ein unmoralisches Angebot? - Åbo Akademi

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13.07.2015 Aufrufe

Ende gedacht, schon fand ich mich im Ateneum 882 vor diesem Bild. Ich habe mich derarterschrocken, dass ich beinahe laut geschrieen hätte. Ohne einen Versuch, dieses von mirersehnte Bild anzuschauen bin ich im Museum an eine ruhige Stelle geschlichen undwünschte mich zurück in meinem Atelier. Im selben Moment war ich schon da. Erst nachdiesem Vorfall verstand ich, was ‚der freie Eintritt in die Museen der Welt’ bedeutete und mitwem ich den Pakt geschlossen hatte. Als ich die Lage der Dinge erkannte, verlor ich meineSchaffenskraft gänzlich. Ich konnte zwar immer noch malen, aber ich schaffte es nicht, einenGeist in die Werke zu bringen. Nach einigen Versuchen hörte ich ganz auf zu malen. DieVersuche brachte ich in einen Stadtteil, wo es viele Ateliers gab. Ich dachte, dass siezumindest für andere Künstler als Grundlagen dienen könnten, aber die waren doch in denVerkauf gebracht worden.Der eigentliche Schrecken des Paktinhalts stellte sich für mich erst viel später heraus. Da ichimmer allein war, konnte ich mein Älterwerden nicht so genau feststellen. Der erste Hinweiswar, dass die Uhren in all meinen Wohnungen nicht funktionierten. Sie blieben immer beizwölf stehen, auch wenn ich ganz neue mitbrachte. Ich konnte jedoch nicht den richtigenSchluss daraus ziehen.Als ich dann doch irgendwo unterwegs war, nachdem ich schon mit der Malerei aufgehörthatte, wunderte sich irgendein Bekannter, dass ich seit unserem letzten Treffen nicht ältergeworden war, wobei sein Haar bereits grau zu werden begann. Ich schreckte auf underinnerte mich an die Diskussion vor dem Paktschluss: ich sah ein, dass mein damaligerWunsch für mich in Erfüllung gegangen war. Meine Zeit stand still! Das bedeutete, dass ichnicht älter wurde, sondern immer so alt blieb, wie zum Zeitpunkt des Paktabschlusses. Nochviele Jahre vergingen, bis ich die ganze Entsetzlichkeit der Sache begriff: das Stillstehen derZeit bedeutet ein ewiges Leben. Was für ein Schicksal für einen Künstler, der seineSchaffenskraft verloren hat.- Ach du Ärmster, sagte ich zu Arttu, stand auf und drückte seinen Kopf gegen meine Brust.Er fing an zu weinen; zuerst aus Ergriffenheit, dann, um den jahrelangen Druck zu erleichtern.Ich habe ihn gestreichelt, bis er völlig erschöpft einschlief. In der Zeit, als er schlief, schriebich unsere Unterhaltung – oder vielmehr seine Erzählung – auf. Nachdem ich dies allesnochmals gelesen habe, füge ich noch hinzu, dass Arttu über all diese Jahre den Dialekt seinerHeimat behalten hat, aber es wäre eine unüberwindliche Aufgabe für mich gewesen, alles soaufzuschreiben, wie er es gesagt hat. Ich zeige hier jedoch ein Beispiel, also versuche icheinen zufällig ausgewählten Satz so zu formulieren, wie ich meine, dass er ihn gesagt hat: 883Wo ich misch dann doch irgendwo bewege tat, ganz besonders dodenach, wo ich aagfangehott zu male, do wunnert sisch ää Bekannder, dass ich seit denne unsere letzschde Treffe netälder gworre, wo doch soi Hoar schunn ganz grau gworre war.Ich weckte Arttu als ich den Brief bis dahin fertig geschrieben hatte, da ein Tag so sehr kurzist, und ich ihn wach haben wollte. Wir haben uns bis zur völligen Erschöpfung geliebt. Ichmusste richtig aufpassen, dass ich in dieses süße Gefühl nicht einschlafe. Ich habe ihn danngebeten, weiterzuerzählen. Er konnte auch schon lustige Seiten an seinem ewigen Lebenfinden. Er brauchte ja Zeitvertreib. Deshalb läuft er in Kunstmuseen herum. Er sagte, dass erirgendwann einmal verstanden hatte, dass die Menschen ihn nicht sehen können, wenn er sichnur mit der Kraft seiner Gedanken versetzen lässt, es sei denn, dass sie sich so in einKunstwerk vertiefen, dass sie selbst den Lauf der Zeit vergessen. Dann merken sie ihnplötzlich, wenn er gerade im Sichtfeld ist, aber verlieren ihn, sobald sie wieder in die laufendeZeit hineinorientieren. (Das erklärt auch diese „Offenbarungen“, über die manchmal in denMedien berichtet wird, besonders in den drittklassigen Sensationsblättern.) Heutzutage, sagteArttu, würde er mehr mit öffentlichen Verkehrsmitteln reisen, da er dann Menschen begegnet,882 Das ‚Ateneum’ ist ein Kunstmuseum in Helsinki883 Da es unmöglich ist, finnische Dialekte in einem deutschen Dialekt genau wiederzugeben, habe ich die mirzurzeit am nächsten stehende Mundart, das Pfälzische, für diese Stelle gewählt.400

