ein unmoralisches Angebot? - Åbo Akademi

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13.07.2015 Aufrufe

4. Finnische Vauhtus-SagenNicht nur in deutschsprachigen Gebieten, sondern auch anderswo verbreitete sich die Sageüber den Teufelsbündler Faust. Die bekanntesten volkstümlichen Versionen dieser Sagestammen wohl aus England, wo die Schauspiel- und Puppenspieltruppen die Faust-Geschichten sich zu Eigen machten und sie im Volk verbreiteten. Ebenfalls aus denfranzösischen Gebieten und aus den Niederlanden sind Faust-Sagen bekannt. Verhältnismäßigneu ist aber die Entdeckung, dass es auch im finnischen Sprachraum solche Faust – oderlandessprachlich: Vauhtus – Sagen gibt.Auf der Suche nach Sekundärliteratur zu Thomas Manns Faust-Roman wurde ich auf eineinteressante Fußnote in Dietrich Assmanns „Thomas Manns ‚Doktor Faustus’ und seineBeziehungen zur Faust-Tradition“ aufmerksam. Hier wird nämlich darauf hingewiesen, dassFausts Paktmotiv in der finnischen Volksdichtung die Anfertigung von Seekarten sei. 186Faust in der finnischen Volksdichtung? Im Volksdichtungsarchiv der FinnischenLiteraturgesellschaft (Suomalaisen Kirjallisuuden Seura = SKS) in Helsinki fanden sich unterdem Stichwort Faust (oder Vauhtus) 23 unterschiedlich lange Geschichten sowie einSprichwort. Sie sind zunächst mündlich überliefert worden und erst ab Ende des 19.Jahrhunderts bis nach dem zweiten Weltkrieg aufgeschrieben worden (die früheste Geschichteist im Jahr 1890 aufgezeichnet worden, die späteste mit Datum versehene 1947). Man kannalso nicht genau sagen, wann die Faust-Sage Finnland erreicht hat. Aller Wahrscheinlichkeitnach kam die Faust-Sage nach Finnland über Schweden, zu dem Finnland bis zum Jahr 1808gehörte. In Schweden gibt es eine gedruckte Faust-Fassung bereits aus dem Jahr 1785 187 , aufdie bereits in Kap. II (Anm. 4) hingewiesen wurde. Es ist durchaus möglich, dass die Sageüber die schwedische Übersetzung nach Finnland gelangte; zunächst zu derschwedischsprachigen Bevölkerung, danach auch zur finnischsprachigen.Volkssagen wurden im 19. Jahrhundert überall in Finnland „gesammelt“, d.h. aus dermündlichen Tradition ins Schriftliche übertragen. Die finnische Schriftsprache existierte zwardank des Reformators Mikael Agricola bereits seit dem 16. Jahrhundert, allerdings „nur“ inder Gestalt einer Übersetzung des Neuen Testaments, der Psalmen Davids („Dauidin186 Assmann 1975, S. 58, Anm. 2187 ”Kort utdrag utur den på tyska språket utgifna doctor Fausti historia, innefattandes hans gudlösa lefnad, 24åriga förbund med djäfwulen och förtwiflade, samt i högsta måtton faseliga ändalyckt. Götheborg, tryckt hosSamuel Norberg, k.g. : boktr. På egen bekostnad år 1785.”56

Psalttari“), eines Gebetsbuchs und einer Fibel („ABC-kiria“ 188 ). Eine eigenständige finnischeLiteratur entstand erst langsam im 19. Jahrhundert, als die finnische Sprache in Finnland anBedeutung gewann und als zweite Amtssprache neben dem Schwedischen akzeptiert wurde.Aus diesem Grunde wurden vor dieser Zeit viele der Sagen und Märchen – also auch die vonFaust – mündlich übertragen und nicht aufgeschrieben.Der berühmteste Sammler alter volkstümlicher Sagen ist Elias Lönnrot, der auf seinenzahlreichen Reisen unter anderem das Material für das finnische Nationalepos Kalevala unddessen Parallelwerk Kanteletar, auch „kleine Schwester“ genannt, aufschrieb undzusammenfasste. Das Sammeln der Folkloretexte wurde noch in der Zeit unmittelbar nachdem zweiten Weltkrieg weiterbetrieben um den sonst verschwindenden mündlichenVolkssagen eine Dauerhaftigkeit in der Form der Niederschrift zu verleihen. Manchmal habenStudenten diese alten Sagen und Märchen gesammelt - was meistens daran zu erkennen ist,dass die gesammelten Beiträge mit einem ausführlichen, mit der Schreibmaschinegeschriebenen Sammelbericht bei der SKS eingesendet wurden 189 - häufiger aber Menschenaus dem Volk, die handschriftlich alte Märchen und Sagen in ihre Hefte aufgeschrieben, unddiese Hefte dann der Literaturgesellschaft zur Verfügung gestellt haben. Es hat wohl auchWettbewerbe auf diesem Gebiet gegeben, jedenfalls aber eine Art von Belohnung für dasSammeln solcher „nationalen Schätze“, dies deuten zumindest einige Briefe an. 190 Bis aufeine Ausnahme (Nr. 19) sind diese finnischen Faustsagen bisher noch nicht veröffentlichtworden. 191 In meiner Dissertation werden sie erstmalig publiziert und ins Deutscheübersetzt. 192188 Das „ABC-kiria“ („ABC-Buch“) Agricolas aus dem Jahr 1543 ist das erste auf finnischer Spracheerschienene Buch, das auch ein Katechismus enthielt.189 In den Faustsagen ist dies vor allem bei Frau Rauni Karsikko der Fall; aus ihrem Bestand stammt die SageNummer 10. Offenbar wurden zu diesem Zweck sogar Stipendien bewilligt, wie Frau Karsikko in ihrem Berichtschreibt (S. 1): „Stipendien wurden beantragt, bewilligt und abgehoben.“190 In einem Begleitbrief zu einem Heft mit verschiedensten volkstümlichen Geschichten, die allesamt derLiteraturgesellschaft zugeschickt wurden, schreibt Herr Severi Liipola: „Jos seura katsoo voivansa palkkiotaniistä antaa, olisi rahapalkkio suotava, koska kokemus on osoittanut että tällaisia palkintoja jakamalla voi kansanrunouden keräykseen paikka kunnalla innostusta herättää“. (Übersetzung: „Wenn die Gesellschaft in der Lageist, eine Belohnung für diese [Sagen] zu geben, wäre eine Geldbelohnung angebracht, da die Erfahrung zeigt,dass man durch die Austeilung solcher Belohnungen hier im Ort Interesse fürs Sammeln von Volksdichtungerwecken könnte.“)Diese und alle nachfolgenden Übersetzungen aus dem Finnischen ins Deutsche stammen von mir (M. S.-S.).191 Die Sage Nr. 19 ist in „Myytillisiä tarinoita. Hrsg. von Lauri Simonsuuri. 3. Auflage. Helsinki 1984.“ auf derSeite 304f publiziert worden.192 Siehe Anhang 1, ab S. 343.57

