ein unmoralisches Angebot? - Åbo Akademi

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13.07.2015 Aufrufe

Unwiderruflichkeit des Teufelspaktes, wenn man an die rettende Gnade Gottes nicht mehrglauben kann, wird hier ebenso in Frage gestellt und dem Leser somit ein offenes Endepräsentiert. Da dieses Volksbuch nicht mehr, wie sein Vorbild aus dem 16. Jahrhundert, alsWarnung und erschreckendes Beispiel geschrieben wurde, sondern als eine – auchunterhaltsame – „spannende Geschichte“, ist ein jämmerliches Ende in ewiger Verdammnisgar nicht mehr nötig. Der Leser kann nun selbst, nach seinen eigenen Moralvorstellungenentscheiden, ob eine Rettung Fausts möglich sein könnte.Ein im weitesten Sinne volkstümliches Werk aus Schweden ist noch erwähnenswert: CarlKastmans Sagan om Doktor Henrik Faust. Berättad för svenska folket. Erschienen 1905, istdies ein verhältnismäßig modernes Werk. Kastmans Faust ist jedoch schwer zukategorisieren. Es ist in einer Zeit verfasst worden, in der Volksbücher im engeren Sinne nichtmehr geschrieben wurden, aber es ist ein Versuch, die Geschichte von Faust in einervolkstümlichen Art weiterzugeben, was bereits in dem Titelzusatz „berättad för svenskafolket“ („erzählt für das schwedische Volk“) deutlich gemacht wird. Carl Kastman war einberühmter Pädagoge seiner Zeit und in dieser Eigenschaft des „Volkspädagogen“ hat er vieleähnliche, „för svenska folket“ gedachte Lebensläufe nacherzählt, beispielsweise über Luther,Cromwell, Loyola und Calvin. 280 Eigenartig ist jedoch, dass er neben all den Biographienhistorischer Personen auch über die Faust-Sage schrieb, zumal er nicht einmal diehistorischen Quellen über Faust benutzte, auch nicht die Historia, sondern sich beinaheausschließlich auf Goethes Faust stützte, also auf ein literarisches Werk. 281 Wir erhalten hieralso von Kastman die „Biographie“ einer literarischen Gestalt.Sagan om Doktor Henrik Faust stellt einen Versuch Kastmans dar, dem schwedischen Volkin einer recht einfachen – eben auch für Schulkinder geeigneten – Form die Geschichte desDoktor Faust nachzuerzählen. Bereits am Titel ist allerdings ersichtlich, dass Kastmans Buchzu einem großen Teil auf seiner Kenntnis des Goetheschen Faust basiert, denn der Protagonistträgt den Vornamen Henrik, die schwedische Form von „Heinrich“, der der Vorname vonGoethes Faust ist. Auch inhaltlich können sehr viele Anhaltspunkte gefunden werden, diezeigen, dass Goethes Faust hier als Grundlage gedient hat. Tatsächlich ist der gesamte Ablauf280 Beispielsweise ”Johan Calvin : hans lefnad / berättad för svenska folket” (1910), ”Oliver Cromwell : hanslefnad berättad för svenska folket” (1908), ”Carl von Linné : hans lefnad : berättad för svenska folket” (1906)und ” Ignatius Loyola : hans lefnad / framställd för svenska folket”(1905), Martin Luther, hans lefnad, berättadför svenska folket (1903).281 Kenntlich gemacht ist die historisch nicht belegte Herkunft Fausts einzig in der Überschrift des Werkes, inder es ja heißt: Sagan om Doktor Henrik Faust. Im Inhalt handelt es sich jedoch nicht um die Sage, sondern umdie Nacherzählung und Umänderung von Goethes Faust.82

