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ein unmoralisches Angebot? - Åbo Akademi

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vielmehr mit den literarischen Mitteln Lesages, Swifts und Voltaires satirisiert,sondern aus der Perspektive des unerbittlichen Gesellschaftskritikers, der dieVersuchung des faustischen Ich zum individuellen Aufruhr und Ausbruch an sichselbst verspürt, sie aber als untaugliches Lebensmuster für <strong>ein</strong>e sozial verantwortbare,moralisch autonome und politisch engagierte Existenz verworfen hat. 303Klingers starke und bissige Gesellschaftskritik kommt in dem ganzen Roman deutlich zumAusdruck. S<strong>ein</strong>em Freund Schleiermacher berichtet er: „Darinen wirst du nebst <strong>ein</strong>em tiefenZwek, alles finden, was ich über Wissenschaften, Menschen, Glück, Moral, Religion, Gottund Welt denke” 304 - und Klingers Denken war durchaus kritisch. In diesem Kapitel wirdspäter auf s<strong>ein</strong>e gesellschaftskritische Haltung näher <strong>ein</strong>gegangen.Faust wird bei Klinger - wie im Straßburger Puppenspiel - mit dem Buchdrucker Fustgleichgesetzt: er hat die Buchdruckerkunst erfunden. So ist Klingers Faust also nicht mehr derForscher des Volksbuchs, der außer Theologie noch Medizin und Astrologie studieren wollte,sondern <strong>ein</strong> erfinderischer Mensch, der bereits etwas geleistet hat, dem also an derartigerKenntnis nicht mangelt. 305 Aber trotz s<strong>ein</strong>er Fähigkeiten und Eigenschaften ist Faust nichtglücklich mit s<strong>ein</strong>em Leben:Die Natur hatte ihn wie <strong>ein</strong>en s<strong>ein</strong>er Günstlinge behandelt [...], aber da sie diegefährlichen Gaben, strebende, stolze Kraft des Geistes, hohes, feuriges Gefühl desHerzens, und <strong>ein</strong>e glühende Einbildungskraft hinzufügte, die das Gegenwärtige niebefriedigte, die das Leere, Unzulängliche des Erhaschten in dem Augenblick desGenusses aufspürte, und alle s<strong>ein</strong>e übrigen Fähigkeiten beherrschte, so verlor er baldden Pfad des Glücks [...]. 306Für Faust schien „der kürzeste und bequemste Weg zum Glück und Ruhm die Wissenschaftenzu s<strong>ein</strong>; doch kaum hatte er ihren Zauber gekostet, als der heftige Durst nach Wahrheit ins<strong>ein</strong>er Seele entbrannte” 307 . Wir haben es also hier mit <strong>ein</strong>em Faust zu tun, der sowohlErfindergeist und -talent besitzt, der aber nie mit sich und s<strong>ein</strong>en Fähigkeiten zufrieden ist,der sich nach Glück und Ruhm sehnt und nach Wahrheit dürstet. Ver<strong>ein</strong>t sind hier also vieleGründe, die zu <strong>ein</strong>em Teufelspakt führen können.303 Kreuzer: Fragmentarische Bemerkungen zum Experiment des ‚faustischen Ich’. In: Fülleborn/Engel (Hrsg.):Das neuzeitliche Ich. S. 141.304 Rieger: Klinger in s<strong>ein</strong>er Reife. Darmstadt 1896. S. 18. Zitiert nach Uwe Heldts Nachwort zu Klingers Faust.S. 257.305 Siehe auch H. J. Geerdts: F. M. Klingers Faust-Roman in s<strong>ein</strong>er historisch-ästhetischen Problematik. In:Weimarer Beiträge 1960. S. 61: „Der Klingersche Faust ist nicht mehr wie derjenige des alten Volksbuches <strong>ein</strong>‚spekulierender’ Theologe und Arzt, Astrologe und Mathematiker […], sondern der Erfinder derBuchdruckerei.”306 Fausts Leben, Taten und Höllenfahrt, S. 9.307 ebd., S. 10.91

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