ein unmoralisches Angebot? - Åbo Akademi

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Merkzeichen einer tiefer gehenden inneren Umgestaltung, die der Christlich Meynende anseiner Vorlage ausgeführt hat.” 132Wie der Faust der Historia, war auch der Faust des „Christlich Meynenden” ein begabterMann, den seine Eltern „wegen seines fähigen Kopfs” 133 zu ihrem reichen Vetter schickten,damit er studieren konnte. Er war erfolgreich und erhielt den Magistergrad. Das Wissen findetallgemein Anerkennung. Sogar der spätere Wechsel Fausts vom Theologiestudium zumMedizinstudium wird in dieser Faust-Fassung gebilligt, da das Wissen über andere alsgöttliche Dinge, im Gegensatz zu der Historia, nun in der Gesellschaft akzeptiert wird 134 :[Faust] wußte seinen Eltern aber gar bald ein gutes Sentiment von der an sich selbsthöchstnützlichen Medizin und Astronomie beizubringen. 135Als den ersten und wichtigsten Grund für den Teufelspakt könnte die Suche Fausts nachGlück genannt werden. Das Verlangen nach Glück spürt er zum ersten Mal, als er merkt, dasser langsam sein geerbtes Vermögen ausgegeben hat und kein Geld mehr besitzt:Als er bei der merklichen Abnahme seines Vermögens sich der liederlichenGesellschaft entschlagen mußte, so lehrte ihn gar der schändliche Müßiggang aufMittel sinnen, sich durch ein teufelisches Bündnis auf der Welt glücklich zumachen. 136„Durch ein teufelisches Bündnis auf der Welt glücklich” zu werden ist der Hauptgrund fürFausts Teufelspakt. Woraus aber besteht Fausts Glück? In dem Pakttext zählt Faust alles dasauf, was für ihn „Glück” ist:...soll [der Teufel] mir alles leisten und erfüllen, was mein Herz, Gemüte, Sinn undVerstand begehret und haben will, und soll an nichts Mangel erscheinen, und so denndem also sein wird, so verschreibe ich mich hiermit mit meinem eigenen Blute... 137Der Mangel an Geld und Vermögen gibt den Anstoß zur Suche nach Glück; Faust kann nichtmehr an dem teilnehmen, was ihm bekannt und angenehm geworden ist - er muss sich ja „derliederlichen Gesellschaft entschlagen” 138 . Er ist mit seinem Zustand nicht glücklich und hatden Wunsch, wieder glücklich zu sein und in seinen Kreisen zu verkehren. Dieses Glückglaubt er nun durch ein Bündnis mit dem Teufel finden zu können.132 Szamatólski: Das Faustbuch des Christlich Meynenden , S. VIII-IX.133 „Christlich Meynender”, S. 164.134 Lubkoll nennt diese Entwicklung „Legitimation der Erkenntnis”. Lubkoll: „und wär’s ein Augenblick...”, S.68.135 „Christlich Meynender”, S. 164.136 ebd., S. 165.137 ebd., S. 168.138 ebd., S. 165.44

Auch will Faust Ruhm und Ansehen in der Gesellschaft gewinnen. Dies versucht er in denBereichen der Zauberei und der Astrologie. Sein Begehren ist:es möchten [...] die Leute noch mehr in dem von ihm geschöpften Wahne der Zaubereigestärket werden. In der Astrologia suchte er sich im Gegenteile desto bekannter zumachen, in welcher er, durch Beihilfe seines Geistes, den Zunamen des andernZoroastris 139 von andern Astrologis erhielt” 140 .Es wird klar, dass Ruhm und Ansehen bei den Menschen zum „erweiterten Glücksbegriff“Fausts gehören.Faust glaubt, dass der Teufel, der „so mächtig, erfahren und geschickt ist” 141 , dieseGlückselemente erfüllen könne, und dass es sich lohne, 24 Jahre lang ‚glücklich’ zu leben,auch wenn man nachher in die Hölle müsse. Der Teufel verspricht Faust ja, „zum Gratial” fürseine Seele „wolle er ihm die ganze Zeit seines Lebens alle nur ersinnliche Lust verschaffenund zu dem erfahrensten und berühmtesten Mann machen” 142 .Die erste Sorge Fausts nach der Schließung des Pakts gilt dem Mangel an „Lebensmitteln” 143 ;Faust verlangt also zuerst ein luxuriöses Leben, in dem es an Essen, Trinken und Kleidungnicht mangelt. Hierin spiegelt sich sein materielles Interesse wider. Zweitens macht sich FaustSorgen um seinen Geldmangel, was sich in der Form äußert, dass Faust sich zu verschiedenenGewinnspielen hingezogen fühlt, und für die er von dem teuflischen Geist große Geldsummenfordert. 144 Erst nachdem für seine Lebensunterhaltung und Finanzen gesorgt ist, fängt Faustan, sich für andere Dinge zu interessieren. Er beginnt vorsichtig, Mephistophiles Fragen zustellen:Ob der bösen Geister viel wären? Aus was Ursachen die Teufel von Gott aus demHimmel verstoßen worden? [...] Bald aber: Was es mit dem Himmel für eineBewandtnis habe? Wie groß das Ansehen und die Freude der Engel daselbst? [...] Obdie Teufel ebenfalls hofften einmal selig zu werden? Endlich drückte er gar los undwollte wissen, was der Geist wohl getan hätte, wenn er an seiner Stelle gewesen. 145Faust zeigt hier, seinen Vorbildern entsprechend, auch ein Verlangen nach Erkenntnis. SeineErkenntnissuche richtet sich nicht auf die „magischen” Wissenschaften, sondern es handelt139 Auf der „Visitenkarte” des historischen Faust (aiehe Kap. III.2.) stand, er sei „magus secundus”. Zoroastergalt als „magus primus”. (Siehe Baron: Faustus. Geschichte, Sage, Dichtung. S. 26.)140 „Christlich Meynender”, S. 172.141 ebd., S. 168.142 ebd., S. 167.143 Siehe auch Hucke: Figuren der Unruhe. S. 103.144 „Christlich Meynender”, S. 170: „Wodurch [durch das bestellen von Äckern und Wiesen] also sein Kreditnoch in etwas so lange erhalten wurde, bis er das gewinnsüchtige Spielen hervorsuchte und entsetzliche SummenGeldes vom Geiste begehrte, worein dieser nicht willigen wollte, sondern heftig kontradizierte.“145 „Christlich Meynender”, S. 170.45