im Grunde dem Goetheschen Faust entlehnt, aber im großen Maße vereinfacht. Es gibtbeispielsweise am Anfang viele zusätzliche Kapitel, die das ganze Umfeld des Dramaserläutern, ebenso den historischen Zusammenhang, in dem die Geschehnisse stattfinden. 282Auch fügt Kastman häufig Kommentare zu seinem Text hinzu, um einen Begriff zu erklärenoder eine Hintergrundsinformation zu liefern. 283Die Kapitelüberschriften zeigen, dass der Aufbau des Werkes Goethes Faust ähnlich ist, 284allerdings ist zu betonen, dass der Teil, der inhaltlich Goethes Faust II entspricht, vielweniger an Umfang erhält als der erste Teil, wohingegen der zweite Teil bei Goethe jaumfangreicher ist als der erste. Dies erklärt sich dadurch, dass man bei einer Bearbeitung, diefür das „Volk“, besonders auch für Kinder, gedacht ist, kürzen muss. Da Faust II allgemeinals „schwieriger“ eingestuft wird als Faust I, wird sinnvollerweise hier mehr verkürzt.Kann man denn eine solche offensichtliche Bearbeitung eines bereits existierenden Faust-Werkes (Goethes) als eine eigenständige Geschichte betrachten? Ein Kapitel über GoethesFaust folgt später in dieser Arbeit (Kap. IV.II. A.3.), weshalb auf eine detaillierte Analyse undeine Schilderung des Handlungsablaufes hinsichtlich des Ausgangswerkes an dieser Stelleverzichtet werden kann. Es ist jedoch interessant, einen kurzen, vergleichenden Überblick zugeben. Kastmans Bearbeitung vereinfacht zwar manches, verändert aber auch einige Stellen.Ob dies geschehen ist, um den Text dem Leser verständlicher zu machen, oder ob Kastmaneinigen Stellen schlichtweg nicht so viel Bedeutung beigemessen, oder sie eventuell falschverstanden hat, bleibt dahingestellt. Seine Aufgabe als „Lehrer der Nation“ besteht darin,allgemeines Kulturgut volksnah zu machen, dem Volk klassische Bildung und Literatur282 Ganz am Anfang des Werkes gibt es zum Beispiel eine Passage, die in das Leben in den „alten Zeiten”einführen soll: „För många, många år sedan lefde doktor Henrik Faust. På hans tid såg det helt annorlunda ut ivärlden än i våra dagar. Då kunde man ej så hastigt som nu färdas från den ena orten till den andra; då kundeman ej heller inom så kort tid som nu skriftligt eller muntligt meddela sig med andra, som ej voro så nära, attman omedelbart kunde samtala med dem; ty ångbåtar och järnvägar, telegrafer och telefoner voro ännu okändasaker. Då funnos ej så många och så stora städer som nu. Då rådde också stor okunnighet. De flesta kundehvarken läsa eller skrifva.” Übers.: „Vor vielen, vielen Jahren lebte Doktor Henrik Faust. Zu seiner Zeit sah es inder Welt ganz anders aus als in unseren Tagen. Damals konnte man nicht so schnell von einem zum anderen Ortreisen; damals konnte man sich auch nicht binnen so kurzer Zeit wie jetzt schriftlich oder mündlich mitteilen mitMenschen, die nicht so nahe waren; da Dampfschiffe und Eisenbahnen, Telegraph und Telefon noch unbekannteDinge waren. Damals gab es nicht so viele und so große Städte wie jetzt. Damals herrschte auch großeUnwissenheit. Die meisten konnten weder lesen noch schreiben.“283 Z.B. wird die Helenenerscheinung im Spiegel erklärt (S. 44): „Den kvinna, Faust såg i häxans trollspegel, varen bild af den sköna Helena, för hvilkens skull trojanska kriget fördes.“ (Übers.: „Die Frau, die Faust imZauberspiegel der Hexe sah, war ein Bild der schönen Helena, wegen der der trojanische Krieg geführt wurde.”)284 Das Inhaltsverzeichnis befindet sich mit einer Übersetzung im Anhang.83