und keiner mehr ihn vom Aussehen kennt, da man ihn schon für einen alten Mann hält. So einnormales Reisen ist jedoch nur in Mittel- und Südeuropa möglich, da man für andere Zieleeinen Reisepass braucht, und er sich nicht erniedrigen will, eine falsche Identität anzunehmen.Ich habe Arttu mein Schreiben gegeben, das ich über ihn mal gemacht haben musste,überhaupt den ganzen Inhalt des Arttu Väätälä –Kästchens. Er hat mehr Freude daran als ich,weil es ein Teil seines alten Lebens ist, wovon er noch Erinnerungen hat.Er seinerseits hat aus seiner Jackeninnentasche eine Papierrolle herausgeholt. Es war diePferde-Mona Lisa, die er meinte, bei sich gehabt zu haben, seit er auf eine Einladung von mirgewartet hatte. – Du bist der einzige Mensch, der dies je gesehen hat, und so soll es auchbleiben, sagte er. Er machte geschickt einen Rahmen, und gemeinsam wählten wir einenguten Platz dafür.Dann fiel mir ein zu fragen, ob er etwas über meinen Tod wüsste, wie das geschehen war, daich selbst nicht wusste. Er sagte, dass ich brutal gequält und umgebracht worden war. Manhatte mich in meinem Hotelzimmer überfallen und in ein geheimes Übungslager vonTerroristen gebracht. Als ich fragte, warum, erzählte er mir, dass ich als Reporterin ihreGrausamkeiten in dem damaligen Krieg entschleiert hatte, und dadurch das Ende des Krieges– aber auch Unannehmlichkeiten für die Terroristen – bewirkt hatte. Über meinen Tod wussteman in der Öffentlichkeit nichts.Ich war nun an der Reihe, zu weinen. Als ich mich wieder beruhigt hatte, versprach Arttu, mirnie wieder unangenehme Dinge aus meiner Vergangenheit zu erzählen.Ich habe diesen Brief zu Ende geschrieben und bringe ihn nun auf seinen „Postweg“. Arttuhat versprochen, in der Zeit ein Sonderleckerabendessen zu machen. Und dann machen wireine ordentliche Fete.401

und k<strong>ein</strong>er mehr ihn vom Aussehen kennt, da man ihn schon für <strong>ein</strong>en alten Mann hält. So <strong>ein</strong>normales Reisen ist jedoch nur in Mittel- und Südeuropa möglich, da man für andere Ziele<strong>ein</strong>en Reisepass braucht, und er sich nicht erniedrigen will, <strong>ein</strong>e falsche Identität anzunehmen.Ich habe Arttu m<strong>ein</strong> Schreiben gegeben, das ich über ihn mal gemacht haben musste,überhaupt den ganzen Inhalt des Arttu Väätälä –Kästchens. Er hat mehr Freude daran als ich,weil es <strong>ein</strong> Teil s<strong>ein</strong>es alten Lebens ist, wovon er noch Erinnerungen hat.Er s<strong>ein</strong>erseits hat aus s<strong>ein</strong>er Jackeninnentasche <strong>ein</strong>e Papierrolle herausgeholt. Es war diePferde-Mona Lisa, die er m<strong>ein</strong>te, bei sich gehabt zu haben, seit er auf <strong>ein</strong>e Einladung von mirgewartet hatte. – Du bist der <strong>ein</strong>zige Mensch, der dies je gesehen hat, und so soll es auchbleiben, sagte er. Er machte geschickt <strong>ein</strong>en Rahmen, und gem<strong>ein</strong>sam wählten wir <strong>ein</strong>enguten Platz dafür.Dann fiel mir <strong>ein</strong> zu fragen, ob er etwas über m<strong>ein</strong>en Tod wüsste, wie das geschehen war, daich selbst nicht wusste. Er sagte, dass ich brutal gequält und umgebracht worden war. Manhatte mich in m<strong>ein</strong>em Hotelzimmer überfallen und in <strong>ein</strong> geheimes Übungslager vonTerroristen gebracht. Als ich fragte, warum, erzählte er mir, dass ich als Reporterin ihreGrausamkeiten in dem damaligen Krieg entschleiert hatte, und dadurch das Ende des Krieges– aber auch Unannehmlichkeiten für die Terroristen – bewirkt hatte. Über m<strong>ein</strong>en Tod wussteman in der Öffentlichkeit nichts.Ich war nun an der Reihe, zu w<strong>ein</strong>en. Als ich mich wieder beruhigt hatte, versprach Arttu, mirnie wieder unangenehme Dinge aus m<strong>ein</strong>er Vergangenheit zu erzählen.Ich habe diesen Brief zu Ende geschrieben und bringe ihn nun auf s<strong>ein</strong>en „Postweg“. Arttuhat versprochen, in der Zeit <strong>ein</strong> Sonderleckerabendessen zu machen. Und dann machen wir<strong>ein</strong>e ordentliche Fete.401

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