ein unmoralisches Angebot? - Åbo Akademi

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13.07.2015 Aufrufe

sondern eher die von Klemettinen beschriebene „Partnerschaft mit dem Teufel […] ohnemoralische Folgen“.Weiter oben wurde bereits auf die Ähnlichkeit der finnischen Faust-Gestalt mit denHanswurst-Gestalten der deutschen Volks- und Puppenspiele hingewiesen. In der Tat sind dieCharaktereigenschaften bei dem finnischen Vauhtus oft als „hanswurstisch“ zu bezeichnen. Inder Sage Nr. 9 zum Beispiel verspricht die Hauptperson – diesmal Amos genannt – demTeufel einen Teil seines Körpers zu geben, wenn dieser ihn in einem Glasschrank durch alleMeeresgründe ziehe. Der Teufel freut sich und kalkuliert: „Wenn ich einen Teil des Körpersbekomme, dann nehme ich ihn ganz.“ 208 Aber Amos ist schlau, er hat schon eine Lösung imKopf, bzw. im Hintern, denn nachdem der Teufel ihm das Gewünschte gezeigt hatte, „machteAmos vor dem Teufel sein Geschäft und sagte zu ihm: ‚Das ist dein Teil.’“ 209Als komisches Element dienen in den Faustsagen auch diverse Possen und Kunststücke, dieVauhtus vor „höfischen“ Leuten macht. Solche führt Faust auch in der Historia auf, allerdingssind die Possen in den finnischen Sagen etwas derber. So kann er sich unsichtbar machen undin dieser Gestalt manches Ärgernis bereiten; unter anderem steckt er Eiszapfen in den Krageneines „fetten Herrn“ (Nr. 17), schiebt den feinen Herren beim königlichen Mahl „den Löffeletwas zur Seite, so dass alles auf die Wangen und Brust“ fällt (Nr. 18), oder er verwandeltsich in eine Fliege und in dieser Gestalt macht er „sein Geschäft in die Tasse des Königs“ (Nr.20). Ebenso kann er, wie bereits der Faust aus dem deutschen Volksbuch, auf einem Kleid,Mantel oder Brett fliegen und sich vor Unannehmlichkeiten, beispielsweise vor einerGefängnisstrafe, retten (u.a. Sagen Nr. 17-24).Ein sehr interessanter und markanter Unterschied zwischen den finnischen und den deutschenFaustsagen ist vor allem die Verbindung der Faust-Gestalt mit Martin Luther. Diese beidenderart gegensätzlichen deutschen Männer werden in den finnischen Sagen als Brüder oderzumindest Halbbrüder dargestellt. Wie kommt eine solche Verbindung zustande? InDeutschland wäre eine solche Wendung undenkbar. Zudem entstand die Sage von Faustbereits zu dessen (und Luthers) Lebzeiten, im 16. Jahrhundert, da man in den deutschenLanden wusste, dass diese beiden keine verwandtschaftliche Beziehung zueinander haben208 Geschichte Nr. 9, siehe Anhang 1. Wortlaut im finnischen Originaltext: „kun minä saan osan ruumiista niinkyllä minä sen sitte otan kokonaan.”209 Geschichte Nr. 9, siehe Anhang 1. Wortlaut im finnischen Originaltext: „Aamos ulosti pirun eteen ja sanoisiinä on sinun osas.”62

konnten. Die einzige historische Verbindung zwischen Faust und Luther ist, dass Luther inseinen „Tischreden” zweimal über Faust berichtet. 210 Zudem scheint Faust mit Luther einerMeinung darüber zu sein, dass das Papsttum bald ein Ende haben müsse. Aber kann diesgenug sein, um diese beiden als Brüder darzustellen?Aus finnischer Sicht stammen beide aus demselben (Aus-)Land und haben etwa gleichzeitiggelebt. Der eine repräsentiert das Gute, der andere das Böse – eine Konstellation, die sichhervorragend für Sagengestaltung eignet. Zudem ist Finnland ein Land, in dem ca. 90 % derBevölkerung der evangelisch-lutherischen Kirche angehört. Dies bedeutet, dass die meistenMenschen sicherlich Luther und seine Bedeutung für diese Glaubensrichtung kennen undgekannt haben. Faust war jedoch höchstwahrscheinlich nicht sehr bekannt in Finnland. Es warsehr geschickt, diese beiden Männer in den finnischen Volkssagen zu vereinen, weil es indiesem Falle einen Mann gab, den man kannte, oder von dessen Existenz man zumindestwusste, d.h. Luther, den „Guten“. Dieser konnte hier mit jemandem in Verbindung gebrachtwerden, der eher einen „bösen“, zwielichtigen Ruf hatte. Um dieses Verhältnis noch etwas zuübertreiben, konnte man sie aus der sicheren Entfernung zu ihrem Herkunftsland genauso gutals Brüder darstellen. Durch diese Art der Darstellung gewann die Gestalt Luthers eine neueDimension, aber auch einen gegensätzlichen Vergleich; der gute, beispielhafte Mann wurdemit einem dubiosen und zwielichtigen Menschen in Verbindung gebracht, und das Verhältnisder beiden wurde nun zum Gegenstand der Erzählungen.In den volkstümlichen Vauhtus-Sagen der SKS kommt Luther insgesamt zehn Mal mitVauhtus zusammen vor; nur einmal wird das brüderliche Verhältnis der beiden nicht erwähnt(Nr. 23). Luther und Vauhtus reisen zusammen um die Welt, die Possen im königlichen Hofverübt Faust immer in Luthers Beisein 211 . Oft muss Vauhtus seinen Bruder retten, und siefliegen anschließend beide auf einem Kleid oder aber auch auf der Bibel (Nr. 21) nach Hause.Allerdings muss Luther gelegentlich von Vauhtus dazu angehalten werden, nicht fortwährendan Gott zu denken, sondern an „irdische Dinge“, sonst würde das Kleid nicht in die Luftsteigen. 212In einer Sage (Nr. 18) wird besonders darauf hingewiesen, dass Vauhtus dem Bösen, Lutheraber dem Guten dient. Was ihn allerdings nicht daran hindert, an Vauhtus’ Zaubereienteilzunehmen.210 Mahal erwähnt dies in „Faust. Die Spuren eines geheimnisvollen Lebens“, S. 335.211 Interessant ist hier, dass Vauhtus und Luther beide unsichtbar am Geschehen teilhaben können, aber wenneiner der beiden lacht – zumeist ist es dann Luther -, ist das Zauber gebrochen, sie werden wieder sichtbar undkönnen gefangen genommen werden. Zumeist rettet dann Vauhtus beide aus der misslichen Lage.212 Sagen Nr. 19 und 22.63