4. Finnische Vauhtus-SagenNicht nur in deutschsprachigen Gebieten, sondern auch anderswo verbreitete sich die Sageüber den Teufelsbündler Faust. Die bekanntesten volkstümlichen Versionen dieser Sagestammen wohl aus England, wo die Schauspiel- und Puppenspieltruppen die Faust-Geschichten sich zu Eigen machten und sie im Volk verbreiteten. Ebenfalls aus denfranzösischen Gebieten und aus den Niederlanden sind Faust-Sagen bekannt. Verhältnismäßigneu ist aber die Entdeckung, dass es auch im finnischen Sprachraum solche Faust – oderlandessprachlich: Vauhtus – Sagen gibt.Auf der Suche nach Sekundärliteratur zu Thomas Manns Faust-Roman wurde ich auf <strong>ein</strong><strong>ein</strong>teressante Fußnote in Dietrich Assmanns „Thomas Manns ‚Doktor Faustus’ und s<strong>ein</strong>eBeziehungen zur Faust-Tradition“ aufmerksam. Hier wird nämlich darauf hingewiesen, dassFausts Paktmotiv in der finnischen Volksdichtung die Anfertigung von Seekarten sei. 186Faust in der finnischen Volksdichtung? Im Volksdichtungsarchiv der FinnischenLiteraturgesellschaft (Suomalaisen Kirjallisuuden Seura = SKS) in Helsinki fanden sich unterdem Stichwort Faust (oder Vauhtus) 23 unterschiedlich lange Geschichten sowie <strong>ein</strong>Sprichwort. Sie sind zunächst mündlich überliefert worden und erst ab Ende des 19.Jahrhunderts bis nach dem zweiten Weltkrieg aufgeschrieben worden (die früheste Geschichteist im Jahr 1890 aufgezeichnet worden, die späteste mit Datum versehene 1947). Man kannalso nicht genau sagen, wann die Faust-Sage Finnland erreicht hat. Aller Wahrsch<strong>ein</strong>lichkeitnach kam die Faust-Sage nach Finnland über Schweden, zu dem Finnland bis zum Jahr 1808gehörte. In Schweden gibt es <strong>ein</strong>e gedruckte Faust-Fassung bereits aus dem Jahr 1785 187 , aufdie bereits in Kap. II (Anm. 4) hingewiesen wurde. Es ist durchaus möglich, dass die Sageüber die schwedische Übersetzung nach Finnland gelangte; zunächst zu derschwedischsprachigen Bevölkerung, danach auch zur finnischsprachigen.Volkssagen wurden im 19. Jahrhundert überall in Finnland „gesammelt“, d.h. aus dermündlichen Tradition ins Schriftliche übertragen. Die finnische Schriftsprache existierte zwardank des Reformators Mikael Agricola bereits seit dem 16. Jahrhundert, allerdings „nur“ inder Gestalt <strong>ein</strong>er Übersetzung des Neuen Testaments, der Psalmen Davids („Dauidin186 Assmann 1975, S. 58, Anm. 2187 ”Kort utdrag utur den på tyska språket utgifna doctor Fausti historia, innefattandes hans gudlösa lefnad, 24åriga förbund med djäfwulen och förtwiflade, samt i högsta måtton faseliga ändalyckt. Götheborg, tryckt hosSamuel Norberg, k.g. : boktr. På egen bekostnad år 1785.”56

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