im Grunde dem Goetheschen Faust entlehnt, aber im großen Maße ver<strong>ein</strong>facht. Es gibtbeispielsweise am Anfang viele zusätzliche Kapitel, die das ganze Umfeld des Dramaserläutern, ebenso den historischen Zusammenhang, in dem die Geschehnisse stattfinden. 282Auch fügt Kastman häufig Kommentare zu s<strong>ein</strong>em Text hinzu, um <strong>ein</strong>en Begriff zu erklärenoder <strong>ein</strong>e Hintergrundsinformation zu liefern. 283Die Kapitelüberschriften zeigen, dass der Aufbau des Werkes Goethes Faust ähnlich ist, 284allerdings ist zu betonen, dass der Teil, der inhaltlich Goethes Faust II entspricht, vielweniger an Umfang erhält als der erste Teil, wohingegen der zweite Teil bei Goethe jaumfangreicher ist als der erste. Dies erklärt sich dadurch, dass man bei <strong>ein</strong>er Bearbeitung, diefür das „Volk“, besonders auch für Kinder, gedacht ist, kürzen muss. Da Faust II allgem<strong>ein</strong>als „schwieriger“ <strong>ein</strong>gestuft wird als Faust I, wird sinnvollerweise hier mehr verkürzt.Kann man denn <strong>ein</strong>e solche offensichtliche Bearbeitung <strong>ein</strong>es bereits existierenden Faust-Werkes (Goethes) als <strong>ein</strong>e eigenständige Geschichte betrachten? Ein Kapitel über GoethesFaust folgt später in dieser Arbeit (Kap. IV.II. A.3.), weshalb auf <strong>ein</strong>e detaillierte Analyse und<strong>ein</strong>e Schilderung des Handlungsablaufes hinsichtlich des Ausgangswerkes an dieser Stelleverzichtet werden kann. Es ist jedoch interessant, <strong>ein</strong>en kurzen, vergleichenden Überblick zugeben. Kastmans Bearbeitung ver<strong>ein</strong>facht zwar manches, verändert aber auch <strong>ein</strong>ige Stellen.Ob dies geschehen ist, um den Text dem Leser verständlicher zu machen, oder ob Kastman<strong>ein</strong>igen Stellen schlichtweg nicht so viel Bedeutung beigemessen, oder sie eventuell falschverstanden hat, bleibt dahingestellt. S<strong>ein</strong>e Aufgabe als „Lehrer der Nation“ besteht darin,allgem<strong>ein</strong>es Kulturgut volksnah zu machen, dem Volk klassische Bildung und Literatur282 Ganz am Anfang des Werkes gibt es zum Beispiel <strong>ein</strong>e Passage, die in das Leben in den „alten Zeiten”<strong>ein</strong>führen soll: „För många, många år sedan lefde doktor Henrik Faust. På hans tid såg det helt annorlunda ut ivärlden än i våra dagar. Då kunde man ej så hastigt som nu färdas från den ena orten till den andra; då kundeman ej heller inom så kort tid som nu skriftligt eller muntligt meddela sig med andra, som ej voro så nära, attman omedelbart kunde samtala med dem; ty ångbåtar och järnvägar, telegrafer och telefoner voro ännu okändasaker. Då funnos ej så många och så stora städer som nu. Då rådde också stor okunnighet. De flesta kundehvarken läsa eller skrifva.” Übers.: „Vor vielen, vielen Jahren lebte Doktor Henrik Faust. Zu s<strong>ein</strong>er Zeit sah es inder Welt ganz anders aus als in unseren Tagen. Damals konnte man nicht so schnell von <strong>ein</strong>em zum anderen Ortreisen; damals konnte man sich auch nicht binnen so kurzer Zeit wie jetzt schriftlich oder mündlich mitteilen mitMenschen, die nicht so nahe waren; da Dampfschiffe und Eisenbahnen, Telegraph und Telefon noch unbekannteDinge waren. Damals gab es nicht so viele und so große Städte wie jetzt. Damals herrschte auch großeUnwissenheit. Die meisten konnten weder lesen noch schreiben.“283 Z.B. wird die Helenenersch<strong>ein</strong>ung im Spiegel erklärt (S. 44): „Den kvinna, Faust såg i häxans trollspegel, varen bild af den sköna Helena, för hvilkens skull trojanska kriget fördes.“ (Übers.: „Die Frau, die Faust imZauberspiegel der Hexe sah, war <strong>ein</strong> Bild der schönen Helena, wegen der der trojanische Krieg geführt wurde.”)284 Das Inhaltsverzeichnis befindet sich mit <strong>ein</strong>er Übersetzung im Anhang.83

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