sondern eher die von Klemettinen beschriebene „Partnerschaft mit dem Teufel […] ohnemoralische Folgen“.Weiter oben wurde bereits auf die Ähnlichkeit der finnischen Faust-Gestalt mit denHanswurst-Gestalten der deutschen Volks- und Puppenspiele hingewiesen. In der Tat sind dieCharaktereigenschaften bei dem finnischen Vauhtus oft als „hanswurstisch“ zu bezeichnen. Inder Sage Nr. 9 zum Beispiel verspricht die Hauptperson – diesmal Amos genannt – demTeufel <strong>ein</strong>en Teil s<strong>ein</strong>es Körpers zu geben, wenn dieser ihn in <strong>ein</strong>em Glasschrank durch alleMeeresgründe ziehe. Der Teufel freut sich und kalkuliert: „Wenn ich <strong>ein</strong>en Teil des Körpersbekomme, dann nehme ich ihn ganz.“ 208 Aber Amos ist schlau, er hat schon <strong>ein</strong>e Lösung imKopf, bzw. im Hintern, denn nachdem der Teufel ihm das Gewünschte gezeigt hatte, „machteAmos vor dem Teufel s<strong>ein</strong> Geschäft und sagte zu ihm: ‚Das ist d<strong>ein</strong> Teil.’“ 209Als komisches Element dienen in den Faustsagen auch diverse Possen und Kunststücke, dieVauhtus vor „höfischen“ Leuten macht. Solche führt Faust auch in der Historia auf, allerdingssind die Possen in den finnischen Sagen etwas derber. So kann er sich unsichtbar machen undin dieser Gestalt manches Ärgernis bereiten; unter anderem steckt er Eiszapfen in den Kragen<strong>ein</strong>es „fetten Herrn“ (Nr. 17), schiebt den f<strong>ein</strong>en Herren beim königlichen Mahl „den Löffeletwas zur Seite, so dass alles auf die Wangen und Brust“ fällt (Nr. 18), oder er verwandeltsich in <strong>ein</strong>e Fliege und in dieser Gestalt macht er „s<strong>ein</strong> Geschäft in die Tasse des Königs“ (Nr.20). Ebenso kann er, wie bereits der Faust aus dem deutschen Volksbuch, auf <strong>ein</strong>em Kleid,Mantel oder Brett fliegen und sich vor Unannehmlichkeiten, beispielsweise vor <strong>ein</strong>erGefängnisstrafe, retten (u.a. Sagen Nr. 17-24).Ein sehr interessanter und markanter Unterschied zwischen den finnischen und den deutschenFaustsagen ist vor allem die Verbindung der Faust-Gestalt mit Martin Luther. Diese beidenderart gegensätzlichen deutschen Männer werden in den finnischen Sagen als Brüder oderzumindest Halbbrüder dargestellt. Wie kommt <strong>ein</strong>e solche Verbindung zustande? InDeutschland wäre <strong>ein</strong>e solche Wendung undenkbar. Zudem entstand die Sage von Faustbereits zu dessen (und Luthers) Lebzeiten, im 16. Jahrhundert, da man in den deutschenLanden wusste, dass diese beiden k<strong>ein</strong>e verwandtschaftliche Beziehung zu<strong>ein</strong>ander haben208 Geschichte Nr. 9, siehe Anhang 1. Wortlaut im finnischen Originaltext: „kun minä saan osan ruumiista niinkyllä minä sen sitte otan kokonaan.”209 Geschichte Nr. 9, siehe Anhang 1. Wortlaut im finnischen Originaltext: „Aamos ulosti pirun eteen ja sanoisiinä on sinun osas.”62

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