Merkzeichen <strong>ein</strong>er tiefer gehenden inneren Umgestaltung, die der Christlich Meynende ans<strong>ein</strong>er Vorlage ausgeführt hat.” 132Wie der Faust der Historia, war auch der Faust des „Christlich Meynenden” <strong>ein</strong> begabterMann, den s<strong>ein</strong>e Eltern „wegen s<strong>ein</strong>es fähigen Kopfs” 133 zu ihrem reichen Vetter schickten,damit er studieren konnte. Er war erfolgreich und erhielt den Magistergrad. Das Wissen findetallgem<strong>ein</strong> Anerkennung. Sogar der spätere Wechsel Fausts vom Theologiestudium zumMedizinstudium wird in dieser Faust-Fassung gebilligt, da das Wissen über andere alsgöttliche Dinge, im Gegensatz zu der Historia, nun in der Gesellschaft akzeptiert wird 134 :[Faust] wußte s<strong>ein</strong>en Eltern aber gar bald <strong>ein</strong> gutes Sentiment von der an sich selbsthöchstnützlichen Medizin und Astronomie beizubringen. 135Als den ersten und wichtigsten Grund für den Teufelspakt könnte die Suche Fausts nachGlück genannt werden. Das Verlangen nach Glück spürt er zum ersten Mal, als er merkt, dasser langsam s<strong>ein</strong> geerbtes Vermögen ausgegeben hat und k<strong>ein</strong> Geld mehr besitzt:Als er bei der merklichen Abnahme s<strong>ein</strong>es Vermögens sich der liederlichenGesellschaft entschlagen mußte, so lehrte ihn gar der schändliche Müßiggang aufMittel sinnen, sich durch <strong>ein</strong> teufelisches Bündnis auf der Welt glücklich zumachen. 136„Durch <strong>ein</strong> teufelisches Bündnis auf der Welt glücklich” zu werden ist der Hauptgrund fürFausts Teufelspakt. Woraus aber besteht Fausts Glück? In dem Pakttext zählt Faust alles dasauf, was für ihn „Glück” ist:...soll [der Teufel] mir alles leisten und erfüllen, was m<strong>ein</strong> Herz, Gemüte, Sinn undVerstand begehret und haben will, und soll an nichts Mangel ersch<strong>ein</strong>en, und so denndem also s<strong>ein</strong> wird, so verschreibe ich mich hiermit mit m<strong>ein</strong>em eigenen Blute... 137Der Mangel an Geld und Vermögen gibt den Anstoß zur Suche nach Glück; Faust kann nichtmehr an dem teilnehmen, was ihm bekannt und angenehm geworden ist - er muss sich ja „derliederlichen Gesellschaft entschlagen” 138 . Er ist mit s<strong>ein</strong>em Zustand nicht glücklich und hatden Wunsch, wieder glücklich zu s<strong>ein</strong> und in s<strong>ein</strong>en Kreisen zu verkehren. Dieses Glückglaubt er nun durch <strong>ein</strong> Bündnis mit dem Teufel finden zu können.132 Szamatólski: Das Faustbuch des Christlich Meynenden , S. VIII-IX.133 „Christlich Meynender”, S. 164.134 Lubkoll nennt diese Entwicklung „Legitimation der Erkenntnis”. Lubkoll: „und wär’s <strong>ein</strong> Augenblick...”, S.68.135 „Christlich Meynender”, S. 164.136 ebd., S. 165.137 ebd., S. 168.138 ebd., S. 165.44

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