahen Finanzmittel<br />
für den Bau von 11.000 Wohnungen vor.<br />
Tatsächlich wurden aber bis 2009 nur 2.213<br />
Wohnungen, also gerade mal 20%, gebaut.<br />
stadtplanung im dienst der<br />
Bevölkerung<br />
Das Wohnungsproblem in Buenos Aires trägt<br />
die charakteristischen Züge eines abhängigen<br />
und zurückgebliebenen Landes. Die Stadt<br />
wird nicht nach sozialen Erfordernissen, sondern<br />
nach den Interessen der mit ausländischem<br />
Kapital verflochtenen Handels- und<br />
Finanzgesellschaften gebaut und modernisiert.<br />
Nur in Ausnahmefällen konnten soziale<br />
Organisationen konkrete Maßnahmen zur<br />
Lösung der drängendsten Probleme erzwingen.<br />
Fast immer gelang das erst nach monateoder<br />
jahrelangen Kämpfen und Mobilisierungen<br />
und oft in Konfrontation mit der<br />
staatlichen Gewalt. Die Erfolge beruhen in<br />
erster Linie auf der eigenen Kraft und Organisierung<br />
und nur sekundär auf staatlicher<br />
Unterstützung (siehe Kasten). Sie sind immer<br />
nur punktuell und nicht von genereller politischer<br />
Art. Es verlangt nach einer anderen<br />
Stadtplanung auf anderer sozialer Grundlage<br />
und im Dienst der Interessen der Bevölkerung.<br />
Übersetzung aus dem Spanischen von<br />
Hermann Werle.<br />
ME 350 / <strong>Oktober</strong> <strong>2011</strong> 19